MJč^JTČ,/ * ' Reifen im Inneren Brasiliens, besonders durch die nördliche»» Provinzen und die Gold-und Diamantcndiltricte. Von Georg Gardner, Vorsteher der botanischen Gärten in Ceylon. Aus dem Englischen vo» ht. B Lindau. Zweiter Dand. Dresden und Leipzig, Arnoldische Buchhandlung, Veils Achter Abschnitt.............1 Non Oeiras nach «paranagus. Der Palasl des Prä» ftdenten von Piauhy. Aufnahme bei demselben. Nie Stadt Oriras. Ihre Bevölkerung. Ihr Handel mit der Knste. Mangel an Flnßverbindüug. Ausfuhrartikel. Klima und Krankheiten. Der Varlio de Parnahiba. Seine Macht. ^,° schichte dieses merkwürdigen Mannes. Hilfsquellen der «Provinz. Staatsgüter. Ein Aufstand und dadurch veränderter Reiseplan. Beabsichtigte Reise nach Süden durch Goyaz und MinaZ GeraLs. Aufbruch von Oeiras. Beschreibung des Landes. Chapadas. Meiereien fur Viehzucht. Einsangen der Rinder. Pombas. Algodoes. Golfes. Rrtiro Alrgrr. Genipapo. Cauavirira. Unsere Reisegesellschaft. Uruslchy. nita. San Lomingo. San Ioao. Sa» Vernardo. unterirdische Flüsse. Voa Vista. Die Umgegend und ihre Erzeugnisse. Capella da Posse. San , der Cidade Viamau-tiua, der Hauptstadt des Viamanten-Tistricts. Lage der Stadt. Bevölkerung. Temperatur. Erzeugnisse der Umge° gend. Diamantengruben, früher Monopol, jetzt Allgemein» gut. Nie Liamantengröber. Vorrechte der Sclaven. Ge« snndes Klima. Schone Frauen. Krankheileu. Loyalität der Einwohner. Dreizehnter Abschnitt.........272 Von Ctdade Diamantina nach O«ro Preto. Anf< bruch. As Borbas. Tas Arraial do Milho. Tres Varras. Die Cidade do Serro, friiher Villa do Principe. Tapanhua« cauga. Rrtiro do >Padre Veulo. Ein deutscher Schmied und sein Eisenhammer. Escadinlia. Morro de Gaspar Soares und zwei andere Eisenwerke. Ponte Alta. Itamb6. Qn?a. Ponte de Machado. Eis. Ankunft iu CocaeZ. Die englische VergwertgeftUschaft. Unfreundliche Aufnahme, San Ioao do Morro Grande und Gongo Goco. Gastfreundliche Ans» »ahme und Vesuch in den Goldbergwrrken. Geognostische Veschasseuheit derselben. Morro Vrlho. Seit zwei Jahre» die ersten Vrirfe aus der Heimat. Das Dorf Congonhas de Sabarä. Der Vergbau daselbst. Die Stadt Sabarä. Dal Nergwerk Cuiabä. Gerra da ^piedade und do Curral del Rey. Ausbruch vou Morro Velho. Villa de Ca«6. S. Ios« de Seit, Morro Grande. Varra. Brumado. Die Scrra do Cara^a. kattas AltaZ. Inflccionado. Vento Rodriguez. Camargos. Gan CaLtano. Tie Stadt Marianna. Die Serra de Itaco» lumi. DaZ Arraialda Passagem. Die Stadt Ouro Prrto, früher VlNa Rica. Ihre Lage, Bevölkerung. Ein Collegium. Votanischer Garten. Vierzehnter Abschnitt.........321 Von OuroPrrtonach Rio de Janeiro und zweile Reise in daZ Orgelgebirsse. Aufbruch. San Caetano. Arraial Vo 'Pinhciro. Pirauga. Filippe Alvez. Pouzo Ale» gre. Ein nächtliches Gewitter. Arraial das Mercös. l^hapeo d' uva. <5»ure os Ätorros. Uebergang über den Rio 's. Aufbruch von Ociras. Beschreibung des Landes. Vhapadas. Meiereien für Viehzucht. Einfangen der Rinder. Pomdas. Aigodocs. Golfes. Retiro Alegre. Genipapo. Canavicira. Unsere Reisegesellschaft. Urusuhy. Prazeres. Eine Familie von Piauhy. Flores. Rapoza. Ankunft in Payanagu«,. Mit Empfehlungsbriefen an den Bcuao de Parna-hib^, den Präsidenten der Provinz Piauhy, versehen, erkundigte ich mich bei meiner Ankunft in Oeiras zunächst nach dessen Wohnung, und ein Soldat zeigte mir den Weg dahin. Der sogenannte Palacio liegt auf dem höchsten Theile der Stadt und hcit, aus einem einzigen Stock-' werk bestehend, «in ganz gewöhnliches Ansehen. Vor der Thüre stand eine Schildwache, ein wahres Jammerbild. Es war ein junger Mulatte in der Uniform der Linien-Gardnrr's Rmm s„ Brasilien ll. 1 __ 2 __ truppen, die aber ganz so aussah, als wäre sie seit sechs Jahren nicht von seinem Leibe gekommen. Seine Zeuchmütze war alt und schmierig, seine blaue, halb aus Fetzen, halb aus Löchern zusammengesetzte Jacke stand offen und zeigte die entblößte Brust —> denn ein Hemd besaß er nicht — seine Beinkleider waren nicht viel besser als diese Jacke, und die nackten Füße staken in einem Paar alter, hinten niedergetretener und an den Zehen durchlöcherter Schuhe, so daß ich ihn ohne seine Flinte und seine mi-litairische Haltung jedenfalls für einen Bettler gehalten haben würde. Vor dem Hause waren Steinplatten gelegt, auf welche, indem ich Halt machte, die Vorderfüße meines Pferdes zu stehen kamen; aber ehe ich ein Wort hervor« bringen konnte, siel mir die Wache in die Zügel und stieß mein Thier in die Straße zurück. Ich stieg ab und war im Begriff, nach der Thüre zu gehen, als ich, den Fuß auf das Pflaster setzend, eine ahnliche Behandlung erfuhr, wie mein Pferd, und dabei die Weisung erhielt, daß der Eintritt in den Palast Niemandem gestattet sei, der Stiefeln mit Sporen trage. Lehme wurden augenblicklich beseitigt, und nachdem ich gefragt, ob ich sonst noch etwas zu thun hätte, wurde ich endlich eingelassen. In der Vorhalle trat mir ein Diener entgegen, der mich fragte, ob ich mit Sr. Excellenz zu sprechen wünsche, und, als er erfuhr, daß ich Briefe abzugeben hätte, mir mittheilte, d^ß er dieselben dcm Präsidenten zu überreichen verpflichtet sei. Ich wartete eine Viertelstunde in der Vorhalle und wurde dann in ein großes, mit zwei kleinen Tischen, einem Sofa und einigen Stühlen ausgestattetes Gemach gewiesen. Fünf Minuten später erschien der Präsident mit meinen Briefen in der Hand und bat mich, ich möchte ihm gestatten, dieselben zu lesen, sowie seine Hauskleidung entschuldigen, die er, wie ich vernahm, der großen Hitze wegen trug. Es war ein Neglig«, wie «s in dieser Provinz ziemlich allgemein ist, und bestand aus einem dünnen, weißen, baumwollenen Hemde, das über einem Paar fast nur bis an das Knie reichender Beinkleider von demselben Stoffe hing; die nackten Füße staken in a!ten Pantoffeln, und um den Hals trug der Varao mehre Rosenkränze mit Crucifixen und anderen goldenen Angehangen. Nährend er meine Briefe las, konnte ich nicht um» hm, den Mann zu betrachten, dessen Name im nördlichen Brasilien bekannter ist als irgend ein anderer, und der sich durch die despotische Verwaltung der Provinz, der er als Präsident vorsteht, den Beinamen des ,,Francia von Piauhy" erworben hat. Er war von kleiner, gedrungener Gestalt, aber nicht eben wohlbeleibt, und aus seinem Gesichte sprach ein weit höherer Grad körperlicher und geistiger Regsamkeit, als bei Leuten seines Alters in Brasilien gewöhnlich ist, denn er stand bereits in seinem siebenzig-sten Jahre. Eein Kopf war auffallend groß und, nach 1' — /t - phrenologischen Grundsätzen beurtheilt, hinten und vorn sehr schön abgewägt, aber in der Gegend der moralischen Anlagen nur mangelhaft ausgebildet und sehr breit zwischen den Ohren. Im Gespräche hatten seine Züge einen boshaften, unangenehmen Ausdruck, obgleich sie gewöhnlich mit einem halb gezwungenen Lächeln überzogen waren. Nachdem er meine Briefe mit großer Aufmerksamkeit gelesen hatte, begann er mit mir ein Gesprach über den Zweck meines Besuchs «n Piauhy, aber ich konnte ihm durchaus nicht begreiflich machen, daß meine Sammlungen einen anderen Zweck hatten, als in Arzneien oder Färbestoff verwandelt zu werden; daß man die Erzeugnisse der Natur auch noch in anderer Absicht, als bloß in Bezug auf ihre Nutzbarkeit für den Menschen studiren könne, war ihm unerklärlich. Sobald er vernahm, daß ich einige Zeit in der Stadt verweilen wollte, sandte er einen Diener ab, um ein leeres Haus für mich zu suchen, und da dieses kein Geräth enthielt, so war er so freundlich, mich mit zwei Stühlen, einem Tische und einem großen irdenen Wasserkruge zu versehen. Oeiras, die Hauptstadt der Provinz Piauhy, liegt in einem großen Kessel, der ungefähr eine Legoa breit und fast ganz von einer unterbrochenen Kette niedriger, aus einem weichen, weißfarbigen Sandstein bestehender Berge umschlossen ist. Bis zum Jahre 1724, wo es zum Range einer Stadt erhoben ward, führte Oeiras dm __ H Namen Villa da Mocha und zwar nach einem kleinen,, dicht an ihr vorüberziehenden Flusse, der das ganze Jahr hindurch einen reichlichen Nasservorrath enthalt, aber in der trockenen Jahreszeit bedeutend mit Salpeter geschwängert ist. Sie ist unregelmäßig gebaut und besteht hauptsächlich aus einem großen Platze und einigen auf dessen Süd-und Westfeite auslaufenden Straßen. Die Einwohnerzahl übersteigt nicht viertausend Seelen, und darunter sind, mit Ausnahme der Negierungsbeamten, die mit europaischen Waaren handelnden Kramer die ansehnlichsten. Der größere Theil diefer Kaufmannsgüter kommt von Maran-ham und wird in großen Kanoen den Nio Itapicuru hinauf nach Cachias*) und von dort mit Lastpferden nach Oeiras geschafft; einen anderen Theil bringt man aus dieselbe Weise aus Vahia, aber die Entfernung ist viel zu bedeutend, als daß solche Unternehmungen sonderlich lohnen könnten; was von dorther kommt, wird von Viehtreibern befördert, die alljährlich dahin zu Markte ziehen. Zuweilen lauft in den Rio Canind«, Oeiras gegenüber, ein einzelnes, mit Salz beladenes Fahrzeug ein, das aus Villa da Parnahiba, einer blühenden Küstenstadt am öst: lichen Ufer eines bedeutenden gleichnamigen Flusses kommt, welcher die Provinzen Maranham und Piauhy trennt und auf welchem diese Schisssahrt bewerkstelligt wird. Ein ') In Brasilien Caxias geschrieben. — 6 — Schiff dieser Art erschien auch während meiner Anwesenheit, aber es hatte zu dieser Reise, die ungefähr hundert Legoas beträgt, ziemlich drei Monate gebraucht. Eine solche Fahrt läßt sich nur während der Regenzeit, '.renn der Fluß angeschwollen ist, unternehmen, und dann hat letzterer eine so mächtige Strömung, daß man das Schiff fortwährend mit Bootshaken hinauftreiben muß. Bei einem so bedeutenden Aufwand an Zeit und Kräften kann eine Speculation dieser Art nur selten erheblichen Gewinn bringen. Herr Sturz, brasilianischer General-Consul in Preußen, hat neuerlich den Plan in Anregung gebracht, diesen Fluß mit einem kleinen Dampfschiff zu befahren, aber eS läßt sich kaum erwarten, daß die Sache zur Ausführung kommen werde. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sich die mittlen und südlicheren Theile der Provinz nie sehr bevölkern, da man in Folge der alljährlichen, bedeutenden Dürre, welcher sie unterworfen sind, weder Baumwolle noch Zucker in ihnen bauen kann. Die einzigen Ausfuhrartikel sind Vieh und Häute, und dies« letzteren würden demnach für die Fahrt stromabwärts die alleinige Ladung dieses Dampfbootes ausmachen. Was die Einfuhr europäischer Güter anlangt, so ist nicht zu erwarten, daß sich der Handel so bald von Maranham nach Parna-hiba ziehen werde. Außerdem aber ist der Fluß, wie bereits erwähnt, nur während der Regenzeit schiffbar und würde dann bei seiner heftigen Strömung und den vielen — 7 - Sandbänken, welche sein Bett enthalten soll, immer nur eine langsame und beschwerliche Fahrt gestatten. Die Stadt besitzt drei Kirchen, deren zwei, obgleich schon bedeutend alt, noch unvollendet sind. Außerdem gibt es in ihr noch verschiedene andere öffentliche Gebäude, als «in Gefängniß, eine Kaserne, ein Provinzial-Versammlungshaus, eine stadtische Camara und ein Krankenhaus, aber von allm diesen verdient nur das Gefängniß einige Beachtung, das eben vollendet und unter der Leitung eines deutschen Architekten erbaut worden war, welcher, von der Regierung beschäftigt, schon feit mehren Jahren in dieser Provinz sich aufhält. Es hat, wie noch zwei andere Gebäude in der Stadt, zwei Stockwerke, wovon das untere zu Gefängnissen und einer Corrections-Ansialt, das obere zu einem Gerichtshof eingerichtet ist. Am nördlichen Ende der Stadt steht ein schönes großes Gebäude, das jetzt in Trümmer zerfällt, — das ehemalige Jesuiten-Collegium. Die verschiedenen Jahreszeiten zeigen sich in diesem District sehr regelmäßig, und man hält das Klima nicht gerade für ungesund, obgleich es hier wenig alte Leute gibt. Im October fallen gewöhnlich einige Regengüsse, die eigentliche Regenzeit aber beginnt erst zu Anfang Januar und dauert bis zum Mai. Während dieser Monate treten häufig sehr starke und lange anhaltende Gewitter ein, und es fehlt bei diesen Gelegenheiten nicht an Unfällen. Wir sahen zwischen Crato und Oeiras mehre große, vom Blitz zerschmetterte 8 Bäume, und während meines Auftnthaltes in Oeiras wurde mir erzählt, daß ein von einem kirchlichen Feste nach seinem Landhause heimkehrender Fazendeiro seine Frau und seine Kinder mit einigen Sklaven, die er vorausgesendet, unterwegs vom Blitze erschlagen gefunden habe. Die Monate Mai, Iunius und Julius sind die angenehmsten; die Regengüsse haben dann aufgehört, die Natur hat sich mit einem frischen grünen Gewände geschmückt, und ein in dieser Jahreszeit herrschender Südostwind durchweht die Luft mit lieblicher Kühlung. Später aber tritt eine gewaltige Veränderung ein; das ganze Land erhält allmalig ein verwelktes und vertrocknetes Ansehn; Gras und Kräuter verdorren, und Baume und Sträucher verlieren ihre Blatter. Um diese Zeit hört auch der kühlende Südostwind auf, und die Luft wird so heiß, daß Niemand aus dem Haust geht, der nicht dazu gezwungen ist. Die vorherrschenden Krankheiten in der Stadt und ihrer Umgebung sind Wechsel- und bösartige Fieber, besonders zu Anfang und zu Ende der Regenzeit; nach den Regenmonaten und während der Dauer jenes Südostwindes sind Brustleiden und Ophthalmieen nicht ungewöhnlich, wovon letztere entweder durch unzweckmäßige Behandlung oder durch Vernachlässigung sehr oft in Erblindung übergehen. Am häusigsten aber wurde ich wegen Dyspepsie zu Rathe gezogen, von deren verschiedenartigen Formen dieses Volk am meisten heimge, sucht ist. Nicht minder hausig sindAsthma und Lähmung. Zur — 9 — Zeit meines Besuches war Oeiras so glücklich, zwei Aerzte und eine Apotheke zu besitzen, welche letztere aber nur mangelhaft ausgestattet war. Der ältere dieser beiden Aerzte, Senhor Ios6 Luiz da Silva, ein verständiger liebenswürdiger Mann, der mir vielfache Gefälligkeiten erwiesen hat, bekleidete das Amt eines „Cirurgiao mür" und war Vorstand eines kleinen Hospitals, wo fast ausschließend Militairpersonen verpflegt wurden. Portugiese von Geburt, hatte er in seiner Jugend als Wundarzt in der portugiesischen Marine gedient, lebte aber jetzt schon seit sechs und dreißig Jahren in Oeiras. Der andere, ein junger in Bahm erzogener Brast« lianer von wenig Kenntnissen und unliebenswürdigem Charakter, wurde einige Monate nach meiner Abreise auf der Straße ermordet. Beide behandelten nun zwar alle vorkommenden Krankheiten, keiner aber hatte die Geschicklich-keit und daher auch keiner den Muth, eine ernstliche Operation Zu unternehmen, obgleich mehre Falle schon lange diesen ärztlichen Beistand erfordert hatten. Es war mir daher vielfache Gelegenheit geboten, meine Kunst zu üben, und die bedenklichsten Falle dieser Art waren drei Staaropera-tionm und eben so viel Steinfchnitte. Von ersteren gelang mir nur eine, und daß ich den Blinden wieder sehend gemacht, wurde von dem schlichten Volke wie ein Wunder besprochen. Meine drei Vlasenstemoperationen vollbrachte ich dagegen mit dem glücklichsten Erfolge, und es warm diese drei Fälle überdieß die einzigen dieses Leidens, die mir auf — 10 — meiner ganzen Reise begegnet find. Der ersie dieser Patienten war ein außerdem ganz gesunder freier Neger von dreißig Jahren, und ich erstaunte über die Schnelligkeit, womit sein« Wunde heilte; aber es ist dieß, wie man gefunden hat, bei Leuten seiner Farbe eine gewöhnliche Erscheinung; der zweite war «in Mulatte, der in einer kleinen Palmen-Hütte der Vorstadt wohnte, und beide thaten Alles, was in ihren Kräften stand, um mir ihre Dankbarkeit zu beweisen, und würden mit Freuden ihre ganze Habe geopfert haben, hatte ich sonst etwas von ihnen annehmen wollen; der dritte, ein Mann von fünf und vierzig Jahren und einer der angesehensten Kaufleute der Stadt, war neun Jahre früher von dem Oberwundarzte wegen Verengung der Harnröhre behandelt worden, und in Folge eines unzweckmäßigen Verfahrens hatte sich ein Theilchen eines kleinen bleiernen Katheters in die Blase gesetzt und den Kern des Steines gebildet. Ich wurde bei meiner Ankunft von ihm zu Rathe gezogen und sagte ihm. daß er nur durch eine Operation von seinen Leiden zu befreien sei; da er aber sehr furchtsamen Gemüthes war, so konnte er sich nicht eher dazu entschließen, als bis er von dem glücklichen Erfolge der beiden anderen Operationen gehört hatte. Ich befreite ihn mit Hilft meines Freundes, des Cirurgiäo mür, von einem fast zwei Zoll langen Steine, und zur Zeit meiner Abreise, einen Monat spater, konnte er bereits in seinem Zimmer herumgehen. Achtzehn Monate — 11 — nachher fand ich in Rio de Janeiro einen Brief von ihm, worin er mich benachrichtigte, daß er vollkommen gesund fei und mir für den großen Dienst, den ich ihm geleistet hätte, tausend Dank (mil Fra^»8) sagte. Ich empfing von ihm, ehe ich aufbrach, ein Geschenk von dreihundert spanischen Dollaren, zwei schöne Pferde und viele kleine Reisebedüifnisse. Die Provinz Piauhy sendet zwei Mitglieder in die National-Deputirtenkammer zu Rio, in Bezug auf die innere Verwaltung aber herrscht mit despotischer Gewalt der Barao de Parnahiba. Er ist, seit das Reich seine Unabhängigkeit erlangte, fortwährend Präsident gewesen, mit Ausnahme eines kurzen Zeitraumes, wo ein Anderer seine Stelle einnahm, der aber bald unter verdächtigen Umstanden eines plötzlichen Todes starb. Von dieser Zeit an hat er ununterbrochen sein Amt besessen, während die anderen Provinzen alle zwei bis drei Jahre neu« Präsidenten bekommen. Er wird von der Masse des Volkes mehr gefürchtet als geachtet und kann im Nothfall unter seinen Freunden und Abhanglingen über mehr als zweitausend kräftige Vertheidiger gebieten, während ihm jederzeit willige Vollstrecker seiner Befehle zu Gebote stehen, von welcher Art diese letzteren auch sein mögen. Seine strenge Herrfchaft und der Erlaß einiger Provinzialgesetze haben ihm zahlreiche Feinde zugezogen, obgleich man nicht leugnen kann, daß alle seine Verordnungen immer nur das Wohl der ärmeren __ 12 __ Klaffen beabsichtigen. So hater unter Anderem für Rindfleisch und Farinha, die beiden hauptsachlichsten Nahrungsmittel der Bevölkerung, einen sehr niedrigen Verkaufspreis bestimmt, der in Oeiras nicht überschritten werden darf; er selber aber läßt sein Vieh, um es vortheilhaster zu verkaufen, nach Bahia und anderen entfernten Markten schaffen. Seine Kenntnisse sind unbedeutend, aber er besitzt einen hohen Grab von Schlauheit, und diese setzt ihn in den Stand, den Despotismus zu behaupten, womit er die Provinz seither verwaltet hat und unter welchem dieselbe allerdings einer größeren Nuhe und Friedlichkeit sich erfreut, als fast jede andere. Es ist sehr zu verwundern, daß er trotz seinen vielen Feinden erst einen einzigen Angriff auf sein Leben erfahren hat und zwar nicht eher als im Jahre vor meiner Ankunft. Er kehrte am siebenzehnten Januar 1838 von einer seiner Fazendas zurück, als eine halbe Legoa von der Stadt aus einem Busche auf ihn geschossen wurde; aber die Kugel verwundete nur seine Schulter. Die Meuchler, denn es waren ihrer zwei, ergriffen augenblicklich die Flucht, und einer von ihnen war unter den Ersten, die den Barao bei seiner Ankunft in der Stadt wegen seiner glücklicyen Entrinnung beglückwünschten. Es zogen sogleich mehre Haufen Bewaffneter aus, um die Verbrecher zu verfolgen , und man brachte auch wirklich einen Schwarzen in die Stadt, den man in einem Gebüsche versteckt gefunden hatte, und der im Verhöre bekannte, er habe sich zwar der __ 33 — Theilnahme schuldig gemacht, der eigentliche Angriff aber se> von einem Mulatten Namens Ioaquim Seleiro, einem in des Präsidenten Hause wohnenden Sattler, ausgegangen. Der Bezeichnete war als ein lasterhafter und leidenschaftlicher Mann bekannt, und man wußte, daß ihn der Barao einige Tage vorher ohne gerechte Ursache schlecht behandelt hatte. Er war eben an der Spitze einer Schaar in die Wälder gezogen, um die Meuchler einzufangen, und fand sich nicht wenig überrascht, als man bei seiner Rückkehr ihn selber ergriff. Sein Leugnen half ihm nichts, und da die Landesgesetze einen bloßen Mordversuch nicht mit dem Tode bestrafen, so wurde er in's Gefängniß geworfen, wo er sechs und zwanzig Tage nach seiner Frevelthat unter Umstanden starb, die manche argwohnische Gerüchte veranlaßten. Für Diejenigen, welche an der Geschichte Brasiliens einigen Antheil nehmen, dürfte eine flüchtige Skizze von dem Leben eines so außerordentlichen Mannes, wie des Banio dc Parnahiba, nicht uninteressant sein, da sein Name mit der Begründung der Unabhängigkeit der nördlichen Provinzen in enger Verbindung sieht. Sein Vater stammte von den azorischen Inseln und kam als ein sehr armer Mann nach Brasilien, wo er jedoch bald mit einen, Weibe «in kleines Besitzthum erwarb. Von den Kindern, die aus dieser Ehe entsprangen, war der Gegenstand dieses Berichtes das älteste. Sein ganzer Unterricht bestand in — !4 — Lesen, Schreiben und etwas Rechnen, und dann versah er bei seinem Vater den Dienst eines Kuhhirten (va-lzlieiso). Er war erst 20 Jahre alt, als sein Vater starb und ihm eine Fazenda im Werthe von 15W Cru-zaoos (290 Pf. Sterling) hinterließ. Hierzu erbte er noch eine andere Fazenda von einer Pathe. die ihn auferzogen hatte, und sing nun an. Vieh aufzukaufen, um es nach Bahia zu führen, wohin er von jener Zeit an bis vor ungefähr fünf und zwanzig Jahren alljährlich zu Markte zog, obgleich er auch bis jetzt noch kein Jahr hat vorübergehen lassen, ohne eine Anzahl Rinder auf jenen Markt zu senden. Bald nach seines Vaters Tode trat er, wie es damals herkömmlich war, in die Reihen der reitenden Miliz und diente lange Zeit als Corporal, bis er endlich zum Range eines Fähndlichs emporstieg; fast gleichzeitig wurde er zum Kassenführer der Nationaleinkünfte ernannt. Dieß blieb sein Wirkungskreis bis zur Zeit der Unab-hängigkeitserklärung, ohne baß sein Name in der Provinz zu cinem besonderen Gewicht gelangte, denn er war in der That mehr wegen seiner List und seiner ungeschlachten Sitten, als wegen edler Geistesgaben bekannt. Er ließ es sich angelegen sein, Mannern von hohem Ansehen, als Gouverneuren, Richtern u. s. w. allerlei Dienste und Gefälligkeilen zu erweisen, und sorgte immer für Leute, Pferde und Reisevorrathe, wenn sie von der Küste in's Innere kamen. Auf diese Weise enrarb er sich ihre Gunst - 15 - und war bei ihrer Ankunft jederzeit ihr gehorsamer Diener, eine zuverlässige Stütze ihrer Maßregeln, gleichviel von welcher Art von Politik sie ausgingen. Eben so benutzte er jede Gelegenheit, sich die gute Meinung der religiösen Partei zu erwerben, indem er einen regen Eiser für alle Angelegenheiten der Kirche an den Tag legte und, so oft es ihm gelang, zum Ordner und Leiter ihrer Feste ernannt zu werben, großmüthig bedeutende Summen opfert«. Auf diese Weise gewann er die Gunst und die Freundschaft der Priester. Zur Zeit, als Dom Ioao der Sechste die portugiesische Verfassung beschwor, wurden die größeren Provinzen Brasiliens von General-Gouverneuren (l^ovoruÄilore» kler^'z), die kleineren aber bloß von Gouverneuren verwaltet, und b«iden war bis zu einem gewissen Grade eine unumschränkte Macht verliehen. An der Spitze der Provinz Piauhy stand damals ein Portugiese, Namens Elias «Hose Ribeiro be Carvalho, der aber, gleich nachdem das Mutterland ftine Verfassung erhalten hatte, dorthin zurückberufen ward. Die Provinz siel hierauf an eine aus sechs Mitgliedern besiehende provisorische Regierung, zu welcher auch der gegenwärtige Präsident gehörte. Um diese Zeit kam aus Rio de Janeiro nach Oeiras ein Major Fediü, der den Befehl über die militaiiische Streit, macht der Provinz übernahm und sich bald nachher durch seinen Widerstand gegen die Sache der Unabhängigkeit — 1<) — hervorthat. Während der Herrschaft dieses sogenannten Governo Provisorio war es auch, daß Dom Pedro der Erste Brasiliens Unabhängigkeit erklärte. Natürlich verging einige Zeit, bis die Nachricht von diesem großen, in Rio stattgefundenen Ereigniß in diese entfernte Provinz kam; doch als sie endlich eintraf, widersetzte sich Fedi«5 dem König Johann, der ihn hierher gesendet hatte, getreu und die ganze Sache für einen vorübergehenden Aufstand haltend, aufs Standhaftesie einer ähnlichen Proclamation in der Stadt Oeiras, und sobald er hörte, daß man in Villa de Parnahiba der Unabhängigkeitserklärung beigelreten war, sammelte er eilig alle Linientruppen und Milizsoldaten, die er aufbieten konnte, und zog an ihrer Spitze gegen die Einwohner dieser Stadt zu Felde, obgleich er von der neuerdings eingesetzten Central-Negierung in Rio bereits die Weisung erhalten hatte, der Stadt zu verkünden, daß Brasilien ein selbststandiges Reich geworden sei. Mittlerweile erging von Seiten der Provinzen Bahia und Cear/l, die beide dem Beispiele der Hauptstadt gefolgt »raren, an die einflußreichsten Personen die Aufforderung, in Piauhy dasselbe zu thun, aber Alle weigerten sich dessen und erklärten ihre unwandelbare Anhänglichkeit an die Verfassung des Dom Ioao. Der Barao de Parnahiba hatte damals noch so geringen Einfluß, daß keiner jener Briefe an ihn gerichtet war; aber er wußte seine Gelegenheit wahrzunehmen und — 17 - ließ mit denselben Posten, welche die erwähnten Antworten davon trugen, nach beiden Orten die Nachricht abgehen, daß er im Verein mit mehren Freunden zum eifrigsten Beistand bereit sei und die Sache der Unabhängigkeit verkündigen wolle. Bald nach Fedio's Aufbruch gegen Par-nahiba empfing der Varäo Antworten auf seine Briefe und wurde darin aufgefordert, seinen Vorschlag unverzüglich auszuführen. Er ließ daher die in Oeiras befindlichen Mitglieder der provisorischen Regierung augenblicklich ergreifen und mit anderen theils bekannten, theils nur vermeintlichen Anhangern der entgegengesetzten Partei ins Gefängniß bringen. Als die Einwohner von Parnahiba erfuhren, daß Fedi^ gegen sie heranrücke, vereinigten sie sich und zogen ihm entgegen. Bei Campo Maior, ungefähr halben Weges zwischen Oeiras und Parnahiba, trafen sie zusammen, aber Fedm hatte bald einen entscheidenden Sieg errungen und seine Feinde in die Flucht gejagt. Mittlerweile suchte der Varao eine Streitmacht gegen Fedi6 zu sammeln, der jetzt sein bedeutendster Gegner geworden war, und ernannte sich, um seinem Ansehn ein größeres Gewicht zu geben, zum Präsidenten von Piauhy. Unter dem Vorwanbe, daß Fediä im Begriff stehe, nach Oeiras zurückzukehren, und daß es nöchig sei, die öffentlichen Gelder in Sicherheit zu bringen, bemächtigte er sich hieraus der Provinzialcasse, die damals angeblich sehr gefüllt war; doch soll über den größeren Theil derselben niemals Gardner's Rrism in Nrasilm> I>. 2 — 18 — genügende Rechnung abgelegt worden sein, und es ist außer Zweifel, daß der Baiao zu dieser Zeit den Grund zu seinem jetzigen bedeutenden Vermögen legte. Er berichtete über diese Schritte sogleich nach Nio de Janeiro und wurde von Dom Pedro als Präsident bestätigt und zum Range eines Obersten der Miliz erhoben, sein Bruder aber an Fediv's Stelle zum Oberbefehlshaber ernannt. Febi« wendete sich unter solchen Umständen unmittelbar nach Villa de Cachias, der blühendsten Stadt im Innern von Maranham, die noch immer treu an der portugiesischen Sache hielt, und behauptete diese Stellung mit zweihundert und fünfzig Mann elf Monate lang gegen die Kaiserlichen von Oeiras, die sich, ehe sie unter dem Präsidenten von Piauhy und dessen Bruder gegm ihn heranrückten, durch die bei Campo Maior geschlagenen Bewohner von Parnahiba und durch 2500 Mann aus der Provinz Cear^ verstärkt hatten. Er capitulirtc erst, als die Belagerten durch Hungersnoth zum Aeußersten getrieben waren, und wurde als Gefangener nach Ociras geführt. Von hier brachte man ihn nach Rio, wo er freigelassen und nach Portugal gesendet ward. Der Zug nach Cachias war ein zweiter Glücksum-siand, den der Präsident, wie man sagt, zu benutzen wußte; denn da fast alle Einwohner dieses Ortes Portugiesen waren und demnach die Vereinigung der beiden Länder wünschten, so wurden sie natürlich vcn den Vra- - 19 — silianern als Feinde behandelt und als solche ohne Gnade gemordet und geplündert. Um ihr Leben und Eigenthum zu retten, solien sich viele derselben mit großen Summen den Schutz des Präsidenten erkauft haben, und man will wissen, es sei ihm auf diese Weise ein bedeutender Reichthum zugeflossen. Nach seiner Rückkehr von Cachias erhob ihn der Kaiser zum Range eines Brigadegenerals und zum Baräo de Parnahiba. Er erhielt die unumschränkte Leitung aller Angelegenheiten der Provinz, wie sie ihm jetzt noch beiwohnt, und folglich wurden alle Stellen entweder mit Verwandten von ihm oder Leuten seiner Partei besetzt. Bei der Krönung des jetzigen Kaisers erhielt er den Titel eines Visconde. Eine der großen Quellen, welche in den erwähnten Provinzialschatz stießen, entspringt aus dem Verkaufe der Rinder, die man auf drei und dreißig der Krone gehörigen Fazendas zieht. Gegen Ende des siebmzekntm Jahrhunderts legte nämlich ein gewisser Domingo Alfonso in verschiedenen Theilen der Provinz eine Anzahl von Vieh-Höfen an und vermachte bei seinem Tode dreißig derselben den Jesuiten, damit sie deren Ertrag zu wohlthatigen Zwecken verwendeten; als aber die Jesuiten vertrieben wurden, sielen diese Fazendas nebst einigen anderen, die sie außerdem an sich gebracht hatten, dem Staate anheim. Es werden von diesen Besitzungen alljährlich im Durchschnitt gegen dreitausend Rinder verkauft; man überlaßt sie dem Meist- — 20 — bietenden, und obgleich ihr Werth nicht alle Jahre derselbe bleibt, so kann man doch LOW Reis (ungefähr fünfzehn Schillinge) als Durchschnittspreis annehmen. Durch eine zweckmäßige Vewitthschaftung könnte der Ertrag dieser Besitzungen bedeutend vermehrt werden. Von den drei hierbei angestellten Inspektoren erhält jeder einen Iahrgehalt von 300,000 Neis; außerdem wird jede Fa-zenda noch von einem Vaqueiro verwaltet, dessen Einkommen aus dem vierten Theile der jälnlich gezogenen Rinder und Pferde besteht. Es sind dieß gesuchte Dienste, da sich diese Leute bei freier Wohnung durch den ihnen zufallenden vollen Ertrag von den anderen Erzeugnissen der Fazenda, als Schafen, Ziegen, Schweinen, Kühen :c., in wenigen Jahren bedeutende Summen Geldes erwerben. Die Negierung versorgt sie mit Sklaven, die ihnen als Gehilfen in der Beaufsichtigung des Viehes zur Hand gehen und welchen sie dafür Nahrung und Kleidung geben müssen; die erstere aber erzeugen sie selbst, und die andere ist so karg und grob, daß sie nur unbedeutende Kosten verursacht. Kurz nach meiner Ankunft in Oeiras fanden in der benachbarten Provinz Maranham einige ernstliche Aufstande statt, und diese hinderten mich an der Ausführung meines ursprünglichen Planes, mich westwärts nach dem Rio Tocantins zu wenden. Der Hergang dieser Unruhen war in Kürze folgender. Im November 1838 entsendete — 2l — ber Prafect von Cachias vier Soldaten, um in dem gegen vierzig Legoas entfernten Arraial da Chapada einen Verbrecher gefangen zu nehmen; der Bruder dieses Menschen, «in Mestize Namens Raimundo Gomez, bekannter unter dem Namen „Cara preta" (Schwarzgesicht), hatte jedoch einen Haufen von neun Gefährten um sich gesammelt, mit welchen er diese Soldaten entwaffnete und zurücktrieb. Der Piafect schickte hierauf eine größere Anzahl von Soldaten ab; ader Raimundo hatte mittlerweile seine Bande durch mehre Landstreicher verstärkt, an denen das Innere Brasiliens niemals Mangel leidet, und die jederzeit lieber an einem Aufstande Theil nehmen, als einer regelmäßigen Beschäftigung folgen, und die Soldaten wurden auck dieses Mal zurückgeschlagen. Die Schaar der Aufrührer vermehrte sich durch flüchtige Sklaven, Indianer und anderes Gesindel, die nun eine systematische Plünderung begannen, indem sie die Fazendas überfielen und Alles davon schleppten, was ihnen anstand. Sobald der Präsident der Provinz von diesem Unfuge Kunde erhielt, sandte er. um die Rauber zu zerstreuen, dreihundert Soldaten aus, die sich aber nach einem Zusammentreffen bei Chapada aus Mangel an Kriegsbedarf an Raimundo ergeben mußten. Der Oberstleutnant, der sie befehligte, und der Hauptmann mußten über die Klinge springen, den anderen Offizieren und den Soldaten l«ß man jedoch die Wahl, mit den Insurgenten gemeinsame Sache zu machen, und der — 22 — größere Theil derselben soll sich gutwillig dazu verstanden haben. Raimundo brachte nun semen auf diese Weise angewachsenen Haufen in militamfche Ordnung und ernannte die gefangenen Offiziere zu seinen Secretaire«, da weder er selber noch einer seiner Anhänger lesen oder schreiben konnte. Es. ist erwiesen, daß er hierauf mit einer Partei in der Stadt Maranham in Briefwechsel trat, welche der monarchischen Rsgierungsform ein Ende zu machen wünschte, und aus dieser Quelle sollen Rai-mundo's Truppen heimlich mit Waffen und Kriegsbedarf versorgt worden sein. Die Aufrührer nahmen nun ihre Stellung an einem Orte Namens Brejo und wuchsen, besonders durch entlaufen« Sklaven von den benachbarten großen Vaumwollenpstanzungen, schnell zu einer bedeutenden Streitmacht an. Im April 1839 belief sich ihre Anzahl auf 5000 Mann, an deren Spitze außer Naimundo ein alter Indianer stand, der unter dem Namen O Balaio (der Korb) bekannt war, weil er früher seinen Lebensunterhalt durch Fertigung von Körben gewonnen hatte, die er in den Straßen von Cachias zum Verkauf herumgetragen. Gut bewaffnet zog hierauf das Heer der Rebellen nach Cachias, mit der Absicht, diese Stadt in Besitz zu nehmen. Die Besatzung derselben bestand damals nur aus zwanzig Soldaten unter dem Befehle eines Leutnants, doch griffen alle Einwohner augenblicklich zu den Waffen. Sie wurden sechs Wochen lang belagert, bis sie, — 23 — dem Hungertode nahe, am dreißigsten Juni capituliren wußten. Die Bedingungen dieser Capitulation forderten die Auslieferung aller in der Stadt befindlichen Kriegsvor» räthe, die aus 5000 vollständigen Armaturen und 800 Tonnen Schießpulver bestanden, und die augenblickliche Zahlung einer Summe, die so viel wie siebenzig Pcocmt von den Waaren jedes Kaufmanns und Kramers betrug. Der Prafect und verschiedene andere Hauptpersonen der Stadt mußten sich gefangen geben und wurden mehr« Monate in engem Gewahrsam gehalten. Da diese Unruhen hauptsächlich im Norden vowOeiras stattfanden, so gab ich noch immer die Hoffnung nicht aus, meine Reise nach Westen fortsetzen zu können, und ich rüstete mich eben zum Aufbruche, als mehre Personen aus einer kleinen Stadt Namens Pastos Voms anlangten, die westlich vom Nio Parnahiba unmittelbar auf meinem Wege lag. Von diesen erfuhr ich, daß eine Abtheilung der Nebellen von Cachias nach jenem Orte gekommen sei und vier Portugiesen und einen Brasilianer, die als Gegner der Empörung bekannt gewesen wären, ermordet und deren Familien ihrer sämmtlichen Habe beraubt hätte. Fast gleichzeitig kam die Nachricht nach Oeiras, daß Raimunde und sein He«, durch ihre Siege ermuthigt. im Begriff waren, von Cachias gegen diese Stadt heranzurücken. Der Varao de Parnahiba, der schon vorher Truppen ausgehoben hatte, um sie zum Entsatz nach Cachiaö zu senden, - 24 — verdoppelte jetzt seine Bemühungen, und die Stadt füllte sich mit bäuerlichem Kriegsvolk, das hier die nöthigen Exercitien machen mußte; es war ein buntscheckiges Gemisch von Leuten aller Größe, aller Farben und in der verschiedenartigsten Bekleidung, meist aber mit ledernen Hüten, Jacken und Hosen angethan. Wie es schien, war Raimundo's beabsichtigter Angriff auf Oeiras nicht sogleich zu befürchten, und so erhielten in den ersten Tagen des Julius sechshundert Mann dieser Truppen, unter dem Major Clementine Marlins, dem Neffen des Barons, den Befehl zum Aufbruch, um sich mit einer anderen Streitmacht zu vereinigen, die zum Entsatz von Lachias aus Cearü, und Pernambuco kam. Sobald die Rebellen von dieser Bewegung Kunde erhielten, wurde die unglückliche Stadt ungefähr von tausend Mann, welche dieselbe noch besetzt hielten, einer allgemeinen Plünderung unterworfen und eine große Anzahl der Einwohner, meist aus Portugiesen bestehend, ermordet. Cachias erhielt erst im Januar 1840 seine Ordnung wieder; noch länger aber dauerte es, bis in Pastos Voms und Brejo der Friede wieder hergestellt war. Dieser Aufstand, in welchem vom Anfang bis zu Ende gegen 5000 Menschen ihr Leben verloren, kann als Beispiel der Empörungen gelten, die Brasilien zu einem Herde fast steter Unruhen machen und die Bemühungen derjenigen lahmen, welchen das Wohl ihres Vaterlandes wahrhaft am Herzen liegt. — 25 — Auf diese Weise an meiner Neise nach Westen gehindert, aber nicht geneigt, wieder umzukehren, beschloß lch, meine Richtung südwärts nach Rio de Janeiro durch die großen Binnenprovinzen Goyaz und Minas GeraLs zu nehmen, so schlecht ich auch mit den nöthigen Mitteln zu einem solchen Unternehmen versehen war, indem der Zustand des Landes einen Geldzufluß von der Küste her unmöglich machte. Aber ich verließ mich auf meinen Beruf, durch welchen ich zwar, wie ich wußt«, keine bedeutenden Summen verdienen, aber doch viel ersparen konnte; denn ick hatte bereits die Erfahrung gemacht, daß ich als Arzt überall, wo ich einsprach, ein willkommener Gast war. Es fehlte auch in südwestlicher Richtung nicht an Unruhen, und mir wurde daher von dem Varao be Par-ncchiba und anderen einflußreichen Personen in Oeiras die beabsichtigte Neise auf's Ernstlichste widerrathen, da mich dieses Wagestück leicht das Leben kosten könnte; aber mein eifriges Verlangen, durch ein bisher noch unerforschtes Land zu ziehen, bestimmte mich, diesem Rathe kein Gehör zu geben, und ich rüstete mich augenblicklich zum Aufbruche. Meine Absicht, die ansehnlichen Sammlungen, die ich zwischen Crato und Oeiras und in der Nähe des letzteren Ortes angelegt halte, nach Maranham zu senden und sie von dort nach England schissen zu lassen, war jetzt unausführbar geworden, und da wegen der bedeutenden Ent- — 26 — fernung von Oeiras nach Pernambuco oder Bahia nur wenig Handelsverkehr zwischen diesen Orten stattfindet, so wäre mir ohne einen glücklichen Zufall nichts Anderes übrig geblieben, als diese Schätze mit mir nach Rio zu nehmen. Ich brachte aus Pernambuco Empfehlungsbriefe an einen jungen Advocaten, Dl-. Casimiro Jus« de Moray's Sarmento. mit, der in Oeiras, seinem Geburtsorte, «in kleines Amt bei der Regierung bekleidete. Es war ein Mann von ausgezeichneter Bildung und seltener Herzensgut«, mit dem ich bald eine innige Freundschaft schloß, und der mir seine werthvolle, aus portugiesischen, franzosischen und englischen Werken besiehende Bibliothek, die er aus Pernambuco, wo er studirt hatte, mit hierher gebracht, zur freiesten Benutzung überließ. In demselben Augenblicke, wo ich im Begriff stand, Oeiras zu verlassen, entschloß auch «r sich Plötzlich zur Rückkehr nach Pernambuco und war sogleich dazu bereit, meine Sammlungen mitzunehmen, die ich denn auch, da sie in solcher Weise ver, packt waren, daß sie nur eine einzige Ladung bildeten, auf einem meiner eigenen Pferde mit ihm abgehen ließ. So viel ich erfahren konnte, war dieser Theil des Landes bis jetzt nur von einem einzigen Englander besucht worden. Mehre Einwohner erinnerten sich noch an Spix und Martius, und der alte Vamo, der damals freilich noch ein unbedeutender Mann gewesen war, zeigte mir das Haus, wo sie gewohnt hatten. Ich wurde während — 27 __ der vier Monate, die ich in Oeiras verlebte, von allen Klassen mit so großer Artigkeit und Gastfreundschaft behandelt, wie noch in keiner anderen Stadt dieses Landes. Ganz besonders verbindlich bewies sich der Barao, indem er mir nicht nur eine Wohnung verschaffte, sondern auch Meine Pferde nack einer seiner Fazendas auf die Weibe schickte und mich selber hausig zu Tische lud. Er speiste ganz nach der Sitte der alten Barone an einer langen Tafel, die in einem großen Zimmer von einem Ende zum anderen reichte, und an deren Spitze er selber auf einem Stuhle thronte, wahrend seine Gäste auf langen, an den Seiten stehenden Bänken saßen, deren unterste Plätze nicht selten von seinen geringsten Hirten besetzt waren. Unter vielen Anderen, welchen ich für unzahlige Gefälligkeiten verpflichtet bin, nenne ich noch den Lapitain Antonio de Mo-ra«s, den Vater meines jungen Freundes, und einen Ca-pitain Faria; ja mir soll mein Aufenthalt in dieser Stadt als einer der angenehmsten Zeitpunkte meiner Pilgerfahrt in Brasilien für immer unvergeßlich bleiben. In den Nachmittagsstunden des zweiunbzwanzigsten Julius sagten wir Oeiras Lebewohl und traten unsere Landreise nach Rio an, etne Reise, die mir, so beschwerlich und mühsam sie auch sein mochte, eine reichere Ernte neuer Dinge bot, als ich erwartet hatte. Es war meine Absicht gewesen, schon des Morgens aufzubrechen; aber während wir hierzu Anstalt trafen, kam einer von den — 28 - Männern, die ich gedungen hatte, uns bis an die südliche Gränze von Piauhy zu begleiten, und meldete mir, daß er sich anders besonnen hätte. Ich wendete mich, um einen anderen zu erhalten, augenblicklich an den Baräo und sobald dieser erfahren hatte, was mir begegnet war, ließ er jenen Mann zurückbringen und ihn, als er sich noch immer weigerte, in's Gefängniß führen. Hierauf erbot er sich, mir einen Soldaten zur Verfügung zu stellen, und ließ sogleich «inen herbeiholen, dem er die Versicherung gab, daß er bei seiner Rückkehr, sobald er mir treulich gedient habe, seine Entlassung erhalten sollte. Der Mann gefiel mir nicht recht, denn er hatte das abstoßendste Meuchlergesicht, das ich je gesehen habe; aber ich konnte nicht umhin, seine Dienste anzunehmen, obgleich ich am Ende froh war, als ich mich ihrer wieder entledigt hatte, denn einen unverschämteren, fauleren und trotzigeren Burschen halte ich wahrlich noch nie in meinem Dienst gehabt, Capitain Moray's und mehre andere meiner Freunde gaben mir eine Legoa weit das Geleite und wünschten mir dann mit herzlichen Worten eine glückliche Rückkehr in mein Vaterland. Eine Legoa weiter schlugen wir unter einigen großen Bäumen am Ufer eines Flüßchens unser Nachtlager auf. Der Weg führte uns in fast südlicher Richtung durch ein schönes Gelände mit manchfaltigen parkarligen Landschaften. Die hier sehr häusig vorkommenden Cbapa-bas, große fiache Strecken, sind nur mit dünner Waldung - 39 — bedeckt, und diese besteht aus dem Nierenbaum (^nneai--lllum oeoilielitai«), der Iatobli (ll^nen-,«»), der Pa-^ahiba (8imgrul)3, vLrsieolor) und der I^oilia lul'z;^ (valverlia «onvnliarilxiara), einem schönen Baume mit großen Blättern und lieblich duftenden Blüthenahren, den Blüthen der Roßkastanie nicht unähnlich. Da wir jetzt ganz beständiges Wetter hatten, so übernachteten wir gewöhnlich im Freien, indem wir unsere Hangematten zwischen Bäumen aushingen. In geringer Entfernung von Oiiras berührten wir einige der Staats - Fazendas und hatten auf einer derselben Gelegenheit, das Verfahren ken« nen zu lernen, wodurch die Vaqueiros ihr Rindvieh em-fangcn, das fast wild in großen Heeroen herumstreift. In den südlichen Provinzen fangt man es mit dem Lasso und dem Bolas, da man sich derselben in den freien Gegenden jener Districts ungehindert bedienen kann, was allerdings im Norden nicht der Fall ist. Das hier ge, brauchliche Werkzeug besteht in einer dünnen, neun bis zehn Fuß langen Stange, die an dem einen Ende etwas dicker als an dem anderen und an diesem dickeren mit einem viereckigen, scharfen und nur um einen halben Zoll hervorstehenden Eisen versehen ist. Auf seinem Pferde sitzend und mit dieser Stange in der Hand, sprengt der Va-queiro in gestrecktem Galopp dem auserwählten Thiere nach, das er bald erreicht und, während es im vollen Laufe begriffen ist, durch einen gegen die Lende geführten Stoß - 30 — seiner Lanze sehr leicht zu Boden streckt, worauf er, ehe es sich wieder erheben kann, vom Pferde springt und es gefangen nimmt. Auf diese Weise werden hier fast alle Rinder «ingefangen. Es gibt keine Granzzaune zwischen den verschiedenen Besitzungen, aber jeder Fazendeiro brennt seinen Pferden und Rindern, ehe er sie frei herumfchwei-ftn läßt, sein eigenes Zeichen auf, woran sie natürlich leicht zu erkennen sind. Mit dem Rindvieh der Provinz Piauhy werben zum größten Theile die Markte von Ma-ranham, Bahia und Pernambuco versorgt, und dann und wann treibt man es auch nach der Provinz Minas Geraös. Es ist gewöhnlich sehr groß, von sehr verschiedener, obgleich am hausigsten von brauner Farbe, und mit langen, spitzigen, weitausgebreiteten Hörnern versehen. Wir übernachteten auf einer jener Staats-Fazendas, wo ausschließend nur Pferdezucht getrieben wurde, und der Vaqueiro sagte mir, daß sie jährlich gegen vierhundert Füllen erzeuge. Die Pferde von Piauhy sind gewöhnlich klein und nicht sehr langlebig, da sie selten ihr zehntes oder zwölftes Jahr überschreiten; am schnellsten werden diejenigen hingeopsert, die man auf den Fazendas zum Hetzm des Rindviehes braucht. Die Reitpferde werden auf's Sorgfaltigste abgerichtet und an einige sehr angenehme Paßgange gewöhnt, aber niemals beschlagen, was hier auch wirklich weniger nothwendig ist als in vielen anderen Provinzen, denn die hiesigen Wege sind meist eben und weich. Der Preis für ein — 31 — gutes Arbeitspferd, das heißt ein solches, welches sich dazu eignet, auf einer Reise eine Bürde zu tragen, beträgt selten mehr als drei Pfund Sterling. Wir befanden uns jetzt in der Gegend, die man in Piauhy mit dem Namen Campos Agrestes bezeichnet. Diese Campos sind theils offen, theils bewaldet; die offenen Strecken sind mit einem groben ausdauernden Grase bedeckt, tragen aber dennoch einige Bäume, die aber alle Mehr oder weniger ihr Laub verlieren. Die einzige Ausnahme darunter ist eine wahrhaft immergrüne Gattung des Zizyphus, unter dem Namen Ioazeira bekannt, die nicht eben sehr groß ist, aber weit sich ausbreitende Aesie trägt, welche uns wahrend der Tageshitze hausig eine erquickliche Zuflucht boten. Auch die Rinder lieben den Schatten dieses Baumes, sowie auch seine süße fleischige Frucht von der Gestalt einer Kirsche, die in großer Menge wächst und, wenn sie reif ist, herabfallt. Diese Frucht heißt Iou und wird auch von den Einwohnern genoffen. Viele Bäume dieser Landstrecken haben ein verbutteles Ansehen, indem sie knorrige und gekrümmte Aeste tragen. Zuweilen stößt man in diesen Campos Agrestes auf große Sumpfgegenden, und in letzteren wachsen Gruppen von Vu-liti-Palmen, deren weiche Früchte drei schönen Macaoarten, welche diese Bäume in großer Anzahl umschwärmen, als Hauptnahrung dienen. Diese Vögel fliegen gewöhnlich paarweise und zerreißen die Luft mit ihrem lauten — 32 — AtÄ-Arä-Arä-Geschrei. Daher ihr indianischer Name Arära. Einer der gewöhnlichsten von ihnen ist ganz blciu (?5ll,!:lLU8 l>^»oi»t,l>mu5, I^), die sich am Strande in dem seichten Wasser sonnten. Außerdem sahen wir auch viele Capivaras (Uvlirottlinerl^ s^»^-vnr»), wovon eine aus fünfzig Individuen bestehende Schaar ungefähr hundert Schritte vor uns über den Weg lief und dann durch das Wasser nach dem jenseitigen Uftr schwamm. Der See war an vielen Stellen mit den großen, schwimmenden Blattern einer Wasserlilie (^mp^ea) bebeckt, die unglücklicher Weise nicht blühte. Während der Gardner's Reisen in Brasilia, ll. I - 34 — Nacht hörten wir, wie die Capivaras nahe bei dem Hause, wo wir schliefen, m's Wasser sprangen, und man sagte mir, sie würden, weil sie kein wohlschmeckendes Fleisch besaßen, nur selten beunruhigt. Sie sind daher in dieser Gegend sehr zahm. Ich wollte mir den Schädel eines solchen Thieres verschaffen und ging daher srüh am nächsten Morgen mit meiner Flinte aus, aber ich wanderte säst eine halbe Legoa längs dem Ufer, ohne eines zu Gesicht zu bekommen; dagegen sah ich zahlreiche Alligatoren, und ein sehr großer, der nicht weit vom Ufer wie ein alter Baumstamm auf dem Wasser schwamm, lag allzu verführerisch im Schusse, als daß ich hätte vorübergehen können, ohne abzudrücken. Meine Flinte war mit grobem Schrot geladen, und ich feuerte auf den Kopf des Ungeheuers, worauf es einen Sprung nach dem tiefen Wasser that und sich dann, scheinbar tobt, auf den Rücken warf. Ich war wirklich der Meinung, das Thier verletzt zu haben, und beauftragte daher Manoel, meinen indianischen Diener, es an's Land zu ziehen. Er watete bis an's Knie in's Wasser und versuchte das Thier am Schwänze zu fassen, als es sich Plötzlich umwendete und verschwand. Ich weiß nicht, wer von beiden am meisten erschrak, denn Manoel stieß einen lauten Schrei aus und beeilte sich, das vest« Land zu erreichen; der Alligator aber war offenbar nur betäubt gewesen. - 35 — Es fanden sich einige seltene Wasserpflanzen auf die-f«m See, so eine neue^ Gattung der Cabomba (l^Iwmba kiaun^enzi», Lar^n.) und eine schöne, gelbblumige Iussiäa (^U88i»ea 8eäms. Die Chapada da Manga-beira. Die indianische Mission Duro. Schilderung dieser Indianer. Ihre bebensweise. Cachoeira. Die Serra do Duro. Ucbergang über den Fluß ManorlAlves. Ankunft in Almas. Galheiro morto. Morhinos. Uebcrfiuß an lvildcm Honig. Werschiedcne Arten von Bienen. Nossa Senhora do Amparo. Unglücksfälle. Mato Virgem. Kröpfe. Die Sklaven eines Geizigen. Socicdadc. Arrayal da Cha-pada. Natividade. Nur mit Mühe konnte »ch in Paranaguä, einen Ersatzmann für den Soldaten finden, der uns von Oeiras begleitet hatte. Der Zufall führte mir einen Mulatten in den Weg, welcher mit einer großen Rinderheerde aus Goyaz gekommen und daher mit den Pfaden durch das «infame Land, das jetzt vor uns lag, bereits bekannt war. Wir verließen Paranaguä. am neunundzwanzigsten September, und unsere Reise in fast südlicher Richtung fortsetzend, erreichten wir am siebenten October eine kleine, Gardner's Reisen in Vrafilim ll. H - 50 - ungefähr sechs und zwanzig Legoas entfernte Fazenda, Namens Saco do Tcinque. Es war zu später Nachmittags-stunbe, als wir von Paranagu« aufbrachen, und da es bei unserer Ankunft an dem oberen Ende des See's schon zu dunkeln begann, so schlugen wir hier unter einigen Bäumen unser Nachtlager auf. Gegen Morgen wurde es uns so frisch in unseren Hängematten, daß wir sie eiligst verließen, um uns an einem großen Feuer zu wärmen, welches unsere Leute die ganze Nacht unterhalten hatten. Auf unserem Ritt längs dem Ufer des See's sahen wir mehre Capivaras und Alligatoren, die bei unserer Annäherung m's Wasser schlüpften. Bald nach unserer Abreise von Oeiras wurden wir von einer Art Schaflaus sehr geplagt, welche die Brasilianer Carrapato nennen. Dieses Insect nistet sehr zahlreich in trockenen Gebüschen, wo es sich an die kleinen Zweige setzt; es ist anfänglich nur klein ((^i-rgpalo miliö«) und zeigt sich in Haufen von vielen Hunderten, welche sich, sobald ein Thier vorübergeht und sie berührt, augenblicklich anhangen und ihre Sauger so tief in die Haut bohren, daß sie nur schwer wieder herauszuziehen sind. Läßt man sie sitzen, so wachsen sie bis zur Größe ewer gewöhnlichen Roßbohne und darüber; ihr Körper vergrößert sich selbst auf Gras und Büschen, doch haben sie dann ein plattes Ansehen. In dieser Gestalt nennt man das Insect l^srapIlo Franäe. Spix und Mar- — 5l — tius halten die große und die kleine Art für zwei verschiedene Gattungen, mir aber scheint es unzweifelhaft, daß sie «in und dasselbe Insect in verschiedenen Abstufungen sind. St. Hilaire und die Einwohner sind derselben Meinung. Die kleinen Carrapalos zeigen sich in den Districten, die von ihnen heimgesucht sind, nur zu Anfange der trockenen Jahreszeit, bei weiterem Vorrücken derselben verschwinden sie allmalig, und an ihrer Statt erscheinen die größeren. Sie setzen sich ohne Unterschied auf alle vierfüßige Thiere, doch haben Pferde und Ochsen am meisten von ihnen zu leiden, und während der trockenen Jahreszeit gibt es ihrer in solcher Unzahl, daß in Folge der Erschöpfung, welche sie verursachen, ganze Rinderheerden zu Grunde gehen. Sobald jedoch das Thier, auf welchem sie leben, bis zur Regenzeit sich erhalten kann, kommt es bald wieder zu Kräften, da die Nässe den Carrapatos verderblich ist. Ich habe häusig bemerkt, daß Pferde, die von diesen Geschöpfen geplagt waren, fast gänzlich davon be-freit wurden, sobald sie über einen breiten Fluß geschwommen; auch waren einige Pferde dieser Plage mehü unterworfen als andere. Die trockene buschige Gegend über Paranaguä wimmelte von diesem Ungeziefer, und wir halten fast jeden Abend, ehe wir uns in unsere Hängematten legen konnten, Hunden« davon aus unserer Haut zu bohren. Unsere Leute litten mehr als Herr Walker und ich selber, da sie zu Fuß und bis an die Kniee herauf 4* __ ^2 __ nackt gingen. Auf meinen botanischen Wanderungen in die Nachbarschaft unserer Lagerplätze wurde ich gewöhnlich von diesen Thierchen völlig bedeckt, und ich mußte die Kleider wechseln; doch konnte man die von ihnen eingenommenen Gegenstände, nachdem sie eine Viertelstunde an der Sonne gelegen, wieder anziehen. Ein kleiner Lieblingsasse, den ich einige Tage nach unserer Abreise von Oeiras von einem alten Indianer bekam, hatte ebenfalls von diesen Insecten viel auszustehen. Vollkommen ausgewachsen gleicht ein großer Carrapato dem reifen Samenkorne des Ricinus, und die Wunde, welche zurückbleibt, wenn man sehr große Exemplare dieses Ungeziefers aus d« Haut zieht, wird häusig zu einem bösen Geschwüre. Der Carraparo gehört zum Geschlecht ^xo^es, I^alreille. Obgleich die Gegend zwischen Paranaguü und Saco do Tanque verhaltnißmaßig eben ist, so findet doch eine sehr merkliche Steigung statt, und obgleich die Vegetation ziemlich denselben Charakter tragt, wie diejenige anderer Catingttdistricte, so bemerkte ich doch viele mir völlig neue Sträucher und Bäume. Es befanden sich in dieser Jahreszeit nur wenige in ihrer Blüthe, und die merkwürdigste Erscheinung unter diesen war ein Baum von bedeutender Größe, den die Einwohner Sicupira nennen und der, wie ich spater fand, bis weit in die Provinz Goyaz sich «r, streckt. Er gehört zu der natürlichen Ordnung der Legu. minosen und ist erst neuerlich von Benlham unter dem — 53 — , Namen dommilobium z»alvz;u1aet!<)rum beschrieben worden. Man erkennt ihn schon in weiter Ferne an seinen zahlreichen lilafarbigen Vlumemispen. Ein in seiner Frucht enthaltenes Oel wird von den Einwohnern als Linderungmittel gegen den Zahnschmerz gebraucht. Sehr gewöhnlich war außerdem ein großer, alles Laubwerks entkleideter Seidenbaumwollenbaum (Lom!»ax); auf einem fand ich jedoch einige Blüthen von ungeheuerer Größe, denn sie hatten, vollkommen ausgebreitet, wohl anderthalb Fuß im Durchmesser. Die Blumenblätter waren äußerlich dunkelbraun, im Inneren aber weiß. Bei einer Fazenda Namens Riacho d' Area, wo wir eines Tages hielten, sah ich eine Anzahl großer Palmenbaume, und an ihren Stämmen bemerkte ich eine große dickstammig« Orchidee, eine Gattung des <^rlopl»l ^»-tural tMlol-;," Bd. III. S. l. D. V. - 5ft - kamen näher heran, als sie das unheimliche Geschrei dieses wilden Waldbewohners hörten; selbst diejenigen, die ich von der Küste mitgebracht hatte, folgten dem Beispiele der anderen, obgleich sie, wie ich gewiß wußte, noch nie von solchen Thieren waren überfallen worden. Die Fazenda d« Saco do Tanque liegt unmittelbar an der Gränzlinie zwischen der Provinz Piauhy und dem südwestlichen Theile der Provinz Pernambuco, im District des Rio Preto. Bald nach unserem Eintritts in diesen District erreichten wir ein erhöhtes Tafelland, Serra de Ba-talha genannt, das wir übersteigen mußten. Es ist von gleicher Höhe mit der Serra de Araripe bei Crato und wie diese mit einer immergrünen Vegetation bedeckt. Der Abhang ist sehr rauh, da er aus großen Blöcken eines groben weißen Sandsteines besteht, welcher dem Anscheine nach das Gestein des Gebirges bildet. Am Fuße dieser Serra und an dem AbHange machte ich seit unserem Aufbruche von Oeiras die schönsten Erwerbungen für meine Pflanzensammlungen. An feuchten, sandigen Stellen des Flusses wuchsen einige jener schönen großblumigen, kleinblätterigen Melastomaceen, die in den Gold- und Diamanten-Districtcn so häufig sind, und auf Sandflecken höher hinauf fand ich in ungeheuerer Menge eine Art Muscalnuß (H^riz^n), die nicht über drei Fuß hoch wächst. Die Bäume auf der Chapada selber bestanden hauptsächlich aus dem Nierenbaum, dem Piki, der Ia-t»M, Mangaba, Sicupira, 6omp!,ia Ilexasperm» und — 57 — einer baumartigen Bignoma; aber unter diese zerstreut gab «s viele schöne Bäume und Sträucher, die ich bisher noch nicht bemerkt hatte. Der jenseitige Abhang der ungefähr brei Legoas breiten Chapada war sehr abgedacht und versank endlich in eine sumpfige, mit Buriti-Palmen bedeckte Ebene. Die ganze Gegend hatte ein sehr verschiedenes Ansehen von jener, welche hinter uns lag, denn das Auge erquickte sich nun wieder an einem frischen grünen Pstan-zcnleben, nachdem es sich so lange an entlaubte Baume und einen nackten rothen Lehmboden hatte gewöhnen müssen. Alle Walder waren immergrün, und zwischen den Gruppen der edlen Buriti - Palmen und den bewaldeten Theilen des Landes lagen offene sumpfige Campos, mir Gras und anderen, in sumpfigen Landstrichen gewöhnlichen Kräutern bedeckt. Wir befanden uns jetzt in einer Gegend, welche hausigen Einfällen wilder Indianer ausgesetzt ist, und viele von den einsamer gelegenen Wohnungen waren um deßwillen kurz vor unserer Ankunft von ihren Besitzern verlassen worden. Als wir ungefähr eine halbe Meile längs dem Saume der ersten offenen Landsirecke, die wir erreichten, geritten waren, lag eine dieser verlassenen Wohnungen vor uns, und etwas weiter hin hielten wir vor einer anderen, die ebenfalls unbewohnt war. In Saco do Tanque anlangend, erfuhren wir, daß diese Hauser nur deßhalb verlassen worden wären, weil die Indianer vor einigen Monaten ein anderes, — 58 - das gegen zwei Legoas westlich lag, überfallen, und alle seine Bewobner ermordet hälten. Ich halte viele meiner neuesten Sammlungen zu ordnen, und da dieß außerdem ein günstig« Ort zum Votanisiren zu sein schien, so wurde hi«r einen Tag lang gerastet. Auch gab es eine gute Weide für unsere Pferde, und ihnen sowohl als uns selber war Ruhe nöthig. Meine kurzen Ausflüge in die Umgegend täuschten mich nicht, denn ich fand mehre merkwürdige Pflanzen, die von allen, welche ich seither entdeckt halte, gänzlich verschieden waren; es gab darunter ein Eryngium, eine Iuffiäa, die einen kleinen, ungefähr zwanzig Fuß hohen Baum bildete, einen Baumfarn, den einzigen, der mir seit der Abreise von Crato vorgekommen war, und einige merkwürdige Eriocaulen, die in Sümpfen wuchsen. In dem verlassenen Haus«, in welchem wir uns einquartirten, wurden wir auf's Furchtbarste von Mosqui-tos und Chigoes (Licno äo ?«) gepeinigt. Von Batalha — so hieß der Ort, wo wir gelagert hatten, — brachte uns eine Reise von drei langen Legoas zu der Fazenda Santa Rosa. Wir hatten nur eine kleine Strecke zurückgelegt, als wir ein anderes, aber niedrigeres Gebirge als die Serra Batalha ersteigen mußten, dessen Gipfel eine Chapada von der Breite einer Legoa bildete. Nachdem wir dasselbe überschritten hatten, führte uns eine sehr allmälige Steigung auf eine dritte Hochebene, die wegen des dichten Waldes, womit sie bedeckt ist, Serra — 59 - do Mato Grosso heißt. Diese drei Gebirge möchten richtiger für ein einziges großes, als für verschiedene Bergrei-h«n gelten, da der Abhang der letzteren eben so hoch erschien als jener der ersten und beide bedeutend größer waren als die zwischenliegenden; auch war die Süd- wie die Nord-seite mit großen Sandsteinblöcken bedeckt. Wir gelangten letzt in das Thal Santa Rosa, das sich ungefähr anderthalb Legoas nach Süden erstreckt. In der Mitte fließt ein Bach mit dem klarsten Wasser, und zu beiden Seiten erhebt sich eine Reihe hoher schöner Buriti-Palmen, welche ungeheueren Schaaren jener bereits erwähnten drei Macao-arten Schutz und Nahrung bieten. Am oberen Ende des Thales liegt «in großer See und in der Mitte ein anderer, von dem erwähnten Bache gespeißt und theils von Buriti-Palmen, theils von einer weit kleineren Palmenart umgeben, die jener sehr ahnlich, deren Stamm aber dicht wit langen scharfen Dornen bedeckt ist. Man nennt diese Gattung Buritizana, und ich fand sie nachher sehr hausig m den sumpfigen Campos der Provinz Goyaz. Dieses anmulhige Thal ist an seiner breitesten Stelle, wo dieFa-zmda dieses Namens liegt, eine Legoa breit und wird auf der Nordwestseite von der Serra bo Avramento umschlossen, welche von derselben Höhe ist wie die Serra do Malo Grosso, die es auf der Nordostseite begranzt. Kurz nachdem wir den Abhang des Gebirges erreicht hatten, hielten mich die vielen neuen Pflanzen, die hier — 60 — wuchsen, «me große Strecke hinter meinem Reisezuge zu« . rück; doch da dieß sehr häusig der Fall war, so trurde von meinen Leuten nicht darauf geachtet. Ich behielt selten Jemand bei mir, denn mein Auge war durch lange Uebung daran gewöhnt, aus den Fußstapfen der Pfttd« und Leute die Spur meiner Karawane zu erkennen, und da überdieß dieser Weg seit langer Zeit von keinem Reisenden betreten worden war, so schien kaum eine Möglichkeit vorhanden, ihn zu verfehlen. Aber ich ward getäuscht; denn obgleich ich jene Fußstapfen bis zu dem unteren Theile des oberen See's verfolgte, wo der Boden sehr weich und von Rindern und Pferden zertreten war, welche, um zu saufen, hierher kamen, so wollte es mir doch jenseit dieser koth-ig«n Stelle, die einen bedeutenden Umfang hatte, trotz langer Mühe nicht gelingen, die Spur meiner Leute wieder aufzufinden. Es ist Herkommen unter den Reisenden in diesen einsamen Theilen Brasiliens, daß derjenige, welcher zufällig zurückbleibt und die Spur seiner Gefährten verliert, in d«r Nah« des Ortes sich aufhalte, wo er dieselbe zuerst vermißt hat, damit man ihn desto leichter wieder auffinden könne. Hiernach mich richtend und vest überzeugt, haß vor Anbruch der Nacht einer von meinen Leuten mich suchen würde, kehrte ich nach dem Fuße der Serra zurück. Unter einigen schattigen Bäumen am Wege stieg ich ab, und nachdem ich meinem Pferde mit dem Zügel die Vor« derfüße gebunden hatte, damit es grasen, aber nicht davon - 61 — laufen könne, setzt« ich mich unter einen dieser Bäume, um die auf meinem Morgenritte gesammelten Pflanzen zu untersuchen. Ich befürchtete nichts weiter, als daß mich zufällig einer von den wandernden Indianerstämmen überraschen möchte, die in den benachbarten Wäldern hausen Und in Folge der Verfolgung, welche sie von den Brasilianern erlitten haben, jeden Weißen für ein rechtmäßiges Iagdlhier halten. Erst spät am Nachmittage sandte Walker einen unserer Leute nach mir zurück, und als wir an die Stelle kamen, wo ich ihre Spur verloren hatte, erwies es sich, daß sie auf einem schmalen, ganz mit langem Grase bedeckten Pfade nach der anderen Seite des See's gezogen waren. Da wir in Senhor Antonio Iozv de GuimaraenS, dem Besitzer der Fazenda Santa Rosa, einen sehr artigen und gefälligen Mann kennen lernten, so beschloß ich, einige Tage hier zu bleiben, um die nöthigen Vorbereitungen zu nieiner Reise zu treffen, welche uns gegen vierzig Legoas weit durch ein völlig unbewohntes Land fühlte. Ich ordnete meine zwischen Paranaguä und Santa Rosa erworbenen Sammlungen, hatte aber nicht geringe Mühe, «in neues Pferd zu erhandeln. Unser Wirth konnte keines entbehren, das meinem Zwecke entsprochen hätte, aber «r begleitete Herrn Walker sehr zuvorkommend nach einer fünf Legoas entfernten Fazenda und half ihm daselbst eines kaufen. Unsere Zehruorräthe wollten ebenfalls er- — 62 — neuert sein, und «s wurde zu diesem Zwecke «in Ochse gekauft und sein Fleisch an der Sonne getrocknet. Fa» rinha war in Santa Rosa nicht zu bekommen, aber unser Wirth ging selbst nach einer anderen Fazenda, gegen vier Legoas östlich, um einen Vorrath davon für mich einzukaufen. Die zur Fottschaffung meiner Sammlungen nöthigen Futterale von Thielhaut aber mußten wir uns unter Walker's Anleitung selber fertigen, der in Allem, was zur Ausrüstung des Reisezuges gehörte, sehr erfahren war. Wahrend der zwölf Tage. die wir an diesem Orte zu verweilen für nöthig fanden, versäumte ich keine Gelegenheit, meine Sammlungen durch Ausflüge in die Nachbarschaft und besonders nach den das Thal umschließenden Gebirgen zu vermehren. Am Ufer eines Bächleins, in geringer Entfernung vom Haufe, wuchs einer der schönsten Bäume, die ich je alleinstehend gesehen habe. Es war eine Gattt ung der Qualea mit einem nackten, geraden, ungefähr hundert Fuß hohen Stamme und weit sich ausbreitenden Aesten am Gipfel. Da er bald nach unserer Ankunft zu blühen begann, und es kein anderes Mittel gab, einige Exemplare zu erlangen, als den Baum zu fallen, so war Senhor Guimai^ens, als er meinen Wunsch vernommen halte, augenblicklich hierzu bereit. Nachdem er selber und zwei meiner Leute zwei Stunden gearbeitet hatten, fiel der schöne Baum, dessen Vernichtung mein Bedauern erweckte, mit furchtbarem Krachen zu Boden. - 63 — Es war am Morgen d«s emundzwanzigsien Septembers, als wir von Santa Rosa aufbrachen, und nach einer Reise von drei Legoas erreichten wir das nördliche Ufer des Rio Preto, von welchem der District seinen Namen hat und der, auf der Ostseite der Serra do Duro entspringend, eine kleine Strecke über Villa da Barra in den Rio de San Francisco fällt. Nachdem wir dem Laufe dieses Flusses stromabwärts eine Viertelmeile weit gefolgt waren, gelangten wir zu der Fähre, auf welcher man nach der Fazenda Santa Maria am jenseitigen Ufer schifft. Der Fluß ist hier ungefähr dreißig Ellen breit, sehr tief und reißend. In einiger Entfernung erscheint das Wasser so schwarz wie Tinte, und daher jener Name. in der Nahe aber ist es so klar, daß man bis aus den tiefsten Grund sehen kann, und wir fanden ihn von vielen schönen Fischen belebt. Unser Gepäck wurde von einem alten Indianer in einem Kanoe hinübergeschasst, welches so klein war, daß es auf «in Mal nur eine einzige Pferdelabung aufnehmen konnte. Wir verzehrten unser Mit' tagsmahl unter den breiten Aesten eines Nierenbau-nies, obgleich derselbe nur einen mangelhaften Schutz Men die Strahlen der Sonne gewahrt, da er nie sehr dicht belaubt ist. Hierauf badeten wir in dem klaren Flusse und freuten uns der Aussicht, diesen Genuß mehre Tage lang wiederholen zu können, da unser Weg nach Westen längs seinem Ufer lief. Es gibt für einen Reisen- — 64 — den in tropischen Ländern keine größere Erquickung als häusige Abwaschungen in kühlem Wasser. Wir befanden uns nicht weit von dem Hause, an welchem die Indianer die bereits erwähnte Gewaltthat verübt hatten. Der Angriff war am Tage geschehen, während die Männer auf dem Felde gewesen, und die Wilden hatten, nackb.m sie das Haus in Brand gesteckt und drei Weiber getödlet, zwei Kinder als Beute davongeführt. Die Bewohner von Santa Maria theilten mir mit, daß sie in beständiger Angst vor den Indianern lebten und die ernstliche Absicht hatten, nach bevölkerteren Districten überzusiedeln. Diese Indianer haben ihren Aufenthalt gewöhnlich in bedeutender Entfernung nach Norbwesten und streifen nur in diese Gegend, wenn sie Wild verfolgen. Man nennt sie Cherentes. Jener Ueberfall war, wie man vermuthete, von einem Indianer ausgegangen, den man aus Versehen durch einen Schuß verwundet und der sich dafür mit Hilfe einiger Lcmdsleute zu rächen gesucht hatte. Der öde, gegen vierzig Legoas breite Landstrich, den wir jetzt zu durchschneiden hatten, um die Provinz Goya; zu erreichen, wird von den Einwohnern Os Geräts genannt. Er wird, ausgenommen von Viehtreibem, die aus dem Norden von Goyaz mit Rinderheerden nach Ba-hia ziehen, nur selten besucht; aber es führt ein Weg hindurch, und der Mulatte, den ich in Paranaguä in Dienst genommen, und der ihn schon einmal zurückgelegt hatte, - 65 - diente uns als Führer. Von ihm erfuhr ich, daß auf der ganzen Strecke nur eine einzige Wohnung zu finden sei, eine kleine Hütte, die von Zeit zu Zeit ein alter Mann, halb Indianer, halb Portugiese, bewohne; doch dieß that Mir keinen Eintrag, da ich mich für diese Reise mit hinlänglichen Lebensmitteln versorgt hatte. Die Geschichten, die dieser Mann von den Indianern erzählte, versetzten meine Begleiter in Furcht und Schrecken, und ich war demnach genöthigt, all meine Waffen in gehörigen Stand zu bringen, damit wir ein so furchtbares Ansehen gewönnen, a!s irgend möglich. Ich selber trug ein Paar Taschenpistolen außer denen in meinen Halftern und an meinem Gürtel ein großes Messer. Herr Walker war außer dem gewöhnli, chen Dolchmeffer der Brasilianer mit einem kleinen Säbel, und jeder meiner Leute mit einer Flinte bewehrt, aber glücklicher Weist hatten wir von diesen Waffen keinen Gebrauch zu machen. Die hiesigen Einwohner haben «ine gewaltige Scheu vor dieser menschenleeren Landsirecke, und ehe ich sie betrat, wurde ich hausig gefragt, ob mir nicht bange, mich mit so wenig Begleitern dahin zu wagen. Ihre Furcht ist meiner Meinung nach zum großen Theil eine Folge ihrer Feigheit, einer in allen von Mir besuchten Landestheilen sehr gewöhnlichen Erscheinung. Ich für meine Person war allzusehr mit dem Gedanken an die reiche Ernte neuer Naturerzeugnisse beschäftigt, welche ich zu sinden hoffte, als baß ich mich viel um Gardner's Mism in Brasilien ll. H — 66 - dies« Gefahren hätte kümmern können. Das ganze Land, das ich von der Küste bei Aracaty aus bereist hatte, war jungfräulicher Boden für den Naturforscher, mit Ausnahme von Oeiras, daS bereits von Spix und Martius auf ihrer Reise von Bahia nach Maranham berührt worden war. Wir gelangten in die Geraös am Nachmittag desselben Tages, an welchem wir Santa Maria erreichten, aber der erste Theil unserer Reise war nichts weniger als glückverkündend. Unser Weg führte westwärts längs den Ufern des Rio Preto hin, der mit Buriti- und Buritizana-Palmen und vielen Blüthenstrauchern umsäumt war. Nachdem wir zwei Legoas zurückgelegt, bebeckte sich der westliche Himmel mit schwarzen Wolken, und kurz darauf hörten wir fernen Donner. Wir hielten am Ufer unter einigen großen Bäumen, aber der Sturm brach los, ehe wir uns den nöthigen Schutz verschafft. Es zuckten hellleuchtende Blitze aus den Wolken, der Donner rollte laut, und der Regen goß in Strömen herab. Zwei große Haute, die wir über uns an den Zweigen bevestigten, gewährten uns ein leidliches Obdach, und sobald der Sturm sich gelegt, vergrößerten wir unser Haus, damit wir, im Fall er zurückkehrte, ein« Zuflucht hätten, und es war gut, daß «ir dieß thaten, denn nachdem wir wie gewöhnlich unsere Hängematten zwischen den Bäumen bevestigt hatten, wurden wir gegen Mitternacht von einem furchtbaren Donnerschlage unmittelbar über uns geweckt, und ein heftiger Regen- __ 67 — guß nöthigte uns, in die Hütte von Häuten zu flüchten. Mir dünkte dieser Sturm grauenvoller als irgend ein anderer, den ich bis jetzt gehört hatte, aber dieses Gefühl wurde vielleicht durch die Abgeschiedenheit vermehrt, in welcher wir uns befanden. Man könnte mich fragen, warum ich kein Zelt bei mir führte. Ich hatte es thun können, aber ich machte es mir auf meinen Reisen zur Negel, mich nach den Gebräuchen des Landes zu richten, und im Norden Brasiliens wird es Niemandem einfallen, sich mit einem Zelte zu belasten. Längere Reisen werden in der Regenzeit vermieden, und da die trockene Jahreszeit mehr als sieben Monate dauert, so wird stets nur diese hierzu benutzt. Diese Gewitterstürme sind immer die Vorboten der heftigen, anhaltenden Regengüsse, ader wir hofften, bis dahin irgend eine Stadt im Norden der Provinz Goyaz zu erreichen, wo wir die Rückkehr der zum Neisen geeigneten Jahreszeit erwarten könnten. Am zweiten Tage legten wir eine Reise von sechs Legoas zurück. Zuweilen führte unser Weg durch dichte Wälder am Ufer des Flusses, zuweilen über offenes Wiesenland, wo sich Gruppen von Burili-Palmen erhoben, und dann wieder über leicht erhöhte Flächen, die mit niedrigem Gebüsch und vielen großen wunderlichen Baumlilien, Vel-lozien, bedeckt waren, an welchen ich vergebens nach Blumen spähte, da es deren hier nur in der trockenen Jahreszeit gibt. Des Mittags hielten wir eine kurze Rast in einer 5* — 68 - kunstlosen, von früheren Reisenden errichteten Hülle von Palmblattern an dem waldigen Saume eines schönen, ungefähr eine Viertelmeile in's Gevierte sich ausdehnenden Wiesenlandes. Spät am Nachmittage wurde der westliche Himmel verfinstert, und kurz nachher erschienen alle An: zeicken eines nahenden Gewittersiurmes. Wir ritten so schnell, als der Weg es gestattete, da wir von unserem Führer erfuhren, daß wir nicht sehr weit mehr bis zur Hütte eines alten Indianers hätten. Es begann zu blihen, und in der Ferne rollte der Donner; allmälig kam er näher, und der westliche Himmel war von Zeit zu Zeit vom Horizont bis zum Zenith mit einer einzigen blauen Flamme überdeckt, welche auf Augenblicke die zu Ende gehende Dämmerung in fast hellen Tag verwandelte. Dank unserem guten Geschick, das Unwetter nahm seinen Zug nach Norden über eine hohe, in jener Richtung liegende Serra, dann aber veränderte es seinen Lauf und folgte uns hart auf den Fersen. Es war völlig' Nacht geworben, als wir endlich die einsame Wohnung erreichten, und indem ich an die kleine Pforte ritt, trat der Eigenthümer mit einer Flinte in der Hand heraus. Er gab uns augenblicklich die Erlaubniß, für die Nacht den Schutz eines offenen Schuppens zu benutzen, und kaum war das Gepäck darin untergebracht und die Wetterseile mit einigen großen Häuten verhangen, als das Ungewit-ter in seiner ganzen Wuth zum Ausbruch kam. Ein - 69 - heftiger Sturmwind löschte schnell unsere Lichter aus, und wir mußten noch dankbar sein, daß er nicht das ganze Gebäude hinwegriß. Doch so unbehaglich diese Wohnung auch sein mochte, wir waren dennoch froh, wenigstens ein solches Obdach gefunden zu haben. Der alte Mann erzählte mir, daß er in beständiger Angst vor einem Ueberfall der Cherentes lebe. Er bewohnte diesen einsamen Ort seit drei Jahren, halle sich aber jetzt entschlossen, ihn in einigen Monaten zu verlassen. Seine Frau war vor einem Jahre gestorben, und er selber und drei kleine Kinder waren die einzigen Bewohner dieser Hütte. Er besaß zwei Häuser, wovon das beßte an dem einen Ende unseres Schuppens lag, aber er hatte nie darin gewohnt, weil die Indianer, wie er sagte, so oft sie ein Haus übersielen, es jedes Mal in Brand steckten und umzingelten, so daß Niemand entrinnen könne. Die Hütte, in welcher er hauste, lag etwas weiter davon entfernt und war nicht viel besser als ein Schweinestall, aber er sagte uns, er k^önn« von hier aus im Fall eines Angrisses sehr leicht in die Wälder flüchten. Auf einem kleinen Stück Landes baute er etwas Mandiocca, Mais, Baumwolle und Bananen. Er besaß keine eigenen Rinder, doch erfuhr ich nachher, daß er eine große Geschicklichkeit besitze, Ochsen aus den Rinderheerden zu stehlen, die dann und Wann auf ihrem Wege nach der Küste hier vorüberziehen. Drei Tage nachdem wir diese Wohnung verlassen hat- ^ 70 — ten, erreichten wir «ine Stelle, wo der Rio Preto die Provinz Pernambuco von der Provinz Goyaz trennt. Die Gegend, welche wir durchschnitten, war ziemlich von derselben Beschaffenheit wie der erste Theil der Geratz's, nur mit Ausnahme der letzten vier Legoas, welche durch ein wellenförmig erhöhtes und von baumartiger Vegetation entblößtes Gelände führten. Der Boden bestand aus einem weißen Sande und war m:r dünn mit Zwergsträuchern und kleinen trockenen Grasbüscheln bedeckt; nur hier und da stand ein kleiner verbutteter Baum unter den Büschen; in der Nahe des Flusses aber wurde die Gegend flacher und besser bewaldet. Trotz der dürren Beschaffen« heit dieser Strecke war dennoch ihr spärlicher Pstanzm-tvuchs mit wenigen Ausnahmen vollkommen neu für mich. Die feuchteren Sandstellen boten mir mehre jener seltenm Gattungen des Eriocaulon, die in meinen Sammlungen so hausig vorkommen, und eine davon, welche ich kurz vor unserer Ankunft bei dem Flusse entdeckte, war ungefähr fünf Fuß hoch und mit großen Zweigen versehen. Ich fand diese merkwürdigen Pflanzen nachher in großer Menge in dem Diamanten-District, dem großen Mittelpuncte der Eriocau!en wie der Vellozien ober Vaumlilien. Der Fluß hatte hier ungefähr vierzig Fuß Breite und nicht weniger als sechszehn bis zwanzig Fuß Tiefe; der Strom war noch immer reißend und das Wasser so klar, daß wir ganz deutlich den Grund sehen konnten. Am Ufer wuch- — 71 — sen mehre Vuriti-Palmen, und die Brücke, auf welcher wir hinüber gingen, war ein gefällter, über dem Flusse liegender Baum dieser Art. Die Hinüberschaffung unseres Gepäckes geschah nicht ohne bedeutende Mühe, und als wir damit zu Stande waren, ließ man etwas weiter stromaufwärts die Pferde hinüberschwimmen. Ungefähr zweihundert Schritte vom Ufer lagerten wir unter b und verkroch sich unter meine Jacke. Die Gegend, durch welche wir zogen, ehe wir zu diesem Ruheorte kamen, war von wellenförmiger Beschaffenheit und bestand meist aus großen offenen Campos, hauptsächlich mit einem weißen, nur spärlich bewachsenen Sandboden bedeckt, welcher in dem glanzenden Sonnenschein einen sehr ermüdenden Eindruck auf das Auge machte. Auf diesen Campos sowohl als auf der Chapada da Man-gabeira findet man in großer Menge eine Zwerggattung des Nierenbaumes, die gesellschaftsweise und nicht über einen Fuß hoch wächst. Ich sah sie blüdenb und fruchttragend, doch waren ihre Früchte nicht größer als Stachelbeeren. Sie scheint von der baumartigen Gattung verschieden zu sein und wird von den Brasilianern s^'u ^g-8leiro genannt. Obgleich die bergigen Theile der Gegend trocken sind und ein unfruchtbares Ansehen haben, so sind doch all die kleinen Schluchten oder Thaler, welche sie — // — ' durchschneiden, von einem kühlen klaren Bache bewässert und meist gut bewaldet. Eine halbe Meile von der Al-dea Duro holten wir einen Indianer ein, der aus den Wäldern zurückkehrte. Er führte uns nach dem Hause «ines Häuptlings, und wir erkundigten uns bei diesem nach einer Wohnung; aber er wußte keine. Eine Weile nach« her gestattete man uns die Besitznahme eines noch unvollendeten Hauses, das ringsherum offen, aber mit einem guten Dache versehen war; mit Hilft einiger Häute wurde ihm jedoch ein etwas wohnliches Ansehen gegeben. Da ich es nöthig fand, einige Tage hier zu bleiben, so war mir selbst diese Wohnung willkommen, indem es sich jetzt, wo die Regen begannen, nicht mehr gut unter freiem Himmel Herbergen ließ. Die Mission Duro liegt auf der Serra gleiches Na, mens, und zwar auf einem niedrigen, stachen Hügel, um dessen westlichen Fuß ein kleiner Fluß Namens Riacho de Sucurw fließt, der die Einwohner zu allen Jahreszeiten mit trefflichem Wasser versorgt. Die Aloea selber zahlt ungefähr zwanzig Häuser, alle von der klaglichsten Beschaffenheit; der größte Theil derselben besteht nur aus einem mit Palmblättern bedeckten Rahmenwerk von Stangen; viele sind durch die vereinten Wirkungen der Zeit und der Witterung dergestalt zerstört worden, daß sie keinen Schutz gegen Wind ober Negen mehr gewähren, und andere, aus Flechtwerk und Lehm erbaut, besin- — 73 - dm sich in keinem besseren Zustande. Sie bilden zuftm« men ein unregelmäßiges Viereck, wovon jedoch zwei Seiten noch ziemlich offen sind. Auf der Westseite steht eine kleine fast in Trümmer verfallene Kapelle, vor welcher sich ein schöner großer Genipapo-Baum erhebt. Die Mission besitzt im Ganzen zwölf Quadratlegoas Land als das bei ihrer Gründung durch die Jesuiten ihr zuerkannte Gebiet, und auf diesem zerstreut liegen noch zwanzig bis dreißig andere Häuser. Die ganze Bevölkerung belief sich zur Zeit meines Besuchs auf 259 Seelen. Obgleich der größere Theil derselben aus Indianern reiner Race besteht, so haben doch viele mit den Schwarzen sich gemischt, die von Zeit zu Zeit ihren Wohnort unter ihnen genommen haben, und worunter sich viele entlaufen« Sclaven befanden. Man erkennt jedoch den reinen Indianer sehr leicht an seiner rothen Farbe, seinem langen straffen Haar, seinen hohen Backenknochen und der eigenthümlichen Schiefheit seiner Augen. Trotzdem daß das gegenwartige Geschlecht in einer gewissen Gesittung aufgewachsen ist, so sind ihm doch noch immer viele Merkmale der Wildheit geblieben. Einige der Angeseheneren unter ihnen erscheinen in der Tracht der Brasilianer der Sertäo, d. h. in kurzen Beinkleidern von Baumwolle und einem lose heraushängenden Hemd von gleichem Stoff«; andere bedienen sich nur der Beinkleider, die gewöhnlich nichts weniger als reinlich sind und aus einem groben, von dm Frauen gewirkten Stoff« gefertigt werden. Die — 79 — Kleidung der letzteren ist ebenfalls sehr einfach; einige tragen ein Hemd und einen Rock von gedrucktem Kaliko, die meisten abec sind nur mit einem um die Hüften be-vestigten Rock von demselben groben Zeuche bekleidet,, wie «s die Männer tragen, wahrend der Oberkörper entblößt bleibt. Die Mädchen laufen bis zum neunten oder zehnten Jahre ganz nackt herum und die Knaben bis zu ih-rem zwölften bis vierzehnten. Einige der jungen Madchen haben sehr anmuthige Gesichter, die jedoch, nach dem Aussehen der älteren Frauen zu urtheilen, nicht von langer Dauer sind. Obgleich Boden und Klima der Mission dem Anbaue der verschiedenen Tropengewackse vollkommen günstig sind, so herrscht doch eine solche Trägheit unter den Einwoh» nern, daß sie sich fast immer in Hungersnoth befinden. Ich konnte Weber Mandiocca-Mehl, noch Reis, Yams-würz, Bataten, Paradiesfelgen oder Bananen bekommen, und nur mit der größten Mühe gelang es uns, zur Ergänzung unserer erschöpften Fleischvorrache eine Kuh zu kaufen. Die ganze Mission hat nur ungefähr vierzig Rinder, und diese gehören zwei Personen; die Zahl der Pferde beläuft sich auf nicht mehr als siebenzehn. Der größere Theil der Nahrungsmittel dieser Leute ist vegetabilischer Art und besteht aus wilden Früchten, welche sie in den Waldern sammeln, als Nüssen von verschiedenen Palmen und dem Obst der Piki, Pusä, Mangabä, Iatobä, — 80 - Pitomba, Guava. Ara^a u. s. w. Zur Zeit, als wir unter ihnen wohnten, bedienten sie sich hauptsächlich einer Art Palmennuß von anderthalb Zoll Länge, welche sie Schodo nennen. Sie schneiden eist das ölige Fleisch ab. das dem faserigen Theile der Cacaonuß entspricht, und ein großer Stein, der gewöhnlich vor der Thüre liegt, dient zum Aufschlagen der Nüsse. Am frühen Morgen zogen viele dieser Indianer, von einer Art Trommel geweckt, in die westlichen Walder hinaus, um solche Nüsse einzusammeln, und den Tag über hörte man nichts als das Geklapper der steinernen Nußknacker. Die wenige animal: ische Nahrung, die sie genießen, wird durch die Jagd erlangt, und es ist diese bei den jungen Männern eine weit beliebtere Beschäftigung als das Arbeiten in einer Pflanzung. Einige Tage nach unserer Ankunft unternahmen dreizehn bis vierzehn derselben einen Iagdzug nach der anderen Seite der Chapada da Mangabeira, von welchem sie nach acht Tagen beutebeladen heimkehrten. Sie hatten Rothwild und eine große Art des Visamschweines (Huo-ixaög) erlegt und das Fleisch dieser Thiere, um es einige Tage zu erhalten, bereits unterwegs halb gebraten, da es ihnen an Salz zum Einpökeln fehlte. Bei ihrer Ankunft m der Aldea vertheilten sie die Beute unter ihre Freunde, welche sie augenblicklich ohne Salz und ohne alles Gemüse, nur mit etwas Pfeffer, verschlangen. Am nächsten Tage war fast nicht ein einziger Indianer zu sehen, denn sie -. 81 - schliefen wie die Boa Constrictor ihre übermäßige Mahlzeit aus. Als wir unsere Kuh tödteten, besorgte ich, es möchte kaum etwas für uns selber übrig bleiben, denn einer bat um den Kopf, ein anderer um die Füße, ein dritter um die Leber und sofort, und nachdem alle inneren Theile vergriffen waren, verlangten sie sogar nach dem Fleisch. Bis zu den letzten zehn Jahren hatten diese Indianer ihre eigenen Geistlichen gehabt, seitdem aber hat diese Wohlthat aufgehört, und es besucht sie jetzt alljährlich auf einige Tage ein Priester aus der dreißig Legoas entfernten Villa de Natividade, wo ihre Hochzeiten gefeiert und ihre Kinder getauft werden. Es gibt keine Schule in der Aldea, und die zwei Häuptlinge sind die einzigen Leute, welch« lesen und schreiben können. Einer von ihnen ist ein Mann von vierzig Jahren; der andere, Luiz Francisco Pinto ge-nannt, war damals vier und siebenzig, und von ihm erhielt ich fast alle meine Nachrichten über die Mission. Seine Frau, die fast «ben so alt war, als er selber, lag an der Wassersucht darnieder; ich machte ihr während meines Aufenthaltes hausig meinen Besuch und verordnete die Arz; neimittel, die mir zweckmäßig dünkten; am meisten aber erfreute ich sie durch eine kleine Schale Thee, welche ich ihr früh und abends zuschickte. Ein Theil der Wand des Gemaches, in welchem sie lag, war eingefallen, doch hatte man, um Wind und Regen abzuhalten, die Oeff-nung mit einigen Palmblättern verstopft. Alle Ein-Gardner's Reisen i» Vrasilm, II, ß — 82 - wohner sprechen portugiesisch, viele aber bewahren noch immer die Sprache ihrer Väter. Von dem alten Häuptling erfuhr ich, daß die Mission im Jahre 1730 von einem Oberstleutnant Wencesläo Gomez gestiftet wurde, der, mit Truppen von Pemambuco kommend, die Coroil-Indianer besiegte, von welchen das jetzige Geschlecht herstammt. Sie bildeten damals drei Aldeas und zahlten im Ganzen ungefähr tausend Köpfe. Diese drei Aldeas wurden zu einer einzigen, dem heutigen Duro, vereinigt, welches die Indianer in ihrer eigenen Sprache „Ropecheby", d. h. schöne Lage, nennen, welchen Namen der Ort vollkommen verdient. Auch hier fand ich die Einwohner in beständiger Angst vor den Cherentes, welche die Wälder an den Ufern des Rio Tocantins nordwestlich von Duro bewohnen. Diese Indianer haben verschiedene Angriffe gegen die Mission unternommen, die größle Verheerung aber verübten sie im Jahre 1789, wo ungefähr zweihundert von ihnen eines Morgens um zehn Uhr die Aldea umzingelten und, ehe der Abend kam, alle äußeren Häuser niedergebrannt und ungefähr vierzig Bewohner — Männer, Weiber und Kinder — getödtet hatten. Vier andere Kinder schleppten sie in die Gefangenschaft, und unter diesen befanden sich zwei Neffen des alten Häuptlings. Die Einwohner unterhielten ein beständiges Gewehrftuer gegen die Cherentes, aber sie wußten nicht, wie viel« sie getödtet halten, da diese all' ihre Tobten mit hinwegnahmen. — 83 - Während unserer Anwesenheit brannten mehrmals bei Nacht in nicht gar weiter Entfernung helle Feuer auf den Serras, und eines Tages sich ein Einwohner, der aus den Wäldern heimkehrte, einen mit Bogen und Pfeilen bewaffneten Indianer vor sich über den Weg schreiten. Dieß Alles ließ die Bewohner dec Aldea einen neuen Angriff befürchten, und sie waren nur wenig darauf vorbereitet. In früherer Zeit wurde ihnen von Seiten der Regierung alljährlich ein Vorrath von Waffen und Kriegsbedarf übersendet; doch war diese Unterstützung schon seit vielen Jahren ausgeblieben, und die alten Waffen waren daher ziemlich abgenutzt. Die Regierung kann im Fall der Noth die Häuptlinge mit ihren Leuten in's Feld rufen, und jeder derselben vermag ungefähr vierzig waffenfähige Männer zu stellen. Mehre dieser Indianer haben ihre eigene Flinte, die sie zur Jagd benutzen, und das grobe Schießpulver, dessen sie sich bedienen, verfertigen sie selber. Einige Kaufleute in den südwestlichen Städten ziehen alljährlich den >^io Tocantins hinab nach Parü, wo sie Felle gegen europaische Waaren eintauschen; an diese Kaufleute vermiethen sich die jungen Manner von Duro sehr hausig als Ruderer und kaufen dann in Pari», mit dem Gelde, das sie auf diese Weise verdienen, Beile und andere eiserne Werkzeuge. Wir sahen eine Anzahl dieser Leute von einem solchen Ausfluge zurückkehren. Ich beschäftigte mich während der vierzehn Tage, die - 84 - ich in der Albea do Duro verlebte, hauptsächlich mit dem Trocknen der ungeheuerm Anzahl von Pflanzenexemplaren, die ich auf dem letzten Theile meiner Reise über die Ge-raös und die Chapada da Mangabeira gesammelt, sowie mit Verpackung aller derjenigen, welche ich zwischen Santa Nosa und Duro gefunden hatte. Außerdem aber unternahm ich auch Ausflüge in die Umgegend, und sie boten meinen Forschungen trotz der trockenen Jahreszeit, an deren Ende wir uns befanden, eine reichliche Ernte dar. Die sandigen Sümpfe lieferten mir viele seltene Eriocaulen und schöne Melastomaceen, und auf den höheren Campos gab es verschiedene Gattungen des Diplusodon, viele Compositen. Labiaten u. s. w.; die gewöhnlichsten und schönsten Erzeugnisse der Campos aber waren eine kleine Bignonie, die kaum einen Fuß hoch in Büscheln wuchs und zahlreiche große cittonenfaibige und trompetenförmige Blumen trug, eine Ipomäa von gleicher Größe mit großen Veilchen-farbigen Blüthen (Ipomaea lui^uUzzima «Lgrän.) und zwei aufrecht stehende Arten der Echitcs *). An trockenen felsigen Stellen fand sich sehr hausig die ^mai-Ms 80-lan^i-aollura, I^imN., mit eine: reichen Fülle großer gelber Blüthen geschmückt. Wir verließen Duro am dreizehnten October und schliefen in dem Haufe eines Indianers ungefähr zwei *) Echitcs virescens, St. Hil. Dipladenia (Jardncriana, Alph, D. C. - 85 - Legoas von derAldea. Der Eigenthümer war, nachdem er gehört, wann ich aufbrechen würde, am Abend vorher angekommen und hatte mich gebeten, in seinem nicht weit vom Wege entfernten Hause einzusprechen, da seine Frau, die schon seit einigen Jahren blind war, an Augenentzündung litt. Ein solches Gesuch konnte ich natürlich nicht abschlagen, und der arme Mann bemühte sich, uns seine elende Wohnung so behaglich als möglich zu machen. Der Ort hieß nach einem m der Nähe befindlichen Wasserfall Cachoeira, und die hohen wellenförmigen Berge, welche das Thal umschlossen, in welchem das Haus stand, verliehen ihm ein sehr malerisches Ansehen. In geringer Entfernung von dem Hause, in welchem wir schliefen, gab es noch zwei andere; aber obgleich sie von einem zum Anbau trefflich geeigneten Boden umgeben waren, so hatten doch die drei Familien nur ein kleines Stück Land mit Mandiocca bepflanzt, und keine von ihnen besaß auch nur «me einzige Kuh, trotz dem reichlichen Weideland in der ^ähe. Zur Entschuldigung dieses Mangels führten sie an, baß es ihnen allzuviel Mühe machen würde, ihre Pflanzung einzufriedigen, und statt irgend eine Arbeit dieser Art zu verrichten, schlendern sie lieber müßig um das Haus herum oder ziehen mit Flinte und Axt in die Walder hinaus, um Wild und Honig zu suchen. Da unser Vor-rath an Farmha fast erschöpft war, so erkundigte ich mich, ob ich hier dergleichen bekommen könnte, aber es war — 86 — nichts davon zu haben und unter einem Monate auch nichts zu erwarten, da der Mandiocca noch nicht reif war. Glücklicher Weise kam des Abends ein junger Mann vorüber, der einen sehr kleinen Mehlvorrath bei sich führte. Er weigerte sich anfanglich, ihn zu verkaufen, weil er ihn, wie er sagte, einem Nachbar schuldig sei, doch willigte er endlich ein, mir die Hälfte davon zu überlassen, wenn ich ihm getrocknetes Rindfleisch dafür geben wollte, und da wir damit hinlänglich versehen waren, so ließ ich mich gern dazu bereit finden. Wir durchschnitten auf der Reise von Duro bis zu diesem Orte ein schönes, zum großen Theil dünn bewaldetes Gelände' von Berg und Thal. Das offene Hochland war in Folge des kürzlich eingetretenen Regens mit neuem fußhohen Grase bedeckt, doch weideten außer einigem Rothwild keine Thiere darauf. Es ist bei den Viehzüchtern allgemeiner Brauch, zu Ende der trockenen Jahreszeit die Weiden abzubrennen, damit das neue Gras beim Beginn der Regengüsse um so schneller hervorsprieße; dasselbe thun auch die Einwohner der Mission, aber in der Absicht, ihre Jagdgebiete offener zu erhalten und das Rothwild heranzulocken. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird dieser ganze District, sowie ein großer Theil des östlich und nordwestlich liegenden Landes, ehe lange Zeit vergeht, in große Rinder-Fazendas umgewandelt werden, da er we- - 87 - gen seines milden Klimas und seines Reichthums an Gras und Wässer zur Rinderzucht trefflich geeignet ist. Unser Aufbruch von Cachoeira wurde am nächsten Tage durch Regenwetter bis Nachmittag zwei Uhr verzögert, und nach einer Reise von zwei Legoas erreichten wir das Haus des Iuiz de Paz von Duro; da wir aber sehr schlechten Weg hatten, so begann es bereits zu dämmern, ehe dies« Strecke zurückgelegt war. Die ersten anderthalb Legoas führten über ein felsiges Bergland, bis wir die Serra de Duro hinabzusteigen begannen und bald nach« her auf eine ziemlich dicht bewaldete Fläche kamen. Am Fuße der Serra ist die Gränze der Mission Duro, und «ine halbe Meile davon entfernt steht das Haus des Iuiz de Paz. ES war außerordentlich klein, und da das äußere, für Reisende bestimmte Gemach uns nicht fassen konnte, so sagte mir der Iuiz, daß wir in dem ungefähr einen Büchsenschuß weiter liegenden Hause eines seiner Verwandten eine weit bequemere Wohnung finden würden, und gab uns sehr freundlich das Geleit dahin. Bei unserer Ankunft fanden wir ein halbes Dutzend Indianer, die unter einer Veranda vor dem Hause saßen und in einem großen Topfe ihr Abendessen kochten. Während wir unsere Koffer an die Wand setzten, bat uns der Hausherr, zu warten, bis die Leute ihre Betten herausgenommen hätten, und alsbald trug jeder sein Bett hinweg, das jedoch aus nichts weiter als einer halben Kuhhaut bestand. Man — 88 - schlief hier wie m der Aldea, indem man diese Haut in einen Winkel legte und sich, ohne die Kleider auszuziehen, darauf streckte; ich sah keinen von diesen Leuten, der sich einer Hängematte bedient hätte. Von hier aus legten wir eine Reise von drei Legoas durch eine flache dünn bewaldete Gegend zurück, in welcher es, da hier noch kein Regen gefallen war, fast gänzlich an krauterarligem Pflanzenwuchse fehlte, und erreichten hierauf eine Fazenda am Ufer des Rio de Manoel Alvez, eines großen Flusses, der in der Serra do Durro nördlich von der Albea entspringt und in den Rio Tocantins sich ergießt. Auf dieser Fazenda erfuhren wir, daß es unseren Pferden kaum möglich sein würde, mit ihren Bürden über ben bedeutend angeschwellten Fluß zu setzen, und daß das Kanoe, welcheS zur Uebersahrt von Reisenden und Gepäck gedient hatte, durch die letzten Fluten hinweggeriffen worden sei — Umstände, die es nöthig machten, all' unsere Habe auf Menschenköpfen hinüber zu schaffen. Ich miethete deßhalb einen Neger und einen Mulatten als Gehilfen meiner eignen Leute; die Fahrstätte war eine Meile Weiler unten; an dieser Stelle ist der Fluß ungefähr vierzig Ellen breit und sehr reißend, da es etwas tiefer eine Strom» schnelle gibt. Als die zwei Männer, die beide groß und stark waren, mit den eisten Ladungen in's Waffer gingen, konnten sie sich nur mit Mühe auf den Füßen erhalten, da ihnen die Wellen meistentheils bis an die Schultern - 89 - reichten. Der halbe Dollar, den sie als Lohn verlangten, war wahrlich sauer genug verdient, denn jeder mußte ungefähr zwölf Mal hin und zurück über den Fluß setzen, was im Ganzen mehr als zwei Stunden hinwegnahm. Herr Walker und ich versuchten es, eine kleine Strecke oberhalb der Fähre hinüber zuschwimmen, aber die Gewalt der Strömung trieb uns beide über die Stromschnellen. Herr Walker wurde mit großer Heftigkeit gegen einige Felsblöcke geschleudert und erreichte mit Mühe und sehr erschöpft das jenseitige Ufer; ich selber war minder unglücklich, indem ich nach einer Stelle verschlagen wurde, wo es keine Steine gab und von wo aus ich bald wieder zu dem User gelangte, das ich eben erst verlassen hatte. Ich kehrte nach dem Fahrplatz zurück, wo ich endlich, von einem unserer Leute unterstützt, glücklich hinüberkam, denn ich war von zu kleiner Gestalt, um mich allein gegen den Strom halten zu können. Nach dieser Verzögerung ritten wir weiter und gedachten unser Nachtlager m einer ungefähr «ine Legoa entfernten Fazenda aufzuschlagen; da uns aber noch hinlängliche Zeit übrig bieb, so zogen wir vollends bis zu einem Dorfe Namens Almas, gegen zwei Legoas westlich, wo wir bei Sonnenuntergang anlangten. Die Gegend, welche wir vom Flusse aus durchschnitten, war ziemlich flach und dünn bewaldet, aber nicht so sehr ausgedörrt wie jene, durch welche uns am Morgen der Weg geführt. - 90 — Das Dorf Almas liegt in einer Schlucht und besteht aus einigen unregelmäßigen Straßen, deren niedrige schlechte Häuser aus großen ungebrannten Ziegeln erbaut sind, die man aus Lehm und gehacktem Gras zusammensetzt und dann an der Sonne trocknet. Die Zahl der Einwohner belauft sich auf achthundert, wovon jedoch bei Weitem der größere Theil aus Schwarzen, Mulatten und Mischlingen von diesen und Indianern besteht. Der Iuiz de Paz war ein Creole, der weder lesen noch schreiben konnte; er hatt« das erste Kramergeschäft im Dorfe und machte jährlich eine Reise nach Bahia, um Waaren einzukaufen. Das Dorf hat eine Kirche, die sich in eben so verfallenem Zustande befindet wie jene in Duro und ebenfalls keinen eigenen Priester besitzt. Obgleich es in der Nachbarschaft trefflichen Boden gibt, so fehlte es doch fast ganzlich an Anbau. Ich hoffte ganz gewiß, hier etwas Farmha erkaufen zu können, aber es war nichts davon zu bekommen, und ich mußte es für eine nicht geringe Gunst ansehen, daß ein Einwohner, der zu mir kam und mich um meinen ärztlichen Rath fragte, mir etwas Reiß abließ. Ueberall hörte man Klagen über Mangel an Geld und Lebensmitteln, aber Niemand sprach von der Trägheit und dem Müßiggang, die ohne Zweifel die Ursache dieser Bedrängnisse waren. Unaufhörliches Regenwetter zwang uns, vier Tage an diesem Orte zu bleiben. Unsere nächste Station von Almas war eine Fazenda - 91 - Namens Galheiro Motto, die nur zwei Legoas entfernt sein sollte, aber, nach der Zeit zu urtheilen, die wir zu dieser Reise brauchten, mußte die Entfernung fast vier Le-goas betragen. In diesem Theile des Landes sind die Le-goas nie gemessen worden, und da der Grundbesitz ursprünglich nach der Legoa erkauft wurde, so lag es im Interesse des Käufers, so viel als möglich zu erhalten. Die Legoas der Provinz Piauhn waren bedeutend langer als die von , und ich sammelte sehr viele Exemplare derselben, die mir jedoch mit einigen anderen zoologischen Gegenständen bei dem Uebergange über einen Fluß verloren gingen. Ein Verzeichniß derselben mit ihren einheimischen Namen und einigen Bemerkungen dürfte nicht uninteressant sein. 1) Iatahy. Eine sehr kleine gelbfarbige Gattung, kaum zwei Linien lang. Ihr vortrefflicher Honig ist ziemlich derselbe, wie ihn die europäische Stockbiene gibt. 2) Mulher bran ca. Von gleicher Größe wie die Iatahy, aber weißer Farbe. Der Honig dieser Art ist ebenfalls gut, doch etwas herbe. I) Tubi. Eine schwarze Biene, kleiner als unsere gewöhnliche Hausfiiege; ihr Honig ist gut, hat aber einen eigenthümlichen und bitteren Geschmack. 4) Manoel d'ab reu. Von gleicher Größe wie die Tubi, aber gelbfarbig. Ihr Honig ist gut. 5) Atakira. Schwarz und fast von der Größe der Tubi. Der Hauptunterschied zwischen beiden liegt in der Oessnung ihrer Stöcke; die Tubi bildet dieselbe aus Wachs, die Atakira aus Lehm. Der Honig der letzteren ist vortrefflich. 6) Oariti. Von schwarzer Farbe und der Größe der Tubi. Ihr Honig ist sauer und nicht gut. 7) Taiaira. So groß wie die Tubi, aber mit gelbem Körper und schwarzem Kopfe." Ihr Honig ist vortrefflich. 8) Mumbüco. Schwarz und größer als die vorhergehenden. Ihr Honig wird, nachdem er eine Stunde gestanden hat, so sauer wie Citronensaft. 9) Bejul. Der Tubl sehr ähnlich, aber kleiner, mit trefflichem Honig. 10) Tiubä. Von der Gestalt einer großen Haussiiege, aber graufchwarzer Farbe. Ihr Honig ist sehr wohlschmeckend. 11) Vorä. So groß wie eine Hausfliege und von gelblicher Farbe. Ihr Honig ist herbe. 12) Urussü. Von der Größe einer Hummel, mit schwarzem Kopfe und gelblichem Leibe; gibt guten Honig. 13) Urussü preto. Völlig schwarz und ziemlich einen Zoll lang. Auch von dieser Gattung wird ein guter Honig gewonnen. 14) Caniüra. Schwarz und ziemlich von gleicher Größe wie der Uruffii preto. Ihr Honig ist zu bitter, als daß man ihn genießen könnte. 15) Chuv«5. Von der Größe der Tiubit und schwarzer Farbe. Sie bildet ihren Stock aus Lehm aufVaum-zweigen. Ihr Honig ist gut. 16) Urap uü. Der Chupe sehr ähnlich, baut aber ihren Stock jederzeit runder, flacher und kleiner. - 94 - 17) Enchi. Eine Wespenart von der Größe einer Hausfiiege, mit schwarzem Kopse und gelblichem Körper. Sie baut ihren Stock, der aus einem papierartigen Gewebe besteht und ungefähr drei Fuß Umfang hat, in die Zweige der Bäume. Ihr Honig ist gut. 18) Enchi pequeno. Der letzteren sehr ähnlich, baut aber immer einen kleineren Stock. Ihr Honig ist gut. Die ersten elf dieser Honigbienen bauen ihre Zellen in hohlen Baumstämmen und die anderen an ähnlichen Orten oder untet der Erde. Nur die drei letzten Alten stechen, alle übrigen sind unschädlich. Den einzigen Versuch, diese Bienen häuslich zu machen, fand ich in dem Golddistricte bei einem Bergmanne aus Cornwallis, welcher diejenigen Theile der Baumstämme, worin die Nester sich befanden, abschlug und unter oie Dachtraufen seines Hauses hing. Sie schienen dort gut zu gedeihen, doch mußte man die Bienen jedes Mal todten, so oft man den Honig ausnehmen wollte. Die Indianer sowohl als die anderen Einwohner des Landes sind sehr geschickt, diese Insectcn bis zu den Stammen zu verfolgen, in welchen sie ihre Zellen haben. Man mischt den Honig, der sehr flüssig ist, gewöhnlich erst mit Farinha, ehe man ihn genießt, und aus dem Wachse werden grobe, ungefähr eine Elle lange Kerzen gefertigt, welche das Landvolk in die Ortschaften zum Verkauf bringt. Wir fanden dieselben sehr brauchbar und führten immer «inen Vorrath davon bei uns. Nicht selten mußten wir sie selber fertigen; meine Leute schafften dann das nöthige Wachs herbei, und ein grobes Baumwollengarn zu Dochten war auf jeder Fazenda und in jedem Dorfe zu bekommen. Von Morhinos zogen wir nach der Fazenda Nofsa Senhora do Amparo, die ungefähr drei Legoas entfernt war. Es war meine Abficht, drei Legoas weiter nach einer Fazenba Namens Santa Cruz am Ufer des Rio do Peixe zu reisen, da es dort ein Kanoo zum Ueberfahren gab doch erfuhr ich auf meine Erkundigung über die Beschaffenheit des Flusses, daß derselbe sehr seicht und an einer etwas höher gelegenen Stelle mit Ersparung von zwei Legoas sehr leicht zu passiren sei, ohne daß man abzupacken brauchte. Wir hatten bis zu diesem Uebergange noch eine Strecke von einer Legoa, und ich fand hier den Fluß bedeutend kleiner als den Manoel Alvez und so seicht, daß sich dem Uebergange kein Hinderniß in den Weg stellte; aber dennoch widersuhr einer der Ladungen getrockneter Pflanzen ein trauriges Mißgeschick, denn das Pferd, das sie trug, glitt aus und stürzte, als es eben das Ufer verließ, und eines der Futterale siel in den Fluß und war, ehe man es wieder herausholen konnte, mit Wasser angefüllt. Nur ein Botaniker kann sich einen Begriff von meinen Gefühlen machen, als ich gegen zwei Tausend Pflanzenexemplare, deren Aussindung mir unendliche Mühe gekostet, vollständig eingeweicht und scheinbar gänzlich ver« - 96 -^ dorben sah. Ich hatte nichts Eiligeres zu thun, als sie auszupacken und in trockenes Papier zu legen; doch ka-mm so viele Eremplare auf jeden Bogen, daß hierdurch die Feuchtigkeit nur wenig zertheilt wurde. Aber ich tröstete mich mit der Hoffnung, sie am nächsten Tage wieder herausnehmen und an die Sonne legen zu können. Nachdem das Futteral getrocknet war und wir die Pflanzen wieder hineingelegt hatten, wurde die Ladung, der größeren Sicherheit wegen, einem stärkeren Pferde übergeben; aber kaum hatten wir eine halbe Legoa zurückgelegt, als sich bei dem Uebergange über einen kleinen Bach dieser Unglücksfall wiederholte und dasselbe Futteral nebst einem anderen, das vorher diesem Schicksale entgangen war, abermals in's Wasser siel. Das unglückliche Thier, das damit beladen war, ging voran, als es plötzlich, statt auf der rechten Furt zu bleiben, in ein tiefes Loch mit schlammigem Boden trat und bei der Anstrengung, sich wieder herauszuheben, seine beiden Ladungen abwarf. Wenn schon der erste Unfall mich nicht wenig bekümmert hatte, um wie viel mehr mußte mich der zweite betrüben, als ich die mühsame Arbeit vieler Wochen, die Ernte von einem Districts, den bis jetzt noch kein Botaniker bereist hatte, dem Verberben preisgegeben sah. Es blieb jedoch nichts Anderes übrig, als die Futterale so viel als möglich auströpfeln zu lassen und unsere Reise fortzusetzen. Zum Glück erreichten wir gegen Abend eine Fazenda, wo man — 97 — sich hauptsachlich mit der Bereitung von Mandioccamehl beschäftigte, unb da es den nächsten Tag fortwährend regnete, so war ich froh, zwei große Oefen benutzen zu dürfen, auf welchen wir, Bogen für Bogen, alle die durchnäßten Pflanzenexemplare trockneten. Es war dieß jedoch das ermüdendste Tagewerk, das ich je vollbracht hatte, denn ich war mit Herrn Walker von früh sechs Uhr bis nach Mitternacht fortwahrend über den geheizten Oefen beschäftigt. In Folge dieser schnellen Pflege litten die Pflanzen weniger, als ich befürchtet hatte. Wir blieben zwei Tage auf dieser Fazenda, Mato Virgem genannt, da wir, um einen neuen Vorrath von Farinha zu erhalten, einen Tag länger verweilen mußten, als meine Absicht gewesen war. Man begann mit der Bereitung einer Quantität dieses Mehles am Tage nach unserer Ankunft, und es dauerte bis zum Abende vor unserer Abreise, ehe man damit zu Stande war. Der Ort, wo dieses Geschäft vor sich ging, war das Gemach, das man uns als Wohnung überlassen hatte, und die arbeitenden Personen bestanden aus der Hausfrau, einer jungen Mulattin, und acht Sclaven, vier männlichen und vier weiblichen. Ich bemerkte mit Ueberraschung, daß, einen Mann und eine Frau ausgenommen, alle diese Leute mit Kröpfen behaftet waren. Die Halsanschwellung bei einer der Frauen war bedeutend größer als ihr Kopf. Man versicherte mir, eS sei dieß in diesem Theile der Provinz Gardner's Reisen in Vrasilw, ll. 7 - 98 - Goyaz, besonders in den Villas Natividade und Arrayas, ein sehr allgemeines Leiden. In der Aldea Duro sah ich nur eine einzige Frau mit einem Kröpfe und eine andere in dem Arraial Almas. Einer der Sclaven war ein völlig erblindeter, fast hundertjähriger Greis, der aber trotzdem den ganzen Tag mit dem Durchsieben des Mehles beschäftigt war. Seine Kleidung bestand in einem schmuz-igen, um den Unterleib gewickelten Lumpen, und die Kleid» ung der übrigen war nicht viel besser; ja ich habe in keinem Theile Brasiliens so kläglich ausgestattete Sclaven gesehen als hier. Ich wunderte mich, daß die Hausfrau sich nicht schämte, sie in einem solchen Zustande zu sehen; aber ohne Zweifel lag die Schuld an dem Eigenthümer der Fazenda, der seinem Ansehn nach ein alter Knicker war. Wir verließen Mato Virgem mit der Absicht, einen kleinen Weiler, Namens Ioao Lopez, zu erreichen, der, wie man sagte, drei lange Legoas entsernt lag. Man versicherte uns, wir würden ohne Schwierigkeit dahin gelangen, da uns ein gerader Weg bevorstände, doch kaum hatten wir anderthalb Legoas zurückgelegt, als wir zu einer Stelle kamen, wo es zwei Wege gab, von welchen einer so betreten war wie der andere. Wir wählten den zur Rechten, und nachdem wir den ganzen Tag durch ein flaches, dünn bewaldetes Gelände geritten waren, ohne einen Menschen oder ein Haus erblickt zu haben, gelangten mir kurz vor Sonnenuntergang zu einer Fazenda, wo wir erfuhren, __ <)H __ was ich bereits vermuthet hatte, daß wir den falschen Weg gewäh'lt hätten; aber es war dieß von wenig Bedeutung, da auch dieser nach unserem Ziele, der Villa da Nativi-d^de führte. Die Fazmda, Namens Sociedabe, gehörte einem Senhor Manoel Ios« Alves Leite, einem jungen Portugiesen, der damals Iuiz de Paz vom Arraial da Cha-vada, einem ungefähr eine Legoa entfernten Dorfe, war. Er hieß uns sehr freundlich willkommen; es wurde augenblicklich ein Huhn geschlachtet und ein treffliches Abendessen bereitet, dem wir nach unserer langen Tagereise volle Gerechtigkeit widerfahren ließen. Die Portugiesen, die sich in Brasilien niederlassen, werden von den Eingeborenen gewöhnlich als gemeine, anmaßende und alles Wohlwollens entbehrende Leute geschildert. Möglich, daß dieß bei vielen jener ungebildeten Menge der Fall ist, die aus Portugal nach Brasilien auswandert, wo sich allerdings nicht viel Anlaß zur Besserung ihres Charakters darbietet; aber es gibt unstreitig eine große Anzahl junger Manner unter ihnen, die einige Erziehung erhalten haben und sich durch ihr gutes Betragen und durch Entwickelung einer regeren Betriebsamkeit, als sie den stolzen und trägen Brasilianern eigen ist, in kurzer Zeit eine Stellung erschwingen, welche sie zum Gegenstand des Neides und des Mißfallens macht. Ich habe wenig Gelegenheit gehabt, mit den an der Küste wohnenden Portugiesen zu verkehren, im Inneren aber bin 7. — 100 — ich mit vielen wackeren Männern dieses Volkes zusammengekommen, welche mir die größten Gefälligkeiten erwiesen, wo sie von Brasilianern mir verweigert wurden. Die Portugiesen sind seit Brasiliens Unabhängigkeit fortwährend hart verfolgt worden, und bei jedem politischen Aufruhr wirb eine große Anzahl derselben ermordet und ihres Eigenthums beraubt. Es gibt kein Band des Mitgefühls zwischen diesen beiden Völkern. Sobald unser Wirth erfuhr, daß ich die Absicht hätte, einige Monate in Nativioade zu bleiben, um meinen Pferden die nöthige Ruhe zu gönnen, drang er in mich, sie auf seine Fazenda zu senden, wo er bis zu unserer Abreise für sie sorgen wollte. Wir konnten es bei der Freundlichkeit, mit welcher wir behandelt wurden, unmöglich bereuen, den falschen Weg gewählt zu haben. In der Frühe des nächsten Morgens, am fünfund-zwcmzigsien October, zogen wir weiter und erreichten nach einer Reise von zwei langen Legoas die Villa de Nativi-dade. Das Land zwischen beiden Orten ist flach und dünn bewaldet, auf der Ostseite des Weges aber erhebt sich eine lange, gegen zweitausend Fuß hohe Serra, die sich von Nord nach Süd erstreckt. Der Weg läuft eine halbe Legoa weit längs dem Fuße dieses Gebirges hin, und ich bemerkte mit Erstaunen, daß der kiesige Boden mit tiefen Graben durchzogen war, während hier und da sich — 101 — Trümmerhaufen zeigten, die ich für verfallene Häuser hielt. Diese Graben, ließ ich mir sagen, waren ehemals Goldgruben, aber weil ihr Gold sich erschöpft hatte, schon seit langer Zeit wieder aufgegeben. Die Gold-gräberei scheint in bedeutender Ausdehnung betrieben worden zu sein, denn ich fand den Boden eine halbe Le-goa weit und mehr als eine Viertelmeile in der Breite bis zu einer gewissen Tiefe vollständig aufgewühlt, und wie es schien, war er in diesem ganzen Umfange einer Wäsche unterworfen worden. Auf ähnliche Weise hatte man, wie ich später bemerkte, den größten Theil des Landes in der Umgegend der Villa untersucht. Es siel uns bei unserer Ankunft nicht schwer, ein leeres Haus zu finden, und bald nachher begann die Zeit der anhaltenden und heftigen Regengüsse, welche uns fast gegen drei Monate hier gefangen hielten. Da wir aber seit unserem Aufbruch von Oeiras mehr als tausend Meilen zurückgelegt hatten und unsere Pferde nach einer so gewaltigen Anstrengung einer längeren Ruhe bedurften, so war ich über diese Verzögerung nicht eben ungehalten. Ich darf nicht vergessen, daß uns auf unserer Reise von Duro nach Natividade eine Art Mangaba (Nnncoi--ma pubo8oen8, vgl-, karäneri, ^,lpli. v. (!.), verschieden von jener, welche in der Provinz Cearu und Per-nambuco so hausig vorkommt, mit einer großen Menge — W2 - köstlicher wilder Früchte versorgte. Wir fanden sie zuerst auf der Serra do Duro, wo man sie Mangaba do Morro nennt, aber sie ist eben so häufig auf den Chapadas, auf der Ebene unterhalb, und es sind auch von diesen Früchten nur diejenigen genießbar, welche abfallen. Zehnter Abschnitt. Von Natividade nach Arrayas. Die Stadt und ihre Bevölkerung. Tracht und Sitten. Klima. Krankheiten. Kröpfe als allgemeines Uebel. Ausflüge in das Gebirge. Gcognosie und Vegetation desselben. Besuch im Arraial da Chapaba. Ausbruch von Natividade. San Bento. Ankunft im Arraial dc Concei>uo. Seine Bevölkerung. Abermals Kröpfe und wahrscheinliche Ursachen derselben. Barra und Uebergang über den Rio da Palma. Santa Vrida, Aufenthalt in Sap^. Thiere und Pflanzen der Umgegend. Villa de Arrayas. Geognostischer Charakter der Umgegend. Klima und Erzeugnisse. Krankheiten. Nachrichten van der Annäherung der Rebellen. Versammlung der Nationalgaide. Vorbereitungen zum Aufbruch. Die Villa da Natividade liegt am westlichen Fuße des südlichen Endpunctes jener bereits erwähnten Sena, die denselben Namen fühlt, und ist wie die meisten anderen Städte des Inneren sehr unregelmäßig gebaut. Die Bevölkerung beläuft sich auf zweitausend Seelen und besteht aus denselben gemischten Racen, welchen wir bereits vorher so häusig begegnet waren. Es gibt vier Kirchen m der Stadt, die schon sehr alt, aber noch immer unvollendet sind und wahrscheinlich auch nie vollendet werben. - 104 — Das Gefängniß ist aus ungebrannten Ziegeln erbaut, so daß es den Gefangenen nicht schwer fällt, ihre Flucht zu bewirken. Aus demselben Materiale bestehen die meisten anderen Hauser. Die Einwohner sind äußerst faul und träge, und es herrscht daher fortwährend ein drückender Mangel an den gewöhnlichsten Lebensbedürfnissen unter ihnen; man sieht wenig Anbau in der Umgegend der Stadt, obgleich der Boden zu Pflanzungen von Mandiocca u. s. w. trefflich geeignet ist, und trotzdem daß es nur einige Meilen entfernt viele und bedeutende Viehzüchtereien gibt, kann man doch in der Stadt höchstens nur ein Mal im Monate frisches Fleisch bekommen. Es ist dieß kein Wunder, da der größte Theil der Einwohner m Folge seiner Trägheit nicht die Mittel besitzt, etwas zu kaufen. Ich fragte einen der achtbarsten Männer der Stadt, auf welche Weise diese Leute ihr Leben fristeten, und erfuhr, daß die Wenigen, welche thälig und betriebsam wären, die Anderen erhalten müßten; denn diese entwendeten gewöhnlich von deren Pflanzungen so viel, als zur Erhaltung ihres elenden Daseins nöthig sei. Wir mußten während unseres Aufenthaltes fast einzig und allein von Farinha und getrocknetem Salzfleische leben, da weder Reiß, noch Pisang oder Yamswurzeln zu haben waren. Dann und wann kaufte ich eine Art groben, aus Maismehl bereiteten Biscuits, und ein paar Mal erhielt ich einige kleine Brode zum Geschenk, die aus Weizen gebacken warm, welcher auf dem Hoch- __ 1(13 ^ lande bei der Stadt Cavalcante, eine bedeutende Strecke südlich, wuchs. Ich habe an keinem der Orte, die ich berührte, Weizenbau bemerkt, und es war dieß das einzige Mal, daß ich aus tropischem Weizen gebackenes Brod gegessen habe. Die Kleidung der Männer ist hier ziemlich dieselbe wie in anderen nördlichen Theilen Brasiliens; um so abweichender aber »st die Mode der Frauen, denn diese tragen, wenn sie in die Kirche gehen, an Processionen Theil nehmen oder Besuche machen, statt des großen weißen Shawls, den die Damen von Ceani über den Kopf werfen, und statt des weißen Tuches, das man in Piauhy zu demselben Zwecke benutzt, ohne Ausnahme aus schottischem Tartan oder blauem Zeuche gefertigte Mäntel. Alle Frauen rauchen Tabak, und die Pfeift, welche ein hölzernes, ungefähr drei Fuß langes Rohr hat, kommt von früh bis abends nur selten aus ihrem Munde. Sie arbeiten wenig, essen und schlafen aber desto mehr; und die Frauen geringerer Classen trinken außerdem sehr viel brasilianischen Rum, sogenannten Cacha^a. Der einzige Gefangene, den das Gefängniß wahrend meiner Anwesenheit enthielt, war eine Frau, die zu zwanzigjähriger Gefangenschaft veruttheilt war, weil sie ihren Sohn veranlaßt hatte, seinen Vater umzubringen. Der Sohn, dem man lebenslängliche Haft und harte Arbeit zuerkannt hatte, war kurz - 106 - nach seiner Einsperrung durch die Mauern seines Kerkers gebrochen und entflohen. Bei unserer Ankunft gab es drei Priester in der Villa, einer derselben starb jedoch während unseres Aufenthaltes. Wie die meisten anderen Leute dieses Standes, die ich in Brasilien kennen gelernt habe, waren auch diese, statt dem Volke mit einem sittlich guten Beispiele voranzugehen, einem fast über alle Begriffe unmoralischen Lebenswandel ergeben. Der eine, welchen der Tod hinwegnabm, ein Mann von vier und siebenzig Jahren, war aus Santos in der Provinz San Paulo gebürtig und ein Vetter des berühmten Jos« Bonifacio de Andrada; aber obgleich «r ein sehr menschenfreundliches Herz besaß und eine gute Erziehung genoffen hatte, so hinterließ er doch ein halbes Dutzend Kinder von seinen eigenen Sclavinnen, die alsdann mit ihren Müttern und seinen anderen Habseligkelten zur Deckung seiner Schulden verkauft wurden. Der Vigario Geral war ein ungefähr vierzigjähriger Mestize, der erst vor einigen Jahren eingesetzt und bis dahin einer der bedeutendsten Viehzüchter des Districts gewesen war, ein Geschäft, das er auch jetzt noch nicht aufgegeben hatte. Nachdem er von dem alten Priester so viel Latein gelernt, um die nöthigen Gebete murmeln zu können, ging er ohne die geringsten theologischen Kenntnisse nach der Hauptstadt von Govaz, um sich vom Bischof die Ordination zu erkaufen; kurze Zeit nachher erhielt er durch einen — 10? — anderen Kauf das General-Vicariat deß Districted Ungefähr einen Monat nach meiner Ankunft in der Villa rief man mich zu einer jungen ihm gehörigen Sclavin, «inem hübschen Madchen von sechszehn Jahren, das einige Tage nach der Geburt eines Kindes, von welchem er der Vater war, am Milchsieber starb. Die Einwohner haßten diesen Mann eben so sehr, als sie den alten Geistlichen geliebt und geachtet hatten. Boden und Klima sind in dieser Gegend um Vieles besser als in Piauhy und Cearä. Die Regenzeit beginnt gewöhnlich zu Anfange Octobers und dauert mehr oder weniger bis April. Während des ganzen Decembers und eines Theiles vom Januar regnete es fast ununterbrochen alle Tage, so daß an einen Ausflug nicht zu denken war; in der lehtcn Hälfte des Januars und zu Anfange Fe-bruars hatten wir jedoch, mit Ausnahme der Nachmittagsstunden, wo fast immer heftige Gewitter eintraten, das herrlichste Wetter. Diese Gewitterstürme und der Regen kamen gewöhnlich aus Norden, Nordosten und Osten, wahrscheinlich aus den in diesen Richtungen liegenden, weit entfernten Gebirgen. Der Anbau geschieht hauptsächlich mit Mais und Mandiocca, doch finden viele Fazendeiros auch in der Anpflanzung von Zuckerrohr ihren Vortheil, weniger durch den Zucker als durck den Rum, welchen sie daraus bereiten, und der einen schnellen Absatz hat. Die einzigen hier angebauten Fruchtbaum« sind Orangen - 108 - und Citronen, hier und da wohl auch Iacas und Tamarinden. Zu den vorherrschenden Krankheiten in diesem Districts gehören, besonders zu Anfange und gegen Ende der Regenzeit, Wechsel- und bösartige Fieber. Nicht minder hausig zeigen sich Ophthalmie und Syphilis mit ihren Folgen. Fast alle Einwohner sind mit Kröpfen behaftet, und die Geburt kropfiger Kinder ist keine Seltenheit; selbst Fremde, die sich in der Villa oder ihrer Umgegend niederlassen, werden im Lause einiger Jahre von dieser Krankheit heimgesucht. Einige suchen die Ursache in dem Gebrauche des Seesalzes, das aus Pari» kommt, da die Einwohner früher an das Salz gewöhnt waren, welches sie aus dem salzhaltigen Boden der Umgegend gewannen; Andere schreiben das Uebel den Wässern aus der Serra zu, die besonders in der trockenen Jahreszeit etwas salzig sind. Aber was auch die Ursache sein mag, so schien man doch hier sowohl als in Almas einstimmig der Meinung zu sein, daß sich die Krankheit erst seit den letzten zwanzig Jahren so allgemein verbreitet habe. Ich fand Ne eben so häusig in Concei^äo und Arrayas, zwei weiter nach Süden gelegenen Städten, wo das Wasser ebenfalls salzig ist, besonders dasjenige, welches aus den Kalksteingebirgen kommt. Alle Orte, wo ich Kröpft als herrschende Krankheit gefunden habe, liegen längs dem östlichen Fuße der Serra Geral, einer breiten Bergkette, welche die Provinz - 109 — Goyaz von den Provinzen Pemambuco und Minas Ge-raös trennt. Gebrannter Schwamm ist das einzige Mittel, das man dagegen anwendet; doch gibt es außerdem noch ein anderes Verfahren, in welches man großes Vertrauen setzt. Man geht nämlich in eine Kirche und schneidet eine Schnur genau nach der Länge des Crucifixes, die man dann um den Hals trägt. Ich fragte mehre Leute, die mit diesem Zaubermittel versehen waren, ob sie denn glaubten, daß es irgend eine Wirkung habe, und alle gestanden mir, wie sich erwarten ließ, daß es die Anschwellung nicht nur nicht heile, sondern auch nicht einmal deren Zunahme verhindere. Ich hatte jetzr den nördlichsten Punct Brasiliens erreicht, den je ein Naturforscher besucht hatte, denn weder Pohl noch Burchell waren über Natividade hinausgekom-men. Allerdings sind auch Spix und Mattius im nördlichen Brasilien gereist, aber ihr Weg hatte eine ganz andere Richtung. Da ich hörte, daß diese Reisenden das benachbarte hohe Gebirge nicht erstiegen hätten, so Wollte ich es unternehmen, theils um botanische Sammlungen zu machen, theils um seine geognostische Beschaffenheit zu erforschen. Ich war auf dieser Reise von Herrn Walker, von einem schwarzen Schuhmacher, der als Führer diente, und einem meiner eigenen Leute begleitet. Dem Ufer eines Baches folgend, der in der Serra entspringt und die Stadt fortwährend mit hellem und kühlem Wasser versorgt, er- — 11U ^ reichten wir den Fuß der Serra und hatten bald nachher an einem sanften AbHange den Gipfel eines niedrigen Gebirgzweiges erstiegen, wo es ein breites seichtes Thal gab, dessen Boden man, um Gold zu suchen, vollständig durchwühlt hatte, und in der Mitte kamen wir an Trümmerhaufen, welche, wie man mir sagte, die ursprüngliche Stätte der Villa bezeichneten. Sie war hier von denjenigen gegründet worden, welche sich als Goldgräber zuerst in diese fernen Gegenden gewagt, wurde aber vor sechszig oder sie-benzig Jahren, als das Metall sich verminderte, und als man fand, daß Viehzüchtereien einträglicher seien als Goldgruben, wieder ausgegeben. Am oberen Ende dieses Thales gibt es einm kleinen künstlichen See, der offenbar nur mit großen Kosten angelegt wurde, und aus welchem man das Wasser in kleinen Strömen nach den Orten leitete, wo die Goldwäschereien vor sich gingen. Der Boden, in welchem das Gold gefunden wurde, ist ein eisenhaltiger Kies, durch die Desintegration des Urgesteins gebildet, aus welchem die Serra besteht. Aus diesem über eine Meile langen Thale erstiegen wir einen höheren Theil des Gebirges, der sehr dünn mit kleinen Bäumen bewaldet und mit einer großen Anzahl von Baumlilien (Veiloxi»), ft wie verschiedenen Arten eines groben Grases bedeckt war, und erreichten eine Stelle nahe am Gipfel, wo sich ein sehr felsiger, steiler und schwieriger Abhang zu erklimmen fand. Es bedürfte «iniger - IN - Zeit, ehe wir dm rechten Weg finden konnten, und als dieß endlich gelungen war, widerfuhr Herrn Walker, welcher zuerst hinankletterte, ein Unfall, der ihm leicht das Leben hätte kosten können. Als er nämlich den Gipfel ziemlich erreicht hatte, wich ein Theil des Felsens, an welchen er sich hielt, von seiner Stelle, und Herr Walker stürzte eine Höhe von stchszehn bis achtzehn Fuß hinab und kollerte über einige große Steine, bis er nur noch einige Fuß von einem tiefen Abgrunde entfernt war; ein Glück für ihn, daß er nicht über dessen Rand fiel, denn er wäre zerschmettert worden. Obgleich nicht unbedeutend verletzt, war er dennoch bald wieder der Erste auf unserem Wege und der Erste, der den Gipfel erreichte, wohin wir 'Anderen mit mehr oder weniger Mühe ihm folgten. Wir glaubten hiermit den höchsten Punct erreicht zu haben, aber eine halbe Meile nach Norden erblickten wir einen anderen Gipfel, der bedeutend höher war als dieser, und wohin wir jetzt unseren Weg nahmen. Die Sonne schoß glühende Strahlen herab, wahrend wir diese Höhe erstiegen, doch umwehte uns aus Osten ein höchst erquicklicher kühler Windhauch. Wir alle litten Durst und priesen uns daher glücklich, als wir am Fuße des höchsten Gipfels einen kleinen Teich mit klarem kühlem Wasser fanden. Von dem Gipfel hatten wir nach allen Richtungen «ine treffliche Aussicht; östlich und nördlich war ffe durch verschiedene Ketten niedriger Gebirge begränzt, »restlich und südlich — N2 — ab« erschien das Land als eine einzige ungeheuere, nur vom Horizont begränzte Ebene. Der Gipfel war mit großen Granitblöcken bedeckt, zwischen welchen einige verbuttete Bäume und Sträucher wuchsen. Ich fand die westliche Seite der Serra von einem dicken Lager sehr vesten graufarbigen Kalksteines begranzt, der jenseit der nördlichen Spitze des Gebirges einige Legoas weit große vereinzelte und mit Wald bedeckte Hügel bildete. Der mittlere Theil der Bergkette besteht aus Granit, und zwischen diesem und der Kalksteinformation ist das Gestein schie-serartig. Meine botanische Ernte fiel so reichlich aus, daß ich die Ersteigung des Gebirges späterhin zwei Mal wiederholte. Ich sammelte besonders viele seltene und schöne kleine Farnen und mehre Vellozien; diese Pflanzen bilden eine Eigenthümlichkeit Brasiliens, und da ich schon so oft von ihnen gesprochen habe, so will ich sie hier etwas genauer beschreiben. Sie gehören zu den Endogenen oder Monokotyledonen und tragen ihren Namen zu Ehren eines aus der Provinz Minas Geraes gebürtigen Jesuiten, Namens Ioaquim Vellozo de Miranda, der einen großen Theil seiner Mußezeit dem Studium der Botanik seines Vaterlandes widmete. Man findet sie am hausigsten auf den Gebirgen des Inneren, hauptsächlich aber in den Gold-und Diamanten-Districtm an offenen grasigen Stellen, und häufig bedecken sie bedeutende Strecken. Ihre Höhe wechselt von einigen Zollen bis zu zwölf Fuß, ihre Stengel - 113 — sind sehr trocken und faserig und scheinen aus einer großen Masse langer, zarter, locker zusammenhangender Wurzeln gebildet zu sein; dieselben enthalten nicht selten eine harzige Substanz, um derenwillen man sie in den holzarmen Gegenden des Diamanten-Districts als Brennmaterial benutzt. Zuweilen haben diese Stämme nicht weniger als einen Fuß im Durchmesser; sie sind sehr ästig, aber gänzlich laublos, ausgenommen an den letzten Theilungen der Zweige, welche mit langen schmalen, aloeartigen, doch nicht fleischigen Blattern versehen sind. Aus der Mitte derselben entspringen bic Blumen, die gewöhnlich nur einzeln stehen, obgleich einige von den lleineren Gattungen wohl ihrer sechs an dem Ende jedes Zweiges tragen. Die Blumen der größeren Gattungen sind gegen sechs Zoll lang und entweder von rein weißer oder häufiger noch von purpurrother Farbe; an Gestalt gleichen sie fast den großen weißen Lilien europäischer Gärten und daher ihr Name Baumlilien. Von den Brasilianern wird diese Wanze Canela d' Emu (wörtlich Emus Bei»e) genannt, «veil die nackten Slängel den Beinen d,eses Vogels gleichen. Sie kam zuerst durch den von mir übersandten Samen in englische Treibhäuser, da sii aber nur langsam wächst und jetenfalls schwer zu ziehen ist, so läßt sich erwarten, daß si« langer Zeit bedarf, ehe sie die Schönheit ihrer wilden Ahnen entwickelt. Gardner's R«Mn in Brasilien ll. g — 114 — Außer mehren kürzeren Ausflügen, welche ich in die Nachbarschaft von Natividade unternahm, reisete ich mehre Male nach Arraial da Chavada, einem zwei Legoas nordwestlich gelegenen Dorfe. Es ist ungefähr halb so groß wie Natividade und liegt auf einem niedrigen flachen Tafellande, einer sogenannten Chavada; daher sein Name. Die umliegende Gegend ist wie bei Natividade nach Gold durchwühlt, aber diejenigen, die früher ihre Sclaven zu diesem Zwecke benutzten, finden es jetzt vortheilhafter. sie auf Pflanzungen zu verwenden, obgleich es noch immer einige freie Schwarze gibt, die durch Auswaschung des Bodens einen spärlichen Unterhalt gewinnen. Ich fand hier jederzeit eine sehr gastfreundliche Aufnahme bei dem Capitain Baptista, dem Schwiegervater des Besitzers von Sociedade, einem alten schon seit vielen Jahren hier angesiedelten Portugiesen. Er sprach viel von Pohl und Burchell, die sich beide einige Zeit in dem Arraial aufhielten und die er gut gekannt zu haben schien. Meine Ausflüge nach diesem Orte waren für meine Sammlungen sehr einträglich, da besonders die Kalksteinhügel bei Sociedade «ine große Ausbeute an Pflanzen boten. Während meines Aufenthaltes in Natividade erwies mir besonders der Iuiz dos Orfaos, Senhor Zacaria Antonio bo Santo sehr freundliche Aufmerksamkeit; außerdem besuchte mich noch sehr häufig ein ehemalig« Iuiz de Paz, der nicht weit von der Stadt wohnte. Er war ein sehr — N5 - gutmüthiger schlichler Mann, wie nachstehende Anekdote beweisen wird. Als er mir den ersten Besuch abstattete, drückte er den Wunsch aus, mich allein zu sprechen. Er habe gehört, begann er dann. daß die Engländer die Macht besäßen, zu errathen, wo Gold verborgen liege; wenn ich ihm daher in der goldreichen Serra die Stelle anzeigen wolle, wo eine ergiebige Goldmine zu finden sei, so würde er nachgraben und den Gewinn mit mir theilen. Fast in demselben Athemzuge theilte er mir mit, daß einige Jahre vorher in der Nachbarschaft ein Portugiese gestorben sei, der allgemein als ein sehr reicher Mann gegolten, nach dessen Tode man aber trotzdem kein Geld gesunden habe; «r sei daher der vesten Ueberzeugung, daß derselbe seine Reichthümer irgendwo in der Nähe seines Hauses, das jetzt in Trümmern liege, vergraben habe, und wenn ich ihn daher begleiten wolle und den Schatz entdecke, so könnten wir ihn unter uns theilen, ohne daß Jemand davon erführe. Der arme Alte schien sehr betroffen, als ich ihm zur Antwort gab, daß ich diesen Zweig des Wissens nie zum Gegenstand meiner Studien gemacht. Als ich an einem finsteren Abende ;u Anfange Decembers durch die Straßen von Natividade ging, sah ich «inige Knaben mit einem leuchtenden Gegenstande spielen, den ich anfänglich für eine große Feuerfliege hielt; bei näherer Untersuchung aber ergab es sich, daß es ein schöner phosphorescirender Schwamm von der Gattung ^^ari- — 116 — ou8 war, den man in hiesiger Gegend, wie man mir sagte, sehr häusig auf den absterbenden Blättern einer Zwergpalme findet. Am nächsten Tage sammelte ich eint große Anzahl Exemplare in Größen von einem bis zu an: derthalb Zoll. Die ganze Pflanze strahlt bei Nacht ein glänzendes phosphorescirendes Licht von bleichgrüner Farbe aus, ahnlich jenem, welches den größeren Feuerstiegen ober jenen seltsamen zartleibigen Seegeschöpfen, den Pyroscmen (t^rosamlle) eigen ist; sie wird um deßwillen und weil sie auf einer Palme wächst, von den Einwohnern „klor «jo l^oco" genannt. Einige von diesen Schwammen sind hinreichend, ein finsteres Zimmer in solchem Grade zu erhellen, daß man lesen kann. Die Pflanze erwies sich als eine ganz neue Gattung und ist seit meiner Rückkehr aus Brasilien vom Herrn Berkeley nach den von mir heimgebrachten Exemplaren unter dem Namen ^»rious Kni-lwel-i beschrieben worden. Ich hatte ihr bereits den Namen ^^a>-!«"8 nlwznnorescol^ gegeben, da mir zur Zeit, als ick sie entdeckte, noch unbekannt war, daß bereits eine andere Art derselben Gattung eine ähnliche Erscheinung hervorbringe. Es ist dieß de Candolle's ^»sieuz <,lo»riu8i und außerdem Kai Drummond aus der Schwa-nenfluß'Colonie in Australien eine sehr große phosphor-«scirende Galtung beschrieben, die dort zuweilen vorkommt *). Am zehnten Februar 1840 verließen wir Natiuioabe, *) Hooker's journal ol Lot. Vol. l. p. 2lS. - 117 — um unseren Weg nach Villa de Arrayas, einer ungefähr dreißig Legoas südöstlich gelegenen Stadt zu nehmen. Wir hatten schon den zweiten Februar als den Tag unserer Abreise vestgesetzt, machten aber bald die unangenehme Entdeckung, daß uns eines unserer Pferde fehlte, und dieß war es, was uns acht Tage aufhielt. Am Ende ergab es sich, daß es Jemand ohne unser Wissen geliehen hatte, denn vier Tage nach unserem Aufbruche fand man es in der Nähe des Ortes, wo es weggekommen war, und mein Freund, der Iuiz dos Orfaos war so gütig, es mir nachzusenden. Wir zogen von Natividade aus längs dem Fuße der Serra in südlicher Richtung und kamen auf diesem Wege an einen kleinen Fluß Namens Riacho Salo-blo, der seinen Lauf nach Westen nehmend in den Ma-noel Alvez fallt und dessen Wasser in der trockenen Jahreszeit sehr brack ist. Unser Gepäck wurde auf einer rohen, aus zwei Baumstämmen bestehenden Brücke i^in^eil») hinübergeschafft, und da der Fluß und selne Ufer sehr tief waren, so hatten wir nicht geringe Mühe, unsere Pferde hinüberschwimmen zu lassen. Unsere Nachtstation war die Fazenda das lres Legoas, die, wie ihr Name andeutet, ungefähr drei Legoas von der Villa entfernt liegt. Am folgenden Morgen erreichten wir nach einem Ritt von anderthalb langen Legoas auf's Neue die Ufer des Rio de Manoel Alvez, und zwar an einer Stelle, wo er bedeutend breiter und tiefer war als an unserem früheren — 118 - Uebergangspuncte; wir waren jedoch so glücklich, ein Kanoe zu finden. Meine erste Sorge war darauf gerichtet, die Pferde nach dem jenseitigen Ufer zu schassen, und es wurde dieß dadurch bewerkstelligt, daß sich zwei Männer in das Kanoe setzten und jeder ein Pferd an der Halfter faßte, so daß auf diese Weise jedes Mal zwei hinüberschwammen. Ehe «s uns gelungen war, all unser Gepäck überzusetzen, zog aus Nordost ein Gewitter heran, das uns völlig durchnäßte; ich hielt es daher für das Beßte, sogleich bis zum nächsten Hause zu ziehen, das nur eine halbe Legoa «nt» fernt lag und wo wir über Nacht blieben. Die Gegend zwischen der Villa und dem Flusse war eine ziemlich flache Ebene, aus offenen Campos, Sümpfen und dünn mit kleinen Bäumen bewaldeten Strecken bestehend. Ich sammelte auf dieser Reise mehre schön blühende Sträucher und einige auf der Erde wachsende Orchideen. Von hier aus brachte uns eine Reise von zchn Legoas, wozu wir zwei und einen halben Tag brauchten, nach dem Arraial de Conceirao. In der Nacht des zwölften Februar schliefen wir auf einer großen Fazenda, Namens San Bento. Bis zu einer Legoa von dem Arraial bleibt die Gegend flach und offen, dann aber beginnen niedrige, oft felsige Hügel. Die Bevölkerung ist in diesen Distri-cten so dünn, daß wir zwischen Benlo und dem Arraial. auf «iner Strecke von mindestens zwanzig Meilen, nur «in einziges Haus fanden. Der größere Theil des Districtes — 119 -~ wird nur zur Viehzucht benutzt, doch eignen sich sehr bedeutende Strecken nicht minder zu allerlei Anbau. Das Arraial da Conceicao hat eine Einwohnerschaft von ungefähr hundert Köpfen; doch gibt es viele Hauser, die von den Fazmdeiros, welchen sie gehören, nur wahrend der Zeit der bedeutendsten Kirchenfeste bewohnt werden. Die Bevölkerung besteht meist aus Schwarzen und Mulatten, und wir bekamen in den vier Tagen, die wir hier verlebten, nur wenig Weiße zu sehen. Der Ort liegt zwischen zwei kleinen Bergen, doch ist das umliegende Gelände zum größten Theil eben; seine Hauser bilden zwei lange Straßen, und eine seiner zwei Kirchen liegt jetzt in Trümmern. Ein kleiner Vach versieht das, Arraial mit «inem sehr schlechten und salzigen Wasser, und wahrscheinlich steht dasselbe mit den Kröpfen auf der Westseite der Serra Geral in Verbindung, we!che, so weit ich sie verfolgt habe, von einem ahnlichen Kalksteine begranzt ist, wie er sich bei Natwidade findet. Das Wasser, das über dieses Gestein stießt, ist mehr oder weniger salzig, und übel« all, wo es von den Einwohnern getrunken wird, sind Kröpfe vorherrschend. Auf der östlichen Seite der Serra hingegen ist diese Krankheit ungewöhnlich, und hier gab es, wenigstens an den Orten, die ich berührt habe, weder Kalkstein noch mit Salz geschwängertes Wasser. Das Land war fast ein« Legoa rings um die Stadt Völlig durchwühlt, und vor Zeiten soll man hier eine große - 120 — Masse Goldes gefunden haben, während das wenige, das man heule noch gewinnt, kaum die Mühe des Suchens belohnt. Der Boden, in welchem es gesunden wird, ist Von lehmiger kiesiger Beschaffenheit und besteht offenbar aus den Trümmern von Urgesteinen, indem das Gold entweder in sehr kleinen Theilchen oder in Körnern von verschiedener Größe, zuweilen mehre Unzen schwer, vorkommt. Auch der vesie meist aus Quarz bestehende Felsen soll, wie man vermuthet, reiche Adern enthalten, die man jedoch, da es an den Mitteln fehlt, das sich ansammelnde Wasser abzuleiten, nicht tief versolgen kann. Ich hörte von dem Vigario, der die Sache vielleicht etwas übertrieb, daß sich in geringer Entfernung von der Stadt eine so reiche Goldgrube befände, daß ein kleiner Eimer Erde ziemlich eine Viertelunze Gold gäbe. Diese Grube war, wie «r mir sagte, nicht über zwanzig Fuß tief, aber in Folge oes Einspringens einer Quelle schon seit langer Zeit aufgegeben worden. Das einzige Versahren, wodurch man sich des Wassers zu entledigen suchte, bestand darin, daß man stufenweise eine Anzahl Männer über einander stellte, welche sich die gefüllten Eimer zureichten. Als ich fragte, warum man keine Pumpen anwende, erwiederte er mir, daß man zwar von solchen Dingen gehört, aber nie dergleichen gesehen habe, denn die Handwerker des Ortes sind so unwissend, daß sie nicht einmal ein so einfaches Werkzeug zu fertigen verstehen. Der Vigario erwies sich __ 121 __ während meines Aufenthaltes sehr freundlich gegen mich; «r war ein wohlwollender, bei'm Volke sehr beliebter Mann, der trotz seinen vorgerückten Jahren eine Thätigkeit zeigte, wie sie nicht nur unter seinem Stande, fondern unter seinen Landsleuten überhaupt nicht eben gewöhnlich ist. Cr allein von allen Einwohnern dieser Gegenden hatte auf eine in Rio de Janeiro erscheinende Zeitung subscribirt, die jedoch wegen der Unregelmäßigkeit der Posten nur in langen Zwischenraumen anlangte. Ich erhielt von ihm einen Empfehlungsbrief an einen der einflußreichsten Männer in der Nachbarschaft der Villa de Arrayas, der sein vertrauter Freund war. Man hatte in Nativibade und Concei^ao innerhalb der letzten zwanzig Jahre zwei leichte Erdbeben gespürt; das erste im Jahre 1826, das andere im Jahre 1834. Die Bewegung der Erde war an beiden Orten sehr wahrnehmbar, obgleich beide Erschütterungen schnell vorübergingen. Dieß waren die einzigen Orte in Brasilien, an welchen man mir von solchen Erscheinungen zu erzählen wußte. Wir verließen Conceihno am Morgen des siebenzehnten Februar, und eine Reise von vier langen Legoas brachte uns in den spaten Nachmittagsstunden an die Ufer des Rio da Palma. Ungefähr eine halbe Legoa ven dem Ar-raial windet sich der Weg um das Ende einer etwas ho« hen, felsigen Hügelkette, und nicht weit von dem Fuße derselben zogen wir an einigen kleinen Goldgruben vorüber. — 122 — Die hierbei beschäftigten Sclaven liefern nicht alles Gold, das sie finden, an ihre Herren ab, denn sie sind genöthigt, sich selbst zu beköstigen und zu kleiden, und zahlen daher ihren Principalen wöchentlich eine gewisse Summe, ungefähr sechs Schillinge. Viele derselben sind so glücklich gewesen, sich ihre Freiheit erkaufen zu können; der größere Theil aber wirb träge und ausschweifend. Kurze Zeit vor unserer Ankunft fand ein Sclave ein Slück reinen Goldes, das gegen zehn Unzen wog und mehr als hinreichend war, ihm seine Freiheit zu verschaffen. Die umliegenden Felder waren mit einer schönen auf der Erde wachsenden Orchidee, einem Epistephium von zwei Fuß Höhe geschmückt, das mit einer Aehre großer rosenfarbiger Blumen prangte. Wir hielten während der Mittagsstunden bei dem einzigen Hause am Wege, der Fazenda de Pindobal, und brachen bald wieder auf, um bei guter Zeit den Rio da Palma zu erreichen, den :v',r noch heute überschreiten wollten. Die dazwischenliegende Gegend war fast flach und bestand aus großen offenen Campos, die reicher mit Rindern besetzt waren als alle anderen, die wir seither in dieser Provinz berührt hatten. Auf halbem Wege nach dem Flusse kamen wir unglücklicher Weise vom rechten Pfade ah, indem wir einer jener Viehfahrten folgten, welche in diesen dünn bevölkerten Gegenden den Reisenden häusig irre führen, da die Landstraße ganz dasselbe Ansehn hat. Es verging eine Weile, ehe wir unseren Irrthum gewahr wurden; aber — 123 - wir kannten den Lauf des Flusses, und die gerade Richtung nehmend, kamen wir in weniger als einer halben Stunde auf den rechten Weg zurück, der jetzt durch einen dünnen, hauptsächlich aus ftu^leH pnrviNora, Nart. bestehenden Wald führte. In Folge der hierdurch entstandenen Verzögerung war es fast Sonnenuntergang, als wir die Fähre erreichten. Der Fluß war bedeutend angeschwollen, obgleich es seit langer als einer Woche nicht geregnet hatte; doch vermutheten wir, daß höher im Lande vor Kurzem starke Regengüsse gefallen sein müßten. Wir hatten aus dieser Ursache und weil es schon ziemlich spät war, nicht wenig Mühe, den Fahrmann zur Ueberfahrt zu bewegen. Der Rio da Palma ist bedeutend breiter und reißender als der Rio de Manoel Alvez. Auf beiden Flüssen wird das Fähr. boot auf Kosten der Regierung unterhalten, das hiesige aber war von so kleinem Maßstabe, daß sich jedes Mal nur ein einziges Pferd hinüberschaffen ließ; das Boot wußte daher zwölf Mal über den Fluß fahren, ehe Alles am jenseitigen Ufer war, und es vergingen dabei mehr als drei Stunden. Der Ort, den wir hier erreichten, hieß Fazenoa da Varra und zählte mehre Häuser auf beiden Seiten des Flusses; dasjenige, welches man uns als Wohnung zuwies, war jedoch so klein, daß wir bei der Aussicht auf eine schöne Nacht es vorzogen, unser Nachtlager unter einigen davor siehenden Bäumen aufzuschlagen. — 124 — Am folgenden Morgen waren wir nach einer Reise von dnttehalb Legoas genöthigt. Halt zu machen, da zwei unserer Pferde, wahrscheinlich in Folge der gestrigen Anstrengung bei dem Uebergange über den Fluß, vor Erschöpfung fast nicht mehr weiter konnten. Wir hielten an einer Stelle am Fuße der Serra de Santa Brida, wo nur einige kleine Bäume wuchsen, die uns kaum gegen die brennende Sonne schützen konnten. Diese Serra ist ein Zweig desselben Gebirges wie jenes, auf welchem die Villa de Arrayas liegt, und lauft in nordwestlicher Richtung zwei Legoas vom Rio da Palma. Ihr höchster Punct erhebt sich nicht höher als tausend Fuß üb« die umliegende Ebene. Am Nachmittage legten wir noch «ine kurze Station von anderthalb Legoas zurück und hielten für die Nacht unter einigen kleinen Bäumen an einem klaren, in der Serra entspringenden Bache. Es trafen uns auf dieser Reise einige Regenschauer, und als wir unseren Lagerplatz erreichten, wälzte sich aus Südosten längs der Serra ein heftiges Gewitter heran, bei dessen Anblick die Aussicht, im Walde schlafen zu müssen, nicht eben erfreulich war. Zum Glück wendete es sich, als es uns näher kam, plötzlich nach Norden, und es trat eine herrliche Nacht ein. Unser Weg führte auf dieser Strecke durch eine große offene Thalebene, die nördlich und östlich von der Serra de Santa Vrida und im Süden und Westen von einer Bergkette begränzt wurde, welche den Namen der Serra — 125 - de Buriti führt. Dieses Thal besteht aus weiten offenen Campos mit einer großen Menge von Vaumlilien und ist, außer an den Ufern der kleinen von den Gebirgen herabkommenden Bache, nur dünn bewaldet. Am nächsten Morgen reiseten wir zwei Legoas durch ein ähnliches Gelände und «reichten in der Frühe des Vormittags die Fazenda de Santa Brida, die dem Manne gehörte, an welchen mein Empfehlungsbrief von dem Vigario im Arraial be Con-cei^ao gerichtet war. Der Besitzer wohnt jedoch nicht hier, und daS einzige Haus, das wir fünden, gehörte dem Va-aueiro. Doch da es hier gutes Weideland gab, so verweilten wir bis zum folgenden Tage, um den Pferden «inige Ruhe zu gönnen. Früh am nächsten Morgen brachen wir wieder auf und setzten in geringer Entfernung von der Fazenda über einen kleinen Fluß, dessen Ufer mit großen Bäumen, besonders der Ialobä (ll^meuae») bewaldet waren. In diesem Flusse, wie in ollen anderen dieser Provinz, ist der Zitteraal (t^mnoluz oleeli-icu«) sehr häusig; man findet ihn in allen Größen, von ein bis sechs Fuß Länge, und fängt ihn häusig an den Angelschnüren, die man nach anderen Fischen auswirft; er wird zuweilen gegessen, doch nicht gewöhnlich, ob er gleich «in sehr gutes Fleisch haben soll. Mit den Schlägen, welche er versetzt, wirft er nicht selten Menschen und Pferde nieder. Die Einwohner nennen ihn „Treme-Treme.,, Bei Regenwetter empfangen - 126 — diejenigen, welche in diesen Flüssen fischen, häusig einen Schlag, der längs der feuchten Ruthe und Schnur sich mittheilt, wenn ein Zitteraal den Angelhaken faßt. Ich sah einen von sechs Fuß Lange, den man gefangen hielt, und der so zahm war, daß er sich von jedem betasten ließ, ja selbst, ft lang wie er war, durch die Finger glitt; doch durfte man ihn, vielleicht durch einen ganz leisen Druck, nur im mindesten reizen, um augenblicklich einen heftigen Schlag zu erhalten. Eine ermüdende Reise von vier Le-goas unter einer brennenden Sonne und durch eine ziemlich offene Gegend brachte uns zu der Fazenda Sap«, dem Wohnorte des Besitzers der Fazenda Santa Brioa, eines Limtnants Ioao Gomez Lagoeira. Er befand sich bei unserer Ankunft auf einer etwas entlegenen Pflanzung, doch versicherte man, daß er bald zurückkommen würde. In e'mer Stunde erschien er, und der Brief von dem Vi-Zario verschaffte mir den herzlichsten Willkommen. Es war meine Absicht, am nächsten Morgen nach der ungefähr vier Legoas entfernten Villa de Arrayas aufzubrechen, aber unser freundlicher Wirth wollte nichts davon hören, und erst als fünf Tage verstrichen waren, gab er seine Einwilligung zu unserer Abreise. Damit wir die Villa nlcht ohn« Lebensmittel erreichten, ließ er von einer seiner Meiereien einen fetten Ochsen holen, der für uns getödtet und getrocknet wurde, und außerdem nöthigte er mich auch noch, «ine Ladung Farmha anzunehmen. — 127 — Die Fazenda Sap« liegt am Fuße der Sena de Santa Brida am Eingänge eines kleinen auf beiden Seiten von Bergen umschlossenen Thales; da das dazu gehörige Land gut bewässert und der Boden sehr üppig ist, so eignet es sich trefflich zum Anbau des Zuckerrohres, wovon es mehre große Pflanzungen hier gibt. Der größere Theil dieses Erzeugnisses wird in Rum verwandelt, nach welchem man mehr verlangt als nach Zucker. Auch Reiß und Manbi-occa geben reiche Ernten. Das ganze Vesitzthum des Lieutenants Lagoeira umfaßt einm Flächenraum von vier und sechszig Quadratmeilen und ist in verschiedene zur Viehzucht bestimmte Meiereien getheilt. Seine Heerden belaufen sich auf ungefähr vierzehn tausend Stück, und man verkauft die Rinder meist an Viehhändler, welche sie nach Bahia hinabtreibm. Der Besitzer war ehemals selber ein solcher, wußte sich aber bei dem vorigen Eigenthümer so sehr in Gunst zu setzen, daß ihm dieser seine Tochter gab. Als der Vater bald nachher starb, siel die alleinige Verwaltung der Fazenda in die Hände des Schwiegersohnes. Er wud als ein Mann von freundlichem Gemüth und guter Erziehung von den Bewohnern der Umgegend sehr hoch geschätzt. Ich unternahm während meines Aufenthaltes auf dies« Fazenda und bei den mehrmaligen Besuchen, die ich ihr von Arrayas aus machte, verschiedene Ausflüge in die Umgegend. Senhor Lagoeira. ein eifriger Jäger, war mein steter Begleiter. Zuweilen begaben wir — 128 — uns auf eine grasige Hochebene, welche nur dünn mit Vel-lozia und Diplusodon, einem schönen niedrigen mit kleinen rosenrothen Blüthen geschmückten Strauche bedeckt war. Auf diesen trockenen Ebenen gibt es in großer Menge eine Wachtelart, Perdiz genannt und zur Gattung Tinamus gehörig, die nicht viel kleiner ist als ein europäisches Rebhuhn. Ein anderes Ziel unserer Ausflüge war das hinter dem Hause gelegene Thal, das an vielen Stellen sumpfig und sehr reich an einer großen, Cabe^udo (^ooos eapi» lala, Hlarl,.) genannten Palmenart ist, deren Frucht die Hauptnahrung des in diesem District« sehr gewöhnlichen großen blauen Macaos bildet. In den Sümpfen dieses Thales findet man häufig die Boa Constrictor von bedeutender Größe. Sie ist in der ganzen Provinz nicht ungewöhnlich, besonders an den bewaldeten Ufern der Sümpfe, Seeen und Flüsse, und erreicht zuweilen die furchtbare Länge von vierzig Fuß. Ich sah hier die größte, die mir jemalS vorgekommen ist» aber sie war nicht mehr lebendig. Einige Wochen vor unserer Ankunft in Sapv war des Lieutenants Lieblingspferd von dem in der Nähe deß Hauses befindlichen Weideplatz« verschwunden; man suchte es auf der ganzen Fazenda. aber «s blieb verloren. Bald darauf bemerkte «in Vaqueiro, indem er durch einen Wald am Ufer eines kleinen Flusses wanderte, eine ungeheuere Boa, die in der Gabel «in«s über das Wasser geneigten Bau-meS hing. Sie war todt, hatte fich aber offenbar lebendig — 129 - von der letzten Fluth heravtreiben lassen und in ihrem trägen Zustande nicht die Kraft gehabt, sich aus der Ga-bel zu winden, ehe das Wasser wieber zurückging, Man ließ sie von zwei Pferden auf's freie Land ziehen und fand, daß sie sieben und dreißig Fuß maß. Als man sie öffnete, kamen die zum Theil zerbrochenen Knochen und das halb verbaute Fleisch eines Pferdes zum Vorschein, während sich die Kopfknochen unverletzt vorfanden, und hieraus schlössen wir, daß die Boa das Pferd vollständig verzehrt haben mußte» denn im Verschlingen besitzen alle Arten von Schlangen eine wahrhaft erstaunliche Fähigkeit. Ich habe häufig gesehen, wie eine Schlange, die nicht dicker war als mein Daumen, einen Frosch ziemlich von der Größe Meiner Faust verschlang, und ich tödtete einst eme Klapperschlange von vier Fuß Lange und nicht behütender Stärke, die nicht weniger als drei große Frösche verschlungen hatte, deren einer ih^n Leib zweimal so dick machte als die übrigen Theile; er war noch am Leben und hüpfte davon, als er befreit wurde. Eine sehr dünne Schlange, die man häufig auf den Dächern der Häuser findet, verschlmqt nicht selten Fledermäuse, die drei Mal so dick sind als sie selber. Ist dieß also bei den kleineren Arten der Fall, so darf man sich nicht wundern, daß eine Schlange von sieben und dreißig Fuß Länge ein Pferd verschlingen ko>me, besonders wenn mar> weiß, daß sie dem Thiere, mdcm sie es Umschlingt, zuvor die Knochen zerbricht und es dann mit Gardner's Reisen in Brasilien ll. a - 130 — dem schlüpfrigen Schleime benetzt, den sie in ihrem Rachen birgt. Ein ander Mal gingen wir in den Wald, welcher den Fuß der Serra umsäumt und wo die größeren Bäume aus einer Art Mimosa, Angico genannt, bestehen. Auf ihren Zweigen gibt es unzählige Aeffchm, für welche das Harz, das dieser Baum absondert, ein Lieb« lingsfutter ist. Außerdem halten sich in diesen Waldern auch einige große Brüllaffen auf (N^eles barba-tu», 3j,ix), die in Brasilien unter den Namen Barbudo und Guariba bekannt sind. Sie besitzen in ihren langen Wickelschwänzen eine ungeheuere Muskelkraft und bleiben mit denselben selbst dann noch an den Zweigen hangen, wenn sie geschossen und völlig todt sind. Man findet sie gewöhnlich schaarenweise und sie lassen besonders zu früher Morgenstunde ein unangenehmes Geheul vernehmen. Noch zahlreicher ist ein kleiner ringelschwänziger Affe (steles pluüzeu«), der den Pflanzungen viel Schaden thut und deßhalb von dem Fa-zendeiro eifriger verfolgt wird. Er plündert besonders Zuckerrohr- und Maisfelder und trägt dann seine Beute in den Wald. Ein alter Neger erzählte mir, er habe häufig einen Affen dieser Art mit einem Raube von drei Maisahren beladen gesehen, wovon er die eine im Munde, die andere in einem seiner Arme und die dritte in dem beweglichen Schwänze getragen habe; ich bekenne jedoch, daß - 131 - ich dieß erst mit eigenen Augen wahrnehmen muß, ehe ich es vollkommen glauben kann. Die feuchten und sumpfigen Campos tragen verschiedene Palmenarten mit großen Büscheln kleiner Nüsse, welche in reifem Zustande äußerlich mit einer faserigen und öligen Substanz bedeckt sind, die einen süßlichen Geschmack hat und die Lieblingsnahrung jener Aeffchen bildet. Eben so begierig sind jedoch diese Thiere auf den inneren Theil der Nuß, die fast dieselbe Masse enthält wie die Cocusnuß. Ich hatte mir in verschiedenen Theilen des Inneren erzählen lassen, daß diese Assen die Nüsse, welche für ihre Zähne zu hart sind, nach irgend einer felsigen Stelle trügen und sie dort rnit einem Steine entzwei klopften, und einige Leute wollten sie bei dieser Verrichtung sogar belauscht haben. Aber Mir schien diese Erzählung bis zu meiner Ankunft in Sap« eben so fabelhaft wie jene von der Fortschaffung der Maisähren. Auf einem Ausfluge über das Gebirge unmittelbar hinter der Fazenda, wo es aus ziemlich nackten und schroffen Gipfeln bestand, sahen wir jedoch an mehren fast unzugänglichen, meist aber entblößten Stellen große Haufen zerbrochener Nußschalen und daneben eine Anzahl rundlicher, mehr als faustgroßer Steine, die offenbar zum Aufschlagen der Nüsse gedient hatten. Dieß waren nach Senhor Lagoeira's Versicherung die Orte, wohin öle Affen ihre Zuflucht nahmen, um die in den unteren Wäldern gesammelten Nüsse zu zerschlagen, und er fügte hinzu, er 9' — 132 habe sie häusig entfliehen sehen, wenn er auf seinen Iagb-zügen durch das Gebirge einem solchen Orte sich genähert habe. Daß sie sich bei Dingen, die für ihre Zähne zl: hart sind, der Steine zu bedienen wissen, habe ich oft genug an einem kleinen Lieblingsaffen gemerkt, der mich auf meinen Reisen begleitete. Ich bekam ihn in Piauhy, und er war von den vielen zahmen Thieren, die ich bei mir führte, das einzige, das lebendig Rio de Janeiro erreichte. Es war ein Weibchen der Gattung, von welcher wir jetzt reden, und wurde mit der Zeit sehr zahm. Jerry hatte sich bei Allen in Gunst gesetzt und lebte fast in jeder Beziehung wie wir selber; sie trank früh und abends ihren Thee, worauf sie sehr begierig war, und ging nie eher schlafen, als bis sie ihre gewöhnliche Portion erhalten hatte. Ihr Lieblingsfutter bestand in F.ninha, gekochtem Reiß und Bananen, doch nahm sie auch mit allem Ander«« vorlieb. Ein rohes Ei war «in Leckerbissen für sie, und sobald sie «in solches erhielt, zerklopfte sie d. verlia eonvnllarlalloi-A, einer Panax, einer Albeitinia, einer Lafoensia, zwei Gattungen der Cecropia, aus der Man-gäba do Mono, dem Elephantenlausbaum und verschiedenen Mimosen. Gegen Ende des Monates April wurde der ganze nördliche Theil der Provinz Goyaz durch die Nachricht aufgeschreckt, daß eine Abtheilung von Naimundo's Heere mit dem Valaio aus Maranham nach Alcantara, einer kleinen im äußersten Norden der Provinz gelegenen Stadt, gekommen Und mit Gewalt daselbst eingedrungen sei, und daß sis, obgleich sich ein großer Theil der angeseheneren Einwohner in die Wälder geflüchtet, eine bedeutende Anzahl getöbtet und geplündert und ander« wieder für ihre Partei gewonnen habe. Gleichzeitig langte die Botschaft an, daß man alle Kanoes, welche wie gewöhnlich im Monat April aus den mittleren Theilen der Provinz hinab nach Parä gefahren waren, weggenommen, ihre Eigenthum« gelobtet und die Häute, welche sie als Ladung führten, in den Fluß geworfen hälte. Man kam augenblicklich aus die Vermuthung, daß sich die Rebellen in keiner anderen, Absicht dieser Boote bemächtigt hätten, als um den Fluß hinauf zu fahren und die Städte und Dörfer dieses Theiles der Provinz auf dieselbe Weise zu verheeren wie jene Eard«,r's R,iftn w Brasilien ll. lg - 146 — unterhalb. Am zweiunbzwanzigften April wurde ich nach ein« drei Legoas nördlich von Arrayas entfernten Fazenda zu einer jungen Dame gerufen, die sich unwohl befand. Als ich ankam, hatte ihr Vater soeben einen Brief von dem Vigario von Conceieao erhalten, welcher die Nachricht enthielt, daß die Räuber vor einigen Tagen Porto Imperial, ein am Tocantins liegendes Dorf erreicht hätten, das nur drei Tagreisen von Villa de Natividade entfernt stf, und daß die Einwohner des letzteren Ortes bereits nach allen Richtungen in die Wälder flüchteten. Bei meiner Rückkehr nach Arrayas überbrachte ich dem Präsidenten der städtischen Camara einen Brief, worin dieser von den erwähnten Ereignissen unterrichtet wurde. Er rief äugen» blicklich die bedeutendsten Einwohner zusammen, um zu berathen, was in dieser Noth zu thun sei, und man entschied, mittels einer Trommel die Nationalgarde zu versammeln; aber obgleich die Stadt ein solches Instrument besaß, so war doch unglücklicher Weise Niemand aufzutreiben, der damit umzugehen wußte, bis mich endlich einer meiner Leute, ein Schwarzer aus Natividade, um die Erlaubniß bat, diesen Dienst zu übernehmen. Die Trommel rief sonach zu den Waffen, aber es erschienen nicht mehr als etwa sechs Männer auf dem Platze. Am nächsten Morgen wurden sie abermals herausgerufen, und dießmal versammelten sich ungefähr doppelt so viele, die aber fast alle unbewaffntt waren. Dies« kleine Schaar mußte sich — 147 — sogleich von einem Fazendeiro emerercieren lassen, der sich zufällig in der Sladt befand, aber von seiner Aufgabe nicht das Mindeste zu verstehen schien, obgleich er den Rang «ines Fähndrichs der Nalionalgarbe besaß. Der Iuiz de Paz wurde sofort von seiner Fazenda einberufen, und außerdem gingen Expresse nach der Stadt Goyaz, um den Präsidenten sowohl als auch die zwischenliegenden Städte von diesen Angelegenheiten in Kenntniß zu setzen; andere entsendete man nach den verschiedenen Theilen des Di-' slricteS, um die ganze Nationalgarde zu versammeln. Im Laufe von vier bis fünf Tagen kamen über hundert vierzig Mann in die Villa, von welchen die meisten mit ih-rm Vogelstinten bewaffnet waren; doch gab es in der Stadt weder Musketen noch Pulver oder Kugeln. Diejenigen, die keine Flinten besaßen, bewaffneten sich mit ihren Messern, welche sie vest an kurze Stangen banden, und die ganze Streitmacht bildete wie jene von Piauhy das bunteste Gemisch, das man sich denken konnte; denn sie bestand aus Leuten von allen Farben, allen Größen und ohne jegliche Uniform. Die Truppen wurden acht Tage exerciert, bis endlich die Botschaft anlangte, daß die frühere Nachricht übereilt gewesen sei und daß sich die Rebellen , ungefähr aus fünfhundert gut bewaffneten Männern bestehend, noch immer in Alcantara befänden. Hierauf gab der Iuiz de Paz seinen Soldaten augenblicklich Hre Entlassung und behielt nur zchn Mann als Schutz- 10' — 148 — wache der Stadt zurück. Im Werbaltnisse zur Einwohnerzahl dieses Districts war die bei dieser Gelegenheit versammelte Nationalgarde zahlreicher als in irgend einem Districts von Piauhy; aber höchst wahrscheinlich wäre bei einem zweiten Aufgebote die Hälfte weggeblieben, da diese armen Leute, die man plötzlich aus ihren Wohnungen und Familien gerufen und größtentheils zu einer langen Fuß» reise veranlaßt hatte, über die von den Behörden ihnen zu Aheil gewordene Behandlung nichts weniger als zufrieden waren. Sie fanden bei ihrer Ankunft, daß man fast gar nicht für ihr Unterkommen gesorgt hatte. Ein altes Haus, dessen Mauern sich nur wenig über den Boden erhoben, war das einzige Obdach, das man ihnen gewährte, und hier wurden sie, mehr wie Schweine als wie Menschen, alle zusammen eingepfercht. Wäre schönes Witter gewesen, so würde der größere Theil es vorgezogen haben, unler freiem Himmel zu schlafen, aber unglücklicher Weis« waren die Nachte sehr regnerisch. Außerdem wurde während der Zeit, wo sie in der Stadt lagen, nicht ein Pfennig für ihre Beköstigung ausgegeben, und ohne die Wohlthätigkeit e'lniger Einwohner hätten sie entweder Hunger leiben oder sich ihre Lebensmittel mit Gewalt verschaffen wülsm. Al« sich Einige um Zehrbebarf an den Iuiz de Paz wendeten, gab er ihnen zur Antwort, daß cr es nicht für gut befinde, elwaS von den städtischen Geldern für einen solchen Zweck zu verausgaben, da dieselben zur Erbauung eines neuen — 149 — Gefängnisses bestimmt wären! Einige Stunden vor ihrer Entlassung zogen die Truppen in die Kirche, um die Messe zu hören, worauf der Iuiz be Paz jedem derselben ein Glas Rum verabreichte, die einzige Belohnung für ihre Dienste. Mehre Einwohner der Villa, die vorher mit den Thaten der Tapferkeit geprahlt hatten, welche sie bei einer Annäherung des Feindes vollbringen wollten, waren bei der Nachricht, daß die Rebellen bis Porto Imperial vorgedrungen seien, die Ersten, die ihre Kostbarkeilen zusammenpackten, um sich jeden Augenblick aus dem Staube machen zu können. Alle Frauen hatten ihre Ringe und Ohrgehänge, sowie die goldenen Ketten abgelegt, womit sie ihren Hals zu schmücken pflegen. Da jetzt die zum Reisen geeignete Jahreszeit herangerückt war, so drängte es mich zum Aufbruch, um wo möglich vor Beginn der nächsten Regen in Rio de Janeiro einzutreffen. Ich verdankte es der Güte meines vortrefflichen Freundes Lagoeira, der mir von seiner Fazenda allerlei Zehrbedarf übersandte, daß sich meine Geldmittel während meines Aufenthaltes in Arrayas nicht bedeutend vermindert hatten. Meine Praxis brachte mir mehr ein, als ich brauchte, und ich war dadurch in den Stand gesetzt, meinem Reisezuge vier schöne Pferde hinzuzufügen, so daß ich jetzt im Ganzen deren sechszehn besaß. Am vierten Mai begab ich mich nach Sap6. um meinem Freunde Lebewohl zu sagen und meine Pferde zu holen, — 150 — die seit unserer Ankunft hier geweidet hatten, und da Senhor Lagoeira von meiner bevorstehenden Abreise unterrichtet war, so hatte er einen Ochsen zugerichtet und für verschiedene andere Lebensmittel gesorgt. Die Trennung von diesem wahrhaft vortrefflichen Mann«, mit welchem ich in einem fremden Lande ein vertrautes Freundschaftsverhältniß geschlossen hatte, der mir eine Freundlichkeit erwiesen, wie ich sie nie erwarten konnte, und von welchem ich aller Wahrscheinlichkeit nach auf immer Abschied nahm, erfüllte mich für mehre Tage mit einem Gefühle der Wehmuth. Elfter Abschnitt. Von Arrayas nach San Romao. Aufbruch von Arrayas. Wahl des Weges über die Serra Ge-ral. Gamellcira. Bonita. San Domingo. San Ioao. San Bernardo. Unterirdische Flüsse. Boa Vista. Die Umgegend und ihre Erzeugnisse. Capella da Posse. San Pedro. San Antonio. D<»res. Riachäo. Vampire. San Vidal. Heuschreckcnschwärme. Nossa Senhora d'Abhadia. Campinhas. Pasquada. San Francisco, uebergang über den Fluß Carnnhenho und Eintritt in die Provinz Minas Geriies. Die Gegend. Ein Kampf mit einem Ameisenbären. Capäo de Casca. Herabsteigung von der Serra Aräras. San Ioft. Rio Claro. Boqueiräo. Santa Maria. Espigao. Taboca. San Miguel. Der Fluß Uru-cuya. Riachao. Ankunft in San Romao. Die Stadt und ihre Einwohner. Sitten. Der Ria de San Francisco und seine Fische. Nachdem die nöthigen Vorbereitungen getroffen waren, verließen wir Anayas am Nachmittage des sechsten Mai's, und dießmal war mein nächstes Reiseziel die Villa de San Romao am Rio de San Francisco; aber statt den von den Eingeborenen gewöhnlich verfolgten Weg nach Süden längs dem westlichen Fuße der Serra Geral bis zur Parallele von San Romao zu reisen, wählt« ich den wenig« besuchten und folglich beschwerlicheren längs der Serra selber. — 152 — Ich hatte einen doppelten Grund hierzu; erstlich, weil das Niederland nach Westen bereits von Pohl und Vur-chell und zum Theil auch von Spix und Martius bereist war, und zweitens, weil ich hochgelegene Gegenden wegen der größeren Mannigfaltigkeit ihrer Vegetation jederzeit vorzog. Wir wurden bis auf eine halbe Legoa von der Villa von einigen der angeseheneren Bewohner begleitet, und bald nachdem meine Freunde zurückgekehrt waren, stiegen wir auf einem sehr felsigen Pfade von der Serra hinab, auf welcher die Villa steht; doch war der Abhang auf dieser Seite nicht so hoch als jenseits, und wir befanden uns daher, obgleich wir jetzt eine verhaltnißmäßig flache Gegend erreicht hatten, noch immer auf einer bedeutenden Höhe. Nachdem wir eine halbe Legoa zurückgelegt, lagerten wir für die Nacht unter einigen Bäumen an einem Bache und hingen hier unsere Hängematten «uf; gegen Mitternacht aber trat in Folge des von der Serra herabwehenden Windes eine so empfindliche Kalte ein, daß wir nicht schlafen konnten und uns noch lange vor Tagesanbruch an das große Feuer setzten. das uns bei keinem Nachtlager unter freiem Himmel fehlen durfte. Am nächsten Tage brachte uns eine Reise von vier langen Legoas nach der Fazenda Gamelleira, wo wir unter einem großen Feigenbaume übernachteten, indem es hier nur ein kleines dem Vaqueiro gehöriges HauS gab. Diese Fazenda gehörte einer Witwe, Dona Maria Rosa, in de- — 153 — ren Haufe wir wahrend des Mittags kurze Zeit verweilten. Bald nachdem wir Gamelleira verlassen hatten, gelangten wir in einen Urwald, der ganz verschieden war von allen anderen, die ich seit meinem Abschied von der Provinz Rio de Janeiro gesehen hatte, und wie ich ihn in dem Districts, in welchem wir jetzt reiferen, fast nicht zu finden gehofft. Er enthielt viele große mit parasitischen Orchideen bedeckte Baume und war ungefähr eim Legoa lang. Hierauf kamen wir auf eine erhöhte dünn bewaldete Strecke, wo wir zum Frühstück unter einem schönen schattigen wilden Feigenbäume (Lamelle,!-») hielten. Des Nachmittags legten wir zwei andere Legoas zurück und übernachteten bei einer Fazenda Namens Mange, wo der Weg über eine dünn bewaldete Chapada führte. Am Morgen des neunten ruhten wir nach einem Ritt von anderthalb Legoas an den Ufern eines kleinen Baches unter einer Gruppe von Buriti-Palmen. Der erste Theil unseres Weges war hügelig und steinig mit zwischenliegenden gut bewaldeten niedrigen Strecken, der letztere Theil aber führte durch ein überaus schönes Gelände offener grasiger Campos, hier und da mit großen weit sich ausbreitenden Bäumen geschmückt. Des Nachmittags reiseten wir anderthalb Legoas durch eine Gegend, welche noch schöner war als jene, die uns am Morgen entzückt hatte. Wir erstiegen eine kleine Höhe, die uns auf eine flache, ziemlich dünn bewaldete Chapada führte, wo ein starkes — 154 — Gras, eine Art Anbropogon, in großen veieinzelten und ungefähr drei Fuß hohen Büscheln wuchs, und hierauf kamen wir wieder auf ein offenes Campo. Am Ende der Chapada überschaut man eine große Serra, die von Norden nach Süden läuft, aber nicht sehr hoch emporsteigt und, so weit das Auge schauen kann, vollkommen eben erscheint. Dieß ist die westliche Seite des höchsten Theiles der Serra Geral. Erst einige Zeit nach Sonnenuntergang fanden wir einen paffenden Lagerplatz, aber wir hatten Mondschein und konnten ohne Mühe unserm Weg verfolgen. Der Ort, wo wir hielten, lag unter einigen kleinen Bäumen am Saume eines Waldes, doch ahneten wir nicht, welche Qual uns bevorstand; denn in einer halben Stunde entdeckten wir, daß er von Carrapatos Miu-dos wimmelte, von welchen unsere Leiber bald vollständig bedeckt waren. Da es jetzt zu spat war, ein anderes Lager zu suchen, so blieb uns kein anderes Hilfsmittel als das Gras um uns her in Brand zu stecken. Nachdem dieß geschehen, wuschen wir uns mit einem starken Tabakaufguß, der die Carrapatos tödtete, und dann mit lauem Wasser, um die möglichen üblen Wirkungen des Tabaks zu verhindern, ein Mittel, deffen die Vaqueiros sich bedienen, die durch ihr Geschäft täglich an Orte geführt werden, welche von diesen lastigen Insecten heimgesucht sind. Auf diese Weise gegen feinere Angriffe dieses Un-gezieserS gesichert, erfreuten wir uns eines ruhigen Schlafes, — 155 — und am nächsten Mergen in der Frühe wieder aufbrechend, erreichten wir gegen Mittag «ine kleine Fazenda Namens Bonita, wo wir bis zum folgenden Tage verweilten. Das kleine Wohnhaus des Eigenthümers dieser Fazenda liegt auf einer Anhöhe, welche «ine schöne Aussicht über das umliegende Flachland gewahrt. Er wohnte früher an einer etwas tieferen Stelle in geringer Entfernung, da aber seine Familie bestandig am Fieber litt, so wählte er den jetzigen Platz, und seitdem sind die Seinigen von diesem Leiden befreit geblieben, obgleich der Unterschieb in der Erhöhung nicht mehr als hundert Fuß betragt. Am Morgen zog der Iuiz de Paz des Districtes vorüber, der gegen zwei Legoas nördlich von Bonita wohnt, und als er hörte, daß wir Fremde waren und San Do-wingo, ein kleines drittehalb Legoas entferntes Dorf besuchen wollten, sagte er mir, daß auch sein Weg ihn dahin führe, und daß «r sein dortiges Haus, welches er nur zu Festzeiten bewohne, uns während unseres Aufenthaltes gern überlassen wolle. Die Entfernung zwischen Bonita und dem Dorfe wurde auf drittehalb Legoas angegeben, aber wir fanden, daß dieß sehr lange Legoas waren. Del Weg ist bis in die Nahe des Dorfes ziemlich eben und Meist sandig, dann aber wird er hügelig und steinig; er läuft südlich längs dem Fuße der Serra Geral, gewöhnlich aber eine Meile oder darüber westlich von derselben. Der Gipfel des Gebirges blieb noch immer flach, der Abhang — 1K6 - war stell und das Gestein von rolhgelder Farbe. Bald nach unserem Aufbruch von Bonila erspähten wir in Süb-osten einen Pyramidalischen Gipfel von der Höhe der Serra, der eine täuschende Aehnlichkeit mit einem ungeheueren, durch Kunst geschaffenen Werke besaß; er steht eine Vier-» tilmeile von der Serra entfernt und ruht auf einem breiten regelmäßigen Fuße. Wir erreichten das Arraial be San Domingo kurz vor Sonnenuntergang und nahmen unsere Wohnung in dem Hause des Iuiz de Paz. Es war wi,e die übrigen Häuser aus großen ungebrannten Ziegeln erbaut, und die Scheidewände bestanden aus Flechtwerk, das mit Lehm berappt, von der Hand des Arbeiters geglättet und über und über mit den von seinen Fingern zurückgelassenen Eindrücken verziert war. Das Dorf liegt zwischen einigen kleinen Hügeln ungefähr eine Legoa westlich von der Sena Geral und besteht nur aus vierzig Häusern, von welchen überdieß viele den benachbarten Fazendeiros gehören und nur wahrend der Feste bewohnt sind. In der Nahe fließt ein kleiner klaver Bach, der sehr reißend seinen Lauf verfolgt, aber keine Fische enthält, da ein Wasserfall in einiger Entfernung unterhalb des Dorfes sie nicht heraufkommen läßt. Wir verweilten hier zwei Tage, denn ich wollte einen neuen Mann für meine Karawane miethen, fand aber, daß dieß nicht so leicht zu bewerkstelligen war, obgleich es nicht an jungen Männern fehlte, die müßig - 157 - herumschlenderten, aber keine Lust hatten, sich etwas zu verdienen. Es ist ein gewöhnliches Sprichwort in diesen Theilen des Landes, daß auf je zehn Menschen, welche arbeiten, ihrer neunzig kommen, die nichts thun und theils durch Jagd, theils durch Beraubung ihrer betriebsameren Nachbarn ihr elendes Dasein fristen. Mittlerweile hörte ich von einem Manne, der bereits die Reise nach Minas Geraös gemacht hätte; ich ließ ihn holen, und er war gern bereit, in meine Dienste zu treten, doch ehe wir noch unseren Vertrag geschlossen hatten, kam fein Weib herbe! und schmähte mich, daß ich ihren Ehemann entführen wollte. Es war eine große Mulattin, alt, häßlich Und, was mich überraschte, eine Sclavin, während der Mann ein freier Mulatte und bedeutend jünger war. Sie hatten während ihrer sechsjährigen Ehe fortwährend in Haber gelebt, und er schien jetzt entschlcssen, sich von diesem Weibe zu befreien. Er sagte ihr daher, sie hatte ihn lange genug beherrscht, und es sollte nun damit ein Ende haben. Aber wir konnten uns ihrer nicht eher entledigen, als bis « versprochen hatte, nicht länger als einen Monat in weinem Dienste zu bleiben; doch fühlte er sich nach Verlauf dieser Frist nicht geneigt, in die Arme seiner Gattin zurückzukehren, sondern begleitete mich bis in den Dia-Wanten-District, wo er bei einem Bergwerke Arbeit fand» Nackdem alles Nöthige vorbereitet war, brachen wir am vmzehnten zu früher Morgenstunde wieder auf und —' !58 - uns in südlicher Richtung noch immer auf der östlichen Seite der Sena haltend, erreichten wir in den Vormittagsstunden des nächsten Tages ein« Fazenba Namens San Ioao, und da unsere Vorrälhe fast erschöpft waren, so beschloß ich, hier wo möglich frische einzunehmen. Auf meine Erkundigungen bei dem Eigenthümer erklärte mir aber dieser, baß er keine Rinder in der Nähe seines Hauses habe, und daß daher mindestens zwei bis drei Tage vergehen könnten, ehe sich von einer sieben Legoas entfernten Weibe eine Kuh oder ein Ochse herbeischaffen ließe. Einer solchen Verzögerung mußte ich mich natürlich fügen, denn wir befanden uns jetzt in einer Gegend, wo Lebensmittel nicht so leicht zu erlangen waren. Des Nachmittags ging ich hinab, um in einem kleinen Bache nicht weit vom Hause ein Bad zu nehmen, und als ich zwischen einigen Büschen am Ufer eine Blume bemerkte, drang ich ein, um sie zu pflücken, fand aber, als ich wieder herauskam, daß mir dieß theuer zu stehen gekommen war, denn ich sah meine Beinkleider und mein Hemd, sowie Händ« und Beine, die nackt waren, dicht mit kleinen Carrapatos bedeckt. Ich warf eilig meine Kleiber wieder ab und sprang in das Wasser, aber es kostete mir nicht geringe Mühe, mein Hemd und meine Beinkleider von diesen lästigen Insecten zu reinigen. Ich nahm mich späterhin wohl in Acht, in dieser Gegend viel herumzustreifen. Erst am Morgen des zweiten Tages würd« eine schön« fette Kuh gebracht, — 159 — aber obgleich sie auf der Sttlle gelobtet warb, so war doch das Fleisch erst nach zwei Tagen so weit getrocknet, daß «s verpackt werden konnte. Der Eigenthümer der Fazenda, Capitain Faustino Vieira, war sehr knickerig und weit weniger gastfrei als die meisten anderen Fazendeiros, die ich in dieser Provinz kennen gelernt hatte. Obgleich «r ein hübsches und bequemes Haus besaß, so mußten wir doch wahrend unseres Aufenthaltes unter einem offenen Schuppen wohnen, welcher der zur Fazenda gehörigen Zucker« Mühle als Obdach diente. Er stellte für Alles, was wir von ihm kauften, die übertriebensten Forderungen und verlangte für die Kuh die Halste mehr, als der in dieser Gegend gewöhnliche Preis betrug. Eben so theuer mußte «ch die Farinha und den Mais für meine Pferde bezahlen. Am Tage unseres Aufbruchs von San Ioäo legten wir eine Reise von drei langen Legoas zurück und übernachteten auf der Fazenda de San Bernardo. Wahrend d«s Nachmittags hatt« eines meiner Pferde, indem es zwischen zwei Bäumen hindurchging, seinen Packsatlel zerbrochen, und wir mußten daher, um ihn gehörig wiederherstellen zu lassen, die Hälfte des nächsten Tages hier liegen bleiben. Ich machte mittlerweile eine botanische Wanderung m die Nahe eines großen Sumpfes, durch welchen sich «in kleiner Fluß ergießt. Dieser Fluß verliert s'ch, wie verschiedene andere von gleicher Größe, die wir hinter San Ioäo berührten, unter einem niedrigen Kalk- — 160 — steingebirge, das mit der Serra Geral, fast zwei Legoas westlich von ihr, parallel läuft. All diese Flüsse entspringen in der Serra Gerat und stießen unter die erwähnte Gebirgskette, wo sie sich vereinigen und dann drei Legoas weiter westlich als ein einziger Strom wieber zum Vorschein kommen, der sich als dec Rio de San Bernardo in den Rio Paranim ergießt. Ein zur Fazenda gehöriger Mann führte mich nach der Stelle, wo das hier vorüberziehende Flüßchen in dem Gebirge verschwindet, und ich sah, daß es nicht, wie ich erwartet hatte, in eine offene Höhle, sondern in eine tief unter der Oberfläche des Wassers befindliche Oeffnung sich ergoß, die ein sogenanntes Sumidouro *) bildete. Das Waffer hat hier eine bedeutende Strömung, bricht sich an der fast senkrechten Wand des Kaltsteinfelsens und verliert sich dann mit einigen Strudeln in den unten befindlichen Schlund. Durch diese Gewässer müssen die Ueberreste einer großen Menge von Thieren in jene tiefen Höhlen vergraben werden, durch welche sie stießen, und es ist nicht unmöglich, daß selche Niederschlage zu Aufgaben für künftige Geognosten werden. Es war spät am Nachmittage, als wir San Bernardo verließen, wir konnten daher nicht mehr als eine Legoa zurücklegen, und diese führte durch eine Gegend, die jener auf der anderen Seite von San Domingo sehr ähnlich war. Am nächsten Morgen hielten wir nach einer *) Von „»ulllll'" verschwinden. — 161 — Reise von anderthalb sehr langen Legoas zum Frühstück bei einer kleinen Wohnung, die sehr unpassend Boa Vista heist, denn sie lag nicht nur in einer Verliefung, sondern war auch außerdem von Bäumen umgeben. Das Haus hatte ein armseliges Ansehn, die alte Frau aber, der es gehörte, zeigte sich sehr artig und aufmerksam und brachte uns einige süße Limonen, die uns, nachdem wir so lange der bren-mnden Sonne ausgesetzt gewesen, eine treffliche Erfrischung gewährten. Die hiesige Gegend ist von welliger Beschaffenheit und ziemlich dicht bewaldet, obgleich der Boden sandig und folglich nicht sehr fruchtbar ist. Meine botanischen Sammlungen erhielten auf diesen Reisen einen reichlichen Zuwacks an schönen Sträuchern und kraut-, artigen Pflanzen, denn auf den sandigen Campos gab es zahlreiche Gattungen des Diplusobon, hübsche kleine Sträucher mit rosenfarbigen Blumen, während die feuchteren Gegenden eine reiche Ernte an seltenen Gattungen des Eriocaulon boten, die, ganz verschieden von den bescheidenen britischen Arten, sehr groß und astig und besonders durch große weiße Blumenballen ausgezeichnet sind, welche an dem Ende jedes Zweiges sitzen. Am Nachmittage ritten wir zwei Legoas weiter, und unser Weg führte durch ein« hügelige Gegend mit mehren allmaligen Ansteigungen, dit stets in stachen, sandigen und dünn bewaldeten Chapadas endigten. Nachdem wir ungefähr eine Legoa zurückgelegt hatten, kamen wir dicht an die Serra Geral und zogen Gardner's Rcism in Vrasilim l>. ^< - 162 — an ihrem Fuße hin, bis wir einen paffenden Lagerplatz unter einigen Bäumen am Rande eines offenen Sumpfes erreichten, in dessen Mitte ein großer Hain von Vuriti-Palmen sich erhob. Wir warm allmalig emporgestiegen, denn wir befanden uns nur zweihundert Fuß unter dem Gipfel der Serra und hatten in dieser Höhe und bei dem scharfen Winde, der sich bald nach Sonnenuntergang «r-Hob, eine kältere Nacht zu überstehen, als uns seit einiger Zeit beschieden gewesen war. Nach einer anderen Reise von zwei langen Legoas gelangten wir gegen Mittag zu dem kleinen Dorfe Lavella da Posse, und unser Weg führte durch eine schöne Hochlandgegend. Sie war meistentheils von welliger Beschaffenheit, und wir ritten bald über große offene Campos mit kleinen Gruppen von Burili- und anderen Palmen, bald durch dicht bewaldete Tiefen und nicht selten längs den buschigen Säumen, offener sandiger Marschen, die überreich an seltenen Eriocaulen waren. Innerhalb einiger Meilen von Posse nimmt das Gebirge eine Wendung nach Südosten, und der Weg weicht demnach von der Serra ab, um das südlich gelegene Dorf zu erreichen, das von einer flachen, trockenen und sehr sandigen Gegend umgeben ist in welcher nur einzelne verhüttete Bäume und Sträucher sich erheben. Das Dorf selbst ist von der kläglichsten Art und besteht aus ungefähr einem halben Dutzend kleiner Häuser und einer sehr kleinen Kirche; doch sind die V«- — 163 — wohner zu arm, als daß sie einen Priester unterhalten könn, ten, denn derjenige, der sich ein Jahr vorher hier niedergelassen hatte, war wieder weggegangen, weil die Einwohner ihm nicht mehr als die Hälfte von dem versprochenen Iahrgehalte geben konnten oder wollten. Es war schon spät, als wir am nächsten Tage wieder aufbrachen, da ich meine zwischen San Domingo und diesem Orte erworbenen großen Sammlungen zu ordnen hatte. Wir hatten es bisher vermieden, längs dem oberen Theile der Serra zu reisen, da es hier sehr schwierig ist, Waffer zu finden; jenseit Posse aber verlauft sich das verhaltnißmäßig flache sandige Gelände in die Gebirgskette, und unser Weg führte daher jetzt nach Südostcn. Am zweiten Abend nach unserem Aufbruch gelangten wir zu einem kleinen, ungefähr fünf Legoas entfernten Dorfe Namens San Pedro, das Ms einem halben Dutzend niedriger Hauser und einer kleinen Kapelle bestand. Wir übernachteten unter einem offenen Schuppen zwischen zwei Häusern, und als wir am Morgen aufstanden, vermißte Herr Walker einige seiner Kleider. Es war ein Glück, daß man uns sonst nichts entwendet hatte, denn wir erfuhren nachher, der ganze Ort sei ein Nest von Dieben. Der Fazendeiro, der uns dieß mittheilte, gab uns die Versicherung, daß, so oft er dort übernachten müsse und Geld bei sich führe, er dieses stets bis zum Morgen in einem entlegenen Busche verberge. Ich habe es auf all meinen Reisen jederzeit 11' - 164 — möglichst zu vermeiden gesucht, da unter freiem Himmel zu schlafen, wo es zwei oder drei Häuser in der Nahe gab; geschah es jedoch, so ließ sich daraufrechnen, daß am nächsten Morgen diese oder jene Kleinigkeit verschwunden war. Während der trockeneren Jahreszeit und wo die Gegend es erlaubte, war es besonders in den dünn bevölkerten Di-stricten jederzeit rathsamer, ein Nachtquartier zu wählen, das von Menschenwohnungen etwas entfernt lag. Am nächsten Tage legten wir nur anderthalb Legoas zurück und brachten den Nachmittag und die Nacht auf der Fa-zenda de Sant' Antonio zu, deren farbiger Eigenthümer uns gastfreundlich aufnahm. In der Frühe des nächsten Morgens wieder aufbrechend, erreichten wir nach einer Neise von zwei sehr langen Legoas die nächste Fazenba Namens Döres, fanden aber, daß sie für einige Zeit von ihren Bewohnern verlassen worden war. Die Gegend, durch welche wir reisten, war eine fast ununterbrochene sandige Hochebene mit einzelnen großen, offenen und sumpfigen Campos, doch gab es deren nur, wo sich ein kleiner Abhang zeigte. Auf halbem Wege kamen wir in ein langes enges Thal, das in der Mitte von einem kleinen, liefen Flusse mit sehr reißendem Wasser durchschnitten wurde, über welchen uns eine elende alte Brücke führte. Dieselbe bestand aus zwei Baumstämmen, auf welchen kleinere, sehr locker zusammengefügte Zweige lagen, und ich war frch, als das letzte meiner Pferde sie passirt hatte. Des Nachmittags — 165 — zogen wir eine Legoa weiter nach einer Fazenda Namens Picada, die, wie alle Häuser, welche wir neuerlich angetroffen hatten, sehr klein war. Sie gehörte einem Mulatten mit Familie, der in nicht sehr glänzenden Umständen zu leben schien. Unter den vielen Pflanzen, die ich auf dieser Strecke sammelte, war eine, deren Wurzel von den Einwohnern dieser Districts als ein Heilmittel gegen den Biß der Klapperschlange gepriesen wirb. Es ist eine tlMweise strauchartige Gattung der Tnris von ungefähr vier Fuß Höhe mit ziemlich großen, klebrigen Blättern; die Wurzel hat einen bisamartigen Geruch, und man sagt, schon dieser allein sei hinreichend, eine Klapperschlange zu todten. Man nennt sie „Raiz da cobra." Wir brachen früh von Picada wieder auf, legten aber nicht mehr als eine Legoa zurück, da wir unterwegs durch einen Unfall aufgehalten wurden, der dem in Arrayas gemietheten indianischen Führer widerfuhr. Derselbe ging hinter einem anderen von unseren Leuten, welcher ein junges feuriges Pferd ritt, als dieses plötzlich, wahrscheinlich von einem Insect gestochen, mit den Hinterfüßen ausschlug und, nachdem es dem armen Indianer einen heftigen Schlag auf den Magen versetzt, in vollem Galopp davon lief und seinen Reiter abwarf, doch ohne ihn zu verletzen. Ich schickte den Zug unter Walker's Aufsicht voraus und blieb zurück, um den Indianer zu pflegen, der sehr zu leiden schien. Etwas Waffel, das aber erst, — 4K6 - nachdem er lange darauf gewartet, zu erlangen war, verschaffte ihm große Erleichterung; er wurde dann auf ein ruhiges Pferd gesetzt und langsam nach dem nächsten Hause geführt, das zwei Meilen entfernt lag, doch war er, als wir hier anlangten, so schwach geworden, daß man kaum noch seinen Puls fühlte. Es wurde ihm etwas starker, warmer Thee gereicht, das einzige Reizmittel, das bei der Hand war; hierauf ließ ich ihm am Arme zur Ader, was ihm sehr wohl that, und er erholt« sich allmä-lig, so daß wir am Nachmittag des folgenden Tages wieder aufbrechen konnten. Wir hielten bei einem Orte Namens Riachao, der aus drei eine Viertetmeile von einander entfernt liegenden Häusern bestand. Hier konnte ich, nur erst zum dritten Male, feit wir Arrayas verlassen hatten, etwas Mais für meine Pferde kaufen, die dessen sehr nothig hatten, denn die Weiden bestanden jetzt nur aus grobem, trockenen, unnahrhaften Grase. Die Bewohner dieses Districts sind so übermaßig trage, daß sie trotz dem ungeheueren Umfang der Ländereien, welche jede Familie besitzt, kaum etwas bauen, womit sie ihren eigenen Bedarf decken könnten. Mehre Nächte vorher, ehe wir diesen Ort erreichten, wurden die Pferde in hohem Grade von Fledermäusen geplagt, die auf dieser Serra sehr zahlreich in den Höhlen der Kalksteinfelsen nisten, und wahrend unseres Nachtlagers in Riachao hatte meine ganze Pftldeschaar von den An- — 167 - griffen dieser Thiere mehr zu leiben als je vorher. Alle waren auf Schultern und Rücken mit einem oder mehren Streifen geronnenen Blutes bezeichnet, das aus den Wunden geflossen war, welche jene Peiniger ihnen verursacht und in welchen dieselben ihren Durst nach Blut gestillt hatten. Wenn es auf dem Rücken eines Pferdes eine kleine wunde Stelle gibt, so ziehen sie es vor, an dieser sich einzubeißen. Der Eigenthümer des Hauses, wo wir hielten, sagte mir, es sei ihm unmöglich, hier Rinder zu ziehen, da die Fledermäuse unter den Kalbern allzu große Verheerungen anrichteten, und daß er sie deßhalb in weiter Entfernung, in einer etwas tiefer gelegenen Gegend halten müsse; selbst die Schweine bleiben von diesen Thieren nicht verschont. Diese lästigen Geschöpfe bilden das Geschlecht I'n^llo-8tom», sogenannt wegen des blattartigen Anhängsels ihrer Oberlippe. Sie sind dem amerikanischen Vestland eigenthümlich und über das ungeheuere Gebiet zwischen Paraguay und dem Isthmus von Darien verbreitet. Ihre Zunge, die einer bedeutenden Ausdehnung fähig ist, hat an ihrer Spitze eine Anzahl kleiner Papillen, die ein Saug-organ zu bilden scheinen, und auch an den Lippen befinden sich symmetrisch geordnete Blattern. Es sind dieß die Organe, mit welchen sie Menschen und Thieren das Lebensblut aussaugen, und die Thiere selber sind jene He-rüchtigten Vampyre. von welchen verschiedene Reisende so — 168 - furchtbare Berichte geben und die bekanntlich die erste Ansiedlung von Europäern in der neuen Welt fast vernichteten. Die Backenzähne des ächten Vampyrs ober der Gespenster-Fledermaus sind vollkommen fleischfresserisch, denn die ersten sind kurz und fast flach, die anderen scharf und schneidend und mit drei oder 'oier Spitzen endigend. Ihre rauhe Zunge hat man für das Werkzeug gehalten, womit diese Thiere die Haut abschaben, um desto leichter das Blut aussaugen zu können, aber die Zoologen sind jetzt darüber einig, daß diese Vermuthung alles Grundes entbehrt. Nachdem ich die Wunden an Pferden, Mauleseln, Schweinen und anderen Thieren sorgfaltig untersucht habe und in diesen Beobachtungen durch die von den Einwohnern der nördlichen Provinzen erhaltenen Berichte bestätigt worden bin, glaube ich annehmen zu können, daß der Vamvyr den Stich, welchen er der Haut der Thiere versetzt, mit dem scharfen, gekrümmten Nagel seines Daumens beibringt, und daß er dann aus der aus diese Weise erzeugten Wunde mittels der Saugkräfte seiner Lippen und seiner Zunge das Blut auszieht. Daß diese Geschöpf« Menschen wie Thiere anfallen, ist unzweifelhaft, denn man hat mir oft genug in den Zehen die Narben ihrer Stiche gezeigt, doch sind mir niemals neuere Falle dieser Art vorgekommen. Die Vampyre werden sehr groß, und ich habe einige erlegt, die von einer Flügelspihe bis zur anderen zwei Fuß maßen. - 169 — Es war zu später Nachmittagsstunde, als wir von Riachäo aufbrachen, und eine Legoa jenseits hielten wir unter einigen Bäumen am Rande eines kleines Sumpfes, da wir erfahren hatten, daß die nächste mit Wasser versehene Stelle über eine Legoa weiter liege. Wir reiseten jetzt längs der Chapada ober dem stachen Gipfel der Serra, und ich bemerkte, daß all' die kleinen Gewässer, die wir seit einiger Zeit überschritten hatten, ihren Laus nach Westen nehmen, um sich in den Rio de San Francisco zu ergießen. Wir hatten während der Nacht viel Kälte auszustehen und wurden noch außerdem von einer großen Mosquitoart belästigt, von deren schmerzhaften Stichen unsere Hände und Gesichter am nächsten Morgen bedeutend geschwollen waren. Es war ziemlich Mittag, ehe wir diesen Ort verlassen konnten., da eines unserer Pferde sich etwas zu weit verlaufen hatte, doch wurde ich für diesen Zeitverlust durch einen erfolgreichen Ausflug in die Nachbarschaft entschädigt. Wir zogen jetzt durch eine ziemlich dicht bewaldete Tiefe, wo es in Folge der vielen und großen Kalkgesteine entsetzlich schlechten Weg gab. Der übrige Theil dieser ungefähr anderthalb Legoas langen Morgen-reife führte durch eine stäche, offene und ziemlich sandige Gegend, und wir hielten dann kurze Zeit am Rande eines anderen Sumpfes, der Wasser und gute Weide gewährte. Am Nachmittag legten wir zwei sehr lange Legoas zurück und übernachteten auf einer kleinen Fazenda Namens - 170 — San Vidal. Zwei Legoas jenseit dieses Ortes erreichten wir die Ufer eines kleinen Flusses, der zu tief war, als daß die Pferde mit ihren Ladungen hindurch kommen konnten. Man hatte uns in San Vidal gesagt, wir würden eine Brücke finden, aber wir fanden nur deren Uederresie, und nach langem mühsamen Suchen längs den sumpfigen Ufern entdeckten wir endlich eine Stelle, die als Furt dienen konnte und durch die meine Leute sämmtliche Ladungen auf ihren Köpfen hinübertrugen, «ine Arbeit, die gegen anderthalb Stunden in Anspruch nahm. Wir hielten am jenseitigen Ufer unter dem Schatten einer großen Vochysia, die mit ih:en langen gelben Blüthenahren bedeckt war. Wahrend der Zeit, die beim Uebergang verloren ging, und langer als eine Stunde nachher zog von Süden nach Norden ein ungeheuerer Schwärm großer graufarbiger Heuschrecken vorüber. Sie waren nicht immer im Fluge, sondern ließen sich nieder und stiegen in kurzen Zwischenräumen wieder auf, wahrend Tausende in den Fluß sielen und von dem Strome hinabgetrieben wurden. Die Höhe, bis zu welcher sie sich über den Boden schoben, betrug nicht mehr als zwölf Fuß, und ihr beständiges Steigen und Fallen gab der Luft das Ansehn, als sei sie mit Schneeflocken angefüllt. Die Gegend, durch welche seit dem Aufbruch von San Vidal unser Weg führte, war eine fast ununterbrochene sandige, buschige Ebene, an einigen Stellen dünn mit kleinen Bäumen — 171 — bewaldet, unter welchen hier und da eine schöne Palme mit einem zwölf Fuß hohen Stamme sich erhob, während man große Strecken, wie es in dieser Jahreszeit allgemeiner Brauch ist, erst kürzlich abgebrannt hatte. An vielen Stellen waren diese sandigen Ebenen mit einem zwergartigen, rosenfarbig blühenden und kleinblätterigen Diplusoden geschmückt, das mich machtig an das Haide-kraut meiner Heimath erinnerte. Nicht minder gewöhnlich waren mehre schöne, stammlose Palmen und eine Vellozia mit vier Fuß hohem Stamme. Wahrend des Abends zogen wir anderthalb Legoas weiter und übernachteten unter einigen Bäumen am Ufer eines Flusses, der jenem sehr ähnlich war, welchen wir am Morgen überschritten hatten. Auf dieser ganzen Tagereise wurden wir von Nachzüglern jener Heuschreckenschwarme belästigt, die uns zuweilen, indem sie uns in's Gesicht flogen, fast blind machten. Mein kleiner Affe belustigte sich, sie zu fangen, als sie vorüberzogen, und sie schienen ein Lieblingsfutter für ihn zu sein, aber damit sie ihm nicht wieder entwischen konnten, denn er hatte häufig zu gleicher Zeit ihrer drei in seiner Gewalt, biß er ihnen, so bald er sie gefangen hatte, die Köpfe ab. Der Fluß, an dessen nördlichem Ufer wir übernachteten, war sehr tief, und ich war nicht wenig ärgerlich, als ich fand, daß eine kleine Brücke, die man hinübergeschlagen halte, von den Fluchen fast hinweggerissen war, so ^ 172 — daß wir uns abermals der beschwerlichen Arbeit unterziehen Mußten, unser ganzes Gepäck hinüberzutragen. Wir brauchten hierzu säst eine Stunde und setzten dann eilig unsere Reise fort, in der Hoffnung, eine Wohnung zu erreichen, wo ich mich erkundigen könnte, ob wir uns auf dem rechten Wege nach einem kleinen Dorfe Namens Nossa Senhora d' Abbadia befänden, das ich zu berühren wünschte. Nachdem wir den Fluß verlassen hatten, erstiegen wir einen niedrigen Berg, auf dessen Gipfel eine etwas dicht bewaldete Chapada sich ausbreitete, und es verging fast eine halbe Stunde, ehe sie hinter uns lag. Wir erblickten jetzt in einem etwas entfernten Grunde einige kleine Hauser mit einer Kirche, und es ergab sich, daß dieß das gesuchte Dorf war. Es zählte ein halbes Dutzend elender kleiner Hütten von Flechtwerk und Lehm und mit Dachern von Palmblätlern, und aus demselben Material bestand auch die Kirche. All diese Hütten waren verfallen und unbewohnt, mit Ausnahme einer einzigen, in welcher wir eine Mulattin und einige Kinder fanden. Meine Hoffnung, hier etwas Korn für meine Pferde kaufen zu können, blieb unerfüllt, denn es war nichts der Art zu bekommen. Ich fragte die Frau, ob sie uns den Weg nach dem Armial Formozo zeigen könnte, aber sie konnte uns keine weitere Auskunft geben, als daß es drei Legoas entfernt sei; sie war nicht nur niemals dott gewesen, sondern auch noch nie eine halbe Legoa über diesen ihren Wohn- 173 — ort hinausgekommen. Si« sagte uns jedoch, daß wir uns, um alle nöthige Auskunst zu erhalten, nur nach dem Hause des Iuiz de Paz des Districtes zu begeben brauchten, der ungefähr eine halbe Legoa von Abbadia wohnte. Wir nahmen daher unseren Weg dahin und fanden ein Haus, das nicht viel besser war als jene, die wir eben verlassen hatten, und in dem Iuiz «inen kleinen mageren alten Mann mit einem grauen Barte, den, wie es schien, noch" nie ein Scheermeffer berührt hatte. Als ich nach der herkömmlichen Sitte die Frage an ihn richtete, ob er uns erlauben wollte, die Mittagsstunden bei ihm zuzubringen, gab er mir zur Antwort, daß er bedauere, uns nicht aufnehmen zu können, da der einzige entbehrliche Raum seines Hauses bereits von zwei reisenden Kaufleuten vom Rio de San Francisco in Beschlag genommen sei. Es war gutes Wetter, und wir lagerten daher unter dem Schatten eines großen Baumes, Pao Parahiba (Hlinaka ver-zioolor st. M.) genannt, der vor dem Hause stand. Noch immer den Wunsch hegend, meinen Pferden eine Mahlzeit Mais zu verabreichen, bat ich den alten Mann, mir eine kleine Quantität von diesem Futter zu verkaufen, aber er versicherte mir, er hätte nicht ein Körnchen im Besitze. Mir schien dieß jedoch nicht recht glaublich, da ich Haufen von Hülsen herumliegen sah, und balo nachher machte ein zum Hause gehöriger Sclave einem Meiner Leute das Geständniß, daß sein Herr bedeutende - 174 — Vorräthe besäße. Mittlerweile hatte der Iulz erfahren, welchem Berufe ich angehörte, und so kam er denn im Laufe des Tages, um wegen einer Brustbeschwerde, an welcher er litt, meinen ärztlichen Rath zu verlangen; aber ich gab ihm sehr kalt zur Antwort, daß ich gehört hätte, er sei reichlich mit Korn versehen, und ich würde daher sein Leiden nicht eher beachten, als bis er mir eine gehörige Mahlzeit für all meine Pferde verkauft hätte. Er bekannte jetzt, daß er allerdings einen kleinen Verrath besitze und sehen wvlle, ob er so viel, als ich brauche, entbehren könne. Nach einer halben Stunde sandte er mir ungefähr einen Scheffel davon heraus, wofür ich ihm den gewöhnlichen Preis, ungefähr zwei Schillinge, bezahlte. Sein Leiden bestand in einer leichten Lungenentzündung; ich ließ ihm zur Ader und gab ihm Arznei. Was ihn im ersten Augenblick veranlaßt hatte, mir das Korn zu verweigern, blieb mir unbekannt, meine ärztliche Wissenschaft war sonach allein der Zauber, der es endlich herbeischaffte. Als wir des Nachmittags das Haus des Iuiz verließen, zeigte er uns den Weg nach Formozo. aber, wie sich ausweisen wird, nicht bestimmt genug. Wir waren zeitig aufgebrochen, um eine ansehnliche Strecke zurückzulegen, und nachdem wir zwei lange Legoas gereist waren, erreichten wir in einem Grunde ein kleines Haus, wo zwei Männer, ein Neger und ein Mulatte, Farmha de - 175 — Mandiocca bereiteten. Von ihnen erfuhren wir, daß wir uns nicht auf dem rechten Wege nach Formozo befänden, und als ich sie um die Erlaubniß bat, die Nacht hier zubringen zu dürfen, versicherten sie mir, wir würden eine kleine Strecke weiter ein viel befferes Unterkommen finden. Da die Hütte ziemlich klein war, so zogen wir nach dem angedeuteten Orte, in der Hoffnung, ein gutes Obdach zu finden, denn es hatte den ganzen Nachmittag gewittert und drohte nun zu regnen, doch nachdem wir eine halbe Stunde geritten waren, ohne ein Haus zu erspähen, gelangten wir, als es eben zu dammern begann, an einen kleinen schlammigen Bach, und bei dem Uebergange stürzte ein Pferd mit seiner Ladung getrockneter, in Häutt verpackter Pflanzen, die bei diesem Unfall durchweicht wurden. Es war dieß um so verdrießlicher, da sich unter diesen Bündeln auch diejenigen befanden, die bereits früher auf der Reis« von Duro nach Natividade gelitten hatten. Nach dem Uebergange legten wir ziemlich schnell eine zweite halbe Stunde zurück und erreichten ein kleines unbewohntes Haus von sehr verfallener Beschaffenheit; da aber wenigstens das Dach zum großen Theil noch in gutem Zustande sich befand, so beschlossen wir, hier über Nacht zu bleiben. Wir warm entrüstet, daß man uns so absichtlich falsch berichtet hatte, denn kaum war den Pferden das Gepäck abgenommen, als es heftig zu regnen und zu stürmen begann, und obgleich wir die offenen Stellen im Dache und in — 176 — den Mauern so gut als möglich mit Hauten bedeckten, so vergingen trotzdem zwei Stunden, ehe es uns gelang, ein brennendes Licht zu erhalten. Gegen Mitternacht ließ der Sturm nach, und wir zündeten vor dem Haufe ein großes Feuer an, das uns erwärmte und trocknete. Am nächsten Tage untersuchten wir die durchweichten Pflanzensammlungen und legten sie dann auf den Papier-bogen, m welche sie eingepackt waren, in die Sonne. Diese Arbeit nahm ziemlich den ganzen Tag in Anspruch, und wir brachten daher die nächste Nacht unter demselben Obdach zu. Am Nachmittage machte ich eine Wanderung längs einem kleinen Bache, der in einen großen Sumpf floß; die Ufer waren mit Vuriti - Palmen und anderen Bäumen und Sträuchern bewachsen, und ich sammelte hier eine Anzahl schöner Pflanzen. Am anderen Morgen, ehe wir aufbrachen, kam Herr Walker, als er nach einem Ringe suchte, welcher an dem Ende eines unserer Koffer bevestigt werden sollte, in große Gefahr, von einer Klapperschlange gebissen zu werden. Der Ring war in einen Winkel des Gemachs gelegt worden, und indem mein Gefährte im Dunkeln mit der Hand danach fühlte, erfaßte er etwas, das er im Begriff war, aufzuheben, als er zu seinem Entsetzen entdeckte, daß es eine Klapperschlange war. Wir versäumten keinen Augenblick, das furchtbare Thier zu todten, das ziemlich fünf Fuß maß und in dessen unmittelbarer Nahe ich die ganze Nacht geschlafen hatte. — 177 — Wir verließen diesen Ort am Morgen des ersten Juni und bekamen, nachdem wir eine Legoa zurückgelegt, einige Häuser zu Gesicht, die wir für Formozo hielten, erfuhren aber, baß der Ort Campinhas heiße, und daß wir ersteres etwas westlich hinter uns gelassen hätten. Eine halbe Legoa weiter hielten wir während des Mittags in dem Hause eines alten Indianers, an einem Orte Namens Pas-quada. Der Mann war, um zuarbeiten, auf seine Pflanzung gegangen, aber seine Frau empfing uns mit großer Gastfreundschaft. Sie sendete augenblicklich einen ihrer Knaben mit einem großen Korbe voll Orangen und mit einem anderen voll süßer Kartoffeln und einigen Eiern und bewirthete uns ganz anders, als wir es seither gewohnt gewesen waren. Von hier ritten wir zwei Legoas weiter und nahmen unser Nachtlager unter einem großen Baume, den die Einwohner Folha larga nennen (8alvorU», eon-valiarwäor», 8t. Nil.). Die Gegend zeigte noch immer ziemlich denselben Charakter wie jene, durch welche, seit wir das Tafelland der Serra erreicht hatten, unser Weg gegangen war. Aus den trockenen grasigen Ebenen fand ich einige Eremplare jener schönen, zu den Amaran« thaceen gehörigen Pflanze, die Martius unter dem Namen tiamplii-enH oNielUÄÜz beschrieben hat, und die den Einwohnern unter dem heimischen Namen Paratudo bekannt ist. Sie hat eine große knollige Wurzel, die häusig als Purganz gebraucht wird, und gilt, wie ihr Name an-Gardner's Reisen in Brasilien II. 12 - 178 — deutet, als Heilmittel für all« Leiden. Der Stengel ist ungefähr einen Fuß hoch, haarig und blätterig, und trägt an seinem Gipfel ein großes vestes Büschel hochrother Blumen. Wir brachten eine jämmerlich kalte Nacht zu und mußtm mehre Male unsere Hängematten verlassen, um uns am Feuer zu erwärmen. Waren wir eine halbe Meile weiter gezogen, so hatten wir eine ziemlich ansehnliche Fazenda erreicht, aber ich hatte keine Ahnung, baß wir ihr so nahe waren, bis wir am Morgen einen Hahn krähen hörten. Wir hielten während des nächsten Mittags bei einer Fazenda Namens San Francisco, ungefähr zwei Legoas von dem Orte, wo wir übernachtet hatten. Unsere Pferde hatten, seit wir Arrayas verlassen, in Folge mangelhafter Fütterung allmälig an Kräften verloren, denn sie waren fast ausschließend auf das grobe starke und unnahrhafte Gras der Gebirgsweiden angewiesen. Auch waren sie an ein milderes Klima gewöhnt, als auf dem Tafellande der Serra herrscht, wo wir einen frostigen, besonders bei Nacht sehr schneidenden Südostwind zu ertragen hatten. Bei Tage war die Hitze, besonders wenn wir unbewölkten Himmel hatten, sehr bedeutend, und dieß machte uns desto empfindlicher gegen die Kälte der Nacht. In Riachao mußte ich zwei meiner Pferde, die nicht weiter konnten, gegen andere vertauschen, und da ich hier be< merkte, daß mein eigenes Pferd, welches ich seit meiner Abreise von Ic6 in der Provinz Cear« beständig geritten — 179 — hatte, nur noch mühsam mit den anderen Schritt hielt, so sah ich mich zu meinem großen Bedauern genöthigt, auch für dieses ein anderes anzuschaffen. Ich schied von ihm wie von einem alten Freunde, denn wir hatten uns vollkommen an einander gewöhnt. 2ln die Stelle meines Braunen trat nun ein Pferd von rein weißer Farbe mit wallenden Mähnen und fliegendem Schweife; aber es blieb nicht lange in meinem Besitz, da es mir bald nach unserem Uebergange über den Rio de San Francisco gestohlen wurde. Wir verließen San Francisco am Nachmittage und setzten unseren Weg nach dem der Fazenda zunächst liegenden Hause fort, das nur drei Legoas entfernt sein sollte; da aber in diesem Districts die Legoas um Vieles länger waren als in den bevölkerteren Theilen von Goyaz, so ergab es sich, daß die Entfernung weit mehr betrug. Gegen Abend lagerten wir unter einigen kleinen Tingi« Bäumen stände. Nachdem wir denselben Weg eine Stunde lang verfolgt hatten, begegneten wir einem Schwarzen mit einem Knaben, von welchem wir erfuhren, daß wir eine halbe Legoa weiter eine Fazenda finden würden. Zu gleicher Zeit ergab es sich, daß wir, um nach der Fazenda do Rio Claro zu gelangen, einen Umweg vcn drei und einer halben Legoa gemacht hatten, doch vernahmen wir zu unserem Troste, daß dieser Weg bedeutend besser sei als der gewöhnliche. Es war nahe an Sonnenuntergang, als wir eine kleine Fazenda Namens San Ios« erreichten, wo wir unser Nachtquartier nahmen. Das Haus war nicht nur klein, sondern auch in klüglich verfallenem Zustande und gehörte einem Mulatten, der nicht sehr betriebsam zu sein schien. Der Rio Urucuya. der unmittelbar östlich von der — 189 - Serra Geral sich ergießt und eine kleine Strecke unterhalb San Romuo in den Rio San Francisco mündet, stießt dicht am Hause vorüber und hat hier eine bedeutende Tiefe und Breite. Ich sammelte auf dieser Tagereise keine neuen Wanzen, und es war dieß, seit ich die Küste verlassen, das erste Mal, daß ich vergebens danach gesucht hatte. Nachdem wir am nächsten Morgen die nöthige Auskunft über den Weg nach der Fazenda do Rio Claro erlangt hatten, ließen wir San Iosl! hinter uns und kamen bald nachher an einen kleinen Bach, der so tief und schlammig war, daß wir es für nöthig fanden, das ganze Gepäck von unseren Leuten hinüber tragen zu lassen, und es war dieß mit so vielen Schwierigkeiten verbunden, daß gegen zwei Stunden darauf gingen. Da der Bach nur schmal und das Ufer auf beiden Seiten sehr hoch ist, so könnte man in einem Tage und mit geringen Kosten «ine gute hölzerne Brücke darüber schlagen, da sich in unmittelbarer Nähe Holz in Menge vorfindet. Aber wie könnte man dieß von Leuten erwarten, die sich nicht einmal die Mühe nehmen, sich eine anständige Wohnung zu bauen, obgleich sie das nöthige Material in Fülle bei der Hand haben. AIs wir mit unserer ganzen Habe am jenseitigen Ufer waren, hielt ich es für zu spät, vor dem Frühstück noch weiter zu reiten; wir verweilten daher hier bis zum Nachmittag. Indem wir frühstückten, erschien ein weißes - 190 - Weib mit ihrem Sohne am jenseitigen Ufer, und beide blieben, nachdem sie durch den Bach gegangen, während der Mittagstmiden in unserem Lager. Die Frau war trotz ihrem Alter sehr lebhaft und rüstig, zwei Eigenschaften, die bei den brasilianischen Frauen nicht eben sehr gewöhnlich sind. Ich erfuhr von ihr, daß sie, um ein Gelübde zu erfüllen, welches sie kürzlich während einer Krankheit dem heiligen Antonio geleistet halte, nach einem fünf Tagereisen entfernten Orte wallfahrtet«. Wir wurden wahrend unseres Aufenthaltes an dieser Stelle bedeutend von Carra-patos gepeinigt. Es wurde daher zeitig wieder aufgebrochen, und so erreichten wir endlich kurz vor Sonnenuntergang die Fazenba do Rio Claro, nachdem wir durch eine flache, dünn bewaldete, mit verschiedenen großen «no groben Gräsern bedeckte Gegend gezogen waren. Diese Fazenda trägt ihren Namen von einem kleinen Bache, der hier vorüber-siießt und eine Legoa weiter südlich in den Rio Urucuya fällt; aber obgleich das Haus größer und bequemer war als die meisten anderen in diesen Gegenden, so wollte uns doch der Eigenthümer. Senhor Manoel Lucas, kein gastliches Obdach für die Nacht gewähren, sondern wies uns in einen kleinen offenen Schuppen vor der Hütte eines seiner Sclaven, wo wir unsere Hangematten aufschnürten, nachdem wir zuvor, um uns gegen den kalten, von der Serra wehenden Wind zu schützen, einige Häute vorgehangen. Unsere Leute schliefen unter freiem Himmel auf - 191 - dem Boden und neben einem großen Feuer. Da ich viele Pflanzen einzupacken hatte und wir zu deren Verwahrung zwei neue große Hautfutterale anfertigen mußten, so verweilten wir zu diesem Zwecke vier Tage in Rio Claro. Der Eigenthümer war in seinen Forderungen für die getrockneten Häute und etwas Mais, den ich von ihm kaufte, nicht minder übermäßig als Capitain Faustino in San Ioao und eben so ungastfreundlich in seinem Benehmen. Wir wohnten während der ganzen Zeit, die wir hier zubrachten, unter dem erwähnten Schuppen, wo wir bei Tage gebraten wurden und bei Nacht fast erfroren. Es fehlte uns an hinlänglichen Decken, und daher fanden wir k8<,a 5pl!2«i-0<:epliÄlil. Sie hat große Blätter', die Wie der Stamm und die Zweige mit einer weichen wolligen Substanz bedeckt sind, und ist an dem Gipfel sehr ästig, während jeder kleine Zweig mit einem großen runden und vesten Ball purpurrother Blüthen endigt. Da ts in einem Walde nicht weit über Cabeceira hinaus einen guten Wasserplah gab, so zogen wir es vor, uns dorthin zu begeben, statt bei dem Hause Halt zu machen, obgleich dessen Eigenthümer uns «inlub. Seit wir die Provinz Goyaz verlassen hatten, war uns noch nie wieder ein sol» cher Wassermangel vorgekommen, wie in den trocken«« — 218 — Provinzen des Nordens. Wir fanden jetzt fast in jedem Thale einen kleinen Bach mit klarem, kühlen und köstlichen Wasser, und es wurde immer reichlicher, je weiter wir vordrangen. Wir waren nur noch zwei und eine halbe Legoa von der Villa de Formigas entfernt, erreichten sie aber bei dem sehr schlechten Wege trotz unserem frühen Aufbruch erst um ein Uhr Mittags. Die Gegend war ziemlich hügelig und der Weg steinig, doch bot er in den Brücken, welche über all' die kleinen ihn durchschneidenden Bäche geschlagen waren, dem Reisenden einen Vortheil, den ich gebührend zu schätzen wußte. Sie sind aus Holz, erbaut, und so kunstlos sie auch sein mögen, so ersparen sie dcch dem Reisenden eine nicht geringe Mühe und überheben ihn der Gefahr, sein Gepäck zu beschädigen, wie es uns so oft auf unserer Reise zwischen Arrayas und San Romao widerfahren war. Sobald wir in der Villa angelangt waren, zogen wir über «ine trefflich« Brücke von bedeutender Spannung; sie führte über einen kleinen Fluß, der einen Theil der Stadt durchschneidet, und war eine der schönsten, die ich bis jetzt im Inneren gesehen halte. Ich war mit Empfehlungsbriefen an den Vigario des Districted den Padre Antonio Gonsalves Chaves versehen und begab mich daher sogleich nach seinem Hause, wo wir eine gastliche Aufnahme fanden. Es wurde augenblicklich ein treffliches Frühstück bereitet, und wir erhielten in «m«m an- __ 21 «j __ stoßenden leeren Hause, das ebenfalls dem Padre gehörte, eine gute Wohnung. Die Villa Montes Claros de Formigas ist von geringem Umfang und nur von tausend Seelen bewohnt, übertrifft aber hinsichtlich ihrer Lage und der Anordnung ihrer Straßen jede andere Stadt, die ich im Inneren besucht hab«. Sie liegt ungefähr zweihundert Legoas von Rio de Janeiro und Bahia und gegen fünfzig Legoas von der Cidade Diamanlina entfernt; bis zum Jahre 1832 hatte sie nur den Rang eines ArraialS, wurde aber dann zur Villa erhoben und ist jetzc die Hauptstadt der Co-marca gleiches Namens. Der Punct, auf welchem sie erbaut ist, konnte nicht glücklicher gewählt werben; sie liegt aus einem leicht erhöhten Plateau in der Mitte «ines großen Thales, das auf allen Seiten von einer unregelmäßigen Kette bedeutend hoher Berge umschlossen wirb. Die Häuser bilden zum größten Theil ein sehr umfangliches Viereck, das bedeutend langer als breit und dessen Südseite noch unvollendet ist. Am nördlichen End« dieses Vierecks steht die einzige Kirche der Villa, bei welcher sich ein trefflich überdeckter Marktplatz zum Verkauf d«r aus der Umgegend herbeigebrachten Lebensmittel be» findet; am Sübend« oes Platzes, der Kirch« gegenüber, erhebt sich ein großes noch unvollendetes Gefängniß. Der kleine Fluß, der die Stadt durchschneidet. Rio Vieira genannt, fällt in den Rio das Velhas und versieht die Ein- — 220 — wohn« mit einem reichlichen Verrath derselben Fische, wie sie der Rio de San Francisco bietet. Die Villa enthält einige Kaufläden mit europäischen Waaren, welche man früh« aus Bahia bezog, gegenwärtig aber scheinen sich die Kaufleute zu diesem Zweck hauptsächlich nach Rio de Janeiro zu begeben; das bedeutendste Product der Stadt, das sie als AuStauschmiltel nach der Küste führen, ist Salpeter, den man nicht allein an gewissen Theilen der umliegenden Sertäo im Boden, sondern auch in Höhlen des Kalkge» steines findet, aus welchem das benachbarte niedrige Gebirge vorzugsweise gebildet ist. Die Fazendeiros in der Nachbarschaft von Formigas beschäftigen sich hauptsächlich mit der Zucht von Rindern und Pferden, die sie meist nach Vahia zu Markte treiben. Sie bauen auch etwas Mandiocca und Mais, aber keinen Reis. da die trockene Beschaffenheit des LandeS demselben nicht günstig ist. Ich verweilte nur zwei Tage in Formigas, weil mir jetzt sehr viel daran lag, das Goldland zu erreichen, wo ich Briefe aus England zu finden hoffte. Unter anderen Umständen würde ich mich jedenfalls länger hier aufgehalten haben, um mich von der in San Romao mir zugezogenen Verletzung meines Beines zu erholen, das in Folge der Reise, während welcher ich Tag für Tag zu Pferde sitzen mußte, dergestalt entzündet und geschwollen war, daß es mir nicht geringen Schmerz verursachte und mich völlig außer Stande sehte, «ine Fußwanderung __ 221 __ in di« Umgegend der Villa zu unternehmen. Der Vi-gario erwies mir während meines Aufenthalts vielfache Aufmerksamkeit und gestattete mir bereitwillig die Benutzung seiner Bibliothek, die zwar nicht bedeutend war, aber doch eine gute Auswahl lateinischer, französischer und portugiesischer Werke enthielt. Von ihm empfing ich nachsiehenden Bericht über den unglücklichen BetrügerDouville, den Verfasser der angeblichen Reisen im Inneren von Afrika*). Im Jahre 1836 besuchte dieser Douville die Stadt For« inigas und lebte daselbst einige Zeit in dem Hause des Vigario, indem er sich für einen Arzt ausgab und durch seine Praxis Viel Geld verdiente; außerdem trieb er auch Pferdehanbel, obgleich er vorgab, er sei vom König der Franzosen nach Brasilien gesandt, um die Naturerzeugmsse und Merkwürdigkeiten dieses Landes zu erforschen, sowie eine Karte don denjenigen Theilen zu entwerfen, die er auf seinen Reisen berühren würde. Er prahlte viel von feinen afrikanischen Reisen und zeigte überall eine goldene Medaille, die er von der geographischen Gesellschaft in P^ris für t>ie Herausgabe seines Werkes erhalten haben wollte. Der Vigario und einige andere verständige Personen in For-wigas hielten ihn für «inen Betrüger, indem sie ver-wuiheten, daß «r nicht der wahre Douville sei, der in ') Ucber die Betrügereien dieses pseudo-afrikanischen Reisenden s. den zehnten und elften Band dcs ^oi-eißn yu»r-5«rl? Nevie^. D. 83. __ 222 — Afrika gewesen sein sollte, sondern «in Anderer, der sich auf betrügerische Weise dessen Papier« u. s. w. zu verschaffen gewußt. Er stellte denjenigen, die sich in sein« ärztlichen Behandlung befanden, gewöhnlich ungeheuere Forderungen, und eine Veranlassung dieser Art hatte feinen Tod zur Folge. Man berief ihn zu einem kranken Fa-zendeiro, der irgendwo an den Ufern des Rio de San Francisco wohnte und den er für zweihundert Milreis, ungefähr fünf und zwanzig Pfund Sterling, in die Kur zu nehmen versprach; der Kranke starb jedoch, und Dou-ville verlangt« nun trotzdem die verabredete Summe, die ihm die Erben des Verstorbenen, seiner Zudringlichkeiten müde, auch endlich auszahlten. Aber es war nicht ihre Absicht, ihn lange in dem Besitz derselben zu lassen, denn als Douville sich einschiffte, um den Fluß hinabzufahren, schickten sie ihm einen Mann nach, der ihn bei Nacht, als er schlafend in seinem Kanoe lag, ermordete und ihm nicht nur die zweihundert Milreis wieder abnahm, sondern ihn auch seiner ganzen übrigen Habe beraubte. Wir verließen Formigas am Morgen des dreizehnten Juli und erreichten, nachdem wir eine halbe Legoa zurückgelegt halten, die Bergkette, von welcher das Thal begränzt ist, und die aus einem dunkeln, vesten Urkalkstein besteht. Der Abhang ist nicht sehr steil und ziemlich dicht mit kleinen Bäumen bewaldet; nachdem wir ihn aber erstiegen hatten, gelangten wir auf ein wellenförmiges, — 223 — offenes und nacktes Gelände, wo sich nur hiei und da in Vertiefungen einige Gruppen von Bäumen zeigten. Man nennt diese vereinzelten Wäldchen Capöes, ein Name, den man sehr poetisch von dem indianischen Worte Caapoäm ^- Insel — hergeleitet hat. Diese Insel-Wäldchen bilden «inen eigenthümlichen Charakterzugin den offenen und wellenförmigen Hochlandcampos der Provinz Minas Geraiis. Ihre Bäume bestehen hauptsächlich aus verschiedenen Gattungen der Myrcia, Eugenia, Vochysia, Anona, des Lau-ruS, Styrax ic., mit Klettersträuchern, wie Bauhmien, Paulli-nien «. untermischt. Der Boden, in welchem diese Bäume wachsen, ist häusig so sumpsig, daß es schwer ist, in ihre Mitte zu gelangen; auch kann man dieß ohne Gefahr Nicht wagen, denn diese Orte sind die Schlupfwinkel der großen Boa Constrictor. Nach einer Reise von drei Legoas durch «ine Gegend der beschriebenen Art kamen wir an einen kleinen, durch eine Schlucht fließenden Bach, wo wir für den übrigen Theil des Tages Halt zu machen beschlossen, da Man uns gesagt hatte, daß der nächste Wafferplatz drei üegoas weiter läge. Wir nahmen unseren Lagerplatz unter dem Schatten einiger kleinen Bäume, aber kaum hatten wir unsere Pferde abgepackt, als wir uns von Carra-patos bedeckt sahen und bei näherer Untersuchung wahrnahmen, daß Gras und Boden von ihnen wimmelten. Wir verloren keine Zeit, diesen Ort zu verlassen, und stie-3n«n Tag und «ine Nacht bet ihm gewohnt hätte, und obgleich der Oberst nichts von der Sache verlauten l>eß, ft hörte ich doch später, daß der würdige Mann burch«imge Bemerkungen, in welchen der gelehrte Reisende und Botaniker seines Besuchs in San Eloi gedenkt, sehr 55* •) Voyage dans Ics Provinces dc Rio ic Janeiro et de Mioas Geraes T. 2. p. 350. ttertefet ttorben fri. 3«9 «iÜ bie anstößige ©teüe ^tet einschalten: ,,Pendant tout les temps que je passai chez le capitaine (benn er mat bamalg nut ßapitain) Virciani, la naaitresse de la niaison ne se monlra point; cependant, tundis que nous mangions , je voyais un rainois feminin s'avancer doucement ä travers la porte entr'ouverte; mais aussitöt que je jetais les yeux de ce c6te, la dame disparaissait. C'est par une curiosite semblablc que les semincs cherchent a se dedommager du peu de liberle dont on les laisse jouir *)." Dieselbe Frau war noch am Leben, und ich sah sie, so oft ich in das Haus kam; aber drei und zwanzig Jahre hatten in dem hübschen Gesichte, das St. Hilaire nur flüchtig sah, große Veränderungen hervorgebracht. Sie hatte jedoch mehre erwachsene Töchter, die nicht minder schüchtern waren als die Mutter in ihren jüngeren Tagen. Sobald der Oberst erfuhr, daß ich in der Heilkunde bewandert war, wollte er von nichts Anderem mehr reden, denn er war ein „Curioso", wie er sagte, das heißt einer, der in eine Wissenschaft pfuscht, ohne sie gehörig erlernt zu haben. Da mehre seiner Sclaven unwohl waren, so machte ich in seiner Begleitung einem nach dem anderen — 229 — meinen Besuch, denn er wollte hören, ob er sie richng behandelte. Sein gewöhnlicher Leitfaden in diesen Fällen war eine portugiesische Ueberfetzung von l)r. Buchan's Hausarzt, und ich habe in ganz Brasilien Leute gefunden, die sich ohne alle bessere Hilfsmittel durch eine derartige ärztliche Praxis ihr Brod verdienten; sie ziehen von Etadt zu Stadt, von Fazenda zu Fazenba, und viele derselben wußten, wie ihre Brüder in Europa, durch ihre vorgebliche Geschicklichkeit in dieser Wissenschaft recht ansehnliche Summen zu erwerben. Die Fazenda war eine der beßten, die ich bis jetzt im Inneren des Landes gesehen hatte. Das Haus des Obersten, das aus zwei Stockwelken bestand, die Häuser sein« Sclaven, sein Vorrathshaus und die übrigen Wirlhschaftss,e« bäude bildeten zusammen ein Viereck. An dem Hause befand sich ein Gatten, in welchem mit großer Sorgsalt und reichlichem Erfolg die meisten der gewöhnlichen europäischen Gemüse erbaut wurden. Auch fand ich hier zum ersten Male, feit ich die Küste verlassen hatte, ein durch Waffer getriebenes Mühlrad. Es wurde oberschlachtig bewegt und hatte ungefähr fünfzehn Fuß im Durchmesser, während das Wasser aus einem kleinen, in einiger Entfernung vorüberfiießenden Bache mittels eines hölzernen Kanals herbeigeführt wurde. Die Treibkraft diente zum Mahlen von Mandiocca. Mais und Zuckerrohr, sowie zum Pressen der Ricinuskörner. Der Oberst bereitet ledes Jahr ^ 230 — eine bedeutende Masse von Ricinusöl, und es war dieses beffer, als ich es irgendwo in Brasilien gefunden hade; es wird hauptsächlich zum Brennen, «in kleiner Theil davon aber auch als Arzenei benutzt. Die ganze Besitzung eignet sich sowohl zur Viehzucht als zum Anbau von Zuckerrohr, und aus diesen Quellen gewinnt der Oberst hauptsächlich fein bedeutendes Einkommen. Von Mandiocca, Mais u. s. w. baut er nicht mehr, als zum Bedarf für seinen Haushalt und seine Sclaven erforderlich ist. Außer einem hinlänglichen Maisvorrath für meine Pferde, den er nicht bezahlt nehmen wollte, versah mich der Oberst mit etwas Thee, da mein eigener Vorrath fast erschöpft war, und ich weder m San Romao noch in Formigas dergleichen hatte kaufen können. Oberst Virciani bezog für seinen eigenen Bedarf von Zeit zu Zeit eine ganze Kiste von Rio de Janeiro. Wir verließen San Eloi erst nach dem Frühstück, so daß wir nur eine Strecke von drittehalb Legoas zurücklegen konnten. Der Weg führte durch eine erhöhte eben« Gegend, wo große Strecke» mit niedrigem Gesträuch bedeckt waren, das sogenannte Carrascos bildete. Hierauf hielten wir kurze Zeit unter einem großen Seidenwollen' bäum bei einem offenen sumpfigen Campo, auf welchem in großer Menge ein schönes stammloses Eriocaulon wuchs. Am Nachmittag ritten wir anderthalb Legoas über ein hochgelegenes, grasiges und hügeliges Gelände mid erreich- — 231 - ten, als es zu dämmern begann, die Fazenda do Sitio, die dem Guarda-Mür, Gonsalvo Christovao Pereira d'Al-cnmi gehört, von welchem mir, obgleich ich ihm keine Empfehlungsbriefe überbrachte, eine sehr gastfreundliche Aufnahme zu Theil ward. Es wurden augenblicklich einige Gemacher für uns eingerichtet, und ich aß mit Herrn Walker wahrend der anderthalb Tage, die wir hier zubrachten, an der Tafel unseres Wirthes. Sein schönes zweistöckiges Haus liegt in einer Vertiefung, wo sich eine reizende Aussicht auf das ferne Hügelland darbietet. Ich verweilte hier einen Tag länger, als ich beabsichtigt hatte, da meine Pstcmzensammlungen so bedeutend angewachsen waren, baß es nöthig wurde, sie zu ordnen. Dieses Geschäft nahm einen ganzen Tag in Anspruch, und glücklicher Weise unterstützte mich ein prächtiger Sonnenschein, so daß ich all mein feuchtes Papier trocknen und alle Pflanzenexemplare in trockene Bogen legen konnte. Ein schöner Bach, der von den Bergen herabfallt, stießt nahe am Hause vorüber, und eine am Nachmittag unternommene Wanderung längs seiner Ufer bereicherte meine Sammlungen mit vielen botanischen Neuigkeiten. Der Wirth erzählte mir, daß man m dem Kies des Baches einige Diamanten gefunden habe, ein Beweis, daß wir uns jetzt an der Gränze des Di-strictes befanden, welcher von diesem kostbaren Steine seinen Namen hat. Ich hatte jetzt all meine Sammlungen in Ordnung gebracht, und daher beschlossen, am nächsten - 232 - Morgen zu früh?r Stunde wieder aufzubrechen, aber ich fand mich in meinem Vorhaben getäuscht^ da sich eines meiner Pferde in die Wälder verlaufen hatte. Unsere Abreift verzögerte sich daher bis zum Nachmittag. Mir blieb hier wieber d!e Wahl zwischen zwei Wegen, von welchen sich der eine um den Fuß einer sehr hohen Serra wand und zwar länger, aber bedeutend besser war als der andere, der über den Gipfel der Serra führte. Ich wählte den letzteren, weil ich dort eine ganz verschiedene Vegetation zu finden hoffte; in Betreff der Pferde, die sich nicht im beßten Zustande befanden, wäre allerdings der erstere vorzuziehen gewesen. Der Guarda-Mür wollte mich veran-anlaffm, noch eine Nacht auf seiner Fazenda zu bleiben, damit wir nicht nöthig hatten, fern von einer Menschenwohnung auf dem Gipfel der Serra zu übernachten, da wir aber bereits daran gewöhnt waren, so konnte uns eine solche Aussicht nicht abschrecken, obgleich wir späterhin Ursache hatten, unseren Beschluß zu bereuen. Kurz nach dem Aufbruch von der Fazenda erstiegen wir eine bedeutend hohe Serra, die nur dürftig mit einigen niedrigen, größtenteils aus drei Arten der Lychnophora bestehenden Sträuchern bewachsen war. Wir ritten längs dem welligen Gipfel hin und erreichten eine zweite steinige Höhe, die für die Pferde nur mühsam zu erklimmen war und uns auf einen felsigen, ziemlich flachen und bedeutend langen Gipfel führte. Ich sah mich hier in eine echte Alpengegend ver- — 233 - setzt; die rauhen sanbartigen Schieferfelsen, und selbst der Boden und die kleinen Sträucher erhielten durch die Flechten, womit sie bedeckt waren, ein graues Anfehn, und die Kälte, die wir zu ertragen hatten, stand mit diesem Anblick m völligem Einklänge. Mit Ausnahme der hohen Ketten des Orgelgebirges war diese Gegend für meine botanischen Forschungen das reichste Feld, das ick auf meiner langen Wanderschaft gefunden hatte; ja es gab der Pflanzen, von welchen die eine immer schöner und seltener war als die andere, auf beiden Seiten so viele, daß ich mich in meinen Sammlungen beschränken mußte, um von jeder Art wenigstens einige Exemplare zu bekommen. DaS Strauchwerk bestand hier aus verschiedenen Arten der Lych-nophora, einer schönen Melastcmacea, einer Virgularia mit rosenfarbigen Blüthen, verschiedenen Hiptisarten, einer Pa-nax u. s. w., unk unter diesen wuchsen viele seltene Crio-caulen und andere kleine krautartige Pflanzen. Der Boden war ziemlich sumpfig, und von dem Berge flössen in allen Richtungen kleine klare Vache hinab. Von hier aus erstiegen wir eine dritte Höhe, die noch steiler und steiniger als die vorige war, und gelangten auf eine etwas flache, grasige und ziemlich buschige Landstrecke. Auf dieser Höh« bot sich abermals eine neue Vegetation dar; zwei der schönsten Pflanzen waren «ine Art der Physocalyx, ein hübscher Strauch von drei Fuß Höhe mit zahlreichen orangerothen Blumen, die von einem großen, aufgeblasenen, fast gleich- — 234 — farbigen Kelche umgeben sind, und ein schöner scharlachblumiger Lisianthus. Wir ritten eine Halde Legoa längs dem stachen Gipfel dieses Bergrückens, und jeder Schritt bot eine neue Pflanze. Es war völlig dunkel, ehe wir einen passenden Lagerplatz erreichten, eine trockene, sandige, mit Glas bewachsene Stelle am Wege, und meine Leute suchten unter den wenigen kleinen Bäumen, die in unmittelbarer Nähe standen, so viel trockenes Holz zusammen, als nöthig war, ein kleines Feuer zur Bereitung unseres Abendessens anzuzünden. Der Himmel war bei unserer Ankunft völlig unbe« wölkt, bald nachher aber sammelte sich im Westen ein Gewitter, und kaum hatten wir uns neben das Feuer auf unsere Fälle gestreckt, als der Regen losbrach und uns, da wir ohne allen Schutz waren, in kurzer Zeit bis auf die Haut durchnäßte, während meine Leute das Feuer durch eine darüber gehaltene Haut zu schützen suchten, bis sich der Sturm gelegt hatte. Es zuckten hellleuchtende Blitze aus den Wolken, und ihnen folgten furchtbare Donnerschläge. Als das Gewitter vorüber war, machten wir es uns so bequem, als die Umstände es erlaubten, und legten uns wieder nieder, in der Hoffnung, nicht auf's Neue gestört zu werden. Aber wir fanden uns kläglich betrogen, denn kaum waren wir eingeschlafen, als der Sturm mit seinem ganzen Ungestüm zurückkehrte und uns in einen noch weit schlimmeren Zustand versetzte als vorher. Nur — 235 — Diejenigen, welche sckon eine Nacht unter solchen Verhalt? nissen zugebracht haben, können sich einen Begriff von unserer peinlichen Lage machen; hätten wir ein Elches Ereigniß vorhersehen können, so waren wir wohl im Stande gewesen, uns darauf vorzubereiten; aber wer konnte mitten in der trockenen Jahreszeit einen solchen Regen er» warten. Wir legten uns zum dritten Male nieder, aber nicht um zu schlafen, denn dieß war. nachdem der heftige Regen unser Feuer völlig ausgelöscht hatte, in unserem durchkälteten und durchnäßten Zustande schlechterdings unmöglich. Als es Tag wurde, bemerkte ich. daß der Ort, wo wir lagerten, ein überaus liebliches Plätzchen war, da es hier unzählige schöne Sträucher und viele seltene Pflanzen gab. Wir blieben hier bis Mittag und warteten auf Sonnenschein, um die von dem nächtlichen Regen durchnäßten Gegenstande zu trocknen; da aber der Himmel während des ganzen Vormittages umwölkt blieb, so beschlossen wir, wieder aufzubrechen. Nacy dem Frühstück kehrte ich mit ru,n»" beschrieben. — 241 — verglichen, welche wir in ähnlichen Lagen in den Provinzen Piauhy und Goyaz gesehen hatten, unter dem großen Kältegrade, welchem sie hier ausgesetzt waren, nicht zu gedeihen schienen. Nachdem wir ungefähr zwei und «ine halbe Legoa gereiset waren, hielten wir zu Mittag an einer schattigen Stelle neben einem Bächlein, einem gerundeten Hügel gegenüber, «elcher mit I^clmopkorH Z»MÄ8l.er, die viel Aehnlichkeit mit der schottischen Föhre hatte, und einer großen Art der Baumlilie bedeckt war. Indem wir in demselben Thale, das sich jetzt allmälig verengte und von zwei langen Reihen kahler, grasiger Berge begränzt war, des Nachmittags weiter zogen, gelangten wir bei Sonnenuntergang an das Ufer eines kleinen Flusses, des Nio Inhacica, und nahmen unser Nachtlager unter der offenen Veranda einer kleinen Venda, des "nzigen Hauses an diesem Orte. Wir hofften mit Zuversicht, hier einige frische Lebensmittel kaufen zu können, aber es war nichts zu haben, als Rum. Bald nach unserer Ankunft kehrte jedoch ein zum Hause gehöriger Mann mit einem großen, im Flusse gefangenen Fische heim, der von uns für einen geringen Preis gekauft und HU einem trefflichen Abendessen zugerichtet wurde. Während ich meine Pflanzen ordnete und die Exemplare in Papier legte, hörte ich zu meiner Ueberraschung von dem Eigenthümer der Venda, einem Mulatten in mittlen Iah-«n, der als Zuschauer dabei stand, baß auch er mil bie-Tardnrr's Reisen i» Brasilien ll. 16 - 242 — sem Geschäft vertraut war, denn er hatte die Doctor«« Tpix und Martius auf ihren Reisen in den Provinzen Minas Geraiis, Goyaz und Bahm als Diener begleitet. Er sprach mit Begeisterung von dem Wohlwollen, das diese Reisenden ihm erwiesen hätten, sowie von dem angenehmen Leben, das er in ihrem Dienste geführt und dessen einziger Uebelstand in der mühsamen Arbeit gelegen habe, das zur Aufbewahrung der Pstanzenexemplare bestimmte Papier zu trocknen. Ich konnte dieß glauben, denn ich wußte aus Erfahrung, daß die Leute an dieser Arbeit kein sonderliches Vergnügen fanden, da sie bei trü» bem, regnerischen Wetter oft jeden Tag mehre Rieß Papier Vogen für Bogen über dem Feuer trocknen mußten. Der Mulalte war der Fährmann und schaffte unser Gepäck m einem Kanoe glücklich nach dem jenseitigen Ufer. Auch dieß M< war uns eines unserer Pferd« entlaufen, das man erst gegen Mittag wieder fand; wir konnten daher an diesem Tage nicht mehr als drei Legoas zurücklegen. Die Gegend blieb noch immer eben mit Ausnahme einiget trockener, sandiger Hügel, an welchen wir vorüberzogen; an vielen Stellen, besonders in Ver» tiefungen, war sie noch mit immergrünen Bäumen bewaldet. Es war heiß und schwül, und da ich an heftigem Kopfschmerz litt, so pries ich mich glücklich, als wir zu früher Nachmittagsstunde uns« Ziel erreichten, ein kleines, aus einem halben Dutzend Häuser bestehendes Dorf — 243 — Namens As Var'gens. Man überließ uns hier einen offnen Schuppen, der zu einem der Häufer gehorte und m welchem mehre Personen mit Bereitung von Farinha beschäftigt waren. Das zum Mahlen der Wurzeln dienende Rad wurde durch ein kleines Wasserrad getrieben, das trotz seiner plumpen Bauart dennoch vollständig seinem Zwecke entsprach und viel Handarbeit ersparte. Die kleinen Gewässer, die in den hügeligen Districten der Provinz Minas Gerai-'s so häusig sind, bieten den Einwohnern bedeutende Vortheile über ihre Landsleute in den trockenen nördlichen Provinzen. Dieß war erst das zweite Mal, daß ich Wasserkraft zu solchem Zwecke benutzt sah, Weiter nach Süden jedoch fand ich dieß als allgemeinen Brauch. Die Leute, die zu dem Hause gehörten, wo wir rasteten, waren fast weiß und schienen sehr arm zu seinr aber sie benahmen sich artig und freundlich. Von As Vargens zogen wir anderthalb Legoas durch ein flache Thal, dessen rechte Seite von einer hohen, "ackten und felsigen Serra begranzt war, und gelangten herauf an einen kleinen Fluß, den Rio Inhahy, der hier «me ft bequeme Furt hatte, daß unsere Pferde mit ihrem ganzen Gepäck glücklich hindurchgingen. Eine kleine Strecke jenseit des Flusses bemerkten wir auf einer Er-höhung ^WMMll^!D Obgleich man die Diamanten gewoMich in oemoveM beschriebenen angeschwemmten kiesigen Boden findet, so ist derselbe doch nicht die Mutter, in welcher sie ursprünglich gebildet wurden. Ich bin vielmehr, ganz abgesehen von anderen Ländern, der vesien Ueberzeugung geblieben, daß sie hier ursprünglich in dem metamorphosirenden Schiefergestein entstanden sind, aus welchem das Gebirge des Di-amantendistricts besteht, und daß sie im Laufe einer langen Reihe von Jahren mit den anderen Bruchstücken nach den Stellen hinabgespült wurden, wo man sie jetzt in solcher Menge findet. Diese Felsarren sind von ziemlich weicher Beschaffenheit und demnach leicht zu desintegriren; daher die vielen wilden Schluchten, welche dieses Gebitgt schneiden und von den kleinen Gewässern gebildet sind, die durchvon ihm herabfließen. Man hat oft kleine Felsstücke mit eingebetteten Diamanten gesunden, und ich sah in der Cidade Diamantina zwei schöne Exemplare dieser Art, deren jedes «inen kleinen zur Hälfte hervorstehenden Diamanten enthielt. Der ungeheuere Preis, den man dafür forderte, hielt mich ab, einen dieser Steine zu kaufen. Wenn wir hier und da in Büchern lesen, daß der Diamant ein Erzeugniß der neuesten geologischen Epoche fei, wie zum Beispiel Or. A. Pchholot in Iamieson's — 232 — Journal (Nr. 68) darzuthun sucht, so müssen wir glauben, daß die Verbreiter solcher Meinungen sich von Reisenden haben irreleiten.laffen, die in Diamantenlänbern den nichtigen Erzählungen der ungebildeten Bewohner lauschten, welche fast allgemein behaupten, daß die Diamanten auf's Neue in dem Boden erzeugt würden, aus welchem man bereits andere genommen habe. Ich fand diese Ansicht in Brasilien ziemlich allgemein verbreitet; diejenigen Leute aber, die am meisten befähigt sind, ein richtiges Urtheil abzugeben, z> B. so erfahrene Bergleute wie der Eapitain Jos« d'Almeida e Silva, sind anderer Meinung. Allerdings hat er wie viele Andere denselben Cascalho, der zur Zeit, als noch die Regierung das Monopol in den Händen halte, bereits bearbeitet worden war, häusig zum zweiten Male gewaschen, aber nicht in dem Wahne, daß sich seitdem neue Diamanten gebildet haben müßten, sondern weil sich voraussetzen ließ, daß man damals den Caöcalho nicht so genau untersucht habe als jetzt. Wir setzten am nächsten Morgen unsere Reise fort, und nachdem wir ungefähr dritlchalb Legoas geritten waren, hielten wir zum Frühstück unter einem offenen Schup' pen, der zu einem am Wege gelegenen unbewohnten Hause gehörte. Die Gegend, durch welche wir zogen, war hügelig und mit kleinen Bäumen und Sträuchern bewaldet, während das Bergauf und Bergab der ansehnlicheren Höhen durch die sorgfältig angelegten Wege bedeutend erleich- — 253 - tert wurde, denn diese waren mit großen stachen Blöcken jenes Schiefergesteines gepflastert, aus welchem das Gebirge besteht. An vielen Stellen fängt jedoch dieses Pflaster in Folge des Wassers, das in der Regenzeit darüber hinströmt, zu weichen an, und wirb, wenn man nicht nachhilft, bald in Verfall gerathen. Eine hölzerne Brücke, die über einen kleinen Fluß führte und ehemals von vortrefflicher Beschaffenheit gewesen zu sein schien, befand sich jetzt ebenfalls in so hinfälligem Zustand«, daß es Niemand wagen konnte, sie zu benutzen; wir waren daher genöthigt, den Fluß eine kleine Strecke unterhalb der Brücke zu durchwaten, und bemerkten bei dieser Gelegenheit mehre Gruppen von Menschen, welche in dem Flußbette nach Diamanten suchten. Früh am Nachmittage brachen wir nach dem Arraial be Mendanha auf, das nur eine halbe Le.qoa entfernt lag. Der Weg führte durch ein flaches, buschiges Thal. das auf beiden Seiten von Gebirgen umgeben war, von welchen die aus der linken zu einer bedeutenden Höhe emporstiegen und mit ihren nackten Felsen denselben Anblick wie die Gebirge des schottischen Hochlandes darboten. In der Mitte dieses Thales floß der Rio Iiquitinhonha, und wir zogen, um das jenseits gelegene Dorf zu erreichen, über eine gut gebaute hölzerne Brücke von bedeutender Spannung, auf welcher sich ein Schlagbaum befand, der einzige, den wir bis jetzt in diesem Lande gefunden hatten, und dieß war ein Be- — 254 — weis, daß wir uns jetzt einem civilisirteren Theile Brasiliens näherten. Ich mußte an diesem Schlagbaume für iebes beladen« Pferd vierzig und für jeden meiner Leute zwanzig Reis bezahlen; aber ich that dieß mit Vergnügen, da ich wußte, mit welcher Mühe und Gefahr es verknüpft war, das Gepäck über brückenlose Flüsse zu schaffen. Als wir uns erkundigten, wo wir übernachten könnten, wies man uns nach dem öffentlichen Rango, da ich aber fand, daß dieß eine beschränkte, äußerst schmuzige, von einer Anzahl schwarzer Tropeiros besetzte Stätte war, so konnte ich allerdings nicht daran denken, hier meine Wohnung aufzuschlagen. Die sogenannten Ranchos sind große, meist offen« und an eine Venba angebaute Schuppen, die den Reisenden als Herberge dienen. Es war dieß das erste Ge» bände dieser Art, das ich seit meiner Abreise von der Küste zu sehen bekam, auf den besuchleren Wegen in Minas, besonders auf der großen Straße zwischen dem Golddistricte und Rio Janeiro fand ich deren in größerer Anzahl. Statt m diesem Rancho zu bleiben, zog ich es vor, mir für die Nacht ein leeres Haus zu miethen, und nach einiger Mühe erlangte ich endlich die Schlüssel zu einem, das erst kürzlich erbaut worden war. Das Arraial be Mendanhc, schien ein blühender kleiner Ort zu sein und zählt« ungefähr achthundert Einwohner, wihrend fast jedes Haus bewohnt war. Die Lag« des Dorfes ist zwar romantisch, aber nichts weniger — 255 — als fruchtbar, denn es ist auf dem nackten, felsigen Boden tines hohen Berges erbaut, dei es fast überhängt, während sich in der Nähe keine zum Anbau geeignete Stätte findet. Die weißen Einwohner erwerben ihr Einkommen durch Benutzung ihrer Sclaven zu Diamantengrabereien, oder durch Krämergeschäfte, indem sie gegen Diamanten Und Goldstaub Lebcnsmitlel und Zeuche an die Einwoh' ner verkaufen, und ohne die in der Nähe befindlichen Di-amantengruben würde an dieser Stelle in der That nicht «in einziges Haus erbaut worden sein. Bald nachdem wir am folgenden Tag« Mendanha verlassen hatkn, begannen wir die Ersteigung der Serra, die denselben Namen führt. Die Hohe betrug ungefähr «ine Legoa, ab« so steil sie an vielen Stellen auch war, so wurde doch durch den trefflichen Weg die Erklimmung sehr erleichtert; denn auch dieser ist fast in seiner ganzen Länge mit großen flachen Blöcken des sandigen Schiefergesteins gepflastert, aus welchem das Gebirge besteht, und läuft an den steil, stm Stellen im Zickzack. Der untere Theil der Serra, besonders längs einer tiefen Schlucht, an deren Rande der Weg sich hinzieht, ist dicht mit kleinen Bäumen und Sträuchern bewaldet, in der Nahe des Gipfels abn zeigt sie dieselbe alpenartige Nacktheit wie vor Lavrinha. Ich erstieg den Abhang größtentheils zu Fuß und botam» sitt«. Vom Gipfel aus bis nach Duas Ponies, das eine Ltgoa entfernt ist, führt der Weg durch ein« flache, felsig» — 256 — und buschige Gegend mit einigen erhöhten Bergrücken zur Linken, die mit einer sehr verbutteten strauchartigen Vegetation bedeckt sind. In Duas Ponies, wo wir hielten, um zu frühstücken, fanden wir zwei Häuser, die einzigen, die auf der ganzen vier Legoas langen Strecke zwischen Mendanha und der Cibade Diamantina zu finden sind. Der Ort hat seinen Namen von zwei in der Nähe befindlichen Brücken, die ungefähr eine Meile von einander entfernt liegen und sehr gut aus Holz gezimmert sind. Eines der Hauser war eine kleine Venda, die «inem Neger gehörte, welcher mir erzählte, daß er, ein geborener Afrikaner, viele Jahre bei Diamantenwäschereien gedient, aber durch sieißige Benutzung des Vorrechtes, an Sonn- und Festtagen für sich zu arbeiten, so viel Diamanten gefunden habe, daß es ihm möglich geworden sei, sich selb«, seinem Weibe und mehren Kindern die Freiheit zu «kaufen. Ich fand bei diesem Orte eine mit Früchten beladene Art des Rubus, die mich mächtig an die Tage meiner Kindheit und an di<> Brombeerhecken meiner Heimat erinnerte. An offenen Stellen entdeckte ich einige Exemplare einer zweiten Art des Physocalyr und eine schöne Andromeda mit großen Rispen hochrother Blumen. Wir waren jetzt nur noch zwei Legoas von der Cidade Dia» mantina entfernt, eine Reise, die wir an diesem Nachmittage bequem hätten zurücklegen können. Da ich aber, weil es einem Fremden jederzeit sehr schwer wirb, für sich und — 25? - seine Thiere ein Unterkommen zu finden, nicht bei Nacht bort anlangen mochte, so wählte ich mein Nachtlager auf einem offenen Campo der Serra, an einem kleinen Bache und ungefähr noch eine halbe Legoa von dei Stadt entfernt. Die Gegend, welche wir auf dieser kurzen Strecke durchschnitten, war gänzlich von Bäumen und Sträuchern entblößt und bestand hauptsächlich aus umfänglichen, welligen und grasigen Campos, die an vielen Stellen mit großen, dem Gestein der Serra ahnlichen Felsblöcken bedeckt waren. Zwei Meilen vor dem Orte, wo wir hielten, bot sich eine sehr umfassende Aussicht über das östliche Gelände dar, vielleicht eine der rauhesten und dürresten Gegenden Brasiliens. So weit das Auge reichen konnte, sah man nichts als Hunderte von nackten Hügeln, deren unfruchtbare Gipfel mit Flechten weiß überzogen waren. Ueber diese minder hohen Bergrücken ragte der hohe Gipfel Itambö empor, der sich sechstausend Fuß über den Meeresspiegel erhebt. Meine Leute konnten nur mit Mühe so viel Holz herbeischaffen, als nöthig war, unser Abendessen zu kochen, und wir mußten uns zum ersten Male schlafen legen, ohne die ganze Nacht hindurch ein großes Feuer unterhalten zu können, und dieß zu einer Zeit, wo die Kälte empfindlicher war als je. Als wir am Morgen uns erhoben, zeigte der Thermometer 54" F., und bei einer solchen Temperatur schäumten wir vor Kälte, nachdem wir so lange an ein Gardner's Reisen i» Brasilien ll. 17 — 258 — wärmeres Klima gewöhnt gewesen waren. Eine Stunde nach unserem Aufbruche begannen wir von der Serra her-abzusteigen, und bald nachher erblickten wir die berühmte Gdade Diamantina oder die Stadt der Diamanten. Diese .Hauptstadt einer reichen Provinz bedeckt den ganzen Abhang einer Serra, die eben so hoch ist, als jene, von welcher wir eben herabgestiegen waren, und von welcher sie durch ein enges Thal getrennt wird. Der Reisende nähert sich der Stadt so plötzlich, daß es ihm fast vorkommt, als wäre sie durch Zaubermacht hervorgerufen; er staunt bei dem Anblicke einer so großen Vereinigung von stattlichen weißgetünchten Häusern mit vielen Kirchen, die an den steilen Abhängen der Serra allmälig über einander emporsteigen, über die zahlreichen Pflanzungen, womit die Häuser der Vorstadt umgeben sind, aus Orangenbäumen, Bananen und den gewöhnlichen Erzeugnissen tropischer Länder bestehend, über die Fülle dicht stehender Iabuticabeiras und vieler schöner Bäume der großen brasilianischen Fichte ^raucaria Ni-aziliana), die gegen die felsige und durchaus nackte Gegend einen seltsamen Contrast bildet — wahrhastig es ist eine Oase in der Wüste. Da ich an keinen Bewohner dieser Stadt einen Empfehlungsbrief hatte, so begab ich mich sogleich nach dem Hause des Iuiz de Paz, um ihm meinen Paß zu zeigen, und als ich von ihm erfuhr, daß sich im unteren Theile der Stadt ein kleines Wirthshaus befinde, so beschloß ich, — 259 — dort so lange meine Wohnung zu nehmen, bis ich für «inige Tage ein leeres Haus würde miethen können. Glücklicher Weise besaß der Wirth ein solches in dem oberen Theile der Stadt, und wir begaben uns augenblicklich dahin, herzlich froh, daß wir nicht in dem Wirthshaufe zu bleiben brauchten, dessen Bequemlichkeiten nichts weniger «ls einlabend waren. Dieser Ort war früher als das Arraial de Tijuco bekannt, wurde aber im Jahre 1639 zum Range einer Stadt erhoben und erhielt als Hauptstadt des Diaman-tenbistrittes den Namen Cidade Diamantina. Er hat, wie ich von dem Iuiz de Paz erfuhr, eine Bevölkerung "on sechstausend Seelen; die Straßen sind unregelmäßig, weist sehr eng und schlecht gepflastert. Innerhalb der Stadt sowohl als in den Vorstädten gibt es viele schöne Häuser von zwei und drei Stockwerken, und da die Umgegend einen tresslichen Stein liefert, so sind dieselben größ-tentheils aus diesem Materials erbaut; doch 'st ihre Erbauung mit ungeheueren Kosten verbunden, weil man das nöthige Holz aus bedeutender Ferne beziehen muß. Es wird von Ochsen vier bis sechszehn Legoas weit über eine rauhe bergige Gegend herbeigezogen, wo Karren nicht fah« r«n können. Aus demselben Grunde ist hier auch das Brennholz sehr theuer und sehr schlecht, da man es häusig noch halb grün verkaust. Es werden viele Sclaven zum Niederschlagen der großen Sträucher benutzt, die in den 17* - 260 - nahen Schluchten wachsen und deren Zweige man alsdann in Bündeln von Haus zu Haus zum Verkauf ausdietet. Die Stämme der großen Baumlilie (Vellaxi») werden ebenfalls als Brennmaterial gesammelt, und man wählt hierzu besonders eine Art, die sehr viel Harz ausschwitzt. Die Tropeiros, die mit ihren beladenen Maulthieren nach der Stadt kommen, bringen aus den bewaldeten Gegenden so viel« Bündel gespaltenen Holzes mit hierher, M sie während ihres Ausenthaltes zum Kochen brauchen. Viele der hiesigen Kaufläden haben ganz dasselbe An-sehn wie in Rio de Janeiro und sind fast mit denselben Gegenständen versehen, während der Unterschied im Preise selten mehr als zwanzig Procent beträgt. Man bezieht alle europäischen Waaren, mit Ausnahme einiger, die man aus Vahia bringt, aus Rio Janeiro, und es kommen tag-lich große Karawanen beladener Maulthiere an. Einige Gemüse abgerechnet, die man in den bei der Stadt gelegenen Garten erbaut, werben alle Lebensrnittel aus einer Entfernung von zehn bis zwanzig Legoas herbeigeschafft und auf zwei großen Marktplätzen, sogenannten Inten-dencias, verkauft. Diese Erzeugnisse bestehen hauptsachlich aus Farinha de Mandiocca und Maismehl, das hier mehr in Gebrauch ist als in den nördlichen Provinzen, so wie aus getrocknetem oder gesalzenem Fleisch, Zucker, Mais, Käse, Reis und Ricinusöl, das man zum Brennen benutzt. Die Stadt hat drei oder vier schöne Kirchen; eine — 261 - derselben, Nossa Senhora do Rosario genannt, gehört den Negern, und über ihrem Altare prangt eine schwarze Jung. frau. Da uns diese Kirche sehr nahe lag, so wohnte ich an mehren Abenden der Feier eines ihrer Feste bei und fand hier nicht nur Schwarze, sondern auch viele der angesehensten männlichen und weiblichen Einwohner der Stadt. Es herrschte in allen Beziehungen der größte Anstand, und eines Abends hörte ich eine vortreffliche Predigt von einem der städtischen Geistlichen. Während unseres Aufenthaltes wurde noch in einer anderen Kirche, Nossa Senhora dcis Mercys, eine Novena gefeiert, der ich mehrmals beiwohnte, und mir fielen bei allen diesen Gelegenheiten besonders die Frauen auf, die hier in ganz anderer Tracht erschienen, "ls mir bis jetzt im Inneren deö Landes vorgekommen war. Ich hatte seither m den großen Städten die Beobachtung gemacht, daß die meisten Frauen während der Novena die Kirche häusiger besuchen als zu irgend einer anderen Zeit, und bann alle, vornehme und geringe, in ihrem beßten Staate erscheinen; in der Cibade Diamantina hingegen besuchte man die Kirchen bei solchen Gelegenheiten zwar ebenfalls sehr fleißig, aber ich bemerkte, daß die angesehensten Frauen nicht so gut gekleidet waren, wie gewöhnlich, und hätten sich nicht die höheren Klassen ihres Vorrechts bedient, aus dem Boden vor dem Altare sich niederzulassen, so würde man sie kaum von den ärmeren haben unterscheiden können, die hinter ihnen ihren — 262 - Platz hatten. Es erscheinen Alle ohne Unterschied in gleicher Kleidung, die aus einem dunkelfarbigen Mantel mit einer großen Kapuze und einem weißen Kopftuch« besteht, über welches sie einen Mannshut von weißer oder schwarzer Farbe setzen. Ich habe wahrend der drei Wochen, die ich hier verweilte, nie eine Dame in einem anderen Hute gesehen. Der höchste Theil der Stadt liegt ungefähr viertausend Fuß über dem Meeresspiegel, und es herrscht demnach ein mildes Klima. Während meines Aufenthalts im Monat Juli wechselte der Thermometer in den Mittags-H»/^stunden zwischen 54 und 69 Grad, und da wir einer solchen Temperatur seit langer Zeit entwöhnt waren, so hatten wir viel Kalte auszustehen. Die Küche, der ein» zige Ort, wo wir ein Feuer anzünden durften, war besonders des Morgens unsere gemeinsame Zuflucht; am meisten aber hatten wir bei Nacht zu leiden, da unsere Bettdecken für dieses Klima zu leicht und meine Geldmittel so sehr zusammengeschmolzen waren, daß ich weder für mich, noch für meine Leute neue Decken kaufen konnte. Ich fand es nöthig, für die wenigen Mittel, die ich noch besaß, «inen Vorrath von Lebensmitteln zur Fortsetzung unserer Reise anzuschaffen. Es war Niemand in der Stadt, den ich um ein Darlehn hatte bitten können, und wir waren noch immer sehr weit von den englischen Bergwerken entfernt, wo ich allein hoffen konnte, mich durch — 263 — Wechsel auf meine Agenten in Rio de Janeiro mit neuen Gelbern zu versehen. Die kältesten Monate sind in dieser Gegend Mai, Juni und Juli, die heißesten dagegen November, Januar und Februar, in welcher Zeit der Thermometer zwischen 74—84, zuweilen auch 88" wech-^"^^ selt. Im Ansang der warmen Jahreszeit gibt es viele Gewitterstm'me, die immer aus Norden kommen. Nach unserer Ankunft war die Luft einige Tage lang klar und stärkend, bald aber trat ein kalter, rieselnder Regen ein, der fast eine ganze Woche anhielt. An den Häusern befinden sich gewöhnlich kleine Garten, in welchen ich die meisten der gewöhnlichen europäischen Gemüse bemerkte, als Kartoffeln, Kohl, Erbsen, Lattich, Petersilie :c., sowie viele Blumen, die man in europäischen Gärten zu ziehen pflegt. Desgleichen findet man auch einige europäische Fruchtbäume, als Aepfel-, Bim-, Pfirsich- und Quittenbäume. Die Stadt wird durch Quellen, die dem Verge entspringen, auf welchem sie liegt, sehr reichlich mit trefflichem Wasser versorgt und hat mehre öffentliche Brunnen. Die Diamantenwäscherei, die früher Monopol der Regierung war, ist jetzt Jedem gestattet, dem es beliebt, sein Geld und seine Zeit darauf zu verwenden, eine Gerechtsame, die erst seit Brasiliens Unabhängigkeit verwilligt ist. Der Unternehmer hat hierbei keine weitere Verpflichtung, als der städtische Camara genau die Stelle anzuzeigen, wo er zu graben beabsichtigt, und man verlangt dieß — 264 — um einige unberührte Strecken zu bewahren, die sich die Regierung noch als Eigenthum vorbehalten hat. Die meisten Einwohner der Cidade Diamanlina, die einige Sclaven besitzen, benutzen dieselben zu Wäschereien, die man gewöhnlich in der Nähe der zahlreichen Gebirgs-bäche und an Stellen anlegt, wo sich der Cascalho nahe an der Oberfläche findet. Viele freie Schwarze arbeiten auf eigene Rechnung und erwerben auf diese Weise einen unsichern Unterhalt. Diese Unternehmer sind größtentheils sehr sorglose Menschen, so daß selbst diejenigen, welche die umfänglichsten Services oder Wäschereien besitzen, sehr häusig, nachdem eine ergiebige Wäsche sich erschöpft hat und ehe es ihnen gelungen ist, eine neue zu finden, tief in Schulden gerathen. Es wurde mir von einem der bedeutendsten Grubenherrm des Districts versichert, daß diese Lebensweise denselben verführerischen Reiz habe, wie die eines Spielers — wer sie einmal begonnen, könne sie nie wieder aufgeben. Der District, welcher diese seltsame Industrie m's Leben ruft, umfaßt einen Flachenraum von vierzehn Quadratlegoas, und man kann annehmen, daß mindestens zehntausend Menschen keinen anderen Erwerb haben, als in seinem Boden noch Gold und Diamanten zu suchen. Doch fließt der größte Gewinn dieser Erwerbsquelle weniger den Unternehmern selber als vielmehr den Kaufleuten zu, die alle mehr oder weniger mit Goldstaub und Diamanten handeln, welche sie von den Grubenbesitzern gegen allerlei — 265 — Lebensbedürfnisse eintauschen. Es gibt selten einen Bergmann dieser Art, der nicht einem Kaufmanne verschuldet wäre, welchem er dafür das Erzeugniß seiner Wäschereien als Zahlung und zu einem geringeren Preise liefern muß, als er auf offenim Markte dafür bekommen könnte. Das Leben eines Kaufmanns ist zwar nicht so lockend und anregend, als das Leben eines Gold» oder Diamantengräbers, aber es ist auch weniger gefahrvoll; er wird gewöhnlich sehr schnell reich, während der Bergmann in Armuth sich abmüht und sein größtes Glück in Hoffnungen findet, die selten in Erfüllung gehen. Die Sclaven haben die Erlaubniß, an Sonn - und Festtagen für sich selber zu arbeiten, doch dürfen sie sich »veber an den Services ihrer Herren, noch an den der Regierung vorbehaltenen Gebieten vergreifen, und es wurde mir als merkwürdige Thatsache erzahlt, daß bei solchen Gelegenheiten die größten Diamanten gefunden worden seien; da aber die Schwarzen sehr gewandte Diebe sind, so kann man annehmen, baß diese Steine zum Theil gestohlenes Gut waren. Die Gelegenheit, auf diese Weise erbeutete Diamanten zu verkaufen, ist jetzt weit günstiger als zu der Zeit, wo die Fundgruben ausschließend im Besitz der Regierung sich befanden. Damals wurden sie meist heimlich an Schleichhändler verkauft, deren viele bei Tage sich in den Gebirgen versteckt hielten und bei Nacht in die Hütten der Sclaven schlichen, um — 266 - die gestohlenen Edelsteine aufzukaufen» selbst die Kaufleute waren bei diesem unerlaubten Handel betheiligt. Der Iuiz de Paz, der jetzt für einen der reichsten Kaufleute in der Stadt galt, verdankte sein Vermögen folgendem Zufall. Er besaß zur Zeit, als Brasilien noch unter portugiesischer Herrschast stand, eine kleinen Kramladen und unter» nahm von Zeit zu Zeit eine Reise nach Rio de Janeiro, um Waaren einzukaufen. Als er eines Abends von einer dieser langen Reisen ermüdet zurückgekehrt war und sich vor der gewöhnlichen Zeit zur Ruhe gelegt hatte, hörte er Jemand an seine Thüre klopfen; er glaubte, es wäre einer seiner Kunden, und achtete anfänglich nicht darauf, als aber das Pochen fortdauerte, erhob er sich endlich und fand einen Sclaven, der ihm einen großen Diamanten zum Verkauf anbot. Der dafür verlangte Preis betrug sechshundert Milreis, damals ungefähr so viel wie hundert und achtzig Pfund Sterling; da aber der Kaufmann in diesem Augenblicke nicht so reich bemittelt war, so lieh er sich «ine Summe und kehrte am nächsten Morgen unter dem Vorwanoe, daß er ein wichtiges Geschäft vergessen hätte, welches er nur persönlich abmachen konnte, mit seinem Einkauf nach Rio de Janeiro zurück. In der Hauptstadt angelangt, mußte er bei dem Verkauf seiner Beute mit der größten Vorsicht zu Werke gehen, denn aller Handel mit Diamanten war damals verboten, und Derjenige, den man dabei entdeckte, wurde seines Eigenthums — W7 - verlustig erklärt und auf zehn Jahr nach Angola auf der afrikanischen Küste deportirt. Endlich gelang es ihm, den Edelstein für 20,000 Milreis, ungefähr 6000 Pfund Sterling, zu verkaufen. Er hatte noch nie eine so bedeutende Geldsumme gesehen und fragte bei ihrem Anblick mit großer Einfalt, ob all' dieß wirklich ihm gehören solle. Der Mann, der den Diamanten gekauft hatte, verkaufte ihn bald nachher für 40,000 Milreis, und als der Iuiz erfuhr, welchen bedeutenden Werth derselbe gehabt, und daß er wenigstens ein Drittel mehr dafür hatte bekommen können, soll ihn der Aerger fast um den Verstand gebracht haben. Er hat sich längst wieder beruhigt und ist jetzt einer der thätigsten und ersten Gold- und Diaman-tenkramer des ganzen Districts. Die Einwohner von diesem Theile des Landes erfreuen sich in Folge des gemäßigten Klimas einer besseren Gesundheit alS die Bewohner der Serlao; die Frauen sind die schönsten, die ich in Brasilien gesehen habe, und auch die Männer unterscheiden sich hier zu ihrem Vortheil Don ihren Landsleuten im Niederlande, denn viele könnt« man «her für Europäer als für Söhne eines tropischen Klimas halten. Die gewöhnlichsten Krankheiten sind solche, welche durch plötzlichen Witterungswechsel erzeugt werben, als Erkältungen und Entzündungen; die Sclaven, die bei ihrer Arbeit beständig bis an die Kniee im Wasser waten, leiden an Rheumatismus; ihre Kost, die nicht uon der — 208 — nahrhaftesten Art ist, besteht hauptsächlich aus gekochten Bohnen und Maismehl (^iili/,), aus welchem, indem man heißes Wasser hinzugießt, ein derber Brei, sogenannter Angu, bereitet wird. Tie Folge dieser Lebensweise ist Entkraft-ung besonders bei Leuten, die viel Rum trinken, ein Laster, dem nicht nur die Sclaven, sondern auch die Weißen beiderlei Geschlechts und fast aller Klassen ergeben sind. Man erkennt dieß zum Theil an der ungeheueren Masse, in welcher dieses Getränk täglich auf den Markt gebracht wird, denn man sagt, daß mit jeder Karawane, die mit Lebensmitteln beladen in die Stadt komme, eine andere mit Rum von den Zuckerpsianzungen des Niederlandes eintreffe. Ich muß jedoch bekennen, daß ich außer farbigen Leuten wenig Betrunkene auf den Straßen gesehen habe. Da ich ohne Empfehlungsbrief in die Stadt kam, so machte ich unter den Einwohnern nur wenig Bekanntschaften, doch wurde mir von dem Iuiz de Paz, Senhor Antonio Gome; de Carvalho, und dem Präsidenten der städtischen Camara, Major Luiz Jos« de Figueredo, die mich beide am Tage nach meiner Ankunft besuchten, viel Freundlichkeit erwiesen. August de St. Hilaire, der diese Provinzen im Jahre 1817 bereist, rühmt die große Gastfreundschaft der Bewohner von Minas Geraes. aber es scheint, als wären sie jetzt nicht mehr geneigt, den Fremden mit derselben Vertraulichkeit entgegenzukommen wie früher; der Grund liegt wahrscheinlich in ihrem vermehr- - 269 - ten Verkehr mit Europäern, besonders seit sich englische Bergwelkgesellschaften hier niedergelassen haben. In einem der Häuser, wo ich zuweilen einsprach, fand ich porlu-gisische Uebersetzungen von Walter Scott's „Ivanhoe"uno „Guy Mannering". Eine von den Töchtern der Familie, «in sehr gebildetes Mädchen, hatte sie aus Rio de Janeiro empfangen und mit großer Bewunderung gelesen. Ich war nicht wenig erstaunt, als ich hörte, dnß die Stadt weder einen Buchladen noch eine Bibliothek besaß. Es trafen während meiner Anwesenheit Nachrichten ein, die große Sensation erregten. Der junge Kaiser Dom Pedro der Zweite war gegen den Wunsch des Regenten berufen worden, die Zügel der Regierung zu übernehmen, ehe er noch das bestimmte Alter erreicht hatte, «in Vorfall, der dem größten Theile der Einwohner sehr willkommen zu sein schien und mehrfache Freudenbe-zeigungen hervorrief. Am Nachmittag wurde in der Hauptkirche Messe gelesen, der alle Magistratspersonen und die gesammte in der Stadt befindliche Nationalgarde beiwohnten. Abends war große Illumination, und die Nationalgarde gab vor dem Hause des Commandanten mehre Salven und zog dann, von dem Stadtrath und den bedeutendsten Einwohnern begleitet, mit Musik durch die Straßen. Ich schloß mich, von dem Präsidenten eingeladen, dem Stadtrathe an und hatte auf diese Weise die beßte Gelegenheit, Alles, was vorging, genau zu beobachten. So - 270 — oft man an das Haus eines angesehenen Bürgers kam, wurde Halt gemacht, und fünf oder sechs Personen trugen einige Verse vor, die man im Lauft des Tages zu Ehren dieser Feier verfaßt hatte, wahrend die Frauen des Haufes von den Baikonen mit Eau de Cologne durchdüftete Blumen herabwarfen, und dann und wann eine d Villa de Cact«. S. Ioft de Morro Grande. Barra. Brumado. Die Serra do Caral-a. Cattas Altas. Insiccionado. Bento Rodriguez. Camargos. San Cantano. Die Stadt Marianna. Die Serra de Itaiolumi. Das Arraial da Passagem. Die Stadt Ouro Preto, früher Villa Rica. Ihre Lage, Bevölkerung. Ein Collegium. Botanischer Garten. Ehe ich die Cidade Diamantina verließ, unternahm ich noch mehre Ausflüge in die Thäler und Schluchten und — 273 - auf die Gebirgsgipfel der Nachbarschaft, die mir reichlichen Gewinn brachten. Hierauf traten wir am Vormittag d,s fünfzehnten August unsere Reise an. Wir legten ungefäbr drei Legoas zurück und übernachteten bei einem Orte Namens As Borbas auf einer offnen grasigen Stelle, Nicht weit von dem einzigen Hause, das hier zu finden war und einem Hufschmied gehörte. Der Weg, welchen wir verfolgten, war die nach Rio de Janeiro führende Landstraße, und trotz dem großen Verkehr zwischen dieser Stadt und der Cidade Diamantina sowie der großen im Nordosten liegenden Provinz Minas Novas, vielleicht einer der schlechtesten im ganzen Lande. Die zahlreichen Abhänge bergauf und bergab sind sehr felsig und mit großen Steinen bedeckt, und die letzte, ungefähr eine Legoa von der Stadt entfernte Hohe, die bedeutender ist als alle anderen, führt zu einer offenen, flachen und grasigen Gegend hinauf, zu dem Gipfel der Serra do Frio. Zur Linken lagen noch bedeutendere Bergketten, und unter ihnen erhob sich die hohe Serra de Itamlx!. Es war eine dürre öde Gegend, und Lychnophora, von den Einwohner Candeia genannt, Und der seltsame I^velmoeoplmiu» !omenw5>i8» sowie einzelne Gruppen von Vellozien waren die einzigen Straucher, die hier wuchsen. Kurz vor unserer Ankunft bei As Vorbas stiegen wir auf einem felsigen Wege eine bedeutende Strecke allmälig bergab ,md gelangten in ein breites Thal, das zwar etwas dichter bewaldet war oils Gardner's Reisen lu Vrasilwi «. 18 - 274 — die Ebene oberhalb, aber noch immer ein sehr unfruchtbares Ansthn hatte. Da einige Maulthiere während der Nacht sich verlaufen hatten, so wurden wir am nächsten Tage fast bis Mittag aufgehalten, was wir bei der heißen Sonne, der wir ohne alle Schutz hier ausgesetzt warm, nicht «ben angenehm fanden. Ich hatte jetzt keine eigenen Thiere mehr und mußte mich daher dem Willen des Tropeiro unterwerfen, der keineswegs sehr geneigt schien, seine Reise zu beschleunigen. Wir fanden, baß man in den südlichen Provinzen ganz anders zu reisen pflegt, als im Norden. Man bedient sich selten der Pferde und legt des Tages nur eine einzige Reise zurück, die jenachdem der Weg beschaffen ist, drei oder vier Legoas beträgt. Die Karawanen, die häufig aus fünfzig bis hundert Maulthieren bestehen, sind trefflich geordnet, und diejenigen, welche der Eigenthümer nicht selber führt, sind der Leitung eines Arrieiro ober Maulthiertreibers übergeben, der zu Pferde hinter dem Zuge reitet. Er ist es, der die nöthigen Befehle zum Aufbruch und zum Halten ergehen läßt, der die Packsättel untersucht und darauf zu sehen hat, daß die Ladungen das gehörige Gleichgewicht haben, weil sie sonst den Rücken der Maulthiere wund reiben würden; außerdem muß er bei jedem Halt die Hufeisen untersuchen und diejenigen, die etwa verloren gegangen sind, ersetzen. Die Anieiros sind gewöhnlich freie Mulatten, und häusig — 275 — wird ihnen auch der Verkauf und Einkauf von Waaren anvertraut. Da die Wege in Brasilien sehr sckmal sind, so müssen die Maulthiere einzeln gehen, und sie sind so sehr daran gewöhnt, daß sie von dieser Ordnung auch dann nicht abweichen, wenn mehre neben einander Platz hatten. Die Karawane wird in verschiedene Züge — Lotes — getheilt, deren jeder aus sieben Maullhieren besteht und von einem besonderen Treiber — Tocador — geleitet wird, welcher zu Fuß geht und gewöhnlich ein Neger ist. Von As Borbas machten wir eine Reise von viertehalb Legoas durch eine bergige, felsige und uninteressante Gegend und erreichten einen Ort Namens Tres Barras. Kurz vorher berührten wir das Arraial de Milho Verde und setzten dann auf einer alten, halbverfaulten hölzernen Brücke über «inen kleinen Fluß. Es gibt an diesem Orte einige ärmliche Häuser, und ihre Eigenthümer sind meist Diaman-tinwäscher. Einer von ihnen zeigte mir einige Diamanten, die alle nur klein waren und nicht ganz dieselbe Farbe hatten wie diejenigen, die man bei Diamantina findet; ich bemerkte darunter einen gagcttschwarzen, eine Farbe, die häufig vorkommt. Von Tres Barras brachte uns eine Reise von drei und einer halben Legoa nach der Cioade do Serro. Der Weg führte durch «in welliges Gelände, das offenbar bedeutend tiefer liegt als der Diamantendistrict, den wir bei Tres Barras verlassen hatten. Die Gegend hatte jetzt 18' — 27« — ihr unfruchtbares felsiges Ansehn verloren, die gerundeten Berge warm meist bis zu ihren Gipfeln bewaldet, und in den Gründen lagen hier und da Häufer und Pflanzungen. Statt des kiesigen Bodens im Diamantendistrict zeigte sich wieder der im ganzen Lande so vorherrschende eisenhaltige rothe Lehmboden. Wir sahen die Stadt liegen, als wir noch eine Legoa davon entfernt waren, und obgleich sie kleiner ist als die Cioade Diamantina, iber es erschien von Weitem - 285 - sehr freundlich und malerisch. Am Wege lagen nicht weit von einander zwei kleine Eisenwerke. Diese Schmieden wurden zur Zeit, als Brasilien noch portugiesische Colonie war. von der Regierung angelegt, unb der größte Theil des hier erzeugten Eisens ging nach dem Diamanten-Di-siricce, wo man es b«i den Bergwerken brauchte; gegenwärtig sind sie in den Handen von Privatpersonen. Zwei Legoas über dieses Dorf hinaus beendigten wir unsere Tagereise bei einer Venda Namens Ponte Alta, bei welcher sich ein öffentlicher Rancho befindet. Die Gegend, durch welche wir zogen, war für den Botaniker nicht sonderlich anziehend; am Ufer eines Bächleins bei dem Rancho wuchs eine schöne Art der Vochysia mit langen Aehren hellgelber Blumen und ein Rubus, dessen Frucht, wenn sie reif ist, eine grüne Farbe «md ziemlich den Geschmack einer Stachelbeere hat. Von Ponte Alta brachte uns eine Reise von drei Le-goas nach dem Arraial de Itamb«. Der Weg führte durch «in hügeliges, aber ziemlich gut bewaldetes Gelände mit einer mannigfaltigeren Vegetation, als mir, feit ich den Diamanten-District verlassen hatte, irgendwo vorgekommen war. Anderthalb LegoaS von Itamb^ erstiegen wir eine bedeutende Hohe. und nachdem wir ungefähr eine halbe Meile durch einen Wald gezogen waren, gelangten wir auf eine offene Strecke mit feuchtem sandigen Boden, die — 286 — mir eine große Sammlung sehr seltener und interessanter Wanzen bot. Das Arraial de Immb« liegt in «inem unmuthigen Thale am Ufer eines Flüßchens gleiches Namens, über welches uns, ehe wir in das Dorf gelangten, eine vortreffliche hölzerne Brücke führte. Der Ort zählt achtzig bis hundert Häuser und eine Kirche, aber die meisten waren sehr verfallen; ja mir ist, die Villa de ParnagM im Süden der Provinz Piauhy ausgenommen, an keinem Orte von gleicher Größe der Anblick des Verfalls und der Verödung so deutlich entgegengetreten wie hier; eben fo elend war das Aussehn der Einwohner. Das Thal, in welchem das Dorf liegt, ist von hohen sanft abhangigen Bergen umschlossen, wovon einige grasig und felsig, andere mit niedrigem Holze bedeckt sind. Jenseit dieser Berge und ungefähr «ine Legoa westlich vom Dorfe liegt eine höhere Gebirgskette, Itacolumi und, nach ihren sieben Gipfeln, auch Sete Pecados Mortaes genannt. Dieses Gebirge war einst mit Wäldern bedeckt, die vor ungefähr vierzig Jahren zufällig durch Feuer zckstört wurden. Auch bei Itambv sucht man vergebens nach Spuren von Anbau; nur einige Hauser haben kleine Gärten mit einigen Orangen und anderen Fruchtbaumen. Vormals trieb man hier in dem Bette des Flusses nicht unbedeutende Goldwäschereien, jetzt aber findet man dieses Metall nur noch — 287 — in so kleinen Quantitäten, daß es nicht die Arbeitkostm decken würde, - Von Itamb« begaben wir uns nach einem kleinen, zwei und eine halbe Legoa entfernten Dorfe, Namens Onca, das aus einem Dutzend Häuser und einer Kapelle bestand. Der Weg, der uns von Itambo auf die Serra hinan führte, war sehr felsig, und dann erreichten wir «ine hügelige Gegend. Eine der wenigen Pflanzen, die jch auf dieser Reise fand, war die schöne Hlulisia «am-panuwta, 1^658., eme Kletterpflanze mit erbsenartigen Blättern und großen scharlachrothen Blumenköpfen, die sehr anmuthig an langen Stielen hangen. Unsere nächste Station war eine doppelte Tagereise und betrug sechs Legoas. Der Weg führte durch ein offenes, welliges und sehr reiches Gelände, und wir kamen an einigen großen, von bedeutenden Maispfianzungen umgebenen Fazendas vorüber. Die nicht angebauten Theile der Gegend waren mit Urwald bedeckt, in welchem ich zum, ersten Mal, seit ich das Orgelgebirge verlassen, die brasilianische Kohlpalme (I^lNerpk ecluüs, Mrt.) in großer Menge bemerkte. Wir hatten den ganzen Tag eine übermäßige Sonnenhitze, und es regle sich kaum ein Lüftchen; ich litt daher an heftigem Kopfschmerz. Der Ort, wo wir hielten, hieß Ponte do Machado, und wir fanden hier einen vortrefflichen Rancho. Die Nacht war hell und kalt, und als die Leute am Morgen hinausgingen, um die Maul- - 288 - thiere herbeizuholen, war das GraS mil Reif bedeckt, und der Thau, der während der ersten Nachtstunden auf das Laub der Sträucher sich gelegt hatte, in kleine Eiszapfen verwandelt. Es war dieß das erste Mal, daß ich in Brasilien Eis zu sehen bekam, und meine Leute sahen es zum ersten Male in ihrem Leben. Von Ponte do Machado gelangten wir nach einer kurzen Reise von zwei Legoas früh am Vormittage zu dem Arraial de Eocaes, wo wir unsere Wohnung wie ge» wohnlich in dem öffentlichen Rancho nahmen. Ich hatte schon lange vor meiner Ankunft an diesem Orte in Erfahrung gebracht, daß sich in feiner Nahe eine englische Bergwertgesellschaft angesiedelt habe, und ich hörte jM, daß diese Niederlassung nur eine Viertellegoa entfernt auf «iner hohen Serra läge, die denselben Namen führt wie das Arraial. Meine Geldmittel waren ziemlich erschöpft, und da ich bei meiner Ankunft in Ouro Preto, wovon wir jetzt nur noch zehn Legoas entfernt warm, meinen Tropeiro bezahlen mußte, so beschloß ich, den Beistand des Hauptgeschäftssührerö dieser Bergwerke in Anspruch zu nehmen. Ich hatte von Natividade aus an die Herren Harrison und Comv. in Rio be Janeiro geschrieben, die während meines Aufenthaltes in Brasilien meine Geschäftsträger waren, und sie gebeten, alle an mich gerichteten Briefe und Packele an Herrn Hering, den obersten Ge« schaftsführer der Belgnmksgesellschafl von San Iono d5, mehre Farnen und einige Moose und Flechten. Mit der Dämmerung trafen wir wieder in Cuiabä, «in, und nachdem ich den größeren Theil des Abends in der Gesellschaft des Dr. Morton und seiner Gattin zugebracht, war ich noch bis Mitternacht mit der Verwahr» ung der auf der Serra gefundenen Pflanzenexemplare beschäftigt. Am folgenden Tage kehrten wir nach Morro Velho zurück. Das Bergwerk Cuiabä ist ziemlich von derselben Beschaffenheit wie dag von Morro Velho, wird aber in weit geringerem Maßstabe betrieben und ist auch — 310 — überdieß nicht so ergiebig. Während meines Aufenthaltes in Morro Velho unternahm ich mehre kleine Ausflüge in die Umgegend, wodurch meine Sammlungen bedeutend bereichert wurden. Am Morgen des vier und zwanzigsten Septembers trat ich, nach einem herzlichen Abschiede von meinen Freunden in Morro Velho, meine Reise wieber an. Es führt von hier aus ein gerader Weg nach der Hauptstadt der Provinz Minas, Ouro Preto, welche ich zu berühren wünschte, da aber ein Theil meines Gepäcks von Cocaes aus nach einem Dorfe Namens San Caetano, das ungefähr drei Legoas unterhalb der Stadt Marianna liegt, vorausgegangen war, so fand ich mich genöthigt, mich zuerst dorthin zu wenden. Es war meine Absicht, auf demselben Wege, der mich hierher geführt hatte, nach Gongo Soco zurückzukehren, doch traf am Tage vor unserem Aufbruch« in Morro Velho die Nachricht ein, daß die hölzerne Brücke, die bei Rapoza über den Rio das Velhas führte, zusammengefallen sei. Wir waren daher genöthigt, unseren Weg über Sabarä zu nehmen, wodurch unsere Reise um zwei Legoas verlängert wurde. Ohne uns in Sabarä aufzuhalten, erreichten wir des Nachmittags das Bergwerk Cui-abä,, wo wir bei Herrn Richards übernachteten. Nach dem Frühstücke brachen wir wieder auf und waren zwischen fünf und sechs Uhr Nachmittags in Gongo Soco. Die ganze zwischen den beiden Orten liegende Gegend besteht, — 3N - mit Ausnahme der Serra nordwestlich von Gongo, aus nacktem grasigen Hügellande, wo es nur in den Gründen «injge kleine Wälder gibt. Es war zu Ende der trockenen Jahreszeit und die Hügel hatten daher ein sehr dürres unfruchtbares Ansehn, und der Weg war mit feinem gelben Staube, den Trümmern des Thonschiefers bedeckt, aus welchem die Hügel bestehen. Wir befanden uns daher fast auf der ganzen Strecke fortwährend in einer dichten Staubwolke. Auf halbem Wege zwischen beiden Orten zogen wir durch einen Theil der Villa de Caet6, einer ziemlich großen, ober elenden Stadt in einem engen seichten Thale, daß in nordöstlicher Richtung von der Serra da Piedade sich ausdehnt, während die Villa selber ungefähr zwei LegoaS von ihr entfernt ist. Die Stadt verrath wie viele andere der Bergwerkdistricte, daß sie einst bessere Tage gekannt hat, denn sie enthält die Trümmer vieler schöner Häuser, so wie eine der schönsten Kirchen im Inneren des LandeS; ja St. Hilaire bezweifelt, daß es selbst in Rio de Janeiro «ine gebe, die man mit ihr vergleichen könne. Am Tage unserer Abreise von Gongo Soco zogen Niir durch da« Arraial de San Ioäo do Morro Grande und hielten für die Nacht in einem kleinen Dorfe Na» mens Barra, das eine Legoa südöstlich davon entfernt ist. Die Umgegend und der Weg, den wir zurückgelegt hatten, waren hügelig, nackt und dürr. Durch das Dorf stießt — 312 — ein kleiner Bach, dessen kiesigeUfer man völlig durchwühlt hat. Am nächsten Tage machten wir eine Reise von zwei Le« goas und zogen «ir.e halbe Legoa von Barra durch das Arraial do Brumado, ein langes zerstreut liegendes und verfallenes Dorf. Von hier aus verfolgten wir unseren Weg in östlicher Richtung, bis wir die Sena do Carina erreichten, und längs dem hügeligen Fuße ihrer Noldostseite hinziehend, gelangten wir kurz nach Mittag in das Arraial de Cattas Altas, das am Fuße der Serra nach ihrem südöstlichen Ende zu liegt. Es besteht hauptsächlich aus einer einzigen langen Straße und scheint sich wie Brumado in nicht sehr blühendem Zustande zu befinden. Die Hügel rings um das Dorf und zwischen diesem und Brumado sind mit Capim gordura bebeckt. Hoch auf der Serra selbst gibt es eine Einsiedelei, Nofsa Senhora da Mai dos Homens genannt. Das Gebäude wurde im Jahre 1771 von einem Portugiesen angefangen, der im Jahre 1818, zur Zeit als Spix und Martius es besuchten, noch immer, obgleich über hundert Jahre alt, am Leben war. Es ist jetzt in ein theologisches Seminar umgewandelt, das aber nur wenige Schüler enthalten soll. Diese Serra wurde von St. Hilaire so wie von Spix und Martws untersucht und sehr reich an seltenen Gewachsen gefunden. Auch ich wollte einen Tag darauf verwenden, sie zu erklimmen, aber wir hatten heftiges Regenwetter, und die oberm Theile des Gebirges waren in Wolken gehüllt. — 313 — Von Cattas Mas nimmt der Weg eine südliche Richtung längs dem Fuße der Serra do Car^,a, und nachdem wir ungefähr zwei Legoas zurückgelegt hatten, ritten wir durch das Arraial de Insiccionado, ein anderes langes schmales Dorf, eben so groß und eben so verfallen wie Cctttas Altas. Eine Legoa weiter gelangten wir in das Arraial de Bento Rodngues, wo wir in einem öffentlichen Rancho über Nacht blieben. Der Weg war auf dieser Reife sehr hügelig und steinig; ich sah wenig Boden, der sich zu Pflanzungen geeignet hätte, denn er war meist von Ieh, miger Beschaffenheit und mit grobem eisenhaltigen Kies oder den Trümmern des schieferigen Gesteins der Serra untermischt. An allen Orten hatte man nach Gold gewühlt, aber ich konnte außer einem kleinen Bergwerke zwischen Insiccionado und Bento Rodngues keine Spuren von Bergbau entdecken *). Eine Legoa von Bento Rodngues zogen wir durch ein kleines Dorf, Arraial de Camargos genannt, das zwischen einigen Bergen am Ufer eines kleinen Flusses liegt. Wir waren jetzt nur noch drei Legoas von unserem Ziele, San Caetano, entfernt, das ich ohne längere Verzögerung zu erreichen wünschte; aber es ging bei dem schlechten ") Es gab hier eines der reichsten Bergwerke Brasiliens. Der Besitzer war seines Reichthums wegen allgemein bekannt, verlor ihn aber wieder, indem er das Unternehmen fortsetzte. — 314 - Wege, der hi« durch «ine nackte hügelige Gegend führte, nur langsam vorwärts. Es war daher fünf Uhr Nachmittags, als wir bei dem letzten Hause anlangten, das auf dem Wege nach San Caetano liegt und von wo dieser Ort keine ganze Legoa mehr entfernt ist. Der Tro-peiro wollte hier übernachten, ein Vorschlag, den ich kurz-weg zurückwies, besonders da wir Regen zu befürchten hat-ten, und das Haus so klein und so schlecht bedeckt war, daß es nur einen sehr mangelhaften Schuh gewähren konnte. Aber der Mann bestand auf seinem Vorsatz und würde ihn ausgeführt haben, hätte ich ihm nicht mit Verlust seines Lohnes gedroht. Dieß wirkte, und er setzte sich wieder in Bewegung, worauf wir mit der Dämmerung das Arraial de Caetano erreichten. Ich fand all meine Sammlungen wohl verwahrt in dem Hause des Tropeiro, der mich aus der Cidade do Serro gebracht hatte und jetzt bereit war, mich vollend« nach Rio zu führen. In einem kleinen Walde nicht weit vom Arraial sammelte ich Exemplare drei verschiedener Baumfarnen und bereicherte meine Orchideen-Sammlung mit einem sehr hübschen, lieblich duftenden Epidendron. Das Arraial de San Caetano. ein kleines, armes Dorf, liegt am AbHange eines niedrigen Berges am nördlichen Ufer eines Baches, der sich in den Rio Doc« ergießt. Es hat «ine einzige Kirche, welche, wenn man sie in der Weise ausgeführt hatte, in welcher sie begonnen ward, eine - 3!5 - große Zierde des Ortes sein würde, denn sie steht auf ei« ner das Dorf überschauenden Erhöhung. Die Einwohner scheinen sich ehemals hauptsächlich mit Goldwäscherei im Bette des Baches und längs seiner Ufer beschäftigt zu haben, da sich aber diese Erwerbsquelle erschöpft hat, so haben sie sich meist auf die Bebauung des Bodens gelegt, der hier zum Anbau von Kaffee, Mais u. s. w. meist vollkommen geeignet ist. Da der Tropeiro erst einige Tage nach meiner Ankunft aufbrechen konnte und sich überdieß weigerte, den Umweg über Ouro Preto zu nehmen, so beschloß ich, indem ich diese Stadt gar zu gern sehen wollte, ihr allein einen flüchtigen Besuch zu machen. Ich miethete mir daher einen Führer, mit dem ich am Morgen des fünften Octobers von bannen zog. Eine Reise von drei Legoas durch ein dünn bewaldetes Hügelland brachte mich zu der Stadt Marianna, deren Lage und Ansehn mir sehr gefielen. Sie liegt auf der Südwestseite eines breiten ebenen Thales, an dem sanften AbHange einer Höhe, welche den Fuß der Serra de Itacolumi umgranzt. Marianna ist vester gebaut als die anderen Städte, die ich im Inneren gesehen habe, und da es mehre schöne Kirchen besitzt, und die Häuser meist weiß getüncht sind, so hat es «in sehr stattliches Ansehn. In den Vorstädten und in der Stadt selbst sind vlele Häuser mit Gärten versehen, worin es Bananen, Drangen und runoköpfige Iaboticabeiras gibt, die mit ih- — 3!tt — rem verschiedenen Grün einen anmuthigen Gegensatz zu den weißen Mauern der Häuser bilden. Mir kam jedoch die Stadt, indem wir hindurchzogen, so still vor, daß ich fast hätle glauben können, sie sei von ihren Einwohnern verlassen worden. In einigen Hauptstraßen sah ich einige Kaufleute, die gleichgiltig über ihren Ladentischen lehnten, und auf den Stufen vor dem Gefängniß standen als Wachter einige Soldaten; diese und hier und da ein schwarzer Bube, der vor der Thüre kauerte, waren die einzigen Spuren von Leben in einer Stadt, die 5090 Einwohner haben soll. Man kann es eher einen geistlichen als einen handeltreibenden Ort nennen, denn es ist der Sitz des Bischofs und eines theologischen Collegiums. Die kaiserliche Stadt Ouro Preto, früher Villa Rica, liegt zwei Legoas südwestlich von Marianna, und der sehr gute Weg, der dahin führt, geht allmälig bergauf. Längs seiner Seite stehen an vielen Stellen in unregelmäßigen Zwischenräumen wilde Feigenbäume, Landeskinder, die em» porgewachsen sind und nickt nur Schatten geben, sondern auch den Europäer an die Landstraßen seiner Heimat erinnern. Am Eingänge der Stadt, wo der Weg durch vesten Felsen gehauen ist. sieht man mehre m die Berge laufende Gange; dieß sind langst verlassene Golbschachte, die jetzt von den armen Leuten, welche in der Nahe wob' nen, zum Theil als Ferkelställe benutzt werden. Auf Hal« bem Wege zwischen beiden Städten führt der Weg durch - 317 — das Arraial de Passagem, ein kleines Dorf, dessen Bewohner sick früher von Goldwäscherei nährten, jetzt aber, nachdem die Bergwerke erschöpft sind, sich mit dem Anbau von Lebensmitteln beschäftigen, die in Ouro Preto einen schnellen Absatz finden. Ich wohnte während meines kurzen Aufenthaltes in der kaiserlichen Stadt in dem Hause deS Senhor Ios6 Peiroto de Souza, an den ich Vnefe aus Morro Velho überbrachte. Senhor be Souza ist der bedeutendste Kaufmann in der Provinz Minas und besitzt das schönste Haus in der Stadt, dessen Erbauung ihm 400l) Pfund Sterling kostete, eine bedeutende Summe für ein Haus im Inneren Brasiliens. Er ist ein Mann von freundlichem und zuvorkommendem Wesen, und da er der Geschäftsträger aller englischen Bergwelkgesellschaften ist, so wirb sein Haus von den Beamten derselben als Absteigequartier benutzt, denn es fehlt im ganzen Orte an einem anständigen Gasthofe. Aber nicht bloß Engländer kehren bei ihm ein, auch seine Landsleute suchen seine Gastfreundschaft. Während der drei Tage, die ich hier verweilte, kamen und gingen so viele Gäste, daß das Haus eher einem Gasthofe als einer Privalwohnung glich. Er begann als schlichter Goldwäscher t^aiso^or) und ist jetzt der bedeutendste Goldhändler in der Provinz. Die Umgegend der Stadt ist im höchsten Grad« hü-s«lig, und die Felsen bestehen aus Thonsch««f«rn, weichem — 318 — glimmerartigen Eisenschiefer, gewöhnlich Iacutinga genannt, und hartem Eisenglimmerschiefer. Das umliegende Land ist goldhaltig, und es gibt viele Bergwerke in der Nachbarschaft. In dem engen Thale, auf dessen einer Seite bi« Stadt steht, stießt ein kleiner Bach. der Ribeiräo do Ouro Preto genannt, der in der Nähe seine Quelle hat. Sein Bett besteht aus einem weichen Kies, und aus diesem gewinnen die ärmeren Einwohner durch Goldwäschen einen spärlichen Unterhalt. Man nennt das Verfahren „Mergulhar" oder Tauchen, und die damit beschäftigten Leute werben „Faiscabores" genannt. Sie sind gewöhnlich halb nackt, und nachdem sie die größeren Steine von der im Bette des Baches erwählten Stelle hinweggescharrt haben, füllen sie ihre Ba-teia mit dem feinen Kies und Sand, der durch «ine eigenthümliche Wäsche gereinigt wird, bis endlich der Goldstaub auf dem Boden des Gefäßes zurückbleibt, aus welchem sie ihn in «inen ledernen Beutel schütten, den sie an sich hängen haben. Sie können täglich nicht mehr als einen Schilling verdienen. Man wählt zu dieser Arbeit besonders die Zeit, wann heftige Regengüsse eine starke Strömung verursacht haben. Obgleich die Stadt Ouro Preto bedeutend größer ist als Marianna, so gewährt sie dock einen mind« imposanten Anblick, nicht weil es ihr nn großen Gebäuden fehlt, sondern wegen der Unregelmäßigkeit ihrer Lage. Der größere Theil derselben ist auf dem Abhang« der Serra d< — 319 — San Sebastiao erbaut, welche die nordwestliche Gränze eines tiefen engen Thales bildet. Sie theilt sich ihrer Lage nach in die obere und untere Stadt, und die obere ist bei Weitem die schönere; dieselbe hat mehre schöne Gebäude, wi« den stattlichen aus Stein erbauten Palast der Provin-zialregierung, der auf der einen Seite eines großen Platzes steht, dessen andere Seite von dem ebenfalls sehr ansehn» lichen Stadthause und Gefangnisse gebildet wird. Etwa« tiefer steht die Kaserne, die beßte, die ich im Inneren gefunden habe. Auch die Schatzkammer ist ein gutes stei» nernes Gebäude, das aber in der engen Straße, in welcher es erbaut ist, keine vortheilhafte Lage hat. Die Stadt enthält sechs große Kirchen, von welchen die schönste. Nossa Senhora do Carmo, in der oberen Stadt nicht weit vom Gefängnisse steht. Die Einwohner erfreuen sich eines reich« lichen Zuflusses von trefflichem Wasser, und es gibt ftst auf jeder Straße einen Brunnen. Die Bevölkerung soll sich auf 8000 Seelen belaufen. Die Stadt hat viele gute Kaufläden, aber nicht eine einzige Buchhandlung, wohl aber zwei Druckereien und vier Zeitschriften, zwei ministerielle und zwei Oppositionsblätter. Sie erscheinen in kleinem Format und sind fast nur politischen Inhaltes. Im Jahre 1840 wurde in Folge e,. nes Gesetzes der Provinzial-Versammlung ein vorbereitende« Collegium gestiftet, m welchem Latein, Französisch, — 320 — Englisch, Philosophie, Mathematik und Pharmacie von eben so vielen verschiedenen Professoren gelehrt werben. Eine Meile von der Stadt gibt es einen botanischen Garten, der von der Regierung unterhalten wird und hauptsächlich zur Verbreitung nützlicher exotischer Pflanzen bestimmt ist, welche man denjenigen, die danach verlangen, unentgeltlich verabreicht. Man zog hier besonders Theepflanzen, Zimmt, Brodfruchtbäume, Mangobäume u. f. w. An The« erbaut man jährlich «ine bedeutende Menge und verkauft ihn in der Stadt ziemlich für denselben Preis, wie den aus China eingeführten. Die nach dem Garten führende Allee und mehre andere in seiner Nähe sind mit ler brasilianischen Fichte s^rauearia ür»8>ll»na) bepflanzt, welche der Umgebung «inen erhöhten Schmuck verleiht. Vierzehnter Abschnitt. Von OuroPreto nach Rio de Janeiro und z write Reise in das Orgelgebirge. Aufbruch. San Caetano. Arraial do Pmheiro, Piranga. Filippe Alvez. Pouzo Alegre. Ein nächtliches Gewitter. Arraial das Mercös. Chapeo d'Uva. Gntre os Morros. Uebergang über den Rio Parahybuna und Eintritt in die Provinz Rio dc Janeiro. Paiol. Villa de Parayyba. Der Fluß Parahyba und seine Fähre. Padre Corrca. Corrcgo Seco. Der Paß der Serra d'Gstrella. Großartige Aus« ficht nach der Hauptstadt, ihrem Hafen und der Umgegend. Fahrt zu Waffer nach Rio und Ankunft. Absendung aller Sammlungen nach England. Ein neuer Ausflug in dak Orgelgebirge. Ersteigung des höchsten Gipfels. Eine Reise in's Innere. Die Serra do Capim, Monte Caffö. SantH Eliza. Sapucaya. Porto d'Anta. Uebergang über dm Rio Parahyba. Narra do Louri^al. San Ios«. Porto da Cunha. Cantagalla. Nooo Friburgo, die Schweizer-colonic. Rückkehr nach March's Fazenda. Annehmlichkeiten des Ausenthaltes im Orgelgcbirge. Zwei Tage nach meiner Rückkehr von Ouro Pceto brachen wir von San Caetano nach Rio de Janeiro auf, und nachdem M in südöstlicher Richtung zwei und cine halbe Legoa zurückgelegt hatten, übernachteten wir in einem Gardner's Reisen in Vrafilim ll. 21 öffentlichen Rcmcho bei einer kleinen Fazenda. Wir wurden fast auf der garten Reise von einem heftigen Gewitterregen verfolgt; unser Weg führte durch eine hügelige Gegend, die nur in ihren Vertiefungen dicht bewaldet war. An sumpfigen Stellen bemerkte ich einige schöne groß« Talauma« Bäume. Es sind dieß die Magnolien Südamerikas, und ihre großen Blüthen sind eben so wohlriechend. Der Regen dauerte die ganze Nacht hindurch, gegen Morgen aber klärte es sich auf, und wir konnten weiter ziehen. Außer d nem von nackten Hügeln umgebenen Grunde, und ihre Gebäude, aus dem Wohnhause, einer kleinen Kapelle, dem Rancho und einer Venda bestehend, bilden fast drei Seiten eines geräumigen Viereckes, in dessen Mitte ein sehr großer wilder Feigenbaum steht, der sich nicht sehr hoch über der Wurzel in zwei ziemlich gleich starke Stämme theilt. Auf einer Höhe östlich von der Fazenda sieht man zwei große Reihen brasilianischer Fichten, die viel zur Verschön-ung des Ortes beitragen. Ein kleiner Fluß, Piabanha genannt, der hier vorübersiießt, mündet in den Parahyba. Es gibt an diesem Orte eine bedeutende Manufactur von Hufeisen und anderen Eisengerathschaften. Die nächste Reist führte mir wieder den Anblick des Meeres zu. Der Weg zwischen Padre Correa und dem Paß der Serra d'Estrella, einer Fortsetzung des Orgelgebirges, wurde damals ausgebessert; die Arbeiter waren Deutsche, die abgesondert in einem kleinen Dorfe lebten. Auch zogen wir durch ein kleines elendes Dorf Namens Corrego Seco. Die Gegend ist sehr hügelig und mit großartigen Urwaldern bedeckt. Von dem Gipfel des Passes überschaut man die Umgegend von Rio de Janeiro und die Bai mit ihren zahlreichen grünen Inseln, und ich ließ hier eine lange Weile meine Blicke voll Bewunderung über den ersten Schauplatz meiner Bemühungen schweifen; es war mir, indem ich an diesem großartigen Anblicke mich weidete, als sei ich in die Heimat zurückgekehrt, denn Alles erinnerte mich an vergangene Zeiten und theuere Freunde; der Zuckerhut, der Corcovado, der Gavea und die Spitze von Tijuca erhoben ihre unbewölkten Gipfel hoch in die Luft, als hatten sie mir bei meiner Rückkehr nach einer Stätte der Gesittung ein freundliches Willkommen geboten. Der höchste Punct dieses Paffes liegt 3000 Fuß über dem Meeresspiegel. Der Weg, der hinabführt, läuft im Zickzack und beträgt ungefähr eme Legoa; er ist mic großm Steinblöcken gepflastert und wird trefflich im Stande gehalten. Da er an mehren Stellen sehr steil war, so zog ich es vor, zu Fuß zu gehen. Nicht weit vom Fuße der Serra berührten wir Mandiocca, das ehemalige Vesitzthum des Herrn Langsdorss, des berühmten Reisenden und vormaligen russischen General-Consuls in Brasilien. Es gehört jetzt der Regierung und ist in eine Schießpulverfabrik umgewandelt worden. Der Paß Estrella ist bei Weitem besser als der über das Orgelgebirge, doch wird die Reise nach Minas, indem man den letzteren wählt, um sechszehn Legoas abgekürzt. Eine kleine Strecke über Man, diocca hinaus hielten wir bei einem großen Rancho, von wo ich, nachdem die letzten Sammlungen geordnet waren, allein nach Porto d'Estrella aufbrach. Von hier wollte ich mich am Abend nach Rio de Janeiro einschiffen, um ein Unterkommen für mein Gepäck zu besorgen, ehe das- — 334 - selbe dort anlangt«. Ich hatte ungefähr drei Legoas durch eine flache, meist sumpfige Gegend zu reilen, die jener zwischen Piedade und dem Fuße des Orgelgebirqes sehr ähnlich war. Es war spät am Nachmittag, als ich das Dorf Porto d'Est«lla erreichte, und da die Boote nicht eher nach der Stadt fahren können, als bis der Seewind sich gelegt hat, so war ich noch viel zu früh hier angelangt. Ich hatte noch nicht zu Mittag gegessen und sah mich daher nach einem Orte um, wo ich dieses Bedürfniß befriedigen könnte. Auf meine Erkundigung in derVenda, von wo die Boote abfahren, vernahm ich, daß man die Reisenden hier zu beköstigen pflege und daß mir, wenn ich es wünschte, eine Mahlzeit bereitet werden sollte. Nachdem ich ziemlich zwei Stunden mit nicht geringer Geduld gewartet hatt«, wies man mich endlich in «in kleines»schmuziges Hintergemach, wo mir ein in Oel gebratenes Fischgericht und Peruo, ein dicker, aus Mandioccamehl bereiteter Kleister, vorgefetzt wurden; aber es war Alles so schmuzig, daß ich meine Eßlust bald gestillt hatte. Fast alle nach dem Inneren des Landes bestimmten Waaren werden in Rio in großen Booten, sogenannten Faluas, verschifft und bei diesem Dorf« gelandet, um von hier aus durch Maullhiere landeinwärts geschafft zu werden; es herrscht daher an di«sem Orte viel Lebendigkeit, da nie ein Tag vergeht, ohne daß große Karawanen ankommen od«r abgehen, Di« Hauptcnlikel, die aus dem Inneren hierher gebracht weiden, sind Kaffee. Käse, gepökeltes Fleisch, Quittenmuß u. s. w. Das Dorf ist ein langer, schmuziger, zerstreut liegender Ort und besitzt wenig, was den Reisenden zum Verweilen einladen könnte. Um sieben Uhr Abends wurde mir endlich gemeldet, daß das Boot, welches ich gemiethet hatte, zum Absegeln bereit sei; aber kaum hatte ich mich eingeschifft, als ein heftiger von dem Gebirge kommender Gewittersturm unsere Abfahrt um eine Stunde verzögerte. Das Dorf liegt eine Meile vom Meere am Ufer eines kleinen Flusses, Namens Inhome-rim, und die Fahrt ging so langsam von Statten, daß wir erst um elf Uhr dessen Mündung in die Bai «reichten. An diesem Puncte gibt es, wie ich spater erfuhr, ein sehr gutes Wirthshaus. Da wir nur schwachen Land-» wind hatten und das Boot fortwährend gerudert werden mußte, so kamen wir erst um vier Uhr Morgens nach Rio. Ich wollte meine Freunde zu so früher Stunde nicht stören und blieb daher bis sechs Uhr im Boote. Hierauf ging ich nach dem Hause der Herren Harrison und Comp. und wurde von meinen alten Freunden nach «iner mehr als dreijährigen Abwesenheit aufs Herzlichste bewillkomme. Zwei Tag« später (am zweiten November 1640) traf Herr Walker mit meinem ganzen Gepäck «in. Ich wußt« aus früherer Erfahrung, wie wenig ein Gasthof ober dergleichen für die Arbeiten «ine« Botanikers sich paßt, un!> — 366 — miethete daher im District« Catumby, der in unmittelbarer Nähe der Stadt liegt, ein kleines Haus, das mich in jeder Beziehung befriedigte. Nachdem es eingerichtet war, ließ ich meine Sammlungen dahin schaffen, und da dieselben aus ungefähr 3tM Species bestanden, worunter es allein gegen 60,090 Pflanzenexemplare gab, so brauchte ich drei Monate, um sie zu ordnen und zur Versendung nach England gehörig einzupacken. Die Zeit meines Aufenthaltes in Rio verstrich höchst angenehm, und der gesellige Verkehr, an welchem ich Theil nahm, bot mir hinlänglichen Ersah für die Abgeschiedenheit und die Entbehrungen der letzten drei Jahre. Die Tagesstunden widmete ich meinen Sammlungen und die Abende verlebte ich in den Familienkreisen der vielen hier angesiedelten englischen Kaufleute. Auch wurde mir das Vergnügen zu Theil, den vr. Ilbesonso Gomez, «inen talentvollen brasilianischen Arzt kennen zu lernen, der als junger Mann Herrn August de St. Hilaire auf seiner ersten Reise in die Bergwerkdistricte begleitet hatte. Sein auf dem Lande gelegenes Haus war nur eine Meile von meiner Wohnung entfernt und mir, wie allen wissenschaftlichen Männern, die Rio besucht haben, jederzeit geöffnet. So verlebte ich auch sehr angenehme Stunden bei meinem nahen Nachbar Herrn Riedel. dem russischen Botaniker und Begleiter des Herrn Langsdorff auf seiner Reise durch das Innere von Brasilien, und — 337 — wir unternahmen mit einander mehre botanische Ausflüge in die Wälder. Sobald ich meine Arbeiten in Rio vollendet hatte, beschloß ich eine zweite Reise in das Orgelgebirge, da ick) der Erforschung des Pflanzenlebens in den höheren Regionen dieser Bergkette eine längere Zeit zu widmen wünschte, als es mir bei meinem ersten Besuche möglich gewesen war. In dieser Absicht brach ich am zwölften März 1841 von Rio auf und beschäftigte mich im Lauft dieses Monats mit Ausflügen von March's Fazenda. Das Wetter war zu veränderlich, als daß ich hätte daran denken können, eine Reise nach dem höchsten Gipfel der Serra zu unternehmen, zu Anfang Aprils wurde es jedoch beständiger, und so rüstete ich mick am neunten in Gesellschaft des Herrn Georg Hockin, eines jungen Mannes aus dem Hause der Herren Harrison und Comp., der mich schon auf manchem frührery Ausfluge in die Nachbarschaft von Rio begleitet hatte, zur Ersteigung des Gebirges. Wir verließen die Fazenda um acht Uhr Morgens und hatten außer meinem Diener noch drei Schwarze bei uns; mein alter Führer Pai Filippe war jetzt zu schwach zu einer solchen Reise, aber er wurde von einem seiner Söhne ersetzt. Demselben Pfade folgend wie vier Jahre früher, erreichten wir um vier Uhr den höchstm Punkt, dm ich bei meinem ersten Besuch erstiegen hatte; hier hielten wir unter einem Felsenriff unser Nachtlager, und da dieß ein Gardner's Rril'cu in Vrostlm, ll 22 — 338 - sehr passendes und gut geschirmtes Plätzchen war, so wurde beschlossen, es für die Zeit unseres Aufenthaltes im Gebirge zum Hauptquartier zu wählen. Außer Exemplaren von allen Pflanzen, die ich schon auf meiner ersten Reise gefunden hatte, sammelte ich bei der Ersteigung noch viele andere, die mir neu waren; als zwei der merkwürdigsten nenne ich eine Art Fuchsia (k'uel,^« alpeslrig ^ai-c!.) und eine sehr seltene Art der Utricularia; die letztere, der ich den Namen I^siculili-ia nelumdilolia gegeben habe, ist bereits in Hooker's Icones ?'unta> um erschienen. Sie ist wie die meisten ihres Gleichen eine Wasserpflanze, aber «s ist seltsam, daß sie nur in dem Wasser gefunden wirb, das sich am Boden der Blätter einer großen Tillandsia sammelt, welche in Menge auf einer dürren felsigen Stelle des Gebirges ungefähr 5000 Fuß über den Meeresspiegel wächst. Sie pflanzt sich nicht bloß durch den Samen, sondern auch durch Läufer fort, welche sie unten am Blülhenstengel hervortreibt. Ein solcher Läufer nimmt seine Richtung stets nach der nächsten Tillandsia, wo er seine Spitze in das Wasser taucht und eine neue Pflanze hervorbringt, die wieder einen anderen Schößling entsendet; ich habe auf diese Weise wohl sechs Pflanzen vereinigt gesehen. Die schildförmigen Blätter sind drei Zoll breit, und der zwei Fuß lange Blülhenstengel ist mit vielen großen purpurrothen Blumen geschmückt. . Am nächsten Morgen machten wir uns nach dem — 339 — Frühstück auf den Weg, um den Theil der Serra zu ersteigen, der von der Fazenda aus als der höchste erscheint. Dieser Gipfel, welchen ick im Jahre 1837 nicht «klimmen konnte, wurde im nächsten Jahre von Herrn Mai-ster, einem englischen Geistlichen in Rio, erstiegen und sechs Wochen vor unserem Besuche von Herrn Lcbb, einem englischen Gärtner, der beauftragt war. Samen und lebende Pflanzen zu sammeln; es war uns daher bereits «in Pfad gebahnt. Dieser Theil des Gebirges ist ungefähr 600 Fuß höher als die Stelle, wo wir übernachtet hatten. Wir stiegen in eine bewaldete Schlucht hinab, deren Boden mit der schönen ^lslroymelia nomorosa und vielen lieblichen Farnen bedeckt war, während an den Zweigen der Melastomaceen und anderer Bäume und Sträucher die kletternde Fuchsia mit ihren prächtigen scharlachsarbigen Blumen hing; hierauf stiegen wir wieder aufwärts und gelangten zu einem steileren Theile des Gebirges, der mit schönen blühenden Sträuchern bebeckt war, unter welchen sich verschiedene Melastomaceen, strauchartige Composite«, eine Gualtheria, einige Arten uon Vaccinium und «ine schöne neue Escallonia (I^5L»lluma Or^l>ueii8lli (iarcln.) mit roserifarbigen Blüthen befanden. Der Gipfel dieser Spitze bestand aus mehren abgelösten ungeheueren Granitblöcken, mit Flechten, tleinen Orchideen, Gesnerien und überall, wo etwas Boden aufgehäuft war, mit einer großblumigen Amaryllis (Iti^euzlrum O^aneniilzj bedeckt, 22* - 350 - die jetzt in englischen Treibhäusern gewöhnlich ist; auch die kletternde Fuchsia war hier heimisch, aber zwergartig und niederliegend. Als wir den Gipfel errncht hatten, pflanzten wir eine Stange mit einer Flagge auf, um unseren Freunden unterhalb zu verkünden, daß wir glücklich emporgestiegen wären, und bald nachher sahen wir mit Hilft eines Fernrohres, wie uon eincr der englischen Hütten bei der Fazenda dieses Heichen erwidert wurde. Es war ein prächtig heller Tag, und wir hatten daher eine herrliche Aussicht. Als wir jedoch nach Westen schauten, erkannten wir, daß wir uns nock nicht auf dem höchsten Gipfel der Serra befanden, denn eine Meile weiter lag eine breit gerundete, bedeutend höhere Kuppe; wir beschlossen daher, sie am nächsten Tasse zu erklimmen. Ich fand hier zwei höchst interessante Pflanzen, erstlich einen schönen Baum» farn, in welchem ick die tlomilelia ^grieliljjz, ein Er-zeugniß des Vorgebirges der guten Hoffnung, erkannte, «ine merkwürdige Erscheinung in der geographischen Vertheilung der Pflanzen, da Vaumfarnen ei» sehr beschranktes Gebiet haben, und dann eine sehr schöne krautartige Wanze von vier Fuß Höhe, mit wolligem Stamme, breiten Blättern und großen Rispen orangefarbiger Blumen; sie gehörte zu der natürlichen Ordnung dcr Composite«, und ich benannte sie als eine neue Gattung nach meinem verstorbenen und betrauerten Freunde I. E. Vowman in Manchester. - :!4i — Früh am nächste» Morgen brachen w>r auf, um jenen höchsten Gipfel zu ersteigen. Die Reise war weit beschwerlicher als am vorigen Tage, da wir uns erst durch einige Waldungen von bedeutend« Breite einen Weg bahnen mußten; doch wurde unser Fortkommen häusig durch die Pfade des Tapirs erleichtert. Kurz nach unserem Aus-druche fanden wir in einem tieferen, Theile des Thales, durch welches unser Weg führte, zu unserer angenehmen Ueberraschung einen kleinen Bach mit kühlem klaren Wasser, .der von den höheren Theilen des Gebirges herabkam und ostwärts floß. Wir bemerkten mehre Lachen von größerer Breite als der Back selber, welche, nach den dahin führenden Pfaden zu urlheilen, von den Tapiren gebildet waren, die in diesen Bergen hausen, wo sie ungestört ihrem Lieblingsgenuß, kühlen Bädern, sich hingeben können. Das Thal hat nicht ganz «ine Viertelmeile im Geviert und ist auf beiden Seiten des Baches, besonders aber auf der Westseite, mit Urwald bedeckt, unter dessen mächtigen Bäumen besonders «ine Gattung der Weinmannia sich auszeichnet. Der Boden scheint vortrefflich zu sein, da er bis zu einer bedeutenden Tiefe aus angeschwemmtem Lande besteht; ja ich habe in keinem Theile Brasiliens eine Statte gefunden, die einem Menschen, der sich von der Welt zurück« zuziehen wünscht, eine so gesunde, so schöne und fruchtbare Zuflucht geboten hatte wie diese. Hier lassen sich alle Arten europäischer Früchte und Gewächse erbauen, 342 - und der Bach gibt nicht nur fortwährend ein köstliches Wasser, sondern konnte auch eine kleine Mühle treiben. Wir gingen über «inen Hügel, der die westliche Seite des Thales degränzl, und kamen auf eine offene sumpfige Fläche, deren größerer Theil mit grobem, ungefähr fünf Fuß hohen und in Büscheln wachsenden Grase bedeckt war. Von hier traten wir wieder in einen Wald, der aus bedeutend kleineren Bäumen bestand, als wir seither bemerkt hatten, und folgten den Pfaden des Tapirs. Ich sah hier mic Ueberraschung, daß die Stämme und Aeste fast aller Bäume mit der schönen kleinen 8opliranili5 Fi-giKÜNol-a bedeckt waren, ohne daß ich eine andere Or? chideenpssanze entdecken konnte. Jenseit fanden wir keine Waldung mehr; die Vegetation bestand aus verschiedenen krautartigen Pflanzen und einigen verhütteten Sträuchern. Von der bewaldeten Region ersteigt man den Gipfel des Berges an einem steilen AbHange, auf dessen einer Seite eine breite Schlucht voll mächtiger Granitblöcke gähnt. Wir fanden diesen Gipfel bedeutend verschieden von jenem, den wir am Tage vorher besucht hatten, denn er bestand aus einer großen Granitfläche. Der Felsen ist meist nackt, an einigen Stellen der westlichen Seite bemerkten wir jedoch einige verbuttet« Sträucher und verschiedene Krautgewächse, und unter den letzteren besonders die hübsche prepusil Nookoi-ian:,. Einige kleine Vertiefungen des Felsens enthielten ein vortreffliches Wasser, — 343 — und wir hätten uns, wären wil hiervon unterrichtet gewesen, die Mühe ersparen können, dergleichen in Flaschen mit hinaufzubringen. Das Wetter war trefflich, doch ging uns, weil das Gebirge unterhalb von einem breiten Wol-kengürtel umschlossen war, die weite Aussicht verloren, auf die wir sicher gerechnet hatten. Zu Mittage zeigte der Thermometer 6ä" im Schatten, und das Wasser kochte bei einer Hitze von 198", wonach ich die Höhe des Berges über dem Meeresspiegel auf 7800 Fuß anschlage. Eine Thermometer-Beobachtung, die wir während unseres Aufenthaltes in den höheren Regionen des Gebirges anstellten, und eine andere, die auf Herrn March's Fazenda vorgenommen wurde, ergaben einen zwischen den beiden Orten stattfindenden Temperaturunterschied von 12,5 Grad. Herr von Humboldt schätzt die mittele Abnahme der Hitze innerhalb der Wendekreise aufl" für je 344 Fuß Erhöhung und betrachtet dieses Verhältniß als ein bis zu einer Höhe von 8000 Fuß sich gleichbleibendes, von wo es dann bis zu einer Höhe von 20,000 Fuß auf drei Fünftel reducirt wird. Man hat jedoch seitdem gefunden, daß im Allgemeinen der Einfluß der Erhöhung über dem Meeresspiegel auf die Verminderung derTemperatur unter allen Breiten mit der Höhe fast im Verhältniß steht, indem die Warme auf je 352 Fuß Höhe um 1" abnimmt *); hiernach erhöbe sich der höchste Gipfel des Orgelgebirges I»Äe6jg vol. !>. P. 227. — 344 — 4400 Fuß über Herrn March's Fazenda, und da diese 3100 Fuß über dem Meere liegt, fo ergibt sich eine Totalhohe von 7500 Fuß. Wir kehrten am Abende, durch unseren Ausflug befriedigt, auf unseren früherm Ruheplatz zurück. Am Morgen des zwölften, um sechs Uhr, zeigte der Thermometer 44"; das Wetter war hell, und aus Westm wehte ein scharfer Wind. Bei der Ersteigung des Gipfels, unter welchem wir geschlafen hatten, bot sich mir eines der großartigsten Schauspiele dar, die ich ft gesehen habe. Nack Rio hin war die ungeheuere Ba« und die ganze zwischen ihr und dem Gebirge liegende Gegend von einer Masse schneeweißer Wolken verhüllt, die scheinbar ungefähr 3000 Fuß unter uns lagen; kurz nach Sonnenaufgang «schien dieser Raum wie ein ungeheuerer mit Schaum bedeckter Ocean, und die Aehnlichkeit wurde durch die wie Inseln daraus hervorragenden Gipfel der tieferen Berge noch erhöht. In entgegengesetzter Richtung war das Thal, in welchem March's Fazenda liegt, auf gleiche Weist von Wolken überdeckt, die ihm das Ansehn eines auf allen Seiten von Bergen umschlossenen weiten Sees gaoen, als aber die Sonne Macht gewann, schwammen diese Wolken allmälig auseinander. Nach dem Frühstücke erstieg Herr Hockin noch einmal den höchsten Gipfel, um ein Panorama aufzunehmen, wurde aber durch die bewölkte Atmosphäre daran gehindert. Ich begleitete ihn nicht, weil ich es vorzog, einige Ausflüge in die Umgebung unseres _ 345 _ Lagerplatzes zu machen. In später Abendstunde bemerktet» wir eine auf Gebirgshöhen nicht seltene Lufterscheinung; aus Westen her wälzten sich in einem ununterbrochenen Strome mächtige Wolkenmassen über die Gebirgsgipfel, aber kaum hatten sie den oberen Theil des unserer Hütte gegenüberliegenden Thales erreicht, als sie verschwanden, indem die höhere Temperatur der Luft auf der entgegengesetzten Seite des Gebirges den Dunst auflöste; daher kommt es, daß man häufig selbst bei starkem Winde eine Wolkenmasse sieht, die auf einem hohen Gipfel zu ruhen scheint. Am Morgen d»>s dreizehnten sagten wir unserer Feisenwohnung Lebewohl und schliefen die nächste Nacht in einem Hültlem, das wir in einem Haine kleiner Palmen und Vaumfarnen am Ufer eines mit schönen krautartigen Farnen gesäumten Baches errichteten. Den folgenden Nachmittag erreichten wir nach einer Abwesenheit von sechs Tagen die Fazenda. Ich sehnte mich, die mächtigen Urwälder an dem Ufer des Rio Parahyba zu untersuchen, und beschloß daher, vor meiner Rückkehr nach Rio de Janeiro emen eiligen Ausflug dahin zu unternehmen. Der Parahyba bildet die Gränze zwischen den Provinzen Rio und Minas Geraes, aber nur erst nachdem er sich mit dem Parahybuna vereinigt hat. Ich war wieder von Herrn Hockin begleitet, und am uier und zwanzigsten von der Fazenda aufbrechend, «reichten wir nach einer Reise u>m sieden Legoas eine Mei- - 346 - ecei Namens Serra bo Eapim. Wir folgten einem neuen Wege, an welchem unter der Leitung des Obersten Leite, eines reichen Pflanzers, eben gebaut wurde und der von Piedade über das Orgelgebirge nach M in as Gerai's führte, aber er war damals in sehr mittelmäßigem Zustande. Der bei Weitem größte Theil der Gegend, durch welche wir re,s«ten, befand sich im Naturzustande, denn er war mit Urwald bedeckt und reich an Palmen und Baumfarnen. Die Fazenda, wo wir rasteten, gehörte einem Herrn in Rio, aber der Brief, welchen ich dem Verwalter überbrachte, verschaffte uns eine herzliche Aufnahme. Unseren Pferden wurde augenblicklich Korn gereicht und uns selber ein tieff» liches Abendessen vorgesetzt. Unser Wirth war ein freundlicher und verständiger alter Mann, der mir erzählte, daß er viele Jahre als Apotheker in Minas gelebt habe; gegenwärtig vertrat er, wie die meisten Fazendeiros in Brasilien, bei dem Krankenhause des Besitzthums die SteUe eines Arztes und freute sich daher, mich über die meisten Krankheitsfälle, welche er in Behandlung hatte, um Rath fragen zu können. Am nächsten Morgen ließ er uns nicht eher aufbrechen, als bis wir gefrühstückt hatten. Wir zogen von hier aus bald durch einig« d«r schönsten Walder, die ick bis jetzt in dieser Provinz gefunden hatte, und gelangten des Nachmittags zu einer großen Kaf-feepsianzunq Namens Monte Caff«;, die gegen sieben Le-goas entfernt lag. Diese Fazenda gehört« einem Brasi- - 347 — lianer, Bngadeiro Ignacio Gabriel genannt, an welchen ich Empfehlungsbriefe hatte, und obgleich wir ihn nicht daheim fanden, so wurden wir doch von seiner Gattin und seinem Oberverwalter, Herrn Hadley, einem Engländer, den ich schon im Jahre 1837 auf March's Fazmda getroffen hatte, sehr freundlich bewillkomm:. Die Pflanzung befand sich damals noch in ihrer Kindheit, galt aber für eine der schönsten im ganzen District«, und wiewohl die Bäume noch jung waren, so hoffie man doch in diesem I.ihre eine Ernte von 1?0W Arrodas Kaffee zu machen. Die Beeren begannen eben sich zu färben, und die Zweige beug--ten sich unter dem Gewicht ihrer Früchte. Die Gegend besteht hier meist aus rnedriqen Hügeln, auf welchen die Pflanzungen angelegt sind und die früher mit Urwald bedeckt waren. Es gab ungefähr zweihundert Sclaven auf dem Besitzlhume, wovon fiebenzig als Feldarbeiter beschäftigt waren, wahrend die anderen als Handwerker, z, B. Tischler, Zimmerleute, Maurer, Hufschmiede u. s. w. dienten. Einige Tage vor unserer Ankunft waren zwanzig kürzlich «ingeführte Negerknaben aus Rio angelangt; sie schienen zwischen zehn und fünfzehn Jahren alt zu sein, und noch keiner konnte portugiesisch reden. Es waren durchgängig rührige, gesunde kleine Bursche, die lachend, spielend und scheinbar glücklich herumspr^ngen und nicht zu wissen schienen, in welchen Verhältnissen sie sich befanden. Aber ich muß den Brasilianern nach einer fünfjährigen Erfahrung :Vl8 zur Ehre nachsagn», daß sic l-'cimswegs harte Zuchlmeister sind und, mit sehr wenigen Ausnahmen, ihrm Sclaven eine freundliche und billige Behandlung angebeihen lassen. Der Bcigadegeneral hatte kürzlich eine Sägemühle errichtet, die durch Wasserkraft getrieben wurde, und baute jetzt einen großen Ofen zum Trocknen des Kaffees durch künstliche Hitze. Dieses Werk wurde von einem Deutschen geleitet, der viele Jahre auf der Insel Java gelebt hatte. Am Morgen des acht und zwanzigsten traten wir unsere Reise nach dem Nio Parahyba wieder an, der nur noch anderthalb Legoas entfernt war. Herr Hadley gab uns eine Legoa weit das Geleite, und indem wir an einer kleinen bei Monte (5aff« liegenden Besitzung Namens Santa Eliza vorüberzogen, die ebenfalls dem General gehört, erzählte er uns, dieselbe sei zwanzig Jahre früher im Besitz eines Mannes gewesen, der das Haus als Köder für Reisende von und nach Minas Gerat's benutzt und diese, sobald sie in seine Falle gegangen, beraubt und ermordet habe. Sein Haus sieht noch, aber es ist letzt unbewohnt; man sieht im Fußboden noch die Fallthüren, die er zu seinen teuflischen Zwecken benutzte. Bald nachher erschien der Fluß vor unseren Blicken, und wir erreichten sein Ufer an einer Stelle, wo sich der Strom mit mächtig« Gewalt durch ein enges felsiges Bett drangt. Wir hofften, hier unseren Uebergang bewirten zu können, er-fuhlM ab«r, daß dieß in Ermangelung eines Kanoes un- — 349 — möglich sei, und erhielten den Nath, anderthalb Legvas weiter hinauf nach einem Oite Namens Sapucaya ;u reisen, was wir denn auch . Arbuckle eingeladen, in seinem Hause zu wohnen. Da das Schiff drei Wochen hier vor Anker blieb, so hatte ich hinlängliche Zeit, einige Ausflüge in die Nachbarschaft zu machen, doch hielt das Regenwetter mich ab, so viel von dem Lande zu sehen, als ich wünschte. Die Insel, auf welcher die Stadt sieht, ist flach, an einigen Stellen sumpfig und mit «iner Vegetation von Sträuchern und kleinen Bäumen bebeckt. In den Sümpfen wachsen einige schöne Palmen, zu den Gattungen Altalea und Euterpe gehörig. Kokusbäume sind selten, und das Land verräth ein minder feuchtes Klima und folglich auch eine weniger kraftige Vegetation, als man unter den südlichen Wendekreisen findet. Auf der Insel selbst zeigt sich wenig Cultur. Der Boden ist auf der. Oberfläche zum großen Theil sandig, unterhalb kiesig und bedeutend mit Eisen geschwängert; dasselbe gilt von dem Vestlande d«r Stadt gegenüber. Der Felsen, welcher den Grund b«r Insel bildet, ist ein dunkelrolher Sandstein, jenem ähnlich, - 366 ^ den ich in den Provinzen Cearä und Piauhy in Verbindung mit der Kreideformation jener Landestheile fand; an vielen Stellen ist er Conglomerat. indem die gerundeten Steine von derselben Beschaffenheit sind, wie die weichere Mutter, in welcher sie vorkommen. Auf dem gegenüberliegenden Vestlande bei der Stadt Alcantara fand ich denselben Felsen nur wenig über die Oberfläche des Meeres erhoben, aber von einem anderen felsigen Niederschlage überdeckt, der an einigen Stellen mehr als fünfzig Fuß mächtig ist und aus abwechselnden Schichten von gelblichem und grünlichen, unregelmäßig niedergeschlagenen, weichen und stellenweise mergelartigen Sandstein besteht. Ich nehme keinen Anstand, dieses Gestein für dasselbe zu halten, welches unter der weißen Kreide bei Villa do Crato und Varra do Iardim im Inneren der Provinz Cearä liegt; es bildete ohne Zweifel einen Theil des großen Kreioenie» derschlages, der ehemals die östliche Schulter des südamerikanischen Vestlandes bedeckt zu haben scheint, seitdem aber an vielen Stellen verschwunden ist. Ich machte nicht nur Ausflüge nach allen Richtungen auf der Insel selber, sondern fuhr auch hinüber nach Alcantara, wo ich mich drei Tage aushielt und in dem Hause des ersten Kaufmannes, eines Portugiesen Namens Pei-choto, wohnte, an den ich empfohlen war. Die Ueberfahrt über die Bai, die ungefähr vier Legoas breit ist, gesckah in einem der regelmäßigen Handelsschiffe von ungefähr - 367 - vierzig Tonnen, die Baumwolle und Brennholz von Alcantara herüberbringen. Erster« erbaut man ein« Strecke w«it im Inneren, von wo sie mit Pferden herbeigeschafft wird, und das Brennholz gewinnt man aus den Stämmen und Aesten des Manglebaumes (kbixoplwra Mnß1e)> d« längs den schlammigen Ufern in großer Anzahl wächst; es brennt in grünem Zustande vielleicht besser als das Holz irgend eines anderen Baumes. An diesen schlammigen Ufern sieht man fast immer große Schaaren rother Flam« mingos (kunenicopteru» (5lu!ei,8i8, Nolina). Sie sitzen bei Nacht unter den Manglebäumen, und es wird ihnen ihres Fleisches wegen von den Einwohnern fleißig nacha> stellt. Die Stadt Alcantara liegt wie Maranham auf ei» ner Erhöhung und scheint einst in blühenderem Zustande gewesen zu sein als jetzt; die Häuser und Kirchen sind meist groß, aber verfallen, und auf den Straßen wuchert Unkraut. Die reicheren Einwohner sind Eigenthümer von Baumwollenvfianzungen, und die ärmeren gewinnen ihren Unterhalt durch Fischfang und Fertigung von Hängematten, die in den nördlichen Provinzen ein gesuchter Artikel sind. Einig« derselben sind so fein gearbeitet, daß man sich sechs bis acht Pfund Sterling für das Stück bezahlen läßt. Einige Meilen nördlich von der Stadt gibt «S „Salinas" oder Salzwerke, die früher den Jesuiten gehölten und von ihnen mit Gewinn bebaut wurden, jetzt aber sehr vernach« lässigt werden. Längs den Ufern und hier und da unter - 368 — den Büschen auf den niedrigen Hügeln zerstreut, sah ich einig« Exemplare der Wachspalme ((^orvpna cerilera, Hl»rt.), die bei Aracaty in der Provinz Ceaiä so hausig ist. Ich fand auf meinen Streifereien in dieser Umgegend viele Pflanzen, die meinen Sammlungen neu waren. Die Flora von Maranham hat in Folge seiner nördlichen Lage mehr Aehnlichkeit mit der von Guinea als mildem Pflanzenreiche irgend einer anderen von mir besuchten Provinz Brasiliens; auch ist es bekannt, daß die Pflanzen, die nur in der Nahe des Meeres wachsen, ein weit ausgedehnteres geographisches Gebiet haben als solche, die im Inneren heimisch sind. Ich bemerkte dieß besonders auf meinen Reisen ins Innere von Pernambuco und Aracatn aus; an beiden Orten findet man viele Pflanzen, die auch auf den Gestaden von Westindien, Guiana und fast der ganzen zwischen den Wendekreisen liegenden Küsie Brasiliens vorkommen, wahrend unter denselben Breitengraden von «iner kleinen Strecke landeinwärts bis zu dem äußersten westlichen Puncte, den ich erreichte, die Vegetation einen durchaus eigenthümlichen Charakter hatte. Dieselbe Bemerkung gilt auch von weilen Ebenen, deren Vegetation für den Botaniker häusig so ermüdend einförmig ist, wäh, rend m höheren Gegenden eine viel größere Verschiedenheit herrscht. Dieß war es, was mich veranlaßte, mich aufall meinen Reisen so viel als möglich auf Gebirgen und Hochebenen zu halten. Man hat bis jetzt noch keine genügende — 369 — Vermuthung, aus welchem Grunde auf einer Gebirgstrecke eine größere Pflanzenmannigfaltigkeit herrscht als auf einer Ebene; Temperatur, Licht und Feuchtigkeit üben hierbei ohne Zweifel den wichtigsten Einfluß, aber es muß noch andere unbekannte Ursachen geben. Ich traf in Maranham zwei meiner Bekannten von Oeiras; der «ine, «in Major vom Heere und zugleich Kaufmann, war hierher gekommen, um europäische Waaren zu kaufen, der andere, ein Sohn des alten Barons von Pa-ranahiba, wollte vor seiner Einsetzung als Vicar von Oei-ras die priesterlichen Weihen empfangen. Von ihnen erfuhr ich, daß der Aufruhr endlich unterbrückt sei und die Provinz sich beruhige. Die Behörde bemächtigte sich aller Tkeil-nehmer des Aufstanbes, die sie erlangen konnte, und sendete sie gegen die Rebellen in der Provinz Rio Grande do Sul. Eine treffliche Politik! Nachdem das Schiff seine ganze Ladung eingenommen hatte, schiffte ich mich ein, und am Morgen des achten Juni wurde der Küste Brasiliens Lebewohl gesagt. Unter dem sechs und fünfzigsten Grade westlicher Lange und zwischen dem zwei und zwanzigsten und acht und zwanzigsten nördlichen Breitegrade fuhren wir durch jene ungeheueren Felder von Seetang (sarFaszum bacoikerum ^FäiM.), die fast von Allen, welche diese Meere bereist haben, beschrieben worden sind. Er bildete meist lange schmale, nach dem Winde liegende Streifen ober Bänder, bald nur auf Gardner's Reisen in Brasilien ll. 24 - 37U - Schiffslange, bald bedeutend weiter von einander entfernt. Man ist über den Ursprung dieser schwimmenden Masse sehr verschiedener Meinung. Humboldt glaubt, dnß sie unter den Breiten, wo sie schwimmt, von sehr tief liegenden Felsen sich abgelöst habe, während Andere vermuthen, sie komme von den Ufern der nördlichen Meere, wo sie durch Stürme von den Felsen losgerissen worden sei. Einige sind wieder der Meinung, baß sie von den felsigen Ufern der Golfe von Mejico und Florida herangeschwommen sei, während Viele mit mir übereinstimmen, daß sie nie einen anderen Heimatort gehabt habe als den jetzigen; Niemand hat sie je an Felsen haften sehen, und eben so wenig hat man je Wurzeln an ihr entdeckt. Während unserer fünf-bis sechstägigen Fahrt durch diese Tangwiesen hakte ich mehr als tausend dieser Pflanzen an Bord, und alle waren «inander gleich; das untere Ende des Stieles hatte immer ein weißliches, abgestorbenes Ansehn, gcm; wie eine Seetangpflanze, die einige Zeit am Ufer gelegen hat, während die Enden der Zweige meist frisch und gesund waren. Hieraus muß man schließen, daß diese merkwürdigen Pflanzen, wie wir sie jetzt finden, von ihrer Entstehung an bis auf die gegenwärtige Zeit fortwährend in diesem sich drehenden Golfstrom geschwommen und einer beständigen Veränderung von dem Absterben des «inen Endes und dem Wachsen des anderen unterlegen haben. Es liegt nichts Unvernünftiges in dieser Meinung, da Seegräser nicht wie - 37! — Landpflanzen beschaffen sind, welche ihre Nahrung aus der Stelle ziehen, wo sie wachsen. Ich fand in diesem Schilfe eine große Menge von Zoophyten und anderen Seethier« chen; sehr gewöhnlich war eine Krabbe, einen bis ändert« halben Zoll groß, und ich bemerkte das Nest einer solchen, das aus kleinen, mit spmnenwebeartigen Fäden zusammengeflochtenen Zweigen gebildet war und mehre Junge enthielt. Eben so interessant war es, den Flug der Flugsische (^xocel.u8 vniitaiiz) zu beobachten, wovon große Schwärme sich dicht am Schiffe erhoben, und ich habe mich bei dieser Gelegenheit wie jedesmal, so oft ich den Ocean durchschifft habe, vollkommen überzeugt, daß sie während der Zeit, wo sie über dem Wasser schweben, ihre Brustflossen als Flügel benutzen. Mir war ganz besonders daran gelegen, hierüber Gewißheit zu erlangen, da Cuvier *) und, außer Humboldt, alle anderen Schriftsteller, die ich darüber zu Rathe gezogen habe, entgegengesetzter Meinung sind. Sie fliegen zuweilen nur eine kurze Strecke, doch habeich sie auch manchmal dahin schweben sehen, bis ich sie fast aus dem Auge verlor, ich möchte sagen, daß sie häufig übel vierhundert Ellen weit fliegen. Die Höhe, bis zu welcher sie sich über das Wasser erheben, beträgt gewöhnlich nicht *) Le Regne animal. T. ]|, p. 287 (Edit. 1829): „Leur vol n*esl jamais bien long; s'«levant pour suir les pols-sons voraces, ils retombent bientot, parce que leurs alles ne leur servent que de paraohütes," 24* — 372 - mehr als d«i bis vier Fuß, man weiß jedoch, baß sie sich noch weit höher emporschwingen können, da sie nicht selten auf Schiffe fallen, die zehn bis fünfzehn Fuß aus dem Wasser stehen. Unsere Heimreise war «ine schnelle und fehl angenehme. Wir waren im Ganzen nur zwei und dreißig Tage auf dem Meere. Je mehr ich der Heimat mich nähert«, desto inniger sehnte ich mich nach meinen Freunden, und ich glaube, es ist dieß unter ahnlichen Umständen meist immer der Fall. Wenn wir von denjenigen, die wir lieben, weit entfernt sind und keine Hoffnung haben, sogleich zu ihnen zurückkehren zu können, dann wird der Wunsch, der nicht erfüllt werden kann, so viel als möglich unterdrückt; sobald wir aber wissen, daß jede Stunde uns ihnen näher bringt, dann wirft die Phantasie allen Zwang ab, und wir beklagen, daß wir unsere Reise nicht beschleunigen können. Am Abende d«S achten Juli erscholl endlich der willkommene Ruf: „Land!" und am folgenden Nachmittage fuhren wir in die Mündung des Mersey, mußten ab«, weil es an hinlänglichem Fahrwasser fehlte, bis zum nächsten Morgen noch seewärts anliegen, während uns von Nordnord-west ein frischer Wind anwehte, der uns Alle wach «hielt. Am anderen Morgen, den zehnten Juli 1841, stand ich endlich nach einer ziemlich fünfjährigen Abwesenheit wieder auf britischem Boden. - 373 — Mein Reifebericht ist zu Ende, und ich habe nur noch zu erwähnen, daß der Zweck, mit welchem ich England verließ, zur Zufriedenheit aller Betheiligten erreicht worden ist, und ich selber hinsichtlich der Genüsse, die ich mir von einer solchen Reise versprach, mich nicht getäuscht habe. Brachte auch fast jeder Tag seine kleinen Beschwerden, so wurde ich doch durch die Freude, welche neue Scenen und neue, meinen Forschungen sich darbietende Gegenstände erweckten, reichlich entschädigt. Schwierigkeiten erscheinen nur unüberwindlich, so lange man ihnen nicht keck in's Antlitz blickt, und es ist ein Glück für uns, daß sich die glanzende Seite von dem Bilde der Vergangenheit häufiger zeigt als die dunkle. Ich habe mich in vieler Beziehung glücklich zu schätzen; denn ich erfreute mich trotz allen Gefahren, welchen ich mich aussetzte, «inen einzigen Fall ausgenommen, fortwährend der beßten Gesundheit und fand mit sehr wenigen Ausnahmen bei all meinen Mitmenschen., welchen ich begegnete, die freundlichste Gefälligkeit. Auch bin ich glücklicher gewefen als viele andere reisende Naturforscher, denn all die zahlreichen Sammlungen, die ich von Zeit zu Zeit nach England schickte, erreichten wohlbehalten den Ort ihrer Bestimmung; eben so glücklich langten fast all meine Briefe an. und nicht ein einziger ging von denjenigen verloren, die aus der Heimat an mich abgesendet wurden, obgleich häufig lange Zeit verstrich, ehe — 374 — sie in meine Hände kamen< Ich verließ Brasilien nicht ohne Bebauern, denn ich führte dort ein freies unabhängiges Leben; das Klima sagte meiner Gesundheit besser zu als das englische, und das Land ist schön, ist reicher als irgend em anderes der Crde an den Gegenständen, derm Erforschung mein Lebenszweck ist. Ende. Dresden, Druck von C. Heinrich. / « /