Der Friedhof im Walde^^M^/ Ul eit von hier au der äußersten Grunze des dcntschcn Gebietes gegen Kroatien liegt ein altes schloß, dessen Felscngruud von einem Bache mm stossen wird, welcher nnwcit davon sich mit der Knlpa vereinigt. Bor Jahrhunderten gewährte cs in den Türkcnkricgcn oftmals Schntz gegen den Erbfeind des christlichen Namens und Glaubens, manchmal ward es aber anch von demselben er¬ obert und zerstört, wobei seine Bewohner grausam gctödtct oder noch grausamer gcmißhandelt wurden. Aus deu Trümmern immer wieder neu aufgcbaut, ist dieß alte feste Greuzhaus in den letzten Jahren der Mittelpunkt friedlicher Gcwcrbthätigkeit gewor¬ den. Statt des ehemaligen Kricgslärms und des wilden Gcschrci's der Feinde tönt jetzt hier das Brausen der Hochöfen, das Pochen der Hämmer, das gleichmäßige Stöhnen und Pfeifen der Ma schineu. Wie au allen derartigen Plätzen ist anch dort die Bevölkerung eine sehr gemischte. Serben, Kroaten, Krainer und Deutsche, Männer aus dem Elsaß, aus Schwaben und ans der Schweiz, vom Rhein wie von den Quellen des Neckars und der Donau leben und arbeiten nun hier friedlich neben einander, Anhänger der verschiedensten christlichen Kirchen wirken hier Hand in Hand zum wohlbe- rechneten Zwecke des großen Ganzen. Da begab sich's, daß Einer derselben, ein Protestant, ans ischwabcn, starb nnd dort draußen seine letzte Ruhestätte finden sollte, was ihm wohl daheim an der Wiege' gesungen worden war. Ein evan¬ gelischer Prediger, der nächste, war 12 Meilen weit hcrbcigerufen und gekommen, um bei der Beerdigung des Verstorbenen die kirchliche Feier zu vollziehen. Allgemein war die Thcilnahmc an derselben und Hunderte begleiteten die Leiche des Fremdlings zum stillen Grabe. Langsam bewegte sich der Zug zum Schloßhofc hinaus und durch das umliegende Dorf, und immer weiter giug's zwischen reifenden Getreidefeldern, ländlichen Hätten und blühenden Wiesen hindurch gegen den nächsten Wald hin. Am Eingang in denselben, wo viel¬ leicht vor alten Zeiten ein Kloster gestanden haben mag, liegt eine kleine Kapelle, vor welcher ein Jahrhundertealter Lindenbaum grünt, und neben welcher unter moosigen Hügeln die Erdcnpilgcr ruhen, welche hier ihre Wanderschaft hienicdcn vollendet. Aber der Friedhof war zu klein und der Schlnmmerer waren zu viele geworden, da war kein Raum mehr für den ueucu Ankömmling; ein weiteres Stück Land mitten unter den Bäumen des Waldes hatte hinzugcfügt werden müssen. Dort¬ hin begab sich der ganze Zug uud trat in einen Kreis um das offcuc Grab. Der Prediger sprach das schöne erhebende Wcihegcbct der evangelischen Kirche über den neuen Friedhof und das Grab im Walde. Dazu schien die Sonne vom klaren blauen Himmel hernieder und die Bogel sangen, als ob's keinen Tod und kein Grab gäbe, die Blätter der Bäume rauschte», und der Kukuk rief darein, gerade wie daheim im Schwarzwald und auf der schwäbischen Alp. Dar¬ auf begann der Prediger die Versammelten au ihre Heimat zu erinnern, da so viele von ihnen hier nicht Bürger, hier nicht heimatberechtiget seien, alle wahren Christen seien jedoch Bürger des Himmelreiches und heimatbercchtiget im himmlischen Jerusalem. Er erinnerte sic daran, wie sie wohl einst vor Jahren aus ihrer irdischen Heimat und dem Vaterhanse gezogen, wie vielleicht die Mutter noch ein Mal sie schluchzend an's Herz gedrückt und der Vater segnend die Hand ihnen auf's Haupt gelegt und gesprochen: „Geh', mein Kind, hinaus in die weite Welt, bete und arbeite, fürchte Gott und halte seine Gebote, und sein Segen sei mit Dir! Wcnn's Dir aber gar zu schlecht geht in der Welt, so denke an's Vaterhaus und an die Mutterliebe, und kehre wieder heim!" Gerade so habe der himmlische Vater seine Menschenkinder in die weite, weite Welt gehen lassen, und wenn sie hienieden genug geirrt, gesündigt und bereut, genug gearbeitet, gekämpft und geduldet, so sende er ihnen seinen schönsten Engel, den wir Menschen Tod nennen, und lasse ihnen sagen: „Komm wieder, Menschenkind! Kehre heim zu den Wohnungen in Deines Vaters Hause!" Dann sterben die Men¬ schen nach Gottes nnerforschlichcm, aber allweisem und allgütigcm Rathschlnssc, nnd gehen heim in die selige Heimat, wo kein Leid nnd keine Thräne mehr ist, und das Heimweh des Kindcsherzens für immer gestillt wird. Tief ergriffen und weinend horchten die An¬ wesenden den Worten des Predigers, nnd obgleich Viele keines derselben verstanden, ergriff sie doch das Mitgefühls über manche wettcrgebräunte nnd sonnverbrannte Wange rollte eine Thräne nnd Keiner schämte sich derselben. Die Witwe aber mit ihren kleinen Kindern stand am Rande des Grabes und schluchzte bitterlich; da schmiegte sich ihr ältestes Töchterlein an sie und sprach zu ihr: „Mutter, weine doch nicht so, wir haben noch einen Vater, wir wollen zn ihm beten." Und nachdem der Sarg in die Grnft hinabgcsenkt war nnd Jeder eine Hand voll Erde darauf gestreut hatte, da traten sie Alle noch ein Mal zn einem stillen Gebete in den Kreis zusammen. Die an¬ dächtigen Gedanken aller Anwesenden, evangelischer, römischer und griechischer Christen, vereinigten sich in Eine heilige Flamme, hoch zn des Vaters Throne emporsteigcnd; die Vögel schwiegen, der Wald rauschte nicht, eine heilige Stille, tiefer und feier¬ licher als in kirchlichen Domen, herrschte umher; es war, als stünde der Engel des Herrn mitten unter dcr Betcrschaar — und die Stille des Waldes über dem kleinen Gottesacker predigte lauter als das Rauschen der Blätter/ und der Gesang der Vögel, gewaltiger als das liebliche Trostwort des Kindes, ergreifender als die ernste Mahnung des Predigers. Ein Augenblick der heiligsten Weihe lag über dem Friedhöfe im Walde, ein Augenblick, der Manchem unvergeßlich bleiben wird. L C. Druck und Verla« von Sgn. v. Klemmayr und F. Bamberg in Laibach.