Deutsches Lesebuch für die erste Klasse der Mittelschulen. Laibach. Druck und Verlag von Jg. v. Kleinmayr L Fed. Bamberg. 1875. Deutsches Lesebuch für die erste Klasse der Mittelschulen Von Anton Heinrich, ofessor am Obergvmnasittm in Laibach. Laibach. Druck und Verlag von Ig. v. Kleinmayr L Fed. Bamberg. 1873. Vorrede. Weniger der Notwendigkeit einer Uebereinstimmnng des Lesebuches mit der Grammatik, *) besonders mit der darin beobachteten Orthographie, **) als vielmehr der Unerläßlichkcit einer größeren Harmonie des deutsch¬ sprachlichen Unterrichtes mit den übrigen Lehrgegenständen, sowie dem Wunsche, den Anforderungen gerecht zu werden, welche Professor Dr. E. Laas in seinem über alles Lob erhabenen Werke „Der deutsche Unter¬ richt auf höheren Lehranstalten" an ein Lesebuch stellt, verdankt das vor¬ liegende seine Entstehung; auch den Versuch wagte ich, zur Bildung des Herzens und Willens ein reiches Material zu liefern durch Aufnahme von Sprichwörtern und Gnomen, die ihrem Inhalte nach sich an das jeweilig voranstehende Lesestück anreihen, so daß die Erinnerung an das eine zu dem anderen führt. Vielleicht kann auf diesem Wege dem so oft geäußerten Wunsche, die Schule möge den Abgang des Moral¬ unterrichtes ersetzen, den vorhandenen jedenfalls unterstützen, begegnet wer¬ den. Bei wissenschaftlichen Arbeiten, z. B. Chrien, soll der Schüler Stellen aus Klassikern zitieren. Wie wenige machen sich Auszüge, wie wenige verzeichnen sich Früchte aus ihrer Privatlektüre. Es dürfte ge¬ raten sein, die Schüler dazu zu verhalten, sich die in diesem Buche vor¬ kommenden Sprüche (die alle antigua gedruckt sind), in ein eigenes Büch¬ lein, ein Vademecum fürs Leben, Lektion für Lektion abzuschreiben und sie zu memorieren. Lernte die Jugend des Altertums die Gesetze des Staates auswendig, so wird unsere Zeit noch besser thun, wenn sie die Kinder anhält, sich die Gesetze der Moral und Weisheit, der Erhalterin¬ nen der Staaten, dauernd einzuprägen. — Es wird an unseren Anstalten *) Die dritte Auflage meiner „Grammatik der deutschen Sprache" erscheint soeben im Verlage dieses Lehrbuches. **) Für jene Anstalten, welche dieses Lesebuch, nicht aber meine Grammatik benutzen, sei erwähnt, daß ich die „Deutsche Orthographie von L. Engelmann, München 1871" aunehme. * IV der Forderung von Laos (S. 694), die Übersetzungen ins Deutsche sollen geschrieben werden, nicht immer genügegcleistet; wie selten noch immer der anderen, anch im O. E. stehenden, des Diktandoschreibens. Jean Paul legt dem Schreiben einen weitaus größeren Wert bei als dem Le¬ sen; und Herder hat lautes, richtiges Lesen und auswendig Vortragen als überaus bildend verteidigt. (Bei Laas S. 44.) Dies zu erleichtern habe ich in der ersten Hälfte des Lesebuches das hochbctonte Wort des Satzes mit dem Acceute versehen, wodurch das Verständniß ost schneller herbeigeführt wird als durch Erklärungen. In der zweiten Hälfte möge die Probe gemacht werden, wie weit der Schüler im richtigen Lesen ohne Nachhilfe komme. Jene Lesestücke, welche Laas auf dieser Stufe memoriert wissen will, sind ebenfalls uutigun gedruckt. Das Abschreiben der Gnomen kann nach der Reihenfolge ihres Vorkommens geschehen, am Ende des Schul¬ jahres mögen jedoch dem Hefte die Verzeichnisse II und III (letzteres na¬ türlich nur in Bezug auf die Sprüche) augefügt werden. Das Aus¬ wendiglernen wird bedeutend gefördert, wenn der Schüler die Gedichtchen scandiert, was ohne Anstand auch schon in der ersten Klasse geschehen kann; denn das musikalische Taktgefühl ist auf dieser Altersstufe rege genug. Es macht Freude, mehrere Schüler zugleich scandieren zu lassen. Die Benennung der Metren ist natürlich noch nicht angezeigt. Die Lesestücke dürfen nicht zu leicht verständlich sein, soll anders die Schule ihrer Aufgabe, den Schüler nach und nach zur Selbstbildung zu befähigen, gerecht werden; doch müssen sie unter Anleitung verstanden werden können. Geschichtliche gehören nicht in die erste Klasse, weil hier Geschichte noch nicht vorgetragen wird; ebenso keine über Botanik, Mineralogie rc. Und die zur Belebung des geographischen und natur¬ geschichtlichen Unterrichtes habe ich ihrem Inhalte nach in die Reihen¬ folge gesetzt, in welcher die einzelnen Partieen dieser Doktrinen in der Schule vorgenommen werden. Es wäre z. B. ungeschickt, einen Aufsatz über das Remitier früher zu bringen, als ein Lesestück über den Maulwurf. Im Anfänge des Buches stehen zumeist kleinere epische Lesestücke. An Beschreibungen, die ja überhaupt erst nach den Erzählungen vor- geuommen werden sollen, liefern die geographischen und uaturhistorischen Aufsätze vollständig genug. Das lyrische Gedicht macht seine Wirkung erst, wenn in der jungen Brust das eigene poetische Gefühl Knospen an¬ setzt; hier sind nur Stimmungsgedichte mit beschreibender Grundlage und diese in geringer Anzahl ausgenommen. (Sieh Verzeichniß IV.) Die Unterscheidung der Kategorien der epischen Lesestücke ist dem Belieben des v Lehrers überlassen; sie ist dem Schüler noch gleichgültig. Sagen ge¬ hören eigentlich erst in jene Klassen, in welchen die Geschichte der be¬ treffenden Völker gelehrt wird; doch habe ich bemerkt, daß die Jngend sie, auch ohne im Besitze der historischen Grundlage zu sein, gerne liest, namentlich die Grimmschen; ich nahm jedoch gleichwol nur einige wenige und nur solche auf, welche zu ihrem Verständnisse des geschichtlichen Un¬ terrichtes entraten können. — Die Aufsätze aus der Geographie und Naturgeschichte folgen ziemlich spät, um dem Unterrichte dieser Fächer ja nicht vorzugreifen. Sie dienen nicht als Lehre, sondern als Belebung und Aufmunterung. Daß sich manche Lesestücke in s a st j e d e m L e s e buche finden, war mir Grund genug, sie ebenfalls aufzunehmen, denn sie sind als besonders zweckentsprechend anerkannt worden. Wenn ich gleichwol manche derartige nicht aufnahm, so stehen sie in jenen Werken, welche ich gemäß Wackernagels Forderung (bei Laas S. 114): „der Lehrer sorge für passende Privat¬ lektüre und überzeuge sich durch Referate, daß und wie gelesen werde," im Verzeichnisse V als für die erste Klasse geeignet anführe. Ich komme durch diesen Canon einer Aufforderung nach, welche der Lehrkörper unseres Gymnasiums in richtiger Erkenntniß der Wichtigkeit der Sache auf Anregung des Direktors an mich stellte. Daß dieses Berzeichniß nicht für vollständig gelten will, ist selbstverständlich; doch dürfte es den Herren Kollegen, welche die Leitung der Schülerbibliothek unter sich haben, große Erleichterung ihres mühevollen Geschäftes gewähren. Antologien von Gedichten habe ich nicht angeführt; sie zersplittern, und der Schüler mei¬ det sie; außer dem Lesebuche können nur die selbstangelcgten Nutzen bringen. Die biographischen Notizen über die für die erste Klasse vorzugsweise geeigneten Schriftsteller werden anregend wirken. — Der Patriotismus ist die Belebung unserer Gefühle, die Anwendung un¬ serer Kenntnisse und Kräfte, die Verwertung unseres Jchs für das Vater¬ land. Daher müssen wir zuerst unsere Gefühle überhaupt menschlich läu¬ tern, uns Kenntnisse und Kraft erwerben, wir müssen zuerst etwas werden, um dem Staate etwas geben zu können. Vorerst tüchtige Menschen, dann brave Bürger. „Je universeller der Blick, desto nationeller das Herz." Laas S. 50. Daher habe ich erst am Ende des Buches in einer mir für die erste Klasse geeignet scheinenden Weise dieses Feld zu bebauen begon¬ nen, fortgesetzt muß dieses Bemühen in den folgenden Jahrgängen werden. Die Einteilung berücksichtigt nicht nur die Verwandtschaft des Inhalts der Lesestücke, sondern auch, soweit dies möglich ist, die Iah- VI re sz eit und Lebens nm stände des Schülers, in welche die Lektüre beiläufig fallen kann. Die erklärenden Anmerkungen sind vollständig, damit das prä¬ parierende Nachschlageu in aller Art Werken erspart bleibe; sprachliche Er¬ läuterungen jedoch oder gar Andeutungen, was für grammatische Exerci- tien vorzunchmeu seien, habe ich als anmaßend und, durch Beschränkung, störend unterlassen.*) Fremdwörter sind verdeutscht, damit der Schüler die etwa vergessene Erklärung des Lehrers im Buche wiederfinde. Nur die eine Bemerkung kann ich nicht unterdrücken, daß mir bei dem deutschen Unterrichte an Nichtdentsche das bloße Uebersetzen eine, ich möchte sagen zu magere Lehrweise erscheint. Nur in der Volksschule möge sie angewen¬ det werden. Ausgiebiger ist das Umschreiben. Durch Bekanntes Unbekann¬ tes lernen erweitert den Gesichtskreis, verwertet das schon gewonnene sprach¬ liche Eigentum und beseitigt die Ängstlichkeit vor der Anwendung des fremden Idioms. Werden doch bei dem Unterrichte in fremden lebenden Sprachen Konversationsstunden gehalten. Erst nach der Umschreibung möge die Uebersetzung ihren Platz finden. Für freundliche, werkthätige Unterstützung sage ich meinen geehrten Herren Kollegen, vornehmlich dem Herrn Direktor Jakob Smolej, k. k. Schul¬ rate, den herzlichsten Dank. Bei Ausstattung des Buches hat der Verleger besonders darnach getrachtet, das Auge des Schülers zu schonen. Obgleich ich mir alle Mühe gegeben habe, so bitte ich doch, bei Beurteilung des Buches mehr meine Absichten, als die Tüchtigkeit ihrer Ausführung in Anschlag zu bringen. Laibach, im Mai 1875. D. V. *) Die erklärten Wörter sind im Texte mit einem Sternchen versehen. I. Mhaltsverzeichniß (Die Ziffern zeigen bas Lesestück an; die nicht angeführten enthalten Sprichwörter und moralische Sprüche aus den Klassikern, über die ein eigenes Register beigesügt ist. Antiqua find diejenigen gedruckt, welche Laas memoriert wissen will. Sieh Vorrede.) I. Hcrbstlied. Bon Salis-Seewis. 3. Nichts und etwas. Von Hebel. 5. Der Star von Seegringen. Von Hebel. 7. Die beiden Pflüge. Bon Castelli. 9. Der Buchweizen. Von Andersen. 11. Rätsel. Von Schiller. 12. Affenliebe. Von Brehm. 14. Die Hausräte. Von Auerbach. 16. Liuüolrr. Von Dülauä. 18. Fremdes Gut. Bon Engel. 20. Der Pilger. Von Chr. Schmidt. 22. Der Blinde und der Lahme. V. Gellert. 24. Der Morgenstern. Von H. Wagner. 26. Das stäte Andenken. Von Haug. 27. Die Eltern im Grabe. Von Rückert. 28. Rätsel. Von Simrock. 29. Der Fuchs und der Bock. NachAesop, von Seidl. 31. Der kluge Richter. Aus den Palin blättern. 33. Das Loüvort. Von Ilülavü. 35. Der kluge Kaufmann. Bon A. H cinrich. 37. Der Löwe und der Hase. Aus dem Indischen. 39. Doktor Allwissend. Voll Grimm 41. Das Pferd und der Esel. Von Gleim. 43. Rätsel. Von Scherer. 44. Die Fledermaus. Von Kaupp. 46. Gebet eines kleinen Knaben au den hl. Christ. Von Arndt. 47. Die Sonne. Von Hebel. 49. Zeus und das Schaf. Bon Lessing. 50. LlSAkrisäs Folnrort. Von Dülanä. 51. Der Gemsjäger. Von Grimm. 53. Der alte Hofhund. Bon Grimm. 55. Der große Hund. Von Andersen. 57. Des fremden Kindes hl. Christ. Von Rückert. 58. Das seltsame Rezept. Von Hebel. 59. Herr von Münchhausen erzählt. Von Erich Raspe. 61. Der Bauer und sein Sohn. Von Gellert 63. Die Hauskatze. Nach H. Wagner. 65. Der Maulwurf. Von Hebel. 66. s. Rätsel. Bon Simrock. 67. 8oklväbisolis Laucks. Voll Dülauck. 69. Drei Wünsche. Von Hebel. 71. Die Eiche und das Schwein. Von Lessing. 73. Die Biene und die Taube. Von Michaelis. 75. Der Igel. Von Lenz. 77. Vboucklisck. Von 61anckins. 78. Mathias Claudius. Von A. Heinrich 79. Das beste Gebet. Von Claudius. 81. Die Planeten. Nach Winter. 83. Rätsel. Von Schiller. 84. Dsr Zats Lmnsrsck. Von Dülanck. 86. Rübezahl. Von Kletke. 88. Die beiden Ziegen. Von Grimm. 89. Die Katzen und der Hausherr. Von Lichtwcr. — Vlil — 91. Der Csäloka Peter. Von A. Heinrich. 93. Rätsel. Bon Fricdr. Oldenberg. 94. Der Löwe. Von Lenz. 96. Der Eispalast. Von Fischer. 97. Rätsel. Bon I. Sturm u. A. H. 98. Das Märchen vom Manne im Monde. Bon Bechstein. . 100. Dis vvsnllvlnäo Dtostco. Von Oötbs. 101. 2. Rätsel. Von Simrock. 102. Der geheilte Patient. Bon Hebel. 103. 4. Rätsel. Bon Simrock. 104. Johann Peter Hebel. Von Anton Heinrich. 106. Der Zeisig und die Nachtigall. Von Gellert. 108. Die Pintschcr. Von Brehm. 110. Der weiße Hirsch. Von Uhland. 112. Ein verlorner Tag. Von A. Heinrich. 114. 8onnsus.ntAg.nA. Von tllsuäins. 116. Das wolfeile Mittagessen. VonHebcl. 118. Der schwarze Bär auf Kamtschatka. Von Storch. 120. Frühlingslied Von Hölty. 121. Eine Luftfahrt. Von Piickler-Muskau. 122. Rätsel. Von Schiller. 124. Ein armer Geber. Von Hebel. 126. Der arme Musikant und sein College. Von Horn. 128. Vergleichungsstufen. Von Anton Heinrich. 130. Der Lobnik. Von Lobitlsr. 131. Fran Hütt in Tirol. 133. Der Hase. Von Lenz. 134. Rätsel. Von Simrock. 135. Der Prozeß. Bon Gellert. 137. Das Wasser als zerstörendes Ele¬ ment. Von H. Stahl. 138. 2. Rätsel. Von Reinhold. 139. Das Land der Hinkenden. Von Gellert. 140. Aus Gellerts Leben. Bon H. Pfeil. 142. Der Reisende. Von Gellert. 144. Ueber den Zufall. Von A. Heinrich. 146. Der Siebenschläfer. Von Bogel. 147. Dis Dastis. Von Dbtanä. 148. Edle Rache. Von Jakobs. 150. Das Leuchten des Meeres. Von W. Zimmermann. 152. Vom Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt. Von Rückert. 154. Bergschafe und Lämmergeier. Von H. Wagner. 155. Rätsel. Aus Scherers Rätsclbuch. 156. Wie der Csikös die Pferde bändig t. Von A. Heinrich. 158. Der Lowe und der Fuchs. Von Gleim. 159. Löwe und Büffel im Kampfe. Von Lauckhardt. 161. Kannitverstau. Von Hebel. 163. Rätsel. Von Scherer. 164. Entstehung des Mittelmeeres. Von W. Zimmermann. 166. Der Wolf und der Mensch. Von Grimm. 168. Der betrogene Teufel. Von Rückert. 169. Der Fuchs und der Hahn. Nach Lafontaine. 171. Lohn der Freigebigkeit. Von Rückert. 172. Steppeustürme. Aus Vogels geogr. Bildern. 174. Das Rennticr. Nach Lauckhardt. 176. In der europäischen Türkei. Von Gerstäckcr. 177. Die Rübe. Von Grimm. 179. Die Sahara. Von Kutzner. 181 Das Kamcel. Nach Kidd. 182 Rätsel. Bon A. Heinrich. 183. Das Ricsenspielzeug. Von Grimm. 184. Das Ricsenspielzeug. Von Chamisso. 185. z. Rätsel. Von Simrock. 186. Dornröschen. Von Bechstein. 188. Firn und Gletscher. Bon Heinrich Wagner. 189. 2. Rätsel. Von Pfarrius. 190. Die Heinzelmännchen. Von Kopisch. 192. Nutzen und Schaden der Maikäfer. Von Rebau. 193. vor 8onntAA. Von Hotkmann vou Dsllsrslsbon. IX 195. Der Seidenwurm. Von Kühner. 197. Der Ausbruch des Vesuvs im I. 79. Von M. Haupt. 199. Die Bremer Stadtmusikanten. Von Grimm. 200. s. Rätsel. Von A. Heinrich. 201. Schweden und Norwegen. Von A. Heinrich. 203. Der Prozessionsspinner. Von Neu- kirch. 205. Die Spinnen. Von Hebel. 207. Das Spinnlein. Nach Hebel. 208. Hammerfest. Aus den Charakter¬ bildern von Grube. 210. Die Weinbergschnecke. VonLauckhard. 211. z. Rätsel. Von Simrock. 212. Unglück der Stadt Lehden. Von Hebel. 214. Vertrauen und Treue. Aus den Palmblättern. 216. Die kleine Naturforscherin. Von Proschko. 218. Die Korallenstaude. Von Pfaff. 219. z. Rätsel. Von Löwicke. 220. Russische Auswanderer. Aus dem NsssLAsr äs I'Luroxs. 222. Die Sinne und ihr Gebrauch. Bon Musson. 223. s. Rätsel. Von Pfarrius. 224. Das Erkennen. Bon I. N. Vogel. II. Verzeichniß der Sprichwörter und Gnomen nach ihrem Inhalte geordnet. Arbeit. 2,1. 6. 8,1,4. 15,2,8. 103,1. 127,i. 141,g. Sieh auch Müßiggang. Armut. 127, i. Sieh auch Reichtum. Ausdauer. 204, 2. 225,1. S. auch Mut. Begeisterung. 34,4. Bescheidenheit. 180, g. 185,1. Beschränkung. Sieh Maß, Selbstbeher- schung. Beständigkeit (des Ewigen) 151, 1, (der Gesinnung) 151,2. Sieh Ausdauer. Bewußtsein. 13. Sieh Selbstkenntniß. Biederkeit. 38,2. Sieh Edelmut. Dankbarkeit. 48,4. Sieh Undank. Dienstfertigkeit. 23. Sieh Hilfreich. Dummheit. Sieh Thorheit. Edelmut. 19,i. 107,2. 127,2. 129. 149, s. 215, 2. 217,1. Sieh Biederkeit, Hilfreich. Eigensinn. 87,4. Sieh Maß, Uebereilung. Einsamkeit. Sieh Gesellschaft. Eitelkeit. 86,2. 87,2. 167,1. Entschlossenheit. Sieh Mut. Erfahrung. 113,1. S. Klugheit, Weisheit. Falschheit. 30,2. 92,2. 170, g. Feindesliebe. Sieh Verzeihen. Fleiß. Sieh Arbeit. Freundschaft. 42,1, z. 200,1. 206, 2. Freude, Frohsinn. 15, 3. 60, 2. 103, z. 105, 2. 119. Freigebigkeit. Sieh Hilfreich, Geiz. Gastfreundlich. 21,1. Gebet. 80, 3. 82. 204. 2. Geduld. 180,2,3. Sieh Maß, Selbstbe¬ herrschung. Gehorsam. 157,1, 2, 3. 217,3. Geiz. 178,3. Gemütsruhe. 2,1, 2,3. 103,1. 187,1. Genügsamkeit. 52,3. 70,4, 3. Sieh Zu¬ friedenheit. Gesellschaft. 45,4. 206,4. Gesundheit. 103,1. Gewissen. 145, 4, 2. 178,1. Gewohnheit. 52,1. 2. 139. Glaube. 101,4. 143. Glück. 117. Sieh Vergänglichkeit. Gott. 4, 2. 79,4, 2, s. 119. 175. — X — Gottesfurcht. 10,,. 99. Gottes Güte. 123. 207. Gottes Gruß. 194. Heimat. 209, i. Sieh Vaterland. Heiterkeit. Sieh Freude, Frohsinn. Hilfreich. 74. 127, 2. 149, z. 191, 1, 2. Sieh Edelmut, Verzeihen. Hochmut. 10, z, g. Höflichkeit. 87, g, 4. Hoffnung. 115. Kindlichkeit. Sieh Unschuld. Klugheit. 36, 3. 38, 1, 2. 45, 2. 70, 2. 90,2. 109,i. 162,g. Sieh Weisheit. Kühnheit. 95, 2. Sieh Blut. Leben. 8,4. 105,1. 141, g. 221,2. Sieh Tod. Leiden, 113,2. Sieh Vergänglichkeit. Lüge. 62,1, 2, g. Sieh Wahrheit. Maß. 89. 90,i. 157,i. Sich Ueber- eilung. Mäßigkeit. 103,1. Sieh Zufriedenheit. Mitleid. 160,1. S. Nächstenliebe, Hilfreich. Mut. 84, 2. 95, 1. 160, 2. 165, 2. Sieh Kühnheit. Mühe. 2,1. 138. Sich Arbeit, Leiden. Müßiggang. 111,1, 2. Sieh Arbeit. Natur. 175, 2. 189,1, 2. 219. Nächstenliebe. 13. 72. 73. 204, 1. Sich Hilfreich. Neid. 178, 2, 3. Ordnung. 8,2, s. Pflicht. 2,3. 85,2. 87,i. 187,2. Sieh Gehorsam. Rache. Sieh Verzeihen. Reichtum. 91,1, 2. 103,2. 162,3. Religion. Sieh Glauben, Gott, Tugend. Reue. 40,2. Scherz. 60,1. Sieh Frohsinn. Schicksal. 160, 2. Sieh Vergänglichkeit. Schmeichelei. 64, 2. Schmerz. 213,2. 221. Sieh Trauer. Schweigen. 76, 1, 2. 187, 2. 191, 2. 217,1. Selbstachtung. 158. Selbstbeherrschung. 180. 185,2. S. Maß. Selbstkenntniß. 167,2. 223,1, 2. Sparsamkeit. 4,3. Stolz. 36,1, 2. Sieh Hochmut, Beschei¬ denheit. Sünde. 40,2. Sieh Tugend. Thatkrast. 34,3. Sieh Mut. Tod. 141, 3. 173, 1, 2. 213, 2. Sieh Ver gänglichkeit. Thorheit. 45, 2. 136, 1. 167, 1, 2. Sieh Klugheit, Weisheit. Trägheit. 176. Sieh Arbeit. Trauer. 82. Sieh Frosinn, Freude. Treue. 32,1, 2. Tugend. 27. 107, 2. 141, 1,2. Sieh Sünde. Übereilung. 109,2. 114,1. 165,1. Sieh Maß. Ueberlegung. 211, 1,2. Sieh Vorsicht, Maß. Undank. 54,i, 2.. 64,1. Sieh Dankbarkeit. Unschuld. 56. 149, 2. 217, 2. Urteil, ungerechtes. 64,1. Vaterland, Gesetz, Herrscher. 84, 1, 2. 87,4. 209, 2, 3. 217, 3. Vergänglichkeit. 30. 32, 3. 31, 2. 113, 1, 2. 136, 2. 162, 1, 2, s. 198, 1, 2. 202.2. 213,i. Vergeltung. 40,1. Verlust. 165, 2. Sieh Vergänglichkeit. Versäumniß. 109,2. 167,2. Verträglichkeit. 136,1, 2. 202, 2. Verzeihen. 149,1, 3. Vorsehung. 145,3. Sieh Gott. Vorsicht. 15,1. 30,i, 2. 170,1. 2. 215, 1. Wahn. 66. Wahrheit. 107,1. Sieh Lüge, Weisheit. 10,1. 14, 2. 36,3. 45, 2. 66. 68.105, 2. 165.2. 170, 2. 217,1. Sieh Tugend, Klugheit, Thorheit. Wcltordnung. 48,2. 92, 2. Sieh Natur. Wolthun. 17. 149, 3. Sieh Hilfreich. Wunsch. Sieh Genügsamkeit, Zufriedenheit. Zufall. Sich Vorsehung. Zufriedenheit. 153, 1, 3. 202. Sieh Ge¬ nügsamkeit. XI III. Verzeichniß der Schriftsteller und der ihnen entnommenen Lesestücke. (Die durch den Druck ausgezeichneten sieh im letzten Verzeichnisse.) Andersen. 9, 55. Arndt. 46, 68, 204. Äschilos. 198. Auerbach. 14. Bank. 210. Bechstein. 98,^186. Bodenstedt. 13, 62, 117. Börne. 66 Brehm. 12, 108. Brinckmann. 185. Castelli. 7, 48. Chamisso. 183. Claudius. 17, 77, 79, 114. Confucius. 90. Daumer. 64. Dörr. 87. Engel. 18. Fischer. 96. Fransecky. 187. Freiligrath. 151. Fröhlich. 30. Geibel. 80. Gellert. 22, 61, 106, 135, 139, 142. Gerstäcker. 176. Gleim. 41, 158. Göckiug. 107. Göthe. 3, 6, 8, 15, 19, 34, 36, 38, 52, 62, 64, 70, 76, 87, 100, 109, 111, 127, 141, 151, 153, 157, 167, 170, 175, 178, 215. Grimm I. 39, 51, 53, 87, 131, 166, 177, 183, 199. Grube. 208. Hammer Jul. 85, 189, 191, 215. Hämmerling. 185. Haug. 26, 92. Haupt. 197. Hebel P. 3, 5, 47, 58, 65, 69, 102, 116, 124, 161, 205, 207, 212. Hegenauer. 113. Heinrich A. 2, 35, 42, 78, 81,'91, 97, 104, 112, 128, 144, 156, 178, 18?, 198, 200, 201, 217. Hoffmann von Fallersleben. 193. Hölty. 120. Horn. 126. Jakobs. 132, 148. Kaufmann. 204. Kaupp. 44. Kidd. 181. Kletke. 86. Klopstock. 149. Köhler. 187. Kopisch. 190. Körner Th. 85, 160. Kutzner. 179, 195. Lafontaine. 169, 174. Langbein. 60. Lauckhardt. 159, 210. Lavater. 119. Lenau. 101. Lenz. 75, 94, 133. Lessing. 49, 71. Lichtwer. 89. Logan. 109, 138. Löwicke. 219. Lukianos. 191. Marbach. 95. Marggraf. 202. Matthisson. 21, 162. Mehr. 143. Michaelis. 73. Musson 222. Müller W. 202, 209. Ncukirch. 203. Oldenberg. 93. Pfaff. 218. Pfarrius 189, 223. Pfau. 82. Pfeffel. 105. Pfeil. 140. Proschko. 216. Pückler-Muskau. 121. Raspe Erich. 59. Rebau. 192. Reinhold C. 138. Saadi. 19, 125. Salis-Seewis. 1. Scherer. 43, 155, 163. Schiller. 10, 11, 32 , 34 , 83, 105, 122, 130, 136, 141, 145, 149, 162, 209, 213, 217, 223. Schmid Chr. 20. Seidl. 29, 123. Shakespeare. 54, 145, 165, 167, 173, 180. Simrock. 28, 66, 101, 108, 134, 211. Sivers. 196. Sophokles. 90. Stahl. 137. Stelter. 95, 221. Stöber. 213. Storch. 118. Sturm. 97, 194. Tanner. 113. Theognis. 132. Trojan. 54. Uhland. 16, 33', 50, 67, 84, 110, 147. Bogel. 146, 172. Vogel Dr. Johann N. 224. Wagner Herm. 24, 63, 154, 188. Wehl. 115. Voung. 223. Zedlitz. 25, 34. Zimmermann. 150, 164. IV. Verzeichniß der Lesestücke nach ihrem Inhalte. Biographien. 78, 104, 140. Sieh ferner die im Verzeichnisse V. Gedichte, a) Epische. 7, 16 , 22 , 26 , 33 , 41, 50 , 57 , 61, 67 , 73 , 84, 89, 100, 106, 110, 135, 139, 142, 147, 152, 158, 168, 171, 184, 190, 207, 216, 224. b) Lyrische. 1, 46, 77, 114, 120, 130, 193. v) Didaktische. Sieh Verzeichniß II. Erzählungen, Fabeln, Märchen, Sagen in Prosa. 3, 5, 9, 14, 18, 20, 29, 31, 35, 37, 39, 49, 51, 53, 55, 58, 59, 69, 71, 79, 86, 88, 91, 96, 98, 102, 116, 124, 126, 128, 181, 140, 144, 148, 161, 166, 169, 177, 184, 186, 199, 212, 214. Geographie. 24, 47, 81, 96, 112, 121, 137, 150, 156, 164, 172, 176, 179, 188, 197, 201» 208, 220. Naturgeschichte. 12, 44, 63, 65, 75, 94, 108, 118, 133, 146, 154, 159, 174, 181, 192, 195, 203/ 205, 210, 218, 222. Rätsel. 11, 43, 83, 93, 103, 122, 134, 138, 155, 163, 182, 189, 200, 211, 223. V. Verzeichniß der Bücher,, welche in der I. Klasse der Mittelschulen für die Privatlektüre benutzt werden können. .4. Prosaische und poetische Erzählungen, Fabel«, Märchen, Sagen. Nachdem der Schüler Campes Robinson gewiß schon vor dem Eintritt in die Mittelschule gelesen hat, möge er in die Hand bekommen die Werke von: 1. Chistoph von Schmid, geb. 1768 zu Dinkelsbühl, einer Stadt im baierischen Kreise Mittelsranken, gest. 1854 als Domherr zu Augsburg. Seine, das Wal- XIII ten der göttlichen Liebe und Gerechtigkeit in edler Einfachheit darstellenden Er¬ zählungen sind nicht nur in ganz Deutschland beliebt, sondern auch ins Fran¬ zösische, Englische, Italienischere, übersetzt worden. Besonders zu rühmen sind: 1, Die Ostereier, 2, Das Täubchen, 3, Das Lämmchen, 4, Die Hopsenblüten, 5. Ludwig, der kleine Auswanderer, 6. Heinrich von Eichensels. 7, Das Blu¬ menkörbchen, 8, Der gute Fridolin, 9, Rosa von Tannenburg, 10, Genovefa, Bei Manz in Regensburg, Die 3 letzteren bei Finsterlin in München, 2. Gotthilf Heinrich von Schubert, geb, 1780 zu Hohenstein in Sachsen, Pro¬ fessor der Naturwissenschaften an der Universität Erlangen, gest, 1860 zu Lauf¬ zorn bei München, berühmt als Erzähler wie als Naturforscher; besonders trefflich sind seine Biographien, Viele Erzählungen bereichern mit geographischen Kenntnisseil: 1, Der Meeresstrom. Stuttgart, Thienemaun, 2. Sohn und Enkel. Ebendaselbst. 3. Der Krüppel von Rottenstein. Ebendaselbst. 4. Kleine Erzählun¬ gen. Erlangen, Palm. 5. Vier Erzählungen. Stuttgart, Steinkopf. 6. Acht Erzäh¬ lungen. Ebendaselbst. 7. Die alte Schuld. 8. Herr Stephan Wirbel. 9. Die Schatzgräber. 10. Die Zeichen des Lebens. 11. Seebilder. Alle vier bei Palm und Enke in Stuttgart. Die meisten dieser Erzählungen stehen in: Wolseile Ausgabe von Schu¬ berts Erzählungen. Sieben Bände. Erlangen 1865 bei Palm und Enke. 12. Biographien und Erzählungen. Drei Bände. Bei Heyder in Er¬ langen 1847, 1848. 3. Die Brüder Jakob und Wilh. Grimm. Kinder- und Hausmärchen. Kleine Aus¬ gabe. 23. Auflage. Berlin 1873, Dümmler. Sie gehören zu dem Wertvollsten der deutschen Literatur. 4. I. Peter Hebel. (Sieh Lesestück 103.) Schatzkästlein des rheinischen Haussreun des. Stuttgart 1869. Auch in Reclams Bibliothek. Seine Erzählungen, Schwänke und geographischen Belehrungen gelten mit Recht fiir unübertrefflich. Die von Karl Stöber vollzogene Austvahl (Pforzheim 1847) hat die anstößigen Stücke entfernt. 5. Christian Fürchtegott Gellert, geb. 1715 zu Hainichen in Sachsen, starb 1769 als Universitätsprofessor in Leipzig, einer der edelsten Menschen und Schrift¬ steller. (Siehe Lesestück 139.) Fabeln und Erzählungen. Leipzig 1867, Hahn. Die für die Jugend nicht geeigneten sind in dieser Ausgabe beseitigt. 6. Christian Friedrich Jacobs, geb. 1764 zu Gotha, wo er 1847 als Direktor der Kunstsammlungen starb. Unterhaltend, belehrend, der Form nach musterhaft. 1. Allwin und Theodor. 2. Die Feierabende in Mainau. 3. Kleine Erzäh¬ lungen des alten Pfarrers in Mainau. Bei Dürr in Leipzig. 7. Karl Stöber, geb. 1796 zu Pappenheim im baierischcn Mittelftanken, seit 1842 Schulinspektor daselbst. Edle, gemiitrciche Darstellung. 1. Gesammtausgabe. 3. Auflage. Leipzig, Naumann. 4 Bände. 2. Neue Volksausgabe. Ebendaselbst 1870—72. 12 Bändchen. 3. Das Elmthäli. 3. Ausl. Stuttgart bei Stcinkopf. Außer diesen vorzüglichsten Schriftstellern können noch für zulässig angesehen werden: 8. Andersen. Märchen. Leipzig, Hartknoch, Günther, Teubner. 9. Christian Gottlob Barth. Doch nur; 1. Der arme Heinrich. 2. Die Rabenseder. XIV 3. Die Reiherfeder 4. Thomas Platter. 5. Mick und Nick. 6. Das Felsenkind. Barth vertritt die evangelische Lehre. Stuttgart bei Steinkopf. 10. Bechstein. Märchen. Wien bei Hartleben. 11. Conscience. Flämisches Stillcben in drei Erzählungen. Aus dem Flämischen über¬ setzt von M. v. Dicpcnbrock. Vortrefflich. Regensburg, Pustet. 12. W. Hauff. Berühmter Dichter, geb. 1802 in Stuttgart, Redakteur, starb 1827. Märchen. 11. Aust. Stuttgart, Rüger. Wolfeiler in Reclams Bibliothek. 13. Day. Sandfort und Merton. Eine Erzählung. Deutsch von O. L. H. Leipzig bei G. Wiegand. 14. Hoffmann von Fallersleben. Die Kinderwelt in Liedern. Mainz 1862. (Franz Hoffmann. Oft unbedeutender Inhalt.) 15. Friedrich Hoffmann. Lehrer der Weisheit und Tugend. Erzählungen. Stuttgart, Steinkopf. 16. W. O. Horn, eigentlich Wilhelm Oertel aus Horn im Hundsrück, 1798 geb., Superintendent, starb 1867. Von seinen vielen Erzählungen eignen sich für die erste Klasse vorzugsweise: 1. Auf dem Mississippi. 2. Zwei Ausbrüche des Vesuvs. 3. Ein Orkan auf Kuba. 4. Das Erdbeben von Lissabon. S. Der Strandläufer. 6. Gellert. 7. Der Biberfänger. 8. Der Gemsjäger. 9. Der Wallfischfänger. 10. Durch die Wüste. 11. Gottes Finger. 12. Aus den Silberminen. 13. In Südamerika. — Wiesbaden, Neider. 17. G. Kletke. Das Buch vom Rübezahl. Breslau, Trewendt. (Musäus ist nicht zu empfehlen.) 18. E. Lausch. Die Schule der Artigkeit, des Kindes schönster Fabelschatz. Ein elegant ausgestattetes Buch des Spamer'schen Verlages. Leipzig 1874. Dage¬ gen möge ungelesen bleiben von demselben Verfasser das Buch der schönsten Kinder- und Volksmärchen rc. Spamer, 1872. 19. Lehnert. Eunomia. Berlin 183S, Amelang. Eine vorzügliche Sammlung guter Erzählungen. In diesem Geiste erschienen die unter 15 und 21 angeführten Sammlungen. 20 L. G. Niebuhr. Griechische Heroengeschichten. Gotha, Perthes. Sehr populär. Ms Vorbereitung für den historischen Unterricht in der zweiten Klasse. 21. Niemeyer. Das Buch der Tugenden. Leipzig 1843. Aehnlich den Werken unter 15 und 18. (Nieritz. Stil nicht immer rein, Abweichungen von der historischen Wahrheit.) 22. Palmblätter. Erlesene morgenländische Erzählungen von I. G. Herder und A. I. Liebeskind. Berlin 1857. Besonders empfehlenswert. 23. H. Pfeil. Gute Kinder, brave Menschen. Erzählungen aus der Geschichte der alten und neuen Zeit. Leipzig 1874, Spamer. 24. G. Plieninger. 1. Jeane Stricklands ausgewählte Erzählungen. 2. Peter Parleys ausgewählte Erzählungen; beide aus dem Englischen. Stuttgart, Hallberger. 3. Der Kukuksberg. Stuttgart, Belfer. 25. v. Rein. Erzählungen. Dresden bei Kuntze. Fein und sinnig ausgeführt. 26. R. Reinick, Dichter und Maler, starb 1852. Hat am trefflichsten P. Hebels alemannische Gedichte ins Neuhochdeutsche übertragen. — Gesammelte Dich¬ tungen Reinicks. 2. Auflage. Leipzig bei Belhagen L Klasing. Doch dürfte hie und da eine erklärende Nachhilfe notwendig sein. XV 27. G. Scherer. Rätselbüchlein. 2. Auflage. Leipzig, Diirr. 28. A. H. Walter. Die Gleichnisse des Herrn. Leipzig, Hirschfeld. In schönen, flie¬ ßenden Versen erzählt, mit voranstehendem Bibeltexte. v. Zur Belebung uud Ausfüllung des geographischen Unterrichtes Ser erste» Klasse können dienen: 1. Friedrich G erstiicker. Die Welt im Kleinen für die kleine Welt. Leipzig, Schlicke. Gerstäckers beste Jugendschrist, von bleibendem Werte. Ferner dürfen gelesen werden: 2. D. L. Aulander. Die Seehelden Portugals, ihre Reisen und Entdeckungen. Berlin, Winkelmann. 3. Aug. Feierabend. Die schweizerische Alpenwelt. Leipzig, Velhagen. Nach Form und Inhalt vortrefflich. 4. W O. Horns Erzählungen mit geographischer Unterlage stehen unter Nr. 16. 5. I. G. Kühner. Mac Clure's Entdeckungsreisen im Norden. Glogau, K. Flemming. Eine Musterschrist. 6. Krisch. Tagebuch des Nordpolfahrers. 7. G. Mensch. Nach dem Nordpol. Natur- und Sittenbilder rc. Stuttgart, Kröner. Sehr belehrend und unterhaltend. 8. Dr. A Pfaff. Die Entdeckung von Amerika. Nach I. H. Kampe. Braun¬ schweig, Vieweg. 9. F. E. Raynal. Die Schiffbrüchigen in der Südsee. Eingeführt von Masius. Leipzig, Brandstetter. Erzählt eine wahre Geschichte aus dem Jahre 1864. In jeder Hinsicht ein treffliches Buch. 10. W. Re denbacher. Kapitän Cook's Reisen um die Welt. Für die liebe Jugend ans Licht gestellt von W. R. Nürnberg, Raw. Leicht faßlich und interessant. 11. I. Rey. Himmel und Erde. Einführung in die Himmelskunde. Leipzig, Spanier. Dieses treffliche Werk kann in der ersten Schule nur mit Nachhilfe, mit dieser aber zu großem Nutzen gelesen werden. 12. H. Stahl. Die Wunder der Wasserwelt. Leipzig, Spanier. Sollte der Schüler auch noch nicht alles verstehen, er liest das interessante Werk gewiß mehr als einmal. 13. Hermann Wagner. Entdeckungsreisen in der Heimat. I. Leipzig, Spanier. Eine Reise durch die bäurischen und Tiroler Alpen, mit seinem Schüler unter¬ nommen, dessen Briefe die Darstellung des Buches in eigentümlicher, belebender Weise reproducieren und erweitern. 14. Dr. Zech. Himmel und Erde. München, Oldenbourg. Von dieser „gemein faßlichen," gründlichen und schönen „Beschreibung des Weltalls" gilt, ivas von dem unter Nr. 11 aufgezählten Werke gesagt ist. 15. W. Zimmermann. Das Meer, seine Bewohner uud seine Wunder. Langen¬ salza, Greßler. Von diesem trefflichen Werke gilt dasselbe, was von Nr. 12 gesagt ist. Karl Vogels Geographische Landschaftsbilder enthalten auch viele Be schreibungen der charakteristischen Pflanzen und eignen sich daher besser für die zweite Schule. XVI — A. W. Grubes Geographische Charakterbilder, sehr beliebt, eignen sich für die höheren Klassen. 16. Für Schulbibliotheken eignet sich als wertvolles Anschauungsmittel: Album für Lauder- und Völkerkunde. Von Emil Wendt. 3. Abteilung. Leipzig, Dörfling und Franke. 550 Stahlstiche mit erläuterndem Texte. ü. Zur Belebung des naturgeschichtlichen Unterrichtes können dienen: 1. Brehm. Illustriertes Tierleben. Für Volk und Schule bearbeitet von Friedrich Schödler. 3 Bände. 30 Mark. Die Diktion ist natürlich nicht überall einfach genug. 2. W. Curtmann., Das Tierreich. Naturgeschichtliches Lesebuch. Darmstadt, Diehl. Für die erste Klasse besonders geeignet. Auszug daraus: Der kleine Tiergarten. Von W. Curtmann. Ebend. 3. H. O. Lenz. Gemeinnützige Naturgeschichte. Gotha, Thienemann. Die drei ersten Bände. Ein sehr brauchbarer Auszug aus diesem Werke ist: 4. Grundriß der Naturgeschichte für Schule und Selbstunterricht. Ebend. 5. Noch faßlicher ist die Diktion in: G. To bl er. Die Haustiere und ihr Nutzen. Stuttgart, Scheitlin. 6. Ebenso: K. Pilz. Die kleinen Tierfreunde. 7. Rebau. Käserbüchlein. 8. Neukirch. Naturbilder aus dem Jnsektenleben. Leipzig, Schlick. Schade, daß die Bilder nicht koloriert sind. 9. I. Berge. Schmetterlingbuch. Stuttgart, Thienemann. Mit 50 fein kolorierten Tafeln. 10. Dr. F. Holle. Die Schmetterlinge Deutschlands. Für junge Naturfreunde. Altona, Menzel. Diese umfassenden und empfehlenswerten Werke sind teil¬ weise auch dem 11. Schmetterlingbuche von Fr. Strahle zugrunde gelegen. Stuttgart, Nitzschke. 12. P. Hermanu. Der Raupen- und Schmetterlingjäger. Leipzig, Gräbner. Sehr schön koloriert. Sprachlich unvollkommen. Zu wünschen ist, daß die Herren Fachkollegen die Abfassung von Lese¬ büchern zur Belebung des in jeder Klasse zu absolvierenden geographischen und natur¬ geschichtlichen Pensums unternähmen, in denen keine fremdartigen Stoffe zur Behand¬ lung kommen. Der Schaden, welchen das Zuviel und Durcheinander bisher angerichtet haben, muß beseitigt werden. Note. Die Herren Verleger von Jugend- und Volksschristen ersuche ich, mir ihre Werke zur Ansicht einzusenden, zunächst diejenigen über griechische und römische Mythologie und Geschichte, Botanik, Geographie von Asien, Afrika und dem östlichen und südlichen Europa, weil über diese Materien in der zweiten Klasse unserer Mittelschulen gehandelt wird; ebenso ge¬ reinigte Ausgaben jener deutschen Klassiker, welche man zur Lektüre für die zweite und dritte Klasse als geeignet erachtet. Meine Ansicht über diesen Punkt wird sich erst im Laufe der Arbeit vollkommen klären. A. H. 1. H e r b st l i e d. Bon Salis-Seewis. Bunt sind schon die Wälder, Gelb die Stoppelfelder, Und der Herbst beginnt. Rote Blätter fallen, Graue Nebel wallen, Kühler weht der Wind. Wie die volle Traube Aus der Rebenlaube Purpurfarbig strält! Am Geländer reifen Pfirsiche, mit Streifen Rot und weiß bemalt. Dort im grünen Baume Hängt die blaue Pflaume Am gebog'neu Äst. Gelbe Birnen Winken, Daß die Zweige sinken Unter ihrer Last. Winzer, füllt die Fässer! Eimer, krumme Messer, Butten sind bereit; Lohn für Müh' und Plage Sind die frohen Tage In der Lesezeit. Unsre Mädchen singen, Und die Träger springen, Alles.ist so froh. Bunte Bänder schweben Zwischen hohen Reben Auf dem Hut von Stroh. Geige tönt und Flöte Bei der Abendröte Und bei Möndenglanz; Frohe Winzerinnen* Winken nnd beginnen Deutschen Ringeltanz. * 2. 1. Uuob äor Arbeit ist §nt rub'n. 2. Wer erst sein l'uAövsrL xotbun bat, Lunn dann rub'n, 0 tord'rv dieb, Aosebvind dein ikuMvoric ru tbnn. Rüolcsrt. s. Mindest fried' nnä k?rsuds niebt, U/onn niekt in orkülltor Utiiebt. L,. n. 3. Nichts und etwas. Bon Hebel. Von zwei unbemittelten Brüdern hatte der eine keine Lust und keinen Mut, etwas zu erwerben, weil ihm das Geld nicht zu den Fenstern herein¬ regnete. Er sagte immer: „Wo nichts ist, kommt nichts hin." Und so 1 2 wär es auch. Er blieb ^ein Leben lang der arme Bruder Wönichtsist, weil es ihm nie der Mühe wert war, mit einem kleinen Ersparnisse den Anfang zu machen, um nach und nach zu einem gr'ößern Vermögen zu kommen. So dachte der jüngere Bruder nicht. Der pflegte zu sagen: „Was nicht ist, das kann werden." Er hielt das Wenige, was ihm von der Verlassenschaft der Eltern zuteil geworden war, zu Rät und ver¬ mehrte es nach und nach durch eigenes Ersparnis, indem er fleißig ärbei- tete und eingezogen lebte. Anfänglich ging es hart und längsam. Aber sein Sprichwort: „Was nicht ist, kann werden," gab ihm immer Mut und Hoffnung. Mit der Zeit ging es besser. Er wurde durch unver¬ drossenen Fleiß und Gottes Segen noch ein reicher Männ und ernährt jetzt die Kinder des armen Bruders Wönichtsist, der selber nichts zu beißen und zu nägen hat. 4. i. ^Ilsr ^nkanss ist sobvvör. s. ^u Uottss 86A6N ist illlss ASlSssöN. s. 'tVsr sied uiodt naeb äsr Docks streckt, vom blsibsn äio Düsss äuboäsokt. ttötüs. 5. Der Star von Seegringen. Von Hebel. Selbst einem Stären kann es nützlich sein, wenn er etwas gelernt hat, wicvielmehr einem Menschen. In einem respektabeln Dorfe, ich will sagen Seegringen,* hatte der Barbier einen Stär, und der Lehrjunge gab ihm Unterricht im Sprechen. Der Star lernte nicht nur alle Wör¬ ter, die ihm sein Sprachmeister aufgab, sondern er ahmte zuletzt auch selber nach, was er von seinem Herrn hörte, zum Exempel: „Ich bin der Barbier von Seegringen." Sein Herr hatte sonst noch allerlei Redens¬ arten an sich, die er bei jeder Gelegenheit wiederholte, zum Exempel: „So so, lalä;" oder „pur OowpaZuis" (das heißt so viel als: in Ge¬ sellschaft mit andern), oder „wie Gott will," oder „du Dölpatsch." So titulierte er nämlich insgemein den Lehrjungen, wenn er das halbe Pflaster auf den Tisch strich, anstatt auf's Tüch, oder wenn er das Schermesser am Rücken abzog, anstatt an der Schneide, oder wenn er ein Arznekglas zerbrach. Alle diese Redensarten lernte nach und nach der Star auch 3 Da nun täglich viele Leute im Hause waren, weil der Barbier auch Bränntwein ausschenkte, so gab's manchmal viel zu lachen, wenn die Gäste mit einander ein Gespräch führten, und der Star auch eins von seinen Wörtern drein warf, das sich dazu schickte, als wenn er den Ver¬ stand davon hätte; und manchmal, wenn ihm der Lehrjunge zürief: „Hansel, was wächst du?" antwortete er: „Du Dölpatsch!" und alle Leute in der Nachbarschaft wußten von dem Hänsel zu erzählen. Eines Tages aber, als ihm die beschnittenen Flügel wieder gewächsen waren, und das Fenster offen war, und das Wetter schön, da dachte der Stär: Ich habe jetzt so viel gelernt, daß ich in der Welt fortkommen kann, und husch zum Fenster hinaus! Weg war er. Sein erster Flug war in s Feld, wo er sich unter eine Gesellschaft änderer Vögel mischte, und als sie aüfflogen, flog er mit ihnen, denn er dächte: Sie wissen die Gelegen¬ heit hierzulande besser als ich. Aber sie flogen unglücklicherweise alle mit einander in ein Gärn! Der Star sägte: „Wie Gott will." Als der Vogelsteller kommt und sieht, was er für einen großen Fäng gethan hat, nimmt er einen Vogel nach dem andern behutsam heraus, dreht ihm den Häls um und wirft ihn auf den Boden. Als er aber die mörderischen Finger wieder nach einem Gefangenen aüsstreckte und an nichts dächte, schrie der Gefängene: „Ich bin der Barbier von Seegringen," als wenn er wußte, was ihn retten muß. Der Vogelsteller erschräk anfänglich, als wenn es hier nicht mit rechten Dingen zuginge; nachher aber, als er sich erholt hatte, konnte er kaum vor Lachen zu Ätcni kommen, und als er sägte: „Ei, Hansel, hier hätte ich dich nicht gesucht; wie kommst du in meine Schlinge?" da antwortete der Hansel: OompaZnio." Also brachte der Vogelsteller den Star seinem Herrn wieder und bekam ein gutes Fänggeld. Der Barbier aber erwarb sich damit einen guten Zu¬ spruch, denn jeder wollte den merkwürdigen Hansel sehen, und wer jetzt noch weit und breit in der Gegend will zu Ader lassen, geht zum Bar¬ bier von Seegringen. 6. Awiseben beut uncl worAeu luogst eine länM l?rist, I>erne sebnell besorgen, Du äu noeb munter bist. 6vtbo. 1* 4 7. Die beiden Pflüge. Von Castelli. In einer Scheune lag versteckt Ein Pflüg, schon ganz mit Röst bedeckt; Er sah mit Neid und stillem Gräm, Wenn blank und glänzend alle Nacht Sein Bruder von dem Felde kam. Da fragt er einst mit trübem Sinn: „Wie kümmt's, daß ich so rostig bin, „Indes du glänzest voller Pracht? „Bin doch aus gleichem Stoff gemacht!" „Sieh, lieber Freund," versetzte der, „Mein Glanz kommt von der Arbeit her." 8. 1. .lull^sr Lllabs krisob sobüllöll muss, Will am'ckcm uns ibm ein Dominus. s. 2u ssbusll Zskt äis 2sit von binnen? vurob ÖrcknuuA lerne 2sit Amvimmu. s. Units ÖrclnunA, liebe sie; ÖrcknunA sxnrt clir Leit und Nicki. 4. lins Leben ist leurr, Oie Lunst ist laug'. 6ötbe. 9. Der Buchweizen. Bon H. CH. Andersen. Wenn man nach einem Gewitter an einem Äcker vorübergcht, auf welchem Buchweizen* wächst, kann man öfter sehen, daß er ganz schwärz geworden rind äbgesengt ist; cs ist geräde, als ob eine Feüerflamme über denselben hingefahren wäre, und der Landmann sägt dann: „Das hat er vom Blitze bekommen." Aber warum bekäm er das? Ich will erzählen, was der Sperling mir gesagt hat, und der Sperling hat es von einem alten Weidcnbaume gehört, welcher bei dem Büchweizen stand. Es ist ein ehrwürdiger, großer Wcidenbanm, aber verkrüppelt und ält, er ist in der Mitte geborsten, und es wachsen Gras und Brombccr-Ranken ans der Spalte hervor; der Baum neigt sich vorn über, und die Zweige hangen ganz auf die Erde herunter, gerade als ob sie ein langes, grünes Haar bildeten. 5 Auf allen Feldern rings umher wuchs Körn, sowol Roggen und Gerste, wie Hafer; ja, der herrliche Hafer, der dä, wenn er reif ist, gerade wie eine Menge kleiner, gelber Kanarienvögel aussieht. Das Korn stand gesegnet, und je schwerer es war, desto tiefer neigte es sich in frommer Demut. Aber da war ein Feld mit Buchweizen, und dieses Feld lag dem alten Weidenbaume gerade gegenüber. Der Buchweizen neigte sich durch¬ aus nicht, wie das übrige Korn, sondern prangte stolz und steif. „Ich bin wol so reich wie die Ähre," sagte er; „überdies bin ich weit schöner; meine Blumen sind schön, wie die Blüten des Äpfelbaumes; es ist eine Freude, auf mich und die Meinigen zu blicken! Kennst du etwas prächtigeres als uns, du alter Weidenbaum?" Der Weidenbaum nickte mit dem Kopfe, gerade als ob er damit sägen wollte: Ja freilich! Aber der Buchweizen spreizte sich aus lauter Hochmut und sagte: „Der dumme Baum, er ist so ält, daß ihm Gräs im Leibe wächst." Nun zog ein schrecklich böses Gewitter auf; alle Feldblumen falteten ihre Blatter zusammen, oder neigten ihre kleinen Köpfe herab, während der Stnrm über sie hinfuhr; aber der Buchweizen prangte in seinem Stolze. „Neige dein Haupt wie wir!" sagten die Blumen. „Das ist durchaus nicht notig," erwiderte der Buchweizen. „Senke dein Haupt wie wir!" rief das Korn. „Nun kommt der Engel des Stur¬ mes geflogen! Er hat Schwingen, die oben von den Wolken bis gerade herunter zur Erde reichen, und er schlägt dich mitten durch, bevor du bitten kannst, er möge dir gnädig sein." „Aber ich will mich nicht beugen!" sagte der Heiden. „Schließe deine Blumen und neige deine Blatter!" sprach der alte Weidenbaum. „Sieh nicht zum Blitz empor, wenn die Wolken bersten! Selbst die Men¬ schen dürfen das nicht, denn im Blitze kann man in Gottes Himmel hineinschauen; aber dieser Anblick kann selbst die Menschen blenden. Was würde erst mit uns, den Gewächsen der Erde, geschehen, wenn wir es wägten, wir, welche doch weit geringer sind!" „Weit geringer?" fragte der Buchweizen. „Nun will ich geräde in Gottes Himmel hineinsehen." Und er thät es in seinem Uebermute und Stolze. Es wär, als ob die ganze Welt in Flämmen stände, so blitzte es. Als das böse Wetter vorbei war, standen die Blumen und das Korn in der stillen, reinen Lust erfrischt vom Regen, aber der Büch- 6 weizen war vom Blitze kohlschwarz gebrannt; er war nun ein todtes Unkraut auf dem Felde. Der alte Weidenbaum bewegte seine Zweige im Winde, und es fielen große Wassertropfen von den grünen Blättern, gerade als ob der Baum weine, und die Sperlinge fragten: „Weshalb weinst du? Hier ist es ja so gesegnet! Sieh, wie die Sonne scheint; steh, wie die Wolken zkeh'n! Kannst du den Duft der Blumen und Büsche bemerken? Warum weinst du, alter Weidenbaum?" Und der Weidenbaum erzählte vom Stolze des Buchweizens, von seinem Übermute und der Sträfe, die immer darauf folgt. Ich, der die Geschichte erzähle, habe sie von den Sperlingen gehört. Sie erzählten sie mir eines Äbends, als ich sie um ein Märchen bat. 10. I. Uio Uurebt äss Herrn ist äsr?uUanA äsr Vksisbsit. r. Hoobmut kommt vor äsm Uulls. s. Der Uöobmut ist's, voäureb äis ÜnZsI üslsn, ^Voran äsr UÄIenAsist äsn Nsüsebsn küsst. Lebillsr. 11. Rät s el. Von Schiller. Unter allen Schlangen ist eine, Auf Erden nicht gezeugt, Mit der an Schnelle keine, An Wüt sich keine vergleicht. Sie liebt die höchsten Spitzen; Nicht Schloß, nicht Riegel kann Vor ihrem Anfall schützen; Der Harnisch* lockt sie an. Sie stürzt mit furchtbarer Stimme Auf ihren Raub sich los, Vertiglt in einem Grimme Den Reiter und sein Röß. Sie bricht wie dünne Halmen Den stärksten, Baum entzwei Sie kann das Erz zermalmen, Wie dicht und fest es sei. Und dieses Üngeheuer Hat zweimal nie gedroht -— Es stirbt im eignen Feuer; Wie's todtet, ist es todt. 7 — 13. Affenliebe. Von Brehm. Die Affen gebären ein Junges, wenige Arten zwei. Dies ist regel¬ mäßig ein kleines überaus häßliches Geschöpf, scheinbar mit doppelt so langen Gliedmaßen, wie seine Eltern sie besitzen, und mit einem Gesichte, welches dem eines Greises viel ähnlicher sieht, als dem eines Kindes, so faltig und runzelig ist es. Dieser Wechselbalg ist aber der Liebling der Mutter in einem noch weit höheren Grade, als es bei den Menschen unter ähnlichen Umständen der Fäll zu sein Pflegt : sie hätschelt und pflegt ihn in rührender oder — lächerlicher Weise, wie man will; denn die Liebe streift an das Lächerliche. Das Kind hängt sich bald nach seiner Geburt mit seinen beiden Vorderhänden an den Hals, mit seinen beiden Hinter¬ händen aber an die Weichen der Mutter fest, in der geeignetsten Lage, die laufende Mutter nicht zu behelligen und ungestört zu saügeu. Größer ge¬ wordene Affenkinder springen bei Gefahr auch wol auf Schulter und Rücken ihrer Eltern. Anfangs ist das kleine Wesen natürlich sehr gefühl- und teilnahms¬ los, um so zärtlicher aber ist seine Mutter. Sie hat ohne Unterlaß mit ihrem Liebling zu thun; bald leckt sie ihn, bald laust sie ihn wieder, bald drückt sie ihn an sich, und bald nimmt sie ihn in beide Hände, als wollte sie sich an seinem Anblicke weiden, bald schaukelt sie ihn hin und her, als wollte sie ihn einwiegen. Nach einiger Zeit beginnt der junge Affe mehr oder weniger selbständig zu werden und verlangt namentlich ab und zu ein wenig Freiheit. Diese wird ihm gewährt. Die Alte läßt ihr Schoßkind aus ihren Armen, und es darf mit anderen Affenkindern scherzen und spielen; sie verwendet aber keinen Blick von ihm und hat es in beständiger Aufsicht; sie geht ihm willig auf allen Schritten näch und erlaubt ihm älles, was sie ihm gewähren kann. Bei der geringsten Gefahr stürzt sie auf ihr Kind zu, läßt einen ganz eigenen Tön hören und ladet es durch denselben ein, sich an ihre Brüst zu flüchten. Etwaigen Üngehorsam bestraft sie mit Kniffen und Püffen, oft mit förmlichen Ohrfeigen. Doch kommt es selten dazu, denn das Affenkind ist so ge¬ horsam, daß es manchem Menschenkinde zum Vörbilde dienen könnte, und gewöhnlich genügt ihm der erste Befehl der Mutter. In der Gefangen¬ schaft teilt sie, wie ich mehrfach beobachtet habe, jeden Bissen Brod treu¬ lich mit ihrem Sprößlinge und zeigt an seinem Geschick einen solchen Anteil, daß man sich oft der Rührung nicht erwehren kann. Der Tod 8 eines Kindes hat in der Gefangenschaft regelmäßig das Hinscheiden der Mütter zur Folge; der Gräm bringt sie um. Stirbt eine Äffin, so nimmt das erstbeste Mitglied der Bande die Waise an Kindcsstatt an, und dies thut sowol die Affin wie der Affe. Die Zärtlichkeit gegen ein Pflegekind der eigenen Art ist kaum geringer als die, welche dem eigenen Kinde zuteil wird; bei Pfleglingen aber, die nicht dem Äffengeschiechte angehören, ist dies änders; hier zeigt sich der Affe oft als unerklärliches Rät¬ sel. Er pflegt seinen angenommenen Liebling nach Möglichkeit, drückt ihn an sich, laust und reinigt ihn sonstwie, behält ihn unter steter Aufsicht u. s. w., gibt ihm aber gewöhnlich nichts zu fressen, sondern nimmt das für das Pflegekind bestimmte Futter ohne Gewissensbisse zu sich und hält auch, während er frißt, den kleinen Hungrigen sorgsam vom Napfe weg. Ich habe es mehrfach an meinen zahmen Pavianen und Meerkatzen be¬ obachtet, wenn sie sich junge Hunde oder Katzen zn Pfleglingen aus¬ erkoren hatten. 13. tlskübl bat äor Llonsob mit äsm D'oro Asmoin, Ibn aäolt Lsvüsstosiu null Mssen alloiu; Drum strsbv uaell ^Visssn! In I-siä uuä in Im8t klloid ststs äir äor mousobliokon liVuräo berusst. Loäsii stsät. 14. Die Hausräte. Von Auerbach. „Wie fangt Jhr's denn än, lieber Nachbar, daß nur Euer Haus¬ wesen so wol bestellt ist, und man sieht doch nichts besonderes an Euch und an dem, was bei Euch vorgeht? Wir andern arbeiten doch auch und geben acht aufs Unsrige und halten es zu rät, so gut es gihen mag, und doch bettet's* nicht." Der Nachbar antwortete: „„Ich wüßte nicht, was schuld daran sein sollte, es wären denn nur meine drei Hausräte, denen ich wol das alles zu verdänken habe."" — „Eure drei Hausräte? Wer sind denn die?" — „„Der Haushund, der Haushahn und die Katze."" — „Ihr spottet." — „„Es ist mein barer Ernst; denn seht, der Haus¬ hund bellt, wenn ein Feind herbeischleicht, und da heißt es denn: Auf¬ geschaut! Der Haushahn kräht, wenn der Täg anbricht, und da heißt es denn: Ausgestanden! Und die Hauskatze putzt sich, wenn ein 9 werter Gast kommt, und da heißt es denn: Aufgerichtet!"" — „Ich versteh', Nachbar, was Ihr damit sagen wollt. Ihr meint, daß drei Dinge nötig seien, um dem Hauswesen aüfzuhelfen: Vorsorge gegen alles, was schäden kann; Thätigkeit in allem, was nützen kann, und Freundlich¬ keit gegen alle, die uns wolwollen und wölthun." — „„Wenn Jhr's so nehmen wollt, so ist mir's recht; aber meine Hausräte lob ich doch darum, daß sie mich jederzeit mahnen, was zu thun ist, ich könnt's sonst leicht vergessen."" 15. 1. 'Iran, sekan, vorn. 2. Norgsnstunä' Kat Lolä iin Nunä'. s. läge« Arbeit, ^bsnäs LÄsts; 8aure "Wooken, Lroke Löste. Lötks. 16. L L n L e d i'. Von Lklanü. Lei einem Vlirts wunäsrmilä, La war iek jüngst ru Laste; Lin §vook' entäeoken, Den Lluxon an äer 'tVabl äor Nittol ru äon Avookvn. liüelrsrt. 22 37. Der Löwe und der Hase. Aus dem Indischen. Ein grimmiger Löwe hauste auf dem Berge Mardera so grausam unter den Tieren, daß sie sich zusämmcnthaten und dem Löwen Vorstel¬ lungen machten und sagten: „Herr, wir wollen dir lieber täglich eines von uns zum Opfer bringen." Der Löwe willigte ein, und sie führten täglich furchtsam ein Tier herbei. Da kam einst die Reihe an den Häsen. Dieser dachte: „Für sein Leben muß man klug sein." Als er vor den Löwen kam, sprach dieser zornig: „Warum kommst du so langsam und schleppend daher?" „Es ist nicht meine Schuld," antwortete der Hase; „auf dem Wege wurde ich von einem ändern Löwen kräftig gepäckt, und nachdem ich ihm geschworen hatte, wieder zu kommen, ließ er mich los, nnd da bin ich, um dich zu bcnächrichtigen." Voll Zorn sprach der König der Tiere: „Komm schnell und zeige mir, wo der Schändliche ist." Der Hase ging vorän und führte den Stolzen zu einem Brunnen. Daselbst zeigte er ihm im Wasser sein eigenes Spiegelbild und sprach: „Sieh her, da ist er." Mit wildem Grimme warf sich der Löwe hinäb und fand den Tod. Verstand richtet mehr aus, als Leibeskräfte. Sieh, ein wütender Löwe ward von einem Häsen getödtet. 38. i. 8o lan§' llio Uboren aiebt aus lliosor lVolt vorscbvriallon, ^Virll unter ibnon stets sein Lroll ein LIuZer Kallen. Rückert. s. Ob llu ller LIÜKste seiest, llaran ist irsni§ Aelsgen, ^.bsr ller Liellerste sei, sovie bei Rate, ru Haus. Oötbs. 39. Doktor Allwissend. Von Grimm. Es war einmal ein armer Bauer, Namens Krebs, der fuhr mit zwei Ochsen ein Fuder* Holz in die Stadt und verkaufte es für zwei Tha¬ ler an einen Doktor. Wie ihm nun das Geld aüsbezahlt wurde, saß der Doktor gerade zu Tisch; da sah der Bauer, was er schön aß und tränk, und das Herz ging ihm darnach ans* und er wäre auch gern ein Doktor gewesen. Also blieb er noch ein Weilchen stehen und fragte endlich, ob — 23 er nicht auch könnte ein Doktor werden. „O ja," sagte der Doktor, „das ist bald geschehen. Erstlich kauf dir ein Abcbuch, so eins, wo vorne ein Gockelhahn drin ist; zweitens mache deinen Wagen und deine zwei Ochsen zu Geld und schaffe dir damit Kleider an und was sonst zur Doktorei gehört; drittens laß dir ein Schild malen mit den Worten: Ich bin der Doktor Allwissend, und laß das oben über deine Haüsthür nageln." Der Bauer that alles, wie es ihm geheißen war. Als er nun ein wenig ge- döktert hatte, aber noch nicht viel, ward einem reichen großen Herrn Geld gestohlen. Da ward ihm von dem Doktor Allwissend gesagt, der in dem und dem Dorfe wohne und auch wissen müßte, wo das Geld hinge- kontmen wäre. Also ließ der Herr seinen Wägen anspannen, fuhr hinaus ins Dorf und fragte bei ihm än, ob er der Doktor Allwissend wäre. „Ja, der wirre er." So sollte er mitgehen und das gestohlene Geld wieder schaffen. „O jä, aber die Grete, seine Frau, müßte auch mit." Der Herr war das zufrieden, ließ sie beide in den Wagen sitzen, und sie fuhren zusammen fort. Als sie auf den adeligen Hof kamen, war der Tisch gedeckt, da sollte er erst mitessen. „Ja, aber seine Frau, die Grete, auch," sagte er und setzte sich mit ihr hinter den Tisch. Wie nun der erste Bediente mit einer Schüssel schönem Men kam, stieß der Bauer seine Frau an und sagte: „Grete, das war der erste," und meinte, es wäre oerjenige, welcher das erste Essen brächte. Der Bediente aber meinte, er hätte damit sägen wollen: Das ist der erste Dieb, und weil er's nun wirklich wär, ward ihm ängst, und er sagte draußen zu seineu Kameräden: „Der Doktor weiß älles, wir kommen übel an, er hat gesagt, ich wäre der erste." Der zweite wollte gar nicht herein, er mußte aber doch. Wie er nun mit seiner Schüssel hereinkam, stieß der Bauer seine Frau an: „Grete, das ist der zweite." Dem Bedienten ward Ebenfalls angst und er machte,, daß er hinaus kam. Dem dritten gings nicht besser, der Bauer sagte wieder: „Grete das ist der dritte." Der vierte mußte eine ver¬ deckte Schüssel hereintragen, und der Herr sprach zum Doktor, er solle seine Kunst zeigen und raten, was darunter läge; es waren aber Krebse. Der Bauer sah die Schüssel än, wußte nicht, wie er sich Helsen sollte, und sprach: „Ach, ich armer Krebs!" Wie der Herr das horte, rief er: „Da, er weiß es, nun weiß er auch, wer das Gild hat." Dem Bedienten aber ward gewaltig ängst und er blinzelte den Doktor an, er möchte einmal hinauskommen. Wie er nun hinaus kam, gestanden sie ihm alle viere, sie hätten das Geld gestohlen; sie wolltens ja gerne heraüsgeben und ihm eine schwere Summe dazu, wenn er sie 24 nicht verraten wollte: es ging ihnen sonst an den Häls. Sie führten ihn auch hin, wo das Geld versteckt lag. Damit war der Doktor zufrie¬ den, ging wieder hinein und sprach: „Herr, nun will ich in meinem Buch suchen, wo das Geld steckt." Der fünfte Bediente kroch in den Ofen und wollte Horen, ob der Doktor noch mehr wüßte. Der saß aber und schlug sei» Abc'buch auf, blätterte hiu und her und suchte den Göckelhahn. Weil er ihn nun nicht gleich finden konnte, sprach er: „Du bist doch darin, und mußt auch heraus." Da meinte der im Ofen, er wäre gemeint, sprang voller Schrecken heraus und rief: „Der Mann weiß älles." Nun zeigte der Doktor Allwissend dem Herrn, wo das Geld lag, sagte aber nicht, wcr's gestohlen hatte, bekam von beiden Seiten viel Geld zur Belohnung und ward ein berühmter Mann. 40. 1. Ist äor Gallon nöoll 80 Hill gesponnen, Lininal leommt or ckonnoob an äis 8onnsn. 2. IVean inan ckas Löse tluit, siebt inan tur lrlein es an; Lian siebt, nie gross es ist, erst rvenn es ist getbüll. kiioksrt. 41. Das Pferd und der Esel. Von Gleim. Ein Esel trug einst eine schwere Last. Ein ledig Pferd ging neben ihm. „Du hast Auf deinem Rücken nichts," sprach das bclad'ne Tier, „O, liebes Pferdchen, hilf doch mir!" „Was? Helfen?" rief der grobe Gaul, „Man kennt euch Esel schon, ihr seid zu faul! Trag zu!" — „Ich sterbe, liebes Pferd! Die Last erdrückt mich! Rette mich! Die Hälfte wär' eiu Spiel für dich!" „Ich will nicht!" sprach das Pferd. — Kurz, unter dem zu schweren Sack Erlag der Esel. Sack nnd Pack Lud man sogleich dem Rappen auf, Des Esels Haut noch obendrauf. „Hätt' ich die Halft' ihm abgenommen, Wie güt wär' ich davon gekommen!" Denkt jetzt der Gaul, dem fast das Rückgrat bricht. Ich denk', einander beizusteh'n ist Bruderpflicht. 25 — 43. i. b'rouuäs iu äor Mt, dsüsu röbu auk oiu I^ot. s. 8o lauxo äir äio 8ouu6 sebsint, Ist manodor vol mit äir vereint; voeb bullt sie sied in IVölken ein, 8o vanäolst äu Fsv-iss allsin. Moli äem I^atoiiiisobsll. Hsiiiriob. 43. Rätsel. Mit X nährt's, Mit Ll gährt's, Mit? fährt's, Mit X zerfrißt es Stahl und Wehr, Und ohne Kopf zieht's kalt einher. Scherer. 44. Die Fledermaus. Von Kaupp. Die meisten Fledermäuse nähren sich nur von Insekten, die sie im Fluge Haschen; die kleineren zerbeißen sie sogleich mit den Zähnen, die größeren aber stopfen sie erst in den Rächen, indem sie den Kopf gegen die Brüst ziehen und den Schwanz mit seinen Seitenhäuten nach dem Köpfe hinbiegen. Bei dem Fange großer Käfer und Schmetterlinge lassen sie Flügeldecke und Beine fällen, was man in den Wäldern von Brasilien bemerken kann, wo auf dem Boden öfters die Flügel der seltensten Schmet¬ terlinge zerstreut liegen, von denen sie die Bäuche verzehrt haben. Sie sind mit den Spitzmäusen und den Maulwürfen die gewaltigsten Fresser, und eine unter den größeren europäischen Arten hat man dreizehn Mai¬ käfer nach einander fressen sehen, ohne daß sie gesättigt war; eine kleine brauchte siebenzig bis achtzig Fliegen zu einer Mahlzeit. Sie tragen, wenn sie gesättigt sind, bei guter Jagd auch noch eine ziemliche Menge in den ausdehnbaren Backen mit nach Hause. Man kann daher leicht einsehen, wie höchst nützliche Geschöpfe sie sind, und daß es ein unverzeih¬ licher Mutwille ist, wenn sie bei Herstellung alter Kirchen und anderer Gebäude in großer Zahl erschlügen oder auf die grausamste Art zu Tode gemärtert werden. Daß sie zuweilen Speck annagen, wird ihnen wol vielfach, allein irrig zur Last gelegt, denn gefangene wollten nie den Speck anrühren und starben lieber den Hungertod. 26 Ihr Aufenthalt ist je nach den Arten verschieden. Einige leben auf Kirch- und Hausböden, wo wenig Menschen hinkommen; andere in hohlen Bäumen und unter der losen Rinde derselben, und wieder andere, wie einige amerikanische, verstecken sich zwischen die breiten Blätter der Bananen.* Ihr Aufenthalt ist meistens sehr wärm gelegen, da sie selbst im Sommer sehr frostige Tiere sind. In der warmen Jahreszeit leben sie einzeln, und die Weibchen, getrennt von den Männchen, leben öfters gesellschaftlich in einer Höhle zusammen; so trieb jemand sechzig Stück von dem großen Mäuseohr, lauter Weibchen ohne Junge, aus einer Höhle unter dem Fußboden eines Zimmers mittelst Wässers heraus; die meisten, die nicht zu sehr durchnäßt waren, schlugen mit ihren Flügeln auf den glatten Boden so länge, bis sie sich in die Lüft erhoben, was zumteile die angenommene Meinung widerlegt, daß alle Fledermäuse auf flachem Boden sich nicht zu erheben vermöchten. Gewöhnlich lassen sie sich von erhabenen Orten heräbfallen, um ihre Flügel zu entfalten und zu fliegen. Wenn sie kriechen, was sie jedoch ungern thun, so häkeln sie sich mit dem scharfen Nagel des Daumens ein, indem die übrigen Finger mit der Flughaut an den Körper angezogen sind, ziehen die Hinterfüße unter den Leib und stoßen dann den ganzen Körper vorwärts. Dies geschieht, obgleich es linkisch aussieht, dennoch schneller als man erwärtet. Gewöhnlich ruhen sie, indem sie sich mit den Hinterbeinen aüf- hängen, seltener in horizontäler Lage auf dem Bauche, wobei sie sich zu¬ gleich auf die Füße, auf das Gelenk der Flügel und der Händwurzel stützen. Gegen den Winter verfallen sie, wie bekannt, in einen Winter¬ schlaf, der jedoch durch einzelne warme Tage unterbrochen wird, an denen man sie mitten im Winter Herumfliegen sieht. Auch zu große Kalte weckt einzelne auf, die dann meistens erfrieren. Selbst in wärmen Län¬ dern, wie in Paraguäy,* fallen sie in der kälteren Jahreszeit in einen ähnlichen Schlaf, der jedoch dort nur vier bis acht Täge dauert, sich aber so oft wiederholt, als die Kälte eintritt. Man findet in verschie¬ denen Gegenden Europa's im Winter Fledermäuse, welche im Sommer daselbst nicht vorkommen, woraus der wahrscheinlich richtige Schluß ge¬ zogen worden ist, daß manche Arten wie die Vögel im Herbste wändern. Von den Sinnen der Fledermäuse ist der des Auges am wenigsten ausgebildet; dasselbe ist, ausgenommen bei den fliegenden Hunden, klein, öfters unter Haaren versteckt und kann, wie bei den Spitzmäusen, ihnen nur von wenigem Nutzen sein. Desungeachtet ist die Pupille* einer be¬ trächtlichen Ausdehnung fähig; aber das Auge leüchtet nicht, wie fast bei 27 den meisten nächtlichen Raubtieren. Der Geruch scheint auch nicht scharf zu sein und steht auf jeden Fall hinter dem Gehöre zurück, das schon nach der äußeren und inneren Bildung des Ohres sehr vollkommen sein muß. Man sieht dies sehr deutlich bei der längohrigen Fledermaus, welche die Ohren in der Ruhe widderartig krümmt und rückwärts legt, sobald sie aber das leiseste Geräusch einer hingeworfenen Fliege hört, dieselben aüf- richtet und auf das Insekt losstürzt. Außer dem Sinne des Gehörs be¬ sitzen die Fledermäuse in der meistens ansehnlichen nackten Fläche der Ohren, in den Nascnblättcrn, weniger in den Flughäuten, ein äußerst feines Empfindungsvermögen für Lüfteindrücke, wodurch sie in stand ge¬ setzt sind, durch das dichte Gewirr der Baumäste und durch alle Winkel ihrer Aufenthaltsorte zu fliegen, ohne änzustoßen. Entflicht ein wilder Vögel in einem Zimmer, so wird er sich sogleich den Kopf an den Fenster¬ scheiben widerrennen, daß er betäubt herünterfällt; nicht so die Fleder¬ mäuse, denen jener empfindliche Sinn des Gefühls augenblicklich verrät, daß ein fester und undurchdringlicher Körper ihrer Flucht im Wege ist. Der Abt* Spallauzäni bewies deutlich durch seine zumteile grausamen Versuche, daß keiner der gewöhnlichen Sinne, als Gesicht, Gehör, Geruch und Geschmack hier im Spiele sei, und brachte es zur Gewißheit, daß das feinste Gefühl in seiner höchsten Ausbildung, das er als sechsten Sinn angenommen wissen wollte, im Köpfe sich befinde. Er blendete Fledermäuse; allein sie zeigten sich ebenso erfahren als die nicht ge¬ blendeten, vermieden vorgehaltene Stäbe und ausgespannte Seidenfäden, bogen um, wenn sie durch einen langen Gäng flogen, und nahmen plötz¬ lich eine andere Richtung. Um die kältere Atmosphäre* zu vermeiden, stellte er ein geschlossenes Geheg von Netzen uni seinen Garten auf und ließ von der Decke sechzehn Bindfäden auf den Boden gehen. Eine blinde und eine sehende Fledermaus wurden hinein gcthan, aber keine stieß mit dem Kopf und dem Körper, höchstens mit den Flügelspitzen an die Bind¬ fäden an. Die blinde entfloh durch die zu großen Maschen des Netzes, flog lange in der Höhe herum, umschwebte eine Cypressenlaube * und bewegte sich dann in schnellem, stufenweisem Fluge gegen das nächste und einzige Däch des Ortes, wo sie verschwand. Ermattete und geblendete konnte er nie mit der Hand ergreifen, denn sie merkten es augenblicklich und entflohen. Leblose Körper fochten sie weniger an, als die Hand eines Menschen oder eine vorgehaltene Katze. Brachte er geblendete in ein Gitterwerk mit einer einzigen Öffnung, so fanden sie dieselbe sehr bäld nach mehrmaligem Herumschwirren und entflohen. 28 Wurden die Ohren verklebt, oder die Flughäute gefirnißt, oder vor die Nasenlöcher Schwämmchen mit stark riechenden Gegenständen, als Mo¬ schus* oder Kämpher,* befestigt, so hinderte sie dies ebenfalls nicht im geringsten im Fluge. Hüllte man ihnen aber den Kopf ein, so waren sie nicht mehr zum Fluge zu bringen, oder schnitt man ihnen die Blätter der Nase und Öhren ab, wie es Rengger bei den amerikanischen Blätt- nasen gethan, so stießen sie nicht selten gegen die Wände an; auch ge¬ schieht dies bei unserer längohrigen Fledermaus, die nach dem Verluste der Ohren im Fluge völlig irre wird und änstößt. 45. vor LMsi tlikFt allein, äer Rabs sobarsnvsiss: Usssllssbakt dransbt äer Ibor, unä Uinsamksit äsr ^Veiss. Rückert. 2. Llsnseben von äsm ersten Rrsiss llsrnsn niebts unä rvsräen weiss; Nensebsn von äsm rvsitsn Ra,n§s 'Asräsn K1ÜA nnä lsrnsn lünxs; Nsnssbsn von äsr ärittsn Korts Llsibsn äuwm nnä lsrnsn tVorts. Rückert. 46. Gebet eines kleinen Knaben an den heiligen Christ. Von Arndt. Du lieber heil'ger, frommer Christ, Der für uns Kinder kommen ist, Damit wir sollen weiß und rein Und rechte Kinder Gottes sein; Du Licht, vom lieben Gott gesandt In unser dunkles Erdenland, Du Himmelskind und Himmelsschein, Damit wir sollen himmlisch sein: Du lieber heil'ger, frommer Christ, Weil heute dein Geburtstag ist, D'rum ist auf Erden weit und breit Bei allen Kindern frohe Zeit. O segne mich! ich bin noch klein, O mache mir den Busen rein! O bade mir die Seele hell In deinem reichen Himmelsquell, Daß ich wie Engel Gottes sei, In Demut und in Liebe treu, Daß ich dein bleibe für und für, Du heil'ger Christ, das schenke mir! 29 47. Die Sonne. Von Hebel. Die Sonne, so nahe sie zu sein scheint, wenn sie früh hinter den Bergen in die frische Morgenluft hinaufschaut, so ist sie doch über zwanzig Millionen Meilen weit von der Erde entfernt. Weil aber eine solche Zahl sich geschwinder aussprechen als erwägen und aüsdenken läßt, so merke: Wenn auf der Sonne eine große scharf geladene Kanone stünde, und der Konstabler,* der hinten steht und sie richtet, zielte auf keinen an¬ dern Menschen, als auf dich, so dürftest du deswegen in dem nämlichen Augenblicke, als sie lösgebrannt wird, noch herzhaft anfangen, ein neues Haus zu bauen, und könntest darin essen und trinken und schlafen, oder du könntest ohne Anstand noch geschwinde heiraten und Kinder erziehen und ein Handwerk lernen lassen und sie wieder verheiraten und vielleicht noch Enkel erleben. Denn wenn auch die Kugel in schnurgerader Rich¬ tung und immer in gleicher Geschwindigkeit immer fort und fort flöge, so könnte sie doch erst nach Verfluß von 25 Jähren von der Sonne hin¬ weg auf der Erde änlangen, so doch eine Kanonenkugel einen schärfen Flug hat und zu einer Weite von 6000 Fuß (1899 m.) nicht mehr als den sechzigsten Teil einer Minute bedarf. Daß nun weiters die Sonne auch nicht bloß eine glänzende Fenster¬ scheibe des Himmels, sondern wie unser Erdkörper eine schwebende Kugel sei, begreift man schon leichter. Aber wer vermag mit seinen Gedanken ihre Große zu umfassen, nachdem sie aus einer so entsetzlichen Ferne solche Kraft des Lichtes und der Wärme noch auf die Erde aüsübt und alles segnet, was ihr mildes Antlitz bescheint? Der Durchmesser der Sonne ist 114mal größer, als der Durchmesser der Erde. Aber im Körpermaß beträgt ihre Masse anderthalb milliönenmal soviel als die Erde. Wenn sie höhl wäre inwendig, so hätte nicht nur unsere Erde in ihr Raum, auch der Mond, der doch 50,000 Meilen von uns absteht, könnte darin ohne Anstoß ans- und üntergehen, wie so, ja er könnte noch einmal so weit von uns entfernt sein, als er ist, und döch ohne Anstoß um die Erde herümspazieren, wenn er wollte. So groß ist die Sonne und geht aus der nämlichen allmächtigen Hand hervor, die auf der Erde das Magsamen- oder Möhnsamcnkörnlein in seiner Schale bildet und zur Reife bringt, eines so unbegreiflich wie das andere. Ich wenigstens wüßte keine Wahl, wenn ich eine Sönne oder ein Mägsamenkörnlein machen müßte mit einem fruchtbaren Keim darin. 30 Lange nun glaubten selbst die gelehrtesten Sternforscher, diese ganz unermeßliche Sonnenmasse sei nichts anderes, als eine glühende Feuer¬ kugel durch und durch. Nur konnte keiner von ihnen begreifen, wo dieses Feuer seine ewige Nahrung faßt, daß es in tausend Jahren nicht äb- nimint und zuletzt wie ein Lämplein verlöscht. Deswegen will es nun heutzutage den Sternforschcrn und andern verständigen Leuten scheinen, die Sonne könne an sich wol, wie unsere Erde, ein dunkler und temperierter,* ja ein bewohnbarer Weltkörper sein. Aber wie die Erde ringsum mit erquickender Lüft umgeben ist, so um¬ gibt die Sonne ringsum das erfreuliche Licht, und es ist nicht notwendig, daß dasselbe auf dem Sonnenkörpcr selbst eine unausstehliche, zerstörende Hitze verursachen nmsse, sondern ihre Stralen erzeugen die Wärme und Hitze erst, wenn sic sich mit der irdischen Lüft vermischen, und ziehen die¬ selbe gleichsam aus den Körpern hervor. Denn daß die Erde eine große Masse von verborgener Wärme in sich selbst hat und nur auf etwas wärtcn muß, uni sic von sich zu geben, das ist daran zu erkennen, daß zwei kalte Körper mitten im Winter durch anhaltendes Reiben zuerst in Warme, hernach in Hitze und endlich in Glüt gebracht werden können. Und wie geht es zü, je weiter man an einen hohen Berg hinaüfsteigt, und je näher man an die Sonne kommt, daß man immer mehr in die Hande hauchen muß und zuletzt vor Schnee und Eis nimmer weiter kommt, fragen die Natürkundigen, wenn die Sonne ein sprühendes Feüer sein soll? Also wäre es wol möglich, daß sic an sich ein fester, mit mildem Licht umflossener We'ltkörper sei, und daß auf ihr Jahr ans Jahr ein wunderschöne Pfkngstblumen blühen und duften und statt der Menschen fromme Engel dort wohnen, und ist dort, wie im neuen Jerüsalem, keine Nacht und kein Winter, sondern Täg, und zwar ein ewiger freudenvoller Säbbath und hoher Feiertag. 48. r Mele auk rur Sonne! sie verbreitet Inebt Und wärmst, aber Dunk bessöbrt sie uiobt. tÜLstelti. 2. Aur reebteu Stunde stralt dis 8onue, 2ur reebtsn Leit dis "Wölben rieb'n: 2ur reebtsn Stunde kommt dis ^Vonns, 2ur reebtsn Leit die Freuden tliek'n. Umil kittsrbaus. 81 — 49. Zeus und das Schaf. Von Lessing. Das Schaf mußte vor allen Tieren vieles leiden. Da trat es vor den Zeus* und bät, sein Elend zu mildern. Zeus schien willig und sprach zu dem Schafe: „Ich sehe wöl, mein frommes Geschöpf, ich habe dich ällzu wehrlos erschaffen. Nun wähle, wie ich diesem Fehler am besten äbhelsen soll. Soll ich deinen Mund mit schrecklichen Zähnen und deine Füße mit Krällen rüsten?" — „O nein," sagte das Schaf, „ich will nichts mit den reißenden Tieren gemein haben." — „Oder," fuhr Zeus fort, „soll ich Gift in deinen Speichel legen?" — „Ach!" versetzte das Schaf, „die giftigen Schlangen werden ja so sehr gehaßt." — „Nun, was soll ich denn thun? Ich will Hörner auf deine Stirne pflanzen und Stärke deinem Nacken geben." — „Auch nicht, gütiger Vater; ich könnte ja leicht so stößig werden wie der Bock." — „Und gleichwol," sprach Zeus, „mußt du selbst schaden können, wenn sich andere dir zu schaden hüten sollen." — „Müßt' ich das!" seufzte das Schaf. „O, so laß mich, gütiger Vater, wie ich bin! Denn das Vermögen schaden zu können erweckt, fürcht' ich, die Lust schaden zu wollen; und es ist besser, Unrecht leiden, als Unrecht thun." Zeus segnete das fromme Schaf, übergab es dem Schutz des Menschen, und es vergaß von Stunde an zu klagen. 50. 8i6A'Lti6<1'8 8vlnv6rt. VOH vülL»ä. ckung Lisgkrieä vear ein stolzer Lnäb', Uing von äss Vaters vürg berab. Wollt' rasten niebt in Vaters Haus, Wollt' vvanäsrn in alle Welt Linaus. Begegnet' ibm inaneb Ritter vert Nit festem Lebilä unä breitem Leb^ert. Liegkrieä nur einen Ltsoben trug:, Vas war ibm bitter unä lsiä genug. Unä als er ging im Lustern Walä, Lam er ru einer 8obmieäe balä. Da sab er Uissn unä 8takl genüg, Bin lustig, vsusr vlainmen soblug. 32 „O Ueistor, liebster Llsistsr wein, Lass du miob dsiuon Gesellen sein! Ilnä lsbr' du miob mit DIeiss und ^.obt,* ^Vie man dis Zutsn 8ebwsrtsr maobt!" 8is§krisd dsn Hammer wol sobwinZ-sn buunt, Lr sobluA den ^mbos in den Ordud. Lr soblu^, dass weit der k-Väld srlckauA Und alles Uissu in 8tüobs «xranss. Und von der letzten LisenstanZ' Naobt' er ein 8obwsrt, so breit und län§. „biun bub' iob Assebmisdet ein Autos 8obwsrt, Uuu bin iob wie andre Littsr wert. biun «oblag,' iob, wie ein andrer Held, Die Kissen und Dracbsn in >Vald und De Id. 51. Der Gemsjäger. Von Grimm. Ein Gemsjäger stieg auf und kam auf den Felsgrät,* und indem er immer weiter empörklomm, weiter, als er je vorher gelangt war, stand plötzlich ein häßlicher Zwerg vor ihm, der sprach zornig: „Warum erlegst du mir lange schon meine Gemsen und lassest mir nicht meine Herde? Jetzt sollst du es mit deinem Blute teuer bczählen." Der Jäger erbleichte und wäre bald hinäbgestürzt, doch fäßte er sich noch nnd bat den Zwerg um Verzeihung, denn er habe nicht gewußt, daß die Gemsen ihm gehörten. Der Zwerg sprach: „Gut, aber laß dich nicht wieder Hin¬ blicken, so verheiße ich dir, daß du jeden siebenten Tag morgens früh vor deiner Hütte ein geschlachtetes Grätticr* finden sollst; aber hüte dich und schone mir die ändern." Der Zwerg verschwand, und der Gems¬ jäger ging nachdenklich heim, und die ruhige Lebensart behagte ihm wenig. Am siebenten Tage hing eine fette Gemse in den Ästen eines Baumes vor seiner Hütte, davon zehrte er ganz vergnügt, und die nächste Woche ging cs ebenso und dauerte ein paar Monate fort. Allein zuletzt ver¬ droß den Jäger seiner Faulheit, und er wollte lieber selber Gemsen jagen, möge erfolgen, was da werde, als sich den Braten zütragen lassen. Da stieg er auf, und nicht länge, so erblickte er einen stolzen Leitbock,* legte än und zielte. Und als ihm nirgends der böse Zwerg erschien, wollte er 33 eben lösdrücken, da war der Zwerg hinter ihn geschlichen und riß den Jäger am Knöchel des Fußes nieder, daß er zerschmettert in den Ab¬ grund sank. 52. i. Ltoreobnlisit ist ein sissrn LIsid. 2. Woran du os gsvMnst, das fordert bald doin Herr; tilevölm' diob niobt, o Lind, an liosos anek im 8ollsrr. Rüetcort. s. Willst du, molu 8obn, trsi bloibon, so lorno vas rselltss nnd balto Dieb §snÜAsam, und ms blioles naeli oben* lüuauk. 6ütUs. 53. Der alte Hofhund. Bon Grimm. Es hatte ein Bauer einen treuen Hund, der Sultan hieß, der war alt geworden, so daß er nichts mehr recht packen konnte. Da stand der Bauer einmal mit seiner Frau und sprach: „Den alten Sultan schieß' ich morgen tödt, der ist zu nichts mehr nutz." Der Frau that der Hund leid, und sie antwortete: „Er hat uns so lange Jahre gedient, daß wir ihm könnten das Gnädenbrod geben." — „Ei wäs," sprach der Mann, „du bist nicht recht gescheidt, er hat keinen Zähn mehr im Manl und kein Dieb fürchtet sich vor ihm; hat er uns gedient, so hat er sein gutes Fressen dafür gekriegt, jetzt taugt er nichts mehr, und da kann er äb- gehen." Der Hund, der nicht weit davon lag, hatte alles mit ängehört, erschrak und war traurig, daß morgen sein letzter Täg sein sollte. Nun hatte er einen guten Freund, das war der Wolf, zu dem ging er abends hinaus in den Wäld und erzählte, was ihm für ein Schicksal bevörstehe. „Mach' dir keine Sorgen," sprach der Wolf; „ich weiß einen guten Rät. Morgen ganz früh geht dein Herr mit seiner Fran ins Heü, und sie nehmen ihr kleines Kind mit. Das legen sie bei der Arbeit hinter die Hecke in den Schätten, da leg' dich daneben, gleich als wolltest du es be- wächen. Dan» will ich aus dein Wald kommen und das Kind rauben; du mußt mir nächspringen mit allen Kräften, als wolltest du mir's wieder äbjagen. Ich laß es fällen, und du bringst es wieder, dann glauben sie, du hättest es gerettet, und sind viel zu dankbar, dir etwas zu thün; im Gegenteile, du kommst in völlige Gnäde, nnd cs wird dir an nichts fehlen." 3 34 Der Anschlag gefiel den. Hund, und wie er ausgcdacht war, so wurde er auch aüsgeführt. Der Bauer schrie, wie er den Wolf mit seinem Kinde durch's Feld laufen sah; als cs aber der alte Sultan wieder zu- rückbrachte, da war er froh, streichelte ihn und sprach: „Dir soll nichts böses widerfahren, du sollst das Gnädcnbrot haben, so länge du lebst!" Dann sagte er zu seiner Frau: „Geh gleich heim und koch dem alten Sultan einen Weckbrci, den braucht er nicht zu beißen, und mein Kopf¬ kissen schenke ich ihm auch zu seinem Lager." Von nun an hatte es der Sultan so güt, als er sich's nur wünschen konnte. Der Wolf besuchte ihn und freute sich, daß es so wol gelungen war. „Hör', Landsmann," sprach er, „dn wirst doch ein Auge züdrücken, wenn ich deinem Herrn ein fettes Schaf wegholen kann? Es wird einem heutzutage schwer sich dürchzuschlagen." „Nein," antwortete der Hund, „meinem Herrn bin ich treu, das kann ich nicht zügeben." Der Wolf indessen meinte, das wäre kein Ernst, und kam in der Nacht, den guten Bissen abzuholen; aber der treue Sul¬ tan hatte dem Herrn alles äugezeigt, so daß dieser in der Scheune aüf- paßte und dem Wolf garstig die Haare kämmte. 54. Undank ist dor 'tVolt Dobn. s. ziVor kür alles glsieb Dank bkAöbrt, Dor ist sollen äes Dankes vert. g' ros an. s. loll llasss Undank inebr an einem Uensebsn, Lis DüAsn, Molkart, laute lkrünkenbeit, Lis seäes Daster, dessen starkes tritt Das seiuraobs Mut bevvobnt. Lllakosxsare. 55. Der große Hund. Von Achdersen. In einem Städtchen saß einmal ein Bärenführer unten in der Wirtsstnbe eines Gasthauses und aß sein Äbendbrod; der Bür stand draußen hinter dem Holzstoße angebunden, der arme Petz,* der grimmig genüg aussah, obschon er niemandem etwas zuleide that. Obenan in der Dachstube spielten drei kleine Kinder; der Älteste mochte sechs Jahre alt sein, der Jüngste kaum mehr als zwei. Auf einmal kam es trapp, trapp! 35 die Treppe herauf. Wer mochte das woi sein? Die Thüre sprang auf, es war der Petz, der große zottige Bar. Er hatte Längweile gehabt da unten im Hofe und hatte nnn den Weg znr Treppe heranfgefunden. Die Kinder erschraken sehr, jedes kroch in seinen Winkel', er entdeckte sie aber alle, beschnüffelte sie, that ihnen jedoch nichts zuleide. Das ist wol ein großer Hund, dachten sie, und dann strekchelteü sie ihn. Er legte sich auf den Böden, der kleinste Junge kletterte an ihm hinauf und steckte sein goldlockiges Köpfchen in den dichten Pelz. Jetzt nahm der älteste Knabe seine Trommel und schlug darauf, daß es dröhnte; der Bär erhob sich ans den Hinterfüßen und fing an zu tanzen, jeder Knabe nahm jetzt sein Gewehr, auch der Bar mußte eines haben, und er hielt es ordent¬ lich fest. Es war ein prächtiger Kamerad, den sie da gefunden hatten, und dann marschierten sie, eins, zwei- Da griff jemand an die Thür, sie ging auf, es war die Mutter. Du hättest sie sehen sollen, ihren lautlosen Schrecken, das kreideweiße Gesicht, den halb geöffneten Mund, die stieren Augen! Aber der kleinste Junge nickte seelenvergnügt und rief: „Wir spielen nur Soldäten. Und dann kam der Bärenführer. 56. iVsr vvio oin Ilünä geniesst äsn Dag, Hat keinen ru bereuen Unä kann sieb, wös aueb kommen mag, ^.nk etwas nenes treuen. küeksrt. 57. Des fremden Kindes heil'ger Christ. Von Rückert. Es läuft ein fremdes Kind Am Abend vor Weihnachten Durch eine Städt geschwind, Die Lichter zu betrachten, Die ängezündet sind. Es steht vor jedem Haus Und sieht die Hellen Räume, Die drinnen schau'n heraus, Die lampenvollen Bäume: Weh wird's ihm überaus. Das Kindlein weint und spricht: „Ein jedes Kind hat heute Ein Bänmchen und ein Licht, Und hat d'ran seine Freude, Nur bloß ich armes nicht." „An der Geschwister Hand, Als ich daheim gesessen, Hat es mir auch gebrannt; Doch hier bin ich vergessen, In diesem fremden Land. 3* 36 Läßt mich denn niemand ein Und gönnt mir auch ein Fleckchen? In all' den Häuserreih'n Ist denn für mich kein Eckchen, Und wär' es noch so klein? Läßt mich denn niemand ein? Ich will ja selbst nichts haben, Ich will ja nur am Schein Der fremden Weihnachtsgaben Mich laben ganz allein." Es klopft an Thür nnd Thor, An Fenster und an Laden; Doch niemand tritt hervor, Das Kindlein einzuladen; Sie haben d'rin kein Ohr. Ein jeder Vater lenkt Den Sinn auf seine Kinder; Die Mutter sie beschenkt, Denkt sonst nichts mehr noch minder; An's Kindlein niemand denkt. „O lieber, heil'ger Christ, Nicht Mutter und nicht Vater Hab' ich, wenn dü's nicht bist. O sei du mein Berater, Weil man mich hier vergißt!" Das Kindlein reibt die Hand: Sie ist von Frost erstarret; Es kriecht in sein Gewand, Und in dem Gäßlein harret, Den Blick hinaus gewandt. Da kommt mit eineni Licht Durch's Gäßlein hergewallet Im Weißen Kleide schlicht Ein ander Kind; wie schallet Es lieblich, da es spricht: „Ich bin der heil'ge Christ, War auch ein Kind vordessen*, Wie du ein Kindlein bist; Ich will dich nicht vergessen, Wenn alles dich vergißt. Ich bin mit meinem Worte Bei allen gleichermaßen; Ich biete meinen Hort* So gnt hier auf den Straßen, Wie in den Zimmern dort. Ich will dir deinen Baum, Fremd Kind, hier lassen schimmern Auf diesem offnen Raum, Wie schön, daß die in Zimmern So schön sein sollen kaum." Da deutet mit der Hand Christkindlein auf zum Himmel, Und droben leuchtend stand Ein Baum von Sterngewimmel, Vielästig aüsgespannt. So fern und doch so nah, Wie funkelten die Kerzen! Wie ward dem Kindlein da, Dem fremden, still zu Herzen, Das seinen Christbaum sah! Es ward ihm wie ein Traum; Da langten hergebogen Englein herab von: Baum Zunl Kindlein, das sie zogen Hinauf zum lichten Raum. Das fremde Kindlein ist Zur Heimat nun gekehret, Bei seinem heil'gen Christ; Und was hier wird bescheret, Es dorten leicht vergißt! 58. Das seltsame Rezept. Von Hebel. Es ist sonst kein großer Spaß, wenn man ein Rezept in die Apo¬ theke tragen muß; aber vor langen Jahren war es doch einmal ein Spaß. Da hielt ein Mann von einem entlegenen Höfe eines Tages mit 37 einem Wagen nnd zwei Stieren vor der Städtapotheke still, lnd sorgsam eine große tannene Stübcnthüre ab und trug sie hinein. Der Apotheker machte große Augen und sägte: „Was wollt ihr da, guter Freund, mit einer Stübcnthüre? Der Schreiner wohnt um zwei Häuser links." Da sagte der Mann, der Doktor sei bei seiner kranken Frau gewesen und habe ihr wollen ein Tranklcin verordnen, es sei in dem ganzen Hans keine Feder, keine Tinte und kein Papier gewesen, nur eine Kreide. Da habe der Herr Doktor das Rezept an die Stübcnthüre geschrieben, nnd nun solle der Herr Apotheker so gut sein und das Träuklein kochen. Wol dem, der sich in der Not zu helfen weiß. 59. Herr von Münchhausen* erzählt. Von Erich Raspe. I. Ich ritt, bis Nacht nnd Dunkelheit mich überfielen. Nirgends war ein Dorf zu hören, noch zu sehen. Das ganze Land lag unter Schnee, und ich wußte weder Weg, noch Steg. Des Reitens müde stieg ich endlich ab und band mein Pferd an eine Art von spitzem Baümstaken,* der über dem Schnee hervorragte. Zur Sicherheit nahm ich meine Pistolen unter den Arm, legte mich nicht weit davon in den Schnee nieder nnd that ein sö gesundes Schläfchen, daß mir die Augen nicht eher wieder aufgingen, als bis es Heller lichter Täg war. Wie groß war aber mein Erstaünen, als ich mitten in einem Dorfe auf dem Kirchhofe lag! Mein Pferd war anfänglich nirgends zu sehen; doch hörte ich's bald darauf irgendwo über mir wiehern. Als ich nun empor sah, so wurde ich gewähr, daß es an den Wetterhahn des Kirch¬ turms gebunden war und von da herünterhing. Nun wußte ich sogleich, wie ich drän war. Das Dorf war nämlich die Nacht über ganz zü- geschneit gewesen; das Wetter hatte sich auf einmal umgesetzt;* ich war im Schlaf nach und nach, so wie der Schnee zusammengeschmolzen war, ganz sanft heräbgesunken; und was ich in der Dunkelheit für den Stumpf eines Bäümchcns, der über dem Schnee hervorragte, gehalten und daran mein Pferd gebunden hatte, das war das Kreuz oder der Wctterhahn des Kirchturms gewesen. Ohne mich nun lange zu bedenken, nahm ich eine von meinen Pi¬ stolen, schoß nach den» Hälfter,* kam glücklich auf die Art wieder zu meinem Pferde und verfolgte meine Reise. 38 H. Hierauf ging alles gut, bis ich nach Rußland kam, wo cs eben nicht Mode ist, des Winters zu Pferde zu reisen. Wie es nun immer meine Maxime* ist, mich nach dem bekannten „ländlich, sittlich," zu rich¬ ten, so nahm ich dort einen kleinen Rennschlitten auf ein einzelnes Pferd* und fuhr wolgemut auf St. Petersburg lös. Nun weiß ich nicht mehr recht, ob es in Esthland oder in Inger¬ manland* war, soviel aber besinne ich mich noch wöl, es war mitten in einem fürchterlichen Wälde, als ich einen entsetzlichen Wölf mit aller Schnelligkeit des gefräßigsten Winterhungers hinter mich änsetzen* sah. Er holte mich bald ein, und es war schlechterdings unmöglich, ihm zu ent¬ kommen. Mechanisch* legte ich mich platt in den Schlitten nieder und ließ mein Pferd zu unserm beiderseitigen Besten ganz allein agieren.* Was ich zwar vermutete, aber kaum zu hoffen und zu erwarten wagte, das geschäh gleich nachher. Der Wolf bekümmerte sich nicht im mindesten um meine Wenigkeit, sondern sprang über mich hinweg, fiel wütend auf das Pferd, riß äb und verschlang auf einmal den ganzen Hinterteil des armen Tieres, welches vor Schreck und Schmerz nur desto schneller lief. Wie ich nun auf die Art selbst so unbemerkt und gut davon gekommen war, so erhob ich ganz verstohlen mein Gesicht und nahm mit Entsetzen währ, daß der Wolf sich beinahe über und über in das Pferd hinein¬ gefressen hatte. Kaum hatte er sich aber so hübsch hineingczwängt, so nahm ich mein Tempo* währ und fiel ihm tüchtig mit meiner Peitsche auf das Fell. Solch ein unerwarteter Ueberfall in diesem Futteral* verursachte ihm keinen geringen Schreck;* er strebte mit aller Macht vor¬ wärts, der Leichnam des Pferdes fiel zu Böden, und sieh! an seiner statt steckte mein Wölf in dem Geschirre. Ich meinesorts hörte nun noch we¬ niger auf zu peitschen, und wir langten in vollem Galöpp gesund und Wölbehalten in St. Petersburg an, ganz gegen unsere beiderseitigen re¬ spektive» * Erwartungen und zu nicht geringem Erstaunen aller Zuschauer. III. Da es einige Zeit dauerte, ehe ich bei der Armee ängestellt werden konnte, so hatte ich ein paar Monate lang vollkommene Muße und Freiheit, meine Zeit sowol, als auch mein Geld auf die adeligste Art von der Welt zu verjunkeriere». Manche Nacht wurde beim Spiele zu¬ gebracht und viele bei dem Klange voller Glaser. Die Kälte des Landes 39 und die Sitten der Nation haben der Bonteille * unter den gesellschaft¬ lichen Unterhaltungen in Rußland einen viel höheren Rang angewiesen, als in unserm nüchternen Deutschland; und ich habe daher dort häufig Leute gefunden, die in der edlen Kunst zu trinken für wahre Virtuosen* gelten konnten. Alle waren aber elende Stümper gegen einen graubärtigen, kupfer¬ farbigen Generäl, der mit uns an dem öffentlichen Tische speiste. Der alte Herr, der seit einem Gefechte mit den Türken die obere Hälfte seines Hirnschüdels vermißte und daher, so oft ein Fremder in die Gesellschaft kam, sich mit der artigsten Treuherzigkeit entschuldigte, daß er an der Tafel seinen Hüt aufbehalten müsse, pflegte immer während des Essens einige Flaschen Weknbranntwcin* zu leeren und dann gewöhnlich niit einer Bouteille Ärrak* den Beschluß oder nach Umständen einige äa eüpo* zu machen; und doch konnte man nicht ein einziges mal auch nur sö viel Betrunkenheit an ihm merken. — Die Sache übersteigt ihren Glauben. — Ich verzeihe cs Ihnen, meine Herren; sie überstieg auch meinen Begriff. Ich wußte lange nicht, wie ich sie mir erklären sollte, bis ich ganz von ungefähr den Schlüssel fand. — Der General pflegte von Zeit zu Zeit seinen Hüt etwas aufzuheben. Dies hatte ich so oft gesehen, ohne daraus nur ärg zu haben.* Daß es ihm wärm vor der Stirne wurde, war natürlich, und daß er dann seinen Kopf lüftete, nicht minder. Endlich aber sah ich, daß er zugleich mit seinem Hute eine an demselben befestigte silberne Plätte anfhob, die ihm statt des Hirnschädels diente, und daß alsdann immer aller Dunst der geistigen Getränke, die er zu sich genommen, in einer leichten Wolke in die Höhe stieg. Nun war auf einmal das Rätsel gelöst. Ich sagte es ein paar guten Freün- den und erbot mich, da es gerade Abend war, als ich die Bemerkung machte, die Richtigkeit derselben sogleich dnrch einen Versuch zu beweisen. Ich trat nämlich mit meiner Pfeife hinter den Generäl und zündete, ge¬ rade als er den Hut nicdersetzte, mit etwas Papier die aufsteigenden Dünste än, und nun sahen wir ein ebenso neues als schönes Schaüspiel. Ich hatte in einem Augenblicke die Wolkensäule über dem Haupte unseres Helden in eine Feüersäule verwandelt, nnd derjenige Teil der Dünste, der sich noch zwischen den Haaren des Hütes verweilte, bildete in dem schön¬ sten blauen Feuer einen Nimbus,* prächtiger, als irgend einer den Kopf des größten Heiligen umlenchtet hat. Mein Experiment* konnte dem General nicht verbärgen bleiben; er war aber sö wenig ungehalten dar¬ über, daß er uns vielmehr noch mänchmal erlaubte, einen Versuch zu wiederholen, der ihm ein so erhabenes Ansehen gab. 40 60. i. Lin ^Voissr ist, ver 8odorr unä Linst ru söoäorn >vsiss Unä sied nn bsit'rvm 8xisl nsn stärkt ru stron^sm Lloiss. Uiiokvrt. r. Lin Xsrker ist ckis Lräo Lür den, ä«r vis sieb krönt, 2um Laraäieso >vercko 8is uns änreb LrÜbliebkoit. UanAbsin. 61. Der Bauer und sein Sohn. Von Gellert. Ein guter dummer Baüernknabe, Den Junker Hans einst mit auf Reisen nahm, Und der, trotz seinem Herrn* mit einer guten Gabe, Recht dreist zu lügen, wiederkam Ging kurz nach der vollbrachten Reise Mit seinem Vater über Land. Fritz, der im Geh'n recht Zeit zum Lügen fand, Log auf die ünverschämt'ste Weise. Zu seinem Unglück kam ein großer Hünd gerannt. „Ja, Vater," rief der unverschämte Knabe, „Ihr mögt mir's glauben oder nicht, So sag ich's euch und jedem ins Gesicht, Daß ich einst einen Hund bei - Haag* gesehen habe, Hart an dem Weg, wo man nach Frankreich fährt, Der — ja, ich bin nicht ehrenwert, Wenn er nicht größer war, als euer größtes Pferd!" „Das," sprach der Vater, „nimmt mich Wunder, Wiewol ein jeder Ort läßt Wunderdinge seh'n; Wir, zum Exempel, gehn jetzunder Und werden keine Stünde geh'n, So wirst du eine Brücke seh'n (Wir müssen selbst darüber geh'n), Die hat dir manchen schon betrogen; Auf dieser Brücke liegt ein Stein, An den stößt man, wenn man denselben Tag gelogen, Und fällt und bricht sogleich das Bein." Der Bub erschrak, sobald er dies vernommen. „Ach," sprach er, „laüft doch nicht so sehr! Doch, wieder auf den Hünd zu kommen, Wie groß, sagt ich, daß er gewesen wär? 41 Wie euer größtes Pferd? Dazu will viel gehören. Der Hund, jetzt fällt mir's ein, war erst ein halbes Jahr; Allein, das wollt ich doch beschwören, Daß er so groß als mancher Ochse war." Sie gingen noch ein gutes Stücke, Doch Fritzen schlug das Herz. Wie könnt' es anders sein? Denn niemand bricht doch gern ein Bein. Er sah nunmehr die richterische Brücke Und fühlte schon den Beinbruch halb. „Ja, Vater," fing er an, „der Hund, von dem ich rede, War groß, und wenn ich ihn auch was vergrößert hätte, So war er doch viel größer als ein Kalb." Die Brücke kömmt. Fritz! Fritz! Wie wird dir's gehen! Der Vater geht voran; doch Fritz hält ihn geschwind. „Ach, Vater," spricht er, „seid kein Kind Und glaubt, daß ich dergleichen Hund gesehen! Denn kurz und güt, eh wir darüber gehen: Der Hund war nur so groß, wie alle Hunde sind." 63. i. IVer einmal lügst, muss ölt ru lüxsn sieb xevöbusu; Venn sieben Vüxeu brauodt's, um eins ru bssobüusu. küoksrt. 2. lllaxst äu äis Vüxs nöob so Llux In ckas Uevauä äsr IVädrbeit leleiäeu, vor Dümmste ist niobt äumm xenüx, Dm bsicke niobt ru untersoboiäsu. voäsustsät. s. Sedvarmsr Praxen äsn Stempel äsr stVabrkeit auk Vüxen unä Unsinn, IVsm äer vrobiorstein keblt, bält sie kür reäliokes Uolä. Uötbs. 63. Die Hauskatze. Nach H. Wagner. In der äußern Gestalt zeigen unsere Hauskatzen verhältnißmäßig wenig Verschiedenheiten. Sie zerfallen durchaus nicht in so viele Unterarten wie die Hunde. Die meisten Abweichungen finden sich in der Färbung. Die Haare der grauen, sogenannten Cyperkatzen zeigen eine Mischung von Weiß, Gelb und Schwärz. Selbst weiße Katzen haben meist einzelne schwarze Haare, schwarze Katzen ebenso einzelne weiße. In ihrer ganzen Gestalt und Lebensweise erinnert uns die Katze an einen Tiger im kleinen. 42 Den lieben langen Tag liegt sie hinter dem warmen Öfen, dicht an die heißen Steine gedrückt; kommt aber der Äibend, so wird sie lebhaft und geht auf Beute aus. Ihre Augen leuchten im Finstern wie hellgrüne Lichter. Sie vermag in der Dämmerung noch deutlich zu sehen, während unseren Augen schon alles grau und schwärz erscheint; bei Tage wird sie dagegen durch das Helle Sonnenlicht geblendet. Das Schwärze im Ange, die Pu¬ pille, die bei Abend kreisrund ist, zieht sich mehr und mehr zu einem schmalen Streifen zusammen, je Heller die Sonne leuchtet, und man erzählt deshalb, daß sich in China die Bauersleute, die keine anderen Uhren besitzen, nach den Augen ihrer Kätzen richten, um die Tägeszeit zu be¬ stimmen. Sobald der schwarze Streifen am schmälsten ist, ist es Zeit zum Mittagsbrode. So empfindlich die Angen der Katze sind, so sind es auch ihre Ohren. Sic hört das leise Knabbern der Maus, das Geräusch, das der Vogel in den Zweigen des Baumes macht. Ihre Fähigkeit zu riechen ist dagegen nicht so scharf wie bei dem Hunde. Ihre Pfoten sind weich. Die Zehen enden in elastischen Ballen. Man hört keinen Laut, wenn sie läuft. So kann sie sich unbemerkt zum Mäüseloch schleichen und hier lauern, bis die Maus weit genüg von demselben entfernt ist, um sie zu erwischen. Es ist nicht so leicht, eine Maus zu fangen, denn diese ist ebenfalls ein geübter Springer und flink in allen Bewegungen. Die Katze übt sich von Jugend auf förmlich zum Mäusefangcn eiu. Zuerst hascht sie den eigenen Schwänz, dann alles, was sich regt und bewegt, den Strohhalm, die rollende Kugel, dann Fliegen und Schmetterlinge — schließlich Mäuse und Vögel. Sie mißt dabei genan nut den Augen die Entfernung ab, die zwischen ihr und ihrer Beute ist, schleicht vorsichtig auf dem Bauche herän, bis sie nahe genüg ist, dann schnellt sie mit einem mächtigen Satze auf ihren Raüb und packt ihn mit Zähnen und Klauen. Hat sie ihre erste Maus glücklich gefängen, so bringt sie dieselbe wol in die Stübe, um sie allen zu zeigen, als wolle sie wegen dieser ihrer ersten Heldenthat auch gelobt sein. Manche Katzen tödten und fressen oft die Maus nicht sofort, sondern lassen sie streckenweise laüfen, um sich im Fangen desto besser einüben zu können. Ihre Krallen kann die Katze zurückziehen, sie werden so nicht äb- gestumpft; will sie zügreifen, so strecken sie sich aus, wie ebenso viele Nadeln und Dolche. Die Krallen sind die Haüptwaffe der Katze, doch kann sie auch empfindlich genug beißen, wenn sie gereizt wird. Ins Wasser und in den Schmutz tritt sie höchst üngern. Sie leidet kein unreines Fleckchen 43 an ihrem Pelze und streicht mit Pfote und Zunge jedes Härchen zurecht, das sich verschoben hat. Auch ihren Ünrat verscharrt sie, wenn sie irgend Gelegenheit dazu findet. Die scharfen Klauen befähigen die Katze zum Klettern. Sie klimmt über Planken und Mauern, steigt auf Bäume und Hansdächer und kennt keinen Schwindel. Vor einem Falle fürchtet sie sich nicht sonderlich; sie dreht sich, wenn sie von einer Höhe heräbgeschlcudert wird, mitten im Falle um und kommt unten richtig auf die Beine zu stehen. Gar zu gern gehen die Katzen auf den Dächern spazieren, dort halten sie gewöhnlich im Februar ihre Zusammenkünfte und geben gräuliche Kon¬ zerte. Der Kater singt mit tieferer Stimme und die übrigen begleiten ihn mit hellerem Miauen. Dann gibt es gegenseitige Ohrfeigen und Bisse, und mancher Sänger kommt früh blutend mit zerzaustem Fell wieder heim, geht aber am Abend doch wieder zur Katzenmusik. Im Mai, mitunter auch zum zweitcnmale im Sommer, bekommt die alte Katze drei bis sechs Junge, die sie an einem verborgenen Orte versteckt. Die meiste Sorge hat sie dabei, die Kleinen vor dem Käter zu verbergen, der sie tödtbeißt, sobald er sie auffindet. Wird sie mehrfach beunruhigt, so sucht sie einen ändern Schlupfwinkel auf, faßt die Jungen einzeln mit den Zähnen am Felle und trägt sie fort. Die Jungen können anfänglich noch nicht sehen und werden von der Alten gesäugt, wie das Kalb von der Kuh. Man hat versuchsweise alten Katzen einige ihrer Jnngen wc'ggenommen und ihnen ändere junge Tiere untergelegt. Mit Erstaunen hat man gesehen, daß sie dieselben ebenso sorglich gepflegt haben, als ob es ihre eigenen Jungen seien; ja selbst solche Tiere nimmt die Katze an Kindesstatt an, die sie zu andern Zeiten als Beute betrachtet, oder denen sie feindlich entgegentritt. So hat man junge Ratten, Eich¬ hörnchen, Kaninchen und Hasen von Katzen groß ziehen lassen. Sehr- drollig ist es dann änzusehen, wenn die Katzcnmutter ihre Pfleglinge spa¬ zieren führt und sie in allen jenen Künsten unterweisen will, die eine junge Kätze braucht, um Mäuse zu fangen. Wahrscheinlich hängt diese Eigentümlichkeit der Katze mit ihrem schwach ausgebildeten Riechvermögen zusammen. Der Hund, der sonst viel gutmütigerer Natur ist, benimmt sich bei solcher Gelegenheit ganz änders. Er wittert sofort jeden versuchten Betrüg, knurrt das untergeschobene junge Kätzchen grimmig än, zeigt ihm die Zähne und beißt es tödt, wenn man es nicht wieder entfernt. Daß sich die Katze nicht bloß mit Mäusen begnügt, sondern auch gar zu gern Milch oder sonst was leckeres aus der Küche zu erschnappen sucht, ist ja zum Sprichworte geworden. Da sie ein Raubtier ist, zieht 44 sie Fleischspeisen allen übrigen vor, gewöhnt sich aber auch, wenn sie gut erzogen wird, an die meisten änderen Speisen, welche der Mensch genießt. Sonderbar ist der Katzen Vorliebe für Baldrian* und Kätzcnkraut. Finden sie eine dieser Pflanzen auf, so stellen sie gewöhnlich närrisches Zeug an. Sie reiben und stoßen sich daran, springen wie toll um sic herum, wälzen sich auf dem Rücken und hören meist nicht eher damit auf, bis sic das Gewächs ümgerannt und die Blätter desselben äbgeriebeu haben. Für gewöhnlich gibt die Katze ihr Wolbehagen durch eigentümliches Schnurren oder Spinnen kund, dabei reibt und streichelt sie sich auch gern an denjenigen Personen, welchen sie zügethan ist. Zwischen ihr und dem Hunde herrscht eine angeborne Feindschaft. Es kommt aber auch vor, daß sich eine Katze freundschaftlich einem Hunde «»schließt, mit dem sie von klein an ausgewachsen ist. Sie frißt dann von einem Teller mit ihm und legt sich auf seinen warmen Rücken, um dort zu schläfen. Die Katzen haben auch ihre eigene Spräche. Die Katze schreit ganz anders, wenn sie Futter begehrt, als wenn sie gequält wird. Sie lockt mit andern Tönen ihre Jungen und mit wieder andern gibt sie ihren Arger zu erkennen, wenn man ihr das Fressen wcgnehmen will. Den Hnnd pfaucht sie wild än und macht dabei einen Buckel, — alle Haare stehen ihr dabei zuberge. Die Lebenszähigkeit der Katze ist groß; sie vermag darum dem Men¬ schen fast über die ganze Erde zu folgen. Nur in den kältesten Gegenden und auf den höheren Gebirgen vermag sie nicht zu leben. Die Katze wird, von mancherlei Kränkheiten befallen, mitunter sogar von der Tollwut, ähnlich wie der Hund, doch viel seltener. In einem Alter von fünfzehn Jahren stirbt sie gewöhnlich, allein selten findet man ihren Leichnam. Sie kriecht, wenn sie ihr Ende merkt, in ein abgelegenes Winkelchen und verscheidet im Verborgenen. Daß elektrische Funken aus dem Fell der Katze hervorsprühen, wenn man dasselbe stark streichelt, hast du gewiß schon im Dunkeln selbst bemerkt. 64. r. Um äroissiA Auto lVorüo än vnä oino Uissotbat äaem: Dos ünton «nrä vorAosson, Vas Löse virä Aomosson. vötbs. 45 s. Des Zebmoieblors süsse Uotoäis'n, Ds xge^t sie joäor Lobvaebo Detzisi iss in äas Obr ru ^iob'u; 8ie wie clon Dauob äer Dost ru lliob'n, Vas ist äes Ltarbon 8aobs. Dauiuor. 65. Der Maulwurf. Von Hebel. Unter allen Tieren, die ihre Jungen säugen, ist der Biaulwurf das einzige, das seiner Nahrung allein in dunkeln Gängen unter der Erde nachgeht. Und an dem einen ist's zu viel, wird mancher sagen, der an seine Felder und Wiesen denkt, wie sie mit Maulwurfshügeln bedeckt sind, wie der Boden zerwühlt und durchlöchert wird, wie die Gewächse oben äb- sterben, wenn das heimtückische Tier unten an den Wurzeln weidet. Nun, so wollen wir denn Gericht halten über den Missethäter. Währ ist es und nicht zu leugnen, daß er durch seine unterirdischen Gänge hin und wieder den Böden durchwühlt und ihm etwas von seiner Festigkeit raubt. Währ ist es feruer, daß durch die herausgestoßeneu Gruudhaufen viel fruchtbares Länd bedeckt wird, und die darunter liegenden Keime im Wachstum gehindert, ja erstickt werden können. Dafür ist jedoch in einer fleißigen Hand der Rechen gut. Aber wer hat's gesehen, daß der Maulwurf die Wurzeln abfrißt? Wer kann's behaupten? Nu», man sagte so: Wo die Wurzeln äbgenagt sind und die Pflanzen sterben, wird man auch Maulwürfe finden; und wo keine Maulwürfe sind, geschieht das auch nicht. Folglich thut's der Maulwurf. — Der das sagt, ist vermutlich der nämliche, der einmal so behauptet hat: Wenn im Frühling die Frösche zeitig quaken, so schlägt auch das Laub bei¬ zeiten aus. Wenn aber die Frösche lange nicht quaken wollen, so will auch das Laub nicht kommen. Folglich quaken die Frösche das Laub heraus. — Seht doch, wie man sich irren kann! Aber da kommt ein Advokät des Maulwurfs, ein erfahrener Land¬ wirt und Natnrbeobachter, der sagt so: „Nicht der Maulwurf frißt die 46 Wurzeln ab, sondern die Larven,* besonders die (Engerlinge,* die unter der (§rde sind, und ans denen hernach die Maikäfer nnd änderes Unge¬ ziefer kommen. Der Maulwnrf aber frißt die Larven nnd reinigt den Boden von den Feinden." Jetzt wird es also begreiflich, daß der Maulwurf immer da ist, wo das Gras und die Pflanzen krank sind und äbsterben, weil die Quädten da sind, denen er nachgeht nnd die er verfolgt. Und dann muß er's gethan haben, was diese anstellen, nnd bekommt für eine Wolthat, die er euch erweisen will, des Henkers Dank. Wenn jemand zweifeln sollte, ob die Sache sich wirklich so verhalte, so kann er darüber zweierlei Proben anstellen. Erstlich, wenn er dem Maulwurf in den Münd schant. Denn alle vierfüßigen oder Säugetiere, welche die Natur zum Nagen am Pflanzen¬ werk bestellt hat, haben in jeder Kinnlade oben und unten nur zwei ein¬ zige und zwar scharfe Vörderzähne und gar keine Eckzähne, sondern eine Lücke bis zn den Stockzähnen. Alle Raubtiere aber, welche andere Tiere fangen und fressen, haben sechs und mehr spitzige Vörderzähne, dann Eck¬ zähne auf beiden Seiten und hinter diesen zahlreiche Stockzähne. Wenn man nun das Gebiß eines Maulwurfs betrachtet, so wird man finden: er hat in der obern Kinnlade sechs und in der untern ächt spitzige Border- zähne und hinter denselben Eckzähne auf ällen vier Seiten, nnd daraus folgt: es ist kein Tier, das an Pflünzen nagt, sondern ein kleines Raub¬ tier, das ändere Tiere frißt. Zweitens, wenn er einem getödteten Maulwurfe den Bauch auf¬ schneidet und ihm in den Mägen schaut. Denn was das Tier frißt, muß es im Mägen haben, und was es im Magen hat, muß es gefressen haben. Nun wird derjenige, welcher die Probe machen will, ule Wurzcl- fasern oder so etwas in dein Magen des Maulwurfs finden, immer aber die Häute von Engerlingen, Regenwürmern und änderen: Ungeziefer, das unter der Erde lebt. Wie sieht's jetzt aus? Wer also den Maulwnrf recht fleißig ver¬ folgt und mit Stumpf und Stiel vertilgt, der thnt sich selbst den größten Schäden und den Engerlingen den größten Gefällen. Da können sie ohne Gefahr die Wiesen nnd Felder verwüsten, wachsen und gedeihen, und im Frühjahre kommt also der Maikäfer, frißt die Bäume kahl wie Besenreis und bringt zur Vergeltung sicher nichts als des Kukuks Dank und Lohn. So sieht's aus. 47 66. i. Dinen Wabn vsrlieren maebt weissr, als sing neue Wübrlisit ünäen. 8 ö rns. 2. Volksrätsel. D^c Herzog von Unterland Ist weit und breit bekannt In seinem sammt'nen Gewand. K. Sim rock. 67. 86ll4VÜl)L8vIl6 IvDDtlv. Von Dblanä. ^.Is Laissr Lötbart* lobssam 2um beil'sseu Lanä Aeroben tram, Da musst' sr mit äsm frommen Heer Durob ein DebirAS, wüst unä leer. Daselbst erbub sieb grosse blot; Viel 8tsins xab's uncl wenix Lröä, Dnä manobsr äsutsobs Leitersmann Hat äort äen Lrunk sieb ab§stban. Den Lksräen war's so sebwaeb im Llaxen, Last musst' äsr Leiter äis NÜbrs tragen. blun war ein Derr aus 8ebwäbsnlanä, Von bobsm Wüebs unä starker läanä, Dsss Lösslein war so krank unä sebwaeb, Dr 7.o§ es nur am Kanins naeb, Dr bätt' es nimmer aukKSgebsn, Unä kostet'« ibn äas eiss'ne Leben. 8o blieb er balä ein Zutes 8tüek Hinter äsm UesresruA rurüek. Da sxrsnAten xlötrlieb in äis (Zuer LiiniÄA türkisods Leiter äaber. Die buben an, auk ibn ru sebiessen, blaeb ibm ru werken mit äen 8xis8ssn. Der wavk'rs 8ebwabe korebt' sieb nit, UinA seines Wsxes 8ebritt vor 8ebritt, Liess sieb äen 8ed!Iä mit ('teilen «vieken Unä tbät nur spvttlieb um sieb blicken, Dis einer, äem äie 2sit ru lanx, ^uk ibn äen krummen 8absl sebwanss. Da wallt äsm Dsutseben aüeb sein Llut, Dr trilkt äes Türken Dksrä so Zut, Dr baut ilmr ab mit einem 8treicb Dis beiäen Vöräerküss' rn^leieb. ^ls er äas Lier nu Lall Aöbraebt, Da lasst er erst sein 8ebwert mit Uaebt, Dr sebwin§t es auk äes Leiters Löxk, Haut äureb bis auk äen 8attelknoxk, Haut aueb äen 8ättsl noeb nu 8tüeksn Duä tisk noeb in äes Lksräss Lüeksn; 2ur röebten sisbt man wie rmr linken Dinen balbsn lirrksu ksruntersinksu. Da xaekt äis anäsrn kalter Draus, 8is llieb'n in allo Welt binaus, Dnä seäsm ist'«, als würä' ibm mitten Dureb Loxk unä Lsib binäüreb- Assebnitton. D'rauk kam äes We^s 'ne Dbristen- sebaar, Dis aüeb rurüvkZsbliebsn war, Die saben nun mit Zmtein Leäacbt, Was Arbeit unser Dslä §omaebt. Von äenen bat's äer Xaiser ver¬ nommen, Der liess äen 8ebwaben vor sieb kommen, 48 Ni- sxraeb: „Lass' än, IN 81II Ritter „Ois Ltroiobs sillä bei IMS im evort! Lokvvünss, 4Ver bat äieb solebo Ltroieb' sse- 8ie simt bsbaunt im ssanreu Roieks, lobrt?" Uan iieimt sie balt nur Lebvvüdon- Ver Lelä boüaebt' sieb uiebt xn länss': streiclie." 68. Hell Oosicbt bsi düsen vinsssu Niiä bei sroden still unä ernst — Nnä ssar viel evirst üu volldrinssen, 'Wenn üu äies beineitsn lernst. itrnät. 69. Drei Wünsche. Von Hebel. Ein junges Ehepaar lebte recht vergnügt nnd glücklich beisammen und hatte den einzigen Fehler, der in jeder menschlichen Brust daheim ist: wenn man's güt hat, hätte man's gerne besser. Ans diesem Fehler ent¬ stehen so viele törichte Wünsche, woran es nnserm Haus und seiner Lise auch nicht fehlte. Bald wünschten sie des Schulzen* Äcker, bald des Löwenwirts Geld, bald des Meiers Haus und Hof und Vieh, bald ein¬ mal hunderttausend Millionen baierische Thaler kurzweg. Eines Abends aber, als sie friedlich am Ofen saßen und Nüsse aufklopften und schon ein tiefes Loch in den Stein hineingeklopft hatten, kam ein weißes Wckb- lein herein, nicht mehr als eine Elle lang, aber wunderschön von Gestalt und Angesicht, und die ganze Stube war voll Rösenduft. Das Licht löschte aus, aber ein Schimmer wie Morgenrot, wenn die Sonne nicht mehr fern ist, strahlte von dem Weiblein aus und überzog alle Wände. Ueber so etwas kann man nun doch ein wenig erschrecken, so schon es aussehen mag. Aber unser gutes Ehepaar erholte sich doch bald wieder, als das Fräulein mit wundersüßer, silberreiner Stimme sprach: „Ich bin eure Freundin, die Bergfei* Anna Fritze, die im kristallenen Schloß mitten in den Bergen wohnt, mit unsichtbarer Hand Gold in den Rheinsand streut und über siebenhundert dienstbare Geister gebietet. Drei Wünsche dürft ihr thun; drei Wünsche sollen erfüllt werden." Hans drückte den Ellbogen an den Arm seiner Frau, als ob er sägen wollte: Das lautet nicht übel. Die Frau aber war schon im Begriff den Münd zu öffnen und etwas von ein paar Dutzend goldgestickten Kappen, seidenen Hals¬ tüchern und dergleichen zur Spräche zu bringen, als die Bergfei sie mit - 49 aufgehobenem Zeigefinger wärnte: „Acht Läge lang," sagte sie, „habt ihr Zeit. Bedenkt euch wöl und übereilt euch nicht." Das ist kein Feh¬ ler, dachte der Mann und legte seiner Frau die Händ auf den Mund. Das Bergfräulein aber verschwand. Die Lampe brannte wie vorher, und statt des Rosendustes zog wieder wie eine Wolke am Himmel der Öldampf durch die Stube. So glücklich nun unsere guten Leute in der Hoffnung schon zum voraus waren und keinen Stern mehr am Himmel sahen, sondern lauter Bäßgeigen, so waren sie doch jetzt recht übel daran, weil sie vor lauter Wunsch nicht wüßten, wäs sie wünschen sollten, und nicht einmal das Herz hatten, recht daran zu denken oder davon zu sprechen, aus Fürcht, es möchte für gewünscht passieren, ehe sie es genug überlegt hatten. „Nun," sagte die Frau, „wir habeu ja noch Zeit bis zum Freitag." Des andern Äbends, während die Grundbirn* zum Nachtessen in der Pfanne prasselten, standen beide, Mann und Frau, vergnügt an dem Feuer beisammen, sahen zü, wie die kleinen Feuerfünklein an der rußigen Pfanne hin und her züngelten, bald angingcn, bald aüslöschten, und waren, ohne ein Wort zu reden, vertieft in ihrem künftigen Glücke. Als die Frau aber die gerösteten Grundbirn aus der Pfanne auf das Plättlein änrichtete, und ihr der Geruch lieblich in die Nase stieg: „Wenn wir jetzt nur ein gebratenes Würstlein dazu hätten," sagte sie in aller Unschuld, und ohne etwas anderes zu denken, und — o weh, da war der erste Wunsch gethän. Schnell, wie ein Blitz kommt und vergeht, kam es wie Morgenrot und Rösenduft untereinander durch den Kamin herab, und auf den Grundbirn lag die schönste Bratwurst. Wie gewünscht, so ge¬ schehen. Wer sollte sich über einen solchen Wunsch und seine Erfüllung nicht ärgern? Welcher Mann sollte über solche Unvorsichtigkeit seiner Frau nicht unwillig werden? „Wenn dir doch nur die Wurst an der Näse angewachsen wäre," sprach er in der ersten Ueberraschung, auch in aller Unschuld und ohne an etwas anderes zu denken — und wie gewünscht, so geschehen. Kaum war das letzte Wort gesprochen, so saß die Wurst auf der Nase des guten Weibes fest, wie angewachsen im Mutterleib, und hing zu beiden Seiten hinab wie ein Hußären-Schnurrbart. Nun war die Not der armen Eheleute erst recht groß. Zwei Wünsche waren gethan und vorüber, und noch waren sie um keinen Heller und um kein Weizenkorn, sondern nur um eine böse Brätwurst reicher. Noch war ein Wunsch zwar übrig. Aber was half nun aller Reichtum und 4 50 alles Glück zu einem solchen Nasenzierat der Hausfrau? Wollten sie wol oder übel, so mußten sie die Bergfrau bitten, mit unsichtbarer Hand Barbiers-Dienste zu leisten und die Frau Lise wieder von der vermale¬ deiten Wurst zu befreien. Wie gebeten, so geschehen, und so war der dritte Wunsch auch vorüber, und die armen Eheleute sahen einander an, waren der nämliche Hans und die nämliche Lise nachher wie vorher, und die schöne Bergfei kam niemals wieder. Merke: Wenn dir einmal die Bergfei also kommen sollte, so sei nicht geizig, sondern wünsche Numero eins: Verstand, daß du wissen mögest, was du Numero zwei wünschen sollest, um glücklich zu werden. Und weil es leicht möglich wäre, daß du alsdann etwas wähltest, was ein thörichtcr Mensch nicht Höch anschlägt, so bitte noch Numero drei: um beständige Zufriedenheit und keine Reue. Oder so: Alle Gelegenheit, glücklich zu werden, hilft nichts, wenn man den Verstand nicht hat, sie zu benützen. 70. i. Dass Hläoü ibin AÜnstiA sei, ^Vas bilkt's äsin Ltölksl? Denn rsZnot's Ursi, Usbtt ibm äsr Uölksl. Hötbs. 2. Usr zVsiss varä beträgt: ^Vas vünsobsst äu kür Haben? Ur sxraob: Uiebts >vünseb' ied, als rn vrünsebsn niebts ru baden. Unä noeb einmal betragt: äVas also vvänsedsst än? Lxrasb er: Nein sinr'sssr 'tVnnseb ist meiner Vnnsebs Rüb. küolcsrt. 71. Die Eiche und das Schwein. Von Lessing. Ein gefräßiges Schwein mästete sich unter einer hohen Eiche mit der herabgefallenen Frucht. Indem es die eine Eichel zerbiß, verschluckte es bereits eine andere mit dem Auge. „Undankbares Vieh!" rief endlich der Eichbaum herab. „Du nährest dich von meinen Früchten, ohne einen einzigen dankbaren Blick auf mich in die Hohe zu richten." Das Schwein hielt einen Augenblick inne und grunzte zur Antwort: „Meine dankbaren Blicke sollten nicht aüßenbleiben, wenn ich nur wüßte, daß du deine Eicheln meinetwegen hättest fallen lassen." 51 72. i. Olt kommt kill uütillicb Mort aus selllsebtom Llunäs. Lobitlsr. s. Ls ist mobt möZIiob, äass ein Msrk äer Llobo glo olms Lruobt null 8s§6ll bliobo. Lilvlcsit. 73. Die Biene und die Taube. Von Michaelis. Ein Bienchen tränk und fiel darüber in den Bach. Dies sah voll Mitleid eine Taube Und warf ein Blättchen von der Laube, Worauf sie saß, ihm zu; das Bienchen schwämm darnach Und half sich glücklich aus dem Bach. Den andern Tag saß unsre Taube Zufrieden wieder auf der Laube. Ein Jäger hatte jetzt den Hahn auf sie gespannt. Mein Bienchen kommt; pick! sticht's ihn in die Hand; Puff! geht der ganze Schuß daneben. — Die Taube flieht. Wem dankte sie ihr Leben? 74. klimm äiob voll Uollsebonbulä äos Llsinstsn villi§ an, vocb ässbalb niebt, veil es ckir einstens untren kann. 75. Der Igel. Von Lenz. Der Körper des Igels ist unten mit Häaren, oben mit weißen, braun und schwarz geringelten Stächeln besetzt und hat eine Länge von zehn bis eilf Zoll (26—29 ow.); die Ohren sind kurz, und auch der Schwanz ist nur einen Zoll (2'6 em.) laug. Er ist in Europa sehr gemein und bewohnt auch das westliche Äsieu. Am liebsten ist er in Laubwäldern, Zäunen, Ge¬ treidefeldern, kurz an Orten, wo es ihm weder an Versteck, noch an Nahrung gebricht. Den Winter verbringt er in einer selbst gescharrten, mit Laub, Moos, Heu u. s. w. recht weich ausgepolsterten Höhlung, die er mit ein¬ tretendem Froste bezieht, und wo er, so lange die Kälte änhült, ruhig schläft. Auch in einer kühlen Kämmer schläft er den Winter über recht ruhig. Man findet ihn noch im November und schon anfangs März bei gutem Wetter herümlaufend. Seine Nahrung besteht aus kleinen Tieren 4* 52 und Früchten. Vorzüglich liebt er Mäuse und erhascht deren sehr viele. Paßt man ihm in mondhellen Nächten auf, so sieht man ihn leise umhcr- schleichen, öfters, obgleich er sonst langsam ist, plötzlich schnell züfahren, eine Maus Haschen und verzehren. Käfer, Regenwürmer, Frösche, Eidechsen, Blindschleichen, Ringelnattern sind ihm ebenfalls sehr angenehm. Will er eine Krote fressen, so wischt er sich anfangs nach jedem Bisse, den er ge¬ geben, wahrscheinlich weil ihm der scharfe Saft nicht behagt, das Maul an der Erde ab. Kleine Vögel und deren Eier verschont er ebensowenig. Birnen, Aepfel und Pflaumen genießt er auch, aber nicht so gern als tierische Nahrung. Er kann, da er nicht klettert, nur das Obst auflesen, welches am Böden liegt, und wenn er großen Vorrat findet, so wälzt er sich auch darauf, spießt es mit seinen Stacheln an und trägt es so nach seinem Versteck. Im Juli oder August bekommt das Weibchen vier bis acht Junge, die dritthalb Zoll (6'5 om.) läng und etwas über einen Zoll dick sind. Nur um das Maul stehen kurze Börsten, übrigens sind sie un¬ behaart, Augen und Ohren geschlössen. Schon binnen den ersten vierund¬ zwanzig Stünden werden die Stacheln vier Linien lang und sind anfangs ganz weiß. Nach einem Monat hat der junge Igel die Farbe des alten, frißt auch schon allein, obgleich er noch sangt. Wenn er dieses Alter hüt, so verläßt er das in einer versteckten Lage angebrachte, weich ansgepolsterte Nest in warmen Nächten und läßt dann seine piepende Stimme hören. Am Tage ruht die Gesellschaft wieder im Neste. Bis znm Winter sind sie etwa halb ausgewachsen. Obgleich der Igel so scheu ist, daß er sich an unruhigen Orten am Tage fast niemals sehen läßt, nur des Nachts seinen Geschäften nachgeht und sich gewöhnlich bei Annäherung eines Menschen oder Hundes augen¬ blicklich zusämmenkugelt und durch keine Qual dahin zu bringen ist, sich wieder aüfzurollen, bis alles sicher scheint, so zeigt er doch in mancher Hinsicht großen Mut. Ich ließ zu einem alten Igel, der seine Jungen säugte, acht Hamster. Sogleich unternahm er einen Angriff aus den, welcher in der Ecke der Kiste saß, die sein Lieblingsfitz war. Seine Kopf¬ stacheln waren gesträubt und bildeten eine Art Helm, die Nase tief am Boden hinschiebend nahte er sich und versetzte dem Hamster, der wütend fauchte und ihn oft vergeblich und zu eigenem Schaden in die Stacheln biß, bald Stiche mit seinem Helm, bald Bisse mit seinen Zahnen; dabei fauchte er trömmelnd. Abwechselnd griff er auch den in der nächsten Ecke sitzenden Hamster an, und ich mußte diese Gäste, um ihr Leben zu retten, entfernen. Merkwürdig und lächerlich waren die vielen Kampfe, welche 53 er den Kreuzottern, die er gern frißt, liefern mußte. Sowie er eine solche giftige Schlange in seiner Nähe riecht, rückt er auf sie zu und beschnuppert sie vorzüglich am Rachen, weil er da bloßes Fleisch riecht, packt aber nicht fest zu, sondern kneipt sie oft nur mit den Zähnen. Die Otter wird wütend, zischt und beißt fürchterlich: er aber kehrt sich nicht im geringsten daran, zuckt auch kaum vor ihren Bissen zurück. Endlich, wenn sich die Otter abgetobt hat, und ihr Rachen von den Bissen, die sie seinen Stacheln gegeben hat, vom Blute trieft, packt er ihren Köpf, zermalmt ihn sammt den Gkftzähncn, frißt zuerst den Kopf und dann das Übrige. Bei andern Schlangen ist es ihm einerlei, an welchem Teile er zuerst zu fressen be¬ ginnt. Er hat oft bei einem solchen Gefecht acht, zehn, zwölf Bisse in die Ohren, das Gesicht, die Lippen, ja sogar in die Zunge erhalten, mit der er seine Wunden lecken wollte, und hat doch weder Geschwulst noch sonst einen krankhaften Zustand erlitten. Auch seine an ihm saugenden Jungen blieben gesund. Er ist ein giftfestes Tier. Man hat gesehen, wie ein Igel Hunderte von spanischen Fliegen ohne Schaden fraß. Ein Arzt wollte einen Igel skeletieren* und gab ihm, um ihn zu t'ödten, die heftigsten Gifte, unter andern auch Blausäure und Arsenik ein, aber alles vergeblich. Endlich tödtete er ihn durch Stickstoffgas. Der Igel hat sehr viel Ähnlichkeit mit dem Dachse: dasselbe schwarze, kleine, blöde Auge, das fast gar nicht zu sehen scheint, daher er immer dem Gerüche folgt, dieselbe Nahrung, dieselbe Langsamkeit, die Winter¬ ruhe, das Fettwerden im Herbst, das ans dem Bauche kommende Trom¬ meln in der Bösheit; aber es fehlt ihm das gewaltige Gebiß des Dachses, denn er hat nur schwäche Zähne und Kinnladen und Not genüg, eine Schlangen- oder Krötenhaut zu durchschneiden. Ein eigenes Gefühl scheint es ihm zu verursachen, wenn man ihn mit einem Rütchen über den Rücken streichelt; er fährt dann jedesmal die Stacheln sträubend und fauchend empör. Der Igel ist ein nützliches, aller Schönung wertes Tier, wo man von Schlangen und Mäüsen geplagt wird. Will man ihn aber doch wo Wegfangen, so geschieht dieses leicht durch eine Rättenfalle, worin eine von den obengenannten Speisen liegt. 76. i. Nsrst 8iZrks äou Kann uuä kroios, inutissss ^Vösou, 0, so riorot ilw kast tiokss Oskoimniss uoob msdr. 6ötbs. 54 L. K säe VSMA, absr nabr, Vislss Rsäen bringt Oskabr. 77. ^dondlieü. Von 6Innäiu8. Lammst, stillsr L.bsnä, visäsr L.uk unsre Lisins Llur; vir tönsn unsre Insäer. IVis sobön bist äu, Latur. Leden stsisst äis ^.bsnäröts Dsrub ins Lübls Ikäl; Lalä Mn?! in sanktsr Röte Der Lonne letzter Lträl. HlüdsruII bsrrsobt Lolnveisssn; Hur stsi§t aus unserin (Lor Hier unter Frünsn 2vei§sn Lin DänLUsä noed einxor. Lomnost, lieber ^.bsnä, vieäer ^uk unsre Lisins Liur; vir äunLsn unsrs Disäsr, Dir, Vntsr äsr Lutar. 78. Mathias Claudius, genannt Asmus oder der Wandsdecker Gote. Nun hört einmal zu, ihr lieben Studentchen, ich will euch von einem sehr braven und tüchtigen Mann erzählen, der viele schöne Sachen geschrieben hat, wie das vorstehende Äbendlied, und von denen ihr noch mehrere in diesem Buche finden werdet. Nördlich von der unteren Elbe, das heißt der Elbe nahe bei dem Meere, liegt ein ebenes Ländchen, Hol¬ stein genannt, das bis zum Jahre 1863 dem Könige von Dänemark ge¬ hörte; jetzt ist es ein Teil des deutschen Reiches. In diesem Ländchen nun liegt nicht weit von der Stadt Lübeck ein Marktflecken, Namens Reinfeld, und in diesem steht ein evangelisches Pfcirrhaus, und in diesem Psarrhause wurde im Jahre 1740 dem Pfarrer Claudius ein Sohn ge¬ boren, den er Mathias taufte. Er unterrichtete ihn selbst, bis der Knabe soviel verstand, daß er eine lateinische Schule besuchen konnte. Nachdem Mathias das Gymnasium absolviert hatte, begab er sich in die deutsche Stadt Jena und studierte daselbst Theologie, das heißt Göttesgelehrtheit, weil er ein Pastor werden wollte, wie sein Vater und wie auch schon sein Großvater einer gewesen war. Aber da hätte er viel reden müssen in Schule und Kirche, und dazu fehlte es ihm an einer guten Lunge. Denn unser Mathias wär und blieb sein lebelang ein hageres, schmächtiges Männlein von mittlerer Größe. Weil also der junge Claudius für einen Prediger verdorben war, so wurde er ein Rechtsgelehrter, er studierte zu Jena das Jus. Nun hätte er können ein Advokät werden, aber das wollte er durchaus nicht, weil die Advokaten von den Prozessen der Leute leben, 55 und er sah es nicht gern, wenn die Leute zankten und häderten. Nach¬ giebigkeit, christliche Liebe und Freundschaft, meinte er, sollten die Bauern mehr üben als Advokatenkniffe und Rechthaberei. Er hatte ein rechtes Herz für das Volk, welches damals noch nicht so gebildet war und also der Belehrung noch viel mehr bedurfte als heutzutage. Und weil es ihm nicht vergönnt war, als Priester zu demselben zu predigen, so beschloß er, in schönen Büchern zu ihm zu reden. Das Leben in großen Städten wollte ihm nicht behagen, deshalb wählte er das liebliche Stäbchen Wands- beck in der Nähe der Stadt Hamburg zu seinem Aufenthaltsorte. Hier heiratete er die brave und schöne Tochter eines Tischlers und edierte (oder gab heraus, d. h. ließ drucken) eine Zeitung, die er den „Wandsbecker Boten" nannte. Die war nun seine Kanzel, hier predigte er dem Volke, es solle Gott und den Landesfürsten ehren und lieben, nach einem tugend¬ haften Leben trachten, dem der Lohn des Himmels nicht aüsbleiben werde. Und er selbst lebte so, wie er es anderen lehrte, einfach und gottesfürchtig. Er trug keine gepuderte lange Perücke, wie das die vornehmen und reichen Bürgersleute damals thäten, sondern hielt es mit seinen Haaren, wie die Bauern jener Zeit, und wie es heutzutage älle Männer halten. Er aß nur, wenn es Essenszeit war und brachte stets einen tüchtigen Appetit zum Tische mit und blieb daher immer gesund. Er konnte wol auch nicht viel für seine Tafel aüsgcben, denn er hatte viele Kinder und das Bücher¬ machen und Zeitungschreiben hat von jeher wenig Geld eingetragen. Aber trotz seiner Armut war er geachtet von Höhen und Niedrigen und der König von Dänemark gab ihm im Jahre 1784 ein Ämt, bei welchem er nicht viel zu thün hatte, und für das er doch einen so großen Gehalt bezog, daß er sich und seine Familie recht anständig ernähren und neben¬ bei noch immer als Schriftsteller thütig sein und so die Denkweise des Volkes veredeln konnte. Seine Kinder erzog er so güt, daß der reiche Buch¬ händler Perthes in Hamburg seine Tochter zum Altäre führte. Das war eine Freude für den braven Vater! Die letzten Tage seines Lebens brachte Claudius bei seinem Schwiegersöhne Perthes in Hämburg zu und starb bei ihm am 21. Jänner 1815 an Altersschwäche, wie älle Leute, welche ein regelmäßiges Leben geführt haben. Claudius hatte auch das Beste von dem, was er in seinem „Wandsbecker Boten" und in anderen Zeitun¬ gen hatte drücken lassen, zusämmengestellt und es herausgegeben unter dem Titel: „^8wns omm sua sooum portur.8" oder „sämmtliche Werke des Wandsbecker Boten." Und aus diesen Werken sollt ihr manches schöne Gedichtchen kennen lernen, 56 79. Das beste Gebet. Von Claudius. Das Vaterunser ist ein- für allemal das beste Gebet; denn du weißt, wer es geimicht hat. Aber kein Mensch auf Gottes Erdboden kann es so nächbeten, wie der es gemeint hat. Das schadet aber auch nicht, wenn wir es nur güt meinen; der liebe Gott muß am Ende doch immer das Beste thun, und der weiß ja, wie es sein soll. Wenn du es aber verlangst, so will ich dir aufrichtig sagen, wie k ch es mit dem Vater¬ unser zu machen pflege. Sieh, wenn ich cs beten will, so denke ich erst an meinen seligen Väter, wie der so güt war und mir so gerne geben mochte. Dann stelle ich mir die ganze Welt als meines Vaters HaüS vor, und alle Menschen in Europa, Asien, Afrika und Amerika sind dann in meinen Gedanken meine Brüder und Schwestern, und Gott sitzt im Himmel auf einem gol¬ denen Stühle und hat seine rechte Hand über das Meer und bis an das Ende der Welt aasgestreckt und seine linke voll Heil und Gütes, und die Bergspitzen umher raüchen — und dann fange ich än: Vater unser, der du bist im Himmel! 80. i. 6ott wüsst ibr iw Uörnou 8uobon uwl tinäsn. s. leb 8tsb' in 6lotto8 Unwl unä rub' iu Uotto8 8cbäss; Vor ibw tudi' ieb wiob blvin, in ibw tubi' icli wiob §ros8. Lüokorr. s. Stroobo äio Ubnä nur owxör iw Usbst. 6ott ku88t 8io von oben, Uns äie LsrubruuZ clurebstrdwt (lieb wit Asboillgtor Lräkt. Usibsl. 81. Die Planeten. Die alten Völker stellten sich unsere Erde als eine flache Scheibe vor und gaben ihr die Haüptrolle in der Schöpfung. Sie wähnten näm¬ lich, die große, feurige Sonne, der freundliche Mond und das zahllose Heer der lieblich funkelnden Sterne sei blos der Erdbewohner wegen da, die Erde sei der Mittelpunkt des Universums (Weltalls), und um sie drehen sich alle 24 Stunden Sonne, Mond und Sterne. Einige hervor¬ ragende Geister der alten Völker, besonders der Griechen, hatten aller¬ dings diese Anschauung als ünrichtig erkannt, aber ihre bessere Einsicht 57 war in Vergessenheit geraten. Erst vor 400 Jahren brachte ein scharf¬ sinniger Astronom (Sternforscher) Licht in das Dunkel, indem er lehrte: Die Sonne ist kein Planet, sondern bleibt unbeweglich auf einem und demselben Punkte im Welträume stehen; um sie bewegen sich der Merkur, die Venus, die Erde, welche also durchaus nicht der Mittelpunkt des Weltalls, sondern ein Planet, und zwar ein verhältnißmäßig kleiner Pla¬ net ist; ferner der Mars, der Jupiter und der Saturn. Die Planeten sind dunkle Körper und erhalten ihr Licht von der Sonne. Der Mond ist kein Planet, sondern wandelt um die Erde, er ist ihr Trabant, ihr Begleiter, ihr Nebenplanet. Der Begründer dieser neuen Lehre war Nikolaus Kopernikus, geboren zu Thorn an der Weichsel in Preußen am 19. Februar 1473. Er kannte also sechs Planeten. Im Jahre 1781 entdeckte der berühmte Astronom Her¬ schel, ein geborner Deutscher, der aber in England lebte, mit dem von ihm selbst gebauten Teleskope (Fernrohr) einen siebenten Planeten, den Uranus. Johannes Keppler, 1571 in Württemberg geboren, lebte län¬ gere Zeit in Präg, in Linz und als Lehrer der Mathematik in Graz und bestimmte die Bahnen der Planeten. Diese bestehen in kreisähulichen Linien, Elipsen. Die Sterne ziehen sich gegenseitig an und halten sich gleichsam in der Schwebe. Wenn aber der Schöpfer plötzlich einen neuen Stern in unser Planetensystem, d. h. in die Ordnung und Aufstellung unserer Wändelsterne setzte, so würden ihre Bahnen Abweichungen erleiden, ja in große Unordnung geraten. Ein Franzose Namens Le'verrier* be¬ rechnete in Paris die Bahnen der Planeten, aber die Zahlen wollten ihm nicht recht stimmen. Er untersuchte den Fehler genau und bemerkte, daß sich alles recht hübsch erklären ließe, wenn 225 Mill. Meilen (1698 Mill. Lw.) vom Uranus entfernt noch ein Planet sich bewegte, der beiläufig viermal so groß als unsere Erde wäre. Er fand ihn aber am Himmelsgewölbe nicht. Dies gelang jedoch dem Sterngelehrten Galle* in Berlin im Jahre 1846. Der so entdeckte Stern erhielt den Namen Neptun. Wie bewunderungswürdig ist doch der menschliche Geist! Durch Rechnung weist er den Sternen ihre Plätze am Firmamente an, durch riesige Ferngläser entdeckt sie das Auge. So kennen wir nun ächt große Planeten. Aber zwischen dem Mars und dem Jupiter ist eine große Lücke in den Entfernungen von der Sonne. Ich will mich deutlicher ausdrücken. Vergleichen wir folgende Zahlen. Der Merkur ist von der Sonne ächt Millionen Meilen (60.800,000 Uw.) entfernt, die Venus fünfzehn (114 Mill. Lw.), die Erde einundzwänzig 58 (158^/z Mill. Lm.), der Mars einunddreißig Mill. (235^/z Mill. Xw.) und der Jupiter — nun der steht nicht etwa vierzig bis fünfzig Millionen Meilen (304 oder 380 Mill. Lm.) weit von der Sonne ab, sondern gleich hundertsieben. Zwischen ihm und dem Mars scheint ein Planet zu fehlen, und in der That er fehlt, aber an seiner statt bewegen sich gegen 120 kleine Sternchen, Asteroiden oder Planetoiden genannt. Sie wurden alle erst in der Zeit vom Jahre 1801 bis auf den heutigen Tag entdeckt, und es werden wol noch mehr aufgefunden werden. Während der kleinste von den acht großen Wandelsternen, der Merkur, einen Durchmesser von 670 deutschen Meilen (5025 Lm.) hat, betragen die Durchmesser der Planetoiden nur einige wenige, der kleinste nnr drei Meilen (23 Xm.) Wollt ihr euch von der Größe und den Entfernungen der Sonne und der Planeten eine Vorstellung machen, so bedenket Folgendes: Wäre der Mond so groß wie ein Hirsekörnlein, so würde die Erde einem Hanfkörnlein, der Jupiter einer kleinen Bohne und die Sonne einem Kürbisse von 1?/z' (— 47 em.) im Durchmesser entsprechen. Und wenn das Hirsekörnlein von dem Hanfkörnlein >/z" (—1'3 em.) weit entfernt steht, so ist der Kürbiß von ihm 16' (— 5 m.) weit ent¬ fernt. Die Bohne stünde von dem Kürbiß fast sechsmal so weit ab, nämlich 85' 3" (— 30 w.), und der Neptun, der äußerste Planet, würde wieder fast sechsmal so weit vom Kürbisse entfernt stehen, nämlich 82° 4' 9" (— 156 m.), d. h. beiläufig 220 Schritte eines erwach¬ senen Mannes. 82. 'tVonn äir ins 4.u§' äis lpräno briobt, 8o rin§6, bis äio 8torns soboiuen; Dann bob' äsin L.u§' rum 8tsruonliobt, Das trooknst allss lVsinou. Duäni§ Dtan. 83. Rätsel. Von Schiller. Auf einer großen Weide gehen Biel tausend Schafe silberweiß: Wie wir sie heute wandeln sehen, Sah sie der allerält'ste Greis. Sie altern nie und trinken Leben Aus einem uncrschöpften Born; Ein Hirt ist ihnen zugegeben Mit schön gebog'nem Silberhorn. Er treibt sie aüs zu gold'nen Thoren, Er überzählt sie jede Nacht, Und hat der Lämmer keins verloren, So oft er auch den Weg vollbracht. Ein treuer Hund * hilft sie ihni leiten, Ein muntrer Widder* geht voran. Die Herde, kannst du sie mir deuten? Und auch den Hirten zeig' mir an. 59 84. ver Auts Lameraä. Von leb Katt' oinsu Lamorääsn, Lillkii besooru üuä'ot äu ult. Oio lkrommol sebluA rum Ltrsito, Ur AMA uu msiuor Leits Im Aloiobsu Lebritt unä lkritt. Ilblanä. Dius LÜAkI bum ASÜOAkll, Oilt's mir, oäsr Ailt 68 äir? Ibu bat 68 1VSAA6ri886U, Dr lisAt mir vor äsu Düsosu, L.I8 ^vär's ein Ltüok von mir. Mit mir äis Uäuä uoob rsiebsn, Dervsil ieb eden lää'. Laim äir äis Uauä uiebt Asbsn, Illsib äu im sv'Asu Usbsu, Nein Autsr ILümsrää. 85. i. IVsr mutiA kür osin Vatsrlauä Askällsu, Der baut sieb sölbot ein sviA Llouumsut Im trsusu Herren ssiusr Uauässbrääsr, Unä äis8 Usbüuäs stürrt kein Lturmvviuä meäer. Lörusr. 2. Lei uuvsrruAt unä vvauks uiebt Im treuen Viou8ts äeiner Utliebt. I. Hammer. 86. Rübezahl. Von H. Kletke. I. Zwischen Böhnien und Preußen liegt das Ricsengebirge, und in diesem hauset der freundliche Geist Rübezahl. Der hilft den Güten, wenn sie zu ihm Vertrauen haben und seiner Unterstützung bedürfen, den Un¬ artigen und Hochmütigen spielt er dagegen manchen Schabernack. Wenn die Menschen garstige Moden annehmen, so ärgert ihn das. Als Rübe¬ zahl hörte, daß aus fremden Landen eine neue Haartracht aufgekommen und so viele Leute in dem Städtchen Hirschberg* begierig seien, dieselbe zu trägen, begab er sich dorthin auf den Jahrmarkt und hatte Perücken feil. Die waren alle ganz nach der neuesten Mode, so hoch, so lang und so kostbar, als man nur immer finden konnte. Da konnte es freilich nicht fehlen, daß Rübezahl seinen ganzen Kram in kurzer Zeit los wurde. Als aber die Käufer am anderen Tage in den neuen Perücken über die 60 Güssen gingen, gab es ein großes Geschrei, und die Buben liefen hinter ihnen her, denn es fand sich, daß jene statt einer Perücke ein wunderliches Genist von Moos, Heu und Werg* auf dem Kopfe trugen. Aber der schelmische Handelsmann, den sie dieses Streiches wegen zur Rede setzen wollten, war längst zum Thore hinaus. II. Ein vorwitziger, grober Geselle, der auf der Wanderschaft nach Böhmen unterwegs von Rübezahl hatte erzählen hören, wollte, wie er in die Nähe der Schneekoppe * kam, ihn selbst zu Gesicht bekommen. Da¬ selbst forderte er ihn mit ungeschliffenen Worten heraus und rief: „Rübe¬ zahl, Bärenhäuter, Hundspfote, wo sitzest du? Laß mich von deiner Kunst was sehen, wenn du eine verstehst." Was geschah da? Ehe sich's der tölpische Bursche versah, stand Rübezahl dicht vor ihm, mit einer langen Gerte in der Hand, sah ihn grimmig an und sprach: „Ei, du unge¬ hobelter Geselle, wer hat dich so schimpfen gelehrt? Gehst du deshalb in der Welt herum, daß du solch grobes Wesen erlernst?" Der Bursch, über die maßen erschrocken, bat inständig um Verzeihung, wollte alles nur aus Scherz gesagt haben und das nie wieder thun. Rübezahl aber, den die unhöflichen Worte zu sehr erzürnt hatten, nahm durchaus keine Ent¬ schuldigung an, sondern entgegnete: „Nein, mein Junge, ich muß dir einen Denkschilling geben, damit du ein andersmal lernst, dein grobes und vorschnelles Mundwerk im Zaume zu halten." Damit nahm er die Gerte und strich den Burschen, wie derselbe seit seinen Kindesjahren nie¬ mals erfahren hatte. Als Rübezahl inne hielt, mußte ihm jener geloben, höflicher zu werden, auch die Rute, die ihn gezüchtigt hatte, zum Andenken mitzunehmen. Hierauf wanderte der gebesserte Geselle nach Präg weiter; als er jedoch nach dem ersten Nachtlager sein Geschenk änsah, da entdeckte er, daß sich die Rute in Gölddraht verwandelt hatte. 87. 1. DraFS niodt, rvas anärs waoden, sollt' auk äeins eiA'nen 8aoden. s. Nit seltsamen 6loderäsn 6rdt wuu sied viel Dein; Lein Ueusod rvill etvas veräen, Din jeäsr rvill scdon strvas sein. Oötds. s. ^nk sinen Freden Llotr Federt ein Froder Lsil. 61 t. 8si krsunäliob §6Asn Mormann Lnä äon LoZötren nntsrtban, Venn, vo äor LiAonsinu sied bläbt, Mrä niobts als Lubsit ausAssLk. L.u8 äsm 6riseliiselisll äss Liss von Dörr. 88. Die beiden Ziegen. Von Grimm. Zwei Ziegen begegneten einander auf einem schmalen Stege, der über einen tiefen, reißenden Wäldstrom führte; die eine wollte hinüber, die andere herüber. „Geh' mir aus dem Wege," sagte die eine. „Das wäre mir schon," rief die andere. „Geh' du zurück und laß mich hinüber; ich war zuerst auf der Brücke." „Was fällt dir ein?" versetzte die erstere; „ich bin so¬ viel älter als du und sollte dir welchen? Nimmer!" Beide bestanden immer härtnäckiger darauf, daß sie einander nicht nächgeben wollten; jede wollte zuerst hinüber, und so kam es zum Zanke, zum Streite und zu Thatlichkeiten. Sie hielten ihre Hörner vorwärts und rannten zornig gegeneinander. Vom heftigen Stoße verloren aber beide das Gleichgewicht; sie stürzten miteinander über den schmalen Steg hinab in den reißenden Wäldstrom, ans welchem sie sich nur mit Mühe ans Üfer retteten. Der Eigensinnige und der Hartnäckige fügt sich gemeiniglich selbst den größten Schaden zu. 89. Die Katzen und der Hausherr. Von Lichtwcr. Tier und Menschen schliefen feste, Selbst der Haüsprophcte schwieg, Als ein Schwarm geschwänzter Gäste Von den nächsten Dächern stieg. In dem Vorsaal eines Reichen Stimmten sie ihr Liedchen an, So ein Lied, das Stein erweichen, Menschen rasend machen kann. Hinz,* des Murners* Schwiegervater, Schlug den Takt erbärmlich schön, Und zween abgelebte Kater Quälten sich, ihm beizusteh'n. Endlich tanzen alle Katzen, Poltern, lärmen, daß es kracht, Zischen, heulen, sprudeln, kratzen, Bis der Herr im Haus erwacht. Dieser springt mit einem Prügel In deni finstern Saal herum, Schlägt um sich, zerstößt den Spiegel, Wirft ein Dutzend Tassen um; Stolpert über ein'ge Späne, Stürzt im Fallen auf die Ühr Und zerbricht zwo Reihen Zähne: Llinäsr Likör sobaäot nur. 62 90. 1. mässlo« banäelt, voräiibt sied selbst. SoxboLIss. 2. Der Nonsob bat äreiorlsi Wogg, ülu§ ru banäsln: erstens äurell Moll- äonksu, äas ist äer eäelste; rveitens äureü Meliulunon, äas ist äsr loiebtostg; unä ärittsns äurell Drkäbrunx, äas ist äer bitterste. Oontuoills. 91. Der Csäloka Peter. Der Csäloka* Peter ist der ungarische Eülenspiegel. — Einst kam er in ein Wirtshaus, in welchem zwei reiche Bauern wacker zechten. Csäloka Peter gab heimlich dem Wirte zwanzig Gulden mit den Worten: „Ich zahle die Zeche im voraus." Dann gesellte er sich zu den Bauern und ließ fünf Halbe Hegyaler* Wem auftischcn. Da gabs nun ein Trinken und Schreien, daß die Fenster zitterten. Als die Flaschen geleert waren, stand Csäloka Peter auf, nahm sein Käppchen vom Haupte, schwang es dreimal im Kreise herum, warf's auf die Erde und rief dem Wirte zu: „Wirt, ist die Zeche bezählt?" „Ja, Edelgeboren!" lautete die Ant¬ wort. Csäloka Peter befähl nun, noch fünf Halbe zu bringen, und setzte sich nieder, um sie aüsstechen zu helfen. Als die Flaschen wieder leer ge¬ worden waren, stand er äbermals auf, schwang sein Käppchen dreimal im Kreise herum und platschte es auf den Böden. Auf seine Fräge, ob die Zeche bezählt sei, antwortete der Wirt abermals voll Ünterthänigkeit: „Ja, Edclgeboren!" Darauf wurden noch fünf Halbe verlangt, gebracht, getrunken und für bezählt erklärt, nachdem Csäloka Peter sein Manöver* mit dem Käppchen zum drittenmal vorgenommen hatte. Die Bauern dachten nun nichts ändercs, als daß Peters Käppchen die Zauberkraft be¬ sitze, je fünf halbe Wein beim Wirte bezählt zu machen. Sie begannen deshalb mit Peter um dasselbe zu Händeln. Der aber verlangte zwei¬ hundert Gulden dafür. Das schien dem einen zu viel, der andere aber schlug ein, und sie kauften das Käppchen um zweihundert Gulden. Peter entfernte sich aus dem Wirtshause. Die Bauern ließen sich noch fünf Halbe Wein geben. Nachdem sie aüsgetrunken hatten, stand der eine von ihnen auf, stellte sich breitbeinig in die Stube, schwang mit dumm ern¬ ster Zaübermiene das Käppchen dreimal im Kreise und schleuderte es auf die Dielen. Dann wandte er den Kopf gegen den Wirt und fragte mit nachlässiger Zuversicht: „Wirt, ist die Zeche bezählt?" „Nein, dummer Läßlo,"* lautete die Antwort. Die Bauern stutzten anfangs und mach- 63 ten Gesichter wie die Schafe, wenn's zu regnen anfängt; dann aber fuhr ihnen der Zusammenhang der Dinge wie auf einmal durch den Kopf, und sie schimpften auf den Csäloka Peter, daß er sie betrögen habe. Sie mach¬ ten sich eilig auf den Weg, ihn einzuholen und zu züchtigen. Sie erreich¬ ten ihn auch wirklich. Ohne viel Federlesens zu machen, banden sie ihm die Hande, steckten ihn in einen Säck, welchen sie oben zuknüpften, und warfen ihn aus den Wägen. Nun flogen die Rosse über die Pußta* da¬ hin der Donau zu, in welche der arme Csäloka Peter geworfen werden sollte. Und dieses Los ward ihm von den Bauern auch ängezeigt. End¬ lich kam man bei einer Csärda * an. Hier blieben die vier Rosse stehen, und die Bauern gingen in die Stube, aus welcher Zigeunermusik ertönte. Während sich Läßlo und sein Kamerad unter die Tänzer und Trinker mischten, schrie Csäloka Peter in seinem Sacke auf dem Wagen aus vollem Hälse: „Rettet mich, rettet mich! Man will mich zum Vkcegcspan machen, und ich will es nicht werden." — Das hatte er noch nicht oft gerufen, als ein Juhasz (Schafhirt) gegen drei- bis viertausend Schäfe vorüber¬ trieb. Als er den Csäloka Peter so schreien hörte, ging er zum Wägen und öffnete den Säck. Csäloka Peter stieg heraus, und der Juhasz bät ihn, er möge ihm zur Obergespanswürde behilflich sein. „Da kriech du nur in den Säck hinein und deine Schafe überlasse mir," sprach der Csäloka Peter. Der Juhasz ließ sich cinsacken und Peter trieb die Schafe fort und pfiff sich eins. Die Bauern kamen bedeutend illuminiert aus der Csärda, und fort ging's an die Donau, daß die Rader glühten. Am Ufer ängelangt, warfen sie den Juhasz ins Wasser. — Als sie zurück¬ fuhren, erblickten sie den Csäloka Peter, den sie doch soeben in die Donau geworfen zu haben vermeinten, wie er einige Tausende der prächtigsten Schäfe vor sich hertrieb und gar lustig pfiff. „Was Geier! Wo kommst du her?" schrieen ihm die Bauern verwundert entgegen. „Aufrichtig gesagt, von der Donau! <§ljen,* Freunde! däs ist euch dort ein Leben!" und Peter krähte vor Freude wie ein Hähn und stampfte mit den Füßen, als hätte er zehn Säcke voll Glück in jeder Westentasche. Die Bauern fragten nun neugierig weiter: „Freund! Wo hast du denn die Schäfe her?" „Die Schafe?" erwiderte Peter. „Aus der Donau, liebe Freunde. Million! Ist das schön in der Donan! Wie ich hineinkomm', seh' ich vielleicht so zwanzig Millionen Schäfe. Da hieß es nun: Nimm dir, Csäloka Peter, soviel du willst und forttreiben kannst. Ich trieb die ersten besten weiter, und da seht ihr sie. Es sind vielleicht die schlechtesten. Wenn ihr hinkommt, findet ihr schon bessere." 64 „Iston!" schrieen die Bauern. „Umgekehrt! Schüfe geholt!" Und wieder flogen die Pferde der Donau zu. Als die Bauern am Ufer än- gekommen waren, sagte Läßlo zum Miska:* „Spring du zuerst hinein! Und wenn du dort viele Schafe siehst, so wink' mir, ich werd' dir wegtreiben helfen." Und der Miska sprang ins Wässer. Das lief ihm aber sehr zudringlich in den Münd, und er winkte dem Läßlo. Läßlo meinte, Miska sehe sehr viele Schäfe, er solle ihm helfen kommen, und er sprang also dem Miska näch. So hatte der Csäloka Peter diese zwei, ohne sie einzusacken, in die Dönau gebracht. 92. Uur äow ist Loiebtnw Znt, äor ibn mit Antow lUoiss Umvorbon bat nnä ibn §nt änrnvenäon voiss. Riiobsrt. 2. Vas b6so Uolä! äis böso lVslt! g'rant Loinor L-ässonsoito! Dio Vonto waobsn kalsebss Volä, Vas 6olä waebt kalsebo Voüts. vauA. 93. Was ist's? Es ist ein braver, schlichter Männ; Die Stadt sieht ihn nur dann und wann. Denn wo Paläste herrlich schimmern, In staub'gen Gassen, blanken Zimmern, Da ist für ihn die Heimat nicht; Er ist zu arm, er ist zu schlicht. Auch ist's ein wunderkleines Häuschen, Für Spatzen groß genug und Mäuschen, Tapeten gibt es in ihm nicht; Es ist zu arm, es ist zu schlicht. Friedr. Oldenberg. 94. Der Löwe. Von Lenz. Der Löwe erhascht wie älle Katzenarten seine Beute im Sprünge und greift einen Menschen oder ein Tier, das nicht vor ihm flieht, nie an, ohne sich in einer Entfernung von zehn bis zwölf Schritten nieder¬ gelegt und seinen Sprung gemessen zu haben. Dieser Umstand wird von den Jägern benützt, und es ist zur Regel geworden, nie aus einen Löwen 65 zu schießen, als bis er sich legt, und man in der kurzen Entfernung so sicher zielen kann, daß man ihn gewiß gerade vor den Kopf trifft. Will es das Unglück, daß man einem Löwen unbewaffnet begegnet, so ist das einzige Rettungsmittel Mut und Gegenwart des Geistes. Wer entflieht, ist unfehlbar verlören; wer ruhig stehen bleibt, den greift der Löwe nicht an. Man muß es sich nicht irren lassen, wenn er auch nahe heran kommt und sich wie zum Sprunge hinlegt; er wird diesen Sprung nicht wagen, wenn man nur Mut genug hat, unbeweglich wie eine Bildsäule stehen zu bleiben und ihm ruhig ins Auge zu schauen. Die erhabene Gestalt des Menschen flößt dem Löwen, vorausgesetzt, daß er den leichten Kampf mit dem Menschen noch nicht versucht hat, Ehrfurcht und Mißtrauen in seine eigene Kräft ein, und eine ruhige Haltung verstärkt diesen Eindruck mit jedem Augenblicke. Man würde ihn stören, sobald nian durch eine un¬ bedachtsame Bewegung entweder dem Löwen die eigene Fürcht verriete oder ihn zur Verteidigung aufzufordern schiene. Der Ausgang beweist, daß er sich selbst nicht minder gefürchtet hat als der Mensch; denn nach einiger Zeit erhebt er sich langsam, geht unter beständigem Umsehen einige Schritte zurück, legt sich wieder, entfernt sich äbermals in immer kürzeren Zwischen¬ räumen und nimmt endlich, wenn er ganz außer den Wirkungskreis des Menschen gekommen zu sein glaubt, in vollem Laufe die Flucht. So ein¬ stimmig nun auch diese Thatsache von Landleuten aus allen Teilen der Kapkolonie* versichert wird, so mag dennoch der Versuch eben nicht oft angestellt worden sein. Vormals, als es der Löwen dort noch mehr gab, und die Kolonisten noch nicht auf seine Jagd eingelernt waren, stellte man große gemeinschaft¬ liche Jagden auf einen Löwen an, suchte ihn in die Ebene zu locken und schloß einen großen Kreis um ihn her. Sowie er an einer Seite durch¬ brechen wollte, ward von der entgegengesetzten auf ihn geschossen, und in¬ dessen er sich nun zornig dähin wandte, trafen ihn von der rechten und linken so viel Kugeln, bis er fiel. Jetzt aber geht man selten anders als selbänder auf die Löwenjagd, und recht fertige Schützen, die ihres Schusses gewiß sind und sich darauf Verlässen können, daß ihr Gewehr nicht ver¬ fügt, wagen es auch wol, ganz allein die Spur eines Löwen zu verfolgen und ihn in seinem Schlupfwinkel aüfzusuchem Gefährlich bleibt ein solches Unternehmen allerdings, und man erlebt häufige Ünglücksfälle. Hier ein Paar Beispiele: Der Feldkommandant Tjaard van der Wald und sein Bruder Jo- hännes verfolgten nicht weit von ihren Wohnplätzen am östlichen Abhange 5 66 der Schneeberge die Spur eines großen Löwen, der unter ihren Heerden großen Schäden angerichtet hatte, und fanden ihn endlich in einer mit rauhem Gebüsch bewachsenen Schlucht. Sie nahmen ihre Stellung zu beiden Seiten des Ausganges und schickten ihre Hunde hinein, um den Löwen heraüszujagen. Das glückte denn auch; der Löwe stürzte nach der Seite des letztgenannten Bruders hervor, legte sich zum Sprunge und ward von ihm geschossen. Unglücklicherweise hatte aber der Schuß nicht recht getroffen, sondern nur das Ohr und die eine Seite der Brüst ge¬ streift. Nach einer kurzen Betäubung von wenigen Sekunden erholte sich das Tier und stürzte nun wütend vor Schmerz mit solchem Grimm gegen den Jäger, daß er kaum Zeit hatte, sich aufs Pferd zu werfen und noch einen Versuch zum Entfliehen zu machen. Aber in wenig Sätzen hatte ihn der Löwe ereilt, war dem Pferde auf den Rücken gesprungen, das nun, niedergedrückt von der Last, nicht mehr von der Stelle kommen konnte, und schlug seine Tatzen dem Unglücklichen in die Schenkel, mit den Zähnen zugleich ihn an den Unterkleidern packend. Indessen er sich mit aller Kraft an das Pferd klammert, um nicht herüntergerissen zu werden, hört er seinen Bruder hinter sich herängaloppieren und ruft ihm zu, nur um gotteswillen löszuschießcn, möge es treffen, wen es wolle. Der wackere Tjaard springt vom Pferde, legt ruhig an und schießt den Löwen durch den Kops, und wunderbar glücklich schlägt die Kugel durch den Sättel, ohne weder Roß, noch Reiter zu verletzen. Nicht so glücklich war ein anderer Namens Rendsburg, der mit einem Vetter eben dieses Namens ans die Löwenjagd ging. Das Aben¬ teuer nahm ganz denselben Gang, aber der Löwe sprang von der Sekte ans den Reiter los und packte mit den Zähnen dessen linken Arm. Der feige Gefährte, statt dem Unglücklichen bekzustehen, entfloh, um ein paar Hottentotten* znhilfe zu rufen, die nicht weit von da an einem andern Ausgange des Gebüsches ängestellt waren. Indessen hatte Rendsburg das letzte Rettungspnttel versucht, und während das Tier mit wütenden Bissen seinen linken Arm zerfleischt und zersplittert, mit dem rechten ein Messer aus der Tasche gezogen und damit der grimmigen Katze die Brust an mehreren Stellen durchbohrt. Die Herbeieilenden fanden ihn vom Pferde gerissen, in seinem Blüte schwimmend, den Arm und die ganze linke Seite auseinänder gerissen, auf ihm den tvdten Löwen, das Messer noch im Herzen. Nach wenigen Minuten gab auch der mutige Kampfer, erschöpft vom Blutverluste, seinen Geist auf. 67 95. g'g.üssuä loäs stirbt äsr Usigs, Oosb äsr Nnt'gs stirbt nur einmal. Osv. Narbasli. s. Lübnbsit, vronn sis sisb eint mit äsr IVsisbsit, bringst äir Lsgsn; IVanäslt sis absr allsin, kolgst Vsräsrbsn ibr naob. äsm Orisvbisobs» äes Tosnos. Ltsltsr. 96. Der Eispalast. Von Fischer. Je größer die Kälte, desto härter das Eis. Die Härte, welche zu¬ weilen das Eis im Nörden erreicht, ist so bedeutend, daß es sich kaum mit einem Hämmer zerschlagen läßt. Folgende Thatsache spricht am besten für diese Behauptung. In dem äußerst strengen Winter von 1740 befahl die Kaiserin Anna von Rußland, in St. Petersburg aus dem Eise der Newa einen Palast zu erbauen, und gab natürlich die Kosten dazu her. Derselbe erhielt eine Länge von 5(N/z Fuß (16 m.), eine Breite von 16'/z Fuß (5 w.) und eine Höhe von 20 Fuß (6^ w.) Älle Stücke, deren man sich bediente, waren wie Qnädersteine geformt und nach den Regeln der Baukunst aufeinändergelegt; selbst Stühle und Tische, Schranken und Kommoden,* Angel, Schlüssel, Fensterscheiben u. dgk. bestanden aus Eis. Vor dem Palaste sah man ferner zwei Bömbenmörser und sechs gewöhnliche Kanonen mit Lafetten* aus derselben Masse. Daß aus diesen Geschützen gefeuert werden konnte, ohne sie zu zersprengen, liefert für die fast unglaubliche Härte des Eises bei strenger Kälte offenbar den deut¬ lichsten Beweis. Anfangs schoß man zwar nur mit fest gedrehten hänfenen, zuletzt aber mit eisernen Kugeln. Die Ladung bestand außerdem gewöhnlich noch aus einem Viertelpfund Pulver. Merkwürdig genüg enthielt der Eispalast auch eine Bädestube, die, was gewiß Bewunderung im höchsten Maße erregt, wirklich einmal geheizt worden ist. Nach ungefähr zwei Monaten verschwänd das kunstvoll aufgebaute Haus allmälig wieder. Außer einigen großen Stücken, welche in die kaiserlichen Eiskeller gebracht worden waren, verzehrte ihn nämlich gegen Ende März die angenehme Frühlingswärme. 97. Rätsel. r Im Winter leb' ich, Im Sommer sterb' ich; Und nimmst du mir mein Schwänzchen ab, So roll' ich dir vom Tisch hinab. 5* -e 68 - 2. Wie lange trug man Wasser im Sieb? So lange nur, als es gefrören blieb. I. Sturm. 98. Das Märchen vom Mann im Mond. Von Bcchstcin. Vor uralten Zeiten ging einmal ein Mann am lieben Sonntag¬ morgen in den Wald, haute* sich Holz ab, eine großmächtige Welle, band sie, steckte einen Stäffelstock* hinein, huckte* die Welle aus und trug sie nach Hause. Da begegnete ihm unterwegs ein hübscher Mann in Sonntags¬ kleidern, der wollte wol in die Kirche gehen, blieb stehen, redete den Wellen- trägcr an und sagte: „Weißt du nicht, daß auf Erden Sonntag ist, an welchem Tage der liebe Gott rühete, als er die Welt und alle Tiere und Menschen geschaffen? Weißt du nicht, daß geschrieben steht im dritten Gebote: Du sollst den Feiertag heiligen?" Der Fragende aber war der liebe Gott selbst; jener Holzhauer jedoch war ganz verstockt und ant¬ wortete : „Sonntag auf Erden oder Montag im Himmel, was geht das mich an, und was geht es dich an?" „So sollst du deine Reisigwelle tragen ewiglich!" sagte der liebe Gott, „und weil der Sonntag auf Erden dir so gär unwert ist, so sollst du fürder ewigen Montag * haben und im Mond stehen, ein Warnungs¬ bild für die, welche den Sonntag mit Arbeit schänden!" Von der Zeit an steht im Mond immer noch der Mann mit dem Holzbündel und wird wol auch so stehen bleiben bis in alle Ewigkeit. 99. Vas sebtiebtst, Herr, äeu 8trslt, cker ckieb mit ckir eutzveit? Vie (Aotteskarobt, äis äieb von alter §urebt tmtrsit. Lilo Kert. 100. Vie v ancielvtltz Vloeke. Von Oötbs. 8s var ein Lind, äas völlig um vis blutter sxraob: „Dio tilloeke tönt, -Mr Lrrotm sieb beguemeu, llucl so ist äir's bskoblen, lluä SouutaAS taucl es stets eiu Vie,*'lluä bast äu äieb uiebt biugmvöbnt, Leu Ve§ ius llelä zu usbmsu. 8is kommt uuä virck ckieb bolen." 69 Vas Liuä, es äeukt: vis ttloeko bänxt va ärobsu auk äsm 8tuläs. 8eböu bat's äsutVsZ ins vslä Aslsukt, Hs Usk SS aus äsr 8obuls. vis (läovks, klosks tönt uiebt msbr, vis Nuttsr bat §skaekslt.* vosb evslob siu 8ebrseksu biutsrber! vis klöoks kommt Ksvaokelt. 8is rvaokslt ssbusll, mau glaubt ss kaum; Vas arms Liuä im 8obrssksu Hs läukt, SS kommt, als veis im tkraüm;* vis tlloeks «rä es äsoksu. voeb uimmt ss riobtig ssiusu Hüsob, vuä mit gsvauätsr Lebuslls Litt es äureb ^ugsr, vslä uuä Lüsob 2ur Lirsbs, rur LaxsUe. vuä jsäsu 8oun- uuä veisrtag 6lsäsukt es au äsu 8obaäsu, Lässt äurob äsu ersten Oloeksusoblag, Nicbt iu vsrsöu sied laäsu. 101. 1. vott «II uus über veisbsu vuä alle 8obrsoksu äsr Natur vis Vätsrbauä ksrübsrrsieksu, voeb rsiebt sr sie äsm (Uaüdsu uur. vsuam s. Volksrätsel. Ls stellt auk äsr Uaüsr, Lukt vürgsr uuä Lauer. L Limroek. 103. Der geheilte Patient. Von Hebel. Reiche Leute haben trotz ihrer gelben Vögel* doch manchmal auch allerlei Lasten und Krankheiten auszustehen, von denen gottlob der arme Mann nichts weiß; denn es gibt Krankheiten, die nicht in der Luft stecken, sondern in den vollen Schüsseln und Gläsern und in den Weichen Sesseln und seidenen Betten, wie jener reiche Amsterdamer* ein Wort davon reden kann. Den ganzen Vormittag saß er im Lehnsessel und rauchte Tabak, wenn er nicht zu trage war, oder hatte Maulaffen feil zum Fenster hinaus, äß aber zu Mittag doch wie ein Drescher, und die Nachbarn sagten manchmal: „Windet's draußen, oder schnauft der Nachbar so?" — Den ganzen Nachmittag aß und trank er ebenfalls, bald etwas, kaltes, 70 bald etwas wärmes, ohne Hunger und ohne Appetit, aus lauter langer Weile bis an den Abend, älso, daß man bei ihm nie recht sagen konnte, wo das Mittagessen aüfhörte und wo das Nachtessen änfing. Nach dem Nachtessen legte er sich ins Bett und war so müde, als wenn er den ganzen Tag Steine abgeladen, oder Hölz gespalten hätte. Davon bekam er zuletzt einen dicken Leib, der so unbeholfen war wie ein Mältersack. Essen und Schlaf wollte ihm nimmer schmecken, und er war länge Zeit, wie es manchmal geht, nicht recht gesund und nicht recht kränk; wenn man aber ihn selber hörte, so hatte er dreihundert fünfundscchzig Kränkheiten, nämlich alle Tage eine ändere. Alle Ärzte, die in Amsterdam sind, mußten ihm räten. Er verschluckte ganze Feüereimer von Mixturen und ganze Schaufeln von Pulver und Pillen wie änten-Eier so groß, und man nannte ihn zuletzt scherzweise nur die zweibeinige Apotheke. Aber älle Arzneien halfen ihm nichts, denn er befolgte nicht, was ihm die Ärzte befählen, sondern sagte: „Foudre,* wofür bin ich ein reicher Männ, wenn ich leben soll wie ein Hund, und der Doktor will mich nicht gesund machen für mein Geld?" Endlich hörte er von einem Ärzte, der hundert Stunden weit weg wohnte, der sei so geschickt, daß die Kranken gesund werden, wenn er sie nur recht äuschaue, und der Tod gehe ihm aus dem Wege, wo er sich sehen lasse. Zu dem Arzte faßte der Mann ein Zutrauen und schrieb ihm seinen Umstand. Der Arzt merkte bäld, was ihm fehle, nämlich nicht Arznei, sondern Mäßigkeit und Bewegung, und dachte: Wart, dich will ich bäld kuriert haben. Deswegen schrieb er ihm ein Brieflein folgenden Anhalts: „Guter Freund! Ihr habt einen schlimmen Umstand, doch wird Euch zu helfen sein, wenn Ihr folgen wollt. Ihr habt ein böses Tier im Bauch, einen Lindwurm mit sieben Mäulern. Mit dem Lindwurm muß ich selber reden, und Ihr müßt zu mir kommen. Aber für's erste dürft Ihr nicht führen oder auf dem R'ößlein reiten, sondern auf des Schuhmachers Rappen, sonst schüttelt Ihr den Lindwurm, und er beißt Euch die Eingeweide ab, sieben Därme auf einmal ganz entzwei. Für's andere dürft Ihr nicht mehr essen, als zweimal des Tages einen Teller voll Gemüse, mittags ein Brätwürstlein dazu und nachts ein Ei und am Morgen ein Fleischsüpplein mit Schnittlauch drauf. Was Ihr mehr esset, davon wird nur der Lindwurm größer, also, daß er Euch die Leber erdrückt, und der Schneider hat Euch nimmer viel anzumessen, aber der Schreiner. Dies ist mein Rät, und wenn Ihr mir nicht folgt, so hört Ihr im andern Frühjahr den Kukuk nimmer schreien. Thut, was Ihr wollt." Als der Patient so mit sich reden hörte, ließ er sich sogleich 71 den andern Morgen die Stiefel salben und machte sich auf den Weg, wie ihm der Doktor beföhlen hatte. Den ersten Tag ging es so langsam, daß wol eine Schnecke hätte können sein Vörreiter sein, und wer ihn grüßte, dem dankte er nicht, und wo ein Würmlein aus der Erde kroch, das zerträt er. Aber schon am zweiten und am dritten Morgen kam es ihm vor, als wenn die Vögel schon lange nimmer so lieblich gesungen hätten wie heut, und der Tau schien ihm so frisch und die Kornrosen im Feld so rot, und alle Leute, die ihm begegneten, sahen so freundlich aus und er auch, und alle Morgen, wenn er aus der Herberge ging, war's schöner, und er ging leichter und munterer dahin, und als er am acht¬ zehnten Tage in der Stadt des Arztes änkam und den andern Morgen aüfstand, war es ihm so wöl, daß er sagte: „Ich hätte zu keiner unge¬ schickter» Zeit können gesund werden als jetzt, wo ich zum Doktor soll. Wenn's mir doch nur ein wenig in den Ohren brauste, oder das Herz¬ wasser liefe mir." Als er zum Doktor kam, nahm ihn dieser bei der Hand und sagte ihm: „Jetzt erzählt denn noch einmal von gründaus, was Euch fehlt." Da sagte er: „Herr Doktor, mir fehlt gottlob nichts, und wenn Hhr so gesund seid wie ich, so soll's mich freuen." Der Doktor sagte: „Das hat Euch ein guter Geist geraten, daß Ihr meinem Rat ge¬ folgt habt. Der Lindwurm ist jetzt äbgestanden. Aber Ihr habt noch Eier im Leibe, deswegen müßt Ihr wieder zu Fuß heimgehen und daheim fleißig Hölz sägen, das niemand sieht, und nicht mehr essen, als Euch der Hunger mähnt, damit die Eier nicht aüsschlüpfen, so könnt Ihr ein alter Mann werden," und lächelte dazu. Aber der reiche Fremdling sägte: „Herr Doktor, Ihr seid ein feiner Kauz, und ich versteh' Euch wöl," und hat nachher dem Rate gefölgt und siebenundachtzig Jahre, vier Monate, zehn Tage gelebt, wie ein Fisch im Wasser so gesund, und hat alle Neu¬ jahr dem Arzte zwanzig Dublonen* zum Geschenke geschickt. 103. Lrbsit, Nüssixksit unä Rud' » 8olllis88t äom ^.rrt äis llAürs ru. 2. Va8 reiekÄv ü'loici I8t okt Aoküttort mit Mrroleiä, s. §in krokos kksrr, §68unäs8 Llüt 18t bossor, alb viol dölä untl 6lut. 72 Lätsel. -t. I)ov Itsicdev bin icb VIS, Vsv L.rmsv ökt dsselüsäsv, IVsr mied evtbsbrsv muss. Ist ^vlsäsr vioüt rvlrisclsv. L. SimroeL. 104. Johann Peter Hebel. Das voranstehende Lesestück hat euch gewiß ebenso sehr gefallen, wie alle, welche der Dichter Hebel verfaßt hat. Es wundert mich daher keines¬ wegs, daß ihr von diesem Schriftsteller etwas näheres zu erfahren wünschet, und gerne will ich euch aus seiner Biographie (Lebensgcschichte) einiges Mitteilen. Dort, wo Deutschlands schönster Strom, der Rhein, ein Knie macht, liegt die Stadt Basel. Hier wurde im Jahre 1760 unser Hebel geboren. Sein Vater war ein arnier Weber, welcher sich in dem Dorfe Hausen im Schwarzwalde, nördlich vom Rheinknie, niederließ. Sein Söhnchen zeigte schon früh außerordentlich viel Verstand und Gemüt, dabei war es immer lustiger Dinge; der Humor ist eine Gabe Gottes, deren sich Hebel von seiner Jugend bis in das späte Mannesalter in gleichem Maße er¬ freute. Frühzeitig verlor unser Dichter seinen Väter, aber ein Freund desselben schickte den talentvollen Knaben auf das Gymnasium; wie so viele tausend ändere Studentchen half sich auch Hebel in den oberen Klassen durch Privatunterricht selber fort. Er studierte Theologie, um dereinst als protestantischer Pfarrer und Lehrer wirken zu können. Im Jahre 1791 wurde er Professor an dem Gymnasium in Kärlsruhe, der Hauptstadt des Großherzogtums Baden. Wenn ihr heute in den südlichen Schwärzwald, in Hebels Hekmat kommt, so werdet ihr daselbst sein Andenken hoch geehrt finden. Da erblickt ihr Hügel mit schönen Aussichten, Gärten und öffentliche Belüstigungsorte, die alle nach seinem Nämen benannt sind. Die Leute sind stolz auf ihren berühmten Landsmann. Aber so war es nicht immer. — Als Hebel seine Gedichte drucken ließ, waren seine Landsleute darüber so erbittert, daß sie den lieben Professor gesteinigt hätten, wenn die Steine von Hausen ngH Kärlsruhe geflogen wären. Warum doch? Hebel bediente sich nicht der hochdeutschen Sprache, sondern des Dialektes seiner Heimat, also der schwäbischen, oder wie man sie auch nennt, der alemännischen Mundart. Das hielten die Bauern für eine Verspottung ihrer Sprache; und da Peter Hebel das in Verse brachte, was das Volk sich erzählte, glaubte und thät, 73 so meinten sie, er mache sich über sie lustig. Heutzutage weiß man das freilich besser. Die Liedchen des Volkes sind ja zumeist viel schöner und gemütreicher als andere, und in den Erzählungen der Ländleute liegen große Schätze von Klugheit, Frömmigkeit und Fröhlichkeit. Und Hebel war ein Freund lustiger Geschichten und fröhlicher Leute. Er war seine Lebtage guter Laune und dabei doch ein frommer, edler Herr. Das ent¬ nehmt ihr alle sehr leicht aus den Lesestücken, die von ihm in diesem Buche ausgenommen sind. Jedermann liebte ihn und die Regierung be¬ förderte ihn zum Prälaten und zum Inspektor aller Schulen des Landes Bäden. Er starb vor fünfzig Jahren (1826) auf einer Inspektionsreise. Und nun merkt euch auch den Titel der Zeitung, in welcher er seine lustigen und belehrenden Erzählungen niederschrieb; sie hieß „Rheinischer Haus¬ freund." 105. 1. kirnst ist äas Loden, deitor äio Lünst. Sedillsr. 2. Hin deitrsr (leist, ein krodor Kinn, 8io sinä äsr Uonsoddoit döste Uads; Unä nnrä ciis Vioisdoit krük äio Uütsvervaltorin, 8o reiodt äse Vorrat dis rum (trübe. ktottsl. 106. Der Zeisig und die Nachtigall. Bon Gellert. Der Zeisig war's und eine Nachtigall, Die einst zu gleicher Zeit vor Dämons Fenster hingen. Die Nachtigall fing an, ihr göttlich Lied zu singen, Und Dämons kleinem Sohn gefiel der Schall. „Ach, welcher singt von beiden doch so schön? Den Vogel möcht' ich wirklich seh'n!" Der Vater macht ihm diese Freude, Er nimmt den Vogel gleich herein. „Hier," spricht er, „sind sie alle beide; Doch welcher wird der schöne Sänger sein? Getraüst du dich, mir das zu sagen?" Der Sohn läßt sich nicht zweimal fragen, Schnell weist er auf den Zeisig hin; „Der," spricht er, „muß es sein, so wahr ich ehrlich bin! Wie schön und gelb ist sein Gefieder! Druni singt er auch so schöne Lieder; Dem andern sieht man's gleich an seinen Federn an, Daß er nichts kluges singen kann." 74 107. i. Der 8ebsm trü§t. s. 0 8sU§s8 Koknbl, von Lälsu rn Aekallou! Du bi8t clas §ro88g ?ÜoI, idluob äow äis (lutsu vallou. OöoicingL. 108. Die Pintscher. Von Brehm. Der Bau des Schädels und des Gerippes läßt die Pintscher als eigentümliche Hunde erscheinen. Man unterscheidet hauptsächlich die glätt¬ haarigen und die stachelhaarigen oder die Ratten- und Äfsenpintscher. Erstere ähneln in ihrem Gesammtbau dem Dachshunde, jedoch ist ihr Körper ziem¬ lich schlank, der Kopf stark, die Schnauze ist lang und gerade abgestumpft, die Beine sind mittelhoch und gerade, der Schwanz ist glatt, er wird nach rückwärts oder vorwärts gekrümmt getragen. In der Jugend schneidet man den Pintschern gewöhnlich den Schwanz und die Ohren ab und ver- häßlicht hierdurch die Tiere in unverantwortlicher Weise. Alle Pintscher sind äußerst kluge, höchst muntere und über alle maßen jägdbegierige Hunde. Sie fangen mit der größten Liebhaberei Ratten, Mäuse, aufwühlende Maulwürfe und sind geradezu unermüdlich in der Verfolgung dieser Tiere. Als Hausgenosse des Menschen sind sie eben nicht zu empfehlen, weil sie wegen ihrer steten Unruhe ihrem Herrn oft mehr Verdruß als Freude machen; dagegen eignen sie sich vortrefflich für Leute, welche reiten oder mit schnellen Pferden fahren; denn am allerliebsten begleitet der Pintscher seinen Herrn, wenn er tüchtig rennen und laufen muß. Doch selbst bei den schnellsten Ritten macht er sich noch immer Zeit, jedes Mauseloch zu untersuchen und jeden Maulwurf im Aufwerfen seiner Haufen zu stören. Die Nase hoch gegen den Wind getragen, späht er nach allen Seiten hin, und wo nur etwas raschelt, naht er sich vorsichtig und leise, steht eine zeitlang ünbeweMch, thut plötzlich einen Sprung, schlägt mit den Borderfüßen in die Erde und hat im nächsten Augenblicke das unter¬ irdisch lebende Geschöpf im Maule. Genau auf dieselbe Weise jagt er Maulwürfe und zwar mit solchem Eifer, daß er bei einem längeren Spazier¬ gange, wie Lenz sagt, regelmäßig vier bis sechs und zuweilen vierzehn, ja achtzehn Stücke sängt, Die Maulwürfe frißt er nicht, sondern begräbt 75 sie; von den Mäusen frißt er soviel, bis er vollkommen gesättigt ist, die übrigen wirft er weg. Die Fähigkeit im Fangen von Rätten hat natürlich die Aufmerk¬ samkeit der Engländer besonders auf ihn gezogen, und weil dieses launen¬ hafte und grillige Volk, d. h. die reichen Nichtsnutzer desselben, ohnehin nicht wissen, was sie änfangen sollen, um die liebe Zeit tödtzuschlagen, sind sie frühzeitig darauf Verfällen, große Rättenjagden abzuhalten und dabei ihre Hunde in Thätigkeit zu setzen. Damit die Sache doch auch etwas Kläng hat, werden dabei außerordentlich große Wetten gemacht, und das Vergnügen bekommt hierdurch, wie dies bei den Engländern über¬ haupt gewöhnlich, durchaus das Gepräge des Glückspiels. Man kreuzt den Pintscher noch mit dem kleinen Bulldoggen und erhält dann den wahren Rättenpintscher, welcher unter dein englischen Namen „Bullterrier" oder Bülldoggpintscher bekannt geworden ist. Dieser leistet allerdings Unglaubliches im Fange» und Todtbeißen der Rätten; denn seine Aus» dauer und Geschicklichkeit ist wirklich bewunderungswürdig. Gewisse Leute der City Londons übernehmen es, für die vornehmen jungen Nichtöthuer die nötige Anzahl von Ratten herbeizuschaffen. Mit diesen Tieren be¬ gibt man sich in eine alte Niederlage, in einen Keller oder ändere der¬ artige Orte, stellt sich ringsum an den Wänden auf, um dem Wild und seinen Verfolgern größtmöglichen Spielraum zu gewähren, und läßt nun die Ratten zu Dutzenden, oft zu Hunderten auf einmal laufen. Eine bestimmte Anzahl von Hunden, gewöhnlich aber doch nur zwei, werden hierauf ausgesetzt. In einigen verrufenen Stadtvierteln Londons gibt es sogar förmliche Kämpfplätze für diese Ratten: Sandplätze, ringsum mit Plänken umhegt, hinter denen die Zuschauer Plätz nehmen. Der Besitzer derselben gehört regelmäßig den untersten Volksschichten an und empfängt von den Zuschauern außer einein gewissen Eintrittsgeld auch noch eine Summe für jeden Rätteukopf. Sobald sich eine Anzahl von Zuschauern gesämmelt hat, bringt er seine Rattenkäfige herbei und läßt die Tiere laufen. Es gibt zunächst ein unerhörtes Durcheinander; die unglückseligen Ratten durchstöbern den ganzen Raum des Sändplatzes in der Hoffnung, einen Ausweg zu finden, rennen in schrecklicher Weise an einänder und geberden sich, als empfänden sie eine Vorahnung ihres gräßlichen Endes. Sobald sie sich einigermaßen beruhigt haben, bringt der Vorsteher der Arena die Pintscher herbei und läßt sie laufen. Und nun beginnt ein Schlachten und Morden ohnegleichen. Wood berichtet, daß er einen dieser Bülldoggpintscher gelärmt habe, welcher unter dem Namen „Tiny" wahrhaft 76 berühmt geworden ist. Derselbe wog blos fünf und ein halbes Pfund (3 X§.), und gleichwol war er der allerärgste Feind der Ratten, den man sich denken konnte. In einem Zeiträume von achtundzwanzig Mi¬ nuten fünf Sekunden — mit solcher Gewissenhaftigkeit beobachteten die Zuschauer das großartige Schauspiel! — hatte er fünfzig Ratten erlassen, und man berechnet, daß dieses ausgezeichnete Tier während seines Lebens mehr als fünftausend Ratten erlegt habe; eine Menge, wie mein Be¬ richterstatter hiuzüfügt, die anderthalb Tonnen* an Gewicht haben mag. Er konnte nicht zurückgescheucht werden, weder durch die Zähl, noch durch die Große des Wildes, und freute sich am meisten, wenn er recht stärken Ratten zu Leibe konnte. Seine Jagd betrieb er in einer sehr regel¬ rechten und klugen Weise. Zuerst suchte er sich die stärksten und kräf¬ tigsten Ratten aus, um so die schwierigste Arbeit zu verrichten, während seine Kräfte noch frisch waren; dann wurde es ihm leicht, die übrigen zu vertilgen, selbst wenn er von seiner Arbeit schon etwas ängegriffen war. In seinen jungen Jahren rannte er mit solch außerordentlicher Behen¬ digkeit auf dem Sandplatze herum, daß es hieß, man könne den Schwanz von seinem Köpfe nicht unterscheiden. Die geistigen Fähigkeiten aller Pintscher sind sehr beächtenswert. Sie zeigen einen großen Verständ, viel Selbstüberlegung und Geschicklichkeit, sich in alle Lage möglichst gut zu finden. Man kennt viele Beispiele, daß solche Hunde den Wert des Geldes zu würdigen und sich daher Mün¬ zen zu verschaffen wußten, um dafür ^ßwaren zu kaufen. Ein Hund mit Namen „Peter" stahl kleine Münzen, wo er sie nur finden konnte, und lief damit zum Backer hin, um sich dort Gebäck zu kaufen. Als ihm einmal der Bäcker, dessen eifriger Künde er war, einen ängcbrannten Zwieback hinlegte, verließ er ihn im Augenblicke und besuchte fortan einen auf der änderen Seite der Straße, welcher seinen neuen Kunden nach Verdienst ehrte. 109. i. allss au mit "tVälboäaebt, kübr' allss mit Verstänä: ^VÜ8 ärüder äir bsFSANsu ma§, äa nimm Llsäülä rur Lanä. It V. I/vssLU. 2. 8uobo uiobt vsrMb'ns HoilnnA! Ilnsror Lraukbsit ksboimuiss Letnvankt rvisobou kibsrsilnnss Unä rvisobon Vorsäumniss. Oötbs. 77 110. Der weiße Hirsch. Von Uhland. Es gingen drei Jäger wol auf die Birsch, Sie wollten erjagen den weißen Hirsch. Sie legten sich unter den Tännenbaum, Da hatten die drei einen seltsamen Traüm. Der Erste. Mir hat geträumt, ich klopf' auf deu Büsch, Da rauschte der Hirsch heraus, husch, husch! Der Zweite. Und als er sprang mit der Hunde Gekläff, Da brannt' ich ihm auf das Fell, Piff, paff! Der Dritte. Und als ich den Hirsch an der Erde sah, Da stieß ich lustig ins Hörn, trara! So lagen sie dä und sprachen, die drei, Da rannte der Weiße Hirsch vorbei. Und eh' die drei Jäger ihn recht geseh'n, So war er davon über Tiefen nnd Hoh'n. Hnsch, husch! Piff, Paff! Trara! 111. 1. iMsAMUllA ist aller Laster ^nkanss. 2. Us ist besser, äas UerluAsts vou äsr Melt ru tbun, als eine balbs 8tuuäe kür xorlnA ru ballen. Uötbs. s. 2nr Arbeit ist äer Nsnseb so vou Uatur bestimmt, Dass er selbst Arbeit rum Vergnügen unternimmt. Rückert. 113. Ein verlorener Tag. Du kannst achtzig Tage recht fleißig und bräv sein und doch einen Tag verlieren; dn brauchst nur in der Richtung von Westen nach Osten um die Grde zu fahren, wozu du jetzt achtzig Tage nötig hast. Ich will 78 versuchen, dir das zu erklären. Sieh dir einmal diese zwei Kreise an; sie sollen uns die beiden Hemisphären, das heißt die östliche und westliche Halbkugel der ^rde vorstellen. Wenn du ein Italiener wärest, so hättest du vielleicht wie deine Landsleute eine Uhr, welche nicht bloß zwölf, sondern vierundzwänzig Stunden zeigt. Du fährst nun auf einem Schiffe von a weg, um gegen b zu steuern. Es ist gerade Mitternacht, und deine Uhr geht richtig. Nach zwanzig Tägen langst du in b an. Es ist Mitternacht, aber wolgemerkt, nur auf deiner Uhr. Du glaubst dich aufs andere Ohr legen und noch sechs Stunden schläfen zu können, denn du bist gewohnt, immer um sechs Uhr aufzustehen. Allein du hast die Rechnung ohne die Sonne gemacht; die steht schon am Himmel, bei den Leuten in b ist es eben sechs Uhr früh. Du ärgerst dich und sägst: „Da habe ich also sechs Stunden süßen Schlafes verlören." Du verweilst in b durch einige Tage und richtest deine Uhr nach den Uhren dieses Ortes. Deine Geschäfte sind besorgt, das Schiff ist mit Kohlen und Wasser versehen, und du fährst weiter, immer gegen Osten, und nach abermals zwanzig Tagen bist du in o. Es ist wieder Mitternacht, wieder willst du dich aufs andere Ohr legen und deine sechs Stündchen aüsschlafen. Aber nur deine Uhr zeigt Mitternacht, die Leute in o haben schon Morgen, du hast wieder sechs Stunden verloren, im ganzen also zwölf Stunden. Und weißt du auch warum? Du kommst von Westen, wohin die Sonne später gelangt, in vierundzwanzig Stunden legt sie — scheinbar — ihren Weg um die Erde einmal zuruck. Wenn sie von 6 zu wandern beginnt, so braucht sie bis b sechs und von b bis n wieder sechs Stunden, das gibt in Summa die zwölf Stunden, welche du verlören hast. Hättest du ruhig in a äbgewartet, bis die lichte Himmelskugel dir die Stunden, auf welche du doch gleichsam ein Recht hast, entgcgengebracht hätte, so wärest du zu deinem Schläfchen gekömmen, so aber hast du dich selbst darum gebracht, du hast der Sonne die zwölf Stunden geschenkt, weil du ihr entgegengegangen bist und den Weg, welchen sie zurücklegen sollte, für sie gemacht hast. Nun wirst du alles übrige leicht erröten. Setzest du deinen Weg von e auf der linken Halbkugel, auf der ändern Seite der Erde, gegen ä fort, so brauchst du zu demselben wieder sechs Stunden, 79 und ändere sechs vergehen, bis du von ä nach u gelangst, in deine Heimat, von der du vor achtzig Tagen aüsfuhrst. Aber nach dem Stande des Kalenders könntest du vielleicht auch meinen, du habest einen Tag gewonnen, denn wenn du in deiner Heimat wieder änlangst, zeigt dein Kalender z. B. den ersten Juni, deine Lands¬ leute haben aber schon den zweiten Juni. Wie das kommt, könntest du dir wol schon selbst ausrechnen. Betrachten wir wieder die beiden Hemi¬ sphären. Du brauchst, um je ein Viertel des Umfanges unserer Erde zurück¬ zulegen, jedesmal zwanzig Tage; so wenigstens rechnest du. Als du aber in b ankamst, waren nicht nur zwanzig Tage, sondern auch noch sechs Stunden vom eknundzwanzigsten vergangen. Hat es dir doch so leid gethan um dein Schläfchen von zwölf Uhr Mitternacht bis morgens früh sechs Uhr, um das du dich verrechnet hattest. Als du in o ankamst, waren nicht bloß vierzig Tage, sondern noch zwölf Stunden vom eknundvierzigsten Tage verflossen, denn du erinnerst dich doch deines Ärgers, daß du abermals sechs Stunden Schlaf, im ganzen also schon zwölf Stunden eingebüßt hattest, weil dir die Sonne zuvör- gekommen war. Zum Wege von 6 (links) nach ä brauchtest du wieder zwanzig Tage, allein in ä angelangt, machtest du die Wahrnehmung, daß seit deiner Abfahrt von zuhause nicht nur sechzig Täge, sondern auch noch achtzehn Stunden vom eknundsechzigsten vergangen waren. Als du in der Heimat aüsstiegest, waren nicht bloß achtzig Tage, sondern auch vierund¬ zwanzig Stunden, das heißt es waren einundachtzig Tage verflossen, und wenn du deinen Kalender nicht geregelt hast, so zeigt er einen Tag zu spät, deine Landsleute haben schon den zweiten Juni, du lebst noch immer im ersten. Demnach hättest du freilich einen Tag gewönnen. Wie du es nimmst. Ist dir jemand etwas schuldig, so muß er dir es einen Tag früher zurück¬ geben, bist du etwas schuldig, so mußt du die Zinsen vierundzwanzig Stunden früher bezahlen. An Lebenszeit ist dir jedoch weder etwas äb- gezogen, noch zügelcgt worden; denn wenn dein Puls gleichmäßig schlägt, so hat er während der Fahrt nicht mehr und nicht weniger Schläge ge- than, als wenn du zu Hause auf der Ofenbank liegen geblieben wärest. Du äußerst die Meinung, es müßte bei den Seefahrern in der Berechnung der Täge, das heißt im Kalenderwesen eine Unordnung ent¬ stehen. Allerdings wäre dies leicht der Fall, wenn sie ihre Zeitangaben nicht korrigierten. Das seetüchtige Vo)k der Portugiesen entdeckte vor vier¬ hundert Jahren den Weg um die Südspitze von Afrika herum nach Indien 80 und setzte seine Fahrten bis in den stillen Ozeän fort. Die Spänier da¬ gegen fuhren von Europa aus nicht gegen Osten, sondern nach Westen und entdeckten Amerika. Als sie ihre Fahrten über Amerika hinaus durch den stillen Ozean förtsetzten, stießen sie an der Ostküste von Asien auf die Portugiesen. Jedes der beiden Völker hatte die Hälfte des Erdballes umfahren. Die Portugiesen hatten bei dieser Fahrt, welche sie, ich wieder¬ hole es, in derselben Richtung vollzogen wie du, sie hatten einen halben Tag gewönnen, sie waren um zwölf Stunden voraüsgeeilt und mußten daher ihren Kalender darnach richten; die Spanier waren dagegen bei ihrer Fahrt um zwölf Stunden zurückgeblieben. Beide Völker korrigierten hier, das heißt an der Grenze Ostasiens, ihren Kalender, die Portugiesen schrieben zwölf Stunden mehr, die Spanier zwölf Stunden weniger, und das geschieht von den Schiffern noch heutzutage immer an der Grenze von Ostasien und zwar gewöhnlich am hundert achtzigsten Grade östlich von der englischen Astronomie von Greenwich.* 113. 1. LriubrunZ virä äurebs Lsbsn Isiolck, Lur ibr Lsmitrsu langsam soblsieüt, lurvisebsu uaüt äsr ^6ä liebsuäs Luä masbt äsr Lebsnsküirt ein Luäs. vir. veAsusr. 2. Lius ^Vslls «asst sur anäsru: „^.eb, vis rässb ist äissss 'Wanäsrn." Luck äis rvsits sa§t rur ärittsu: „Lurr Aslsbt ist kurr §slittöu." ikLuusr. 114. Lonnetirlntz'LUtK'. Vou Olauäius. Lömmt Liuäsr, visobt äis Mgsn aus,* Ls Zibt üisr vas ru ssbsu; vuä rukt äsn Vatsr aueb bsraus — vis 8ouns vill autzsbsu! Ms ist sis äosb in iürsm Laut 8o uuvsrrag-t uuä müutsr! Vsbt ulls Lloi'Aöu lisütiA uük vnä alls ^.bsnä üntvr! 81 kebt immer unä sebeint weit unä breit, lu Lebweäen unä in Lebwäben, Kunn Kult, üuun wärm, ru Leiner Leit, Wie wir es nötiZ buben. Von obnxskübr kunn äus niebt sein, Kus könnt ibr wol Aöäenken; Der "iVuAön äu §ebt niebt ullsin, Ibr musst ibn rieb'n unä lenken. 80 but äie Lonne niebt Verstänä, IVsiss niebt, wus sieb Zebäbret; Drum muss wer sein, äer un äsr Hunä Hs wie ein Lumm sie kubrst. Knä äer but Kutes nur im 8inn, Des kunn mun bulä verstellen: kr seliüttst seine IVoltbut bin knä lässet sieb niebt seben knä bilkt unä ss§nst kür unä kür, Kibt ^säsm seine krsuäs, Kibt uns äen Kurten vor äer lkbür Unä unsrer Luk äie IVoiäe knä bült euoli Nor§snbroä bereit knä lässt eueb Llnmsn Müeksn knä stöbet, wenn unä wo ibr seiä, kueb bsimlieb binter'm Lüeken; Liebt ullss, wus ibr tbut unä äenkt, Hält eueb in seiner ktleZe, IVsiss, wus eueb kreut unä was eueb kränkt, knä liebt eueb nlleweAS. Kus Lternenbesr boeb in äer köb', Oie Lonne, äie äort ZMimet, Kus NorKönrot, äer Lilbsr-Les, Nit kusek unä IVLlä umkränret, Kiss Veileben, äiessr Lliltenbunm, Ker seins ^.rm' uusstreekst, Linä, Mnäsr, seines LIeiäes Luüm, Kus ibn vor uns beäeeket, km „Kerolä," äer uns weit unä breit Voll ibm errübl' unä lebre; Ker „Lxie^el seiner Herrliebkeit," Ker „lkemxel seiner Lbrs," S 82 Lin mannigialti§ xross Oebäii, vurob Noistvrbanck voroinot, tVo soius Inob' uncl soino ll'ron Hus llurob äio Loustor sebeinot. Lr selbst lvobut ünorkannt äarin Unä ist sctnver ru orAiünäeu. 8eiä kromm nnä snobt von Uöirsn ibn, Ob ibr ibn mvebtet kinäon. 115. Mas äieb anob bekümmern mass, Herr, än musst änrnm niebt Ln§en: Stets cloeb kommt ein' Zolä'nsr La§, Unä äio MebtiAnilen sebla§on. Lsrä. tVobb 116. Das Wolfeile Mittagessen. Von Hebel. Es ist ein altes Sprichwort: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst darein. Aber der Löwenwirt in einem gewissen Städtlein war schon vorher darin. Zu diesem kam ein wolgekleidetcr Gäst. Kurz und trotzig verlangte er für sein Geld eine gute Fleischsuppe. Hierauf forderte er auch ein Stück Rindfleisch und ein Gemüse für sein Geld. Der Wirt fragte ganz höflich, ob ihm nicht auch ein Glas Wein beliebe. „O freilich ja," erwiderte der Gast, „wenn ich etwas gutes hüben kann für mein Geld." Nachdem er sich alles hatte wolschmecken lassen, zog er einen abgeschliffenen Sechser aus der Tasche und sagte: „Hier, Herr Wirt, ist mein Geld." Der Wirt sagte: „Was soll das heißen? Seid Ihr mir nicht einen Thaler schuldig?" Der Gast erwiderte: „Ich habe für keinen Thäler Speise von Euch verlangt, sondern für mein Geld. Hier ist mein Geld, mehr hab' ich nicht. Habt Ihr mir zu viel dafür gegeben, so ist's euere Schuld." Dieser Einfall war eigentlich nicht weit her. Es gehörte nur Unverschämtheit dazu und ein unbekümmertes Gemüt, wie es am Ende Mausen werde. Aber das Beste kömmt noch. „Ihr seid ein durch¬ triebener Schälk," erwiderte der Wirt, „und hättet wol etwas anderes verdient. Aber ich schenke Euch das Mittagessen und hier noch ein Vier- undzwanzig-Kreüzer-Stück dazu. Nur seid stille zur Sache und geht zu meinem Nachbar, dem Barenwirt, und macht es ihm ebenso." Das 88 sagte er, weil er mit seinem Nachbar, dem Bärenwirt, ans Brodneid in Ünfrieden lebte, und einer dem andern jeglichen Schimpf gern anthat. Aber der schlaue Gast griff lächelnd mit der einen Hand nach dem ange¬ botenen Geld, mit der andern vorsichtig nach der Thür, wünschte dem Wirte einen guten Äbend und sagte: „Bei Eurem Nachbar, dem Herrn Bärenwirt, bin ich schon gewesen, und eben der hat mich zu Euch geschickt, kein änderer." So waren im Grunde beide hintergangen, und der dritte hatte den Nützen davon. Aber der listige Kunde hätte sich noch obendrein einen schönen Dank von beiden verdient, wenn sie eine gute Lehre daraus gezo¬ gen und sich mit einander aüsgesöhnt hätten. Denn Frieden ernährt, Un¬ frieden verzehrt. 117. vor IVolt mobr xobou, als sio uns §ibt, vio IVoli mobr liobon, als sis uns liebt, Mo um üsu Loikall äor LlonAo vorben, ülaebt rubiZ loben unä seliA stürben. Loäsnstsät. 118. Der schwarze Bär auf Kamtschatka. Von Storch. Schwarze Bären sind aus Kamtschatka in so großer Anzahl vor¬ handen, daß man sie herdcnwcise in den Feldern umherschweifen sicht, und daß sie längst alle Einwohner würden anfgerieben haben, wenn sie hier nicht so zahm und friedfertig wären, als sie sonst nirgend in der Welt sind. Im Frühjahre kommen sie haufenweise aus den Gebirgen, in denen sie überwintern, an die Mündungen der Flüsse, nm Fische zu fangen, von denen auf dieser Halbinsel alle Ströme wimmeln. Wenn diese Nah¬ rung im Uebcrfluß Vorhänden ist, fressen sie nichts als die Kopfe der Fische; finden sie irgendwo ein stehendes Netz, so ziehen sie es geschickt aus dem Wässer und nehmen die Fische heraus. Im Jahre 1823 war in Kamtschatka Mängel, an Fischen; daher entstand eine Hungersnot unter den Bären, und sie begaben sich den gan¬ zen Winter nicht in ihr Lager, sondern strichen umher selbst bis in die Straßen von Peter-Paul? Einer trat sogar in ein Haus, dessen Thür er offen fand, die sich aber zufällig hinter ihm schloß. Die Frau vom Hause hatte eben eine große The'emaschine, wie sie dort gewöhnlich, sind zum 84 Köchen gebracht und sie im Borhause stehen lassen. Der Bär beroch diese Maschine und verbrannte sich die Näse. Darüber ergrimmt, ließ er seine ganze Wüt an ihr aus, faßte sie mit den Vördertatzen, drückte sie gegen die Brüst, um sie zu vernichten, und verbrannte sich nur noch mehr. Auf das Gebrüll, das Wut und Schmerz ihm aüspreßten, kamen sämmtliche Bewohner des Hauses nebst den Nächbarn herbei, und er ward mit Flintenschüssen durchs Fenster gelobtet. Indessen hat er sich ver¬ ewigt, indem er hier zum Sprichwort geworden ist; wenn sich jemand durch seine Heftigkeit selbst schadet, so sagt man: „Das ist der Bär mit der Theemaschine." Mädchen und Weiber lassen sich, wenn sie auf dem Torfland mitten unter einer Herde von Bären Aehren oder Würzelu sammeln, dadurch in ihrem Geschäfte nicht hindern; geht eins von diesen Tieren auf sie zü, so geschieht es uür, um etwas aus der Häud zu fressen. Niemals fallen sie den Menschen au, außer wenn man sie im Schläfe stört, und selten geht der Bär auf einen Schützen los, er mag angeschossen sein oder nicht. Aber die große Nutzbarkeit dieser Tiere, deren körperliche Bestandteile von der Haut bis zu den Eingewciden die Kamtschadalen auf hunderterlei Art zu gebrauchen wissen, ist dem eigennützigen Menschen ein hinreichender Beweggrund, ihnen einen ewigen Krieg zu erklären. Mit Spießen und Keülen bewaffnet sucht der Kamtschadale den friedfertigen Bären in sei¬ nem Läger auf, der an keinen Angriff, sondern nur an seine Verteidigung denkt und arglos die Holzscheite entgegen nimmt, die ihm sein verschmitzter Verfolger reicht, und mit welchen er sich selbst den Ausgang aus seiner Höhle versperrt. Wenn das Lager auf diese Weise eingeschlossen ist, bohrt der Jäger von oben ein Loch in dasselbe und ersticht mit der größten Sicherheit seinen wehrlosen Feind. Es gibt wol nicht leicht eine Tiergattung außer dem Schäf, welche dem Menschen auf so vielerlei Art nützlich wird, als es der Bär nach sei¬ nem Tode für die Kamtschadälen ist. Aus der Haut dieses Tieres machen sie Betten, Decken, Mützen, Handschuhe und Halsbänder für ihre Schlitten¬ hunde. Diejenigen, die den Fang der Seetiere auf dem Eise betreiben, verfertigen Schuhsohlen daraus, die den Vorteil gewähren, daß man auf denselben nicht aüsgleitet. Das Fett der Bären ist als eine sehr schmäck- hafte und gesunde Nahrung bei allen Einwohnern auf Kamtschatka in großem Wert; wenn es aüsgeschmolzen wird und also flüssig bleibt, kann es die Stelle des Baümöls vertreten. Das Fleisch wird für eine solche Leckerei gehalten, daß man es selten allein verzehrt, sondern zu einer sol- 85 chcn Mahlzeit gewöhnlich eine Menge Gaste versammelt. Die Gedärme, wenn sie gereinigt und äbgeschabt sind, werden von dem schönen Ge¬ schlecht als Masken vor dem Gesicht getragen, um die Wirkung der Sonnenstralen zu verhindern, die hier, wenn sie vom Schnee zuruck¬ prallen, die Haut überaus schwärzen, daher die Kamtschadalinnen gewöhn¬ lich eine feine Gesichtsfarbe behalten; die Russen auf Kamtschatka verfer¬ tigen aus diesen Gedärmen Fensterscheiben, die ebenso hell und durch¬ sichtig, wie die von Marienglas oder Fensterglimmer sind. Aus den Schulterblättern macht man Sicheln zum Grässchneiden, und den Kopf und die Hüften hängen die Kamtschadalen als Zieraten oder Trophäen an den Bäumen um ihre Wohnungen auf. So mannigfaltig diese Benutzung des Bären bei den Kamtschadälen ist, so allgemein ist jetzt der Verbrauch seines schönen und wärmenden Felles bei den höheren Ständen in Rußland. Ein leichter schwarzer Bärenpelz gehört zu den angenehmsten und kostbarsten Stücken der Win¬ tergarderobe eines petersburgischen oder moskowitischen Stützers. 119. k'rons äiok jsAliollsr Urouäo, tVsU jsAliobo §rsnclo von Kott kommt; Urons äieü jsAliebsn Usläs, -Uoil joZIieüos Usiäsn en Kott kübrt. Lnvntsr. 120. Frühlingslied. Von Hölty. Die Lust ist blau, das Thal ist grün, Die kleinen Maienglocken blüh'n, Und Schlüsselblumen drunter; Der Wicsengrund Ist schon so bünt Und malt sich täglich bunter. Drum komme, wen: der Mai gefällt, Und freue sich der schönen Welt Und Gottes Vätergüte, Der diese Pracht Hervörgebracht, Den Baun: und seine Blüte. 121. Eine Luftfahrt. Von Pückler-Muskau. Der Tag, den wir zum Aufsteigcn wählten, war einer der schönsten ; kaum ein Wölkchen war am Himmel zu erblicken. Halb Berlin* hatte sich auf Plätzen und Straßen versammelt, und mitten aus der bunten 86 Menge erhoben wir uns, sobald ich die Gondel bestiegen, langsam gen Himmel. Diese Gondel war freilich nicht größer als eine Wiege; die Netze aber, die sie umgaben, verhinderten jeden Schwindel. Wir stiegen nun allmälich auf. Nichts schöneres kann man sich denken als den Anblick, wie nach und nach die Menschenmenge, die Stra¬ ßen, die Häuser, endlich die höchsten Türme immer kleiner und kleiner wurden, der frühere Lärm erst in ein leises Gemurmel, zuletzt in ein laut¬ loses Schweigen überging, und endlich das Gänze der verlassenen Erde sich unter uns aüsbreitete, die prächtigen Linden* nur noch einer grünen Furche, die Spree* einem schwachen Fäden glich, dagegen die Pappeln der Potsdamer Allee riesenmäßige, viele Meilen lange Schatten über die weiten Flachen warfen. So mochten wir mehrere tausend Fuß gestiegen und einige Stunden sanft förtgeweht sein, als sich ein neues, noch weit großartigeres Schan spiel vor unö entfältcte. Nund umher am Gesichtskreise stiegen nämlich drohende Wolken schnell nach einander empor, und da man sie hier nicht wie ans der Erde bloß an ihrer untern Fläche, sondern in ihrer ganzen Höhe sah, so glichen sie weit weniger gewöhnlichen Wölken, als Ungeheuern schneeweißen Bergketten von den ausfallendsten Formen, die sich alle über uns Hinwegstürzen zu wollen schienen. So rückten sie, von allen Seiten uns umzingelnd, immer näher herän. Wir aber stiegen noch schneller und waren schon hoch über ihnen, als sie endlich in der Tiefe zusämmenstießen und wie ein vom Sturm bewegtes wogendes Meer sich über und durch¬ einander wälzten und die Erde bald gänzlich unserm Blick entzogen. Nur zuweilen zeigte sich hie und da ein unergründlicher Schächt, vom Sonnen¬ lichte erhellt, wie die Krater eines feuerspeienden Berges, und schloß sich dann wieder durch neue Massen, die im ewigen Gahren, bald blendend weiß, bald dunkel, bald schwarz, fort und fort sich hier übereinänder türm¬ ten, dort bodenlose Spalten und Abgründe bildeten. Nie habe ich auf Bergeu etwas ähnliches erlebt. Höchst seltsam ist auch das Gefühl gänzlicher Einsamkeit in diesen, von allem Irdischen scheinbar abgezogenen Gegenden. Die Natur ist hier ganz lautloö: selbst den Wind bemerkt man nicht, da man ihm keinen Widerstand leistet, und mit dem leisesten Hauche förtgeweht wird. Nur um sich selbst drehte zuweilen die kleine Wiege nut ihrem übergroßen Balle sich gleich einem Vögel, der sich iin blauen Äther schaukelt. Wir fingen an zu sinkcu und mußten mehreremäle von dem spar¬ sam werdenden Ballast aüswerfen, um wiederum zu steigen. So hatten 87 wir fast unbemerkt lins in das Wattenmeer getaucht, das uns nnn rings¬ um wie dichte Schleier umgab, durch welche die Sonne nur wie der Mond schien, eine Beleuchtung von seltsamer Wirkung, die eine geraume Zeit änhielt. Endlich zerteilten sich die Wolken und schifften nur noch einzeln am wieder klar gewordenen blauen Himmel umher. Tausende von Sternen waren sichtbar. Als sollte nun unserer glücklichen Fahrt auch keines selbst der seltensten Ereignisse fehlen, so erblickten wir jetzt erstaunt auf einem der größten Wölkengebirge das treue Abbild unserer Personen und unseres Balles, aber in riesenhaften Großen und von bunten Regenbogenfarben umgeben. Wol eine halbe Stunde schwebte uns das gespenstige Spiegel¬ bild fortwährend zur Seite, jeder dünne Bindfaden des uns umgebenden Netzes zum Schisfstaue angeschwollen, wir selbst aber gleich zwei uner¬ meßlichen Riesen auf dem Wolkenmeere thronend. Gegen Abend war es wieder trübe in der Höhe. Wir fielen mit beunruhigender Schnelle. Ein dichter Nebel umgab uns eine Weile, und als wir nach wenigen Minuten durch ihn hinäbgcsunkeu waren, lag plötz¬ lich von neuem die Erde im hellsten Sonnenschein unter uns, und die Türme von Potsdam, die wir schon deutlich unterscheiden konnten, begrü߬ ten uns. Wir waren im vollkommensten Fällen begriffen und sahen dabei nichts unter uns als Wässer (die vielen Arme und Seen der Havel), nur hie und da mit Wäld untermischt, auf den wir uns möglichst hinzulenken suchten. Der Wald erschien uns aus der Höhe wie ein niedriges Dickicht, dem wir uns jetzt mit größter Schnelligkeit näherten. Es währte nicht lange, so hingen wir wirklich in den Ästen eines dieser — Straucher. Ich machte schon Anstalt zum Aüssteigen, als mir Herr Reichard zürief: „Um Himmels willen! Rühren Sie sich nicht; wir sitzen auf einer großen Fichte." So sehr hatte ich in kurzem den gewöhnlichen Maßstab verloren, daß es mehrere Sekunden bedurfte, ehe ich mich überzeugen konnte, daß seine Be¬ hauptung ganz währ sei. Wir hingen indes ganz gemächlich in den Ästen des geräumigen Baumes, wußten aber durchaus nicht, wie wir herunter kommen sollten. Lange riefen wir vergebens um Hilfe; endlich kam in der schon cingetrc- tenen Dämmerung ein Offizier auf der nahen Landstraße hergeritten. Er hielt unser Rufen zuerst für irgend einen ihm angethanen Schabernack. Endlich entdeckte er uns, hielt höchst verwundert sein Pferd an, kam naher und schien immer noch seinen Augen nicht trauen zu wollen, noch zu be¬ greifen, wie dies seltsame Nest auf die alte Fichte geraten sei. Wir mußten ziemlich lange von unserer Höhe unterhändeln, ehe er sich entschlöß, 88 nach der Städt zurückzureiten, um Menschen, Leitern und einen Wägen zu holen. Zuletzt ging alles güt vonstatten; aber in dunkler Nächt erst fuhren wir in Potsdam ein, den wenig beschädigten, nun leeren Ball in unfern Wägen gepackt und die treue Gondel zu unfern Füßen. 123. Rätsel. Von Schiller. Von Perlen baut sich eine Brücke Hoch über einen grauen See. Sie baut sich ans im Augenblicke, Und schwindelnd steigt sie in die Höh.' Der höchsten Schiffe höchste Masten Zieh'n unter ihrem Bögen hin. Sie selber trug noch keine Lasten Und scheint, wie du ihr nähst, zu flieh'n. Sie wird erst nnt dein Strom und schwindet, Sowie des Wassers Flut versiegt. So sprich, wo sich die Brücke findet, Und wer sie künstlich hat gefügt? 133. L.U8 äss Nousobou L.ÜA6 setmut Llnr sein innros Dobou. Dissou Lterusu ist vertraut 8siu Atzbsimstos Lträbeu; Darum, Uimmol, ma§ os soiu, Dass mau älr vertrauet, Ukeil aus tausenä L.u§su reiu Dome Düte sobauet. 8eiäl. 134. Ein armer Geber. Von Hebel. Im August des Jahres 1804 stand in der Stadt Anklam in Pom¬ mern ein reisender Handwcrksbursch an einer Stübenthür und bat um einen Zehrpsennig. Als sich niemand sehen ließ, noch rührte, öffnete er leise die Thür und ging hinein. Als er aber eine arme und kranke Witwe erblickte, die da sagte, sie habe selber nichts, so ging er wieder hinaus. Aber nach etwa fünf Stunden kam er wieder. Die Frau rief ihm zwar entgegen: „Mein Gott, ich kann euch ja nichts geben und bin jetzt krank." Allein der edle Jüngling. dachte bei sich selber: Eben deswegen. An¬ ständig und freundlich trat er bis vor den Tisch, legte aus beiden Taschen 89 viel Brod darauf, das er unterdessen, gesammelt hatte, uud viele auf gleiche Weise gesammelte Geldstücke. „Das ist für euch, arme kranke Frau," sagte er mit sanftem Lächeln, ging wieder fort und zog leise die Stubenthür wieder zu. Die Frau war die Witwe eines ehemaligen Unteroffiziers Namens Laroque (sprich: Larock) beim preußischen Regimente Schönfeld; wer aber der Jüngling gewesen, und wie er geheißen, kann ich nicht sägen; aber gewiß hat ein Engel im Himmel seinen Namen für ein andermal aus¬ geschrieben. 125. Vu88 oissno Not äir lolobtor 8obeiu8, Lotraebto §rö88ors ul8 äsiuo. 8^äi. 126. Der arme Musikant und sein Kollege. Von W. O. v. Horn. An einem schönen Sömmertage war im Prater zn Wien ein großes Volksfest. Der Prater ist eben eine sehr große öffentliche Gärtenanlage voll herrlicher Bäume und ist der Haüptspaziergaug nnd Belustigungs¬ ort der Wiener. Viel Volk strömte hinaus, uud jung und alt, vornehm und gering freuten sich dort ihres Lebens; uud es kamen auch viele Fremde, die sich an der Volkslust erfreuten. Wo fröhliche Leute sind, da hat auch der Arme etwas zu hoffen, der an die Barmherzigkeit seiner glücklichen Mitmenschen gewiesen ist. So waren denn hier eine Menge Bettler, Orgeldreher, Harfenmädchen, die sich ihren Kreuzer zu verdienen suchten. In Wien lebte damals ein Invalide, dem seine sehr kleine Pension zum Unterhalte nicht aüsreichte. Betteln möchte er nicht; er griff daher zur Violine, die er von seinem Vater spielen gelernt hatte, der ein Böhme gewesen war. Er spielte unter einem alten Baume im Prater, und seinen treuen Pudel hatte er so äbgerichtet, daß er vor ihm saß und den alten Hüt im Munde hielt, in den die Leute die paar Kreuzer warfen, die sie ihm geben wollten. Heute stand er auch da uud fiedelte, und der Pudel saß vor ihm mit dem Hüte; aber die Leute gingen vorüber, und der Hut blieb leer. Hätten ihn die Leute nur einmal angesehen, sie hätten mit ihm Barm¬ herzigkeit haben müssen: dünnes weißes Haar deckte kaum seinen Scheitel; 90 ein alter, fadenscheiniger Soldatenmantel war sein Kleid. Gar manche Schlacht hatte er mitgekämpft, nnd fast jede hatte ihm in einer Narbe einen Denkzettel angehängt, bei dem für das Verlieren keine Sorge nötig war. Nur drei Finger an der rechten Hand hielten den Bogen. Eine Kartätschenkugel hatte die beiden andern bei Aspern* mitgenommen, und fast zu gleicher Zeit nahm ihm eine größere Kugel das Bein weg. Aber die Leute sahen heute nicht auf ihn, und er hatte doch für die letzten Kreuzer Saiten auf seine Violine gekauft und spielte mit aller Kraft seine Märsche und Danze. Trüb und traurig sah der alte Mann auf die wogende Menschen¬ menge, auf die fröhlichen Gesichter, auf die stolze Pracht ihres Putzes. Bei ihrem Lachen drang ein Stachel in seine Seele. Heute abends mußte er hungern auf dem Strohlager im Dachstübchen. Sein Pudel war in der That besser dran; er sand doch vielleicht auf dem Heimwege unter einen, Hausstein einen Knochen, an dem er seinen Hunger stillen konnte. Schon war es ziemlich spät am Nachmittage. Seine Hoffnung war so nahe am Untergange wie die Sonne; denn schon kehrten die Lustwandler zurück. Da legte sich ein recht tiefes Leid auf das wetter¬ harte^ vernarbte Gesicht. Er hatte nicht bemerkt, daß in seiner Nähe ein stattlich gekleideter Herr stand, der ihm lange zuhörte und ihn mit dem Ausdrucke tief empfundenen Mitleides betrachtete. Als endlich alles fruchtlos blieb, und die müde Hand nicht länger den Bogen führen konnte, auch sein Bein ihn kaum mehr trug, setzte er sich auf einen Stein und stützte die Stirn in die hohle Hand, und die Erde saugte einige heimliche Tranen ein, und die sagt's nicht weiter. Der Herr aber, der noch neben dem Stamme der alten Linde lehnte, hatte gesehen, wie die verstümmelte Hand die Tränen Mvischte, damit das Auge der Welt die Spuren nicht sehe. Es war aber, als wenn die Tränen wie siedend heiße Tropfen dem Herrn aufs Herz gefallen wären, so rasch trat er herzu, reichte dem Alten ein Goldstück und sagte: „Leiht mir eure Geige auf ein Stündchen!" Der Alte sah voll Dänk den Herrn an, der mit der deutschen Sprache so holprig umging, wie er mit der Geige. Was er aber wollte, verstand der Invalide doch, und er reichte ihm seine Geige. Sie war nun so schlecht nicht; nur der gewöhnliche Geiger kratzte so über sie hin. Er stimmte sie glockenrein, stellte sich darauf ganz nahe zu dein Invaliden und sagte: „Kollege, nun nehmt ihr das Geld, und ich spiele." 91 Er fing dann an zu spielen, daß der Alte seine Geige neugierig beträchtete und meinte, sie sei es gar nicht mehr; denn der Ton ging wunderbar in die Seele, und die Töne rollten wie Perlen dahin. Manch¬ mal war es, als jubilierten Engelstimmen in der Geige, und dann wieder, als klagten Töne schweren Leides aus ihr heraus, die das Herz so be¬ wegten, daß die Augen feucht wurden. Jetzt blieben die Leute stehen und sahen den stattlichen Herrn an und horchten auf die wundervollen Tone; jederman sah es, er geigte für den Armen, aber niemand kannte ihn. Immer großer wurde der Kreis der Zuhörer. Selbst die Kutscher der Vornehmen hielten an. Und was die Hauptsache war, jederman sah ein, was der kunstreiche Fremde beab¬ sichtigte, und gab reichlich. Da fiel Gold und Silber in den Hut und auch Kupfer, je nachdem das Herz war; der Pudel knurrte, er konnte den Hut nicht mehr halten, so schwer war er geworden. „Macht ihn leer, Alter", riefen die Leute dem Invaliden zu, „er wird noch einmal voll." — Der Alte that es, und richtig! — er mußte ihn noch einmal leeren in seinen Sack, in den er die Violine zu stecken pflegte. Der Fremde stand da mit leuchtenden Augen und spielte, daß ein Bravo über das andere erscholl. Alle Welt war entzückt. Endlich ging der Geiger in die prächtige Melodie des Liedes über: „Gott erhalte Franz den Kaiser" u. s. w. Alle Hüte und Mützen flogen von den Kopsen; denn die Oesterreicher liebten ihren edlen Kaiser Franz von ganzem Herzen, und er verdiente es auch; allgemach wurde der Jubel so groß, daß plötzlich alle Leute das Lied säugen. Wer Geiger spielte in der größten Begeiste¬ rung, bis das Lied zu Ende war; dann legte er rasch die Geige in des glücklichen Invaliden Schoß, und ehe der Mann ein Wort des Dankes sagen konnte, war er fort. „Wer wär das?" rief das Volk. Da trat ein Herr vor und sagte: „Ich kenne ihn sehr wöl, es war der berühmte Geiger Alexander Boucher (sprich: Buscheh), welcher hier seine Kunst im Dienste der Barmherzigkeit übte; laßt uns aber auch sein edles Beispiel nicht vergessen." Der Herr hielt seinen Hüt hin, und aufs neue flogen Münzen hinein; alles gäb, und als dann der Herr äbermals das Geld in des Invaliden Säck geschüttet, rief er: „Boucher lebe hoch!" „Hoch, hoch, hoch!" rief das Volk. Und der Invalide faltete seine Hände und betete: „Herr, belohne es ihm reichlich!" 92 Und ich glaube, es gab an diesem Abende zwei Glückliche möhr in Wien. Der eine war der Invalide, der seiner Not weiterhin enthöben war, und der andere war Boucher, dem sein Herz ein Zeägniß gab, um das man ihn beneiden möchte. 127. i. ^Ver nis soin Lroä in 'Iränon ass, Vor nio äio kummervollen Mokts ^.uk seinem Lotts vsinonä sass, vor könnt snob nielit, ikr kimmlisobsn Mellto. 6ötbs. s. vor eälo Nonseli 8oi bilkrsiod nnä Aut! vnormüäst soball' or Vas Mtrliolm, Löobto. 6ötks. 128. Vergleichungsstufen. 1. Däs herzugeben, was über den Rand fließt, den Überfluß zu ver¬ schenken, fällt nur einem ausgemachten Geizhalse schwer und verdient kein besonderes Löb. 2. Wer aber aus ein Vergnügen verzichtet, um einem anderen däs zn verschaffen, was er notwendig braucht, der erfreut viele Menschenhcrzen: zuerst das seines armen Bruders, dann die Herzen aller, die von seiner guten That hören, und endlich sein eigenes; denn er wird sich durch seine Wolthat viel mehr Seligkeit und Fröhlichkeit bereiten, als wenn er das Vergnügen, auf welches er verzichtete, genössen hätte. 3. Allein noch edler handelt derjenige, welcher in seiner Dürftigkeit dem noch Ärmeren dasjenige schenkt, was er selber nötig hat, aber sich leichter beschössen kann als jener. *) 129. 'tVonn ävr voinä äom veinäs 6lutos timt, Vas ist latür uuä äas Ulüelr. §r. äueobs. 133. Der Hase. Von Lenz. Die Hasen sind, mit Ausnahme von Australien, über die ganze be¬ wohnte Erde ausgebreitet. Sie sind furchtsam, harmlos, mehr Nacht- als Tagtiere. Sie scharren sich entweder unbedeutende Vertiefungen (Lager) auf der Oberfläche der Erde oder graben tiefe Erdhöhlen. Es sind Ge¬ schöpfe, die zur wahren Landplage werden könnten, wenn der Mensch der zu starken Vermehrung nicht Grenzen setzte. Am Tage schlafen sie meist und zwar nut offenen Augen, weil die Augenlider zn kürz sind, um die Augen ganz zu bedecken. Sie leben von Gras und Kräutern und bringen die Nahrung nicht mit den Pfoten zum Munde. Die Sehkraft des Hasen ist sehr schlecht, sein Geruch dagegen sehr schärf. Er ist feige, äußerst schnell, läuft wegen der langen Hinterbeine (Läufe) besser bergauf als bergab und bewegt sich überhaupt nur sprung¬ weise. In der Not schwimmt er auch gut. Trotz seiner Feigheit thut er bisweilen Hcldenthaten. Packt man einen nicht mehr kleinen Hasen an den Löffeln (Ohren), so zuckt er gewaltig, kratzt mit den Nägeln und beißt auch wol gar. Draußen sieht man die Hasen zuweilen mit Ohrfeigen gegen einander fechten, die sie sich mit den Vorderläufen (Beineu) geben. Gegen Abend rückt der Hase aus, um zu äsen (fressen) oder sich zu vergnügen; gegen Morgen begibt er sich wieder zur Rühe und bringt meist den Tag in seinem Läger zu. Er zeigt auch Pfiffigkeit. Um von den Hunden, seinen ärgsten Feinden, nicht so leicht gefünden zu werden, macht er, bevor er sein Läger erreicht, erst einige Hin- unH Wiedergänge und Absprünge, das heißt er läuft über den Ort des Lagers hinaüs, kehrt eine Strecke auf der Spur zurück uud macht mehrere Kreuz- und Quersprünge, alles, um eine falsche Spür zu machen; erst der letzte Sprung führt zum Läger. Dieses ist im Sommer meist nach Norden, im Winter meist nach Süden, bei Stürmen aber so eingerichtet, daß der Wind dasselbe nicht trifft. Im freien Felde scharrt er erst eine Höhlung, so groß, daß er in sie hinein paßt; im Schnee liegt er oft so tief, daß er kaum zu bemerken ist. Seinen Wohnort verläßt er nie, wenn ihn nicht die äußerste Not drängt, wechselt aber insofcrue den Aufenthalt, daß er immer dorthin zieht, wo er unge¬ stört ist und Nährung genug findet, also von den Brachäckern auf Säat- felder, von gemähten Wiesen in Feldhölzer. Seine Nahrung besteht aus — 95 allerhand Pflanzen. In Gärten thut er am Köhl, an den Rüben nnd jungen Bäumen oft sehr großen Schäden; auch im Walde schält er im Winter viele grüne Bäume ab. Der Hase wird bis zehn Jahre ält und acht bis zehn (4—5 selten sechzehn Pfund (8 Iv§.) schwer. Sein Wildpret ist wölschmcckend; der Balg wird, vorzüglich gefärbt, als Pc'lzwcrk gebraucht, die Wolle zu Hüten und Handschuhen verarbeitet, die bloße Haut als feines Leder ge¬ braucht. Die völlig behaarten Pfoten verwendet man zum Abbürsten zarter Gegenstände. Die Bälge werden auch gegen rheumatische Schmerzen, als Unterlage gegen das Wundliegen in langwierigen Krankheiten benutzt. Die allbekannte Jagd treibt man vom Ende September bis anfangs Februar. Bekommt man nun einen Hasen lebendig in die Hand, so verendet er am leichtesten, wenn man ihm die Brüst hinter den Schulterblättern zusam¬ mendrückt. Sonst wurde er gewöhnlich geknickt, das heißt man nahm ihn bei den Hinterläufen und hieb ihn mit der scharfen Hand in das Genick. Bei einem Schmerz schreit der Hase wie ein Kind; ist ein alter in eine Fälle geraten, so hört man oft von ihm ein dumpfes Murren. Außer dem Menschen haben die Hasen noch sehr viele Feinde: Füchse, Uhus Adler sangen die älten, Marder, Iltisse, Wiesel, Falken, Raben, Krähen und andere mehr die jungen oder kränken. Viele sterben an Durchfällen, andere an der Leberfäule. Außerdem ist bemerkenswert, daß man unter den Hasen Mißgestal¬ ten findet, was bei freien Tieren sehr selten vorkommt; daß man ihn auf sehr hohen Gebirgen gär nicht findet, daß sein Fleisch roh eine Spur von Bisamgcruch* hat. Im Laufe steht der Hase oft still, sicht sich aufgerich¬ tet nach seinem Feinde um und thut beim Stillstehen stets wie das Ka¬ ninchen mit einem seiner Hinterläufe einen Schläg auf die Erde. 134. Volksrätscl. i. Neun alte Hasen und vier kleine, Wie viel haben die Beine? s. Wer ißt immer mit zwei Löffeln? K. Simrock. 135. Der Prozeß. Von Gellert. „Was sprecht ihr, Nachbar, dieser Rain, Der sollte, meint ihr, eüer sein? Nein, er gehört zu meinen Hufen." 96 — „„Nicht doch, Gevatter, nicht! ihr irrt; Ich will euch zwanzig Zeugen rufen, Von denen jeder sagen wird, Daß lange vor der Schweden Zeit . . . ."" „Gevatter, ihr seid nicht gescheit! Versteht ihr mich? Ich will euch's lehren, Daß Rain und Gras mir zugehören. Ich will nicht eher sanfte ruh'n, Das Recht, das soll den Ausspruch thun." So saget Künz, schlägt in die Hand Und rückt den spitzen Hut die Quere. „Ja, eh' ich diesen Rain entbehre, So meid' ich lieber Gut und Land." Der Zorn bringt ihn zu schnellen Schritten, Er eilet nach der nahen Stadt. Allein Herr Glimpf, sein Advokat, War kurz zuvor ins Amt geritten. Er läuft und holt Herrn Glimpfen ein. — „Wie," sprecht ihr, „kann das möglich sein? Kunz war zu Füß, und Glimpf zu Pferde." So glaubt ihr, daß ich lügen werde? Ich bitt' euch, stellt das Reden ein, Sonst werd' ich, diesen Schimpf zu rächen, Gleich selber mit Herrn Glimpfen sprechen. Ich sag' es noch einmal, Kunz holt Herrn Glimpfen ein, Greift in den Zaum und grüßt Herrn Glnnpfen. „Herr!' fängt er ganz erbittert an, „Mein Nachbar, der infame Mann, Der' Schelm — ich will ihn zwar nicht schimpfen, — Der, denkt nur, spricht, der schmale Rain, Der zwischen unfern Feldern liegt, Der, spricht der Narr, der wäre sein. Allein den will ich seh'n, der mich darum betrüget. Herr," fuhr er fort, „Herr, meine beste Küh, Sechs Scheffel Hafer noch dazu! (Hier wieherte das Pferd vor Freuden.) O dient mir wider ihn und helft die Sach' entscheiden." „Kein Mensch," versetzt Herr Glimpf, „dient freudiger als ich. Der Nachbar hat nichts einzuwenden, Ihr habt das größte Recht in Händen; Aus euren Reden zeigt es sich. Genug, verklagt den Ungestümen! Ich will mich zwar nicht selber rühmen, 97 Dies thut kein ehrlicher Jurist; Doch dieses könnt Ihr leicht erfahren, Ob ein Prozeß seit zwanzig Jahren Bon mir verlören worden ist. Ich will Euch Eure Sache führen, Ein Wort, ein Mann, Ihr sollt sie nicht verlieren." Glimpf reitet fort. „Herr!" ruft ihm Kunz noch nach, „Ich halte, was ich Euch versprach." Wie hitzig wird der Streit getrieben! Manch Ries Papier wird Völl geschrieben, Das halbe Dörs muß in das Amt; Man eilt, die Zeugen abzuhören, Und fünfundzwanzig müssen schwören, Und diese schwören insgesammt, Daß, wie die alte Nachricht lehrte, Der Rain ihm gär nicht zugehörte. Ei, Kunz, das Ding geht ziemlich schlecht! Ich weiß zwar wenig von dem Rechte; Doch im Vertraü'n gered't, ich dächte, Du hättest nicht das größte Recht. Manch widrig Urteil kömmt, doch laßt es widrig klingen! Glimpf muntert den Klienten auf: „Laßt dem Prozesse seinen Lauf, Ich schwör' Euch, endlich dürchzudringen. Doch " „Herr, ich hör' es schon; ich will das Geld gleich bringen." Allein, waruni so lange Zeit? Dies, Leser, kann ich dir nicht sagen, Du mußt die Rechtsgelehrten fragen. Ein letztes Urteil kommt. O seht doch, Kunz gewinnt! Er hat zwar viel dabei gelitten, Allein was thüt's, daß Haus und Hof verstritten, Und Haus und Hof schon angeschlagen sind? Genug, daß er den Rain gewinnt. „O, rüst er, lernt von nur den Streit aufs höchste treiben, Ihr seht ja, Recht muß doch Recht bleiben." 136. 1. Uioll llünkt 88 eines llboren Nut, 'lVsnn er sieb selber sobaäen tllut, Dem Mobbarsmann ru Ueiäs; Ueiellt reuet es sie beicie. 7 98 L 8ieb, nir bassen imä streiten, es trennet uns UeixnuA unä Neinung, Lber es Miedet inäes äir sied äie I-oede nie inir. Sodillsr. 137. Das Wasser als zerstörendes Element. Von H. Stahl. 1. Wir stehen am Mccresgestadc. Es gewährt einen großartigen Anblick, zum crstcnmale das Ange über die weite Fläche streifen zu lassen, aber auch eineu beengenden, bänglichen. Es ergreift uns unwillkürlich eine gewisse Fürcht, wenn wir sehen, wie die Wellen in beständiger Bewe¬ gung und Ausrcgung an die Küste schlagen, wie sic schanmgekrönt in die Hohe spritzen, und der weiße Gischt unseren Fuß netzt. Wie das wogt und wällt, unaufhörlich und unversöhnt, als wollte das tosende Element uns mit dem Felsen in seinen Schlund hinabziehcn! Das ist die Grün¬ dung, der an allem Bestehenden ewig nagende Mcereszahn. Endlos rollen sie daher, die Wogen, eine immer größer als die ändere, bis der größten wieder eine kleine folgt, und das alte Spiel sich erneuert. Spiel — der Ausdruck ist uns eben entschlüpft, aber dürfen wir ihn gebrauchen? Es ist wenigstens ein ernstes, ein fürchterliches Spiel, das die Brandung treibt. Das Meer nagt beständig an seinen Ufern, untcrwühlt Felsmassen und stürzt sie in seine unersättliche Tiefe, durchbricht Ländeugcn und ver¬ knüpft Meere mit Meeren, trennt Länder von Landern. Mannigfach und großartig sind die Veränderungen, die es schüfst, Veränderungen, die im Laufe der Zeit, in tausend und über tausend Jahren die Umrisse des Festlandes ganz verändert haben und in neuen Jahrtausenden noch ver¬ ändern werden. Und es ist nicht bloß die flache, sündige Küste, die dem Wogendrange unterliegt, nicht bloß das aus geschichteten Steinen bestehende Ufer, welches das Wasser aushöhlt, zerfallen und versinken macht: das härteste Felsgestade muß seinen ewig wiederholten Angriffen weichen. Die ausgezackten Küsten der Halbinsel Bretügne,* welche doch aus hartem Granit bestehen, zeigen die deutlichsten Spuren von ihren vielfachen Ver¬ änderungen, deren alte Sügen gedenken. Während des neunten Jahr¬ hunderts haben die Wellen Wälder und Dörfer verschlungen, und noch jetzt findet man ihre Überreste auf dem Boden des Meeres. Nicht minder deutlich zeigen die Küsten Englands und Arlands, wie wenig selbst Fels- gcstein den Gang des Weltmeeres aüfzuhalten vermag, wie üllgewaltig die stets wirkende Brandung ist. 99 Ein anschauliches Beispiel davon gibt die natürliche Brücke von Kilkee. Unfern der irischen Küste stellt sich dem Auge ein Prachtstück der Schöpfung einer wunderreichen Natur dar. Über kleine Meerbusen, die sich im Laufe der Jahrtausende ins Üfergestein eingewühlt haben, wölben sich drei Bögen hinüber, die zwei aus hartem Fels geschichtete Pfeiler tragen. Menschenhand würde sie nicht so solid und dauerhaft haben Herrichten können, als es durch die Hand der Natur geschehen, und doch — schon naht der Mitte der Umsturz sich! Immer näher und immer stärker schlagen die Wellen brandend wider das sie hemmende Gestein, fortwährend reißen sie kleine Stücke von ihm weg, und ehe vielleicht ein Jahrhundert zur Neige gegangen, wird der rechte Pfeiler, dem Andrang unterliegend, stürzen, werden die Wogen triumphierend über dem letzten Getrümmer zusämmen- schlagen. Mit eherner Brust stemmt sich der linke Pfeiler dem Meere entgegen; Jahrtausende vielleicht noch müht es sich vergebens ab, auch ihn in die Tiefe zu ziehen. — Aber was sind Jahrtausende im Alter der Erde? Auch er wird fallen, und ein fernes Geschlecht vernimmt wol noch die Künde, die an einer winzigen Felsspitze haftet, daß hier dereinst ein herrliches Götteswunder das ehrfurchtsvolle Staunen der grauen Vörzeit erregte. Bei dem kleinen Flecken Etratat (spr. Etratah) an der französischen Seite des Ärmel-Kanals erheben sich Steilklippen von dreihundert und fünfzig Fuß (112 m.) Hohe als Damm gegen Wogen und Wellen. Lange haben sie tapfer Widerstand geleistet, jetzt aber sind sie zerklüftet und zer¬ rissen, und die Flut schäumt ungehindert um einzelstehende Nadeln. Schrankenlos braust sie durch weit geöffnete Thöre, die wie Pfosten im Augenblicke noch mit dem sichern Ufer in Verbindung stehen, aber auch dereinst als isolierte Fclskegel einsam aus dem Wasser empörstarren und endlich gar spurlos verschwinden werden. Schlimmer noch als den Küsten des großen Festlandes spielt das Meer dem Gestade der Hnseln mit, die seiner Zerstörungs- und Vernich¬ tungswut auf allen Seiten preisgegeben sind. Über Helgoland* haben wir geschichtliche Gewißheit, nicht allein, daß es vor etwa hundert Jahren von der Düneninsel nur durch einen Kanäl getrennt war, der bei der Ebbe trockenen Fußes passiert werden konnte, während derselbe jetzt die größten Schiffe trägt, sondern auch därüber, daß cs früher um vieles größer war und nach und nach voin Meere abgenagt und zerstückelt wurde. Mit solcher Allgewalt bohrt sich die Flut ins Gestein und wird mit der Zeit die ganze Hnsel zernagen. 7* 100 2. Auch an unserer deütschen Küste waltet das Meer mit wildem Zerstörungsgelüste. Der breite aber niedrige Küstensaum der Nordsee ist von der Nordspitze der holländischen Halbinsel an mit einer langen Kette kleiner Flächinseln in meilenweiter Entfernung umgürtet, welche wol als Überreste größerer Inseln oder auch versunkenen Festlandes anzusehen sind. Noch täglich machen die Wogen, mit Ebbe und Flut kommend und gehend, neue Versuche, die letzten Brocken ihres großen Raubes in den gierigen Schlund des Meeres hinäbzuziehen. Die kleineren dieser Eilande heißen Hälligen. Höchstens eine halbe Quadrätmeile umfassend, oft aber kaum 1000 Fuß (320 w.) lang und breit und nur zwei bis drei Fuß (*/z bis 1 m.) höher gelegen, als der Stand der gewöhnlichen Meeresflut, sind sie derselben vollständig prelsgegeben, die sie sehr oft und besonders in den Wintermonaten sogar zweimal an einem Tage überraüscht und bald mit langsamer, bald mit wildstürmender Gewalt ein Stück nach dem andern äbbricht, so daß der Halligbewohner schon die Jahre zahlen kann, wann den Hütten und den Herden der letzte Raum genommen sein wird. Die größeren Nordseeinseln sind teils durch künstliche Dämme (Deiche), teils auch durch die Natur selbst, so gut als es geht, gegen den Andrang der Wogen geschützt, indem sich nämlich an ihrem Küstensaume im Lause der Zeit lange Sändhügel aufgehäuft haben. Diese führen den Namen Dünen. Ein trauriges, oft in zahllosen Schlingungen verdorrtes Gewebe von Sand¬ pflanzen umgibt dieselben und flattert oft lose im Winde umher. Kein munteres Grün, kein Zeichen eines lebendigen Wesens läßt dieses graue Sandmeer erblicken, höchstens ein vereinzelt fliehendes Kaninchen oder den Austernfresser, der auf der Dünenspitze seine Beute verzehrt. Dabei sind die Dünen ein zweideutiger, oft gar ein gefährlicher Schutz gegen das brandende Meer. Bon der Flut und dem Seewinde unaufhörlich getrieben, rücken sie langsam, aber sicher fortwährend weiter ins Land, und rettungs¬ los ist alles, was sie erreichen, verloren. Über Felder, Wiesen, Deiche schreiten sie mit einer gespenstischen Ruhe und Gleichmäßigkeit hinweg; Wohnungen und ganze Dörfer begraben sie gleichsam lebendig. Erbittert, aber vergeblich kämpft der Mensch gegen sie an, namentlich um die fester gebauten, widerstandsfähigen Kirchen zu behaupten. Aber auch die ver¬ schlingt der Sand. Lange schon konnte man nur noch durch die Fenster in das Gotteshaus kriechen, wo die Menge bereits auf Sändhügeln saß und der Pfarrer aus der Kanzel in einer Sändgrube stand, nun ist auch der letzte Eingang versperrt. 3. Die Küste des Festlandes findet in der Reihe vorgelagerter In¬ seln starken Schütz gegen das feindliche Element; wo derselbe nicht aus- 101 reicht und die Küste nach dem Meere zu Macht, sind ungeheuere Deiche (Steindämme) aufgeführt worden, deren Herrichtung und Unterhaltung ein entsprechendes Zeugniß liefert von der Stärke und Ausdauer vereinter Menschenkraft. Zudem finden sich auch hier die bereits vorher geschilderten Dünen, in denen das Meer den von ihm angerichteten Schaden teilweise wieder güt zu machen sucht. Bei gewöhnlichem Gange der Dinge reichen diese Schutzmittel aus, aber wenn der Sturm gleichzeitig mit der Flut gegen das Land andringt, wenn die Wogen haushoch herwallen, und die Brandung wie Donner brüllt und tobt, dann widersteht nichts der Macht der Wogen. Die Geschichte liefert furchtbare Zeugnisse von dem Schaden, den solche Sturmfluten änrichten, und weist eine ganze Reihe von dadurch veranlaßten Einbrüchen des Meeres nach, unter denen der bedeutendste derjenige ist, welcher den Zuidersee (spr. Seud — d. i. Südsee) in den Niederlanden bildete. Dieser See war vormals festes Land, durch wel¬ ches sich ein Arm des Rheins, nachdem er zuvor einen See gebildet, in die Nordsee ergoß. Um das dreizehnte Jahrhundert brach das Meer hier ein, überschwemmte die ganze Gegend und ließ die jetzigen Inseln Texel, Vlieland, Schelling rc. zurück, welche nunmehr zum Schutze gegen die andringenden Wögen dienen. Wo der Dollart * als weiter Meerbusen sich ausbreitet, war der Boden einst fruchtbares, reich bebautes Ackerland, von einer Stadt, zwei Flecken und fünfzig Dörfern überbaut. Da ergießt sich im Jahre 1287 über diesen Gau, wie ihn noch heute eine mächtige alte Karte auf Holz im Stadthause zu Gmden* darstellt, eine furchtbare Wüsserflut. Gräßlich wütet sie, denn die Deiche bieten kein festes Böllwerk mehr, furchtbare Stürme und Regengüsse haben sich mit ihr verbünden, 50,000 Menschen finden vereint in den Fluten ihr Grüb. Ein ähnliches Ereigniß bildete im 16. Jahrhundert auch den Meerbusen der Jähde,* welche, früher ein kleines Flüßchen, jetzt eine halbe Meile breit ist. Die Fluten begruben damals vier und eine halbe Quadratmeile Land, auf welchem 10,000 Menschen wohnten. An den flachen Westküsten der dänischen Halbinsel besteht ebenfalls ein alter Kampf zwischen Land und Meer, der einst Jütland zu einer Insel zu machen droht. Noch im Jahre 1824 durchbrach bei einer Sturm¬ flut das Meer die schmale Ländenge, welche Nordjütland mit dem übrigen Teile der Halbinsel vereinigte, und die Wasser der Nordsee ergossen sich in 102 den Lymfiord, einen Busen der Ostsee. An den Küsten von Schleswig lag einst ein sehr fruchtbarer und bevölkerter Landstrich, Nordfriesland genannt, der eine Halbinsel von neun bis elf Meilen (68bis 83^/z Lw.) Länge und sechs bis acht Meilen (45*/z bis 61 Lm.) Breite bildete. Im Jahre 1240 wurde er vom Festlande äbgetrennt und bis auf die kleine Insel Nordstrand von den Wellen verschlungen. Aber auch diese immer noch durch Bevölkerung und Kultur berühmte Insel wurde im Jahre 1638 von den Fluten zerrissen, und jene schreckliche Katastrophe, die 1338 Gebäude mit 6408 Menschen und gegen 50,000 Stück Vieh vertilgte, ließ nur die kleinen, noch immer von gleichem Schicksale bedrohten Inseln Nordstrand, Pelworm und Lütjenmoor übrig. 138. i. Liu Uüblstoiu und oiu ÄonsobonbsrL wird stets borümAotriobon, IVonn beides uiebts ru mäbivn bat, rrird beides selbst rorrieben. l?r. v. UvANU. s IlÜtSvI. Hat die blut sieb ausxotobt, Daun boxiimt mein Rsiob; 8isbst du miob von biutsu au, LIeib iob doob mir Zleiob.*) o. Usinbold. 139. Das Land der Hinkenden. Von Gellert. Vor Zeiten gab's ein kleines Land, Worin man keinen Menschen fand, Der nicht gestottert, wenn er red'te, Nicht, wenn er ging, gehinket hätte, Denn beides hielt man „für galant. Ein Fremder sah den Übelstand. Hier, dacht er, wird man dich im Gch'n bewundern müssen. Er ging umher mit steifen Füßen; Er ging, ein jeder sah ihn an, Und alle lachten, die ihn sah'n. Und jeder blieb vor Lachen stehen 6 Wenn wir in den zwei ersten Versen die richtige Betonung wüßten, so wäre auch das Rätsel gelöst. 103 Und schrie: Lehrt doch den Fremden gehen! Der Fremde hielt's für seine Pflicht, Den Vorwurf von sich äbzulehnen. „Ihr," rief er, „hinkt; ich ober nicht: Den Gang müßt ihr ench äbgewöhnen." Der Lärm wird noch mehr vermehrt, Da man den Fremden sprechen hört. Er stammelt nicht, genug der Schande; Man spottet sein im ganzen Lände. dovoknboit mnoüt äon Ueülsr 8okön, Den wir von ün§snä nut §68ob'n. 140. Aus Gellerts Leben. Bon H. Pfeil. Kommst du, junger Leser, einmal nach Leipzig, dann lenke deine Schritte nach jenem Grabe, das sich vor dem Eingänge zuln Johannis- Friedhöfe befindet, und das mit einer Plätte belegt ist, welche den Namen Gellert trägt. Dort ruht der fromme Liedersänger, dem zwar die irdi¬ schen Güter nur knapp zugemessen waren, der aber trotzdem seine höchste Befriedigung darin fand, andern wöl zu thun und Freude zu bereiten. Wie wärm sein edles Herz für menschliches Elend schlug, das leuchtet aus zahlreichen Handlungen der Wölthätigkeit hervor, welche von ihm berichtet werden. Als Gellert eines Tages vor den Leipziger Thoren spazieren ging, begegnete er einer Frau, auf deren Angesichte Kummer und Sorgen deutlich zu lesen waren. Gellert blieb stehen und frägte, was ihr fehle. Sie hörte nicht auf seine Frage und eilte schnell vorüber. Gellert verdoppelte nun seine Schritte, und erst als er ihr zürief: „Aber Frau, so hören Sie doch!" blieb sie stehen. „Was ist Ihnen denn?" fragte Gellert. Jetzt weinte die arme Frau und erzählte: „Dort in dem kleinen HauS mit dem Schindeldach liegt mein Mann und meine armen Kinder kränk. Seit fünf Wochen habe ich nichts verdienen könne». Wir sind unserem Hauswirt, dem reichen Kaufmanne Richter, dreißig Thaler schul¬ dig, und er will nicht länger wärten. Eben war ich bei ihm und bat um Nächsicht, aber er ist härtherzig und will uns noch heute vor die Thür setzen lassen." „Na, nä," meinte Gellert, „so schlimm wird es nicht gleich werden. Kommen Sie mit mir, vielleicht sendet Ihnen Gott Hilfe." Er nahm sie — 104 — mit nach seiner Wohnung. Hier schloß er sein Schrelbpult auf und zählte dreißig Thaler zusammen, die er ihr mit den Worten übergab: „Da hü¬ ben Sie das Geld. Gehen Sie hin und bezählen Sie, aber bringen Sie es erst in einer Stünde zu Ihrem Wirte. Hören Sie, gute Frau, erst in einer Stunde! Und nun gehen Sie, Gott wird Welter helfen." Mittlerweile wandte Gellert seine Schritte zu dem reichen Kauf¬ manns, den er eben mit der Zählung einer Geldsumme beschäftigt fand. Er knüpfte ein Gespräch mit dem Reichen an und lenkte es auf das Geld mit den Worten: „Von Ihnen kann man jedenfalls noch vieles lernen, denn ein so gesegneter Mann, wie Sie, wird es doch nicht Unterlässen, von seinem Reichtume den schönsten Gebrauch zu machen. Sicherlich haben Sie schon recht viele Menschen glücklich gemacht!" Herr Richter, der gar nicht wußte, worauf sich diese Worte bezögen, und der seine Gedanken noch halb bei seiner Summe Geldes hatte, antwortete etwas zerstreut: „Ganz recht! Schon recht! Ja, ja." Gellert fuhr fort, mit Wärme von den Freuden des Wolthuns und der Menschenliebe zu reden. Selbst gerührt im Andenken an die arme bedrängte Frau, hätte er dem Geizigen beinahe eine Träne entlockt, als eben die arme Frau hereintrat, hastig ihre dreißig Thaler auf den Tisch legte und in aufgeregtem Tone dazu bemerkte: „Da haben Sie das Geld, damit Sie uns nicht aus dem Hause werfen." Der Kaufmann, durch das Eintreten und Benehmen der Frau in Verlegenheit gesetzt, entgegnete in begütigendem Tone: „Ei, das hätte ja Zelt gehabt, wie können Sie doch nur-Sie sehen ja, daß ich Besuch habe. Das hatte mit dem Gelde gar keine Ekle." In demselben Augenblicke vergaß er sich aber und zählte wieder: „Zehn, zwanzig, dreißig." — „Ach wäs," sagte die Frau, „heute früh haben Sie ganz anders gesprochen. Sie wollten meinen kranken Mann und die kranken Kinder aus dem Haus werfen lassen. Und wenn nicht dieser gute Herr — sie zeigte auf Gellert — sich meiner erbarmte und mir das Geld gegeben hätte, so würden Sie Ihre Drohung wol ausgeführt haben." Gellert winkte ihr, daß sie schweigen solle, aber sie fuhr fort: „Nein, lieber Herr, winken Sie, so viel Sie wollen; ich muß es doch sagen, wem ich meine Hilfe zu verdanken habe." Der Kaufmann stand beschämt vor dem edlen Menschen. Erreichte Gellert die Händ und sprach: „Herr Professor, ich sehe, daß Sie nicht nur schön schreiben und reden, sondern auch schön Händeln! Ich danke 105 Ihnen tausendmal für die heilsame Lehre, die Sie mir heute erteilten. Sie haben mich bis jetzt hartherzig gesehen, Sie sollen mich von nun ab als einen wölthätigeu Menschen kennen lernen. Dann wandte er sich an die Frau mit den Worten: „Hier, gute Fran, nehmen Sie die dreißig Thaler wieder. Gehen Sie nach Hause und pflegen Sie Ihren kranken Mann und Ihre kranken Kinder." Die Frau entfernte sich unter Freu- dentränen. Der Kaufmann wandte sich wieder zu Gellert. Ich will nicht auf halbem Wege stehen bleiben, Herr Professor. Kommen Sie mit mir, wir wollen die Kranken besuchen." Sie gingen beide in die Wohnung der Armen. Der reiche Kaufmann sorgte für ärztliche Hilfe, so daß Vater und Kinder bald wieder hergestellt wurden. Aber er that noch mehr. Er nahm später den wieder gesund gewordenen Mann in sein Geschäft und bezahlte für die Kinder der armen Familie fortan das Schulgeld. 141. 1. 8ur ^Veisbsit bskobre valä sieb seäsr nnä wsiäo äas Löss, Verobre äio l'ÜFvnä. Uötbs. 2. Vie luMnä, «io ist kein leerer Loball, vor Llsnsek bann sie üben im Veden; Ilnä sollt' er ancb stranoboln überall, Lr dann naeb äor Aöttlioben streben. Sobillsr. s. Lin unnütr Veden ist ein trüber ll'oä. vötks. 142. Der Reisende. Von Gellert. Ein Wandrer bat den Gott der Gotter, Den Zeus, bei ungestümem Wetter Um stille Luft und Sonnenschein. Umsonst! Zeus läßt sich nicht bewegen; Der Himmel stürmt nut Wind und Regen; Denn stürmisch sollt' es heute sein. Der Wandrer setzt mit bittrer Klage, Daß Zeus mit Fleiß die Menschen Plage, Die saure Reise mühsam fort. So oft ein neüer Sturmwind wütet Und schnell ihm stillzusteh'n gebietet, So oft ertönt ein Lüsterwort. — 106 Ein naher Wald soll ihn beschirmen; Er eilt, dem Regen und den Stürmen In diesem Holze zu entgeh'n; Doch eh der Wald ihn ausgenommen, So sieht er einen Räuber kommen, Und bleibt vor Furcht im Regen steh'n. Der Räuber greift nach seinem Bögen, Den schon die Nässe schlaff gezogen; Er zielt und faßt den Pilger wöl; Doch Wind und Regen sind zuwider, Der Pfeil fällt matt vor dem darnieder, Dem er das Herz durchbohren soll. „O Thor!" läßt Zeus sich zornig Horen, „Wird dich der nahe Pfeil nun lehren, Ob ich dem Stnrm zuviel erlaubt? Hätt' ich dir Sonnenschein gegeben, So hätte dir der Pfeil das Leben, Das dir der Sturm erhielt, geraubt." 143. lob dabo nio mied Arösssr Askülllt, Läs Venu iob in Uot uuä bart bssolMigt, Lrotr allem trsu am (Hauben dielt, Ilnä vvarä vom LrtolM bestätigt. Nolod. Lls^r. 144. Ueber den Zufall. Unter den Bauern, welche unfern Dorfschulmeister*) des Sonntags nachmittags zu besuchen Pflegten, waren auch einige jüngere, die lieber die Zeitung als die Bibel lasen und zu allem ungläubig den Köpf schüt¬ telten, was sic nicht mit ihrem Verstände sofort begreifen konnten. Er¬ eignisse, welche andere Menschenkinder Fügungen Gottes nannten, waren bei ihnen einfacher Zufall. Der Schulmeister widersprach ihnen nicht, und da hatte er wol auch recht. Denn der Streit ist doch gewiß das unzweck¬ mäßigste Mittel, sich mit andern ins Einvernehmen zu setzen. Er wußte, es wird sich schon einmal Gelegenheit finden, in den Köpfen der Bauern der besseren Einsicht ein Plätzchen zu bereiten. Und als sie sich fand, ging er wie gewöhnlich aus die Behauptungen seiner Freunde ein. „Ja, ja," *) Sich Nr. 35. 107 sagte er, „Zufall und wieder Zufall. Aber einen merkwürdigen Zufall habe ich in Olmütz erlebt. Als ich daselbst die Pädagogik studierte, wohnte ich bei einem Kammacher, der hatte einen Gesellen, dem der Zufall sein ehrliches Handwerk für alle Zeiten verleidete. Er war ein flotter Kumpan, der von den Jahreszeiten den Fasching und von den Tagen der Woche den Sonntag am liebsten hatte, und weil er von den vierundzwanzig Stunden eines Tages die nächtlichen nicht verlieren wollte und sie des¬ halb im Wirtshause zubrachte, so fehlte es ihm, wie ällen solchen Leuten, immer an Geld. Sein Vater, den er oft und immer wieder um einen Zuschuß, wie er sich ausdrückte, bat, wurde es endlich müde, einem aus¬ gelernten Gesellen, der ein einträgliches Handwerk erlernt hatte, Geld zu schicken, und schrieb ihm, er möge sich selber eines verdienen. Ich muß hier bemerken, daß damals die Kammacher .sehr gute Geschäfte machten, weil die vornehmen Damen höhe, künstlich durchbrochene, also sehr teure Kämme zu tragen pflegten. Unser Geselle nun kam durch das liederliche Gebühren mit seinem Wochenlohn wieder einmal in Verlegenheit. Um sich zu helfen, schrieb er dem Väter, er habe sich bei dem Zuhacken der Kamm- Platten den Daumen abgehackt und liege krank darnieder, er möge ihm doch um Gottes willen einen Zehrpfennig schicken. Einige Tage darauf hatte der verlogene Bursche frühmorgens mehrere tüchtige Hörner zuge¬ sägt und die Stücke dann geröstet, um sie aus ihrer runden Form in die von Plätten zu bringen. Dann machte er sich darän, diese Platten mit dem Beile zu behauen. Dabei muß man freilich sehr aufmerksam sein. Solch eine Platte ist nämlich zwei bis vier Zoll Höch und mehrere Zoll brelt. Der Kammacher setzt sie etwas schief auf einen Hölzblock und hält sie während des Behauens dädurch fest, daß er mit dem Daumen auf die obere Känte drückt. Mit einem sehr scharfen Beile hackt er auf die Sei¬ tenflächen der Platte. Wie nun unser Geselle eben am eifrigsten haut, öffnet sich plötzlich die Thür, und der Postbote tritt niit einem fünfmal versiegelten Geldbriefe ins Zimmer. Der Kammacher vergißt sich und haut während er auf den Eintretenden blickt, kommt niit dem Beile etwas zu Höch und hackt sich die Spitze des Daumens glatt weg. In dein Briefe stand: Da Du Dir die Spitze des Daumens weggehackt hast, so schicke ich Dir, lieber Sohn, dieses Geld. Nun kannst Du aber auch kein Kämmacher mehr sein." — Das war doch ein merkwürdiger Zufall! — So schloß der Schulmeister seine Erzählung, und als einer der Bauern sich Horen ließ, das sei kein Zufall, soudern eine gerechte Strafe Göttes gewe¬ sen, entgegnete er: „Ja und nein, wie man's nimmt. Hätte der Geselle 108 nicht mit bösem Gewissen den Briefträger erwartet, so wäre er bei dessen Eintreten ins Zimmer nicht erschrocken, hätte auf seine Arbeit ächtgege¬ ben, und es wäre ihm höchst wahrscheinlich kein Unglück zugestoßen. Mit dem Zufall ging's also ganz natürlich zu; aber merkwürdig ist es und bleibt es, daß der freche Lügner auf eine so natürliche und einfache Weise bestraft wurde. Und nun kann ich euch sagen, was ich vom Zufall halte. Ich glaube, es hat in der lieben Welt alles seinen Gründ, und der große, gerechte und weise Gott hat es eben so eingerichtet, daß auf güte Gründe gute Sachen folgen und auf böse auch böse Wirkungen. Aber eines ist dabei zu bemerken, daß wir kurzsichtige Menschen die Gründe nicht immer erkennen." L.. 8. 145. l. Lin Aut UsivissM ist äas bosto Rubokisson. 2. Lin beluäouos Oou-issou Lurmolt äviu tuubou Lisson 8oiu Uoboiinlliss ru. Lbukosposrs. s. von Xukali Zibt äio VorsebunA, Xum Xnooko muss ibn äor Llensob Zostaiten. LokiUsr. 146. Der Siebenschläfer. Von Vogel. Der Siebenschläfer, auch Bilch genannt, ist wie seine Verwandten, die Haselmäuse, ein niedliches kleines Tier, dem Eichhörnchen ähnlich, doch nicht so beweglich wie dieses. Er bewohnt die Laubhölzer von Mittel¬ und Süd-Europa, wo er während der Nacht seiner Nährung, die neben vielen Nüssen und Sämereien auch in kleinen Säugetieren und Vögeln besteht, nächgeht und für den Winter, den er größtenteils schläfend ver¬ bringt, Vorrat einsammelt. Während des Winterschlafes ist der Sieben¬ schläfer zusammengekugelt und kält, und man kann ihn wie einen Ball in die Höhe werfen und wieder sängen, ohne daß er aüfwacht. Nur ällzu strenge Kälte oder eintretende Warme erweckt ihn von Zeit zu Zeit, wo er dann auch etwas von seinem Vorräte genießt, bald darauf aber wieder einschläft, bis der Frühling erscheint. In Krain und Italien wird er sowie auch das Murmeltier gegessen. 109 147. Vie Laede. Von Dblg,nä. ver Lnoolit dot orstoobsn äsn väeln Herrn, Der Lnookt vnr' ssldsr ein Ritter §ern — Rr kni iliu srstooüsn im äunksln Hain Ilüä äsn Leid versenkst im tisten Rdein. Lat MAslsAt äis RüstunF dlnnk, ^nt äss Herrn Ross sied AssedvunAsn krank. Rnä als er sxrevAen >vill nder äis Rrüek', Da stütrst äas Ross nnä dänmt sied rnrüek. Dnä als er äis Anlänen Sxorsn idm §ad, Da sodlenäert's idn vilä in äen Strom dinad. Uit L.rm, mit Rnss er rnäert nnä ringt, Der sedvers Ranrsr idn nieäsrnvingt. 148. Edle Rache. Von Jakobs. In der Zeit, als die Mauren* noch nicht aus Spanien ver¬ trieben waren, tödtete ein spanischer Edelmann einen Jüngling von jener Nation, mit dem er zufällig in Zweikampf geraten war. Von den Be¬ gleitern des Getödteten verfolgt, entkommt er ihnen durch die Schnellig¬ keit seiner Füße und entzieht sich ihren Blicken, indem er über die Mauer eines Gürtens steigt. Da er hier den Eigentümer antrisft, erzählt er ihm sein Unglück und bittet um seinen Schütz, worauf jener stillschweigend einen Pfirsich pflückt, ihn von einänder bricht und dem Fremden die eine Hälfte davon reicht. „Wenn du dieses issest," sagte er, „so bist du meiner Gastfreundschaft und meines Schutzes gewiß." In derselbigen Nacht, wenige Stunden nachher, erfährt dieser Mann, daß der Getödtete sein einziger Söhn ist. Seiner Verpflichtungen ein¬ gedenk, bekämpft er seinen Schmerz, begibt sich zu dem Spanier, den er zu schützen versprochen, und sägt zu ihm: „Der Jüngüng, den du ge- todtet hast, war mein Sohn, der einzige Zweig meines Stämmes und mein kostbarstes Eigentum. Wenn ich Räche nehmen wollte, so würdest du von meinen Händen sterben. Aber ich habe dir mein Wort gegeben. Ich habe dir Schütz versprochen. Flieh, ehe dich einer der Meinigen entdeckt, indem du dich des flüchtigen Rosses bedienst, das deiner am 110 Thore harrt. Flieh, ohne einen Angenblick zu verlieren, und danke dem Allmächtigen, der mir die Kraft verliehen hat, meinen Zorn zu bekämpfen und die Zusage zu erfüllen, die ich dir gegeben habe. 149. 1. vor LisZo ^öttliebstor ist üas Vor§6bou. 8obiIIsr. 2. ^Vol äoiu, clor krei von 8ebnlü uncl l?oblo Lovväbrt clio kiucllieb reine 8esle. 8obillsr. s. 8ieb niebt rLeben, aueb clann Niobt, wenn Daobo OeröebtiAÜoit rvärs, Das ist eclet; erliaben, seinen LelsiäiAer lieben; Um in cler biet nut verborgener IVoltbat laben, ist binunlisob. Lloxstook. 150. Das Leuchten des Meeres. Von W. Zimmermann. Einen schönen Anblick gewährt das Meer oft zur Nächtzeit, wenn es weithin in mildem, phosphorartigem* Scheine leuchtet. Die Ursache dieses Leuchtens ist noch nicht ganz genügend erklärt; auf jeden Fall sind es mehrere verschiedene Ursachen. Die Erscheinung ist auch verschieden; entweder leuchtet bloß der Teil des Wassers, welcher durch die Bewegung des Schiffes oder von einem Fische außer Ruhe gebracht wurde, und hier besonders die Furche, welche das Schiff im Wasser zurückläßt, oder man sieht ein Leuchten da, wo die Wellen sich treffen, oder auf spiegelglatter See ist weithin ein eigentümlicher Glänz verbreitet. Man ist nun ziemlich einig, daß der Grund verfaulte organische Körper, sowie lebende, phos¬ phoreszierende Seetiere, wie auf dem Lande das Johänniswürmchen seien. „Das Leuchten des Ozeäns," sagt Humboldt,* „gehört zu den prachtvollen Erscheinungen, die Bewunderung erregen, wenn man sie auch monatelang mit jeder Nacht wiederkehren sieht. Unter ällen Zonen phosphoresziert das Meer; wer aber nicht das Phänomen* unter den Wendekreisen, besonders in der Südsee* gesehen, hat nur eine unvoll¬ kommene Vorstellung von der Majestät dieses Schauspieles. Wenn ein Kriegsschiff bei frischem Winde die schäumende Flut durchschneidet, so kann man sich, auf einer Seitengalerie* stehend-, an dem Anblick nicht sättigen, den der nahe Wellenschlag gewährt. So oft die entblößte Seite des Schiffes sich umlegt, scheinen rötliche Flammen blitzähnlich vom Kiel aufwärts zu schießen. Die Erklärung älterer Seereisenden, daß diese 111 Flammen durch elektrische* Reibung des Salzwassers am fortgleitenden Fährzeuge entstehen, ist nun längst als unrichtig erkannt worden." Was man bis jetzt als Erklärungsgründe anzugeben vermag, faßt Humboldt in folgenden einfachen Thätsachen zusammen: „Es gibt meh¬ rere leuchtende Mollusken (Weichtiere), welche bei ihren: Leben ein schwaches phosphorartiges Acht verbreiten, ein Licht, das meistens ins bläuliche scheint. Unter den Tieren gibt es mehrere mit dieser Eigenschaft, und besonders haben auch die Seefahrer manche entdeckt, wie auch der Berg¬ mann bei der Dunkelheit unter seinen Steinen. Durch solche lebendige Lichtträger wird bisweilen das Leuchten des Meeres bewirkt; denn meh- renteils erkennt man auch solche kleine Tierchen, durch die Nähe ver¬ größert. Aber überall, wo die Wellen an Hartem anschlagend erschüttert werden und sich schäumend brechen, glimmt das blitzähnliche Licht auf. Der Grund liegt wahrscheinlich in faulenden Faserchen abgestorbener Tierchen." Solche Faserchen bleiben beim Baden an der Haut hängen, und sie leuchten auch dann noch, wie Humboldt selbst erfuhr. Bei der Ungeheuern Menge solcher Mollusken, die sich im Meere finden, ist viel¬ leicht das Meer ganz als eine gallertartige* Flüssigkeit zu betrachten, welche als solche von ekelhaftem Geschmäcke dem Menschen ungenießbar, für die Fische aber ernährend ist. 151. Dis IVolt ist ali' sin üneliti§ 8obsinon — vor Himmel nur glanzt ovviZIieli. vroiliAratk. 2. vis Vssiimunx, vol, vor im Imbsn Zumeist sein eisssner lkrounä ist? vsr ist's, clsr vis sin Uoinä vaoksr siob selber bskamxkt. UammsrlillA. s- Volksrätscl. Meiner Eltern Kind, Doch nicht mein Bruder noch Schwester, Wer ist das, mein Bester? K. Simrock. 186. Dornröschen. Vorzeiten war ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag: „Ach, wenn wir doch ein Kind hätten!" und kriegten immer keins. Da trug sich zu, als die Königin einmal im Bade saß, daß ein Frosch aus dem Wasser ans Land kroch und zu ihr sprach: „Dein Wunsch wird 140 erfüllt werden, und du wirst eine Tochter bekommen." Was der Frosch vorausgesagt hatte, das geschah, und der Königin Töchterlein war so schön, daß der König vor Frendcn sich nicht zu lassen wußte und ein großes Fest anstellte. Er ladete nicht bloß seine Verwandten, Freunde und Be¬ kannten, sondern auch die weisen Frauen dazu ein, damit sie dem Kinde hold und gewogen würden. Es waren ihrer dreizehn in seinem Reich, weil er aber nur zwölf goldene Teller hatte, von welchen sie essen sollten, konnte er eine nicht einladen. Die geladen waren, kamen, und als das Fest vorbei war, beschenkten sie das Kind mit ihren Wundergaben: die eine mit Tugend, die andere mit Schönheit, die dritte mit Reichtum, und so mit allem, was herrliches auf der Welt ist. Als elfe ihre Wünsche eben gethan hatten, trat plötzlich die dreizehnte herein. Sie wollte sich dafür rächen, daß sie nicht eingeladen war, und ohne jemand zu grüßen und anzusehen, rief sie mit lauter Stimme: „Die Königstochter soll sich in ihrem fünfzehnten Jahr an einer Spindel stechen und todt hinfallen." Nach diesen Worten kehrte sie sich um und verließ den Saal, und alle standen erschrocken; da trat die zwölfte hervor, die noch einen Wunsch übrig hatte, und weil sie den bösen Ausspruch nicht aufheben, sondern ihn nur mildern konnte, sprach sie: „Es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger, tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt." Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren wollte, ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen König¬ reiche sollten abgeschafft werden. An dem Mädchen aber wurden die Gaben der weisen Frauen sämmtlich erfüllt, denn es war so schön, sittsam, freundlich und verständig, daß es jedermann, der es ansah, lieb haben mußte. Es geschah, daß an dem Tage, wo es gerade fünfzehn Jahre alt ward, der König und die Königin nicht zu Hause waren, und das Mäd¬ chen ganz allein im Schlosse zurückblieb. Da ging es allerorten herum, besah Stuben und Kammern, wie cs Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Turm. Es stieg eine enge Treppe hinaus und gelangte zu einer kleinen Thüre. In dem Schlosse steckte ein verrosteter Schlüssel, und als es umdrehte, sprang die Thür aus, und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau und spann emsig ihren Flachs. „Ei, du altes Mütterchen," sprach die Königstochter, „was machst du da." „Ich spinne," sagte die Alte, und nickte mit dem Kopfe. „Wie das Ding so lustig herum- spriugt!" sprach das Mädchen, nahm die Spindel und wollte auch spin¬ nen. Kaum hatte sie aber die Spindel angerührt, so ging der Zauber¬ spruch in Erfüllung und sie stach sich damit. 141 In dem Augenblick aber, wo sie den Stich empfand, siel sie auch nieder in einen tiefen Schlaf. Und dieser Schlaf verbreitete sich über das ganze Schloß: der König und die Königin, die eben heimgckommen waren, fingen an einzuschlafen, und der ganze Hofstaat mit ihnen. Da schliefen auch die Pferde im Stall eiu, die Hunde im Hof, die Tauben auf dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja das Feuer, das auf dem Herde flackerte, ward still und schlief ein, und der Braten hörte auf zu brutzeln,* und der Koch, der den Küchenjungen, weil er etwas versehen hatte, an den Haaren ziehen wollte, ließ ihn los und schlief. Und der Wind legte sich, und auf dem Baum vor dem Schlosse regte sich kein Blättchen mehr. Rings um das Schloß aber begann eine Dornhecke zu wachsen, die jedes Jahr höher ward und endlich das ganze Schloß umzog und darüber hinaus wuchs, daß gar nichts mehr, selbst nicht die Fahnen auf den Dä¬ chern zu sehen waren. Es ging aber die Sage in dem Lande von dem schönen schlafenden Dornröschen, denn so wurde die Königstochter genannt, also daß von Zeit zu Zeit Königssöhne kamen und durch die Hecke in das Schloß dringen wollten. Es war ihnen aber nicht möglich, denn die Äste hielten sich, als hätten sie Hände, zusammen, und die Jünglinge blie¬ ben in den Dornen hängen und starben jämmerlich. Nach langen, langen Jahren kam wieder ein Königssohn durch das Land, dem erzählte ein alter Mann von der Dornhecke, es sollte ein Schloß dahinter stehen, in welchem eine wunderschöne Königstochter, Dornröschen genannt, schliefe, und mit ihr schliefe der ganze Hofstaat. Er wußte auch von seinem Großvater, daß viele Königssöhue schon versucht hätten, durch die Dornhecke zu drin¬ gen, aber darin hängen geblieben und eines traurigen Todes gestorben wären. Da sprach der Jüngling: „Das soll mich nicht abschrecken, ich will hindurch und das schöne Dornröschen sehen." Der Alte mochte ihm abraten, wie er wollte, er hörte gar nicht darauf. Nun waren aber gerade an dem Tage, wo der Königssohn kam, die hundert Jahre verflossen. Und als er sich der Doruhecke näherte, waren es lauter große schöne Blumen, die thaten sich von selbst ausein¬ ander, daß er unbeschädigt hindurch ging; und hinter ihm thaten sie sich wieder als eine Hecke zusammen. Er kam ins Schloß, da lagen im Hof die Pferde und scheckigen Jagdhunde und schliefen, auf dem Dache saßen die Tauben und hatten das Köpflein unter den Flügel gesteckt. Und als er ins Haus kam, schliefen die Fliegen an der Wand, der Koch in der Küche hielt noch die Hand, als wollte er den Jungen anpacken, und die Magd saß vor dem schwarzen Huhn, das sollte gerupft werden. Da ging 142 er weiter und sah im Saale den ganzen Hofstaat liegen und schlafen, und oben bei dem Throne lag der König und die Königin. Da ging er noch weiter, und alles war so still, daß er seinen Atem hören konnte, und endlich kam er zu dem Turm und öffnete die Thüre zu der kleinen Stube, in welcher Dornröschen schlief. Da lag es und war so schön, daß er die Angen nicht abwenden konnte, und er bückte sich und gab ihm einen Kuß. Wie er es mit dem Kusse berührt hatte, schlug Dornröschen die Augen auf, erwachte und blickte ihn ganz freundlich an. Da gingen sie zusammen herab, und der König erwachte und die Königin und der ganze Hofstaat und sahen einander mit großen Augen an. Und die Pferde im Hof standen auf und rüttelten sich; die Jagdhunde sprangen und wedelten; die Tauben auf dem Dache zogen ihr Köpffein unter'm Flügel hervor, sahen umher und flogen ins Feld; die Fliegen an den Wänden krochen weiter; das Feuer in der Küche erhob sich, flackerte und kochte daö Essen, der Braten brutzelte weiter, und der Koch gab dem Jungen eine Ohrfeige, daß er schrie; und die Magd rupfte das Huhn fertig. Und da wurde die Hochzeit des KiL nigssohncs mit dem Dornröschen in aller Pracht gefeiert, und sie lebten vergnügt bis an ihr Ende. 187. i. 8oblat ist ein Urouuä, äsr uugoruksu kommt Lom UlückUobsu; Unglück bat kotno Urounäo. U Uöblsr. s. Lsrnvtug' äsin Uorr, äamit es niobt, Vas os dmvogt, äen Nonsobon roigo. Lis "tVelt vili strsngo nur äio Lüiebt, Lio rrabro Liobo könnt sio niebt; Lrum vas äotn Uors bovvsgt, versclnvoigo. 6. 0. v. Lranssekv. 188. Firn und Gletscher. Von Wagner. Wenn es im Thale regnet, schneit es droben in den höheren Teilen des Gebirges, und im Winter fällt dort der Schnee zwanzig bis dreißig Fuß (6—9 m.) dick, so hoch wie ein Haus. Während des Sommers taut zwar eine gute Menge davon wieder weg, aber beiweitem nicht alles. Es bleibt dem Wintcrkönig, der dort droben residiert, immer noch eine hübsche Menge Erspartes übrig. 143 Der Schnee, welcher ans den höheren Teilen des Gebirges im Winter fällt, ist gewöhnlich sehr fein. Er bildet keine großen, weichen Flocken wie im Niederlande, sondern Schneestaub. Er besteht aus kleinen Eis¬ nadeln. Liegt dieser seine Schnee länger, so schmelzen durch den Sonnen¬ schein im Sommer viele solche kleine Eiskrystalle zu Körnern und Kügel¬ chen zusammen, die unfern Graupeln oder kleinen Schlossen ähneln. Alter Schnee vom vorigen Jahre ist körnig. Die Alpenbewohner nennen ihn Firn. Taut der Schnee in den oberen Schichten, so sickert das Wasser in die Liefern Lagen hinab. Bei Nacht gefriert es dann wieder und bäckt zu Eis zusammen. Tauen und Gefrieren wechselt im Sommer ziemlich jeden Tag. Es zeigen sich dann alle möglichen Uebergänge von feinem Neuschnee, körnigem Firn und lockerem bis zu festem Eis, das auf den Spalten schön blau schimmert. Auf diese Weise entsteht aus dem Firn¬ feld eine Eismasse, ein Gletscher. Das Gletschereis ist nicht so gleich¬ mäßig dicht und fest wie die Eisdecke unserer Flüsse und Teiche. Es ist schwammiger, von Wasser durchdrungen. Manche Firnfelder und Gletscher sind sehr groß, haben mehrere Meilen Breite und Länge. Sie füllen oft die ganzen Mulden und Räume zwischen den höheren Kuppen aus und strecken sich dann von dort aus mitunter noch tief nach den Thälern und Schluchten herab. Dabei sind sie entsprechend dick, tausend Fuß (320 m.) und darüber. Du weißt, daß die Nordsee an den meisten Stellen etwa sechshundert Fuß (192 m.) Tiefe hat. Unser Kirchturm daheim hat zweihundert Fuß (64 w.) Höhe, fünf solcher Kirchtürme denke dir übereinander gestellt oder drei der größten Pyramiden Ägyptens aufeinander gesetzt, so hast du etwa die Dicke eines der mächtigeren Gletscher. Je mehr Schnee auf die Schueefelder fällt und je mehr Firn und Eis sich bilden, desto weiter werden auch die Gletscher uach dem Thale herabgedrückt. Au ihrem untern Ende tauen sie fortwährend ab, von oben rücken sie fortwährend uach. Ein solcher Gletscher ist ähnlich wie ein Fluß, der statt des Wassers ein wässriges, schwammiges Eis enthält. Man hat genau ausgemessen, wie rasch das Gletschereis weiterrückt. Es ist dies sehr verschieden nach der Neigung des Thales, in welchem der Gletscher sich fortbewegt. In der Mitte rückt das Eis schneller vor als an den Seiten, gerade wie in einem Flusse das Wasser auch in der Mitte rascher strömt. Bei manchen Gletschern beträgt das Fortrücken nur einige Zoll während eines Tages, bei anderen mehrere Fuß. Kommt der breite Eisstrom an eine engere Stelle des Thales oder an einen Punkt, an dem 144 das Thal steiler abfällt, oder wo cö durch einen vorgeschobenen Felsen¬ riegel gesperrt ist, so drängt sich bei Hindernissen das Eis mehr zusammen, dann bewegt es sich wieder rascher, hebt und senkt sich. Dadurch zerreißt es vielfach und bildet mitunter wunderliche Figuren: Zacken, Spitzen und Eisnadeln. Aehnlich wie ein Fluß Wellen schlägt, wenn er sich durch eine Felsenge zwängt oder einen Wasserfall macht, so sehen auch die Gletscher an solchen Stellen aus, nämlich wie gefrorene Wellen und stürzende Fluten. Die Gletscherspalten reißen oft mit lautem Krachen und Knallen und die Thalbewohner sagen dann wol aus Scherz: „Die wilden Jäger und Dämonen halten Manöver und exerzieren mit Kanonen." Besonders häufig reißen solche Spalten auch bei Wetterveränderungen, weil sich dann das Eis, das Wasser und die Luft in verschiedener Weise ausdehnen. Die Klüfte und Spalten im Gletschereis sind manchmal sehr lang und mehrere hundert Fuß tief. Die Steine, welche von den Felsen links und rechts auf den Gletscher herabfallen, rücken mit fort, sowie das Eis selbst weiter rückt. Sie bilden gewöhnlich lange Streifen auf dem Eise, Moränen genannt, und am Ende des Gletschers einen förmlichen Schuttwall. Der Gletscher taut fortwährend ab, am stärksten da, wo die Wärme ans ihn am meisten wirkt. Das Wasser sammelt sich an seiner Ober¬ fläche zu kleinen Bächen; diese fressen Rinnsale ins Eis und stürzen dann in die Eisklüfte. Manchmal fallen sie auch in ein Loch des Gletschers und bilden eine sogenannte Gletschermühle. Auf manchen sehr zerrissenen Gletschern sind auch Wasserfälle im Eis. Auf dem Grunde des Gletschers sammelt sich das Wasser gewöhnlich zu einem starken Bache, der am Ende wol durch ein weites Eisthor herausströmt. Es ist jedoch nicht bei jedem Gletscher ein solches Eisthor, bei manchen andern strömt das Wasser durch zahlreiche Klüfte und Spalten hervor. Die sehr dicke Eismasse drückt und schabt beim Fortrücken auf dem Grunde und an den Seiten den Felsboden des Thales. Sie poliert und rundet die Steine ab. Selbst die härtesten Felswände werden wie von einer riesigen Feile geritzt und zerkritzelt. Den Staub, der dadurch ab¬ gelöst wird, nimmt das Wasser mit fort. Die Gletscherbäche sehen des¬ halb gewöhnlich ganz trübe aus, wie schmutziges Seifenwasser oder wie Milch. Das Eis der Oberfläche ist gewöhnlich rauh; nur an manchen Stellen sind blanke, glatte Bänder und Flecken. Von den Bergen weht der Staub auf den Gletscher und schmilzt in das Eis ein, da ihn die 145 Sonne erwärmt. Da, wo ein Häufchen Staub zusanrmengeweht ist, oder ein flacher, dünner Stein liegt, wärmt die Sonne am stärksten; dort entsteht ein Loch, das sich mit Wasser füllt und manchmal ziemlich tief wird. Wanderer machen sich das Vergnügen, den Bergstock in ein solches Wasserloch hinein zu schleudern. Er springt dann wie ein Taucher wieder heraus. Wenn ein Gletscher an einem steilen Abhange endigt, so schiebt sich sein Ende über den Abgrund hinaus und bricht stückweise ab. Eisblöcke, so groß wie ein Haus, stürzen hinunter und zersplittern. Ein solches Thal kann natürlich von niemand bewohnt werden. Die großen Gletscher der Alpen sind die Vorratskammern, aus denen alle größeren Flüsse des Landes selbst in den trockensten Sommern ihr Wasser erhalten; ja sie schwellen gerade zur heißesten Zeit am meisten an. Die Gletscher und Firnfelder sind die Sparkästchen, ans denen das ganze Tiefland zur Zeit der Trockniß Wasser erhält; sie sind die Eis¬ meere in der Höhe, von denen die Ströme gleich Adern herab nach den Ebenen ziehen. Das Weltmeer sendet nachher das empfangene Wasser wieder als Wolken zurück, und diese schütteln neuen Schnee auf die Ferner. Es ist hier ein ewiger Kreislauf, der für das ganze Land Segen bringt. Hier und da richten die Gletscher wol einmal Unheil an, für das große, weite Land sind sie aber eine Wolthat. Die Gefahr beim Übergang über einen Gletscher liegt vorzugsweise in den verschneiten Klüften und Spalten. Offene Spalten können über¬ sprungen oder umgangen werden, in überschnelle dagegen bricht der Wanderer ein. Man unternimmt einen Marsch über einen nicht genau bekannten Gletscher deshalb nie allein, sondern in Gesellschaft. Sämmtliche Per¬ sonen knüpfen sich in gleichmäßigen Abständen an einem langen Seile fest. Der Vorderste prüft mit dem Stocke den Boden, ob er sicher ist; bricht ja ein Glied der Gesellschaft in eine Spalte, so wird es durch die übrigen gehalten. Der Hochjochgletscher* hat verhältnißmäßig nur wenig Klüfte, und es sind bei den zahlreichen Übergängen, die jährlich stattfinden, des¬ halb auch nur wenig Unglücksfälle vorgekommen. Man erzählt, daß am Anfang dieses Jahrhunderts eine Frau ver¬ unglückt sei, welche junge Schweine aus dem Schnalserthale nach Rosen* treiben wollte; ebenso ein Schlosser, welcher mit Schlössern von Schnals * nach Fend* aus dem Wege war. Die Gebeine des Mannes und die io 146 Schlösser erschienen nach vierzig Jahren an einer tieferen Stelle des Glet¬ schers wieder auf dessen Oberfläche. Im Jahre 1829 erfroren auf dem Gletscher zwei Hirtenburschen. Sie hatten Vieh aus dem Schnalserthale nach dem Rosenberge* gebracht und mußten sofort wieder zurück, ohne daß sie sich vorher hätten erholen können; sie waren jedesfalls vor Er¬ mattung liegen geblieben. In diesem Falle trug also nicht der Gletscher, sondern die Herzlosigkeit der Menschen die Schuld. 189. i. Umu Ler^ ist ein L.Itar; ru soäor 2sit 8oi ss äör böili§ön Natur Kövsibt. 0 Klaub' es löst, äiö KütiKö Natur UsZt tu äas Nöiir äss Uütsn Lsiwö nur. llul. Hamiusr. 2. Rätsel. Oft dankt der Schiffer dem Geschick, Zeigt sich das Erste seinem Blick; Am Zweiten hält des Kriegers Hand Den Speer, dem Feinde zugewandt; Das Ganze, lieblich bald, bald wild, Besitzen viele nur im Bild. G. Psarrius. 190. Die Heinzelmännchen. Von Kopisch. Wie war zu Köln* es doch vordem Mit Heinzelmännchen so bequem! Denn war man faul, man legte sich Hin auf die Bank und pflegte sich. Da kamen bei Nacht, Ehe man's gedacht, Die Mtmnlein und schwärmten Und klappten und lärmten Und rupften Und zupften Und hüpften und trabten Und putzten und schabten. Und eh ein Faulpelz noch erwacht, War all sein Tagwerk bereits gemacht! Die Zimmerleute streckten sich Hin auf die Spän und reckten sich: Indessen kam die Geisterschar Und sah, was da zu zimmern war; Nahm Meißel und Beil Und die Säg in Eil, Sie sägten und stachen Und hieben und brachen, Berappten* Und kappten* Visierten* wie Falken Und setzten die Balken. Eh sich's der Zimmermann versah, Klapp!* stand das ganze Haus sch"" fertig da! 147 Beim Bäckermeister war nicht Not, Die Heinzelmännchen backten* Brod. Die faulen Burschen legten sich, Die Heinzelmännchen regten sich — Und ächzten daher Mit den Säcken schwer; Und kneteten tüchtig Und wogen es richtig Und hoben Und schoben Und fegten und backten Und klopften und hackten. Die Burschen schnarchten noch im Chor, Da rückte schon das Brod, das neue, vor. Beim Fleischer ging es just so zu: Gesell und Bursche lag in Ruh, Indessen kamen die Männlein her Und hackten das Schwein die kreuz und quer. Das ging so geschwind, Wie die Mühl im Wind! Die klappten mit Beilen, Die schnitzten an Spellen,* Die spülten, Die wühlten Und mengten nnd mischten Und stopften und wischten. That der Gesell die Augen ans, Wapp!* hing die Wurst da schon zum Ausverkauf! Beim Schenken war es so: Es trank Der Küfer,* bis er niedersank, Am hohlen Fasse schlief er ein, Die Männlein sorgten um den Wein Und schwefelten fein Alle Fässer ein. Und rollten und hoben Mit Winden und Kloben* Und schwenkten Und senkten Und gossen und Panschten Und mengten und manschten* Und eh der Küfer noch erwacht, War schon der Wein geschönt* und fein gemacht. Einst hat ein Schneider große Pein: Der Staatsrock sollte fertig sein; Warf hin das Zeug und legte sich Hin auf das Ohr und Pflegte sich. Da schlüpften sie frisch In den Schneidertisch Und schnitten und rückten Und nähten und stickten Und faßten Und paßten Und strichen und guckten Und zupften und ruckten, Und eh mein Schneiderlein erwacht, War Bürgermeisters Rock bereits ge¬ macht. Neugierig war des Schneiders Weib, Und macht sich diesen Zeitvertreib: Streut Erbsen hin die ganze Nacht. Die Heinzelmännchen kommen sacht; Eins führet nun aus, Schlägt hiu im Haus, Die gleiten von Stufen Und plumpen in Kufen, Die fallen Mit Schallen, Die lärmen und schreien Und vermaledeien. Sie springt hinunter auf den Schall Mit Licht: husch, husch, husch, husch! verschwinden all! O weh, nun sind sie alle fort, Und keines ist mehr hier am Ort! Man kann nicht mehr wiesonsten ruh'n, Man muß nun alles selber thun! Ein jeder muß fein Selbst fleißig sein Und kratzen und schaben Und rennen und traben Und schniegeln* Und bügeln Und klopfen und hacken Und kochen und backen. Ach, daß es noch wie damals wär! Doch kommt die schöne Zeit nicht wie¬ der her. 10* 148 191. dlur VMU än rasob «is orveisost, so sinä äoino vionsto ^okälli§; IVonn äu rösserst äawit, koron sio ank 68 ru sein. ^U8 ciom Oriooliisckou äes I,ukiLiios. 2. IVonn einer bilkosxonäonä mH In IVabrkoit ivoltkun oinom ^.rmsn, 8o 8ob>voi§' or von cken Oxkorn still, Dio ibn Aölrostot sein lürbarmon. ^ul. Hn in in so. 193. Nutzen und Schaden der Maikäfer. Von H. Re bau. Der Nutzen des Maikäfers ist für den Menschen äußerst gering. Die Engerlinge lösen zwar das Erdreich auf, verüben aber dabei weit mehr Schaden, als sie gut machen. Aus dem Magensafte des Käfers bereitet man eine braune Malerfarbe, und der Körper selbst wird, nachdem die Flügeldecken entfernt sind, zum Essen in Zucker und Honig eingemacht. In großer Menge eingefangen, lassen sie sich als Futter für Federvieh und Schweine brauchen. Außerdem kann man ein Öl von ihnen gewin¬ nen, welches, wenn es gestanden ist, als Wagenschmier, vielleicht auch zum Brennen gebraucht werden kann. Man thut in dieser Absicht die einge¬ ölten Käfer in ungefähr acht Maß haltende Krüge und stopft diese, wenn sie voll sind, mit Stöpseln zu. Dann wählt man sich an einem abhän¬ gigen Hügel den bequemsten Platz, höhlt darin für die Krüge Löcher aus, setzt dieselben umgekehrt hinein und richtet sie so zur Hand, daß ein an¬ deres Geschirr von gleicher Mündung, welches leer und rein sein muß, darunter geschoben werden kann. Hierauf wird über den mit Maikäfern gefüllten, umgestürzten Krügen von Spänen oder Reisig ein Feuer ange¬ macht, welches die Wirkung hervorbringt, daß von den Käfern durch den strohenen Stöpsel eine Menge Fette oder Öl in die untergeschobenen leeren Töpfe hinaustropft. Weit mehr geben die noch fetteren Engerlinge aus. Letztere sind auch ein vortreffliches Futter für Hühner, Enten, Truthühner, Schweine u. s. w. Doch muß man es diesen Tieren nach dem Genüsse einer solchen Nahrung, wie die Maikäfer und Engerlinge sind, nicht an hinreichendem Wasser fehlen lassen. Der Maikäfer schadet den Pflanzen sowol über als unter der Erde gleich bedeutend. Der kleine Engerling, der eben die Eischale verlassen, richtet im Laufe des Jahres noch aus Feldern, Wiesen und in Gärten 149 einen merklichen Schaden an, der sich niit dem Wachstums des Tieres jährlich vermehrt und ausdehnt, so daß nicht nur die Wurzeln der Gräser und Kräuter, sondern selbst die jungen Obst- und Waldbäume, die Nadel¬ hölzer nicht ausgeschlossen, von ihm zerstört werden. Noch verheerender zeigt sich das ausgewachsene Insekt, das sich in manchem Jahre scharen¬ weise auf unsere Obstbäume, Eichen u. a. m. wirft und nichts grünes übrig läßt. Die Stämnie fangen dann an zu kränkeln und erholen sich nur langsam wieder, ja sterben oft auch gänzlich ab. 193. Der 8onntaK. Von vokkinnnn voll vallorslsbsn. vor 8onntag ist gskoininsn, vin 8trüussobsn unk äem Hut, 8oin ^.ug' ist milä unä boitsr, vr moiut's mit allsn gut. vr steigst auk äis Borgs, Br vanäelt äurob äas 'Ibul, Br laäst rum Vsbots vio Llsnsobsn ullrumul. vnä vis in ssbönsn Lloiäsrn Hun prangst jung unä alt, Hat er kür sis gssobmüokst vis Blur unä uüob äon ^Vulä. vnä vis sr allon Brouäo vnä Brisäsn bringt unä Bub', 80 ruk auob äu nun jsäsm: „Vott grüss äiob!" krsuäig ru. 194. ,,6ott grüsss äiob!" IVsnn äiessr Vruss 8o rsebt von Herren gebt, Vilt bsi äsm liobsn 6ott äer Vruss 8ovisl vis sin Vobst. gut. 8turw. 195. Der Seidenwurm. Von Kühner. Die Seidenraupe stammt bekanntlich aus China, von wo sie Mönche nach Griechenland brachten, worauf ihre Zucht König Roger II. von Sizilien etwa 1130 in Unteritalien einführte. Vorzeiten gehörte ein 150 seidenes Kleid zu den größten Kostbarkeiten. Der römische Kaiser Helio- gabalus (200 n. Chr.) war der erste, welcher ein seidenes Kleid trug; Aurelian dagegen, einer seiner Nachfolger, schlug seiner Gemalin die Bitte ab, ihr ein solches zu kaufen, weil der Stoff zu teuer sei; und es lieh sich ein schottischer König ein Paar seidene Strümpfe, als er den eng¬ lischen Gesandten empfangen wollte, weil er aus eigenen Mitteln sich keine anschaffen konnte! Der Seidenwurm oder Seidenspinner gehört zur Familie der Nacht¬ schmetterlinge, mißt mit ausgebrciteteu Flügeln in die Breite l?/^ Zoll (3 em.), hat schmutzig-weiße Flügel mit zwei bis drei dunklen Quer¬ streifen und dazu auf den Vorderflügeln einen undeutlich gezeichneten bräun¬ lichen Halbmond. Das Weibchen legt zwei- bis dreihundert bläuliche Eier, deren auskriechende gefräßige Raupen schnell wachsen, sich viermal häuten und dann einspinnen. Wo man sie in Stuben hält, wie dies in Italien und nördlicheren Gegenden der Fall ist, muß man sie füttern. Fühlt die glatte, weißlich glänzende Raupe, welche verschiedene dunkle Flecken und noch ein Horn auf dem letzten Ringe hat, daß die Zeit ihres sechs bis sieben Wochen langen Lebens vorbei ist, so wird sie unruhig und läuft hin und her, bis sie einen paffenden Ort zum Einspinnen gefunden hat. Sie klebt nun zwei Tropfen des klebrigen Saftes, der ihr aus zwei Öffnungen neben dem Maule hervorquillt, an dem Gegenstände an, wo sie sich einspinnen soll, bewegt den Kopf hin und her und haspelt dabei einen dünnen, klebrigen Faden hervor, den sie mit den Vorderfüßen um sich wickelt. Den ersten Tag macht sie nur ein unregelmäßiges Gewebe, eine Art Unterfutter, über welches sie ein Zickzack mit straffen Fäden spinnt, bis nach sieben bis acht Tagen ein ovaler Schlauch (Cocon) von der Größe eines Taubeneies fertig ist, der sie unsichtbar macht, und aus dem sie nach zwei bis drei Wochen als Schmetterling hervorbricht. Um den Raupen zum Einspinnen Gelegenheit zu geben, stellt man Bündel aus Besenreisig hin, zwischen denen sie ihre Cocons anlegen. Da die Raupe gegen Kälte und Feuchtigkeit sehr empfindlich ist, so inuß der Seidenzüchter für eine angemessene trockene Wärme sorgen. Hat sich die Raupe eingesponnen, so muß man verhüten, daß der Schmetterling auskriecht, weil dieser das Seidengespinst zerstört, dessen Faden über tausend Fuß (320 w.) Länge hat. Man tödtet die Puppe daher, da man nur die feinsten Cocons zur Fortpflanzung aufbewahrt, indem man sie entweder in einem Backofen röstet, oder indem man den Cocon Schwcfeldämpfen oder Kampher * aussetzt, oder ein mit Terpentinöl * 151 getränktes Papier zwischen die Cocons legt. Diese sehen fleischfarben oder orange oder gelb aus und müssen zu Stränen abgehaspelt* werden, wenn man sie nicht in die Fabriken roh verkaufen will. Man wirft die Cocons, nachdem sie vorher sortiert sind, in einen Kessel mit heißem Wasser, da¬ mit sich die harzigen Teile des Gespinstes lösen. Das nun folgende Ab¬ haspeln der Seidenfäden ist eine schwierige Arbeit, welche große Sorgfalt erfordert und in vielen Städten in besonderen Fabriken betrieben wird. 196. IVoltbätiZchoit sobmüolck sieb mit §rausm Lloiäo, Usir stoUisrt in Lammt unä Lsiclk. v. Livsrs. 197. Der Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 nach Christo. Von M. Haupt. Der große ungewöhnliche Ausbruch des Vesuv am 24. August im Jahre 79 nach Christi Geburt ist ein so merkwürdiges Ereigniß, daß ich es euch etwas ausführlicher darstellen will. An dem eben erwähnten Tage erhob sich plötzlich, nachdem der Vesuv seit Menschengedenken nicht mehr Lava* ausgeworfen hatte, eine ungeheuere Rauchwolke aus dem Berge; bald schossen feurige Stralen daraus hervor, glühende Steine flogen umher, und glühende Asche fiel dicht und immer dichter mehrere Stunden weit nieder. Die Sonne verlor ihren Schein, bis endlich Dun¬ kelheit, ja Finsterniß über der ganzen Gegend lag. Die Erde erbebte, und unter den Tritten der Fliehenden schwankte der Boden, so daß sie niederstürzten; unterirdischer Donner rollte dumpf, und in jedem Augen¬ blick fürchteten die Bewohner den Einsturz ihrer Städte. Alles floh. Um sich gegen die unerträgliche Hitze der glühenden Asche zu sichern, band man Kissen auf den Kopf. Das Rufen, das Geschrei und Gejammer der Armen, die auf dem Felde in der Finsterniß herumtappend sich nir¬ gends zurecht zu finden wußten und die Ihrigen vergebens suchten, war herzzerreißend. Endlich, als der lange und schwere Ascheregen nachließ und am andern Tage die Sonne, wiewol mit bleichem Scheine, wieder hervortrat, bot die ganze Gegend den traurigsten Anblick dar. Alles war mit Asche bedeckt. Bon den zwei Städten Herkulanum und Pompeji fand man keine Spur. Niemand wußte, wohin sie gekommen; man glaubte, die Erde habe sie verschlungen. Ein schauerliches Schweigen ruhte über ihrem Grabe. 152 Da geschah es, daß vor etwa anderthalb Jahrhunderten ein Bauer in jener Gegend einen Brunnen graben wollte; und sieh, er grub drei schöne weibliche Statuen heraus. Später forschte man weiter, und wel¬ ches Wunder — man grub ein Theater, ja eine ganze Straße mit ihren Häusern aus; kurz, man überzeugte sich, daß man in dem einstigen, durch glühende Asche und Lava verschütteten Herkulanum sich befinde. Später grub man auch nach dem alten Pompeji, und auch dieses wurde gefunden ; und wol der vierte Teil desselben ist jetzt ans Licht gebracht. Das ist nun höchst merkwürdig. In einer unterirdischen Stadt kann man herum¬ gehen. Alles liegt noch so da, wie cs vor beinahe 1800 Jahren gewe¬ sen; und eine recht anschauliche Vorstellung von dem Leben der alten Römer läßt sich hier gewinnen. Da sieht man noch Stühle und Tische, Lampen, Flaschen, Messer, Schüsseln, Ringe u. dgl. umherliegen. Die höchst geschmackvolle Malerei an den Zimmerwänden ist noch frisch, als wenn der Maler eben erst davon gegangen wäre. Im Theater und auf einer Villa fand man einen außerordentlichen Schatz von kostbaren Sta¬ tuen von Marmor und Bronze.* In einem Zimmer fand man eine Bibliothek von 1700 Papierrollen (gedruckte Bücher hatte man bekanntlich damals noch nicht); es waren aber alle verkohlt, lieber den Hausthü- ren stehen noch hie und da Inschriften, und in den Buden der Ölver¬ käufer die Ladentische. Die Straßen sind eng, die Häuser niedrig. Ihr Aeußeres ist sehr einfach, das Innere desto prachtvoller. Die Fußböden sind mehr oder weniger mit künstlicher Mosaik * ausgelegt, die Wände mit prachtvollen Gemälden verziert, Tische und Schränke mit den schön¬ sten Hausgeräten. Vor den Häusern stehen noch die Bänke, auf denen sich die Nachbarsleute zu versammeln pflegten. Ein weibliches Skelett saß an einem alten Tische und hatte einen Knäul vor sich liegen, ein anderes wurde mit einem Schlüsselbunde in der Hand, ein drittes auf einer Hühnerleiter stehen gefunden, und in den Buden lagen noch allerlei Eßwaren, Nüsse, Weinbeeren, Oliven, eine große Pastete, aber natürlich alles verkohlt von der Hitze der Lava. 198. l. Mo jännnorUoli ist äiosos Uonsokonlebsn! 8oin Olüek ist nioüts als nur ein Koüattonriss, 8oin Unglück abor gloicbt äsw nasson Lcüvammo, Dor sednoll