Beilage zur Kaibacher Zeitung. ^U H. Mstcr Jahrgang. A. Februar R8«. Die schneebelad^nc Tanne. ^s hat dic Nacht den Tauucubanm Mit frischem Schnee belastet, Wie froh auf seinem Silbcrflaum Die müde Seele rastet! Gebrochen sind vom schweren Druck Nun seine dürren Zweige; Sie liegen traurig, ohne Schmnck Zerstreut am Hiigelstcigc. So, wcuu ciu Kummer mich bedrängt, Entfallen mir dic Schwächen; Was abgestorben an mir hängt, Ich laß es ruhig brechen. Es grüut au mir noch mancher Ast, Der stark sich beut dem Drucke; So trag' ich stolz des Lebens Last, Mir und der Welt ;nm Schmucke. Das Jagerhaus. Novelle von Moritz Reich. (F ortsctzuu g.) <°G^er Waldmeister sah ans der Ferne dem geschäftigen Treiben hinter einem dicken Stamme zu, wie er glaubte, selber ungesehen. Er bemerkte mitten unter den Lcnteu einen Mann mit grünem Hut, der ihm fremd schien; derselbe stand müßig da und schien nur aus Kurzwelle zuzuschauen, ein -ilndever stand neben ihm lind erklärte, wie dem Waidmann danchtc, dem Fremden den Hergang des Geschäftes. Das wird am Ende der Hamburger sein und sein Gehilfe, der Neqeile! dachte der Alte und ging weiter. Wir können es freilich nicht wissen, durch welche Ideenverbindimg angeregt, seine Erinnerung im Schachte der Erlebnisse nach der Geschichte spürte, welche seinen Sohn Edmund ans dem väterlichen Hause gejagt hatte. Er sah ihn vor sich, den schlau« ken, blonden Burschen mit der Fliüte über der Achsel, wie er durch den Wald bürschte, der Hmid luftigbellend vor ihm heü'prang, alle Leute nach ihm umsahen — „o, er war ein herrlicher Junge, ganz Lconore! Nur uoch den Kern des Mannes in der Vrnst! Er hatte meine Hitze und der Mütter Sanftmuth zugleich und doch — doch hat er ihn erschossen! Jeden Andern hätte er in Gottes Namen erlegen können, wenn er ihm ins Gehege kam, nur den nicht, seinen Neben« buhler nicht! Wie war's doch? hin, sind freilich schon eins, zwei, drei — sieben Jahre! Ist mir's doch, als wäre es gestern geschehen! Ich lag schon, 's war :nir aber auf einmal unheimlich geworden, ich stieg heraus, öffnete das Fcn-! ster und sah den Mond über dein Vnschc herkommen; da ! kam's unten auch hervor, es jagte, kam nahe, ich erkannte l Edmund, ich konnte »icht von der Stelle, ich konnte nicht ' schreien, ich war eingewurzelt wie ein Baum; er stieß die Thür auf, stürzte herein, todtcnbleich, stumm zu meinen i Füßen! So lag er eine ganze Viertelstunde und keiner von uns Vciden kointte ein Wort sprechen; dci kratzte Etwas au der Thür, Leon kam bellend hereingejagt uud in seinem Maule trug er etwas, 's war eine blutige Mütze — da ! kam Edmunden die Sprache, er schrie! „Vater, ich that's nicht gern, ich habe Konradin erschossen!" ! „Konradin?" frug ich entsetzt, „Vubc, den Kouradin? ! weil er Grete drüben im Hammer freit, weil er sie hei« ! raten soll nach dem dritten Aufgebot? Hast ihm aufgelauert drüben, wie er von seiner Vraut ging, piff, paff, weg ist lir!" und piff, paff, schlug ich ihn um die Ohren und er sprang auf, lief hinaus und auf uud davon, ohne Geld, ! ohne Alles! Ich schlief die ganze Nacht nicht, früh rief ^ Leonore hundert Mal: „Edmund!" er war nicht da! Ich tröstete sie, er werde wieder kommen, sie weinte laut; er ^ kam nicht. Kouradin ward im Walde gefunden, verwundet, nicht todt, doch er starb am dritten Tage; alle Welt rief: Er wollt' ihn wegräumen! und jetzt erst, wo die dumme Welt so einstimmig darüber war, stieg ein Zweifel iu mir auf, ich wollte Gretc fragen um ihre Meinung, ich frug, mir däucht so, auch den Konradin auf seinem Krankenlager. Grete meinte, Edmund sei dafür zn gut: Konradin: er habe ihm aufgelauert! Aber konnte der Wilddieb nicht lügen? — Mein Sohn irrt iu der weiten Welt umher, und ich weiß ! nicht, soll ich mich anklagen, oder ihn, oder das Schicksal! Geschehen ist leider geschehen! Meine Haare werden mit Kummer in die Grube fahren." Hier riß die Gedankcukctte entzwei, denn vor ihm lag ! der Schwarzgrund, ach, nicht mehr in düsterer Majestät — wie ein Heer uach dcr Schlacht, in dem dic Kanonenkugeln furchtbar aufgeräumt, sich traurig sammelt, hie und da cin 14 Hetzen, die gediegene Masse zerrissen in tausend Splitter — ! ft so lag der uralte Wald vor ihm' Die Vaumleichen lagen ! g unzählig ausgestreckt, eine über der auderu, ein weites i ^, Schlachtfeld, die spärlichen Neste standen stumm da und ! sc trauerten über den Tod ibrer Brüder, ein leiser Ost bewegte ^ h ihre Zweige, als theilten sie ihrem alten Freunde nün ihren ^ h Schmerz mit, da er ihnen so oft den seinigen mitgetheilt. ! st Der Waldmeister schlug z» wiederholten Malen die Hände ^ h über den Kopf zusammen u»d rief: Herr Jesus, ach, Herr - ^ Jesus! Gr bemerkte nicht, daß der grüne Hut vom Meiler ^ ihm durch die Vuchenallee nachgeschlichen, daß er seine Ver- i h wuildcrung und Wehklage von einem Versteck aus beobach- ! ^ tete. Er ging endlich, nachdem er lange so erschrocken da- j gestanden hatte, und die Möglichkeit des Unglücks noch immer ! 5 zu bezweifeln schien, den ganzen weiten Busch durch, um , z den Schaden genauer zu besichtigen, als könnte er ihn wieder ! , heilen; bei jeder neuen Gruppe gefällter Lieblinge stieß er s einen Seufzer ans, ein Nabe krächzte über ihm, er sah ihn z § auf einem hohen Fichtcnwipfel sitzen in seiner schwarzen z c Tracht und sagte: „'Alle Waldvögel sind entflohen, ver- ! <, scheucht von den Metzgern, '6 ist stumm im Busch, nur der ^ , Todtenvogcl krächzt!" i , Die Sonne brannte vom reinen Himmel nieder auf , j einen Fleck, wohin sonst nie, ein warmer Strahl gedrungen, ^ . dem Alten wurde heiß zu Muthe, er fühlte stch matt und ! schläfrig; er suchte daher zum letzten Male einen schattigen ! Nuheort, zum letzten Male wollte er im Schwarzgrunde schlummern, dann nie wieder mit einem Fuße diese enthei» ^ ligte Stätte zu betreten. Er legte wie sonst sein Gewehr neben ^ sich, vergrub sein Angesicht im Moose nnd schlief ein. Nun ^ trat der mit dcm grünen Hute vorsichtig heran; es war ein Mann von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, schön gebaut, mit einem in mehreren Farben spielenden Vollbart; seine ! Kleidung war die eines Waldmannes: hohe, über's Knie > gehende Stiefel, ein kurzer, grauer Nock mit grünem Kragen, > zugeknöpft bis zum Kinn, wodurch sein schöner Wuchs her» vorstach. Als er nahe gekommen war, zog er unwillkürlich i den Hut und stand mit entblößtem Haupte, das ein kurz- ! geschnittenes, blondes Haar bedeckte, vor dem schlummernden Alten. Wehmuth sprach aus seine» Zügen, es zuckte oft um seine Mundwinkel wie ein bekämpftes Schluchzen, zwei männliche Thränen fielen heiß in das weiche Moos. Hierauf zog er sich zurück, blieb aber oft stehen und sah immer und immer nach dem Schlummernden hin, als risse er sich nur schwer von seinem Anblicke los. Nicht gar lange war er im Dickicht verschwunden, als der Alte auffuhr, nach dem Gewehre griff und nach allen Seiten spähte — es war nur die mechanische Wiederholung einer oft ausgeführten Art zu erwachen, aber kein stolzer Hirsch war durch's Ge- ^ büsch gebrochen, nur ein Mann hatte sich geräuschlos ent- ! fernt. — Verlassen wir nun den auf seinen gewiß nicht nn. ! angenehmen Traum sich besinnenden Waidmann, es spielt ein Lächeln um seine Züge, kummerloser verläßt er den Schroarzgrund, als cr ihn betreten, das ist gewiß! und ! seben wir nach dem Pärchen, das, zwei Schmetterlingen ^ gleich, welche in blauer Sommerluft kosen, sich jetzt neckend ! verlassen, um gleich wieder einander zu erjagen und mit-^ sammcn weiter zu stiegen, sorglos um Ort und Zeit, längs ^ der in Schlangenlinien schweifenden Klause schwärmt. Sie , haben ihre Hüte gewechselt, er trägt ihren Strohhut, den ! sie ihm mit allerlei Waldblumen früher bekränzte, und sie ! den seinigen, von ihm mit Ephcu geschmückten; phantastisch ! wie Oberon und Titania, clfenleicht., mit Puck's schalkhafter Laune, und Romeo's und Julia's Liebe im Herzen. Sie ! bewundert seinen markigen und doch leichten Tritt, er ihr ^ göttergleiches, in sich ruhendes Schweben; oft enteilte sie ^ ihm rechts uud links, um da eine Veronika, dort eine ^ Nacht-, hier eine Königskerze mit goldenaufgeküßten Blüthen ! zu pflücken und in ihr zierliches Körbchen zu sammeln. Sie ! weiß ihn fortwährend durch eine neue, wunderschölle Aus-, sicht zu überraschen, sie ist vertraut, wie Diana, mit allen i Schlupfwinkeln des Waldes, mit allen Windungen des Ba-i ches; jetzt ruhen sie auf einer Moosbank, von wo sie das ! ganze Thal mit all seinem reizenden Buschwerk am Bache und gegenüber einen Fels überschauen, an dessen Nandc , vier silberweiße Birken prangen, deren helles Laub lustig 5 im Winde raschelt. „Dort," sagte Heinrich, „möchte ick) mein Himmelbett ausspannen, zwischen den vier Birken am ! Felsen, und eingesungen von Wind und Welle schlummern ' und von Leonoren träumen!" Hier ergriff er ihre Hand ' und vergaß über den Anblick derselben alle seine Wünsche. ' ! „Wie geistig ist diese Hand!" rief er entzückt, „wie ' > hat sich Deine Seele so reich bis in die Fingerspitzen er« ^ ! gössen! Pfui, über meine Sprache, daß sie für Dich keinen l neuen, menschlicheren Ausdruck weiß! Umfange mich, Leo-? nore, fest, noch fester. Ihr Seligen, schaut herab, uud ^ ! saget selber: die Erde ist ein Himmelreich!" — l ! „Heinrich!" lispelte Leonore, „Dn Einziger! Ich halte < ! Dich umschlungen mit diesen Liebesarmen wie Epheu, ich ' schüttle Dich wie einen Baum, und Frucht und Blüthe reg-) ! net es auf mein Haupt! Ich beklage meine tausend Schwc» ° ! stern in der weiten Welt, daß diese nur Einen Heinrich ' hat, und jauchze, daß ich diesen Einen in meinen Armen e halte! Umschlinge Dn auch mich, Geliebter, fest, fester'. ,, Dn Bach, du Wald, 0 Fels, Himmel und Erde, ihr Fische, !. Vögel und du Wild, seid Zeugen meines Glückes!" — h „Küsse mich, Holde, noch ein Mal! küsse mich ohne se Aufhören, daß meine Stimme in Deinem Vlumenodem er-ic sticke und ich nicht mehr lispeln kann: küsse mich!" ch So tauschten die Liebenden in holdem Liebesspiel Worte lr um Worte, Küsse um Küsse. Die rothen Erdbeeren er« !N gössen um ihren Moossitz ihre würzigsten Düfte; die Bienen e- > summten neidisch um ihre sanft glühenden Lippen, bunte t- ! Schmetterlinge gaukelten um sie her, die kleinen Forellen „« ! streckten ihre Köpfchen neugierig lauschend aus der langsamer !lt ! rieselnden, krystallhcllen Fluth empor, und neckische Eichhörnen chen hingen horchend über ihnen auf den wiegenden Zweigen, ad bestreuten sie mit grünenden Blättern, und fröhlich sangen 15 die Waldvögelein das hohe Lied der Liebe. Sie verweilten auch nicht einen Aligenblick länger in diesem berauschten Ineinander, als es eben ihre Natur gestattete, keine Willkür mischte sich zwingend in das freie Seelenspicl, das nnr einem innern Gesetz, keinem äußeren folgte; sie gaben sich wieder den leiblichen Bewegungen hin, wenn die der Seelen ruhte; der Geist sprach, wenn die Seele schwieg; so blie« ben sie immer lebendig und hätten ohne Langweile mit einander fortwandern mögen bis cm's Ende der Zeiten. „Viele haben Herz," sprach Heinrich, „Wenige Seele!" „Wie meinst Du das?" frug Lconore und blickte ihm neben ihm wandelnd, ganz fragend in das Antlitz. »Das Herz," erörterte Heinrich, „ist der Rohstoff, der erst zur Seele hinanfgeläutert werden muß; er wird geläutert durch die Liebe, und wie Wenige lieben!" „Warum Wenige?" „Weil die Meisten nur sich, nicht die Person ihrer Liebe lieben! Lconore, wenn ich Dich fragen höre, geht mir das Herz auf. Du weißt zu fragen, Dir sieht man am ganzen Ausdrucke des Antlitzes den Ernst der Frage an, man erkennt, daß Dir die Wahrheit am Herzen liegt, daß Du nicht Deine Behauptungen in Fragen hüllst, um Anmaßung in Bescheidenheit zu kletden; Du hörst den Andern, nicht Dich und das ist Liebe, das ist Seele, ist Geist!" „Ich weiß nicht," sagte Leonorc, „wie ich mich jetzt an einen Menschen erinnere, der mir, bis ich Dich kennen lernte, wohl der Theuerste auf Erden war, ich meine meinen Bruder!" „Du hast einen Bruder?" „Ich hatte einen, und da ich ihn hatte, hab ich' ihn noch! Niemand kann ihn ans meiner Seele reißen, wenn auch aus meinen Armen, er selbst nicht, ja, mein Wille nicht!" „Wo ist der Bruder?" „Ich weiß es nicht! Komm, die Schatten der Bäume strecken sich, die Sonne sinkt, kehren wir in's Jägerhaus zurück, ich will Dir eine traurige Begebenheit erzählen, die Dir ein ganz neues Schlaglicht auf unsere Häuslichkeit werfen wird." Sie erzählte, er war ganz Ohr: als sie mit der Ge-schichte fertig war, die sie mit aller Lebhaftigkeit, mit aller Wärme einer jugendlichen und doch gereiften Phantasie, belegt, und doch nur den Hörer berücksichtigend, mehr dar-gestellt, als vorgetragen hatte, und man schon das rothe Dach des Jägerhauses herüberwinken sah, verklärte Heinrich's Angesicht eine stille Seligkeit, und er sprach mit tiefen Seelentönen: „Und wenn er noch lebte, wenn er wiederkehrte? Wenn er nur deßhalb geflohen, weil er im jähen Verdachte eines liebenden Vaters das zähe Verdammungs-urtheil der ganzen Welt voraus hören konnte? Er glaubte sich, trotz seiner Unschuld, nicht vertheidigen zu können, da ! er keine Beweise, keine greifbaren, rohen Beweise darlegen > konnte!" „Woher weißt Du," siel Leonore ein, „daß er gewiß vhne Schuld ist?" „Er ist Dein Bruder," antwortete er ausweichend, „Konradin ein Wilddieb? Abend war's, Edmund rief ihn an, er antwortete nicht; die Jagdgesetze waren verschärft." „Woher weißt Du das?« „Ein Wild auf Konradin's Schulter," fuhr er hitzig fort, „der junge Schütze verfolgt ihn, legt an, da der Verfolgte sich drohend umkehrt, das Gewehr geht los ohne den Willen des Jägers, erschrocken sieht.er ihn fallen, entsetzt erkennt er seinen Nebenbuhler, und alle schrecklichen Folgen, die er ahnt, jagen ihn wie Furien nach Hanse!" „Heinrich, so wahr ich lebe, Du weißt von Edmunden, er lebt. Du kennst ihn! Ich bin gefaßt!" Sie zitterte an allen Gliedern; Heinrich hielt sie mit seinen Armen umfaßt und sagte, bleich vor innerer Vewe« gnng: „Ja, Leonore, er lebt, ich kenne in, er ist mein Freund!" Leonoren's Haupt lehnte am Busen des Geliebten, ihre Brust fluthete vor Empfindung, Thränen stürzten aus ihren Augen und netzten sein Antlitz. „Leonore, er ist mein Ge« schäftsgenossc Negerle, der vor mir hier ankam, er ist hier!" „Ich werde ihn sehen!" jubelte sie nnd lachte unter Thränen; „ach, der Vater! Er wird seinen Sohn wieder haben! Du wirst ihm den Sohn geben! Für todte Bäume einen lebendigen Sohn! Alle Hindernisse unserer Liebe mit l einem Male geschwunden, Alles, Alles gewonnen!" Z „Geliebte, Hier müssen noch Zwei geschont werden!" > «Zwei? Wer sonst als der Vater?" 1 „Auch Dein Bruder, Lconore! Er sagte mir kein Wort, daß hier sein Vaterhaus liege, er scheut fremde Vcrmitt- ^ lung, er ist stolz, Dein Bruder! Wer weiß, ob wir nicht ^ durch unbesonnene Naschheit Alles verdürben!« ^ „Sollen sieben Jahre die Beleidigung nicht auS seiner Seele getilgt, nicht die Sehnsucht entstammt haben, die Seinigen unter jeder Bedingung wieder zu sehen?" „Nein, ehe er in Unehre, in zweideutigen Verhaltnissen zurückkehrt, lieber läßt er die Vergangenheit begraben sein!" „Gut. Ich kann mich mäßigen! Aber wird er seine Unschuld dem physischen Auge bloßlegen können?" ! „Er wird!" ! „Wie?" ^ „Ist seine Flinte noch in Eurer Hand?" „So wird sich's finden!" (Fortsetzung folgt.) Die Geschichte der Violine. ^ Die Violine übertrifft durch die Fülle uud den Umfang ihrer Töne jedeS andere Instrument, ohne daß man bis jetzt ! für diesen wunderbaren Tonreichthum eine vollkommen ge-i nügende Erklärung gefunden hätte. Wann und wo die Violine erfuuden wurde, ist noch immer Gegenstand der Vermuthung und des Streites; auch über die erste Behandlung dieses Instrumentes wissen wir durchaus nichts Bestimmtes, doch 16 wurde daöselbe wahrscheinlich auf gleiche Art, wie der alte ', ^ Psalter oder die Harfe bloß mit den Fingern gespielt. Aus ^ Andeutungen nnd Abbildungen auf griechischen lind rö'mi- ,. schen Alterthümern glaubt man indessen schließen zu dürfen, ^ daß die Geige in Griechenland wahrend der Blütezeit der , i Tonkunst erfunden worden sei, und daß sie spater auch in ! » Rom Eingang fand, ja wir sind durch einige Figuren, welche ^ l wir ans alten römischen Bildhaucrwerken vorfinden, zur An- j nahuie berechtigt, daß die Violine, wenn auch noch in sehr ^ roher Form, schon zn den Zeiten Cäsar'« in Italien be- ^ > kannt >rar. Doch gericth sie wahrend Der traurigen Periode, ! welche auf den Einfall der Gothen folgte, fast ganz in Ver- ! gesscnhcit und sie wurde nur selten mehr von den Bauern > ^ bei ihren Ta'uzcu angelvcndet. i , Erst ilu 9. Jahrhundert wurde die Violine in Frank- , reich eigentlich wieder erfunden, und im Mittelalter, in den , ! Zeiten dcs Nitterthums, spielten die Troubadours mit Vor- ^ liebe auf dem alt-französischen ri.'!x^ , einer Geige mit drei ' Saiten, »vclche das Entzücken der Nitter und Edeldamen an ^ , den Höfen ui,d im Fclde war. Bald darauf aber wurden , ^ die Italiener die allgemein anerkanuicn Meister in der Vcr- ' fcrtiguug nüd Behandlung dieses, Instrumentes, und sie sind ! ' es auch fast in gleichem Maße bis auf den heutigen Tag ^ ^ geblieben. ! ^ Im 16. Jahrhundert wurde Crcmona, ci»e Stadt der , ^ Lombardei, berühmt durch die Geigen, welche eine Familie < Namens Amati, dort verfertigte. Diese Familie gab der Violine erst ihre jetzige, und wie es scheint, endgiltige Form, und die nach derselben benannten Crcmona's sind noch bis ! auf den heutigen Tag an Kraft und Wohllaut dcs Tones ! unübertroffen; sie werden deßhalb auch zu einen« viel höhe- ! rcn Preise, als derjenige wäre, welchen ihr Gewicht in Gold ausmachen würde, gekauft. Alle vermeintlichen Verbesserungen, welche man späterhin in Bezug auf ihre Verfertigung gefunden zu haben glaubte, erwiesen sicb nicht nur inimer als werthlos, sondern man ivar nicht einmal im Stande, ihre Vorzüge auch nur annähernd zu erreichen. Es wav von jehcr das eifrigste Bestreben der Geigen» macher, das Geheimniß, welche die Cremona's ihre unbestreitbare Ucbcrlegenheit verdanken, zu entdecken; man zer-legte alte Geigen in Stücke, man kopirtc mit der größten Treue die Gestalt und Größe der einzelnen Theile, und doch haben alle diese Versuche zu leinem wesentlichen Erfolge geführt. Man hat geglaubt, daß das Alter eiuer Violine die Schönheit ihres Tones bedinge, aber das Alter ist nicht der einzige Grund, des Vorzuges einer Geige vor einer anderen. Auch versichert mai,, daß die alten Vcrfertigcr der Cremona's in der Auswahl des Holzes, dessen sie sich dabei bediente», eine llngcmcin ä'ugstliche, Sorgfalt aügcwendct hatten, und daß sie bloß das Holz von Gebäuden, die seit drei Iahr-hundertcu trocken erhalten worden waren, dazu gebrauchten. Die Vcschaffenhcit des verwendeten Holzes ist zweifellos eine sehr wesentliche aber nicht die einzige Bedingung für die Güte eines Instrumentes und wahrscheinlich ist hierbei auch der Firniß von großem Einflüsse. Der für diesen Zweck vorzüglichste Firnis: wird aus Bernstein nud Oel bereitet. Der Bernstein wird zu diesem Behufe in einem eisernen Kessel erhitzt, mit heißem Leinöl Übergossen und so lange gesotten, bis das Harz völlig aufgelöst ist. Dieses ist, wie man glaubt, der von den Ver« fertiger» der Cremona's angewendete Firniß; derselbe braucht ungemein lauge Zeit zum Trocknen, wenn er auf die Vio-liue gebracht wird, doch wird die Geduld, mit welcher man die vollständige Auötrocknnng des Holzes abwarten muß, gewöhnlich durch deu hellen und kräftigen Ton des Instrumentes reichlich belohnt. Eine cigeuthümllche Art, neuen Violinen einen schönen Ton zu verschaffen, oder denselben zn ve> bessern, besteht darin, daß man mehrere Monate hindurch eiuen geübten Musiker darauf spielen läßt, während welcher Zeit sie immer in einem sehr trockenen Nanme aufbewahrt bleiben, In diesem Falle erfolgt die Verbesserung dcs Tones nach dem Gesetze der simpathetischen Schwingungen, uuf welchem noch manche andere interessante Erscheinung beruht. Wenn zum Beispiele eine Flöte in einem Zimmer, in welchem sich ein Piano befindet, gespielt wild, so wird der Ton des ersteren Instrumentes m den Saiten des letzteren Schwingungen hervorrufen. In Folge desselben Gesetzes musikalischer Simpalhie wird ein Saiteninstrument, z. V. "eine Geige, sobald man auf demselben spielt, die Saiten eines andern, besonders wenn letzteres frel aufgehängt ist, im Einklänge schwingen macheu, und auf demselben Grundsätze beruht die Verliesse» ruug des Toucö neuer Violinen, indem man sie entweder dem Einstusse harmonischer Schwingungen, welche durch das Spielen aus ihren eigenen Saiten hervorgerufen wcrocn, au5ictzt, oder wenn man sie bloß in einem trockenen Zimmer aufhängt, in welchem geübte Musiker von Zeit zn Zeit zu ^ spielen pflegen. i Literatur. Oberbairische Lieder mit ihrcu Singweisen. Gesammelt und herausgegeben v. F.Kobell. München. 4860. ,Der Name des Sammlers und Herausgebers, des als Dichter uielbekannten Kobcl!, genügt schon diese, im Auf-, trage des Königs von Baiern veranstaltete Sammlung Lieder, als eine vortreffliche zli bezeichnen. Kobcll kennt nicht allein alle Volkslieder, wie sie in Obeibaieru gesungen werden, er hat auch ihrer selbst eine hübsche Anzahl gedichtet, (seine, Schnadahüpfle siud weit und breit bekannt), welche im Munde ! des Volkes fortleben werden. Er hat ein feines Verständniß für die einfachen Poesien der Aelpler und für die Melodien, die er oft auf seiner Zither hören läßt. Aus dem Allen geht hervor, daß sein Name die beste Empfehlung für das vorliegende Werk ist. Illustrirtcs Haus- und F a m i l i e u d ll ch. Wien bei Zamarski uuo Dittmarsch. Wir haben schon einige Mal dieses belletristischen Unternehmens Erwähnung gethan und gesagt, daß es den Beweis liefere, wie auch. auf österreichischein Boden populär-wissenschaftliche Uuterhaltungöblätter gedeihen können. Die neuesten Hefte bestätigen es, ihr Inhalt ist mannigfaltig und interessant, die Farbcndruckbilder zeigen eine sehr bemerkbare Vervollkommnung m dieser Kunst, dabei ist dcr Preis ein sehr geringer, so daß wir wohl sagen können, die Herren Herausgeber und Verleger wetteifern miteinander allen Ansprüchen des Publikums gerecht zu werden. Druck mid Vnlag von Igu. v. Klcinmayr N F. Bamberg in Laibach. — Verantwortlicher Redacteur F. Bllmderg.