Erinnerungen über die Einführung der Blattern - Einimpfung im HerzogLhum Krain von Vinzenz Äern, Doctor der Chirurgie, der medizinischen Facultat zu Wien ordentlichen Mitglied, und k. k. ordeut» lichen Lffetttlichcn Lehrer der Chirurgie an LaybaH, r/yI. Intsr äuo Asi» minus est ÄiIen6um. Den Hochlöblichen Herren Herren L a n d st a it d e n im Herzegthum Kraitt gewidmet. As Hochvermögende Herren Herren! Äuf dem Wege zum Ziele — glücklich zu seyn — wornach alle Sterbliche hienieden hinstreben, ist der Besitz ei¬ ner dauerhaften Gesundheit der erste Schritt. — Da sich bey einem siechen Körper keine wahre Glückseligkeit den¬ ken läßt, so muß alles, was dahin ab¬ zweckt , unsere Gesundheit zu erhalten, uns von der äußersten Wichtigkeit seyn. Übel, die den neugebornen Weltbürger befallen, die seine Natur in ihrem Auf? keimen zu untergraben vermögen — sind um so mehr unserer ganzen Auf¬ merksamkeit würdig, da sie nicht allein das künftige Leben jedes Einzelnen elend zu machen vermögen- sind, son- Lern ihr schädlicher Einfluß sich sogar auch auf ganze Generationen fvrtsetzt. Die Pocken sind es, die oft gleich ei¬ nem reissenden Strom ganze Lander ihrer künftigen Bevölkeret berauben; die wenigen, die ihrem tödtenden Sta¬ chel entrinnen, schweben gleich Schat¬ ten umher, und reichen sie ja bis zum Zeitpunkte ihrer großen Bestimmung, bis zur Fortpflanzung ihres Geschlechts, so sind ihre Sprößlinge junge Grei¬ se, derer Leben eine nie vertrocknende Quelle von körperlichen Gebrechen wird. — Die Einimpfung — durch Zeit und Erfahrung geprüft, ist das Mittel, das allen diesen fürchterlichen Folgen Einhalt zu thun vermag. — Ganz Europa strömt von ihrem Lo¬ be über, und verdankt derselben die Rettung von Tausenden seiner Bewoh¬ ner. — Nur Kram kennt dieß Mittel kaum dem Nahmen nach, vermißtz noch ganz den wohltätigen Einfluß desselben auf die Glückseligkeit seiner Bewohner. — Angetrieben von dem Wunsche zu nützen, schrieb ich gegen¬ wärtige Erinnerungen über Einführung der Blattern-Einimpfung in Kram. Ihnen meine Hochvermoycndc Herren Herren, übergebe ich sie — Ihnen — die als Vater des Vaterlandes für das Wohl seiner Bewohner zu sorgen be- stimmt find — in Ihren Händen muß jede Sache, die zum wahren Besten abzweckt, ihr schönstes Ziel, die Er¬ füllung , erreichen. — Groß und edel ist es, eine Thrane des Kummers zu trocknen, — erhabner noch, zu hin¬ dern, daß sie nicht fließt, — beydes ist Ihre schönste Bestimmung, Dank der Nachwelt Ihr Lohn- — Ich er¬ sterbe mit aller Hochachtung Meiner Hschvermö'genden Herren Herren »nterthamgfler Vinzenz Kern. Vorrede Ä^elchem Menschensreuude blutet nicht daS Herz, wenn er an die Pockenseuche, die vor § Jahren hier herrschte, zurück denkt? W^e. so manche Älter» entbehren seit dieser Zeit ihre höchste Freude, ihre Kinder, die die Stütze ihres MerS hätten sepn können. — Wie we» X Vorrede» rüge Familien gibt es, die nicht entweder de» gänzlichen Verlust eines Gliedes derselben, oder doch wenigstens die zerstörte Gesundheit von Einem sei! dieser Zeit betrauret, oder aber fürchten muß, durch eine ähnliche verheerende Pockenseuche Mehrere Glieder auS ihr zu ver¬ lieren? — Wen sollte daher nicht derWunsch bep dieser Erinnerung beseelen, ein Mikkel zu besitzen, das einer so fürchterlichen Verheerung durch eine Pockeuseuche, welche in hiesiger Stadt allein über 600 Kinder dahin raffte, und jeden Einwohner noch sehr lebhaft im Gcdächt- niß ist, vvrzubeugeu im Stande wäre, ja sel¬ be auf immer verhüthen könnte? und dieses Mittel ist die EinimpfunF. Ich bin weit ent¬ fernt zu glauben, daß ich über den Nutzen der Einimpfung etwas neues sagen könne; ihr Werrh ist durch ganz Europa allgemein ent» Vorrede» XI schiede», und durch tausend glückliche Erfah¬ rungen bestätiget, Allein, Vorurtheile, denkender und nicht denkenderMcrischen,setzen der allgemeinen Ver¬ breitung der Einimpfung noch manches Hin¬ derniß entgegen, und vorzüglich hier, wo ste noch nie allgemein unternommen, und daher der Nutzen derselben durch keine glückliche Be¬ weise bestätiget wurde. Fremde Erfahrungen, prangen sie auch »och so sehr mit dem Stem¬ pel der Wahrheit, verlieren bcy der Überkra¬ gung, und stehen in Hinsicht der Schlußfol- gcn weit unfern eigene« nach. — Dicß ist der Beweggrund, der mich antrieb, hier einige Winke zur Verbreitung der Einimpfung zu geben. Bin ich dadurch so glücklich, etwas zu ihrer Ausnahme zu bewirken, habe ich hier- XII Vorrede. durch nur ein einziges Glied der menschlichen Gesellschaft gerettet — dann gleicht nichts meinem Gefühle. Laybach den 22. Marz »798. Der Verfasser. -Blattern, Pockeit, Variolos, ist eine Be¬ nennung, wovon der Begriff so allgemein be¬ kannt ist, daß ich auch nicht das geringste hier¬ über zu erinnern nöthig finde. Ob die Ge¬ schichte dieser Krankheit so alt wie die Mensch¬ heit selbst, oder ein grausames Geschenk des verfeinerten Menschen ist, ob sie in Europa zuerst ihren Wohnsitz aufgeschlagen, oder aus andern Wklttheilen zu uns übertragen wur¬ de, läßt sich schwer genau bestimmen; weil uns für den ersten Fall die genauen Beobach¬ tungen fehlen. Da sie erst dann beobachtet wurden, als sie eine öftere und traurigere Erscheinung waren, läßt sich daraus schließen, daß sie erst alsdann ihren Anfang nahmen? -- -4 - Wein würde wohl bepfallen de» Anfang von Amerika da zn gründen, als es Columbus entdeckte? — Wer würde glauben, daß Newton's Naturgesetze erst da seine» Anfang genommen, als der Fall des Apfels ihm sie kennen lernte? Wie viele Erscheinungen in der Natur gehen verloren! Warum? — weil das Aug eines Beobachters mangelt! Daß veränderte Sitten, Weichlichkeit jeder Art, alles was den Körper entnervt, auch neue Krankheiten erzeugen könne, laßt sich wohl nicht läugnen. Da die Kindesblattcrn hinge¬ gen nach einstimmigen Beobachtungen auf al¬ len biShero bekannten Orken unseres Plane¬ ten, wo Menschen wohnen, beobachtet wur¬ den, keiueMenschen unoerschont lassen, den¬ selben nur ein cinzigesmahl befallen, so laßt sich mit vielem Grunde schließen, daß die Krankheiten eben so alt wie die Menschheit selbst sey. Dem sey uun aber wie ihm wolle; genug, wir kennen die Krankheit, und wissen durch unzählige glückliche Erfahrungen genau die Mittel, welche die Sterblichkeit bey der Anwendung derselben in dcil Kindsblaktern bis zur äußersten Seltenheit herabsetzten. Es scheint in dem Systeme der Natur zn liegen. daß der Mensch am spateste» auf seine Zer. fiöhrung aufmerksam gemacht wird; daher» kostete cs auch in dieser Krankheit lausende!! das Leben, bevor wir eine so sichere Behand¬ lung dieser Krankheit kennen lernten. Die »rahmenlose Zahl der vom Biaktecgiste dahin Gerafften, trieb in vorigen Zeiten manchen menschenfreundlichen Arzt an, ein Mittel ge¬ gen dieses Gift zu suchen z allein, cs war unserem Jahrhunderte Vorbehalten, dasselbe in der reinen Luft rind der Einimpfung so überzeugend zu finden. Daß dieses Gift einst gänzlich von der Erde vertilgt werden solle, wie neuere Versuche beweisen wollen, bleibt meines Erachtens ein wünschemverthes Ge¬ schenk, den künftigen Generationen vorbehal- ten; und laßt sich nur von der allgemeiner» Verbreitung der Einimpfung, und einer einfa¬ chen Behandlung der natürlichen Blattern er¬ warten, wodurch das Gift mehr gemildert, und die Menschen künftiger Generationcli nicht mehr zu reizen vermögend sepn wird. Geschichte der Einimpfung. Es ist sehr schwer zu bestimmen, zu wel¬ cher Zeit die Einimpfung ihren Anfang nahm, und in welcher Zone sie gcbohren wur¬ de. Zirkassien wird zwar von vielen als der Skammort der Einimpfung angegeben; al¬ lein, die Verschiedenheit der Einimpfung der Afrikaner und Sinesen lassen keinen Zweifel übrig, daß selbe nicht von den Müttern Z'.rkassienS erlangt, sondern ursprünglich von ihnen selbst erfunden worden sey. Die Zirkassier machten zwar so wie die Afrikaner mit einer Nadel eine kleine Wunde in die Haut, in wel¬ che sie das Blatter-Eiter brachten; nur ge¬ schah dieß dey den Afrikanern staks zwischen den Daumen und Zeigefingern, und mit ei¬ ner Art von Feyerlichkeit, welches die Zirkas¬ sier nicht beobachteten. Die Sinesen, bey de¬ nen eben seit Jahrhunderten die Einimpfung bekannt ist, nehmen Pockenschörpfe, zerrei¬ ben dieselben, vermischen sie mit Bisam, bilden aus Baumwolle eine Wicke, bestreuen sic mit diesem Pulver, und stecken,dieselbe demjenigen in die Nase, welchen sie einimpfen wollen. Auch in Deutschland war seit mehre¬ ren Jahrhunderten schon das Pvckcnkanfen üblich; der sie kaufte, mußte etwas dafür be¬ zahlen, nahm dann von dem Pockenkranken einige Schorfe, rieb sich damit die Armer oder man machte mit einer Nadel einige Sli- che, und rieb dieselben mit den Schorf- oder Pocken - Eiter ein. Aus dieser Verschie¬ denheit der Einimpfung, die überall, auch von der niedrigsten Klasse der Menschen aus¬ geübt wurde, laßt sich nicht allein mit allein Gründe auf ihr hohes Alter, sondern auch mit innigster Überzeugung auf den seil Jahr¬ hunderten bey so verschiedenen Nationen all¬ gemein anerkannten Nutzen schließen. Dieser Überzeugung folgen nun heut zu Tage die Angesehensten aster Nationen Europens, und kaffen hierdurch uns Mindern, die wir ohne¬ hin so gerne dem Beyspicl der Großen folgen, für den Werth der Einimpfung auch nicht den geringsten Zweifel übrig. Mag eS immerhin einige Wenige geben, die den Werth der Ein¬ impfung verkennen , sogar eine größere Sterb¬ lichkeit seil ihrer Einführung in der Mensch¬ heit beobachtet haben wollen; den unbefange¬ nen vornrkheilssrepen Mann werden ihre Gründe nie überzeugen; er würde diese grö¬ ßere Sterblichkeit, wenn sie auch wirklich wäre, Mit mehr Grund in der allgemeinen Verbrei¬ tung des LuruS, unserer Entfernung von der Natur, und der zu sehr »erkünstelten physische« und moralischen Erziehung der Kindersuchen, und auch gewiß dort finden. Gründe der Einimpfung. So allgemein die Stößen des WertheS der Einimpfung meinen medizinischen Zeitge- „offen auch bekannt sind, so ist dicß noch lan¬ ge nicht der Fall bey den übrigen. Das Vorur¬ iheil halt mit seinem mächtigen Arm noch im¬ mer die Verbreitung der Einimpfung, vorzüg¬ lich hier, in engen Granzen. Da eSnnngröß- tenthcilS meine Absicht war, den nicht medi¬ zinischen Theil der hiesigen Einwohner auf den Nutzen der Einimpfung aufmerksamer zu machen, ihre Vorurkheile zu zerstreuen; so werde ich die Gründe, warum die Jnoculatlon den natürlichen Blattern weit vorzuzichen sey, hier anführen , die fürLapbach, und die um¬ liegende Gegend um so wichtiger sind, da die tägliche Erfahrung zeigt, ugd allgemein be- - kamt ist , daß alljährig durch die natürlichen Blattern, und derer fehlerhaften Behandlung Mehrere hundert Kinder dahin sterben, ss zwar, daß seit einigen Jahren mehrere tau¬ send künftige Staatsbürger dem Staate ent¬ rißen worden, welche, wo nicht alle, doch gewiß der größte Lhcil, durch die Einimpfung hätten erhalten werden könne«. Erster Grund. Da es nun erwiesen ist, daß jeder Mensch die Pocken haben muß, wenn schon nicht vie¬ le, doch einige, oder wenigstens das Pocken¬ fieber; so ist wohl nichts sehnlicher zu wün¬ schen, als, daß diese Krankheit das Kind da¬ zumahl befallen möchte, wenn es mit keiner andern Krankheit schon behaftet, oder etwa erst davon genesen wäre'. Dieß iF nun der Fall bey der Einimpfung: man impft sie dazn>!- mahl ein, wenn das Kind oder der Erwach¬ sene gesund ist, wenn die Kinder weder durch Kakharr, Zahnen, Würmer, oder dergleichen geplagt werden; die Natur hat hier bey der Einimpfung nur eine Krankheit zu besiegen, folglich überstehen die Kinder dieeingeiinpfteü Pocken ungleich leichter. B 2 Zweyter Grund. Die natürlichen Pocken überfallen die Kinder nicht selten beym Zahn - Kalharren- Flccksiebcr und dergleichen- die zu schwache Natur unterliegt nun so gewisser der dop¬ pelten Krankheit- auch bep der geschicktesten ärztlichen Behandlung, da die beyden Krank¬ heiten meistens eine ganz entgegengesetzte Heilart fordern. Dritter Grund. Die natürlichen Pocken haben in der An- stecknngsperiode viele Zeichen mit andern, vor¬ züglich Ausschlagskrankheiten, gemein; der Arzt, auch der geübteste wird hierdurch irre» gekühret, er glaubt, es sey eine andere Krank¬ heit, gibt die dagegen dienliche Mittel, samt einem warmen Verhalten, welches aber alles gerade höchst schädlich bei) den Blattern ist; die Pocken kommen alsdann entweder nicht hervor, oder ste werden bösartig und rauben so dem Kranken das Leben, oder zerstören we¬ nigstens auf imitier feine Gesundheit. Bey der Einimpfung hingegen weiß man genau, wenn die Pockenznfälle eintreten, man kennt sie, also auch die Mittel, welche allen diesen Zufallen mit Sicherheit abzuhelfen vermögen. Vierter Gründ. Die natürlichen Pocken befallen nicht sel¬ ten i» der übelsten Jahreszeit die Kinder, im höchsten Sommer, spaten Herbst, oder Win? ter; mau ist alsdann nicht im Stande die Blatterkraukcn der frepen Luft auszufeHen, sie ist entweder zu rauh oder zu feucht, oder gar zu heiß. Bey der Einimpfung hingegen wählt man sich die gcmäßigste Jahreszeit, im Frühjahr, oder Anfangs des Herbstes, man kann alsdann die Kinder mit den eingcimpflen Blattern leicht in die reine freyc Luft bringen, welche nach allen zu laufenden gemachten Be¬ obachtungen, das beste, sicherste und einzige Gegengift des Blattergiftcs ist, und in we¬ nig Tagen ist dann die Krankheit glücklich über¬ standen. Fünfter Grund. Die natürlichen Pocken überfallen meistens viele Kinder zugleich, sie verschonen auch die schwächsten und kränklichsten yichf; die schwäch¬ lich und kränklichen, werden um so leichter überfallen, weil eben die Schwäche jede An¬ steckung begünstigt; dadurch erlangt dos Po¬ ckengift, indem cs so viele und zugleich kränk¬ liche Körper durchwandert, ein? ungleich grö- 2-r ßcre Böschtigkcit, welches hier und in de» umliegenden Gegenden um so leichter geschieh;, da säst alle Wohnungen feucht sind. Bey ei¬ nem großen Theil der hiesigen Landcsbewoh» rrcr ist die Nahrung schlecht; die hiesige Luft ist matt; wegen den vielen Ausdünstungen aus den hier herum liegenden Sümpfen ungesund, und begünstigt sehr die Bösartigkeit der na¬ türlichen Blattern. Bey der Einimpfung wer¬ den, wie schon oben gemeldet worden, stä's nur gesunde Kinder gewählt, sie wird zur schönsten Jahreszeit, und nie an zu vielen Kin¬ dern zugleich unternommen; man bringt die Eingeimpfken in die reine Luft; in deren grö- ßerm Spielraum das Pockengift zerstreuet, ge- schwachtwird, folglich hierdurchanfimmer die so fürchterlichen Pockenseuchen entfernet werde« müssen. Sechster Grund. Nun gereicht noch ein sehr wichtiger Um¬ stand der Einimpfung zum Vorthcil. Bep den natürlichen Blatter» nahmlich, werden die Kinder meistens durch das in zu großer Men¬ ge in der Luft enthaltene Pockengift ange¬ steckt, dasselbe wird bcym Einalhmen in die Lunge gebracht, dadurch dieß zum Leben so unentbehrliche Organ in seine« Verrichtungen gcstörct. Durch seinen Reih, den eS in der Lunge macht, wird dir Natur oft gehindert, das Blattcrgift an die Oberfläche des Körper- zu treiben, dasselbe wird in dem Innern zu¬ rück behalten, und daS Kind verliert sein Le¬ ben. Bey der Einpropfung hingegen wird das, von den gutartigsten Blattern genommene Ei¬ ter nur auf der äußern Oberfläche des Kör¬ pers angebracht, man lockt durch diesen Reitz, das in den inneren Theilrn befindliche Gift an die äußereOberflache des Körpers ; daselbst wird es von der den Körper umgebenden rei¬ nen Luft ausgenommen, gemildert, und sol- chergestallen auf die unläugbarestc Art der Ver¬ unstaltung durch Blatternnarbcn vorgcbeugt, den oft sehr beträchtlichen Folgen nach na¬ türlichen Blattern gesteuert, und diegänzliche Zerstörung des Lebens bis zur seltensten Aus¬ nahme gebracht, Siebenter Grund. Endlich find selbst nach den Gesetzen der Religion olle Ältern, Verwandte, Erzieher, ihre von der Natur oder den menschliche«, Gesetzen anvertraute Kinder, die Pocken eiu- impfe» zu lassen, »erbendes. Diesen Gebvtheiz 24 der Religion zu Folge, sind wir verbunden, jene Mittel anzuwcnden, welche unS von dem Kunstverständigen zur Erhaltung des Lebens und unserer Gesundheit empfohlen wurden. Da die Einimpfung der Kindeöblaktern das Mittel ist, das von allen Ärzten und Wund¬ ärzten angenommen ist, das durch eine allge¬ meine Verbreitung alljährig tausend Kin¬ dern daS Leben retten, ihre Gesnnbcik erhal¬ ten kann, so wurden alle jene gewiß ein Ver¬ brechen der Religion begehen, ja sich des To¬ des derjenigen, die an den natürlichen Blat¬ tern dahin sterben, schuldig machen, wenn sie dieß von allen Kunstverständigen empfohlene, ganz gefahrlose Mittel, nähmlich die Einim¬ pfung, an ihren Kindern nicht vornehmen las¬ sen wurden. Ich fordere daher alle geheiligte Diener der Religion, alle meine Kunstgeuos- sen, so wie überhaupt alle, denen das Wohl der Menschheit nahe am Herzen liegt, auf, diese meine Gründe, durch ihr Ansehen allge¬ mein zu unterstützen und zu verbreite», und somit Theil an dem Dank zu nehmen, den die leidende Menschheit jedem bringen wird, der dazu bepträgt, die Summe ihrer Leiden zu mindern, und ihr Wohl zu vermehren. 2L Art der Einimpfung und Behandlung der eingeimpften Blattern. Da ich nun die Fälle genau bestimmt ha¬ be, die jedem überzeugt sein wollenden von dem großen Werth und Nutzen der Einim¬ pfung gewiß überzeugen werden, so will ich nun auch verschiedene Arten der Einim¬ pfung selbst, als auch die Behandlung, der eingeimpstcn Pocken-Kranken anzeigen. Die Einimpfung der Blattern ist eine so kleine, leichte und unbedeutende Verrichtung, daß sie kaum den Nahmen einer chirurgischen Ope¬ ration verdient, sie kann von Jedermann, ohne vorläufiger anatomischer Kenntuiß leicht verrichtet werden, so wie cs auch seit Jahr¬ hunderten von der gemeinsten Klaffe der Men¬ schen in asten Welttheilen geschah. Denn die Weiber in Zirkassier« impften alle ihre Kinder noch an der Brust selbst ein. In Schweden und Dennemark impfen im jeden Dorfe der Küster (Schulmeister) die Hebame, ja die meisten Mütter üben diese wohlrhakige Ver¬ richtung an ihren Kindern selbst auS- Will mau nun die Blatlereinimpfung vornehmen, »6 so nimmt man ei'u gesundes Kind, das aber keineSweges durch Purgieren , Schwitzen, oder andere blutreinigende Gelranke zur Ein¬ impfung vorbereitet werden darf (dieß ist al¬ les nicht nur allein unnörhig, sondern auch höchst schädlich), man sticht dann mit einer Lanzette eine an einem andern Kinde, da- sich in der Nahe befinden muß, reife Blatter auf, befeuchtet die Lanzette gut mit gutem Blattern - Eiter, und macht sodann mit der¬ selben , indem sie von der Seite unter die Oberhaut eingeführt wird, eine kleine Wun¬ de in der Milte des Oberarms, laßt den auf der Lanzette befindlichen Eiter in die Wunde e.'.fließen, und zieht sodann die Lanzette zu¬ rück, man hält noch ein Paar Minuten den Zeigefinger auf die Munde, und die Einim¬ pfung ist geschehen. Nur muß zur Vorsorge der sicheren Ansteckung, allezeit an bcydea Armen die Einimpfung vorgcnommen wer¬ den; dieselbe kann jedoch mit dem nähmli» chen glücklichen Erfolg auch an der inneren Seite des Schenkels, selbst an alle» übrigen Theilen des Körpers vorgenommen werden, Deym Mangel einer Lanzette kann ein kleines feines Federmesser, selbst eine breite Kirsch¬ ner-Nadel die Stelle derselben vertreten. Ob- - z? wohlen diese Art die Blattern einzuimpfen, die beste ist, so bekömmt inan nicht immer frischen Blattern - Eiter; in diesem Falle, kann man sich auch des Pockenschorfcs (Stauden) bedie¬ nen ; man zerreibt dieselben zu feinem Pulver, macht auf die obenbenannlc Art mit einem Instrumente eine kleine Wunde an den ge¬ nannten Stellen, und streuet fodann dasPo- ckenschorfenpulver hinein. Ärzte, Wundärzte, oder jene, die zum Wohl der Menschheit sich diesem Geschäfte unterziehen wollten, könnten immer in einem verschlossenen Gläschen meh¬ rere Pockenschorf« sich aufbewahren, in Ab¬ gang einer Pocken - Materie mit diesem Puk- ver die Einimpfung nur an wringen Kindern vornehmen, sodann die übrigen mit dem bey diesen erzeugten Eiter aufdie beschriebene Weise rinimvfen. Die Jmpsfaden, die von einigen we¬ nigen noch empfohlen worden, stehen in Hinsicht ihrer Sicherheit diesen beyden weit nach. Ich finde cs dahcro höchst überflüßig, dieselben hin anzuführcn, um so mehr, da ich diese beyde Arten selbst so vielfältig und immer mit dem glücklichsten Erfolge verrichtekhabe. Wen« nun die Einimpfung auf eine von den beydew Arten geschehen ist, so bedarf es welker kei¬ nes Verbandes, sondern man läßt dem Em- sä - geimpften wieder seine Kleider «»ziehe». Die ersten zwei) oder drey Tage beobachtet man bey den Eingeimpften njchtdas geringste, die Kinder sind munter, lustig, ihre Eßlust und Schlaf ungestört, ihre übrigen Verrichtun¬ gen geschehen frey und ungehindert. Erst den 4. zten Tag entzündet sich die Jmpfwunde, die Kinder empfinden ein Beissen in dersel¬ ben, manchmal Schmerzen i» der Achselhöhle und dem Oberarm; den sechsten siebenten Tag vermehren sich so wohl die Entzündung als Schmerz in der Wunde; die Kinder werden unruhig, sie bekommen Kopfschmerzen, Ab¬ geschlagenheit der Glieder, verlorene Eßlust, und fangen an zu fiebern. Dicfe Zufälle ver¬ mehren sich dann de» siebenten Tag bis zudem eilftcn. Die Wunden der Einimpsuiig fange» an zu eitern, die Schmerzen der Glieder ver¬ mehren sich, es entstehe» nicht selten heftige Kopf-und Augenschmcrzen, die Augen fangen an zu triefen, sie haben öfters einen Speichel¬ fluß, aus dem Munde stinkenden Alhem, ei¬ ne weiße Zunge, Durst, Hitze, unruhige schlaflose Nächte. Hat das Fieber am sicben- 'tcn Tag seine» Anfang genommen, so breche» oft schon den roten Tag einige Blattern her¬ vor, im Gesichte oder auf der Brust, in Ge- 2Y statt kleiner rvther Dripfen oder Punkte. Ge¬ wöhnlich geschieht dieses, jedoch erst den eilf- ten Tag. Oft entstehen den zehenten oder eilsten Tag heftige Zuckungen, Fraisen; sis find jedoch selten gefährlich, sind oft Verbot then der gutartigsten Blättern, und verlieren sich sogleich nach vollkommenen Ausbruch der Pocken. Sddald nun die Blattern in größerer Anzahl hervor kommen, lassen alle Zufälle zusehends nach, das Kind wird munterer, VaS Fieber minder, verPnls wird natürlich, die Ent¬ zündung des Jmpfstiches laßt nach, und enthält guten Eiter. Den dreyzehcntcn, vierzehenten Tag fangen die Blattern an sich zu erheben, in Eiterung überzugehen; um diese Zeit ver- nrehrt sich nun manchmahl das Fieber in et¬ was , die Kinder werden unruhiger, mürri¬ scher, welches von der allzustarken Ausdeh¬ nung der Oberhaut, und dem neuen Reih des Blattern - Eiters auf dieHantucrven hcr- kömmt; dieß dauert jedoch nur ein bis zrvey Tage, denn bis den fünfzehcuten höchstens sechszehenten Lag stehen die Pocken in voller Eiterung; alle Zufälle verschwinden dann gänzlich, das Kind wird ruhig, Eßlust, Schlaf, so wie alle übrige» Verrichtungen ö« '—- werden natürlich. Endlich fangen die Pocken, sowie die Jmpfblatter an abzutrocknen, sie fallen von sich selbst weg, zuerst im Gesichte, dann an der Brust und Händen, zuletzt an den Füßen, rind somit ist es bis den ein und zwanzigsten Tag alles geendet. Das große Heilmittel, i» dieser für die meisten Älter» verwendeten und so gefährlich scheinenden Krankheit, bestehet in Nichrsthun. Man läßt von dem Augenblicke der Ein» impsung bis zum gänzlichen Abfallen der Po» ckensckorfe die Eingeimpften frep in der rei¬ nen Luft sich bewegen, oder wenn sie nicht ge¬ hen können, herum tragen, vder in kleinen Wägen hcrumführen. — Dieß ist das einzige Hilfsmittel, dessen man sich zur Heilung der eingeimpften und Natürlichen Pocken zu be¬ dienen nöthig hat, und welches allein im Stande ist, Tausende von Gliedernder mensch¬ lichen Kette zu erhalten. Da sie keiner Vorbe¬ reitung bedürfen, die ersten Tage keine Un¬ gemächlichkeit fühlen, so .'bleiben sie ganz in ihrer sonst gewohnten Lebcnsordnung; sie essen, trinken alles wie bevor, nur nicht un¬ mäßig. Sobald sie zu fiebern anfaugen, wel¬ ches aber bey vielen so unbedeutend ist, daß man cs nicht einmal bemerkt, so verliere» -e ohncdieß die Eßlust, man hat daher nicht «ötbig sie zum Genuß der Speisen zu bere¬ den; etwas wenig Suppe ist ihnen hinrei¬ chend; auch bedurft» sie zum gewöhnlichen Getränk nichts als frisches Wasser, schwache L-imonacle, Mandelmilch, oder selbst einen sauerlichten Wein mit vielem Wasser verdünne Alles Thee-Getränke ist unnütz, ja schädlich. Eden so wenig sind ihnen innerliche Arzeneycn nökhig; wo sie dieselben in einigen Fällen bedürfen, sind gewiß seltene Ausnahmen, und schwächen keincsivcges die allgemeine Regel. Manche Älter» zwingen aus allzugroßerBesorg- niß für das Leben ihres Kindes den Arzt, den Wundarzt, etwas zu verordnen. — Diese, weniger bekannt mit den Kräften der Natur, als mit ihren Reeepten, verordnen rin kleines Miptürcheu, das ihrer Meinung nach unmöglich schaden kann; allein, alle Kin¬ der nehmen ungerne ein, sic werden dann, nach der Vorschrift des Arztes dazu gezwun¬ gen; bey diesem Zwang ereifert sich das Kind, man glaube nur nicht, daß Kinder der Em¬ pfindung deS Zornes unfähig feyen, sie sind es der Zartheit ihrer Nerven und der höheren Reitzbarkeit ihrer Fieber um so mehr, um so gewisser in diesem Zustande, da durch den Blatterreitz ihre Empfindlichkeit »och erhöbet worden; durch den wiederhohllen Reitz des ZorneS wird sehr leicht Überspannung bewirkt, und so das unschuldige Mittel zu», ködlenden Gift; Altern, aus Übermaß von Beforgniß, ' so wie der Arzt aus allzugroßer Nachgiebig¬ keit, zum Mörder dieses Kindes. Die grö߬ ten Ärzte unseres Zeitalters bestätigen durch ihre Schriften diese meine Behauptung, und vielfältig hat Mich meine eigene Erfahrung überzeugt, daß auch die heftigsten Zuckungen, von denen schon obe» gesagt worden, nicht selten dem Ansbruche der Pocken vorangehcn, uird durch die bloße Überbringung indiefreye reine Luft sogleich gestillt wurden. Ich würde mich gewiß unter alle Widerlegungen herab¬ setzen, wenn ich keinen möglichen Fall der Nolhwendigkeil bey den Kindesblattern, Ar- zencyen zu reichen, zugestände. Es gibt derer gewiß, aber fie find bey der Jnoculation sel¬ ten, bey den natürlichen geschieht dieß ungleich öfter. Wenn nähmlich die Pocken ein Kind befallen, das entweder durch eine anderwär- tige vorhergegangene Krankheit, oder schon ursprünglich schwächlich war, oder aber von einer allzugroßen Menge des schon äußerst bösartig gewordenen Pockcngifrs angesteckt worden, welches durch eine fehlerhafte Be¬ handlung , als dem Genüße erhitzender Spei¬ sen und Getränke, sorgfältiges Zudecken, ver¬ nachlässigte Erneuerung der Luft im Zimmer des Kranken zur leichteren Überstehung der Blattern oder andere vorhergehende schwä¬ chende Reitze die Natur in ihrer Ordnung ge¬ stört und in ihren Kräften geschwächt worden. Die Blattern kommen alsdann nicht hervor , oder sie treten zurück, sie werden zusammen fließen, bösartig oder brandichk. Freylich be¬ darf man in diesem Zustande des Blatterkran- ken der Arzeueyen, welche hierzu beschreiben nie meine Absicht sepn kann, da ich nur für Nichtarzke schreibe. Unläugbar ist hier die Hülfe eines erfahrenen Arztes oder Wund¬ arztes nökhig, um den sinkenden Kräften der Natur zu Hülfe zu kommen, obwohlen auch hier sehr oft die natürlichen Reitze durch gute Suppe, Eyer, Wein, Brandwcin mit Was¬ ser verdünnet, Überbringung der Kranken in frische reine Lust, die zerstörten Kräfte der Na¬ tur eben so gut wieder herzustellen vermögend ,/cyn werden, als manches andere aus der Apotheke kommende kostbare Heilmittel. Sind nun bey dieser einfachen Behandlung dieein- geimpsteu Blattern zur vollkommenen Eite- C kling gebracht, so ist es der Gesundheit, so wie der Schönheit sehr zuträglich, jede rrife Blatter mit einer Nadel aufznsicchen, derBlak- tcrciter fließt leichter aus, das Gift zerstreuet stch leichter in der Luft, und den Narben wird um desto gewisser vcrgebeugt. Auch müssen, wenn bey der Anschwellung des gauzcn Ge¬ sichtes die Augen nicht von selbst geöffnet wer¬ den können, der Eiker, der sich nicht selten an die Augenlicder anklebt, mit einem kleinen Schwämchen, das in Milch oder lauem Was¬ ser eingetauchk worden, vorsichtig ausgewa¬ schen werden, sonst entstehen leicht Flecken, Felle auf den Augen, ja selbst Verwachsun¬ gen der Angcnliedcr sind nicht selten Folgen der vernachläßigken Eröffnung der Augen. Bep der vollkonmicnenAbtrocknung der Blat¬ tern endigen fast olle Ärzte und Wundärzte die Knr mit einem Abführmittel, um das etwa noch im Körper zurück gebliebene Gift, ih¬ rer Meinung nach, vollends guszulcercn — ja man ist überhaupt der Meinung, daß alle nach den Blattern entstandene Krankheiten, als Entzündung der Augen, Blutfchwure, Ausschläge, Versetzungen an die Gelenke, Ab¬ zehrung n 5. w., bloß der nicht genugsam ge¬ schehenen Reinigung des Körpers zuzufchreibea feyen. Ich hingegen beharipke geradezu das Ecgentheil, behaupte, daß cbe» diese üb!e Folgen nach eingeimpsten und natürlichen Blattern bloß dem wiederhohltcn Gebrauch der Abführmittel und blukreinigenden Geträn¬ ken zuzuschrciben sey. Bey jeder Krankheit bedienet sich die Natur eines von den ge¬ wöhnlichen AuslceruugSwegen uuftres Kör¬ pers. Sie schafft den Katharreitz durch einen vermehrten Auswurf, den Schnupfen durch eine hinlängliche Absonderung des Nasen¬ schleims weg rc. Bey den Pocken entleert sich die Natur auf der Oberfläche des Kör¬ pers. Dieß beweisen die daselbst entstandenen Entzündungen und Eiterungen, auch bestäti¬ gen es die noch lange nach abgeheilten Blat- nrn zurück bleibenden rotheu Flecken. Wird nun durch ein Abführmittel in dem Darm¬ kanal ein Reitz verursacht, besonders wenn dieß oft und früh geschieht, so lockt man da¬ durch das an der Oberfläche des Körpers nicht gänzlich noch ausgeworfene Blattergift durch Einsaugung auf die inneren Lheile; die durch häufiges Abführen erzeugte Schwäche hindert die in dieser Krankheit so äußerst nvthwendigc wäßige Ausdünstung, die gänzliche Verdün¬ stung des Blaüergisrs unterbleibt, dasselbe ö6 wird in dem Körper zurück gehalten, und er¬ zeugt demnach alle die schröcklichen Übel, wel¬ che insgcsammt dem Gebrauch der Abführmittel und deren blutreinigeuden Getränken zuzu- schrcibcn find. Ich warne daher» Jedermann vor diesem höchst schädlichen Grundsatz. Nie können Abführmittel den bösen Folgen nach Blattern vorbeugen — immer werden sie die¬ selben herbeyführcu; mannigfaltige unglückliche Beispiele haben mich davon innigst überzeugt. Ein der Natur der Krankheit sowohl als dem krank gewesenenTheil ganz angemessenes Mittel muß ich hier empfehlen. Man lasse das Kind bey der Abtrocknung der Pocken einigemahl in lauem Wasser baden, das an der Oberfläche des Körpers noch nicht gänzlich verfloßene Gift wird von dem Wasser ausgenommen, die Aus¬ dünstung wird hierdurch befördert, die durch so viele Entzündungen und Eiterungen ge¬ schwächte Haut gestärkt, und auf diese Art der Kranke auf das zuverläßigste von asten üblen Folgen bewahrt. Seil mehreren Jahren lohnen die glücklich¬ sten Erfolge diese neue Heilmethode. kk- -cl- ttel r»- !NN ach >ie- che St- em lkl nd in chc 'ft s- -» c- er en