259 Andreja Retelj: REPRÄSENTATIONEN DES LEHRERBERUFES IN DEN BIOGRAFIEN ... Andreja Retelj UDK 811.112.2'243-057.875:37.011.3-051 Philosophische Fakultät DOI: 10.4312/vestnik.14.259-274 Universität Ljubljana Izvirni znanstveni članek Slowenien andreja.retelj@ff.uni-lj.si REPRÄSENTATIONEN DES LEHRERBERUFES IN DEN BIOGRAFIEN ANGEHENDER DAF-LEHRKRÄFTE AM ANFANG DES LEHRAMTSSTUDIUMS 1 EINFÜHRUNG Subjektive Theorien spielen bei der Professionalisierung angehender Lehrkräfte eine wichtige Rolle, denn sie haben einen großen Einfluss auf die Unterrichtsplanung, -durch- führung und -evaluation (Baumert/Kunter 2006, Wagner 2016). Lehramtsstudierende verfügen bereits am Anfang des Studiums über eigene Vorstellungen bzw. Überzeu- gungen, die sie im Laufe ihrer eigenen Schulzeit erwerben (Blömeke et al. 2003). Diese biografisch geprägten persönlichen Erfahrungen bzw. subjektiven Theorien der Studie- renden sind handlungsleitend und haben Einfluss auf ihre pädagogisch-didaktischen Ent- scheidungen während des Studiums und der Praxisphasen (Hirsch 2017, Faix 2020). Ihre festen und verankerten Überzeugungen stellen eine große Herausforderung für die Lehrerausbildung dar, denn sie können weder ignoriert werden, indem die Studieren- den als tabula rasa behandelt werden, noch kann ihre Modifikation dem Zufall überlassen werden. Im vorliegenden Beitrag wird anhand von Biografien der angehenden Lehrkräfte gezeigt, welche Vorstellungen sie selbst von der Rolle der Lehrenden, der Lernenden und der Rolle des Lehr-/Lernprozesses verfügen. Anfangs wird erläutert, was unter sub- jektiven Theorien zu verstehen ist und wie sie während der Lehrerausbildung immer wieder zum Vorschein kommen; danach wird ein kurzer Überblick über Biografien als Forschungsinstrument gegeben und erklärt, wie subjektive Theorien mithilfe von Lehrer- biografien erfasst werden können. Schließlich werden die Ergebnisse der Analyse der (Lehrer)biografien von DaF-Studierenden vorgestellt und diskutiert. Anhand der Ergeb- nisse werden einige Vorschläge für die Modifikation der subjektiven Theorien während des Masterstudiums angeboten. Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 259 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 259 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 260 VESTNIK ZA TUJE JEZIKE/JOURNAL FOR FOREIGN LANGUAGES 2 KURZER ÜBERBLICK ÜBER DEN FORSCHUNGSSTAND DER SUBJEKTIVEN THEORIEN Der Begriff subjektive Theorien wird in der einschlägigen deutschsprachigen Literatur oft mit weiteren Synonymen wie Überzeugungen, implizite Theorien, Beliefs, Alltagstheo- rien benannt. In der englischsprachigen Literatur dagegen werden u. a. individual beliefs, pedagogical beliefs, attitudes, values, teachers‘ conceptions verwendet. Diese Begriffsvielfalt deutet darauf hin, dass es kein einheitliches Konzept zur Fest- legung der Lehrerüberzeugungen gibt und diese im wissenschaftlichen Diskurs oft als „messy construct“ (Pajares 1992: 307) wahrgenommen werden. Hirsch (2017: 2) zitiert in ihrem Artikel mehrere Autoren und erfasst den Begriff subjektive Theorien als: • komplexe Aggregate von Kognitionen der Selbst- und Weltsicht, die eine (zumin- dest implizite) Argumentationsstruktur aufweisen und analog zu objektiven Theo- rien die Funktionen der Erklärung, Prognose und Technologie erfüllen (Groeben 1988), • handlungsleitend und handlungssteuernd (Dann, 1989), • individuell, äußerst stabil und veränderungsresistent (Wahl, 2013). Eine detaillierte Übersicht über slowenische Autoren, die sich mit subjektiven Theo- rien befassen, ist bei Jug (2009) zu finden. Wagner (2016: 10) konstatiert anhand von Studien aus dem Bereich Psychologie, dass subjektive Theorien „komplexe kognitive Aggregatszustände beschreiben, die von einer Person selbst stammen und somit (zumindest zunächst) subjektiv sind“. Subjektive Theorien sind daher persönliche Wahrheiten eines Einzelnen, aufgrund deren man im Alltag handelt. Sie sind lang und tief im semantischen Netz verankert, sind häufig impli- zit und bleiben oft unbewusst (vgl. Pajares 1992). Meyer benennt subjektive Theorien Unterrichtsbilder und glaubt, dass sie „Bestand- teil des Alltagswissens von Lehrern“ (2007: 29) sowie „die entscheidenden Steuerungs- instanzen des methodischen Handelns“ (2007: 30) sind. Seine Definition lautet: „Unter- richtsbilder sind sinnlich-ganzheitliche, parteilich-wertende und untheoretisch-pragmati- sche Vorstellungen über den in der Vergangenheit erfahrenen, aktuell erlebten und für die nahe oder ferne Zukunft prognostizierten Unterricht“ (2007: 28). Grotjahn (2005: 42) definiert subjektive Theorien mithilfe von folgenden sieben Merkmalen: • Bei subjektiven Theorien handelt es sich um relativ stabile kognitive Strukturen. • Subjektive Theorien setzen sich aus explizit-bewussten und implizit-unbewussten Kognitionen zusammen. Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 260 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 260 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 261 Andreja Retelj: REPRÄSENTATIONEN DES LEHRERBERUFES IN DEN BIOGRAFIEN ... • Subjektive Theorien weisen eine – zumindest implizite – Argumentationsstruktur auf, die über Kausalzusammenhänge verknüpft ist. • Analog zu wissenschaftlichen Theorien erfüllen subjektive Theorien die Funktionen: o Realitätskonstituierung in Form von Situationsdefinitionen, o Erklärung, Rechtfertigung und Vorhersage von Sachverhalten sowie o Konstruktion von Handlungsentwürfen zur Herbeiführung von Sachverhalten. • Subjektive Theorien beeinflussen im Zusammenspiel mit anderen Faktoren beob- achtbares Handeln und haben damit verhaltens- bzw. handlungsleitende Funktion. • Subjektive Theorien sind aktualisierbar und rekonstruierbar. • Es besteht eine Notwendigkeit der Prüfung der Akzeptabilität von subjektiven Theo- rien als objektive Erkenntnis. Fives und Buehl (2012) identifizieren drei verschiedene Funktionen von Überzeu- gungen bezüglich der Lehrerhandlung, und zwar (1) Überzeugungen als Filter für die Wahrnehmung und Interpretation eines Geschehens oder Inhaltes, als (2) Rahmen für die Bewertung und (3) als Steuerung der Handlung. Wahl (2013: 20) teilt subjektive Theorien bezüglich des Grades ihrer Wirkung auf das Handeln in subjektive Theorien geringer, mittlerer und großer Reichweite ein, wobei subjektive Theorien von geringer Reichweite handlungsleitende Funktion haben und ver- änderungsresistenter sind als subjektive Theorien mittlerer oder großer Reichweite. Pajares (1992: 316) behauptet, dass alle Lehrenden gewisse Überzeugungen über ihre Arbeit, Profession, ihre Lernenden, ihr Fach etc. vertreten und folglich als Indika- toren für deren Entscheidungen betrachtet werden können. Ähnlich auch Helmke (2009: 117), der darauf hinweist, dass menschliches Handeln grundsätzlich auf der Basis indi- vidueller Überzeugungssysteme beruht, die der Erklärung und Vorhersage menschlichen Verhaltens dienen. Es ist nicht ganz klar, welche Auswirkungen persönliche Überzeugungen von Lehr- kräften auf das professionelle Handeln haben, dennoch „/…/ ist /(es)/ anzunehmen, dass die Ausprägungen der Berufsmoral sowohl für den Umgang mit Heterogenität als auch für die Unterstützungsqualität von Lernumgebungen /…/ bedeutsam sind.“ (Baumert und Kunter 2006: 498). Mayer (2020: 645) stellt anhand von Interviews mit DaF-Lehrkräf- ten fest, dass sie ihre eigenen Theorien an die spezifischen Unterrichtsbedingungen vor Ort anpassen und das umsetzen, was ihnen machbar erscheint. Durch das Wissen, das Handeln und die Einstellungen von Lehrkräften lassen sich laut Hattie (2009) 30 % der Leistungsunterschiede bei den Schülern und Schülerinnen erklären. Obwohl es kein einheitliches Konzept von subjektiven Theorien gibt und dazu noch viele Fragen unbeantwortet bleiben, lässt sich feststellen, dass es wichtig ist, diese im Rahmen des Studiums und der Weiter- und Fortbildungen zu hinterfragen und mithilfe des erworbenen Wissens eigene subjektive Theorien, die auf falschen Voraussetzungen basieren, zu modifizieren. Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 261 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 261 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 262 VESTNIK ZA TUJE JEZIKE/JOURNAL FOR FOREIGN LANGUAGES 3 ZUR BIOGRAFIEFORSCHUNG IM RAHMEN DES FREMDSPRACHENLEHR-/LERNPROZESSES Biografien als Informationsquellen wurden in der Fremdsprachenforschung bisher eher selten eingesetzt. Der in den Sozialwissenschaften wohl gut bekannte Forschungsan- satz gewinnt aber immer mehr an Bedeutung, denn seit den 1980-er Jahren werden in- dividuelle Erfahrungen der Lernenden im Fremdsprachenlehr-/lernprozess immer mehr berücksichtigt. Einer von den ersten solchen Versuchen ist das Europäische Sprachenportfo- lio (Europarat 2006), mit dem junge Lernende in den drei Bestandteilen des Portfolios, d.h. der Sprachbiografie, dem Dossier und dem Sprachenpass, ihre Spracherfahrungen beschreiben, ihre Gefühle gegenüber Sprachen äußern sowie ihre Sprachkompetenzen bewerten. Eine zunehmende Tendenz des biografischen Ansatzes zeigt sich in der Sprachbio- grafieforschung, wobei Sprachbiografien, wie Fix (2017) in ihrem gleichnamigen Artikel konstatiert, als Zeugnisse von Sprachgebrauch und Sprachgebrauchsgeschichte dienen. In den Sprachbiografien werden Spracherfahrungen des Einzelnen dokumentiert und kontextualisiert, was dazu beitragen kann, dass man sein Sprachverhalten in der multi- lingualen Gesellschaft besser versteht und beurteilt. Da sprachliche Vorerfahrungen das Erlernen weiterer Sprachen stark beeinflussen, sollen daher auch biografische Daten über die erste Sprache, über den Sprachgebrauch im Familienkreis und in der unmittelbaren Gesellschaft sowie Sprachen der Schulung, Kontakte mit Fremdsprachen, individu- elle Einstellungen gegenüber Sprachen oder auch ein Sprachverlust in Betracht gezogen werden. In der Spracherwerbsforschung und in der Mehrsprachigkeitsforschung werden am häufigsten Sprachbiografien eingesetzt (vgl. Franceschini 2002). Am bekanntesten sind visuelle Sprachbiografien, sog. Sprachenportraits – Körpersilhouetten, die in die Spra- chen farblich eingetragen werden (vgl. Gogolin/Neuman 1991, Krumm /Jenkins 2001) wie auch Lerntagebücher, biografische Aufzeichnungen, narrative Interviews und andere biografische Narrationen. Franceschini (2002) entwickelte ein Zentrum-Peripherie-Modell und behauptet, Sprachbiografien seien dynamisch und veränderten sich mit der Zeit und mit einem Ort- wechsel. Sie seien momentane Aufnahmen, anhand derer die Bedeutung bzw. Hierar- chien zwischen den Sprachen und unterschiedlichen Varietäten nachvollziehbar seien. Darin ließen sich auch die Auswirkungen von Sprachideologien und sprachpolitischen Entscheidungen sowie verschiedene individuell geprägte Veränderungen verfolgen. Zahlreiche in den letzten Jahren entstandene Studien belegen das zunehmende For- schungsinteresse an Mehrsprachigkeit und dem Einsatz von Sprachbiografien. Hirsch (2017) z. B. erforschte mithilfe von Illustrationen die Veränderung der subjektiven Theorien von Studierenden am Anfang des Lehramtsstudiums. Ritter und Hochholzer Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 262 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 262 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 263 Andreja Retelj: REPRÄSENTATIONEN DES LEHRERBERUFES IN DEN BIOGRAFIEN ... (2019) erkundeten mit Sprachbiografien mehrsprachige Schüler und Schülerinnen, die nach Deutschland zugewandert waren, Thoma (2018) nahm in ihrer Monografie Germa- nistikstudierende unter die Lupe, Lipavic Oštir und Muzikářová (2021) verglichen die Einstellung zu Sprachen bei slowakischen und slowenischen Gymnasiasten und Gym- nasiastinnen. Roth-Vormann und Klenner bedienten sich der schriftlichen Biografien im Rahmen der Seminare und Praxisphasen für Studierende und behaupten, dass Biografien als „Schlüssel für das Verstehen der eigenen professionellen Identität, eigener Wahr- nehmungs-, Deutungs- und Handlungsmuster, Überzeugungen und Erwartungen in der aktuellen berufsbiografischen Situation“ verstanden werden könnten (2019: 54). 4 UNTERSUCHUNG 4.1 Forschungsfragen Die Untersuchung soll folgende Forschungsfragen beantworten: 1. Welche Überzeugungen vertreten angehende DaF-Lehrende über Lehrende? 2. Welche Überzeugungen vertreten angehende DaF-Lehrende über den Lehr-/ Lernprozess? 4.2 Forschungsmethode und Forschungsinstrument Die Arbeit bedient sich einer deskriptiv-kausalen, nicht-experimentellen Forschungsme- thode, und zwar des biografischen Forschungsansatzes. Das methodische Vorgehen folg- te der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010). Ausgewählt wurde das deduktive Verfahren, mit dem Ziel im Voraus festgelegte Elemente aus dem Material zu extrahieren (vgl. Mayring 2010: 65) und den Kategorien Lehrende, Lernende, Lehr-/Lernprozess zu- zuordnen. Die Biografien wurden mehrmals detailliert gelesen und alle relevanten Text- stellen den passenden Kategorien zugeordnet bzw. kodiert. Zusätzlich wurden Kodierun- gen quantitativ bearbeitet und ihre Häufigkeit in den Texten berechnet. Das Korpus basiert auf 86 Biografien angehender DaF-Lehrenden, die von 2017 bis 2022 an der Abteilung für Germanistik im ersten Semester Masterstudium in das Pflicht- fach Didaktik Deutsch eingeschrieben waren. Der Aufsatz mit dem Titel „Meine Lehrerphilosophie“ gehört zur Pflichtaufgabe der DaF-Studierenden und muss am Semesteranfang in der zweiten Oktoberwoche abgegeben werden. Die Studierenden bekommen die kurze Anweisung einen Text zu schreiben, in dem sie ihre eigenen Vorstellungen und Erfahrungen zu den Begriffen gute Lehrende, gute Ler - nende, effektiver DaF-Unterricht, effektives DaF-Lehren, effektives DaF-Lernen beschreiben. Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 263 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 263 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 264 VESTNIK ZA TUJE JEZIKE/JOURNAL FOR FOREIGN LANGUAGES Die durchschnittliche Länge der analysierten Biografien beträgt 294 Wörter. Alle Biografien wurden anonymisiert und von B1 bis B86 durchnummeriert. Die einzel- nen Textstellen, die im Artikel zitiert werden, wurden weder korrigiert noch sprachlich verändert. 4.3 Datenanalyse und Diskussion 4.3.1 Zur Kategorie Überzeugungen über Lehrende Zur Kategorie Lehrende wurden alle Textstellen eingeordnet, die Eigenschaften einer kompetenten bzw. nicht kompetenten Lehrperson bezeichnen oder eigene Vorstellungen über „Ich als DaF-Lehrer/Lehrerin in der Zukunft“ sowie Erfahrungen mit den Lehrkräf- ten in der eigenen Schulzeit thematisieren. Zusätzlich wurden in diese Kategorie auch Textstellen eingeordnet, die die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden im DaF- Unterricht explizit oder implizit thematisieren. Illustrative Beispiele aus den Biografien deuten darauf hin, wie eine gute Lehrperson sein sollte/ welche Eigenschaften eine gute Lehrperson haben sollte: • „/…/ Autorität haben, den SuS keine Furcht einjagen/…/“ (B1); • „/…/ streng, aber gleichzeitig nett sein/…/“ (B12); • „/…/ Zielsprache ausgezeichnet beherrschen/…/“ (B5); • „/…/ erzieherische und soziale Fähigkeiten besitzen/…/“ (B7); • „/…/ sich mit Interesse weiterbilden um mit den neuen Entwicklungen der Sprache vertraut sein. (B31); • „/…/den Lernenden immer zur Verfügung stehen/…/“ (B53); • „/…/konsequent bzw. folgerichtig, selbstbewusst, locker, zugänglich, energisch sein. (B 78) • „/…/den Schülern nicht nur die Sprache beibringen, sondern auch die Liebe bzw. den Respekt gegenüber einer anderen Kultur/…/“ (B46) • „/…/stellen ein Vorbild für die Schüler dar, sollen hilfsbereit sein und Verständnis für die Schüler und ihre Probleme haben. (B13) • /…/für eine entspannte Atmosphäre in dem Klassenzimmer sorgen/…/“(B65) • „Als Lehrperson soll man immer bereit sein, den Verlauf der Stunde zu ändern und sich an die Schüler, Zeit und den Ort anpassen, das heißt, man muss improvisieren können.“ (B81) Aus den Biografien von DaF-Studierenden geht hervor, dass die Studierenden davon überzeugt sind, dass eine gute Lehrperson über bestimmte Charaktereigenschaften verfü- gen sollte, um als gute Lehrperson qualifiziert werden zu können. Am häufigsten erschei- nen in den Biografien folgende Adjektive, die beschreiben, was eine gute Lehrperson Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 264 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 264 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 265 Andreja Retelj: REPRÄSENTATIONEN DES LEHRERBERUFES IN DEN BIOGRAFIEN ... ausmacht: nett (58-mal), freundlich (51-mal), hilfsbereit (47-mal), zugänglich (39-mal), streng (31-mal), konsequent (27-mal), selbstbewusst (21-mal), energisch (17-mal), ent- spannt (15-mal), objektiv (13-mal). Gute Lehrpersonen werden mit folgenden Substanti- ven charakterisiert: Vorbild für Schüler (81-mal), guter Manager (33-mal), Mentor (30- mal), zeigt Leidenschaft für das Fach (29-mal), hat Verständnis für die Schüler/-rinnen (28-mal). Eine gute Lehrperson sorgt für eine gute Atmosphäre (45-mal), nimmt sich Zeit für die Schüler/-innen (39-mal), erklärt den Stoff so oft wie nötig (22-mal), behandelt alle gleich oder fair (18-mal), benotet objektiv (17-mal). Die meisten Bezeichnungen, die eine gute Lehrperson ausmachen, können als Prä- dispositionen verstanden werden, die größtenteils angeboren sind und die künftigen Lehrpersonen schon per se besitzen müssen. Diese Liste von Charaktereigenschaften, die anhand von studentischen Biografien erstellt werden kann, ähnelt der von Schwerdtfeger vorgestellten Liste aus den 1970-er Jahren (Schwerdtfeger zitiert nach Maijala 2012: 481) und deutet darauf hin, dass bestimmte Charaktereigenschaften als Zeichen für eine gute Lehrperson noch immer fest verankert sind und die Überzeugungen, dass künftige Lehrende über diese Eigenschaften verfügen sollten, noch immer vertreten werden. Einerseits sind sich angehende DaF-Lehrkräfte darüber bewusst, dass sie eine gut ent - wickelte Fachkompetenz aufweisen sollten und gleichzeitig im Umgang mit Schülern und Schülerinnen auf die menschliche, erzieherische und soziale Komponente achten sollten, bei denen sie sich aber mehr auf ihre Charaktereigenschaften verlassen als auf die Möglichkeit, sich in diesem Bereich während des Studiums ausbilden/weiterentwickeln zu können. Von den in den Biografien erwähnten Kompetenzen werden im Rahmen des Lehr - amtsstudiums die Fachkompetenz und die didaktisch-pädagogische Kompetenz entwickelt und die subjektiven Theorien bezüglich der beiden hinterfragt, wobei eine direkte Modi- fizierung der Charaktereigenschaften der angehenden Lehrenden wohl fragwürdig ist. Anhand der Biografien von DaF-Studierenden lassen sich auch die Überzeugungen davon rekonstruieren, zu was für einer Art von Lehrperson sich die Studierenden in der Zukunft entwickeln möchten. Folgende Äußerungen wurden zur Illustration ausgewählt und zitiert: • „Ich möchte die Lernenden individuell und persönlich behandeln, für sie Interesse zeigen, Verständnis für ihre Probleme haben und mit ihnen eine Bindung aufbauen.“ (B81) • „/…/sehr strikt sein, denn ich werde erwarten, dass die Lernenden im Lernprozess Fortschritte machen.“ (B60) • „Ich will meinen Lernenden auch beibringen, wie man Probleme gewaltfrei mit ei- ner guten Kommunikation finden kann.“ (B3) • „/…/und ich will auch die Kreativität meinen Lernenden fördern.“ (B6) • „/…/dass sich die Lernende in meiner Klasse wohlfühlen und keine Angst davor haben, Fragen zu stellen.“ (B72) Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 265 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 265 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 266 VESTNIK ZA TUJE JEZIKE/JOURNAL FOR FOREIGN LANGUAGES • „/…/den Lernenden so viel Wissen wie möglich weiterzugeben/…/“(B83) • „/…/zu einem Ziel führen und sie dabei unterstützen, aber gleichzeitig auch ein Ma- nager sein/…/“(B43) • „Ich will die Theorie in die Praxis übertragen/…/“(B21) • „/…/ich nie vergessen, wie ist ein Schüler zu sein.“ (B57) • „Den Kindern, die mehr Wunsch und Empathie haben, möchte ich die Möglichkeit geben, das Wissen zu vertiefen.“ (B13) • „Sie lernen nicht nur das Fach für die Noten, aber auch wie ein verantwortlicher, belesener Mensch zu sein.“ (B52) • „/…/die Beziehung zwischen dem Lehrenden und dem Schüler muss stark begrenzt sein; die Lehrerin ist keine Freundin.“ (B8) • /…/ein beidseitig faires, verständnisvolles Verhältnis genügt/…/“(B86) • /…/eine enge Beziehung mit den Schülern haben, jedoch eine professionelle, wo ihnen klar ist, wer das letzte Wort hat und was für ein Benehmen von ihnen erwartet ist.“ (B12) Die befragten angehenden DaF-Lehrkräfte legen großen Wert darauf, dass sich ihre künftigen Lernenden in der Klasse wohlfühlen (82-mal), dass sie keine Angst vor ihnen haben (79-mal) und bei Unklarheiten Fragen stellen (65-mal). Die große Mehrheit der Studierenden thematisiert die gewünschte Beziehung zwischen ihnen als Lehrenden und Lernenden, wobei stark betont wird, dass es um ein professionelles Verhältnis geht (53-mal), das auf Vertrauen (44-mal) und einem Gefühl der Sicherheit (32-mal) basieren sollte, dennoch aber nicht in eine Freundschaftsbeziehung überge - hen darf (30-mal). Weiter lässt sich feststellen, dass sich die angehenden Lehrenden in der Zukunft in der Rolle eines Managers (21-mal), eines Mentors (20-mal), eines Dirigenten (19-mal), eines Schauspielers (17-mal) und eines Trainers (15-mal) sehen. Nur vereinzelt werden die Metaphern Lernberater (2-mal) und Quelle des Wissens (1-mal) gebraucht. Interessanterweise tauchen die Metaphern Manager und Mentor bei den Beschreibungen einer guten Lehrperson mehrmals auf, und zwar in den Text - stellen, die sich auf die eigene künftige Lehrerrolle beziehen. Der Rolle der Theorie wird in den Biografien sehr wenig Bedeutung zugeschrieben, denn nur bei drei Stu- dierenden wird die Wichtigkeit der Verzahnung von Theorie und Praxis thematisiert. Aus den Vorstellungen über die künftige Lehrerprofession lassen sich auch einige Erwartungen an künftige Lernende ableiten. Die Lernenden sollten im Lernprozess Fortschritte machen (23-mal), sich für das Fach interessieren (19-mal), nicht nur für Noten lernen (6-mal), vorbereitet zum Unterricht kommen (9-mal) und motiviert sein (9-mal). Die angehenden DaF-Lehrenden werden die Lernenden dagegen individuell behandeln (45-mal), empathisch vorgehen (34-mal), sie zum Ziel führen (29-mal) und ihre Kreativität fördern (17-mal). Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 266 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 266 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 267 Andreja Retelj: REPRÄSENTATIONEN DES LEHRERBERUFES IN DEN BIOGRAFIEN ... 4.3.2 Zur Kategorie Überzeugungen über den Lehr-/Lernprozess Die Kategorie Lehr-/Lernprozess beinhaltet Textstellen, die studentische Überzeugungen über das Lehren und Lernen thematisieren. Die meisten Textstellen beziehen sich auf die Planung und Durchführung des Unterrichts, auf Lernende im Lernprozess, auf die Rolle der Lernmaterialien im Unterricht und die Arbeits- bzw. Sozialformen sowie darauf, wie ein guter DaF-Unterricht beschaffen sein sollte. • „Der Inhalt soll durchdacht und sinnvoll sein, ohne viele Abschweifungen vom We- sentlichen, konzentriert auf das Ziel, damit Lernende richtiges Deutsch lernen.“ (B2) • „/…/Schüler in Gruppen verteilen, ihnen authentische Texte und Aufgaben geben, damit sie besser und richtig lernen.“ (B31) • „/…/aus dem sehr gründlich durchdachten Lehrplan ausgehen und alle Sprechfertig- keiten entwickeln/…/“(B84) • „Je besser man sich vorbereitet, desto besser wird der Unterricht laufen.“ (B9) • „/…/viel mit Tabellen arbeiten, gute Tafelanschrift ist sehr wichtig, systematisch mit Beispielen erklären /…/“(B3) • „/…/eine klare Strukturierung, aktive Mitarbeit, nicht nur die Bücher verwendet, sondern auch verschiedene andere Medien wie zum Beispiel Videos und PPT in den Unterricht mitbringt.“ (B13) • - „/…/gute Lehrwerke erleichtern die Planung und Durchführung, es gibt einen roten Faden/…/“(B9) • „/…/ den Schülern reale, alltägliche Sprache beibringen/…/(B1) • „Der Unterricht darf auch nicht immer frontal sein, weil m. E. die Lernende manch- mal besser in Gruppen, Paaren oder auch durch das Spiel lernen.“ (B24) • „/…/Lernziele im Fokus zu behalten und geben dem Unterricht eine systematische Dimension/…/“(B25) • „Manchmal sind die Vorschläge in den Lehrwerken sehr gut, häufig muss man sie modifizieren, der konkreten Situation und Rahmenbedingungen anpassen, sehr oft muss man aber auch einen ganz anderen Weg nehmen.“ (B69) • „/…/ein offenes Ohr für die Probleme der Schüler haben und ihnen dementspre- chend helfen, wenn sie etwas nicht verstehen.“ (B22) • „Lehrwerke haben schon eine wichtige Rolle, aber viel wichtiger ist ein guter Plan.“ (B10) Überraschenderweise wird in allen Biografien davon ausgegangen, dass eine gute Planung die wichtigste Voraussetzung für einen gelungenen Unterricht darstellt. Die Unterrichtsplanung bringt eine gewisse Systematik in den Unterricht, die eine wesent- liche Rolle beim effektiven Lernen spielt (36-mal). Die Planung bezieht sich in den Biografien vor allem auf die inhaltliche Vorbereitung, das heißt, dass die Lehrenden Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 267 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 267 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 268 VESTNIK ZA TUJE JEZIKE/JOURNAL FOR FOREIGN LANGUAGES den Stoff selbst beherrschen (42-mal) und dass sie sich hinsichtlich eines bestimmten Inhaltes in der deutschen Sprache adäquat äußern können (31-mal). Bei der Planung sollten auch die Sozial- und Arbeitsformen gut durchdacht sein (29-mal), denn Ler- nende sind unterschiedlich (53-mal) und sollten im Lernprozess die Gelegenheit be- kommen, auf unterschiedliche Art und Weise lernen zu können (39-mal). Im Unterricht sollten Partnerarbeit (28-mal) und Gruppenarbeit (31-mal) sowie spielerisches Lernen (19-mal) Platz finden. Es ist außerdem wichtig, sich im Voraus Gedanken darüber zu machen, wie z. B. die Erklärung strukturiert (12-mal) oder die Tafelanschrift aussehen wird (14-mal). Bei der Unterrichtsdurchführung ist es von Bedeutung, die Unterrichtsziele stets vor Augen zu haben (17-mal), damit eine klare Strukturierung nicht missglückt. Dabei soll- ten die Lehrenden aber nicht stur dem geplanten Verlauf folgen, sondern sich flexibel verhalten (51-mal) und den Lernenden helfen (32-mal), indem sie sich bereit zeigen, ge- gebenenfalls auch anders als geplant vorzugehen (24-mal). Laut den Studierenden haben auch mit Bedacht ausgewählte Lernmaterialien in ver- schiedenen Formaten einen großen Einfluss auf einen guten DaF-Unterricht (44-mal) und das Erreichen der Unterrichtsziele (21-mal). Bevorzugt werden authentische Materialien (23-mal), mit denen Lernende die Alltagssprache lernen (33-mal), sich in Alltagssituatio- nen sprachlich zurechtfinden (18-mal) und dadurch ihre kommunikative Kompetenz in der Fremdsprache entwickeln (8-mal). Lehrwerke spielen eine wichtige Rolle und dienen als roter Faden für den Verlauf der Stunde (29-mal), als Stütze für die Einbettung einzel- ner sprachlicher Strukturen (9-mal) und Ideenquelle für die Themen (13-mal). Sie bie- ten passendes und zielgruppenorientiertes Übungsmaterial an (21-mal), worin man gute Vorschläge für Aktivitäten findet (30-mal), die sich gruppenspezifisch auch modifizieren lassen (6-mal). Wichtig ist auch, dass unterschiedliche Medien (16-mal) eingesetzt wer- den, die den Unterricht modernisieren (14-mal) und die aktive Mitarbeit der Lernenden im Unterricht dadurch noch zusätzlich (54-mal) fördern. Ein guter kompetenzorientierter DaF-Unterricht sollte die Lernenden zum Errei- chen einer hohen Sprachkompetenz in der deutschen Sprache führen (51-mal), sich in unterschiedlichen schriftlichen und mündlichen Sprachsituationen fließend (31-mal) und richtig (22-mal) ausdrücken zu können, sich trotz ihrer Fehler im Deutschen akzeptiert zu fühlen (7-mal) und zum Lernen motiviert zu werden (41-mal). In einem guten DaF- Unterricht sollten Lehrende und Lernende miteinander kooperieren (16-mal), über ver- schiedene aktuelle Themen diskutieren (28-mal) und alle Sprachfertigkeiten entwickeln (33-mal). Diese Ergebnisse sind nicht überraschend, denn wie die Studie von Lah (2022: 44-46) beleuchtet, haben Masterstudierende noch selbst mangelnde Sprachkenntnisse, obwohl sie sich während des Studiums mit unterschiedlichen sprachlichen Aspekten auseinandersetzten. Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 268 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 268 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 269 Andreja Retelj: REPRÄSENTATIONEN DES LEHRERBERUFES IN DEN BIOGRAFIEN ... 5 FAZIT UND AUSBLICK Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Lehrerprofession nicht frei von Widersprü- chen und Mehrdeutigkeit ist, was darin resultiert, dass Lehrkräfte stets zwischen ihren subjektiven Theorien und dem theoretischen Wissen schwanken. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass sich Lehrende und Studierende während der Ausbildungszeit möglichst häufig mit subjektiven Theorien auseinandersetzen, sie thematisieren und Re- flexionskompetenz entwickeln. Biografische Narrationen, studentische Texte über ihre Überzeugungen über Leh- rende, über den Lehr-/Lernprozess erwiesen sich bei der Erforschung der subjektiven Theorien der DaF-Studierenden zu diesen Themen als angemessenes Instrument, das eine gute Einsicht in den Ist-Zustand ermöglicht. Die Analyse der Texte deckte relevante In- formationen darüber auf, was eine gute Lehrperson ausmacht. Aus den Biografien lässt sich schlussfolgern, dass die Studierenden eine gute Lehrperson eher mit Charaktereigen- schaften beschreiben als mit während des Studiums erworbenem Wissen oder Kompeten- zen. Lehramtsstudierende müssen bei der Immatrikulation keine Aufnahmeprüfung be- stehen und auch keine persönlichen Kompetenzen aufweisen, was auch darin resultieren könnte, dass es immer wieder Studierende gibt, die das Studium abbrechen, weil sie sich inzwischen für einen anderen Weg entscheiden, möglicherweise auch, weil sie glauben, dass sie ihren eigenen Vorstellungen über das Lehrerprofil vom Charakter her nicht ent- sprechen. Diese Überzeugungen müssen im Studium aufgegriffen werden, indem sich die Studierenden mit verschiedenen Kompetenzmodellen zur Lehrerprofession vertraut machen und einsehen können, dass nicht nur persönliche Eigenschaften wichtig sind, sondern vielmehr, dass verschiedene Kompetenzen, die für das Ausüben des Lehrerberu- fes von Bedeutung sind, erlernbar sind. Die Vorstellungen über das eigene „Ich als Lehrer/Lehrerin“- Bild verweisen auf eine äußerst wichtige Rolle des Wohlbefindens seitens der Lernenden im Unterricht. Sich im Unterricht wohlzufühlen, scheint eine wichtige Voraussetzung für hohe Wissenser- träge, das Erreichen der Unterrichtsziele und eine aktive Mitarbeit zu sein. Das Wohlbe- finden der Lernenden gilt sogar als Postulat für einen guten Unterricht. Obwohl das Ge- fühl des Wohlbefindens eine wichtige Rolle für beide Akteure, Lehrende und Lernende, spielt, sollten solche Überzeugungen genauso thematisiert werden, denn der Lernerfolg ist nicht nur vom Wohlbefinden abhängig. Die meisten Überzeugungen, die die Studierenden über den DaF-Unterricht bzw. über den Lehr-/Lernprozess vertreten, stehen im Einklang mit den Prinzipien des moder- nen Fremdsprachenunterrichts und benötigen lediglich ein theoriebasiertes und praxis- taugliches Fundament. Die in den Biografien aufgegriffenen Aspekte zur Lehrerprofession bieten einen Ein- blick in die Vorstellungen bzw. Überzeugungen von Lehramtsstudierenden, die sich am Anfang ihrer Lehrerausbildung befinden und zeigen, welche Erfahrungen die Studierenden Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 269 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 269 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 270 VESTNIK ZA TUJE JEZIKE/JOURNAL FOR FOREIGN LANGUAGES im Laufe ihrer Schulzeit sammelten, mit welchen Problemen sie sich auseinandersetzen mussten, wer und wie auf sie einen Einfluss ausübte. Anhand der biografischen Schriften lässt sich feststellen, welche Überzeugungen die Studierenden vertreten, die größten- teils keine negative Auswirkung auf das spätere Handeln haben werden und während der Ausbildungszeit mit gewöhnlichen reflektiert-orientierten Aktivitäten verändert werden können. Besonders wichtig ist es aber, dass man in den biografischen Schriften auch Überzeugungen identifizieren kann, die auf falschen bzw. kontrafaktischen Prämissen basieren und auf das spätere Lehrerhandeln eine negative Auswirkung haben können, be- ziehungsweise sich hemmend auf die eigene professionelle Entwicklung auswirken oder sie sogar unmöglich machen. Die Selbstreflexion sollte aus dem Grunde als ein integra- tiver Teil der Lehrerausbildung angesehen werden, damit sich Studierende im Rahmen des Studiums mit ihren festen Überzeugungen auseinandersetzen können und diese stets hinterfragen. Das ist der einzige Weg, der zum professionellen Handeln und zur erfolg- reichen Entwicklung der professionellen Lehrerkompetenzen führt. LITERATUR BAUMERT, Jürgen/Mareike KUNTER (2006) Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. 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Da bi študenti nemščine lahko uzavestili lastne subjektivne teorije in o njih razmišljali, je zelo pomembno, da v času študija dobijo dovolj priložnosti za refleksijo, da se o pedagoškem ravnanju preizprašujejo, ga ocenjujejo v različnih kontekstih in se pripravijo na to, da teorijo povežejo s prakso ter s tem omogočijo vsaj delno razgraditev oziroma odpravo lastnih prepričanj. V članku so predstavljeni rezultati kvalitativne študije, opravljene s študenti nemščine o predstavah o vlogi učitelja in o poučevanju, ki omogočajo vpogled v trenutno stanje. Rezultati lahko služijo kot smernice pri načrtovanju specialno didaktičnih predmetov in kot izhodišče za na- črtovanje razvoja refleksije kot orodja za razvoj učiteljev. Analiza 86 študentskih sestavkov kaže, kaj po mnenju študentov nemščine predstavlja kakovosten pouk nemščine, kakšen je po njihovem mnenju dober učitelj nemščine in v kakšni medsebojni vlogi sta učenje in poučevanje. Ključne besede: subjektivne teorije, učitelj, refleksija, bodoči učitelji, nemščina kot tuji jezik, poučevanje Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 272 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 272 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 273 Andreja Retelj: REPRÄSENTATIONEN DES LEHRERBERUFES IN DEN BIOGRAFIEN ... ABSTRACT REPRESENTATIONS OF THE TEACHING PROFESSION IN THE BIOGRAPHIES OF FUTURE TEACHERS OF GERMAN AT THE BEGINNING OF THEIR TEACHER EDUCATION Students of German as a foreign language begin their pedagogical studies with a fairly precise idea of the role of the teacher and of the teaching/learning process. Their ideas about effective teaching and the role of the teacher are based on their subjective, mostly unreflective experiences during their school years and strongly influence all subsequent didactic-pedagogical decisions during and often after their studies. Students’ subjective theories about teaching have an extremely strong in- fluence on the entire study process. In order for students to be able to formulate and reflect on their own subjective theories, it is very important that they are given sufficient opportunities during their studies to reflect, to question and evaluate pedagogical practices in different contexts, and to pre- pare themselves to relate theory to practice so that they can at least partially dismantle or dissolve their own beliefs. This paper presents the results of a qualitative study conducted with students of German as a foreign language on their perceptions of the role of the teacher and teaching, offering insights into the current situation. The results can serve as a guide for planning specific didactic courses and as a starting point for planning the development of reflection as a teacher develop- ment tool. The analysis of the 86 student essays shows what students think is effective teaching of German, what they think is a good teacher of German, and the interplay between learning and teaching. Keywords: subjective theories, teacher, reflection, future teachers, German as a foreign language, teaching ZUSAMMENFASSUNG REPRÄSENTATIONEN DES LEHRERBERUFES IN DEN BIOGRAFIEN ANGEHEN- DER DAF-LEHRKRÄFTE AM ANFANG DES LEHRAMTSSTUDIUMS DaF-Studierende steigen das Lehramtsstudium mit ziemlich genauen Vorstellungen über die Leh- rerrolle und den Lehr-/Lernprozess ein n. Diese Vorstellungen basieren auf eigenen, subjektiven, meist unreflektierten Vorerfahrungen aus ihrer Schulzeit und beeinflussen stark jegliches weitere Handeln während des Studiums und oft auch danach. Die Studierenden werden bei didaktischen Entscheidungen stets von ihren eigenen Vorstellungen geprägt und geführt. Damit DaF- Studieren- de in der Lage sind, ihre eigenen subjektiven Theorien zu erkennen und zu reflektieren, ist es sehr wichtig, dass sie während des Studiums ausreichend Gelegenheit zur Reflexion erhalten, damit sie Vorstellungen von der pädagogischen Praxis in verschiedenen Kontexten hinterfragen und sie Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 273 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 273 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01 274 VESTNIK ZA TUJE JEZIKE/JOURNAL FOR FOREIGN LANGUAGES bewerten. Letztendlich sollten sie sich darauf vorbereiten, die Theorie mit der Praxis zu verknüp- fen und dadurch ihre eigenen Überzeugungen zumindest teilweise zu widerlegen oder auflösen zu können. Der Beitrag präsentiert die Ergebnisse einer qualitativen Studie über die Vorstellungen über die Lehrerrolle von DaF-Lehramtsstudierenden, die einen Einblick in den Ist-Zustand er- möglichen und bei der Schwerpunktsetzung von fachdidaktischen Veranstaltungen herangezogen werden können. Die Analyse der 86 Aufsätze zeigt, was laut den DaF-Studierenden guter DaF- Unterricht ist, was eine kompetente DaF-Lehrperson ausmacht und wie das Verhältnis zwischen Lehren und Lernen aussehen sollte. Schlüsselwörter: subjektive Theorien, Lehrperson, Reflexion, angehende Lehrende, Deutsch als Fremdsprache, Unterrichten Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 274 Vestnik_za_tuje_jezike_2022_FINAL.indd 274 24. 01. 2023 09:19:01 24. 01. 2023 09:19:01