-— —- (§eine k. k. Majestät haben mit Allerhöchster Entschließung vom M. August l. I. nachstehende Vorschrift- über das Verfahren bei der Eideöablegung der Israeliten sowohl in Civil- und Crimi- nal-, als auch in politischen Verhandlungen in allen Landern der k. k. österreichischen Monarchie, in welchen das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch vom 1. Juni 18N Gesetzkraft hat, mit Aufhebung der bisher hierüber bestandenen Vorschriften, zu erlassen geruhet. Diese wird hiemit in Folge Decretes der hohen k. k. vereinten Hofkanzlei vom 30. v. M. Zahl 30617 zur allgemeinen Kenntniß ge¬ bracht. Vorschrift über das Verfahren bei der Cidesablegung der Israeliten. Wenn vöm Gerichte ein Israelit zur Ablegung eines Eides aufgefordert wird, ist da, wo es nach den Verhältnissen thunlich ist, zur Meineidöerinnerung ein Rabbiner zuzuziehen. Vor allem andern hat der Vorsitzende des Gerichts dem zum Eide zugelassenen Israeliten dasjenige, was er zu beschwören hat, bestimmt und deutlich vorzuhalten, und erforderlichenfalls zu erklä¬ ren. Nachdem er sich überzeugt hat, daß der Israelit den Gegen¬ stand des Eides wohl verstanden habe, schreitet er zur Meineidöer¬ innerung, welche mit Vermeidung des Ablesens einer bestimmten For¬ mel, der Geistesbildung und Fassungskraft des Schwörenden gemäß mit angemessener Berücksichtigung folgender, auf den israelitischen Religionsbcgriffen und Büchern beruhenden Bemerkungen einzurich¬ ten ist. Cs ist die Amtspflicht des Gerichts, ehe der Israelit den Eid ablegt, ihm die Heiligkeit des Eides, das Sündhafte und Sträfliche eines Meineides vor Gott und dem weltlichen Richter nachdrücklich zu Gemüthe zu führen. Durch den Eid ruft der Schwörende Gott, den Allwissenden und Allmächtigen zum Zeugen seiner Aussage an, ihn den allgerech¬ ten Weltenrichter, der in die Herzen sieht, der alles Geheime und Verborgene erforscht, und daher auch weiß, ob der zum Schwure aufgeforderte Israelit einen reinen unverfälschten Eid, oder einen Meineid schwöre. Wenn die Aussage des Schwörenden mit der Wahrheit voll¬ kommen übcreinstimmt, wenn er ohne geheimen Vorbehalt, ohne Zu¬ rückhaltung oder Zweideutigkeit so redet, wie er denkt, und wie er es vor dem allgegenwärtigen und allwissenden Gotte zu verantwor¬ ten sich getrauet, so heiliget er durch den Eid den Namen Gottes, und wirket mit zur Handhabung des Rechts, welches- eine von den Grundsäulen der Welt ist; denn, auf Wahrheit, Recht und Frie¬ den steht und ruht die Welt, und nach dem Ausspruche zweier Zeu- zen soll das Recht gesprochen werden und Bestand haben. Wenn aber der Schwörende nicht die volle reine und unver¬ fälschte Wahrheit sagt, wenn er anders redet, als er denkt, wenn er sich irgend eine Täuschung, geheimen Vorbehalt, Zurückhaltung oder Zweideutigkeit zu Schulden kommen läßt, wenn er in den Worten und dem Sinne seiner Rede, oder in Gedanken die Wahrheit ver- läugnet, umgeht oder verdreht-, so kgt er einen Meineid ab, er ruft Gott zum Zeugen einer Lüge an, er mißbraucht, schändet und ent¬ weiht den heiligen unaussprechlichen Namen Gottes, er versündigt sich auf das Schwerste gegen den allmächtigen Gott, welcher die Schän¬ dung seines heiligen Namens nie unbestraft läßt, wie es in den zehn Gebothen Gottes geschrieben steht, auf welche der Schwörende zur größer» Bekräftigung seines Schwures die Hand zu legen hat. Nicht nach der Meinung und dem Sinne des Schwörenden, sondern nach der Meinung und dem Sinne des Gerichtes, nach der Meinung und dem Sinne des allwissenden und allgerechten Gottes wird der Schwörende in Eid genommen. Nicht darauf, wo und vor welchen Personen der Eid abgelegt wird, beruht die Heiligkeit desselben; denn, der zum Eide aufgefor¬ derte Israelit schwört vor Gott, welcher allgegenwärtig, also auch bei dieser Eidesablegung anwesend ist; ihm ist der Schwörende für jede Entstellung, oder Umgehung der Wahrheit, für jede Krümmung oder Verdrehung des Rechtes verantwortlich. Der Schwörende schändet den Glauben seiner Vater, den er selbst bekennt, wenn er denselben durch einen Meineid verdächtig macht, daß derselbe falsche Eide gestatte oder lehre. Er vergeht sich durch einen Meineid auf das Schwerste gegen den Staat, seine Mit¬ bürger, und Alles, was dem Menschen heilig ist. Er erschüttert die Grundfeste des Vertrauens, er ist die Ursache ungerechter Entschei¬ dungen, und eines (besonders bei Zeugnissen in Criminalfällen) oft nicht mehr zu ersetzenden Schadens, er zerstört das Recht und die bürgerliche Ordnung, so weit es in seinen Kräften liegt. Nach den allgemeinen Landesgesetzen ist er nicht nur verpflichtet, für allen durch seinen Meineid verursachten Schaden und entzogenen Gewinn volle Genugthuung zu leisten, sondern auch des Verbrechens des Betruges schuldig, welches mit Ausstellung auf der Schandbühne und schwerem Kerker, nach Beschaffenheit der Umstände selbst lebenslang bestraft wird. Die Meineidserinnerung wird mit der Frage geschloffen, ob der Israelit bereit sey, den Eid abzulegen. Wenn er diese Frage be¬ jaht, legt er die rechte Hand bis an den Ballen auf die Thora zwei¬ tes Buch Mosis, zwanzigstes Kapitel, siebenten Vers, bedeckt das Haupt, und spricht dem Vorsitzenden folgenden Eid nach: Allgemeiner Eingang. Ich N. N. schwöre bei Gott, dem Alleinigen, Allmächtigen, Allgegenwärtigen und Allwissenden, dem heiligen Gotte Israels, der Himmel und Erde geschaffen hat, mit reifer Ueberlegung einen reinen unverfälschten Eid nach der Meinung und dem Sinne des Gerichtes, ohne geheimen Vorbehalt, Zurückhaltung, oder Zweideutigkeit, ohne Arglist, Betrug, oder Verstellung, ohne Rücksicht auf Geschenk, oder Versprechen, Nutzen, oder Schaden, Zuneigung, oder Abneigung, Freundschaft, oder Feindschaft, ohne was immer für eine zur Unter¬ drückung der Wahrheit oder des Rechts gereichende Absicht. Fortsetzung für eine Partei im Civilrechtsverfah- ren: Daß (hier folgt der durch die richterliche Entschei¬ dung festgesetzte Inhalt des Eides). Ich schwöre bei Gott dem Allwissenden und Allgegenwärtigen, daß diese meine Aussage in allen ihren Theilen die volle, reine und unverfälschte Wahrheit sey, wie ich es vor Gott zu verantworten mir getraue. Fortsetzung für einen Zeugen im Civilrechtsver fahren: Daß ich in Betreff dessen, worüber ich in der Rechtssache des . . . . . gegen den wegen vom Gerichte werde befragt werden. Nichts verschweigen, Niemanden zu Lieb oder zu Leid die volle, reine und unverfälschte Wahrheit, wie ich es vor dem allwissenden und allgegenwärtigen Gotte zu verantworten mir getraue, auösagcn, und diese meine Aussagen Niemanden entdecken wolle, be¬ vor sie nicht vom Gericht selbst werden kund gemacht worden seyn. Fortsetzung für einen Zeugen im Criminalversah- ren: Daß alles Dasjenige, was ich vor dem Gerichte (hier wird das Gericht, von welchem der Zeuge vernommen wird, näher bezeichnet) in Betreff des (hier wird der Gegenstand der Vernehmung mit wenigen Worten angegeben) aus¬ gesagt habe, seinem ganzen Inhalte nach, die volle) reine und un¬ verfälschte Wahrheit sey, wie ich eö vor dem allwissenden und allge¬ genwärtigen Gotte zu verantworten mir getraue. Fortsetzung für einen Sachverständigen: Daß ich die Gegenstände, welche mir vom Gerichte zur Be- urthcilung werden zugewicsen werden (wenn der Sachverständi¬ ge für einen besonder» Fall beeidet wird, kann der Ge¬ genstand des Befundes hier bestimmter angegeben wer¬ den) genau in Augenschein nehmen, die Beschaffenheit derselben, über welche ich vom Gerichte werde befragt werden, nach sorgfälti¬ ger Ueberlegung aller Umstände deutlich angeben, und hierüber die volle, reine und unverfälschte Wahrheit, wie ich es vor dem allwis¬ senden und allgenwärtigen Gotte zu verantworten mir getraue, auö¬ sagcn wolle. Allgemeiner Schluß: So wahr mir Gott, der allmächtige Herr der Hcerschaaren, Moire Zebaotk, dessen unaussprechlicher Namen geheiliget werde, in allen meinen Geschäften beistehe, in allen meinen Nöthen helfen möge. Amen! Amen! Während der Eidesablegung haben sich alle anwesenden Per¬ sonen stehend mit der, der feierlichen Handlung angemessenen Ehrer- biethung zu verhalten. Laibach den 27. December 1846. Joseph Freiherr v. Weingarten, Landes-Gouverneur. Johann Nep. Freiherr v. Schloißnigg, k. k. Gubernialrath.