M. 10. Sclober 1899. II. Jahrgang. Heöete UM die Bekehrung der Lhamlten von Leutral-Afrika zu erlangen. Beten wir für die unglücklichen Negervölker Central-Afrikäs, damit (Sott, der alles vermag, von ihren Herzen einmal den Fluch Cham's hinwegnehme und ihnen jenen Segen verleihe, den man nur im Namen Jesu Christi, unseres Herrn und Gottes erlangen kann. O Herr Jesus Christus, alleiniger Erlöser des ganzen Menschengeschlechtes, der Du bereits herrschest von einem Meere zum andern und vom Flusse bis zu den Grenzen des Erdkreises, öffne erbarmuugsvoll Dein heiligstes Herz auch den unglücklichsten Seelen von Central-Afrika, welche noch in der Finsternis und im Todesschatten sitzen, auf dass durch die Fürbitte der gütigen Jungfrau Maria, Deiner unbefleckten Mutter, und ihres glorreichen Gemahls, des heiligen Josef, die Negervölker ihre Götzen verlassen, vor Dir sich niederwerfen und Deiner Kirche zugesellt werden. Der Du lebst und regierest von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Goxxesponöenz der Expedition. Eingegangene Gaben. (Monat October.) H. Reher, Pfarrverweser, Bronnen 38 M.; Marie Schildknecht, Wyl, St. Gallen 20 Francs; aus Andernach, Rheinprovinz 120 M.; Marienhaus, Waldbreitbach a. Rh. 5 M.; Rammsteincr, Theologe, St. Polten 3 fl.; aus Görz 2 fl.; Blasius Egger, Decan, Brixen 10 fl; Hubertine Blistain, Ahrweiler a Rh. 10.50 M ; Hermann Belgardt, Pr. Rosengarth, Danzig 5 M.; Carl Broe, Wien 1.50 fl.; Ungenannt, Brixen 1 fl.; aus Mühland 120 fl.; Rudolf Seiner, Kaplan, Göß (Steiermark) 33.60 fl.; Theodor Scndker, Möbeltischler, Freckenhorst 28 M.; Hummel, Kaplan, Ravensburg 70 M ; ails Dortmund in Westfalen 150 M.; Rudolf Seiner, Kaplan, Göß 12.fl. ; Stephan Svbotta, Deschowitz 3 M.; Herzogin von Sabran-Ponteves, Wien 20 fl.; Franz Mayr, cmer. Pfarrer in Hallein bei Salzburg 115.12 fl.; Laver Miner, Decan, Rotthal-münster 156 M ; Heinrich Saun, Dortmund in Westfalen 21 M. für ein Heidenkind; Peter Stang, Krautheim, Baden, 30 M. für den Bau des Missionshauses. — I. 11. für die Kapelle unseres Missionshauses 155 fl. — Anna Weckert-Oppeln, O-Schlesien, 113.50 M. Diesen und allen übrigen Wohlthätern sagen wir ei» herzliches „Wcrgelt's Kokt!" und bitten um weitere milde Kaven für unser Missionshaus. Wessstipendien werden mit 5>nn!i zu gewissenhafter Wersolvicrnng angenommen. Organ des MPonsljauses der „Zähne des HP. Herzens Jesu". Erscheint am Ende jeden Monats. Wr. 10. GctoVer 1899. II. Jahrgang. Inhalt: Einladung zur Bestellung. — Der Stern des Meeres (Gedicht). — Zum Bilde „Armenseelen". — Unser Missionsgebiet. (Schluss.) — Sudan.— Ans dem Loben einstiger Neger-Sclaven: 7. Karl £)orä. (Schluss.) 8. Mansur und Morsal. — Reise der Bischarinen Alibu und Achmet in Europa. — Dasägyptische Pferd. — verschiedenes. lintoiuig jut KeßellnG. künftigem Jahre 1900 beginnt der „Stern der Neger" den IN. Jahrgang. Die Zeitschrift, welche am Ende jeden Monats erscheint, bringt Aufsätze und Abhandlungen über die Neger, ihre Christlichmachung und Civilisiernng, sowie Besprechungen von Ereignissen, welche das ewige und zeitliche Heil, Wohl und Wehe der Neger berühren, feiner Originalbriefe, Mittheilungen und Nachrichten unserer Missionäre in Afrika, endlich die wichtigeren Begebenheiten aus unserer Congregation, sowie aus unserem Missionshause. Als Organ der „Söhne des hlst. Herzens Jesu" und ihres Missionshauses, das dem Herzen Jesu geweiht und unter den Schutz unserer Lieben Frau gestellt ist. wird der „Stern der Neger" bei seinem jedesmaligen Erscheinen das hlst. Herz Jesu und die allerseligste Gottesmutter durch irgendeinen Artikel verehren oder auch etwas zu Ehren der hl. Familie bringen, die den Boden Afrikas durch ihre Gegenwart geheiligt hat. v Durch die Gnade Sr. Eminenz des hochwürdigsten Cardinals Grnscha, Fürsterzbischofes von Wien, wurde unsere Zeitschrift zum Organ des „Märien-Vereines für Afrika" gewählt, und wird dieselbe daher auch die wichtigsten Mittheilungen aus diesem altehrwürdigen und um unsere Misston hochverdienten Vereine bringen. 218 Der Stern des Meeres. Wir werden bestrebt sein, im künftigen Jahre den Kreis unserer Materien noch zu erweitern und Veröffentlichungen von allgemeinem Interesse Raum geben. Den Text erläutern Abbildungen aus unseren Missionsstationen, Land und Lenten des Missionsgebietes. Die nun erfolgte Erschlicszung des Sudan öffnet unserer Congregation einen ungeheuren Wirkungskreis: derselbe reicht vom ersten Nilkatarakt bei Assuan bis an den Albert-Nyanza-See: ein Land voll Wunder und Seltenheiten in Natur-, Thier- und Pflanzenwelt, wo 40 Millionen Menschen ihr Heil erwarten. Dieses Gebiet dem liebevollen Herzen Jesu zn gewinnen, ist Aufgabe der Congregation „Söhne des hlst. Herzens". Die erweiterte Missionsarbeit wird uns in Stand setzen, unsern Lesern eine Fülle von Erlebnissen und Erfahrungen zu berichten, die das opferfreudige Wirken der Missionäre umfasst, und dies in einem Gebiete, das unter allen afrikanischen Ländern durch die jetzige Lage der Dinge in den Vordergrund des öffentlichen Interesses gerückt ist. Möchten sich recht viele Berufene für diese Missionscongregation melden! Wer sich berufen fühlt, möge sich behufs Aufnahme vertrauensvoll an den Obern des Missionshauses des hlst. Herzens Jesu in Mühland bei Briren (Tirol) wenden! Wir bitten aber auch alle, die es vermögen, durch Bestellung des „Stern der Neger" unsere heilige Sache unterstützen zu wollen, und ersuchen unsere verehrten Leser, das Abonnement erneuern und uns neue Abonnenten zuführen zn wollen. Der jährliche Preis beträgt mit Postversendung 1 fl. 50 kr. Ö. W. (3 Mark). Wir bitten recht herzlich, die Bestellungen bald uns zukommen zn lassen. Bestellungen erbittet und nimmt entgegen Das Pflioitsliniis der Söhne des hlst. Herzens Irsn in WüHiclnö bei ZZviXen (^troC). Seht das Sdjiffleiii, wie es lustig Schaukelt auf beit blauen Wellen; Millionen lichter Sterne Freundlich ihm bett Pfad erhellen ©bett steht, die ifanb am Ruder, Kühn ein Schiffer; ganz entzücket £)cbt zum fjttnmcl er die Augen — Nach dein Meeresstern er blicket. Sahst du nie am Frühlingsniorgen, Wenn die goldnen Sonnenstrahlen Spielend in den Fensterscheiben Sich in tausend Farben malen ? Also glänzt im Aug' des Schiffers W Lieblich heute eine Sonne, Glänzt das Bild des )akobssternes, Glänzt Maria, feine Wonne. liber feine rauhen Wangen Rollen süße Freudenthränen: 3a, du weißt es, o Maria, Bei dir weilt mein lserz. mein Sehnen! Bernhard Zorn, 5. d. I). Uerskckil- Der hl. Petrus Claver, Apostel der Neger und Schutzheiliger der Negermissionen, hatte eine besondere Sorge für die Seelen seiner verstorbenen Neger. Er verließ seine Neger, für die er ganz sich selbst aufopferte, auch nach deren Tode nicht. Er opferte zu ihrem Troste alles auf, was er hatte, Bußwerke, Gebete, Messen, Ablässe.— Es kam auch oft vor, dass die armen Seelen, überzeugt von der Macht seines Gebetes bei Gott, ihn um seine iHimni. Fürbitten anflehten. Der Negerapostel seinerseits wurde hinwiederum in seinem Apostolate von den armen Seelen wirksam unterstützt. —• Pflegen und verbreiten wir die Andacht zu den armen Seelen, es ist unier eigener Nutzen. Gedenken wir der armen Seelen ganz besonders in ihrem Monate, im November: die Befreiung der armen Seelen ist ein sehr gottgefälliges und fruchtbares Mis-fiouswerk. user SBtfioitsgrbiri. Gin WticK auf die ZZoöenbeschaffenHeit gtentraCafriRas. Von Leopold Lerrord, F. S. C. (Schluss.) bedeutendste und älteste Staat unter den Tsüdsee-Ländern ist ohne Zweifel Born u. Begrenzt ist Bornu im Norden von Steppen der Sahara, ^ die von Tibu und Tnarek durchschwärmt werden, im Osten vom Tsüdsee ^43^61) und Schar!, im Süden von dem FelLta-Reiche Adamana und dem Gebiete der heidnischen Stämme der Balir und Musgu, im Westen von den Haussa-Staaten und hat einen Flächeninhalt von 150.000 Quadratmetern. „Das Land i|t," schreibt Dr. Nachtigall, „mit Ausnahme der Grenzprovinzen im Nordwesten, Westen und Süden, durchaus eben. In den Provinzen Munir und Sinder sind einige Berggruppen, die sich bis zu 1000 Metern erheben; auch im Margi- und Mandara-Lande finden sich einzelne Erhöhungen von circa 1000 Meter Höhe. Der Kern des Landes ist so eben, dass die Flüsse in der trockenen Jahreszeit wegen des äußerst geringen Gefälles entweder nur einzelne Tümpel bilden, so dass man oft gar nicht unterscheiden kann, ob sie fließendes Wasser bringen und in welcher Richtung sie fließen. Kleinere, sich in die Flüsse ergießende Rinnsale kommen im Lande wegen seiner außerordentlichen Flachheit gar nicht zur Ausbildung. Im nördlichen Theile des Landes waltet der Steppencharakter vor; auf dem der Wüste zugekehrten Rande dieses Gebietes gedeiht auch die Dattelpalme. Das Stcppen- 120 Unser Missionsgebiet. siebtet bildet den Tummelplatz zahlreicher Straußen-, Giraffen- und Gazellenrudel. Der südliche Theil hat ungefähr denselben Charakter, nur wird die Vegetation üppiger und bringt neue Gewächse hervor. In den perennierenden Flüssen und Hintergewässern, schreibt Dr. Nachtigall, wimmelt es von Flusspferden, in den Uferwaldungen von Schweinen und Büffeln, und die ganze Gegend ist ein Paradies für Wasservögel, unter denen fremdartige Reiher, Löffelgänse, Enten, schwarze Störche und große Herden stolzer Kronstrauße eine entzückende Staffage der Landschaft bilden. Die Häufigkeit der Ortschaften und die Thätigkeit der Menschen in Feld und Flur lassen zwar hier die Raubthiere nicht so zahlreich werden als im Norden, doch fehlen Löwen, Luchse und Leoparden nicht. Am Südrande des Landes wechseln dichte Waldungen mit üppigen Graswiesen, auf denen sich das lauteste Thierleben entfaltet. Im Nordosten grenzt an Bornu das von diesem abhängige Reich Kanem. Der Charakter des Landes ist der einer sandigen Ebene, bald mehr, bald weniger gewellt, die hinreichend mit Wasser versehen ist und stellenweise eine üppige Waldvegetation hervorbringt, die ein zahlreiches Wild deckt. Der Sudan kann im allgemeinen als sehr wasserreich bezeichnet werden; die Gewässer sind jedoch zu ungleich vertheilt, und davon kommt es, dass wir nebst den fruchtbarsten Landstrichen, die an Fülle und Mannigfaltigkeit der Production den gesegneten Ländern ebenbürtig zur Seite stehen, gleich dabei wasserlose, sonnverbrannte Wüsten antreffen, in denen keine Spur des Pflanzen- oder Thierlebens sich findet. Die Gewässer des Vicariates von Centralafrika gehören vier Stromgebieten an. Der wichtigste Fluss des Sudan ist der Nil, das Geheimnis der Jahrhunderte, der aber jetzt in seinem ganzen Laufe bekannt ist. Er entspringt auf den Tafelländern des äquatorialen Jnnerafrika, durchfließt den 79.850 Quadratmeter großen Ukerewe-See oder Victoria-Nyanza und den 90 Kilometer langen Doppelsee Gitansage und Kodja, um im starkgewundenen raschen Laufe nach 240 Kilometern bei Magungo in den Mwutan sich zu ergießen. Nach dem Aus-flusse aus dem Ukerewe wird der Nil schon schiffbar, doch wird die Schiffahrt unterhalb Fauora durch die Karuma- oder Murchison-Fälle verhindert. Der Fluss, von den (Singebornen Masaba genannt, stürzt da, 40 Kilometer vom Mwutan, 36 Meter hoch von den Felsen eingeengt in prächtigem Falle herab. Bis zum Mwutan-See, wo er in unser Vicariat eintritt, hat der Nil dieselbe Strecke als der Rhein bei seiner Mündung zurückgelegt. Der Mwutan-See ist 643 Meter hoch gelegen und etwa 4800 Quadratmeter groß und ist so tief zwischen die steil, oft senkrecht abfallenden Plateauränder eingekeilt, dass seine Ufer an vielen Stellen nicht erreicht werden können; die einmündenden Bäche und Flüsse bilden Wasserfälle zu 300 Meter Höhe und darüber. Die Gebirge, die seine Vorderstufen begleiten, werden zu 1500 bis 2300 Meter Höhe geschätzt. Mwutan ist aber das zweite Sammelbassin für das Hochwasser des Nil. Da nun über ihn sich die periodischen Regen 14 Tage später ergießen als über den Ukerewe, und da die Hochwasser von Ukerewe in etwa 14 Tagen erreichen, da ferner, je weiter der Nil gegen Norden fließt, beide Vorgänge sich gleichzeitig wiederholen, so ist hiemit das Räthsel der regelmäßigen Hochfluten im Unterlaufe gelöst; und da der Stand der Sonne im gleichen Datum jedes Jahr derselbe ist, so ist auch das pünktliche Eintreten jener Hochfluten erklärt. Durch den Mwutan beträgt der Stromlauf des Nil 15 Kilometer, und baun fließt er in ansehnlicher Breite, inselreich und schiffbar, 250 Kilometer bis nach Dufile mit dem geringen Gefälle von 3 Metern. Unterhalb Dufile nimmt der Nil, der hier Bahr-el-Dschebel (Bergstrom) genannt wird, weil er aus den Bergen herauskommt, mehrere Nebenflüsse, den Uujamba, Assua, Atabbi, auf. Von da an wiederholen sich die Stromschnellen und Wasserfälle bis zum Bogwcck in der Nähe von Gondükoro, wo er in die Ebene eintritt. Unser MissionsgeLiet. 121 «CJ s Kt 1 ur 1 Si s Ft Von da an nimmt die Landschaft einen ganz anderen Charakter an. Eine unermessliche Ebene breitet sich an beiden Seiten aus, die stellenweise mit verein- 'SS W. Herzens Jesu in Muhlanö Bei Brixen. (Ein Theil des projectierteu SBcmi 122 Unser Missionsgebiet. zelten Bäumen oder kleinen Mimosen- und Ambac-Wäldern besetzt, meistens mit hohem Steppengras und Schilfrohr bewachsen und mit zahlreichen Sümpfen bedecktist. Bei der Ortschaft Akwak, 6° 14' 30" n. Br., theilt sich der Strom. Der östliche schiffbare Arm, Bahr-Sarüf genannt, durchschneidet in verschiedener Richtung das Land der Tuic und Nuer und vereinigt sich nach einem Laufe von 550 Kilometer wieder mit dem Hauptstrom. 660 Kilometer von Goudükoro vereinigt sich der Bergstrom mit dem größten seiner Zuflüsse, dem Gazelleufluss oder Bahr-el-Gazül, der mit seinen Nebenflüssen ein weitausgedehntes Stromnetz bildet und bei der Einmündung zu einem großen See, dem No-See, sich erweitert. Seine größten Nebenflüsse sind, im Nordwesten der Bahr-el-Arab, im Westen der Bahr-el-Homr, im Süden der 800 Kilometer lauge Djur und der aus Tondj und Djau, zusammenfließende Apabu. Die Ufer des No-See sind weithin mit riesigem Schilfe und Ambac bewachsen und dadurch ist jede Aussicht genommen. Von der Bahr-el-Gazül-Müuduug wendet sich der Fluss, der hier seinen Namen Bahr-el-Dschebel (Bergstrom) in Bahr-el-Abiad (weißer Strom) ändert, wiederum gegen Osten, nimmt den Bahr-el-Sarüf, den Giraffenstuss und den schiffbaren Sobat auf, und von da fließt er durch die Ebene in gerader, nördlicher Richtung bis Chart um, wo er sich mit dem aus Abyssinien kommenden Bahr-el-Azrak, blauer Strom oder blauer Nil, vereinigt. Bahr-el-Azrak entspringtauf dem Plateau von Central-Abyssinien in der Provinz Salaka. Von da eilt er wie ein echter Bergstrom von bläulich klarer Farbe mit zahlreichen Wasserfällen dem Tana-See zu, durchfließt denselben und stürzt sich in ein enges, finsteres Thal, über das die einzige Brücke geschlagen ist, welche der Strom trägt. An der Mündung des Jabos tritt er als ein 25 Meter breiter, grüner tiefer Bergstrom in das sudanesische Gebiet ein, durchströmt die goldreiche Landschaft Fazogl und ist selbst für Dampfer schiffbar. Die Ufer des Bahr-el-Azrak sind herrliche Landschaften, Mimosen und Urwälder und üppig wuchernde Schlingpflanzen wechseln da ab und ergötzen das Auge des Beschauers, während der Bahr-el-Abiad langweilt und ermüdet. Seine Länge von der Quelle bis Chartum beträgt 1670 Meter und er hat ein Gefälle von nahezu 2400 Meter (von Roseres bis Chartum allein 149 Meter, während das Gefälle des weißen Stromes von Goudükoro bis Chartum nur 75 Meter beträgt). Unterhalb Chartum beginnen die Wasserfälle und Katarakte, die sich bis Assuan fortsetzen. Von da an erhält der Nil nur einen einzigen Zufluss mehr unterhalb Berber. Das ist der aus Abyssinieu kommende Atbara, der in seinem Oberlaufe den Bahr-Salam, Setit und Takazzir und im Unterlaufe den Gasch oder Mareb aufnimmt und Monate hindurch schiffbar, manchmal aber auch fast wasferleer ist. Der Nil ist wirklich ein Segenspender; ohne ihn wäre ganz Nubien eine Wüste. Sein Wasser hat bei normalem Zustand eine trübe, braungelbliche Farbe, im Mai wird es grünlich, bald darauf wie verderbtes Blut, im Juni wird es ganz lehmgelb und dicklich und hält solchergestalt bis zum December aus, wo es sich zu klären anfängt und im Februar ziemlich klar wird. Vom Nilwasser gilt der Spruch: „Wer einmal vom Nil gekostet, ist nicht glücklich, bis er nicht wieder daraus trinkt." Die Thatsache ist, dass von den Europäern, die einmal in den Nil-Ländern waren, die meisten wieder ihre Rückkehr, wenn sie dieselbe nicht thatsächlich ausführten, wenigstens sehnlichst herbeiwünschten. Zum Stromgebiet des Congo gehört der Uelle-Fluss mit seinen Zuflüssen aus dem Lande der Niam-Niam und Mangbuitu südlich von der Bahr-el-Gazül-Proviuz. Zur Eiuseukuug des Tsüd gehören die Stromgebiete des in seinem Oberlaufe noch gänzlich unerforschten Schürt und des Komadugu. Es ist ein Verdienst der deutschen Forscher, dass uns dieses gewaltige Becken ziemlich gut bekannt ist. Sudan. 123 Der Tsüd-See liegt ‘240 Meter über beut Meeresspiegel und sammelt die Abflüsse von Sonnt, Bagirmi, der Länder im Süden Wadais und eines Theiles von Dar-fitr. „Er nimmt", schreibt Dr. Nachtigall, „die Tiefe einer weiten, flachen Mulde ein, deren Ränder verschieden hoch sind und in verschiedener Entfernung von ihm liegen und deren Wandungen nicht überall gleichmäßig abfallen. Der See hat die Gestalt eines unregelmäßig geformten Dreieckes mit einer nach Nordwesten gekehrten abgerundeten Spitze und einer nach Südosten gekehrten Grundlinie. Die Breite beträgt in gerader Richtung etwa 230—240 Kilometer, die Grundlinie 170 Kilometer. Der Flächeninhalt beträgt demnach etwa 27.000 Quadratkilometer. Der See hat also beinahe die Größe der Insel Sizilien. Die Oberfläche zeigt nicht überall offenes Wasser, sondern besteht zum dritten Theile aus einem von zahlreichen bewohnten Inseln gebildeten Archipel. Dies gilt hauptsächlich vom östlichen Theile des Sees. Aber auch der westliche Theil, wo das offene Wasser vorwiegt, bietet zum großen Theile von flachen Ufern begrenzte Jnselstreifen. Infolge seiner Lage im Gebiete der Sommerregen trägt der größte Theil seiner Umgebung den steppenartigen Charakter, der die nördlichen Gegenden kennzeichnet. Rur die Ufer des Wasserbeckens sind mit großer Fülle tropischer Vegetation bedeckt." Zum Stromgebiet des Niger gehört der Benne mit seinen Zuflüssen, die das östlichste Felüta-Reich Adamaua bewässern und sich in den Niger ergießen. Das apostolische Vieariat in Central-Afrika, das sich über diese unermesslichen Gebiete ausdehnt, steht unter Österreichs Schutz. Österreich hat sich die Christianisierung und Civilisierung dieser Länder zur Pflicht gemacht. Darum sollte ein jeder Österreicher sich verpflichtet fühlen, an der großen Aufgabe nach Kräften mitzuwirken, und wir werden für die Kirche Gottes, für unser Vaterland und auch für uns selbst Ruhm und Verdienste erwerben, den Segen des Allerhöchsten sichern und der ganzen Welt zeigen, dass auch Österreich verdient, den mächtigen, culturverbreitenden Reichen ebenbürtig zur Seite zu stehen. Silben. IN Sudan gieng es diesen Sommer im Vergleich zum verflossenen, ziemlich still zu. Der flüchtige Chalifa Abdullah el Taischi verhielt sich in Kor-dofan mit seinen Anhängern hinreichend ruhig. Diese letzteren vermehren sich, wenn man den Auskundschaftern zweifelhaften Rufes trauen kann, bald auf 2000 Mann, bald nehmen sie auch wieder ab, und das Gerücht lässt sie dann auf 800 Mann zusammenschmelzen. Von den obersten Officieren gieng auch einer nach dem andern in die Sommerfrische, wenn auch nur nach Ägypten: denn der Unterschied der Temperatur zwischen hier und dort rechtfertigt gar wohl diesen Ausdruck. In Ägypten nun hat man sich nicht ganz der Ruhe überlassen, sondern auch so manches vorbereitet und ausgekocht, um beim Beginn des Herbstes nicht mit leeren Händen an den vereinigten Nil zurückzukehren. Ein neues Gesetzbuch soll dort eingeführt werden, manche Beziehungen zwischen dem Sudan und seiner Befreierin Ägypten sollen geregelt und festgestellt werden u. dgl. Für die Österreicher wird es tröstend sein, zu melden, dass auch dort eine Sprächen,Verordnung das Licht erblickt hat, aber ohne Obstruction hervorzurufen, denn Ägypten ist zu lange administriert, um seinen Administrator und Vormund nicht zu kennen. Die Verordnung ist kurz diese: „Amtliche Mittheilungen zwischen dem Ministerium in Ägypten und der Regierung des Sudan oder umgekehrt, sind in der Sprache — nämlich Englisch 124 Sudan. oder Arabisch — zu beantworten, in welcher sie verfasst sind." Kommt also ein amtliches Schriftstück aus dem Sudan nach Kairo, das englisch abgefasst ist, so muss es von Kairo aus auch englisch beantwortet werden; aber arabisch, wenn es in arabischer Sprache geschrieben war. Die gewöhnlichen Sterblichen setzten auch während des Sommers ihre Arbeit im Sudan fort. So wurde an der Eisenbahn tüchtig gearbeitet, so dass sie schon bald Chartnni erreichen muss. Auch hier wird es allerhand zu bauen, zu schichten und zu setzen gegeben haben, denn cs muss nicht nur eine Großstadt werden, sondern auch bald es sein. Nun ist es unterdessen kühler geworden und die Hetze nach dem Chalifen gieng wieder los. Lord Kitchener hat Ende September den Befehl zum Vorrücken für die ägyptischen Truppen gegeben, die an dieser Expedition theilnehmen sollten. Das Dromedarcorps und die Kavallerie haben sich sogleich nach Kos-Abu-Gromat begeben sammt dem 13. Neger-Bataillon; letzteres hat aber den Weg zu Schiff auf dem Nil zurückgelegt. Die Negerbataillone bilden das Haupt der Colonne, die von der Cavallerie, Artillerie und dem Dromedarcorps flankiert wird. Die ägyptische Infanterie schlägt den Flussweg ein. Die verschiedenen Heeresabtheilungen treffen sich wieder bei Kaka am weißen Nil, 300 Meilen südlich von Omdurman, zwischen Koat und Faschoda. Von Kaka wird die organisierte Expedition ausgehen, um den Chalifen zu verfolgen und zu fangen — wenn sie ihn bekommen. Der Sirdar wird sich ihr nicht als Befehlshaber anschließen, sondern um die Städte nach ihrer Eroberung zu ordnen; die Commandierenden sind diesmal die Miralai Maxwell und Levis. Anfangs November gedenkt man von Kaka aufzubrechen, wovon Abdullah 80 Meilen weit entfernt sich jetzt aushalten soll. Die Bewohner Omdurmans freuen sich über den Anfang der Expedition, denn der Handel liegt ganz darnieder und die Armut ist groß. Stehen Kordofan und Darfur einmal osten, so wird die Noth aus Omdurman verschwunden sein. Die Einwanderung nach dem Sudan wird bald allen Europäern gestattet sein; für die Missionäre von Centralafrika wurde schon früher eine Ausnahme gemacht. Wahrscheinlich haben jetzt die zwei ersten Missionäre, P. Ohrwalder und P. Bauhölzer den für uns heiligen Boden von Chartum schon betreten. Nach den allerletzten Nachrichten soll die Expedition, nachdem sie bereits aufgebrochen, vom Sirdar Kitchener Pascha wieder zurückberufen worden sein, nachdem, wie. ja vorauszusehen war, der Chalifa bei der Nachricht vom Vordringen des Feindes sich nach Westen weiter in das Innere zurückgezogen hat. Sonach werden einstweilen von dem Kriegsschauplätze Kordofans keine wichtigen Nachrichten zu erwarten sein. P. Joscf Münch, F. S. C., Apostolischer Missionär. 7. Coeurs ^orä. (Schluss.) alabat mit dem Hauptorte Metamma grenzt unmittelbar an Abyssinien und zwar an das Reich Amhara, und wird vom Oberläufe der Flüsse Atbara und Rahad durchzogen. Unter allen Provinzen des Sudan war Galabat diejenige, welche wohl am meisten im Aufstande des Mahdi zu leiden hatte. Eben als Horn dort ankam, herrschte ununterbrochen Krieg, indem die Derwische unausgesetzt Anstürme zur Eroberung der Provinz machten. Die ägyptische Garnison unter dem Takruri Saleh Bey Schanga setzte den heftigsten Widerstand entgegen. Dieser muthige und tapfere Offieier blieb der ägyptischen Regierung treu und bewies sich als großer Feind des Mahdi. Da er wohl einsah, dass er allein sich gegen die Derwischhorden nicht auf die Dauer behaupten konnte, wusste er sich die Freundschaft der nahe wohnenden Abyssinier zu sichern und mit ihrer Hilfe dem Feinde große Verluste beizubringen. So schlug er im November 1884 die ihn angreifenden Djaalin. In diesen harten Kämpfen verlor Saleh Bey zahlreiche seiner Leute, unter denen sich auch der Darfurer Djellab, Herr des Sclaven Horn befand. Dieser gieng nun als Sclave in den Besitz des Befehlshabers Saleh Bey über. Die Lage in Galabat wurde immer trostloser. Bald nach dem Siege über die Djaalin wurde Saleh von den Mahdisten, die mit verstärkter Macht wiederkehrten, eingeschlossen und belagert. Die Kämpfe dauerten auf beiden Seiten fort. Ohne Hilfe von Außen war die Garnison verloren. Da schickte auf Vermittelung der Engländer König Johannes von Abyssinien ein Entsatzheer, das bei Tagesanbruch am 27. Januar 1885 bei Metamma ankam. Der Sclave Horn spielte mit andern eben vor der Wohnung seines Herrn Saleh, als gegen 7 Uhr morgens die Abyssinier den ägyptischen Befehlshaber von ihrer Ankunft verständigten. Alsbald wurde das Zeichen zum Kampfe gegeben. Während Saleh einen Ausfall machte, wurde der Feind zu gleicher Zeit von den Abyssiniern angegriffen und geschlagen. Auf diese Weise konnte die Garnison mit Weib und Kind unter abyssinischer Bedeckung abziehen und über Haine und Tschelga nach Gondar gelangen. Die Mahdisten besetzten Galabat und vereinigten dort unter dem Emir Had Arab eine große Macht. Einstweilen herrschte Ruhe zwischen den Mahdisten und Abyssiniern. Während von den Befreiten der größte Theil von Gondar über Massauah nach Ägypten gieng, blieb Horn als Sclave bei seinem Herrn Saleh Bey Schanga in Amhara. Während seines Aufenthaltes in Galabat hatte der arme Sclave Gelegenheit gehabt, die arabische Sprache zu erlernen, aber vor der Gefahr, in den Islam eingeweiht zu werden, schützte ihn sein noch jugendliches Alter. Zwar kam er mit vielen Takarir, welche in Galabat sehr zahlreich sind und sich durch religiösen Fanatismus hervorthun, zusammen, aber die unausgesetzten Kämpfe ver- 126 Aus bcm Leben einstiger Neger-Selcwen. hinderten seine vollständigere Bekanntmachung mit den Lehren des Islam. Es war ihm zwar ein mohammedanischer Name beigelegt worden, wie das bei allen Sclaven geschieht, aber er selbst war noch nicht Muselmann geworden. Großen Gefahren war er während der Kämpfe in Galabat ausgesetzt gewesen ; zwar hatte er nicht selbst am Kampfe theilgenommen, da er zu klein war, er theilte aber alle Gefahren der Belagerung und weiß manches von den Greueln zu erzählen. Aber noch größere Gefahren standen ihm bevor. Saleh Bey, sein Herr, drang nämlich ohne Unterlass in Ras Adal, König von Amhara, sich des von den Mahdisten besetzten Galabat zu bemächtigen; auch ein gewisser Faki Omdan, früher ein fanatischer Anhänger des Mahdi, welcher nach dem Tode des Mahdi am 22. Juni 1885 ans Omdurman geflohen tvar, drängte zum Kriege gegen Abdnllahi, den Nachfolger des Mahdi. Ras Adal gab nach und begann eine große Expedition gegen Galabat auszurüsten. Es stand ein entsetzlicher Krieg zwischen Abyssinien und dem Mahdi Reiche bevor. Scileh Bey begab sich an die Grenze und veranlasste auch den Scheik El-Egel, der sich an der abyssinischen Grenze in Tschelga unabhängig von den Mahdisten erhalten hatte, zur Rüstung. Horä begleitete seinen Herrn auf allen Reisen. In Tschelga nun verkaufte Saleh den Sclaven an einen abyssinischen Muselmann, cm§ welchem Grunde, weiß Horn nicht anzugeben. Möglich ist, dass Saleh in Voraussicht des bevorstehenden Kriegszuges sich des noch waffenunfähigen Jungen entledigen wollte. Welcher Grund auch immer den tapferen Osficier zum Verkaufe des Sclaven bewogen haben mag, sicher ist darin ein großes Glück für Horn zu erkennen. Die göttliche Vorsehung wachte über den Knaben und wollte ihn den Gefahren entrücken, denen er auf dem Kriegsschauplätze entgegen gegangen wäre. Denn in der Folge entbrannte ein Krieg zwischen Abyssinien und den Mahdisten, wie ihn Afrika wohl selten gesehen hat. Zweimal stiegen die Abyssinier nach Galabat hinab, das erstemal mit 100.000 Mann, das zweitemal mit 150.000 Mann und 20.000 Reitern. Das erste Gemetzel fand im Januar 1887 statt, das zweite, an dem sich 85.000 Derwische betheiligten, am 9. März 1889. Bei letzterm Kampfe fiel König Johannes von Abyssinien, und ungezählte Kriegsgefangene wurden nach Omdurman geschleppt, wo die meisten den Hungertod starben. Wäre Horn Sclave Saleh's geblieben, so wäre er auf den Kriegsschauplatz geschleppt und entweder getödtet oder gefangen tvorden; das letztere hätte für ihn lebenslängliche Sclavcrei bedeutet, da er als verachteter Schangalla im Reiche der Mahdisten zeitlebens Sclave geblieben wäre. Sein Verkauf war aber seine Rettung. Der abyssinische Muselmann brachte Horn von Tschelga nach Gondar. Nach V/a Monat Aufenthalt in jener Residenz des Negns oder Königs von Abyssinien wurde er einer großen Sclavenkarawane nach dem rothen Meere zugetheilt, um nach Arabien überschifft und dort theuer verkauft zu werden. Die Karawane zählte etwa 40 Sclaven beiderlei Geschlechtes und wurde von einem christlichen und einem mohammedanischen Wegweiser geführt Da Negns Johannes ans Sclavenkarawanen fahnden ließ, wurde meist nur bei Nacht marschiert und bei Tag in Verstecken geruht. Der Weg führte über felsige Gebirge und war höchst beschwerlich; mehrere Sclaven sanken vor Erschöpfung nieder und wurden dem Hnngcrtode überlassen. Nach einem Marsche von 14 Tagen erreichte man Bia Nogos, wo die Karawane etwa drei Monate blieb, um indes den Weg nach Massanah auszukundschaften und allen Gefahren einer Entdeckung nach Möglichkeit vorzubeugen. Je mehr man sich der Meeresküste näherte, desto gefährlicher für die Händler wurde der Transport; denn dort standen die italienischen Vorposten. Wiederholt mussten sie Eingeborene durch Geld znm Schweigen bringen. Um die Sclaven selbst von einer Flucht abzuschrecken, machten ihnen die Händler vor, dass die Italiener, wie alle Weißen die Schwarzen auf entsetzliche Weise misshandelten und Aus bent Sejen einstiger Neger-Selnveu. 127 sie schließlich abschlachteten und verspeisten. In einiger Entfernung von Massauah angelangt, schlugen sie das Lager an einem unbeachteten Orte auf, hießen dort die Sclaven sich ruhig verhalten und sandten zwei aus ihrer Mitte nach Massauah. um mit den dortigen geheimen Agenten über die Einschiffung der Sclaven nach Arabien zu verhandeln. Die beiden Wegweiser schlichen sich indes zu dem nahen Brunnen, um Wasser zu holen. Offenbar hatten die Händler große Furcht, von den Italienern entdeckt zu werden, denn sie zwangen die Sclaven auf jede Weise zur vollständigen Ruhe und zur Vermeidung alles dessen, was irgendwie ihre Anwesenheit verrathen könnte. Aber alle Vorsicht half nicht, sie sollten ihrem verdienten Schicksale nicht entgehen. Die beiden Wegweiser stießen bei dem Brunnen auf zwei bewaffnete Baschi-Bozuks oder eingeborene irreguläre Soldaten in italienischem Dienste. Die Soldaten erkannten am krummen Schwerte, das beide trugen, sofort, dass sie aus dem Innern kamen und dass sie nicht allein sich so weit vorwagen konnten, sondern dass Gefährten in der Nähe sein mussten. Da die ganze Küste in Kriegszustand erklärt war, wurden den beiden Abyssiniern sofort die Hände auf den Rücken gebunden und sie unter Androhung des Erschießens aufgefordert, den Lagerplatz zu zeigen. Den beiden Gefangenen blieb nichts übrig, als sich gleich zu fügen und die Soldaten zum Lager zu führen. Beim Erscheinen der Soldaten entstand im Lager natürlich die größte Aufregung. „Die Weißen kommen, wir sind verloren!" schrieen die Händler, indem sie nach allen Richtungen zu entkommen suchten. Ein Händler suchte zwei Sclavenmädchen fortzuschleppen, wurde aber von einem Soldaten unter Androhung des Todes zum Stehen gebracht. Dass die Händler in ihrer Angst den Kopf verloren hatten, zeigt wohl der Umstand, dass sie keinen Widerstand versuchten; einige Schreckschüsse der Soldaten mögen sie auch völlig eingeschüchtert haben. Die ganze Karawane wurde in Haft genommen, die sechs Sclavenhändler zu zwei und zwei an den Armen zusammengekettet und mit dem schweren Gepäcke beladen, während die Sclaven frei giengen; so wurde der Trupp nach Massauah geführt. Die Rollen waren nun gewechselt, die Händler waren die Sclaven, die Sclaven die Freien. Indes erschienen weitere Baschi-Bozuks, welche, durch die Schreckschüsse aufmerksam gemacht, zu dem Brunnen geeilt waren. Auch tauchten alsbald italienische Soldaten auf, bei deren Anblick die armen Sclaven nichts weniger als freudig gestimmt waren; sie fürchteten einer noch schlimmern Behandlung entgegenzugehen und von den Weißen gequält und gefressen zu werden. Gar bald aber sollten sie sich von der Lügenhaftigkeit und Niederträchtigkeit ihrer mohammedanischen Henker überzeugen, die ihnen jene Angst vor Weißen eingeflöst hatten. Als sie beim militärischen Oberkommando in Massauah ankamen, wurden sie von den Officieren umringt, getröstet, errnnthigt, erheitert und bewirtet. Sie konnten sehen, wie die Officiere und Soldaten ilmen jenes Mitleid zeigten, welches eben die Christen für arme Geschöpfe ihrer Art haben, während die Händler mit Verachtung und Abscheu behandelt wurden. Später wurden die Sclaven vom Militärcommando weg und nach der Insel Massauah überführt und dort verpflegt, während die Händler in das Gefängnis wanderten und der verdienten Strafe entgegensahen. Was sollte nun mit den Sclaven weiterhin geschehen? Sie in ihre Geburtsorte zurückzubringen, war unmöglich, da sich manche derselben gar nicht mehr er-rinnerten. Das Kriegsgericht beschloss, dieselben katholischen Missionen zur Erziehung zu übergeben. So wurde ein Theil den französischen Lazaristen in Massauah selbst übergeben und der Rest unserer Mission anvertraut. Diese letztern, zehn Knaben und sechs Mädchen, wurden auf Kosten der italienischen Regierung nach Suez gebracht. Unter ihnen befand sich auch Horü, welcher wegen seines vorgerückten Alters und seiner Kenntnis der arabischen Sprache seinen Gefährten als Dragoman diente. Selbst bei ihrer Ankunft in der Mission hatten die Sclaven 128 Aus dem Leben einstiger Ncger-Selaben. die Furcht vor den Weißen noch nicht ganz abgestreift, und sie fürchteten noch immer etwas Schlimmes. Erst nachdem sie einige Tage unter unsern christlichen Negern geweilt, gewöhnten sie sich an uns und lebten nun wieder auf. Horn wurde mit den übrigen in den Religionswahrheiten unterrichtet und auf den Namen Karl getauft. P. Jar» (iCi/er, F. S. C. 8. Die Wegevknnben Mansuv imö Mor-scrü ^^bwohl in Ägypten gelegen, ist die Antifelaverei-Colonie Leo XIII. in ol*»)Y Gesira bei Kairo ausschließlich dem Wohle der Neger gewidmet. Wie viel Gutes diese Anstalt stiftet, wird der beurtheilen können, welcher die Zahl der verlassenen, verstoßenen, Unterstands- und mittellosen Neger beiderlei Geschlechtes in Ägypten kennt und die Gefahren, denen sie hier ausgesetzt sind. Diese Gefahren lernt man kennen, wenn man die Neger, welche in der Colonie Aufnahme finden, über ihre Schicksale befragt. Es ist stets dieselbe Abwechselung von Entbehrung, Verachtung, Misshandlung, Hunger und Elend. Wirklich bewundernswert sind die so verschiedenen Mittel und Wege, deren sich die göttliche Vorsehung bedient, um die armen Neger dem Elend und Verderben zu entreißen und sie der Colonie zuzuführen, wo für ihr zeitliches und ewiges Wohl gesorgt wird. Zum Beweise hierfür schildere ich von all den Schicksalen der in der Colonie aufgenommenen Kinder hier kurz jene zweier Negerknaben. Der erste der beiden Knaben, Namens Mansur, wurde geboren in einer Ortschaft an den Ufern des Flusses Abai an der Grenze Abyssiniens. Über seine Heimat weiß derselbe wenig anzugeben. Die Familie bestand aus dem Vater Sayol, der Mutter Haescha, Mansur und einem jungem Bruder. Der Vater soll, nach Angabe des Knaben, Soldat gewesen sein, was wohl in dem Sinne zu verstehen ist, dass er sich mit der übrigen waffenfähigen Mannschaft des Ortes öfter am Kampfe betheiligte. Wir werden sehen, dass sich häufig Gelegenheit dazu bot. Der Knabe sagt, die Mehrzahl der Bewohner seien Mohammedaner gewesen, ein Theil aber auch Christen, d. h. schismatische Abyssinier, welch' letztere sich mit dem Dorf-Oberhaupte Hamad allabendlich in einer kleinen Kirche zum Gebete sammelten. Diese Angabe erscheint zweifelhaft; der Name Hamad deutet eher auf einen Muselmann als einen Christen hin, und der Umstand, dass die Leute am Abend sich zum Gebete versammelten, lässt auf Mohammedaner schließen; die kleine Kirche, von der Mansur berichtet, war möglicherweise ein muselmännischer Gebetsplatz, toie im Sudan häufig alle Bauten und Plätze, welche religiösen Zwecken dienen, einfach «Kenisa» (Kirche) genannt zu werden pflegen. Wie dem auch sei, sicher ist, dass jene Gegend, wie im allgemeinen die Grenzgebiete Abyssiniens, häufig das Ziel arabischer Räuberhorden bildete. Mansur erinnert sich mehrerer solcher Überfälle. Einer derselben wurde für.ihn und das ganze Dorf verhängnisvoll. Als der Knabe etwa sieben Jahre zählte, griff eine starke Bande von Arabern die Ortschaft an. Die waffenfähigen Bewohner sammelten sich sofort und setzten sich unter Hamad's Führung zur Wehre, um Habe und Familien zu vertheidigen, aber vergebens. Nach verzweifeltem Kampfe, wobei mit zahreichen Männern auch Mansur's Vater todt blieb, floh Hamad mit dem Reste der Waffenfähigen und überließ die Ortschaft dem Sieger. Dies war das Signal zur allgemeinen Plünderung. Die Araber stürzten sich in das Dorf, durchstöberten gierig die Hütten, raubten alles Tragbare und suchten besonders Sclaven zu er- Aus beut Leben einstiger Neger-SelaVeN. 129 Beuten. Ter kleine Mansur spielte eben sorglos im Gehöfte der väterlichen Behausung, während die Mutter mit dem jungem Bruder sich im Innern der Hütte verborgen hielt. Da kam ein Araber in das Gehöfte gelaufen, ergriff den ahnungslosen Knaben und, ohne weiter nachzuforschen, schleppte er ihn in eine Hütte, in welcher bereits viele seiner Altersgenossen versammelt luaren- Von da an hatte Mansur keine Nachricht mehr weder von seiner Mutter noch von seinem Bruder. Nach Beendigung der Plünderung wurden die geraubten Kinder von den,Arabern an einen sichern Ort gebracht und dort bewacht, bis ihre Anzahl durch die Beute 130 Aus dem Leben einstiger Neger-Sclaven. Weiterer Raubzüge so groß geworden war, dass der Transport in die Absatzgebiete der Sclaven sich lohnte. Das gewöhnliche Absatzgebiet für Sclaven aus den Grenzländern Abyssiniens und dem östlichen Sudan ist Arabien. Dorthin sollte auch diese Karawane auf dem Wege über Tokar geführt werden. Auf dem langen, mühevollen Marsche hatten die armen Geschöpfe viel zu leiden, besonders durch Durst. Mansur erinnert sich kaum mehr der Einzelheiten seiner Gefangennehmung und seines Transportes: er scheint, wie die meisten dieser unglücklichen Sclavenkinder, infolge von Schreck und Schmerz nicht mehr ganz Herr seiner Besinnung gewesen zu sein. In Tokar angekommen, wurden sie mehrere Tage verborgen gehalten, um den Händlern Zeit zu lassen, die nöthigen Vorbereitungen zur Einschiffung und zum Transport auf dem Rothen Meere zu treffen. In Anbetracht der Über-' wachung der Küste, welche von englischen Kreuzern gehandhabt wird, braucht es hier stets Vorsicht. Nachdem alles abgemacht war, wurde die Karawane auf Schleichwegen zur Küste geführt. Dort stand eine große Segelbarke (Sambukyi bereit, in deren licht- und lustlosem Jnnenraum die Menschenware untergebracht wurde. Die Barke stieß vom Lande und segelte ruhig in der Richtung nach Djedda, in dessen Nähe sich die sichersten Schlupfwinkel stur ibie Landung verbotener Ware befinden. Dieser Theil des Transportes war für die armen Schwarzen der qualvollste, doch Gott kürzte ihre Leiden ab. Die Sclavenbarke lief in den Gesichtskreis eines englischen Kreuzers, der eben in Kreuz- und Querfahrten längs der Küste Jagd auf solche Transporte machte. Alsbald meldete dumpfer Kanonendonner, dass die Barke vom Kriegsschiffe bemerkt worden war und zum Stillstand behufs Untersuchung aufgefordert wurde. Ern Entkommen war nicht möglich. Die Händler begnügten sich damit, die unter Deck befindlichen Sclavenkinder einzuschüchtern durch Erzählung der alten Schreckensmärchen, dass die Weißen die schwarzen Kinder essen. Bange und lautlos harrten die armen Kleinen der Dinge, die nun kommen sollten. Mit Volldampf fuhr das Kriegsschiff auf die Barke zu und bemerkte alsbald an der Verlegenheit der Araber, dass es einen ausgezeichneten Fang gemacht hatte. Die Händler wurden gefesselt, die zitternden Sclaven aus ihrem finstern Versteck hervorgezogen und an Bord des Kreuzers gebracht, wo die Officiere sie beglückwünschten und bewirteten. Dann gieng es direct nach Suakin. Dort wurden nach einem Verhöre die Händler und Bootsleute eingekerkert, um von einem Kriegsgericht zu den wohlverdienten Strafen verurtheilt zu werden; die befreiten Sclaven wurden von den Behörden in Empfang genommen. Nach einer Untersuchung wurden die Tauglichen dem Neger-Regimente einverleibt, während die übrigen, darunter auch Mansur, den Freiheitsbrief erhielten. Jedermann sieht die Mängel einer solchen Sclaven-Befreinng ein. Was sollten Unterstands- und mittellose Kinder wie Mansur mit ihrem Freiheitsbriefe in einer fremden Stadt anfangen? Er wusste auch nicht, dass dort die katholische Mission ein Waisen-Asyl besitzt, worin mit Freuden verlassene Kinder aufgenommen werden; hätte er es auch gewusst, so hätte vielleicht die Furcht vor Weißen ihn abgehalten, sich dort vorzustellen. Da sollten die Behörden den befreiten Sclavenkindern Unterkunft anweisen oder angeben. In dieser Lage suchte der kleine Mansur das Lager der Negersoldaten auf und trieb sich dort bettelnd herum. Nach zwei Monaten wurde das neunte Neger-Regiment, bei welchem der Kleine zumeist weilte, nach Kairo versetzt. Mansur schloss sich an und kam so in die ägyptische Hauptstadt. Aber auch hier blieb der Truppentheil, der für den armen Knaben bte Vorsehung war, nicht lange und verzog nach Uady-Halfa, der Grenzgarnison Ägypten's gegen das Mahdi-Reich zu. Mansur aber schien, wie es meist bei den Negern der Fall ist, an der Großstadt Gefallen gefunden zu haben und blieb in Kairo. Er trat zuerst bei einem wohlhabenden Muselmann in Dienst, 131 Aus dem Leben einstiger Neger-Sclaven. Verließ aber denselben schon nach einigen Monaten wieder, der Misshandlungen satt. Von da an lebte er theils vom Bettel und von der Gastfreundlichkeit anderer Neger, theils erwarb er sich als Diener in arabischen Wirts- und Kaffeeschänken seinen Unterhalt, wie sich eben die Gelegenheit bot. Die meiste Zeit jedoch irrte er beschäftigungslos umher, und wer weiß, wie lange er sich noch Herumgetrieben und wie er geendet hätte, wenn nicht Gottes Vorsehung sich seiner erbarmt hätte. Eines Morgens, während er ziellos durch die Straßen der Stadt gieng, kam er an unserer Kirche zum hl. Herzen Jesu vorbei und blieb stehen, um die Front derselben und die darauf befindliche Inschrift: „Dem Herzen Jesu geweiht", zu betrachten. Da trat zufällig durch die Eingangsthüre, welche vom Kirchplatze auf bte Straße führt, unser Neger Joachim heraus und erblickte den schwarzen Fremdling, dessen herabgekommenes, zerlumptes und schmutziges Äußere sofort verrieth, dass er nicht gut gestellt sei. Joachim näherte sich ihm und fragte ihn über seine Herkunft. Mansur erzählte seine Erlebnisse und seine Lage. Unser Neger machte ihn auf die Colonie in Gesira aufmerksam, welche der rechte Platz für ihn wäre, und nach einigen weitern Fragen und Antworten zeigte sich Mansur bereit, dort Unterkunft zu suchen. Zufällig war zu jener Stunde auch der Obere der Colonie in Kairo anwesend, welcher, nachdem er durch einige Fragen sich vergewissert hatte, dass der Negerknabe wirklich frei sei, denselben allsogleich mit sich nahm. Mansur, der etwa neun Jahre alt war, fühlte sich inmitten der zahlreichen Negerknaben der Colonie gar bald heimisch und pries Gottes Vatergüte, die ihn an diesen Ort des Glückes und des Friedens geführt hat. Er lernte nun fleißig den Katechismus, um sich auf die hl. Taufe vorzubereiten, in welcher er den Namen Bruno erhielt. Der andere Knabe, dessen Schicksal ich erwähnen will, heißt Morsal. Seine Heimat liegt im Lande der Berta, genannt Malek Dobruf, in der Nähe des Berges Masmun, etwa drei Tagereisen von Sennar am blauen Nile entfernt. Als er noch klein war, starben seine Mutter, ein Bruder und eine Schwester an einer epidemischen Krankheit. Eine noch härtere Plage der Berta waren die fanatischen und räuberischen Derwische des Mahdi-Reiches. Da ein großer Theil der Berta-Neger bis heute noch Heiden sind, bildeten sie das Ziel der Sclavenräuber und und anderer habgieriger Araber. Seit der Revolution des Mahdi sind die heidnischen Negerstämme schutzlos und bilden den nach Ansicht der mohammedanischen Derwische von Gott bestimmten Tummelplatz der Räuber und Sclavenjüger aus den muselmännischen Gebieten. Das Gebiet der Berta war vor ihnen lange Zeit verschont geblieben. Erst Anfang der neunziger Jahre begannen die Dschalabba (Name für die eingeborenen Händler und Krämer), sich unter der Maske von Kaufleuten bei jenen friedlichen Negern einzuschmuggeln, und diese, nichts Schlimmes ahnend, ließen sie nach Belieben kommen und gehen. Diese Händler kamen von Omdurman und Sennar und trugen die gewöhnliche Tracht der mahdistischen Derwische, bestehend in der Dschubba, einer hemdartigen, ans verschiedenfarbigen Stücken und Lumpen von Baumwollstoff zusammengenähten Kleidung; sie waren theils mit Lanzen, theils mit Flinten versehen. Längere Zeit hindurch trieben diese Derwische Handel mit den arglosen Eingeborenen und die Zahl der ankommenden Händler wuchs immer mehr. Als sie sich in genügender Anzahl im Lande sahen, warfen sie endlich ihre heuchlerische Maske ab und giengen mit Raub und Plünderung gegen die armen Neger vor. In mächtigen Banden zusammengerottet, überfielen sie die Ortschaften, zündeten die Hütten an, schossen die Männer, welche sich mit Axt und Lanze zur Wehre setzten, nieder, mordeten in barbarischer Weise Frauen und Kinder hin und machten die größern Kinder beiderlei Geschlechts zu Sclaven. Unglaublich sind die ausgesuchten Grausamkeiten, womit diese blutgierigen Fanatiker sich für den Widerstand rächten, den ihnen die Männer und 132 Aus bcm Leben einstiger Neger-Sclaven. Frauen zum Schutze ihrer Kleinen entgegensetzten. Vor den Augen der tödtlich verwundeten Väter und Mütter ergriffen sie die kleinen Geschöpfe, schleuderten sie hoch in die Lust und spießten sie beim Niederfallen unter höhnischem Fluchen und Lachen mit ihren Lanzen ans, wobei sie die mit dem Tode ringenden Eltern aufforderten, ihre Geschicklichkeit im Aufspießen zu bewundern. Nachdem sie auf diese Weise Eltern und Kinder eine Zeit lang gemartert hatten, machten sie ihnen durch Lanzenstiche den Garaus. Dieses und anderes, dessen Morsal Zeuge war, gibt uns einen Begriff von den Unmenschlichkeiten, welche die rohen Derwische des Mahdi im Lande der Berta verübten. Eines Tages im Jahre 1892 wurde von einer Bande auch die Heimat Morsal's überfallen. Der Knabe erinnert sich nur weniger Einzelheiten. Seine Eltern und Geschwister verschwanden, er selbst wurde mit zahlreichen andern Unglücklichen zum Sclaven gemacht und auf eine Nil-Barke gebracht. Die Barke segelte nach Omdurman, der Residenz des Chalifen Abdullahi. Obwohl dort ein großer, öffentlicher Sclavenmarkt besteht, beabsichtigen die Händler nicht, dort ihre Waren abzusetzen. Der Preis der Sclaven schwankt je nach Alter, Geschlecht und Eigenschaften derselben zwischen 20 und 100 Thalern. Die Händler schienen einen höhern Gewinn zu beanspruchen und wollten ihre Leute nach dem östlichen Sudan transportieren. Die Fahrt wurde also nach Norden fortgesetzt bis zum sechsten Nilkatarakt bei Sabaloka. Dort wurden die Sclaven ausgeschifft und zu Lande in das Gebiet der Bischarin geführt. Nach wochenlangem Marsche kamen sie nach Kokreb, einer Haltestelle der Karawanen mit wasserreichen Brunnen auf der Route Suakin-Berber. Hier wurde ein Theil der Sclaven verkauft. Morsal kam mit einem Landsmann, Namens Abdallah, in den Besitz eines gewissen Omar-Barir, eines wohlhabenden Besitzers großer Viehherden. Der Herr wollte die beiden Sclaven als Hirten verwenden und schickte sie zu diesem Zweck nach seiner Heimat Arbaat, einige Stunden nordwestlich von Suakin gelegen. Die Ortschaft liegt in einem Thale gleichen Namens, dessen üppige Vegetation eine ausgedehnte Viehzucht ermöglicht. Die beiden Neger, obwohl Sclaven, wurden in ihrer Stellung als Viehhirten leidlich behandelt. Sie sollten jedoch nicht lange Sclaven bleiben. Einige Zeit nach ihrer Ankunft in Arbaat, als die beiden Knaben eines Tages in ziemlicher Entfernung von der Ortschaft bei der Herde weilten, sahen sie eine Sclavin ihres Herrn ans sie zukommen. Die Sclavin gesellte sich zu ihnen, fragte sie über ihr Lebensschicksal aus, sagte ihnen, dass sie eigentlich freigeboren seien und stachelte sie zur Flucht auf. In welcher Absicht und aus welchem Grunde sie dies that, weiß Morsal nicht anzugeben. Thatsache ist, dass die Worte der Sclavin den ihnen angeborenen Freiheitsdrang weckten und sie sofort zum Entschluss der Flucht brachten. Gesagt, gethan. Ohne zu überlegen, verließen die beiden Knaben die Herde und liefen in der Richtung, in welcher ihnen die Sclavin Suakin angezeigt hatte, davon. Gott schien ihre Befreiung aus der ©datieret zu wollen, denn sie begegneten keinem menschlichen Wesen. Gegen Abend langten sie vor dem befestigten ägyptischen Vorposten in Handub an. Der wachehabende Soldat hielt sie an und schickte sie zum Commandanten Mamur Bey, welcher sie nach einem kurzen Verhör freundlich aufnahm und in seiner Wohnung unterbrachte. Am folgenden Morgen sandte sie der Bey mit einem Beamten und einem Schreiben, an den Gouverneur nach Suakin. Dort wurden die beiden einem abermaligen Verhör unterstellt und Abdallah in die Negertruppe eingereiht, Morsal einem ägyptischen Beamten als Diener anvertraut. Diese seine Versorgung war aber nur provisorisch, denn die Behörden beabsichtigten, auch ihn zum Soldaten zu machen. Zu diesem Zweck sandte man ihn bei der nächsten Gelegenheit nach Tokar, wo eben ein neuer Truppentheil von Negern in Bildung begriffen war. Er wurde Reise der Bischarmen Alibu und Achmet in Europa. 133 jedoch bei der Musterung als zu klein befunden und erhielt nun seinen Freiheitsbrief. In Tokar konnte ihm seine Freiheit wenig nützen, er hätte sich nur vom Bettel kümmerlich fristen können. So kehrte er alsbald wieder nach Suakin zurück und trat dort in den Dienst eines gewissen Abd-el-Malak, Dolmetschers des Regiments-Commandanten. Doch auch in Suakin war sein Aufenthalt von kurzer Dauer. Nach drei Monaten wurde sein Dienstherr nach Kairo versetzt, und Morsal folgte ihm. E Der Knabe scheint sich keiner guten Behandlung erfreut zu haben, denn nach einigen Wochen vertauschte er seinen Dienst und trat bei einem gewissen Musa eilt. Doch auch bei diesem blieb er nur wenige Tage und begab sich auf die Suche nach besserm Verdienst. Diesmal schien Gott selbst für seine dauernde Unterkunft sorgen zu wollen. Nachdem er Musa verlassen hatte, führte ihn sein Weg zufällig an unserer Herz-Jesu-Kirche vorüber. Durch die offene Eingangsthüre erblickte er den in Mitte des Kirchplatzes befindlichen Brunnen und näherte sich, um seinen Durst zu stillen. Unser oben erwähnter Neger Joachim bemerkte ihn, lud ihn zu einer kleinen Rast ein und knüpfte ein Gespräch mit ihm an. Da stellte sich nun heraus, dass sie beide aus dem Lande der Berta und Landsleute waren; so wurden sie rasch vertraut mit einander. Als Morsal auf die Frage, ob er in die Schule gehe, erwiderte, er würde es sehr gern thun, habe aber niemand, der ihm den Lehrer bezahle, rieth ihm Joachim, in unsere Mission einzutreten, wo er ohne Zahlung unterrichtet werde. Morsal nahm den Vorschlag sofort an, und noch am selben Abend führte ihn unser Neger in die Colonie Gesira, wo er liebevolle Aufnahme fand. Er war etwa elf Jahre alt und schwarz wie Ebenholz. P. jnv. Hcyer, F. s. C. Reise bet Mumien pint nub Mines in dfnrop. Von P. Htto Kotier, F. S. C. Assuan, 20. October 1899. Bischarinenvolk fesselt wegen seiner eigenthümlichen Kleidung, seinen Sitten und Gebräuchen, das Interesse fast sämmtlicher Touristen, die zur (^3 Winterszeit hier nach Assuan kommen. Manche von diesen lieben es die die Bischarinen als Begleiter zu haben und lassen sich sogar in mitten derselben photographieren. Andere nehmen sie in die civilisierten Länder mit und stellen sie dortselbst den Blicken tausender und tausender von Neugierigen vor mit ansehnlichem Geldgewinn. So wurden vor ungefähr 6 Jahren die Bischarinen nach Amerika geführt. Diesen verflossenen Sommer machten sie in den deutschsprachigen Ländern die Runde. Möller, so heißt der Herr, der sie nach Europa brachte, trat vor allem mit einem gewissen Botros bey Sarkis ins Verständnis. Letzterer steht zu Beschir bey, einem der höchsten Oberhäupter der Bischarinen, in guten Beziehungen. Als Beschir bey von Möllers Absicht erfuhr, sagte er: „Ich habe nichts dagegen, dass die Bischarinen nach Europa gehen; nur will ich 500 Fr. als Geschenk bekommen." Das ersehnte Geschenk wurde ihm überhändigt. Der Bischarinenhäuptling war für Möllers Angelegenheit gewonnen. Nun kam es an den Scheich der hiesigen Bischarinen-Niederlassung namens Ibrahim Abdsn. Dieser hatte zwar nichts verlangt; dennoch war es gut, ihn nicht mit leeren Händen zu lassen. Es wurde ihm ein gutes Trinkgeld versprochen, damit er die ©einigen zur Reise nach Europa ermuntere. Eines Tages verbreitete sich im Bischarinenlager das Gerücht, dass der Scheich eine Versammlung zu halten wünsche. Die Nachricht eilte von Mund zu Mund und verursachte außergewöhnliche Aufregung im sonst so ruhigen Quartier. Alle erstaunten und sagten 134 Reise der Vischarmcn Lllibu itnb Ächinct in Europa. sich, es müsse sich wohl um wichtige Sachen handeln, denn Ibrahim Abdön sei nicht gewöhnt für Kleinigkeiten Versammlungen oder Reden zu halten. Männer und Weiber, Klein und Groß strömten zusammen, ihren Scheich zn hören. Ibrahim kam zur Versammlung, er ritt auf einem Esel und sprach begeisternde Worte. „Tapfere Genossen!" fuhr er seine Leute an, „euere Kraft und Starke, euere langen Haare, euere Schwerter, Schilde und Lanzen sind allbekannt. Auch dieses Jahr habt ihr der Touristen allgemeine Bewunderung erworben. Man will euch sogar in die weitentfernten Länder Europas führen und euch den dortigen Leuten vorstellen. Jene Länder, o Genossen, sind herrlich fürwahr. Dort gibt es gut zu essen und besser zn trinken, schöne Kleidung und reichliches Trinkgeld nebenbei All dieser Überfluss kommt euch in die Hände ohne jedwede Arbeit noch Mühe. Ihr habt nichts zu thun als zu spielen, zu tanzen und zu singen. Ich selbst möchte euch begleiten um jene Länder anzusehen. Da ich aber meinen Posten nicht verlassen kann, so lasse ich euch den Masala als Scheich, er ist ein tüch- tiger, getreuer Mann, gehorchet ihm. Ich hege den lebhaften Wunsch, dass zahlreiche von euch zur Reise sich anerbieten. Wohlan beim, o Männer und Jünglinge mit langen Haaren, mit scharfen Schwertern, mit gespitzten Lanzen und runden Schilden! Wohlan, o Weiber und Mädchen mit schönen, von Perlen und Muscheln geschmückten Zöpfen, mit Halsketten und Nasenringen! gehet in jene Länder und beglücket euch!" Ibrahims verlockende Worte erzielten den gewünschten Erfolg: ein großer Theil der Zuhörer erklärte sich sofort bereit die Reise anzu- treten. Unter ihnen befanden sich zwei erwachsene Jünglinge. Der eine hieß Alibu, der andere Achmet. Da die Anzahl der Reiselustigen zu groß war, begann man die geeignetsten unter ihnen auszuwählen. Beide erwähnten Jünglinge hatten das Glück, den Auserlesenen anzugehören. Vernehmen wir nun ihre Reisebeschreibung aus ihrem eigenen Munde. Von den schönen Worten unseres Scheichs begeistert beschlossen auch ivir, an der Reise theilzunehmen, sagten sie. Jedoch von seiten unserer Verwandten begegneten wir großen Schwierigkeiten. Dieselben baten uns, die Reise nicht mitzumachen. „Bleibet in euerm Lande", redeten sie uns zu. „Wollet nicht in jene fernen, fremden Länder gehen. Es gibt dort böse Leute, die euch ins Wasser und ins Feuer werfen. Die Reise selbst ist schwierig. Auf dem Salzfluss (Meer) wird es euch übel, u. f to." Wir versuchten unsere Verwandten zu trösten, versprachen ihnen reichliche Geschenke bei unserer Rückkehr, leisteten aber ihren Einsprechungen kein Gehör. Auch der Scheich begann zu unseren Gunsten zu reden und machte mit kräftigen Worten sämmtlichen Schwierigkeiten ein Ende. „Schweiget alle und höret euern Scheich an", sagte Ibrahim Abdön zu unseren betrübten Verwandten. „Ihr alle seid Dummköpfe und verstehet nichts. Ich aber weiß die Sachen wohl; nicht umsonst bin ich euer Scheich. Schon seit langen Jahre» hege ich Interesse für jene Länder und habe mich gut darüber unterrichtet. Die Reise in jene Länder ist eher eine Erholung als Mühe. Man hat über keinen Salzflnss zu fahren. Dort angelangt findet man Milch, Fleisch, Fett und alle wünschenswerten Sachen im Überfluss. Das Geld sammelt man mit beiden Händen. Dort werden euere Leute stark und kräftig über die Maßen; ihre Arme werden dick wie die Baumäste. Bei ihrer Rückkehr haben sie vierfache Kleidung und die Taschen voll von Gold. Damit kaufen sie sich Ziegen, Schafe, Kämeele, und leben im Wohlstände. Und wenn sich die Sachen nicht so verhalten, alsdann saget nur, dass euer Scheich ein Unwissender ist." Solch herrliche Worte erheiterten die betrübten Gemüther. — Herrn Möller's Stellvertreter hatte der Versammlung angewöhnt. Die geläufige, beredte Zunge des Bischarinen-Scheichs hatte ihn völlig befriedigt. „Nimm hin", sagte er, und überhändigte ihm .10 Goldstücke. Da spiegelte sich ans Ibrahim's dunkelbraunem Antlitze eine außergewöhnliche Freude Reise der Bisch arine» Alibu und Achmet in Europa. 135 und eilends steckte er das glänzende Metall an sicheren Ort. Wir indessen hatten alles mltangesehen. „Was hat er dir gegeben?" fragten wir unseren Scheich. „Gewisse Papiere, die für euch von Nutzen sind", antwortete er uns. In der That aber hatte er keine Papiere, sondern bares Geld bekommen. Die Reise war sodann beschlossen. Nun kam es zum Abschied. Bei uns herrscht der Brauch, dass die Verwandten beim Abschiednehmen sich gegenseitig die Nasen reiben, um sich besser zu sehen; es konnte ja wohl vorkommen, dass (Eine ägyptische Mmilie. sie sich in Zukunft nicht wieder sehen. Deswegen begann ein allgemeines Nasenreiben. „Ich, sagte Alibu, hatte acht Personen die Nase zu reiben." „Ich hatte nur mit fünf Personen dieses Compliment zu verrichten, bemerkte Achmet; ich habe nämlich hier wenige Verwandte." — Alle wünschten uns gute Reise, reichliches Trinkgeld und glückliche Rückkehr. Auch Ibrahim Abden richtete an uns von neuem ermuthigende Worte und so schieden wir. Wir waren im ganzen sechzig Personen, darunter zehn erwachsene Jünglinge und drei kleine Knaben, ferner vier erwachsene Mädchen und sechs Frauen, deren 136 Neisc der Bischnriiicn Alibi! inid Achmct in Europa. zwei Schwarze tvoren. Letztere hatten den Auftrag, uns in Europa die Kleider zu reinigen. Auch unter den Männern befanden sich zwei Schwarze. Die Männer hatten 65 Fr. als Monatszahlung. Die Frauen und Mädchen dagegen hatten 50 Fr. Auch Cuzzi, der in die Gefangenschaft des Mahdi gefallen war und nach der Schlacht bei Omdurman die Freiheit erlangte, wurde vom Herrn Möller mitgenommen, um ihn den Leuten in Europa vorzustellen. Dieser bekam monatlich 150 Fr. Wir reiften ab in ein fernes Land und waren dennoch heiter und fröhlich. Man hatte uns ja die schönsten Versprechungen gemacht: reichliche Nahrung, gute Kleidung und Zahlung und Trinkgeld nebenbei, und alles dies ohne Arbeit. Schon bei Beginn der Reise wurden jedwedem zwei glänzende Goldstücke überhändigt. Müde gelangten wir endlich nach Kairo. Dort trafen wir Herrn Möller. Dieser schickte einen unserer Männer nach Assuan zurück, weil er ihm nicht gefiel. Von Kairo nahm er zwei andere Schwarze als Dienerinnen seiner Frau mit. Hierauf ging die Reise weiter nach Alexandria. Es war Nachtzeit als wir dort ankamen. Man führte uns in ein Haus, in betn wir acht Tage verbrachten. Das waren langweilige Tage fürwahr. Man hielt uns fast imitier eingesperrt, damit Niemand uns sehen könne. Nur bei Nacht wurden wir für kurze Zeit in einen Hof gelassen. Der Herr indessen machte die nöthigen Vorbereitungen für die Reise. Endlich an einem Nachmittag verließen wir jenes Gefängnis und begaben uns an den Salzfluss (Meer). Vor uns marschierten vier Soldaten, je zwei befanden sich zur Rechten und zur Linken und zwei hinter uns schlossen den Zug. Eine zahlreiche Menge von Neugierigen folgte mit Geschrei und Lärm. Man behauptete über uns die seltsamsten Sachen. Die einen nannten uns Derwische, andere Niam-Niam und Menschenfresser. Woher sind diese Leute? fragten sich die einen. Kommen sie je von den Sternen herab? Nein, es ist dies eine Affenart, antworteten die andern. Sie zupften uns an unseren Kleidern und Haaren, um sich zu überzeugen, ob wir wirklich Menschen wären wie die übrigen. Einer dieser unverschämten Leute näherte sich einem bischarinischen Jüngling und sagte ihm: „Pfui, deine Haare und Kleider verbreiten Übeln Geruch!" Ali, so hieß der Jüngling, gab betn Ungezogenen mit dem Stocke einen Hieb. Die Soldaten waren kaum imstande, die Neugierigen von uns abzuwehren. Alibu hatte bei dieser Gelegenheit gute Geschäfte gemacht. Er war nämlich von einem Herrn über Nachrichten gefragt worden und wusste demselben mit geläufiger Zunge solch' interessante Sachen zu erzählen, dass er fünfzehn Piaster Trinkgeld erhaschte, während seine Kameraden nichts als Schmäh- und Schimpf-worte bekamen. Am Salzfluss angelangt, sahen wir vor uns ein weites Wasser ohne Strand. In der Nähe erblickten wir eine Art Häuser, die auf dem Wasser schwammen. In der Mitte derselben erhob sich ein langes Horn, das dick war wie die Bäume unserer Wälder. Man sagte uns, dass dies Seeschiffe seien; wir jedoch nannten sie Häuser. Mit größtem Staunen schauten wir diese Sachen an. Kein einziger wusste sich davon eine Erklärung zu geben. Leute, die derartige Häuser verfertigen, müssen wohl besondere Kraft haben, meinten die einen. Das ist schön und prächtig, riefen die anderen verwundert ans. Wieder andere betheuerten, niemals in ihrem Leben dergleichen gesehen zu haben. Als es sich aber darum handelte, auf das Haus zu steigen, wollte keiner der erste sein. Es tag nämlich auf dem Boden ein breites Holz, das vom Ufer zum Hause führte. Dieses Haus trägt uns nicht, sagten sich gegenseitig unsere Leute, es bricht unter unseren Füßen und wir müssen elend im Wasser ertrinken. Niemand machte einen Schritt vorwärts. Darüber ärgerte sich der Herr. „Seid ihr denn dumm geworden wie das Hornvieh und furchtsam wie die Hasen? sagte er uns; die Leute lachen euch aus" und mit diesen Worten ergriff er einen der Männer am Dos üM'tischc Pferd'. 137 Arm und gierig mit ihm auf's Holz. Der arme Manu machte mit größter Behutsamkeit Schritt für Schritt. Zuerst probierte er mit dem Vorderfuße, ob das Holz stark genug sei, hierauf trat er mit dem ganzen Fuße auf. Da erhob sich auf den, Ufer ein allgemeines Gelächter und Händeklatschen. Unsere Leute aber lachten nicht. Beim Anblicke dieses furchtsamen Mannes gieng endlich dem Herrn die Geduld aus, er gab ihm auf den Rücken einen gewaltigen Handstoß, sodass er fast auf den Boden fiel. Hierauf legte der Mann seine Furcht ab und kam glücklich auf's Haus. Wir alle folgten ihni. Kaum war die erste Schwierigkeit überwunden, als eine neue sich darbot. Auf dem Hause befand sich ein feuriges Eisen. Man wollte uns daran vorübersühren, jedoch niemand wagte vorwärts zu gehen. Dieses Feuer verzehrt uns, sagten unsere Leute und alle wichen vor dem Eisen aus. Von neuem überzeugte uns der Herr, dass es keine Gefahr gäbe, und führte uns an unsern Platz. Viele Gegenstände wurden indessen geladen. Zufrieden und höchst verwundert über die vielen seltsamen Sachen, die uns umgaben, sahen wir die Sonne, die bereits vom Himmel in den Salzstuss hinabzufallen begann. (Fortsetzung folgt.) Im iiMtischc pit n der Kunstsprache würde man das ägyptische Pferd, so wie man es in ganz Ägypten antrifft, als „veredelten Landschlag" bezeichnen. Es hat nicht den edlen Körperbau, die leichte Gangart, das feurige Temperament des englischen Vollblutpferdes, es ist aber auch nicht so plump, so schwerfällig und stumpfsinnig wie der gewöhnliche Landschlag, sondern steht in der Mitte zwischen beiden und gleicht der hannoverschen oder ostpreußischen Pferdeart. Der Rücken des ägyptischen Pferdes ist in der Regel ziemlich gerade gestreckt, der Schweif wird hoch getragen, die Beine bewegen sich leicht und ebenmäßig, ohne anzustoßen oder zu straucheln, die Vordersüße werden beim Laufen weder nach außen noch nach innen geworfen, sondern bewegen sich in gerader Richtung. Die Hufe sind hoch und rund, die Brust gewöhnlich ziemlich breit, der Hals meistens sehr leicht, und der Kopf verhältnismäßig groß und breit. Letzteres rührt zum Theil wohl daher, dass die Thiere durchschnittlich mager sind und deshalb Hals und Kopf nicht im richtigen Verhältnis stehen. Schweif und Mähne sind durch-gehends nur schwach entwickelt. Die vorherrschende Farbe des ägyptischen Pferdes ist die weiße, häufig finden sich sogenannte weiß-rothe oder weiß-schwarze Apfelschimmel, selten Füchse und Braune und nur vereinzelt Rappen. Die dunkle Farbe ist für das heiße Klima ungeeignet, sie saugt die Sonnenstrahlen ans und verursacht dem Thiere mehr Schweiß. In Bezug auf das Futter steht das orientalische Pferd seinen europäischen Genossen bedeutend nach: Hafer und Heu bekommt es wohl kaum zwischen die Zähne; den größten Theil des Jahres muss es Gerste mit Stroh fressen, letzteres wird durch die Dreschwagen zerquetscht und zerkleinert wie unser Häcksel, aber nicht so gleichmäßig. Wegen der Trockenheit der Luft ist dieses Futter immer sehr hart und spröde, es wird aber nicht mit Wasser angefeuchtet, sondern die Thiere müssen es trocken, herunterwürgen. Von December bis April wird nur Klee gefüttert, und weil der Übergang vom Trocken- zum Grünfutter meist ein plötzlicher ist, so leiden die Thiere öfter an Durchfüllen. Zur Zeit der Grünfütterung erblickt man auf dem Bock der Kutschen und oben auf den Frachtfuhrwerken ein Bündel Klee, der 138 Das ägyptische Pferd auf Kameeleu vom Nil in die Städte gebracht und dort an die Fuhrleute verkauft wird. Während die Droschkenkutscher halten, fütteren sie ihre Pferde aus der Hand mit Klee, den sie in der Regel etwas anhalten, damit er von den Thieren tiicht zu hastig verschlungen werde. Desgleichen sieht man öfter besorgte Fracht-fuhrlente neben ihren Pferden hergehen und ihnen Klee reichen, nicht bedenkend, dass es doch eigentlich zu viel verlangt ist von den armen Thieren, dass sie zu gleicher Zeit fressen, verdauen und ziehen sollen. Merkwürdig ist, dass unter den Pferden, wie übrigens auch unter den Eseln, das männliche Geschlecht bei Weitem vorherrscht. Wallache gibt es nicht, sondern nur Hengste. Diese sind von einer in Europa ungewöhnlichen Milde und Ruhe. Nur höchst selten wiehern sie, etwa nur, wenn ein anderes Pferd, am Zügel geführt oder geritten, in ihrer unmittelbaren Nähe vorübergeht. Überhaupt hat das ägyptische Pferd einen sehr sanften Charakter, wodurch es sich von dem ihm verwandten, aber schwereren und weniger schönen syrischen Pferde Vortheilhast unterscheidet. So weit ich nämlich das letztere in Palästina kennen lernte, zeichneten sich die Hengste durch Wildheit und Bosheit ans. Fast jedesmal, wenn ich mehrere Gespanne zusammentraf, z. B. zn Jerusalem am Jaffathor, entstand, wenn die Kutscher den Rücken gewendet hatten, eine gewaltige Keilerei, bei der die erbosten Thiere unter ohrenzerreißendem Grunzen mit den Hinterbeinen oder den Vorderbeinen ansschlngen, je nachdem es ihnen am gelegensten kam. In Kairo dagegen, wo man an den Bahnhöfen öfter gegen 50 Droschken antrifft, habe ich niemals bemerkt, dass die Pferde, selbst im dichtesten Gedränge, zu Gewaltthätigkeiten über-giengen. Umgekehrt sah ich einmal, wie ein Kutscher, der ringsum von anderen Wägen umgeben war und um jeden Preis sich einen Fahrgast ergattern wollte, in der rohesten Weise auf seine Pferde einschlug. Diese aber, die weder vorwärts noch seitwärts konnten, weit entfernt, sich zu bäumen oder ansznschlagen, erhoben ein jämmerliches Gewimmer und Gestöhn und warfen sich verzweifelt auf die Erde. Vielleicht ist diese außerordentliche Ruhe und Gntmüthigkeit die Folge des heißen, erschlaffenden Klimas. Zn dieser Gntmüthigkeit des ägyptischen Pferdes bildet die Behandlung, die es von seinem Herrn erfährt, in der Regel einen unschönen Gegensatz. Die Droschkenkutscher handhaben während der Fahrt ihre Peitsche wie einen Dreschpflegel und schlagen von einem Pferde ans's andere. Die Frachtfnhrlente verfahren vielleicht noch roher und rücksichtsloser. Von meinem Fenster ans beobachtete ich einmal, wie ein Fuhrmann eine Fracht Bruchsteine zu einem Neubau fuhr. Er fuhr zuerst den beladenen Karren auf den 3—4 Meter breiten Fußsteig, machte hierauf eine halbe Drehung, so dass das Pferd mit den Hinterbeinen auf den Fußsteig, mit den Vorderbeinen aber auf den fast einen Fuß tieferen Straßendamm zu stehen kam. Natürlich kam dadurch die Last ans dem Gleichgewicht und drückte mächtig auf den Rücken des Pferdes, das sich zudem in einer so nngemüthlichen Stellung befand. Zum Überfluss fieng nun der gedankenlose Fuhrmann an, die Steine abzuladen, und zwar die Hinteren zuerst. Das Pferd konnte nun die gewaltige Last nicht mehr tragen und fieng an, sich von einem Bein anfs andere zu lehnen. Aber der nichtsahnende Fuhrmann herrschte es mit donnernden Worten an, bis das arme Thier auf einmal unter seiner Bürde zn Boden stürzte. Da sprangen mehrere Männer hinzu, hoben den Karren in die Höhe rmd lösten das Geschirr, worauf sich das erschreckte Pferd wieder erhob und gegen den ihm über den Schweif gleitenden Sattel einen kräftigen Schlag abgab, den eigentlich der dumme Fuhrmann verdient hätte. Nachdem dann der Karren geleert war, ließ sich das Pferd wieder ganz willig einspannen, um vielleicht nach kurzer Zeit ein ähnliches Abenteuer zu erleben. 139 Das ägyptische Pferd. Ob das Geschirr dem Pferde passt oder nicht, ob es dasselbe druckt, das kümmert den pflegmatischen Ägypter nicht, es genügt, wenn das Thier darin hängen bleibt. Das Gefahr ist ebenfalls sehr unbequem. Die Karren sind schmalspurig und haben sehr hohe Räder, die wegen der beständigen Trockenheit sich schief verziehen und deshalb, wie auch wegen der unvollkommenen Schmiedekunst, während der Fahrt von der einen Seite zur anderen schlagen. Da die Achse wegen der großen Räder zu hoch liegt, so muss das Thier, anstatt von unten nach oben, oder wenigstens in gerader Richtung, von oben nach unten ziehen. Die Frachtwagen haben umgekehrt ganz kleine, vorne und hinten gleich hohe Räder; damit die Wagenbrücke die zum Auf- und Abladen geeignete Höhe habe, ruht dieselbe ans Stollen von einem halben Meter Höhe. Dass auch dieses eine vermehrte Zugkraft erfordert, ist dem Ägypter bei seiner gänzlichen Unkenntnis der Gesetze der Physik wohl unbekannt, aber jedenfalls gleichgiltig. Bei der trockenen Luft und Trägheit der Fuhrleute sind die Achsen häufig nicht gehörig eingefettet. Das für Miffionsffafion BMBgs in Itoi'&ofan. (Bor dem Aufstande des Mahdi.) einen gewöhnlichen Sterblichen, unausstehliche Gejammer eines solchen Gefährs scheint die starken Nerven der Ägypter angenehm zu berühren. Das ägyptische Pferd findet sich hauptsächlich in Unter-Ägypten, nach Ober-Ägypten zu wird es stets seltener. In Assuan findet man keinen Karren oder Frachtwagen, keine Kutsche, keine fahrbare Straße und nur einige wenige Reitpferde. Die Lasten werden von Eseln und Kameelen getragen, selbst Steine und Sand zum Häuserbau. Das ägyptische Pferd erreicht durchschnittlich kein hohes Alter, was wohl darin seinen Grund hat, dass bei der heißen und staubigen Luft die Athmungs-organe zu schnell abgenutzt werden. Den Droschkenpferden rinnt, mit Ausnahme der drei Wintermonate, der Schweiß fast immer in Strömen vom Leibe, den Zugpferden dringt von Sonnenaufgang an der weiße Schaum unter dem Geschirr hervor, und auch die wohlgenährten Pferde der reichen Paschas schnaufen und stöhnen zuweilen bei leichtem Trabe mit weitgeösfneten Nasenlöchern. Wegen der Kurzlebigkeit der Pferde hat man vielfach die Maulesel eingeführt, die an Kraft dem Pferde gleichkommen, an Ausdauer und Lebenslünge aber es weit übertreffen. Ein von der gewöhnlichen ägyptischen Pferdeart sehr verschiedenes Thier ist das sogenannte Paschapferd, das vornehmen Ägyptern häufig als Reitpferd dient. Es ist groß und kräftig gebaut, hat einen bis zur Erde reichenden Schweif, sehr 140 Verschiedenes. kräftige Mähne, einen krummen und schweren Hals, der den etwas gewölbten Kopf mit den fnnkelnden Angen nnd gespitzten Ohren hoch empor hält. Meist sind diese Pferde Rappen mit weißen Füßen nnd znrn Theil weißen Hafen. Unter dem Sattel tragen sie ein großes, weißes Schassfell, in der Mähne rund um den Oberkopf Bunte Schnüre, von denen phantastische Quasten herabhängen. Um ihren Herren einen bequemeren Sitz zu Bielen, hat man ihnen meistens den hässlichen Pass- oder Kameelgang beigebracht, d. h. jene Gangart, in der die Beine nicht kreuzweise, sondern paarweise, das Vorderbein und das Hinterbein je einer Seite, gleichzeitig fortbewegt werden. Nur mit großer Mühe werden die Pferde an diese Gangart gewöhnt: um alle 4 Füße werden Ringe gelegt,, die durch Stricke in der Weise verbunden sind, dass das Thier, wenn anders es sich fortbewegen will, nothwendig diesen Gang annehmen muss. Anfangs stranchelt das unerfahrene Thier öfter, der Führer, der die oberen Enden der Stricke in der einen Hand ' hält, lässt nach, damit es nicht zn Boden falle. Nach wochenlanger Übnng hat das Pferd den widernatürlichen Gang inne, es wird geritten und nachdem es auch im Reiten diese Gangart willig beibehält, setzt sich endlich der Herr ans das so dressierte Pferd, auf dem er dann wie in einer Wiege geschaukelt wird. Wie aber immer die Natur sich rächt, wenn sie vergewaltigt wird, so auch hier: bei der gezwungenen Gangart krümmt das Thier seinen Rücken, zieht die Hinterbeine weit unter den Bauch und schiebt sie seitwärts nach außen, um sich int Gleichgewicht zu erhalten. Das schönste Pferd macht in dieser Gangart einen hässlichen Eindruck und wirbelt mit seinen schleppenden Beinen große Staubwolken auf. Nichtsdestoweniger sind die so ausgebildeten Pferde sehr gesucht, wie auch die großen, von der Insel Cypern eingeführten Esel, wenn sie dieselbe Dressur genossen, den Wert eines gewöhnlichen Pferdes haben. Dr. Z. Mcnyaus. NttsWms. Zwei unserer Missionäre in Chartum. Zwei unserer Missionäre konnten sich schon nach Chartnm begeben, um ein für eine Missionsstation geeignetes Grundstück zu wählen. Es sind dies der Hochw. P. Josef Ohrwalder, ein Tiroler, welcher durch seine zehnjährige Gefangenschaft beim Mahdi fast der ganzen Welt bekannt ist, und der Hochw. P. Wilhelm Bauhölzer, ein Wüttem-berger, der noch vor einigen Jahren an der Universität in Innsbruck studierte. Es sind dies die ersten Priester, welche nach den traurigen Ereignissen vor fünfzehn Jahren wieder den historischen Boden Chartnins betreten haben. — Über die Reise entnehmen wir einem Brief P. Banholzer's ans Wadi-Halfa, 25. Sept., an einen Bekannten, dass sie 3 Tage und 3 Nächte ans dem Nil fuhren, und dass die Reise von Haifa mit der Eisenbahn in 2—3 Tagen nach Atbara und dann auf dem Nil in 3—4 Tagen nach Chartum geht. Auf der Eisenbahnfahrt fand ein Zusammenstoß statt, wobei die Locomotive und mehrere Wagen zertrümmert wurden; wenn die Missionäre sich nicht im letzten Wagen befunden hätten, wären sie vielleicht um das Leben gekommen. — Weiteres werden wir unseren Lesern in nächster Nummer mittheilen. Für die Redaction: P. Xfttici' Geyer, F. 8.6. — Druck von A. Weger's fb. Hofbuchdrnckerei, Brixe». Güßfttmidschlist is Siiiiiiii. "|T|ie Gastfreundschaft der Sudanbewohner verdient alles Lob. Der >|| I biblische Bericht von Abrahams Bewirtung der drei Engel enthält eine ,