^^^^ Von VrmÄisi ^^ ^^ nack tllessina. Veizrsllizzcn V«n II. f>«rusek. Sonäerabäruck aus äer..^aibacher Teilung". 3!M Hsivach «yoo. vsuck von >?g. V. ttlemmayr 6l fecl, 8ambe?y7' Don Srindisi nach Messina. Neiseskizzen von R. Peru^el. I. BrindiU. Das Schist «Medea» des österreichischen Lloyd landete, vom Piräus kommend, am 14. Juli 1896 um 7 Uhr früh in Brindisi. Es hatte eine starke Verspätung erlitten. Schon im Piräus hatte eS sich zwei Stunden länger als programmäßig verweilt, und die Ausdehnung des Aufenthaltes wiederholte sich mit solcher Consequenz in allen Häfen, die das Schiff berührte, so insbesondere in Santi Quaranta in Albanien, wo das Aus- und Einschiffen der Waren kein Ende nehmen wollte, dass an ein Einbringen der versäumten Zeit, worum alle Reisenden den Capitän eindringlich batm, trotz Anwendung aller Dampfkraft gar nicht zu denken war. Der allzu ausgedehnte Aufenthalt in einzelnen Stationen gereicht fürwahr den Reifenden auch keineswegs zum Vergnügen. Man hat es bald satt, stundenlang einzelne Punkte der steinigen Küste Griechenlands und Albaniens anzuschauen, umsomchr als, abgesehen von den berühmten Formen der griechischen Berge, die ich trotz meiner Begeisterung für das classische Alterthum bedeutend weniger schön fand als unsere einheimischen Vergreihen, dle überdies unter den kahlen Bera/iese!, mit saftia/m Grün bedeckte Abhänge der Vorberge als erquickendes Schauspiel dem Auge 1 - 2 — darbieten — abgesehen also von diesen Bergformen, nichts das Auge fesseln kann; die Ansiedelungen sind durchaus elende Steinhaufen, die Vegetation mehr als ärmlich. Da man während eines solchen Aufenthaltes aufs Hinterdeck gebannt ist, um nicht mit den geschäftig ein- und ausladenden Matrosen in Collision zu gerathen, ein Landen aus verschiedenen Gründen unthunlich, auf tmkischem Gebiete wea/n Mangels eines Passes auch unmöglich erscheint, so sehnt man sich herzlich darnach, endlich einmal weiter zu kommen. Die Fahrt auf einem solchen Warendampfer wird selbst bei schönstem Wetter und ruhigster See auf die Dauer unangenehm. Nun kam aber zur langweiligen Fahrt noch das ununterbrochen bewegte Meer, das den alten Kasten, «Medea» genannt, fortwährend in Schwankungen versetzte, die sich auch in den Magen der Reisenden fortpflanzten und die Fahrt auf der See den weniger widerstandsfähigen verleideten. Unter diesen befand sich auch der damalige, gegenwärtig bereits im Herrn entschlafene, österreichische Gesandte in Athen, unser Landsmann Herr Baron Kosjek mit seiner Gemahlin, einer Dame von gewinnender Herablassung, und seinem liebenswürdigen Töchterchen, die auf einer Urlaubsreife nach Wien begriffen waren. Der Herr Gefandte scheint reizbarer Natur gewesen zu sein, und da ihn die unruhige See in einen höchst unbehaglichen Zustand versetzt hatte, so wartete er mit fieberhafter Ungeduld endlich in Brindisi festes Land zu betreten und von bort mit dem Schnellzuge die Fahrt in die Heimat fortzusehen. Der gute Kapitän musste manch bitteres Wort über sich ergehen lassen, und es that mir leid um ihn, obwohl alle Reisenden ohne Ausnahme mit der Erklärung des Herrn Gesandten, dass er sich über die Verwendung von Postdampfern zu Warendampfern von Seite des österreichischen Lloyd an competenter Stelle beschweren werde, einverstanden waren. Endlich erschienen von weitem die riesigen Wellenbrecher, welche den äußeren Hafen beschützen. Sie sind aus ungeheueren Blöcken hergestellt, und an ihren dem Hafeneingange zugewendeten Enden befinden sich zwei Leuchtthürme. Zwischen diesen beiden Leuchtthürmen gelangen die Schiffe in den sogenannten äußeren Hafen. Vom nordlichen Wellenbrecher aus erstreckt sich in der Richtung von Norden nach Süden die Insel S. Andrea, die am südlichen Ende eine starke, gegen» wärtig als Quarantänstation dienende Festung trägt, von welcher sich noch weiter in südlicher Richtung wie ein Schwanz ein Damm erstreckt, an dessen Ende ein Leuchtthurm angebracht ist. Zwischen dieser Insel und dem südlich gegenüberliegenden Festlande ist ein schwimmender Leuchtthurm errichtet. Zwischen der Insel und dem westlich gegenüberliegenden Festlands befindet sich die «Bocca di Puglia», durch welche man nach Norden in das apulische Meer gelangt. Um sie vor Versandung zu schützen, ist im Norden der oben erwähnte nördliche Wellenbrecher errichtet worden. Die Bocca di Puglia bildet den nördlichen Theil des Vorhafens (avÄmporto), aus dem man durch einen 50 m breiten und 225 m langen Canal, «Pigonati» genannt, in den eigentlichen Hafen gelangt. Dieser Canal erscheint zu beiden Seiten von mächtigen Dämmen aus Steinquadern eingefasst. Als Cäsar im Jahre 49 v. Chr. den Pompeius in Brundusium belagerte, suchte er durch Pfähle den Canal zu sperren, jedoch gelang es der Flotte des Pompeius, rechtzeitig zu entkommen. — Es freute mich ganz besonders, den Canal mit eigenen Augen besichtigen zu können, da ich mich dabei erinnerte, wie ich bei der gemeinsamen Lecture von Cäsars Denkwürdigkeiten aus dem Bürgerkriege ob Mangels einer den Hafen darstellenden Karte seine Schilderung (I 25 t?.) nicht recht begriff und infolge dessen mit einem Collegen Ulld Busenfreunde, der die Situation ganz zu verstehen vorgab, ohne sie mir jedoch klarlegen zu können, mich für lange Zeit überwarf. Ich erwähne diese Episode, weil ich mich bei der Fahrt durch den Canal lebhaft an meinen nun schon längst verstorbenen Freund erinnerte. Durch diesen Canal gelangt man in den eigentlichen geräumigen, höchst sicheren Hafen, der sich in einen südlichen und einen westlichen, tief ins Land dringenden, Arm theilt, von denen der erstere 8eno port« pitnolo, der letztere 86lio porw Ai^nä« heißt. Dieser reichte einst noch viel tiefer ins Land hinein, ist jedoch gegenwärtig zum großen Theile verschüttet. Der großartige Eindruck, welchen die Hafenbauten auf den ankommenden Reisenden ausüben, wird wesentlich herabgestimmt durch das ärmliche Aussehen der Stadt selbst. Man erwartet eine ausgebreitete Stadt mit imposanten Gebäuden an der Riva; statt dessen bietet sich dem Auge nur ein Haufe niedriger Häuser dar, die sicherlich seit vielen Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, eines frischen Anwurfes und Kaltanstriches entbehren. Freilich ist dies nicht eine Eigenthümlichkeit Brindisis, sondern vielmehr des ganzen italienischen Südens, oder, wenn man die hauptsächlich von Fremden besuchten Städte ausnimmt, von ganz Italien. Bevor wir noch in den Hafen eingelaufen waren, hatte jeder Reisende sein Gepäck aufs Verdeck bringen lassen, um möglichst rasch das Schiff zu verlassen und seiner Bestimmung entgegenzugehen. Auf dem Quai hatte sich eine grotze Menge Neugieriger versammelt, die laut schreiend und gesticulierend dem einfahrenden Dampfer zusahen. Dieser legte endlich an, die Brücke wurde angelegt, und jedermann stand bereit, sobald die Schranken gefallen waren, schleunigst ans Land zu — 5 — gehen. Doch wurde die Geduld auf eine weitere harte Probe gestellt. Um jene Zeit herum waren in Alexandrien und in Smyrna einige Cholerafälle vorgekommen; fo musste denn auch die «Medea», da sie aus einem orientalischen Hafen kam, einer ärztlichen Visitation sich unterziehen. Es ergieng also die Aufforderung an die Reisenden, dass jedermann an seinem Platze verbleiben solle, bis die Visitation vollzogen wäre. Die ärztliche Commission besah Mannschaft und Reisende und zählte sie mehreremale ab, allein die Zahl wollte niemals mit jener der in der Sch'ffsliste Eingetragenen stimmen. Natürlich! Es gab auch unter den Erwachsenen Leute, die wie ungezogene Knaben vielleicht aus Ungeduld, vielleicht aus Mangel an Pflichtgefühl, vielleicht auch aus Uebermuth, um der Behörde einen Schabernack zu spielen, oder aus irgend einem sonstigen Grunde ihren Platz verließen und das einemal doppelt, das anderemal gar nicht gezählt wurden und so eine allgemeine Confusion herbeiführten. Seine Excellenz der Herr Gefandte war in heller Verzweiflung. Er überschüttete den armen Capitän, der wie ein begossener Pudel dastand, mit Vorwürfen und stellte auch mit ziemlich herben Worten die italienische ärztliche Commission zur Rede, warum sie nicht ihre Aufgabe beschleunige, da er sonst ihretwegen den Schnellzug nach Norden versäumen müsse. Der Obmann dieser Commission erklärte ihm hoflich, aber entschieden, dass die verspätete Ankunft des Schiffes nicht seine Schuld sei und dass er ebensowenig daran Schuld trage, wenn die pflichtgemäße Visitation der Reisenden durch die Ungeberdigkeit derselben verzögert werde. Die Erklärung war zutrefftnd, und Seine Excellenz verstummte in dumpfer Resignation. Da kam dem Capitän ein guter Gedanke. Er befahl allen Rei- — 6 - senden, sich in ihre Cabmen zu begeben und sich daselbst solange aufzuhalten, bis die Commission bei ihnen vorgesprochen hätte. Dieser Befehl wurde mit einiger Mühe zur Ausführung gebracht, und so konnte die Commission ihres Amtes walten, wobei sich alles zur vollsten Befriedigung abwickelte. Die Zahl der Reisenden und der Mannschaft stimmte, alles war an Bord wohlauf, und so wurde denn die lid^r«, ^ratios, gegeben, und die löbliche Commission entfernte sich. Ehe aber noch die Reisenden inne geworden waren, dass sie jetzt ihrer Wege gehen könnten, hatte sich mit affenartiger Geschwindigkeit eine Unzahl von Hoteldienern, Dienstmännern und anderem minder Vertrauen erweckenden Gelichter über Vord ergossen. Mit einer verblüffenden Zudringlichkeit wurden den Reisenden Koffer und andere Gepäcksstücke mit Beschlag belegt und wohl auch aus der Hand gerissen. T>a im Gewirre ein Protest ungehürt verhallen musste, so war es das Vernünftigste, was man thun konnte, die Leute mit dem Gepäck im Auge zu behalten und ihnen auf der Ferse zu folgen, wodurch man übrigens am leichtesten in die Lage kam, sich über die Landungsbrücke ans Ufer hinüberzuarbeiten, ohne selbst Ellbogen und Schulter in Action treten lassen zu müssen. Nachdem man glücklich das Land erreicht hatte, war noch eine Formalität zu erfüllen. Das Grpäck musste in die Dogana (das Zollamtsa/bäude) gebracht werden, wo es nur oberflächlich untersucht wurde; allein es ist schon unangenehm, die Koffer, die man oft mit schwerer Mühe geschlossen, wieder aufzusperren, sich die Wäschestücke durchwühlen zu lassen, sie dann wieder in Ordnung zu bringen und die Koffer schließen zu müssen, selbst wenn dabei nicht so viel Zeit verloren gienge. Wir ließen dem Herrn Gesandten gerne den Vortritt. Er ward bald absolviert und fuhr dann __ 7 __ mittels Droschke zum Bahnhofe, um möglicherweise mit dem Schnellzuge, der reglementmäßig um halb 8 Uhr abfahren sollte, abzureisen, obwohl es bereits 8 Uhr geschlagen hatte. Ich tonnte mich der Procedur mit mehr Gemüthsruhe unterziehen, da der Zug, der mich nach Tarent bringen sollte, bedeutend später abfuhr. So konnte ich auch einigen Scenen anwohnen, die sich bei der Untersuchung des Gepäckes abspielten. Bei einem Reisenden fand der Finanzsoldat eine Flasche mit Liqueur. Dieser Fund schien, nach der Miene, die der Finanzwachmann machte, als er die Flasche seinem Vorgesetzten vorwies, zu schließen, sehr wichtig zu sein. Was nach der darauf folgenden erregten Debatte zwischen Finanz und Reisendem geschah, weiß ich nicht. Bei einem zweiten wurde ein Paar wenig gebrauchter Schuhe beanständet. Um zu beweisen, dass der Reisende damit keinen Handel treiben wolle, zog dieser ein Taschenmesser hervor und machte mehrere Schnitte in die Sohle, wodurch er vor weiteren Zollplackereien bewahrt wurde. Nachdem ich abgefertigt worden war, fuhr ich zum Bahnhofe, und siehe da. der Schnellzug war noch nicht abgefahren; im Gegentheil, er hatte eine Stunde Verspätung. So genoss ich, nachdem ich mein Gepäck zur Verwahrung aufgegeben hatte, das Vergnügen, mit Sriner Excellenz dem Herrn Gesandten, der inzwischen seine gute Laune wiedererlangt hatte, und seinem liebenswürdigen Fräulein Tochterchen, die mit der Eisenbahn die Reise nach Wien machten, während die Frau Gemahlin ihre Reise zu Schiffe fortsetzte, ein Viertelstündchen zu plaudern, bis sie endlich das Dampsross meinen Augen entzog. Da mir bis zu meiner Abfahrt geraume Zeit zur Verfügung stand, beschloss ich, dieselbe mit der Besichtigung der geringen Zahl der Sehenswürdigkeiten der Stadt zu verbringen. - 8 - Die Stadt hat eine bedeutende Vergangenheit und ihre vortreffliche Lage lässt die Erwartung berechtigt erscheinen, dass ihr auch eine bedeutende Zu-kunst bevorstehe. Die Stadt soll von Kretern aus Knossus, die unter Minos diese Colonie angelegt hatten, gegründet worden sein. Eine andere Sage erzählt, Aeoler unter Diomedes hätten sich hier an< gesiedelt und unter unabhängigen Herrschern gelebt. Der Name Brundisium (/.^«-«mm') soll Hirschtopf bedeuten und wird von der Gestalt des Hafens, da die beiden Arme des inneren Hafens einem Hirschgeweihe ähnlich gesunden wurden, abgeleitet. Schon sehr früh setzten sich in ihren Besitz die mächtigen Tarentiner, bis sie im Jahre 245 v. Chr. von den Römern erobert wurde. Diese schickten eine Mlitärcolome hieher, und die Stadt entwickelte sich rasch, insbesondere seitdem die Römer die appische Straße von Capua bis Hieher verlängert hatten. Bekannt ist die launige Beschreibung einer Reise nach Brundisium (iwr Limliäu8lnum), die der Dichter Horaz in Begleitung des Maecenas gemacht hatte, als dieser von Octavianus beauftragt war, im Vereine mit M. Cocceius Nerva und Fonteius Capito in Brundisium mit Antonius einen neuen Vertrag gegen Sextus Pompeius abzuschließen (37 v. Chr.). Brundisium war schon damals die gewöhnliche Aus-gangsstalion für Reisende nach dem Oriente, die in der Regel in Dyrrhachium (Durazzo, Drak) aus-stiegen. Wegen seiner wichtigen Lage hatte die Stadt Pompeius im Jahre 49 v. Chr. besetzt, worauf er darin von Cäsar belagert wurde. In ebenderselben Stadt schloss auch Cäsar Frieden mit Antonius und legte sich den Namen Cäsar bei. Im Mlttelalter sank die Bedeutung von Brindisi, dessen Bewohnerzahl im Alterthum bis auf 100.000 gestiegen war, mehr uud mehr. Barbarische - 9 — Völker (z. B. die Longobarden unter ihrem Herzoge Romuald im Jahre 675) verwüsteten und plünderten die Stadt, während einheimische Streitigkeiten noch das Elend vermehrten. Im Jahre 836 kam Bnndisi in die Gewalt der Sarazenen, dann in jene der byzantinischen Kaiser und endlich in die der Normannen, die unter Robert Guiscard die Stadt im Jahre 1071 einnahmen. Seitdem theilte Brundisium die Schicksale des napoletanischen Königreiches, das von 1042 bis 1194 unter den Normannen, von 1194 bis 1268 unter den Hohenstaufen, von 1268 bis 1442 unter den Anjou-vinen u. s. w. stand. Zur Zeit der Kreuzzüge hob sich die Stadt wieder. In ihr pflegten sich die Kreuzfahrer zu versammeln, um von dort ins Morgenland abzurücken. Nach Beendigung der Kreuzzüge vernichteten türkische Seeräuber den blühenden Handel mit dem Oriente. Einen schweren Schlag erlitt die Stadt, als sie Ludwig. König von Ungarn, im Jahre 1348 zerstörte, um für den Tod seines Bruders Andreas, den des letzteren eigene Gattin am 18. September des Jahres 1345 in Aversa hatte ermorden lassen, Rache zu nehmen. Als vollends im Jahre 1458 der größte Theil der Bevölkerung infolge eines furchtbaren Erdbebens unter den Trümmern der Stadt zugrunde gegangen war, konnte sich Brindisi nicht mehr erholen und führte ein armseliges Dasein. Erst in neuester Zeit wurden Vorkehrungen getroffen, welche die Stadt zu heben geeignet sind. Als man anfieng, den Suezcanal Zu graben, und der Handel mit dem Orient wieder die alten Pfade zu wandeln begann, da beschloss im Jahre 1866 Italien, den vernachlässigten, versandeten und von Giovanni Antonio Orsini von Tarent durch Versenkung mächtiger Steine für größere Schiffe unpafsierbar gemachten Canal und Hafen wieder zu reinigen und die Stadt — 10 — durch Eisenbahnen mit den Hauptverkehrsadern Mitteleuropas zu verbinden. Thatsächlich ist auf diese Weise Brindisi von neuem ein höchst wichtiger Ausgangspunkt für die Reisenden von Europa nach dem Oriente geworden. Außer italienischen, griechischen, deutschen und englischen Dampfern, welche den Hafen besuchen, unterhält insbesondere der österreichische Lloyd eine regelmäßige Dampferverbindung mit Brindisi und nimmt zahlreiche englische Reisende auf, die nach Egypten und weiter nach Indien reisen. Eigenthümlicherweise aber concentriert sich der Warenhandcl nicht in Brindisi, sondern in den nördlicher gelegenen zahlreichen Handelsstädten (Bari, Molfetta, Tram, Barletta), obwohl keine über einen auch nur annähernd so vortrefflichen Hafen verfügen kann. Ob die Ursache hievon die Indolenz der Bewohner Briudisis bildet, wie mir ein italienischer Fach- und Reisegenosse zu beweisen suchte, darüber kann ich nicht entscheiden. Die Stadt zählt etwa 18.000 Einwohner und gleicht keineswegs einem regen Handelsplätze. Nur wenige Schiffe beleben den Hafen, und ein einigermaßen bewegtes Treiben herrscht kaum an der Riva; die Straßen der inneren Stadt erscheinen ziemlich öde. Die Stadt breitet sich auf einem ansteigenden, von beiden Armen des inneren Hafens eingeschlossenen Terrain aus. Hinter den niedrigen Häusern der Riva ragt auf einer Anhöhe eine uncannelierte Marmorsäule, die ein reich mit Götterbildern und Laubwerk geschmücktes Capital trägt; über dem Capital ragt noch ein Stück Marmor empor. Rechts daneben ist ein cannelierter Säulenstumpf auf einer Vase. Die erstere enthält den Rest einer Inschrift, worin ein griechischer Statthalter Spathalupus erwähnt wird, der im zehnten Jahrhundert die von den Sarazenen hart mitgenommene Stadt wieder aufgebaut hat. — 11 - Die Taufkirche des heil. Johannes ist ein alter Rundban aus Quadersteinen ohne Mörtel und An-wurf. Im Innern sind einige al!e Fresken erhalten. Die Kirche, die einst dem Tempelorden gehörte, birgt gegenwärtig einige ärmliche antike Funde aus Nrindisi und Umgebung. Hoch über alle Häuser ragt die altersgeschwärzte Domkirche, deren Fundamente aus dem dritten Jahr« Hunderte stammen. Sie liegt im Süden der Stadt. In dieser Kirche fand im Jahre 1225 die Vermählung des Kaisers Friedrich II. mit Iolanthe, der Tochter Johannes von Arienne, Königs von Jerusalem, statt. Derselbe Kaiser begann auch den Bau des mächtigen Castells mit zahlreichen Thürmen, das im Norden der Stadt am südlichen User des 8ßno ?oNo ^ran6o. liegt und gegenwärtig als Gefängnis dient. Auch Kaiser Karl V. hat an der Befestigung dieses Castells Antheil genommen. Hiemit wären alle Sehenswürdigkeiten der Stadt abgethan. Doch halt — die eine hätte ich beinahe vergessen: die kläglichen Ueberreste eines Gebäudes, in welchem der Dichter Vergil im Jahre 19 v. Chr. nach seiner Riickkehr aus Griechenland sein Leben aus» gehaucht haben soll. Es ist selbstverständlich ganz ausgeschlossen, dass nach all den Zerstörungen, die über Brindisi kamen, gerade jenes Haus, wenn auch in Trümmern, sich erhalten haben sollte; trotzdem gibt es unter den Besuchern Brindists manche empfindsame Bewunderer römischer Dichter, die sich von den indu-striösen Ciceroni einige Soldi aus der Tasche locken lassen, um den Steinhaufen zu besehen; wird auch der Verdacht in denselben sofort rege, so siegt doch ihre Neugierdc über die vernünftige Erwägung. Außer Vergil steht übrigens noch der Name eines anderen römischen Dichters mit Brindisi in Verbindung, Es ist Pacuvius, der Neffe und Schüler des - 12 — Ennius, der hier geboren wurde (ca. 220 v. Chr.), und später zumeist in Rom lebte, wo er Tragödien nach griechischen Mustern verfasste, jedoch auch einheimische Stoffe bearbeitete und schließlich um das Jahr 130 v. Chr. in Tarent aus dem Leben schied. II. Tarent. Nachdem ich beiläufig eine Stunde lang in den Straßen der Stadt geschlendert war, begab ich mich auf den Bahnhof, um gegen Tarent abzufahren. Wie es die Italiener mit der Pünktlichkeit nicht allzu genau nehmen, so hatte auch unser Zug eine kleine Verspätung. Endlich setzte er sich in Bewegung. Die Bahn führt zunächst in nördlicher Richtung an dem gewaltigen Castell vorüber; dann theilt sich der nach Tarent führende Zweig von dem nach Norden gerichteten Hauptstrange links ab und beschreibt einen großen Bogen in westlicher Richtung. Wir gelangten zuerst nach Mesagne; dann kam die Station Latiano und endlich ein bedeutenderer Ort Namens Oria. Die Gegend ist eben, nur hie und da erheben sich in der Ferne unbedeutende Hügelreihen. Unermessliche Felder, mit verschiedenen Getreide- und Nutzpflanzungen bestanden, breiten sich da aus; die Grenze zwischen den Feldern wird durch oft viele Meter hohe Hecken des indischen Feigenbaumes (OpntNi^ 1^,'cn» incites) gebildet. Die wohlschmeckenden eiförmigen Früchte bilden monatelang ein Erfrischungs- und Nahrungsmittel der armen Bevölkerung und werden wohl auch getrocknet und gemahlen zu einer Art Brot verbacken. Doch erfordert ihr Oenuss eine gewisse Vorsicht, da die Früchte mit feinen Nadeln besetzt sind, die in die Schleimhäute des Mundes und des Verdauungs-apparates eindringen und Entzündungen verursachen können. Diese Cactee besteht aus dicken ovalen und - 13 - fleischigen Blättern, die oft einen Umfang von mehr als einem Meter erreichen. Die Blätter sind mit scharfen Stacheln bedeckt und bilden infolge ihres dichten Wachsthums vortreffliche Hecken. Die Opuntie ist auch in Dalmatien und auf den Inseln des Quar-nero eine häufig vorkommende und den Charakter der Gegend bestimmende Pflanze. Damals waren die Ränder der Blätter mit einer Fülle von hellgelben Blüten besetzt, die einen herrlichen Anblick darboten. Die Gegend ist sehr fruchtbar, wird aber, wie fast alle Küstenstriche Italiens, vom Fieber heimgesucht. Der Giund hiefür liegt in dem sumpfigen Boden, zu dessen Austrocknung übrigens gerade in der Nähe von Brin-disi große Entfumpfungsanlagen vorhanden sind. Das Wasser fließt in breite Canä'le ab, in deren Nähe sich mächtige Pumpwerke befinden. Auf der weiten Ebene stehen nur wenige Meierhofe. Allenthalben zerstreut aber sieht man elende Hütten aus Flechtwerl, die mil Lehm beworfen und mit einem Kuppeldach aus Stroh bedeckt sind. Fenster weisen sie nicht auf. An der vorderen flachen Seite dieser Hütten befindet sich als Thüre eine Oeffnung, die die Form eines Spitzbogens hat. Die Oeffnungen erscheinen zumeist mit übereinander geschichteten Stein-lagcn verschlossen. Die Hütten dienen als Nachtquartier für die Feldarbeiler, die zur Zeit der Saat und der Ernte in denselben ihre Unterkunft finden. Oria, wie oben erwähnt, die erste bedeutendere Eisenbahnstation, hieß im Alterthum Uria oder Hyria. Die Siadt zählt etwa 8000 Einwohner und ist höchst malerisch auf mehreren Hügeln gelegen, von denen man eine prächtige Aussicht auf die darunter liegende Ebene genießt. Ein großer Dom, Kirchen und Thürme überragen in malerischer Abwechslung die Hä'user-mafse. — 14 — Vor allem aber wird das Auge durch eine großartige, im Westen der Stadt gelegene, mit starken Mauern und zahlreichen Thürmen versehene Burg angezogen. Von derselben soll das mächtige Geschlecht der Doria (d'Oria), das bekanntlich feit dem Ende des elften Iahrhundertes in Genua blühte, seinen Namen führen. Nach Oria kommt die Station Francavilla-Fontalia, dann Grotwglio, Monteiasi-Montemesola, und endlich wendet sich die Bahn in einem großen Bogen um das maro piooolo nach Tarent. Man erzählt, dass spartanische Parthenier unter Führung des Phalanthus im Jahre 707 (708) v. Chr. an der Mündung des Galaesos die Colonie «Taras» gegründet und sie nach einem Sohne Poseidons so benannt hätten. Vorher dürfte daselbst eine Ansiedelung japygischer Ureinwohner bestanden haben. Da sich die Colonie einer vortrefflichen Lage und aller zur Entwickelung der Landwirtschaft, des Handels und der Industrie nothwendigen Bedingungen erfreute, so wurde sie bald reich und mächtig. Die Gegend erschien zum Ackerbau und zur Viehzucht ausgezeichnet geeignet. Besonders die Schafzucht stand auf einer hohen Stufe. Man erzählt, dafs die Schafe eine hervorragend lange und feine Wolle lieferten. Um diefe Länge und Feinheit der «vsg psiiitas' zu erreichen, wurden die Schafe in Decken gehüllt, damit sie den Unbilden des Wetters, das sie zwar abgehärtet, dafür aber ihre Wolle grober und rauher gemacht hätte, weniger ausgesetzt waren. Die gewonnene Wolle wurde mit dem Safte der Purpurschnecke gefärbt, deren Schalen in ungeheurer Menge längs dem maro piccolo aufgehäuft liegen. Die Wolle wurde dann zu herrlichen Geweben verarbeitet, mit welchen bis in die entferntesten ' Hvlaz, Oden II, 6 — 15 — Gegenden Handel getrieben ward. Daneben blühte auch die Keramik. So hatten denn Handel und Industrie, Ackerbau und Fischzucht die Stadt sehr reich, aber auch sehr üppig gemacht. Die höchste Blüte erreichte Tarent im vierten Jahrhundert unter seinem Strategen, dem Pythagorä'er Nrchytas, der ein Freund und Zeitgenosse Plutos war. Dieser Mann galt als ein Muster von Tugend und hervorragenden Bürgersinnes und zeichnete sich als Mathematiker aus. Horaz > nennt ihn : maris ßt tsri-3,6 nunl6l-0HU6 LÄ,r6nti8 ^arenas menZoroul («der Meer und Erde und den zahllosen Sand aus-gemessen hat»). Er ist der Erfinder der analytischen Methode in der Mathematik und hat das Problem von der Verdoppelung des Cubus gelöst. Auch werden ihm einige mechanische Kunstwerke (z. B. eine fliegende Taube aus Holz) zugeschrieben. Die Folge der Verweichlichung in Tarent war, dass die Bürger nicht mehr selbst in den Krieg ziehen wollten, sondern Soldnerscharen warben, deren Befehlshaber, ähnlich wie im Mittelalter die Condottieri, dem Meistbietenden ihre Dienste zur Verfügung stellten. Ein solcher Abenteurer war der Fürst von Epirus, Pyrrhus, den die Tarentiner bei ihrem Zusammenstoße mit den Romern zu Hilfe riefen. Die Ankunft einer römischen Flotte im tarenlinischen Meerbusen, welcher den Römern vertragsmäßig verschlossen erschien, war nach römischer Geschichtschreibung durch einen Sturm veranlasst worden; die Tarentiner zerstörten sie und tödteten die Mannschaft oder verlausten sie in die Sclaverei (282). Dann verweigerten sie dem römischen Gesandten die geforderte Genugthuung, Wahrscheinlicher aber ist es, dass es sich um einen allerdings missglückten Ueber-rumpelungsversuch von Seite der Römer handelte. Pyrrhus ließ nach der Schlacht bei Beneventum (275) ' Od. I. 19 - 16 - in Tarent eine Besatzung unter Milon zurück, und dieser verrieth nach Pyrrhus' Tode die Stadt den Römern (272). — Im zweiten punischen Kriege besetzte Hannibal die Stadt (211). Doch hielten sich die Römer in der Akropolis und eroberten von dort aus wieder die Stadt (209) unter Fabius Maximus. Die Sieger plün« derten die Stadt und verkauften 30.000 Einwohner in die Sclaverei. Im Jahre 123 gründeten die Romer in Taras, das sie sortan Tarentum nannten, eine Militärcolonie mit Namen (^onia, Xsptunia. Daneben blieb die griechische Gemeinde bestehen, und noch zu Zeiten Augusts war Tarent eine Stadt von überwiegend griechischem Charakter. Als Narses nach Besiegung der Ostgothen Unteritalien für seinen Herrn, den byzantinischen Kaiser Justinian, eroberte (553 nach Christo), da lebte das griechische Element wieder auf. Im Jahre 675 eroberte die Stadt der Longobarden-herzog Romuald. Von 850 bis 887 befand sich die Stadt in der Gewalt der Sarazenen, die es auch im Jahre 927, als es wieder zum griechischen Reiche gehörte, vollständig zerstörten. W7 baute der griechische Statthalter Nikephoros Phokas die Stadt wieder auf. Im Jahre 1063 bemächtigten sich Tarents die Normannen; 1089 wurde Voemund Herzog van Tarent. Dann kam die Stadt derReihe nach unter die verschiedenen Dy»a-stien, die das Königreich Neapel beherrschten. Im Jahre 1301 wurde Philipp, der Sohn Karls II. von Anjou, Fürst von Tarent, Napoleon aber ernannte seinen Marschall Macdonald zum Herzog von Tarent. Im Jahre 18ttl fiel die Stadt mit dem Königreiche beider Sicilien dem neuen Königreiche Italien zu. Tarent (italienisch Taranw) hat eine herrliche Lage. Man kann es ganz gut begreifen, dass Horaz (Oden II. 6) von ihr sagt I «Ills tsrrarum miki ^irastsr oinn68 ».NAuin» ricitz^.» (Jener Winkel der Erde lacht mir vor allen sleundlich entgegen.) - 17 - Der Meerbusen von Tarent ist jener Theil des jonischen Meeres, dessen Form einem Viereck ähnelt und der nordöstlich von Apulien, nordwestlich und Mm Theile südwestlich von Calabrien, im übrigen vom jonischen Meere begrenzt wird. Im nördlichen Winkel des Meerbusens befindet sich der östlich vom Capo S, Vito, westlich vom Capo S. Collichio begrenzte Hafen von Tarent. Zwischen den beiden Vorgebirgen liegen die Inselchen S, Pietro und S. Paolo, die von den Griechen ^o,^«^65 (Choerades, d. i. Felsenriffe) genannt wurden. Sie sind durch einen Damm verbunden und bilden einen gewaltigen Wellenbrecher, wodurch der äußere südöstliche Hafen von Tarent vor Wind und Wellen geschützt ist. Doch ist der Hafen im Westen sehr seicht, so dass zumeist nur kleine Schiffe und Fischerbarken daselbst Anker werfen können. Größere Schiffe fahren durch den zwischen der östlichen Insel S. Paolo und dem Capo S. Vtto befindlichen Durchgang in den Hafen, von wo aus sie dann in den geräumigen, nach Noldost gerichteten inneren Hafen (niu,i-6 piooolo) gelangen. Letzterer wird von der äußeren Rhede durch eine Felsenmsel getrennt, auf welcher sich ehemals die Akropolis der Stadt erhob; gegenwärtig liegt dort die Altstadt. Die Insel ist durch zwei Brücken südöstlich und nordwestlich mit dem Festlande verbunden, wahrend die darunter fließenden beiden Canäle das mar« ^rn,nä6 mit dem inui>6 ^i^oolo verbinden. Der sehr geräumige innere Hafen wird durch eine von Norden nach Süden gerichtete und in die I^nta äolla ri^nn^ endigende Landzunge in ein westliches und ein östliches Bassin getheilt. Der unvergleichlich sichere und geräumige innere Hafen bildet einen bedeutenden Kriegshafen mit großem Arsenale. Der Bahnhof liegt im Nordwesten auf dem festen Lande, im Borgn (Vorstadt), wo sich zahlreiche Magazine befindm. E>ue Vrücke mit sieben Bogen führt auf die 2 - 18 — Insel zur ?orw äi Mpoü (Neapeler Thor), so ge-nannt, weil sich von hier aus die Straße nach Norden bis zur ehemaligen Hauptstadt Neapel zieht. Der Stadttheil, wo sich einstens die Akropolis befand, bietet so recht das Bild einer italienischen Stadt. Die Bevölkerung ist in hohen Häusern, durch welche sich enge Gassen unregelmäßig durchschlängeln, zusammengepfercht. Der Unrath wird einfach auf die Straße geworfen; aus den Häusern duften start mit Zwiebel und Knoblauch gewürzte schmorende Speisen, und da der Wind in den engen und krummen Gassen sich vielfach bricht und schwächt, so kann sich die Luft nicht genügend erneuern. Daraus mag man sich einen kleinen Begriff von der Annehmlichkeit des Aufenthaltes in diesen schmutzigen, dunklen Wohnungen Hilden. Der nichts ahnende Spaziergänger lauft jeden Augenblick Gefahr, aus dert mit unappetitlicher Wäsche behan-genen Fenstern einer Bescherung in Gestalt von Kehricht u. dgl. theilhaft zu werden. Dazu kommt das heisere Gekreische der Weiber in salopper Kleidung und mit wirrem Haar, das ohrendurchdringende Geschrei fpie-lender und weinender Kinder, der Lärm der arbeitenden Handwerter, das Ausrufen der ambulanten Gemüse- und Obstverkäufer u. s. w. An der Nordseite führt dem mury pi^olo entlang eine einigermaßen breitere Straße, die den Namen Garibaldis trägt; hier wohnen zumeist Fischer, die einen eigenthümlichen, mit vielen griechischen Wörtern vermengten Dialect sprechen sollen. Mein Aufenthalt in Tarent war viel zu kurz, als dass ich mich davon hätte selbst überzeugen können. Auch konnte ich nicht in Erfahrung bringen, ob die griechischen Brocken in der tarentinischen Fischersprache Reste altgriechischer und byzantinischer Einflüsse sind oder infolge engeren Verkehres mit den neugriechischen Fischern Eingang gefunden haben. Dass jedoch Bewohner gewisser Stadttheile und gewisser Stande - 19 - Eigenthümlichkeiten in ihrer Sprache aufweisen, die sie von den übrigen Bewohnern der Stadt unterscheiden, weih ich aus eigener Erfahrung. An Aussprache und Wortschatz erkennt man beispielsweise in Bosnien die Confrssion des Redenden; noch näher aber finden wir ein passendes Beispiel in der Sprache der Laibacher Fischer aus den Vorstädten Kratau und Tirnau, die zumindest vor einigen Jahrzehnten noch ein ganz entschieden eigenthümliches Gepräge trug. — Die Garibaldistraße bildet einen beliebten Spazierweg, von welchem aus sich an einigen Stellen das Auge an der herrlichen Landschast, welche vom inneren Hafen (mai-6 pieeolo) mit den Bergen Apuliens im weiten Hintergrunde gebildet wird, ergötzen mag. Wie es in Italien keine Stadt ohne eine via Oaridaläi gibt, so darf auch ein Oorso Vitwrio ^manueis nicht fehlen. Diesen Namen trägt in Tarent jene Straße, die im Süden der Stadt längs dem mars ^riinäk führt, eine schöne Aussicht auf die Rhede und die fernen Gebirge der Basilicata bietet und einige fchöne Gebäude ausweist, wie z. B. den Palast der italienischen Nationalbant mit reicher, bunter Renaissance-facade. Eine dritte, mitten durch die Stadt führende Straße hat den anspruchsvollen Namen strata ma^> 3101-6 und ist doch an ihrer breitesten Stelle kaum so breit wie der Laibacher Alte Markt, an vielen Stellen aber ganz enge. Durch diese Straße gelangt man zu der dem heiligen Cataldus, einem Iren, geweihten Domkirche. Dieselbe ist zwar sehr alt und stammt aus dem elften Jahrhundert, bietet aber außen nichts Bemerkenswertes, wohingegen sie im Inneren ganz modernisiert erscheint. Sie hat drei Schiffe, die auf zwei Reihen von antiken Säulen stehen; die Cavitäler weisen verschiedene altchristliche Embleme: Tauben, Ranken, Blüten u. dgl. auf. Die Decke des Mittelschiffes ist flach; die Gemälde in der Kirche sind unbedmtend. 2* - 20 — Interesse erwecken nur einige antike Säulen und die mit herrlicher Marmorincrustation ausgelegte, rechts vom Chore befindliche Kapelle mit ovaler Kuppel. In den Wänden der Kapelle bemerkt man Nischen mit Heiligenfiguren aus Marmor in barockem Stil. Das Tabernakel besteht aus Silber. In die Kapelle tritt man durch ein in bunten Marmor gefasstes Thor und gelangt zuerst in einen viereckigen Raum, der ähnlich wie die Kapelle selbst ausgestattet ist. Da in der Kirche gerade Gottesdienst abgehalten wurde, so erschien dieselbe ziemlich gefüllt. Dazu trug freilich der Umstand bei, dass es Sonntag war und dass in Süditalien die Städte unverhältnismäßig weniger Kirchen aufweisen als in Mittel- und Oberitalien, wo jede Gasse gleich über mehrere Gotteshäuser verfügt, die nur zur Zeit der Mrsse offen stehen, so» dann aber geschlossen werden. — Eine andere alte Kirche ist dem heil. Dominik geweiht. Am Ende der Altstadt befindet sich das Stadtthor korta äi I^6«Q«, durch welches man in die Neustadt und zu der in die Ivi-i-a 6i I^scny, d. i. den südlichen Theil von Apulien, führenden Straße gelangt. Nach dem mai-o ^ranäs hin liegt ein mächtiges mittelalterliches Castell mit Außenmauern, Wchrgängrn, runden und viereckigen Thürmen, das südlich und östlich vom Meere bespült wird. Es bildet einen Bestandtheil der von Ferdinand von Aragonien (1458 bis 1494) und Philipp von Spanien (1554 bis 1598) erbauten Befestigungen. Der künstliche Canal, durch welchen die ehemalige Akropolis von der jetzigen Neustadt (oitta nuova oder kor^o nuovc») getrennt wird, ist 90 m breit, so dass die größten Kriegsschiffe bequem aus dem mai-6 Al-anä« in den inneren Hafen (mar« piccolo) gelangen können. Eine eiserne Drehbrücke vermittelt den Verkehr zwischen — 21 — der Alt- und Neustadt. In letzterer sind die Straßen breit und regelmäßig, von zahlreichen, stattlichen Gebäuden eingefasst. Einen ungewohnten Anblick bieten die vielen Häuser mit den kahlen Wänden ohne An-wurf; doch ist diese Bauart eine ganz gewöhnliche und die zumeist aus Stein aufgeführten Mauern haben wenig von den in unseren Gegenden herrschenden Unbilden des Wetters zu leiden, weshalb sie des Anwurfes leicht entbehren tonnen. Auch findet man in Tarent vielfach flache Dächer. Das über die Bauart der Häuser Gesagte gilt natürlich nicht nur für Tarent, sondern überhaupt für den italienischen Süden. An Alterthümern bietet Tarent nicht viel. In Bädeckers Reisehandbuch wird als das bedeutendste ein von Pros. Viola entdeckter dorischer Tempel aus alter Zeit bezeichnet. Die aus zwei oberen Säulenhälflen im Hofe und Resten des Stylobates im Keller bestehenden Ueberblcibsel sollen sich im Hause der (^nFl-L^a äeiia I'ist^ befinden. Ich fragte die verschiedensten Leute nach dem Hause dieser onriAi-o^a, aber niemand wusste mir darüber Auskunft zu geben. Endlich wandte ich mich an ein paar junge Leute, die das Aussehen vou Studierenden hatten. Dieselben erklärten mir nach längerer Berathung, es sei wahrscheinlich die lüon^ro^a äkll' I^tornitü gemeint. Auch befand sich daK Haus derselben nicht in der ßtraäg, maFßioro, wie Bädecker angibt, sondern in einer benachbarten Nebengasse. Da es mit verschiedenen Förmlichkeiten verbunden war, sich in dieses Haus Zutritt zu verschaffen, so verzichtete ich darauf, die Reste in Augenschein zu nehmen, und begab mich auf die Suche nach anderen Antiquitäten. Im doi-Ao nuovo sind emige Reste des alten Amphitheaters in der Via ^mtiwati'o zu sehen. Auf einem weiten Platze ist das Hospital, ein eigenthümliches Gebäude, das den Eindruck eines mittelalterlichen Klosters macht, auf Mauerresten des Amphitheaters erbaut. — 22 - Auf drei Seiten des Gebäudes find die Grundmauern freigelegt worden; dieselben erwiesen sich als vermauerte Bogen des antiken Amphitheaters. An der Frontseite des Gebäudes aber führt eine Rampe zum Eingänge. Aus römischer Zeit stammt auch die 15 km lange, über die Brücke bei ?orw äi Kapoli laufende, ii tri^lio genannte Wasserleitung. In der Neustadt, im ehemaligen Kloster San Pasquale, sind die in Tarent und Umgebung gefundenen Alterthümer aufgestellt. Reich ist die Vasensammlung, welche Muster aller Epochen, von den rohen Erzeugnissen der vorgriechischen Keramik bis zu den rheginischen mit erhabenen Zieraten, enthält. Hervorragend erscheint die Sammlung tarentinischer Münzen, die wegen ihrer Schönheit berühmt waren. Unter den aus Elfenbein verfertigten Erzeugnissen der Kleinkunst erregten meine Aufmerksamkeit mehrere ganz vorzüglich erhaltene Flöten. Die Sammlung besitzt ferner zahlreiche Alabaster- und Gü'sgefähe, lehtere in mannigfaltig bunter Färbung, zum Theil in Silber oxydiert. Interessant sind die Formen, in denen die Thonftguren fabriksmäßig gegofsen und gepresst wurden. Weiters sind zahlreiche Fabritsstempel erhalten, mit denen die Fabrikszeichen in diese Erzeugnisse eingedrückt wurden. Auch diese Thonfiguren weisen die verschiedensten S>il-arten, von den ältesten rohen bis zu den neueren, künstlerisch bedeutenden des dritten vorchristlichen Iahrhundertes auf. Reich vertreten sind Gemmen, Gold- und Silberschmuck. Von größeren Gegellstünden erwähne ich Altäre, Sarkophage, Säulen, Architekturstücke, altgriechische, römische und phönizische Inschriften, endlich eine große Menge von Reliefen und Discus-fcheiben mit bildlichen Darstellungen. Geringfügig im Vergleiche damit erscheinen die Arbeiten 6n do»36 ronäk, doch zeichnen sich auch unter diesen die Köpfe — 23 — der Persephone und der Aphrodite aus dem Ende des fünften Iahrhundertes und ein Herakles aus dem vierten Jahrhunderte durch große Schönheit aus. Im Osten der Neustadt erstreckt sich ein ungeheuerer freier Platz, der theilweise zur Verdauung bestimmt ist. Im Süden desselben erhebt sich die Kirche S. Francesco mit einem Frauentloster. Im Osten befindet sich ein Garten, durch welchen man zum Administrations« gebäude des königlichen Arsenals gelangt. Dieses hat am maro piccolo eine Ausdehnung von 2 1cm; die Docks selbst sind 200 m lang und 40 m breit; eine große Anzahl von Gebäuden, freien Plätzen und Gärten befindet sich in der gegen die Landseite nahezu 3 km langen Ummauerung. Im Norden des Platzes sieht man die einst dem Erzbischofe Capecelatro (-f 1816) gehörige Villa Pepe. Gegenwärtig ist dieselbe ziemlich verwahrlost; wie herrlich aber die Vegetation derselben ehemals war und wie berechtigt der oben citierte Wunsch des Horaz, seine letzten Tage im Garten Tarents zu verbringen, erschien, davon zeugt die am Eingänge angebrachte Inschrift des ehemaligen Besitzers: 8i rursus Iiei« r)6«oa886t ^äum, forsitan I)su8 issno8oor6t. (Wenn Adam hier neuerdings gesündigt hätte, würde es ihm Gott vielleicht verziehen haben.) Den Eingang zum Garten bildet eine Art Vorhalle mit dorischen Säulen. Da der Garten einige Erhöhungen aufweist, so kann man von hier aus das ganze Arsenal und dessen Anlagen überblicken. Ein anderer prächtiger Garten umschließt die Villa Beaumont-Bonelli. Man gelangt zu derselben auf dem im Norden des inaro piooolo entlang führenden M'ge. wenn man auf dem halben Wege vom Canal bis zur Mauer des Arsenals südwärts abbiegt und den gekrümmten Weg hinaufsteigt. Auch von dieser Villa aus öffnet sich ein schöner Ausblick auf das fischreiche in2.r6 ^iueolo. — 24 — Zur Zeit der Flut und Ebbe sieht man nirgends im Mittelländischen Meere so deutlich den Zufluss und den Abfluss des Meeres wie auf den Brücken, die über die beiden das inai-n piccolo mit dem Tarentinischen Meerbusen verbindenden Canäle führen. Zur Zeit der Flut tommen mit der Meeresströmung Scharen von Fischen durch die Canäle ins marS piccolo und kehren mit der Ebbe wieder zurück. Diese Gelegenheit benutzen die Schiffer, um in der Nähe der beiden Brücken und Canäle reichliche Beute zu erjagen. Auch an Schalthieren ist das mars piccolo reich; Austern und Muscheln (coccio. cocciol«) werden in Menge gezüchtet und gefangen. In dieser Gegend gibt es auch am Meere große Haufen von Schalen todter Purpurmuscheln, die im Alterthume zum Färben verwendet wurden. Von Tarent erhielt ihren Namen auch eine Spinne, die apulische Tarantel, die in Spanien und Südidilicn lebt, >^ 5 cm lang wird, rehbraun mit schwarzen, rothweiß eingefassten Querstrichen am Hinterleibe, schwarz und röthlich gezeichnet am Vorderteil? ist und am Bauche eine schwarze Mittelbinde hat. Man glaubte, der Biss der Tarantel sei giftig, und ein wilder Tanz, die Tarantella, sei das beste Heilmittel dagegen. Allein der Biss ist ungefährlich, und jene Tanzwuth ist nur auf die mittelalterliche geistige Epidemie, die im Tarantismus (Tanzseuche) Ausdruck fand, zurückzuführen. Tarent ist Kreishauptstadt der Provinz Lecce und zählt als Gemeinde gegen 40,000 Einwohner, die Handel, Fischerei und Töpferei betreiben. Die Haupterzeugnisse des Bodens sind: Wein, Oel, Getreide, Südfrüchte; berühmt ist schon seit dem Alterthume der tarentinische Honig. Zu erwähnen wäre noch, dass Tarent als Kriegshafen stark befestigt ist, wozu jedoch — 25 — weniger die mittelalterlichen Mauern und Castelle, als die dem Auge des Laien minder auffallenden modernen Befestigungen in der Umgebung beitragen. III. Mctapont. ^, ^ ??- In einstündiqer Fahrt erreicht man von Tarcnt aus die Gegend, wo ehemals eine volkreiche Stadt lag, gegenwärtig aber nur ein mittelalterlicher Thurm Torremare (Thurm am Meer), das Eisenbahn-Stationsgebäude und ringsumher eiuigc Meierhofe sich befiuden. Die Bahn führt dem Meere entlang in einsamer, langweiliger Gegend; die Küste ist weit hinein ins Land flach und unbewohnt. Wir überschreiten mehrere Fiumaren (Wildbäche), die sich im Laufe der Zeit immer weiter über ihr ursprüngliches Bett ausbreiten, den Boden vermuhren und die Mündung mit Sand und Gerölle verstopfen. Hinter der Station von Chiatona breitet sich an der Mündung des Lato ein Sumpf aus. Bald nach der Station von Genosa überschreitet die Vahn den uubrdeutenden Galaso und hierauf den Bradano, der aus dem Norden der Basilicata kommt, um in der Nähe von Torremare an der Station Metaponto halt zu machen. Eine ungeheuere Ebene dehnt sich da vor unseren Blicken aus, eingesäumt von den Ausläufern der Gebirge von Calabrien und der Basilicata. Im Sommer erscheint dieselbe mit gelb reifendem Getreide bedeckt; der gelbe Teppich wird nur hie und da von Ufergebüsch, cmZelnen Bäumen oder kleinen Gruppen unterbrochen. Auch die Abhänge der fernen Berge ergötzen nicht das Auge durch das saftige Grün von reichen Laubwäldern oder durch den dunklen Schatten von Nadelhölzern. Der Schmuck der Bäume ist überhaupt iu Italien selten; insbesondere in Unteritalien gehören große, zusammenhängende Wälder zu den größten Seltenheiten. Zur Zeit der Saat und der — 2ss — Ernte sind diese Felder belebt, sonst sieht man nur Bewohner der Meierhöfe oder Hirten mit ihren Herden. Denn in Unteritalien gibt es ebensowenig wie in Sicilien Dörfer mit ausschließlich bäuerischer Bevölkerung, die ihre in der nächsten Nähe gelegenen eigenen Grundstücke bebauen würde. Es gibt da nur Großgrundbesitzer; die vom Pächter des Großgrundbesitzers gemieteten ländlichen Arbeiter wohnen in den oft meilenweit entfernten Städten, zwar elend, aber noch immer befser, als in den sieberschwangeren Ebenen. Metapout bildet wohl einen Knotenpunkt für die Bahnlinien Neapel-Metapont und Reggto-Bnndisi, allein der Name Metapont bezeichnet gegenwärtig nur den Bahnhof, wo der Reisende, der übernachten will, auch Zimmer zur Verfügung hat. Aber welch eine berühmte und ausgedehnte Stadt breitete sich ehemals hier aus! Schon in der «Odyssee» 23., 304, wird einer Stadt namens «Alybas», d^ man zwischen den Flüssen Aradano sBradanus) und Basinto (Casuentus) suchte, Erwähnung gethan. Man erzählte auch. dass Nestor und Epeios die Stadt Metapont gegründet hätten. Die eigentliche Geschichte von Metapontion aber beginnt erst im siebenten vorchristlichen Jahrhunderte. Achäische Bewohner von Sybaris kamen unttr Leukippos nach der bereits bestandenen griechischen Colonie, die von den Samnitern hart bedrängt wurde, und erneuerten die verfallenen Stadtmauern. Die Stadt blühte auf und wurde infolge des Oetreidereichthums ihres Gebietes anßerordenllich wohlhabend, so dass sich die 30- bis 40.000 Einwohner, welche die Stadt zur Zeit ihrer Blüte zählte, der Schwelgerei hingebeu tonnten, der freilich die Strafe auf dlM Fuße folgte. Vom Getreidereichthum jener Zeit zeugt auch der Umstand, dass Mewpont in seinem Wappen eine Weizenähre führte. — 27 — Infolge ihrer Weichlichkeit war die Stadt bald den dorischen Griechenstädten in Unteritalien botmäßig, bald musste sie mit den umwohnenden Lucanern um ihre Selbständigkeit kämpfen und nahm zuletzt (im Jahre 331 v. Chr.) Zuflucht zu dem verzweifelten Mittel, den König von Epirus, Alexander, zu Hilfe zu rufen. Später spielten die gleiche Rolle der Spartaner Kleo-nymos. der epirotische König Pyrrhus und im zweiten punischen Kriege Hannibal. Als aber dieser im Jahre 20? v. Chr. am Berge Metaurus besiegt wurde, gieng der Stern Metaponts endgiltig unter. Hannibal nahm die Einwohnerschaft mit in seine Heimat, um sie der erbitterten Rache der Nomer zu entziehen. Seither wird der Name der Stadt hie und da erwähnt, allein der Reisende Pausanias (im zweiten nachchristlichen Jahrhundert), der in seiner 71^,1^5,9 eine Art Reisehandbuch von Griechenland und seinen Cowmen verfasste, sah nur mehr die Trümmer Metaponts. Etwas östlich von der gegenwärtigen Station Metapont befindet sich ein Wasserbecken, das den Nmnen Lago di S. Pelagia führt und worin der Rest des non den Gewässern versandeten antiken Hafens von Metapont zu suchen ist Die antiken Neberreste Metaponts wurden zuerst vom Herzoge von Luynes im Jahre 1828 untersucht. Später fanden im Jahre 1880 neuerliche Ausgrabungen statt. Etwa vier Kilometer vom Meere entfernt steht auf einem von allen Seiten sichlbaren Hügel, der von manchen Archäologen als die Stätte der antiken Akropolis von Metapont angesehen wird, in seinen Trümmern ein dorischer Tempel. Im ganzen sind fünfzehn weithin sichtbare Säulen (zehn an der Nordseite, fünf an der Südseite) erhalten; jede derselben ist aus mehreren Trommelstücken von Kalkstein zusammengesetzt. Sie haben von den Unbilden des Welters viel gelitten; namentlich wurden vom Scirocco die gegen — 28 - Süden gekehrten Seiten stark angefressen, weshalb es erklärlich erscheint, dass die nördliche Langseite des Tempels relativ besser als die südliche erhalten blieb. Ehemals waren diese Säulen mit Stucco überzogen. Sofort nach meiner Ankunft in Melapont wollte ich die Reste des Tempels besichtigen. Ich schlug einen Weg ein, der zwischen den Feldern annähernd die Richtung gegen den Tempel hatte; allein da der Weg plötzlich ein Ende nahm, stand ich eine Zeitlang rathlos da. In der nächsten Nähe befand sich kein Mensch, den ich hätte um Aufklärung bitten können; übrigens hätte mir dies, wie sich's später zeigte, auch wenig genützt, weil ich mich mit den Leuten doch nicht verständigt hätte. So schlug ich denn aufs Gerathewohl einen wenig betretenen, mit Gras überwachsenen Pfad ein und gelangte, die Säulen stets vor mir als Ziel-puult. schließlich doch zu dem mit einer Mauer eingefriedeten Tempel. Leider musste ich mich begnügen, den Tempel nur durch das Lattenthor der Umfriedungsmauer zu betrachten. Den Schlüssel zum Tempel bewahrt nämlich der Altcrthumswächter (Omn-äill ädis Änticliitg,), der in Bernalda, einer 13 Kilometer von Metapont entfernten, 7000 Einwohner zählenden Stadt und Station der Eisenbahnlinie Metapont-Neapel, wohnt. Da ich es unterlassen hatte, schriftlich den Custodeu zu bescheiden, und ich auch keiue Lust hatte, mich länger in Metapont aufzuhalten, so suchte ich, meine Augen mit einem Gucker bewaffnet, durch die glücklicherweise nur aus Latten bestehende Thür die Säulen in Augenschein zu nehmen. Ich sah sie nur von einem Punkte aus, daher ta»n ich die Zahl der Cannelureu jeder Säule nicht angeben; doch dürften sie deren zu 16 besitzen. Die Eapitäler, bestehend aus Hals (?tk^,^^«/^,a,'), weitausladendem Echinus (Igcl, der polstcrähnliche Wulst) und Abacus (viereckige Platte), sind aus je einem Stücke gearbeitet. Ueber — 29 - sämmtlichen Säulen liegt drr arg mitgenommene Archi-trav. Nach den Proportionen zwischen Säulenhöhe und dem unteren Durchmesser zu schließen, dürfte der Tempel im sechsten vorchristlichen Jahrhundert erbaut worden sein. Zwischen den einzelnen Säulen fehlen große Stücke des Stylobatcs, d. h. des Fußbodens, zu dem man aus mehreren Stufen gelangt und auf welchem die dorischen Säulen unmittelbar aufruhen. Da jedoch grohe Zwischenstücke fehlen, so scheinen die Säulen auf Plinthen, d. h. viereckigen Unterlagen zu ruhen, was natürlich nicht der Fall ist Uedrigens ist der ganze Stylobat so dicht verwachsen, dass man von ihm nur weniges wahrnimmt. Ebensowellig kann ich angeben, wie viele Säulen der Tempel überhaupt gezählt haben mag. Doch dürfte das Verhältnis der' Breite und Länge 6:13 Säulen gewesen sein. Im Muude des Volkes heißen die Säulen 'I^vol« ä«i ?n!aäini; man erzählt sich nämlich, dies wären Tische der Paladine gewesen, unter welch letzteren das Volk Tafelgenossen eines saracenischen Fürsten versteht. Ich lehrte nun an einem großen Meierhofe längs dem Fluffe Bradano, der sich nordöstlich in einem tiefen Bette wälzt, zum Meere zu'ück und kam auf verschiedenen Feldwegen in die Nähe der Massaria Sansone. einem von einer Mauer eingefriedeten, großen, zumeist aus antiken Baustücken aufgeführten Gehöfte. In dessen Nähe suchte ich die Trümmer eines anderen Tempels, der im Volksmunde den Namen (^nWli äi 8an8ono führt. Die riesigen Werkstücke dieses Tempels konnten der Volksmeinung nach nur von Samson umgestürzt worden sein. Ich meinte nun. dass Reste eines Tempels auch von weitem sichtbar seiu müssten, es war jedoch weil und breit keine Spur davon zu entdecken. In ziemlich weiter Entfernung von mir arbeiteten an verschiedenen Stellen Leute auf dem Felde. Sie waren, trotzdem es Sonntag war, mil dem Schneiden des — Is> -— Getreides beschäftigt. Ich trat zu einer Gruppe derselben und fragte nach der Kirche Samsons. Sie wiesen nach dem Meere hin und gaben mir dazu ihre Erklärung; leider verstand ich davon kein Wort. Die süditalienischen Dialecte sind nämlich von der toscanischen Schriftsprache derart verschieden, dass sich zwar der Gebildete mit seiner Schriftsprache zur Noth verständlich machen kann, hingegen dem Dialecte der Ungebildeten rathlos gegenübersteht. Ich begab mich wieder zurück auf die Suche — mit gleichem Erfolge. Ein Mann, hoch zu Ross und über die Schulter eine Flinte quer gelegt, tummelte sich fortwährend auf den Feldwegen herum. Bald besuchte er diesen, bald einen anderen Haufen der Arbeiter, Es war offenbar ihr Aufseher, vielleicht auch ein Pächter. Ich vermuthete, dass dieser Mann meinem Wunsche inbetreff der Lage der n!u63k äi ^n«ono leichter werde entsprechen können. Ich stellte mich daher auf einem der Feldwege, die er zu durchreiten pflegte, auf, und als er nach geraumer Zeit erschien, machte ich ein Zeichen, dass ich ihn zu sprechen wünsche. Er hielt sein Pferd an und auf meine Vitte, mir die erwähnten Trümmer zu zeigen, machte er mit der Hand ein Zeichen, dass ich in der Richtung nach dem Meere hin zu gehen habe; dabei erklärte cr mir etwas in derselben unverständlichen Sprache. Nur ein Wort «l^iel au?» hatte ich ersasst, da ich es bereits früher von den Arbeitern gehört hatte. Ich dachte mir, es sei damit der Hügel gemeint, der sich in der Nähe der Na8«6ria ßansons erhebt. Ich umkreiste ihn daher von allen Seiten, blickte immer zu ihm hinauf, erspähte aber nicht die geringste Spur von Tempelresten. Missmuthig schlenderte ich so herum; die Sonne neigte sich bereits zum Untergänge. Da wollte ich noch zum letztenmal? mein Glück versuchen. Es kam mir ein Hirt entgegen, der seine Rinderherde - 31 - in die Na»k6i'iÄ 8an8on6 heimtrieb. Ich wandte mich an ihn mit der schon mehrmals vorgebrachten Bitte. Auch jetzt hörte ich das Wort .cu2», ohne etwas weiteres zu verstehen. Ich bat den Mann, mit mir zu gehen, und unterstützte meine Bitte durch ein Zwanzigcentesimistück. Jetzt rannte der Mann geradeweg« zum «cu2, und denselben hinauf, ich natürlicherweise ihm nach. So war es denn doch dieser «<^U2», der die Reste des Tempels barg! Freilich standen sie nicht aufrecht und nicht auf der Fläche des Hügels, sondern lagen tief in einer Grube in einem bunten Durcheinander von Säulentrommrln. Capitä'lrrn und Architekturstücken. Sie lieferten mir den Beweis, dass auch dieser Tempel dorischer Ordnung gewesen. Er hatte einen Stylobat von fünf Quaderlagen und war, nach der Beschaffen» heit der Capitäler und sonstigen Architelturstücke zu urtheilen, sehr alt. Außerdem musste er bedeutend großer als die ^»volo äoi 1'^Il^ini gewesen sein, denn die Säulen haben fast doppelt so große Dimensionen wie jene des früher beschriebenen Tempels. Wie eine dort gefundene Inschrift beweist, war er dem Apollo Lykeios geweiht. — Enttäuscht von den elenden Trümmern, die mich durch ihre Verborgenheit so lange genarrt hatten, verzichtete ich darauf, die Reste eines Theaters und Ueberbleibsel von Gräbern zu besichtigen, insbesondere auch aus dem Grunde, weil der Abend bereits eingetreten war und ich noch ein gutes Stück Weges bis zum Bahnhofe zurückzulegen hatte. Auch glaubte ich, weil es nach der rafendcn Hitze des Tages kühl geworden war und sich bereits ein leichter Nebel erhob, Vorsicht wegen der Malaria beobachten zu sollen. Diese Krankheit entwickelt sich vorzugsweise in warmen Klimaten und sumpfigen Gegenden, besonders dort, wo sich Süß- und Salzwasser vermengen. Alle diese Erscheinungen treffen an den Küsten Unteritaliens zu. Dazu kommt der Mangel von Waldbäumeu und die — 32 — elende Cultur des Bodens. Die Bahnverwaltungen haben in den Malariagegenden allenthalben Eucalyptus-pflanzungen angelegt und dadurch vielfach gute Resultate erzielt. Der in Australien und den hinterindischen Inseln heimische ^ncal^ptn» Flokulu», auch blauer Gummibaum oder Eisenveilchenbaum genannt, wächst ungemein rasch und erreicht eine bedeutende Höhe. Seine Blätter sind lanzettförmig und haben eine bläulichgrüne Farbe; die Rinde ist rissig und fetzig. Da die Blätter ungemein reich an ätherischen Oelen sind, so bewirkt er durch reiches Aufsaugen der Feuchtigkeit und durch die aromatische Ausdünstung seiner Blätter eine Verbesserung des Klimas und Beseitigung des Sumpf-siebers. Vielfach verkehren an solchen sieherschwangeren Strecken die Eisenbahnzüge nur tagsüber, und der letzte entführt täglich die Vahnbediensteten nach hoher gelegenen Stationen, woher sie am nächsten Morgen wieder zurückkehren. — Tagidarauf verli'h ich Metapont, wo 497 nach Christo Pythagoras in seinem 90 Lebensjahre, verbannt aus Kroton, sein Leben beschlossen hatte. IV. Die Ostküste Calabriens. Von Metavont an führt die Bahn nahe am Meere durch eine ziemlich einförmige Landschaft. Wie bis Metapont, so erstrecken sich auch weiterhin bis zum I^antano äi i'oliLoi-n weithin ausgedehnte, mit Getreide bebaute Ebenen bis zu den calabrischeu Vor« bergen. Das Land ist äußerst fruchtbar, wird aber elend bebaut. Von rationeller Wirtschaft ist keine Rede; alle wissenschaftlichen Errungenschaft!» auf dem Gebiete der Landwirtschaft giengen an Calabrien spurlos vorüber. Die Schuld daran liegt an den Latif»ndien-besitzern. Die ungeheuren, einzelnen Großgrundbesitzern gehörigen Landcomplexe bereiten diesen wenig Sorgen. — 33 — Die Ländereien sind verpachtet, und der Massaio liefert jährlich seine bestimmte Summe dem in Neapel oder Rom lebenden Conte, Marchese oder Principe ab, der seine Besitzungen vielleicht niemals gesehen hat. Dass diese Leute etwas zur Verbesserung des Bodens beitragen sollten, steht nicht zu erwarten. Sie beziehen ihre Einkünfte, und es fällt ihnen nicht ein, davon etwas einzubüßen, wofür nur für die Nachkommen ein Vortheil entstehen könnte, ^prö» nou» ls äö1uF6, lautet ihr Grundsah. Selbstverständlich betrachtet es auch der Pächter nicht als seine Aufgabe, den Boden ertragsfähiger zu gestalten und zu diesem Zwecke aus seinen Mitteln die nothwendigen Ausgaben zu tragen. So ist denn der Landbau im wesentlichen ein Raubbau. In der Regel wird auf ein Jahr Frucht der Boden zwei Jahre lang brach liegen gelassen, während bei rationeller Bearbeitung zwei Ernteu jährlich erzielt werden könnten. Bei Policoro besitzt der Herzog von Gerace einen Bodencomplex von 140 Km2. U^f diesem ungeheuren Raume wohnen in den Meierhöfen (maggoria) etwa drei- bis vierhundert Seelen, das Land aber wird von etwa 5000 Personen bearbeitet, die zur Zeit der Saat und der Ernte aus deu naheliegenden Bergstädten Cala« briens herabsteigen. Da der Pächter möglichst viel Geld herausschlagen will, so drückt er die Preise der Arbeiterschaft, wobei sich der Gewinn häufig auf mehrere Subpächter vertheilt, fo dass die Arbeiter um einen geradezu lächerlichen Lohn arbeiten müssen. So sind die Landarbeiter nur Sclaven der Pachter- diese aber sind auch zumeist dem Gutsherrn gegenüber arg verschuldet, so dass allgemeines Elend die Folge davon sein muss. Zu der elenden Ernährung der Arbeiter, die wegen der geringen Löhne nicht besser sein kann. kommen noch die schlechten UnterkunftsveMltnisse während der Arbeitszeit. Da wohnen die Arbeiter zusammengepfercht in den Hütten, die ich im ersten 3 __ Z^. __ Capitel beschrieben habe, und so ist es lein Wunder, wenn man allenthalben von Hunger und Fieber gebleichten Gesichtern begegnet und wenn insbesondere zur Zeit der landwirtschaftlichen Arbeiten der Tod viele Opfer fordert. Auch dem Sonnenstiche erliegen zahlreiche Menschen. Diese unleidlichen Verhältnisse bringen es mit sich, dass jährlich große Scharen von Landleuten nach Südamerika auswandern, um sich dort eine menschenwürdigere Existenz zu suchen. Die Eisenbahn überschreitet eine große Anzahl von Fiumaren, deren Bette beim Baue der Eisenbahnbrücken eingedämmt wurden. Zuerst kommen der Basenw (Casuentus), Cavone und Agri (Aciris). Am letzteren lag einstens die im Jahre 432 gegründete tarentmische Colonie Heraclea. In der Nähe dieser Stadt besiegte im Jahre 280 v. Chr. Pyrrhus, der König von Epirus, die Römer. Die Stadt lag an Stelle des von den Tarentinern und Thuriern zerstörten Siris und war zur Zeit der Unabhängigkeit der Städte Grotz-griechenlands der Sitz ihrer Congresse. Die Stadt existierte noch im sechsten nachchristlichen Jahrhunderte. Berühmt ist sie auch als Vaterstadt des griechischen Malers Zeuxis lf ca. 397 v. Chr.). An der Stelle der Stadt breitet sich gegenwärtig ein Wald aus, der nach dem Schlosse «Policoro» (einst im Besitze der Jesuiten, gegenwärtig Eigenthum des Herzogs von Gerace) I^nt«,no äi ?c>1i«or0 heißt. Der Name «Pantano» bezeichnet eine sumpfige Gegend, etwa das, was im Deutschen eine »Au» genannt wird. Thatsächlich ist der Küstenstrich bis an den Fluss Sinni, der bei den Alten Siris hieß. sehr sumpfig. Wenn wir den I^ntan« äi I'olieoro einen Wald genannt haben, so ist darunter freilich kein Wald in unserem Sinne Zu verstehen. Das Oberholz (Platanen, Eichen, Linden u. s. w.) ist in entschiedener Minorität, dagegen ist das Buschwerk (Myi ten, Oleander, Erd- — 35 — beerbäume, verwilderte Oelbäume, Lentiscus u. s. w) in üppigster Fülle vertreten. — Bei Luce, in nächster Nähe von Heraclea, wurden die berühmten Erztafeln von Heraclea (wdula Uorlldsn^s) aufgefunden, die jetzt in der Falikria I^piä^ri», des Neapler Museums (Nr. i^480 und 2481) aufbewahrt werden. Auf einer S»ite enthalten die zusammengehörigen Tafeln in alt-griechischer Sprache Bestimmungen über Tempelgüter, auf der anderen sind in lateinischer Sprache die Bestimmungen der Isx ^lulia munioipalis des Julius Cäsar, die dieser hinsichtlich der Stadtrechte erlassen hat, eingegraben. Die Gegend ist. wie erwähnt, ein Herd des Sumpssiebers. Zu dessen Ausbreitung trug folgender Umstand wesentlich bei: Im Mittelalter beunruhigten saracenische Corsaren fortwährend die Küsten von Italien, so dass sich die Bevölkerung gezwungen sah, die Küste zu verlassen und sich weiter von derselben auf Anhöhen niederzulassen. An den Küsten wurden Wachtthürme errichtet, wie sie noch heutigen Tages der Küste entlang sichtbar si»d. Infolge dieser Auswanderung wurden die Wasserlänfe vernachlaisigt, und die Mündungen d?r Flüsse versandeten. Da das Wasser keinen regelmäßigen Ablauf fand, so wurden die ehemals fruchtbaren Gefilde versumpft, und da ferner alle sonstigen Bedingungen zur Entwickelung des Sumpffiebers vorhanden waren, trat alsbald an Stelle des früheren gesunden ein mörderisches Klima ein. Die Bahn verläuft in der Ebene, ihre Stationen bilden nur die Amtsgebäude, während die dazu gehörigen menschlichen Niederlassungen viele Kilometer weit entfernt sind. Es ist nicht zu bezweifeln, dafs sich die Bevölkerung in der Niederung ansiedeln wird, sobald die sanitären und wirtschaftlichen Verhältnisse einen Umschwung zum Besseren genommen haben werden. 3* — 3ss — Bei der Station «Nuova Siri» tritt die Bahn knapp ans Ufer und begleitet dasselbe bis zur Station Trebisacce. Die Städtchen auf den Spitzen der rechts (westlich) liegenden Hügel, wie Tnrsi. Rotonoella, Nuova Siri, Nocca imperial?, Montegiordanu, haben eine romantische Lage. Erst Roseto liegt unmittelbar an der Bahnlinie. — Rocca imperiale ist am AbHange eines ziemlich steil aufsteigenden Hügels gelegen. Die Straßen erstrecken sich an dem Adhange parallel übereinander. Da die mit flachen Dächern versehenen Häuser so ziemlich die gleiche Hohe haben, so bietet die Stadt von weitem den Anblick einer von einem mächtigen Schlosse gekrönten Terrasse. Links am Meere fesselt das Auge ein sonderbares Gebäude, offenbar der Rest eines Wachtthurmes. Dasselbe besteht aus einer riesigen abgestutzten Pyramide, deren untere Fläche auf einer viereckigen Platte ruht, während um die obere rin weit ausragender Wehrgang führt. Allenthalben sieht man auf den Feldern Gebäude eigenthümlicher Construction, die wahrscheinlich als Getreidespeicher dienen. Es reihen sich hintereinander mit der Langseite zwei bis vier, vielleicht auch mehrere Gebäude nut Giebeldächern an. Wo die einzelnen Giebel aneinanderstoßen, sind dreieckige Stützmauern vom Boden bis zu diesem Punkte aufgeführt. Der Eingang findet durch die in der Mitte der Langseite des vordersten Gebäudes angrbrachte Thüre statt. Auch bei Roseto, 50 Km von Metapont, befindet sich am Meere eine eigenthümliche Ruine, die mit der von Rocca imperiale Äehnlichkeit hat. Ueber derselben erhebt sich hoch hinauf ein Thurm aus Backsteinen, ganz einem Kirchthurme ähnlich. In der Nähe der Stadt bemerkt man zahlreiche Thürme, die zweifellos ehemals einer zusammenhängenden Befestigung angehörten. Bei Trebisacce, das sich auf einem Hügel halbkreisförmig ausbreitet, beginnen die Berge zurückzutreten, - 37 - und da bietet sich dem Auge ein herrliches Schauspiel dar. Die Bahn tritt ins Thal des Crali und entfernt sich etwas von der Küste. Das weite Thal umschließen im Norden die steil abfallenden Abhänge des wild zerklüfteten Monte Pollino (2248 m hoch), auf dem der Coscile entspringt. Im westlichen Hintergründe sieht man die mit der Westküste von Calabrien parallel streichenden Bergzüge des Apennin, deren höchste Erhebungen der Monte Pellegrino (1986 m) und der Montea (1784 m) bilden. Eine Menge von Flüsschen entspringen auf diesem Bergrücken, die sich alle im Thale in den Coscise ergießen, während sich dieser ostwärts mit dem Crati (Krathis) verbindet, der von dem Süden her nordwärts und später ostwärts flieht. Im Süden erheben sich die gewaltigen Recken des Sila-gebirqes, aus welchem hintereinander in südlicher Richtung die Spitzen: Serra (Gebirgsmauer) Crista d'Acri (1125 m), M. Paleparto (1481 m), M. Petti-nascura (1707 m), M. Donato s1930 in) u. a. hervorragen. Die Formationen der Berge sind bezaubernd; ganz besonders erfreut sich das Auge an dem sonst so seltenen dunklen Grün der Fichtenwälder, die dem Gebirge den Namen gegeben haben. (8i1a — b'^ --- Wald.) Beim 80. Kilometer liegt die Stadt Auffaloria. die gegenwärtig officiell den Namen Sibari führt. Seit der Einigung des italienischen Reiches ist die Regierung, entsprechend ihrer anerkennenswerten Fürsorge für die Aufdeckung und Ausgrabung der Reste des classischen Alterthums, bemüht, auch für die modernen, an Stelle der zerstörten griechischen und römischen Ansiedelungen oder in deren Nähe gelegenen Städte die alten Namen wieder in Gebrauch zu nehmen. Sibari ist Ausgangspunkt für die Bahn nach Cosenza, wo der Weftgothcntönig Alarich (410 n. Chr.) - 38 - starb. Die Stadt wurde um das Jahr 720 v. Chr. von Achäern und Trözeniern gegründet und hatte zur Zeit ihrer Blüte 25 Gemeinden unter ihrer Botmäßigkeit. Berüchtigt waren die Sybariten ob ihrer sprichwörtlich gewordenen Ueppigkeit. Die Stadt wurde 510 v. Chr. von den Crotoniaten zerstört. Die Sybariten hatten 300.000 Mann unter Telys ins Feld gestellt, während die Crotoniaten 100.000 Mann stark unter Milon, dem berühmten Aihleten, ausgerückt waren. Milon ließ Melodien aufspielen, nach denen die Pferde der Sybariten zu tanzen pflegten, und so wurde die überfeine Cultur der Sybariten für diese die Quelle ihres Unglückes. Die Reste der Sybariten gründeten zwei Stunden Gehweges südwestlich von ihrer früheren Heimat, jenseits des Crathis bei dem heutigen Orte Terranuova, die Stadt «Thurii», die sie nach einer nahe gelegenen Quelle benannten. Im Jahre 443 sandte Athen eine Colonie dahin aus, und unter den Ankömmlingen befand sich auch der Historiker Herodot. Desgleichen steht der Name des Gesetzgebers Charondas uus Katane mit Thurii in Verbindung. Im Jahre 204 ließ Hannibal die Stadt plündern, weil sie sich mit den Römern verbunden hatte. Im Jahre 193 schickten die Römer dahin eine Colonie ab, die den Namen «Copiae» bekam. Die Stadt gieng im Mittelalter zugrunde, wann, ist unbekannt. — Nachdem die Crotoniaten Sybaris zerstört hatten, führten sie den Fluss Crathis über die Ruinen. Deshalb erwiesen sich die 1888 begonnenen Ausgrabungen so unergiebig, dass sie eingestellt werden mussten. — Das neue Sibaris ist eine unbedeutende Stadt. Das Meer schneidet in weitem Halbbogen ins Land und bildet einen Meerbusen, dessen Küste flach und sumpfig und durch zahlreiche Fiumaren zerrissen erscheint. Wegen des im Crathisthale herrschenden - 39 - Fiebers sind alle Ansiedlungen weit von den Bahnhöfen, oft zu 10 Kilometer, entfernt. Bei Corigliano, einer rechts auf einer Höhe liegenden, von einer Burg gekrönten Stadt von 12.000 Einwohnern, wendet sich die Bahn ostwärts und berührt Rosscmo, das ebenfalls 8 Kilometer vom Bahnhofe liegt und als Geburtsort des heil. Nilus und durch seine Alabasterbrüche berühmt ist. In Sibari hatten wir längeren Aufenthalt, den ich zu einer Stärkung in der Bchnrestauration benutzte. Es war wohl lein sybaritisches Mahl, das ich da einnahm. Außer Schinken, Brot und Wein war nichts zu haben. Im allgemeinen sind die Bahnrestaurationen in Italien, selbst im Norden, mittelmäßig; die Gastwirtschaften im Süden entsprechen nicht einmal tief gestimmten Anforderungen. Fremde besuchen diese Gegenden sehr selten, die Einheimischen finden Gast» freundschaft bei Bekannten oder bringen sich ihren Proviant mit, oder beschränken sich endlich auf den minimalsten Aufwand für die Bedürfnisse ihres Leibes; denn in Italien isst man wenig und zumeist schlecht. Unvermeidlich sind im Süden die Maccaroni. Bittet bei uns jemand um ein paar Heller, um sich Brot zu kaufen, so bettelt der Süditaliener um einen Soldo, um sich Maccaroni zu versch«fftn. In Calatafimi, einer Stadt Siciliens von 10.000 Einwohnern, fand ich um 2 Uhr nachmittags im «Albergo Garibaldi» keinen Einlass, da alles versperrt war und die Bewohner vi^ll« icht schliefen. In einem anderen Albergo, das sich das stolze Epitheton «esntraic-» beilegte, war auch nichts zu b'lommen, so dass ich meinen Hunger bei ein^m Greisler mit Brot und hartgekochten Eiern stillen musste. In Sibari bestieg den Zug eine große Schar junger Calabreser, die später in Catanzaro-Marina austraten, um nach Eatanzaro zu fahren. Es waren — 40 - Recruten. Ihre Kleidung bestand aus Kniehosen, Strümpfen, einer Jacke und einer Binde um die Hüfte. Alle. ohne Ausnahme, waren dunkel gekleidet. Charakteristisch erschienen mir die ellenlangen, gewirkten blauen Zipfelmützen, die sie zuerst vom Hinterkopse gegen die Stirne hinziehen, dann umbiegen und wieder zurück nach dem Nacken wenden, um deren langen Zopf über dem Nacken spielen zu lassen. Mir wnr es unbegreiflich, wie bei der Lebhaftigkeit der Jünglinge diese Mützen das Gleichgewicht auf dem Kopfe erhalten konnten. Die armen Jungen dauerten mich Es war einige Monate nach der Niederlage der Italiener in Abessinien. Wo man hinkam, waren damals Truppen-und Recrutentransporte nach Neaprl zu sehen, die von dort nach Abessinien eingeschifft wurden. Wie viele diefer armen Leute haben ihr Vaterland nicht wiedergesehen! Und wenn wenigstens ein Erfolg zu verzeichnen gewrsen märe! Aber nichts davon; selbst die militärische Ehre hat eine empfindliche Scharte erlitten, die bisher nicht ausgewetzt werden konnte! Von Capo Trionto, wo die Nahn den gleichnamigen Fluss überfetzt, führt diese zuerst in südöstlicher, dann in südlicher Richtung bis zur ^unw äoll' ^!i«s, beziehungsweife bis zur Stadt Cotrone, stets am Meere. Die Landschaft ist durchaus anziehend. Zur linken Hand das Meer, zur rechten Pflanzungen von Wein, Oel, Südflüchten, dahinten auf Hügeln die Ortschaften malerisch gelegen, im Hintergrunde die Berghohen des S'lagebirges. Das 8 bis 10 Kilometer von der Bahnstation entfernte Stwngoli, zu dem nicht einmal eine gut fahrbare Straße führt, ist auf einer steilen Anhöhe erbaut. Im Alterthum lag hier Petelia, das Philoktetes gegründet haben soll und das, weil es zu den Römern hielt, von Hannibal belagert wurde, wobei fast alle Bürger zugrunde giengen. Hinter Strongoli überschreitet die Bahn den am __ 41 __ M. Donato entspringenden Neto und erreicht Cotrone, die erste links von der Bahnlinie auf einer Landzunge liegende Station. Es ist dies das alte Croton, eine 710 v. Chr. gegründete achäische Colonie. Im Kriege mit den Sybariten soll sie 100.000 Mann ins Feld gestellt haben. Die Stadt war ihrer wohleingerichteten Staatsverfassung und ihrer Bildung wegen berühmt. Hier wirl'en viele Jahre Py'ha-goras und sein Schüler Milon, der die Sybariten besiegte (5l0). Aber auch die Crotoniaten selbst wurden am Flusse Sagras von den Lotrern besiegt, mussten gegen die Bruttier und Lucancr Krieg führen und wurden 299 vom syrakusanischen Tyrannen Agathokles niedergeworfen. Hannibal hatte hier einen Waffen-Platz; 194 wurde von Rom aus eine Colonie dahin geschickt, allein die Stadt verfiel. Von der Stadt selbst sind nur wenige Reste der Stadtmauer erhalten, hingegen ist Croton als Fundort prächtiger griechischer Münzen berühmt. Im Süden von Colrone erlitt Kaiser Otto II. am 13. Juli 982 eine Niederlage von den Arabern. Kaiser Karl V. erbaute hier eine mächtige Burg mit mehreren Thürmen. Die Stadt zählt etwa 7000 (als Gemeinde 10.000) Einwohner. Bei Cotrone verlässt die Eisenbahn das Meer und umfährt eine bergige Halbinsel, deren höchste Sp'tze der M. Perotta (173 m) ist. um bei der Stazione d'Isola wuder ans Meer zu gelangen, das von hier an in einem großen Bogen bis zur Punta di Stilo den Golf von Squillace bildet. Die oben genannte Halbinsel hat vier Vorgebirge, das nördliche C. Colonne, die mittleren C. Cimiti und R'zzuto und das südliche C. Castella genannt. Das Capo drlle colonne oder Capo Nao hirh im Alterthum proinunwrium I^aoinium s«x^x^ ^/,,^,/^5«,), d. h. das am Vorgebirge Zephyrion (Capo Brazzano) gelegene Locri.* Die Stadt wurde früh bekannt durch die Gesetzgebung des Zaleukos, der in der Mitte des 7. Jahrhunderts zuerst geschriebene Gesetze gegeben haben soll und häufig mit Charondas verwechselt wird. Der ältere Dionys von Syrakus begünstigte die Stadt, die später von dem jüngeren Dionys, von Pyrrhus und den Römern viel zu leiden hatte. Nach der Schlacht von Cannae fiel sie von den Romern ab, wurde aber von Scipio wieder erobert. Sie wird seitdem wenig erwähnt. Berühmt war ein vor der Stadt gelegener Tempel der Persephone. Bei ^orry äi Horace sah man ehemals die spärlichen Reste der Stadt, die den * Am jonischen Meere lasten übrigens noch andere griechische Colonien: Caulonia am Flusse Alara (Sagras), wo die bereits erwähnte Schlacht zwischen 1l).l)l)l) iiokrern und 130,900 Crotoniaten stattfand und mit der Niederlage der letzteren endete «heutzutage Castelvetere und officiell wieder Caulonia genannt, erste Station vor Roccella Ionic«): dann Petelia sStrongoli) und Matalla, vielleicht am Flusse Lipudi, nördlich von Strongoli. — 4b - Namen «snto «ain^rsllo (hundert Kammern) führten. Seither sind sie wieder vergraben worden, und über ihnen erhebt sich ein Orangengarten. Das heutige Gerace besteht aus dem Hafen <3^r»c6 Uiirinn und dem sieben Kilometer westlich auf einem Fels liegenden