Title Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten Titel Ef ective Planning and Implementation of Communication Processes Subtitle Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende Untertitel Key Basics of Moderating for Students in German Studies and Other Fields Authors Saša Jazbec Judith Hansmeier Autorinnen (University of Maribor, Faculty of Arts) (University of Maribor, Faculty of Arts) Review Dejan Kos Sanja Radanović Rezension (University of Maribor, Faculty of Arts) (University Banja Luka, Faculty of Arts) Language editing Judith Hansmeier Sprachprüfung (University of Maribor, Faculty of Arts) Technical editors Lana Thaler Oblak Jan Perša Technischer Redakteur (University of Maribor, University Press) Cover Designer Cover Designer Lana Thaler Oblak Graphic material Grafische Anhänge Authors Published by University of Maribor, University Press Verleger Slomškov trg 15, 2000 Maribor, Slovenia https://press.um.si, zalozba@um.si Co-published by University of Maribor, Faculty of Arts Herausgeber Koroška cesta 160, 2000 Maribor, Slovenia http://ff.um.si, ff@um.si Edition Buchausgabe 1st Publication Type Buchart E-Book Available at Verfügbar http://press.um.si/index.php/ump/catalog/book/536 Published in Herausgabedatum Maribor, Slovenia, February 2021 CIP - Kataložni zapis o publikaciji Univerzitetna knjižnica Maribor 316.77:811.112.2ʹ24 © University of Maribor, University Press Text / Besedilo © Jazbec und Hansmeier, 2021 JAZBEC, Saša, 1971- Kommunikationsprozesse effektiv und geplant This book is published under a Creative Commons 4.0 leiten [Elektronski vir] : Grundlagen der International licence (CC BY-NC-ND 4.0). This license allows reusers to copy and distribute the material in any medium or Moderation für (Germanistik-) Studierende / format in unadapted form only, for noncommercial purposes Autorinnen Saša Jazbec, Judith Hansmeier. - E-only, and only so long as attribution is given to the creator. publikacija. - Maribor : University of Maribor, University Press, 2021 Any third-party material in this book is published under the book’s Creative Commons licence unless indicated otherwise Način dostopa (URL): in the credit line to the material. If you would like to reuse any https://press.um.si/index.php/ump/catalog/book/536 third-party material not covered by the book’s Creative ISBN 978-961-286-428-6 Commons licence, you wil need to obtain permission directly from the copyright holder. doi: 10.18690/978-961-286-428-6 COBISS.SI-ID 49546755 https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ ISBN 978-961-286-428-6 (pdf) DOI https://doi.org/10.18690/978-961-286-428-6 Price Preis Free copy For publisher Verantwortliche Person des Verlegers prof. dr. Zdravko Kačič, Rektor der Universität Maribor Attribution Jazbec, S. and Hansmeier, J. (2021). Kommunikationsprozesse ef ektiv und geplant leiten: Grundlagen der Moderation für Zitierweise (Germanistik-)Studierende. Maribor: University Press. doi: 10.18690/978-961-286-428-6 Inhaltsverzeichnis: Einleitung: Ziele und Konzeption des Werkes 1 Baustein 1: Theoretische Grundlage: Kommunikation – Moderation 5 1.1 Kommunikationsprozesse – Theoretische Überlegungen 5 1.2 Moderation – Theoretische Überlegungen 7 1.3 Interview mit Mojca Mavec 10 Baustein 2: Zum Moderieren notwendige Kompetenzen 21 2.1 Kompetenz – Begriffsexplikation 22 2.2 Moderationskompetenz: ein Forschungsüberblick in Umrissen 24 2.3 Kann-Beschreibungen der Moderationskompetenz 26 Baustein 3: Eine Moderation vorbereiten 35 3.1 Inhaltliche Vorbereitung 37 3.2 Das Ziel bestimmen 37 3.3 Ablauf und Zeitplan 39 3.4 Mental-emotionale Vorbereitung 41 3.5 Organisatorische Vorbereitung 42 Exkurs: Nachbereitung 43 Baustein 4: Fragen formulieren in der Moderation 47 4.1 Fragestellung(en) in der Diskussion 47 4.2 Fragen, die in der Diskussion nach vorne weisen 51 4.3 Fragen, die in der Diskussion zurückblicken 54 4.4 Die Plateaufrage als eine Mischform 55 Baustein 5: Eine Moderation auf Deutsch leiten 61 5.1. Die Begrüßung 62 5.2 Die Anmoderation der Gäste bzw. Referent*innen 64 5.3 Fragerunde und Diskussionen 65 5.4 Übergänge 67 5.5 Der Abschluss 68 5.6 Moderationen speziell in der Fremdsprache 69 Exkurs: Virtuelle Meetings moderieren 70 Baustein 6: Methoden für die Moderation: praktische Beispiele 75 6.1 Moderationsmethode: Punktabfrage 77 6.2 Moderationsmethode: Die ABC-Methode 81 6.3 Moderationsmethode: Fischgrätendiagramm 85 6.4 Moderationsmethode: Kopfstandtechnik bzw. Paradoxe Abfrage 89 6.5 Moderationsmethode: Die sechs Denkhüte (nach Edward de Bono) 93 Literaturverzeichnis 97 Anhang 99 Einleitung: Ziele und Konzeption des Werkes In dem vorliegenden Werk geht es, um es mit Sperling und Wasseveld-Reinhold zu sagen, um „das spannende Erlebnis des Gestaltens menschlicher Kommunikation durch Moderation“ (2011: 6). Zwar denkt man bei dem Begriff Moderator*in meist an Personen, die diesen Beruf im Fernsehen oder Radio ausüben, aber eigentlich kann dieser Rolle sowohl beruflich als auch privat im Leben kaum jemand entgehen. Verständigungsprozesse zwischen Menschen und die Kooperation zwischen ihnen (möglichst reibungslos) zu organisieren und zu gestalten gehört u. E. zu den Schlüsselkompetenzen eines jeden modernen Menschen. Dass diese Prozesse zwischenmenschlicher Interaktion unterschiedlich gehaltvoll und reibungslos ablaufen können, wissen wir alle und haben dies sicher bereits am eigenen Leib erfahren können. Um effektive Kommunikationsprozesse gestalten und erfolgreich Gespräche leiten zu können, braucht man Wissen, Kenntnisse und vor allem intensive inhaltliche, organisatorische und (fremd-)sprachliche Vorbereitung. Zum Glück existieren Tools und Techniken, die uns helfen können, unsere Moderationskompetenz im weitesten Sinne aufzubauen. Ausgestattet mit theoretischem Wissen über die Moderation, geübt in bestimmten Techniken und Methoden können wir selbstbewusster und viel effektiver an Gesprächen teilnehmen und diese auch leiten. Das Anliegen dieses Werkes ist es also nicht, professionelle Moderator*innen1 auszubilden, sondern Studierende dazu zu befähigen, an menschlicher Interaktion effektiver teilnehmen zu können. Sie sollen in der Lage sein, Gespräche reibungslos, zielorientiert und kompetent zu führen und die Interaktionsprozesse kritisch zu reflektieren. Das Werk besteht aus sechs Bausteinen (Baustein 1: Theoretische Grundlage: Kommunikation – Moderation, Baustein 2: Zum Moderieren notwendige Kompetenzen, Baustein 3: Eine Moderation vorbereiten, Baustein 4: Fragen formulieren in der Moderation, Baustein 5: Eine Moderation auf Deutsch leiten, Baustein 6: Methoden für die Moderation: praktische Beispiele). Am Ende des Werkes befinden sich noch das 1 Im nachfolgenden Text wird im Sinne der gendersensiblen Sprache auf das generische Maskulin verzichtet. Stattdessen werden Schreibweisen mit Gendersternchen sowie genderneutrale Personenbezeichnungen verwendet. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 1 Literaturverzeichnis mit allen im Text referierten Quellen sowie ein Anhang mit im Seminar bereits ausgefüllten Arbeitsblättern. Die ersten fünf Bausteine sind thematisch unterschiedlich, aber strukturell vergleichbar aufgebaut. Auf eine Warm-up Aufgabenstellung, einen Ausgangspunkt zum Nachdenken oder das Aktivieren der Vorkenntnisse zu dem thematischen Aspekt des Bausteins folgen theoretische Grundlagen. In einigen Bausteinen sind dies fachliche oder begriffliche Überlegungen, in anderen theoretische oder strukturelle Ausgangspunkte für die konkrete(re) Arbeit. Jeder Baustein wird mit konkreten Aufgabenstellungen2 für Studierende abgerundet. In diesen Aufgabenstellungen werden die Studierenden ermutigt, die theoretischen Ausgangspunkte praktisch auszuprobieren oder sie kritisch zu reflektieren, zu ergänzen usw. Alle Aufgabenstellungen sind halboffen oder offen, so dass die Ergebnisse in der Regel im Plenum oder mit der Hochschullehrkraft auf ihre Relevanz hin besprochen werden sollten. Auf Musterlösungen wird deshalb verzichtet. Lediglich für die umfangreicheren Aufgaben in Baustein 6 finden sich Lösungsvorschläge im Anhang. Diese dienen dazu, die vorgestellten Moderationsmethoden zu verdeutlichen und sind als Anregungen zu verstehen, nicht als Musterlösung. Schließlich werden die Bausteine ergänzt durch ein Interview mit einer bekannten slowenischen Moderatorin und Journalistin. Das Interview wurde speziell für das vorliegende Werk geplant und durchgeführt. Es bietet einen interessanten Blick auf den Beruf als Moderator*in und hebt jene subjektiven und emotiven Aspekte des Moderierens hervor, die in der Theorie meist vernachlässigt werden. Der letzte, der sechste Baustein rundet das Werk ab. Der Aufbau ist hier spezifisch, denn er enthält fünf konkrete Moderationsmethoden. Jede Methode wird kurz beschrieben, dann werden ihre Vor- und Nachteile angeführt und schließlich wird ein möglicher Ablauf einer Moderation nach dieser Methode dargestellt. Die Beschreibungen dieser Methoden haben einen doppelten Zweck. 2 Die einzelnen Aufgaben sind anhand von Nummern und Buchstaben durchnummeriert. Dabei zeigt die Zahl den Baustein an, der Buchstabe steht für die Reihenfolge der Aufgaben innerhalb des Bausteins. Die Aufgabe 3B ist demnach die zweite Aufgabe in Baustein 3. 2 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Zum einen sollen sie die jeweilige Methode kurz vorstellen und reflektieren. Zum anderen dienen sie auch als eine beispielhafte Darstellung davon, was es bei der Wahl einer Moderationsmethode zu bedenken gibt. Das konkrete Beispiel zu jeder Methode ist jeweils so gewählt, dass es sich thematisch auf je einen der vorangegangenen Bausteine bezieht. Die Bearbeitung der Beispiele kann daher auch dazu genutzt werden, die Inhalte der einzelnen Bausteine zu reflektieren und zu vertiefen. Das Werk ist für (Germanistik-)Studierende gedacht, die Menschen zu einer erfolgreicheren Zusammenarbeit motivieren, organisieren und anleiten wollen. Das Konzept des Werkes spricht vor allem jene Leser*innen an, die an menschlichen Interaktionen zwar oft teilnehmen, bisher jedoch selten oder nie in der Position waren, diese selbst zu leiten. Mit diesem Werk und den darin enthaltenen Bausteinen kann man durch theoretische und praktische Hilfestellungen lernen, wie man menschliche Interaktion erfolgreich führt und moderiert. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 3 Baustein 1: Theoretische Grundlage: Kommunikation – Moderation Die Verständigung und der Austausch zwischen Menschen, die verbal in Form von Sprache oder nonverbal in Form von Zeichen ablaufen, sind für unser Leben so selbstverständlich wie Essen und Schlafen. Wie sehr wir auf beide Arten der Kommunikation angewiesen sind, zeigt sich besonders, sobald die Kommunikation Einschränkungen erfährt. So griffen etwa gerade die durch Corona geprägten Zeiten in die ansonsten als normal empfundene Kommunikation zwischen Menschen ein, verletzten so Menschen in ihrem Wesen und trugen dazu bei, dass man die Kommunikation, die bestehenden Möglichkeiten sowie deren Wirkung bewusst(er) oder neu reflektiert. 1.1 Kommunikationsprozesse – Theoretische Überlegungen Die Kommunikation ist ein Prozess der Übertragung von Gedanken, ein Gedankenaustauch. Dafür braucht man in der Regel einen Sender und mindestens einen Empfänger. Außerdem notwendig sind ein Kanal (akustisch, optisch und taktil), der passend und bei beiden gleich sein sollte, sowie einen Kontext, der die Kommunikation miteinander ermöglicht. Ist dies nicht gegeben, kommuniziert man aneinander vorbei. Wenn man Theorien der Kommunikation recherchiert, so begegnet man schon zu Beginn der Recherche höchstwahrscheinlich dem Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick. Er behauptet (zit. nach Stanek & Mayer 2011: 17): „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Wie verstehen Sie die Aussage? Das doppelte „nicht“ ist kein Fehler, sondern tatsächlich von tellung Watzlawick intendiert. abens Sind Sie mit der Aussage einverstanden? Versuchen Sie, nicht zu kommunizieren! Diskutieren Sie! 1A Aufg Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 5 Da im Weiteren auf eine spezifische Art der Kommunikation, nämlich das Leiten bzw. Moderieren von Gesprächen, eingegangen wird, soll hier noch ein Axiom Watzlawicks hervorgehoben werden (zit. nach Stanek & Mayer 2011: 17) „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer den Ersteren bestimmt.“ Wie verstehen Sie die Aussage? Machen Sie einen kleinen Versuch und spielen Sie die folgende Szene vor: Sie sind ein Professor an der Uni und ein Student schreibt während Ihrer Vorlesung heimlich Textnachrichten auf seinem Smartphone. 1.) Sagen Sie ihm, dass Sie damit nicht tellung einverstanden sind und dass er damit aufhören soll. Dabei denken Sie: „Ich hoffe, dass er mir abens zuhört, denn er hat zu dem kommenden Thema sicher gute Argumente.“ 1B Aufg 2.) Sagen Sie ihm, dass Sie damit nicht einverstanden sind und dass er damit aufhören soll. Dabei denken Sie: „Ich hoffe, dass er aufsteht und den Raum verlässt, denn ich kann das nicht mehr ertragen.“ Diskutieren Sie den Unterschied! Beim Inhaltsaspekt – im Beispiel oben ist dies die Mahnung aufgrund einer Störung – geht es um Fakten, Zahlen usw., kurzum: darum, was man sagt. Der Beziehungsaspekt dagegen – im Beispiel oben bspw. die Verhaltensweise – betrifft die Beziehung der Gesprächspartner*innen zueinander, kurzum: wie man etwas sagt. Beide Aspekte sind für die Kommunikation äußerst relevant, nicht nur der selbstverständlich erscheinende Inhaltsaspekt, sondern vor allem auch der häufig vergessene Beziehungsaspekt. Es darf also nicht vergessen werden, auch nicht bei der Moderation: „Es ist daher nicht nur entscheidend, was ich sage, sondern auch, wie ich es sage“ (Stanek & Mayer 2011: 17). 6 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Es gibt neben vielen verschiedenen Theorien und Typologien von Kommunikation auch verschiedene Arten der Kommunikation. Im Weiteren muss dieser breite Rahmen eingeengt werden und wir beschäftigen uns nur mit einer speziellen Kommunikationsart, der Moderation. 1.2 Moderation – Theoretische Überlegungen Moderation ist ein Begriff, heute sogar eigentlich ein Schlagwort, das sehr oft in ganz unterschiedlichen Kontexten verwendet wird. Wenn man Studierende fragt, was sie mit Moderation assoziieren, dann fallen ihnen meist Fernsehmoderationen, Diskussionen oder öffentliche Gespräche ein. Während diese spontanen Aussagen eher eine Aktivität assoziieren, bedeutet Moderation ursprünglich aus dem Lateinischen stammend eigentlich einen Prozess „mäßigen”, „steuern” oder „lenken”. Moderation wird in einigen zitierfähigen Quellen wie folgt definiert: 1.) Moderation ist ein Instrument, welches die Kommunikation in Teams in der Art und Weise unterstützt und ordnet, dass die Ressourcen der Teilnehmer bestmöglich zum Einsatz kommen. Sie ist weiterhin eine Arbeits- und Darstellungstechnik, die der Moderator in Arbeitsgruppen, bei Konferenzen oder in ähnlichen Situationen einsetzt. Der Moderator bietet Hilfen methodischer Art zur Problemlösung oder auch Konfliktregelung an, ohne dabei inhaltlich Stellung zu beziehen bzw. Partei zu ergreifen. (Gabler Wirtschaftslexikon) 2.) Moderation als das „Tool“ zur Strukturierung von Gruppengesprächen ist für die Durchführung von Workshops im Rahmen strukturierter Changemanagement-, Organisationsentwicklungs- und Teamentwicklungsarbeit längst nicht mehr wegzudenken. Zur Gestaltung von „normalen“ Besprechungen wird sie aber bisher immer noch zu wenig und nicht konsequent genug genutzt. (Seifert 2015: 7) 3.) Moderation ist ein häufig gebrauchter Begriff und beschreibt eine Fertigkeit, die jeder beherrschen sollte, der mit Besprechungen und Workshops zu tun hat – sei es im Arbeitsleben oder privat. Im weitesten Sinn bedeutet Moderation Gesprächsleitung, wobei sich die Rolle des Moderators insbesondere durch dessen Neutralität Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 7 auszeichnet. Als Methode im Bildungsbereich setzt Moderation auf die Kompetenz der Gruppe. Der Moderator ist nur für den Prozess zuständig, nicht für die Inhalte. Eine Moderation in diesem Sinn läuft nach definierten Regeln ab, hat eine klar umrissene Dramaturgie und greift auf bestimmte Materialien zurück. (Handbuch PersonalEntwickeln) Die drei exemplarisch ausgewählten Definitionen illustrieren deutlich, wie offen und vage der Begriff eigentlich ist. Moderation wird wahlweise verstanden als ein die Kommunikation in der Gruppe unterstützendes Instrument, als ein Gespräche organisierendes Werkzeug oder als eine für berufliche und private Besprechungen notwendige Fertigkeit. Was ist nun also Moderation? Ein Instrument, ein Werkzeug oder eine Fertigkeit? Tautologisch könnte man sagen, weder das Eine noch das Andere noch das Dritte, aber zugleich sowohl das Eine als auch das Andere als auch das Dritte. Das allgemeine Problem der Definitionen ist, dass sie wegen des linearen Charakters des Narrativen bei der Versprachlichung bestimmte Aspekte fokussieren und anderen wiederum auslassen müssen. Vielleicht hilft als Alternative bei der Diskussion der Definitionen der Vorschlag, sich bei verschiedenen vorhandenen Definitionen auf das zu konzentrieren, was ihnen gemeinsam ist. Bei den illustrativ ausgewählten Definitionen der Moderation ist sehr deutlich, dass alle die Moderation letztendlich als eine gesteuerte Kommunikation verstehen. Ferner gibt es in der Fachliteratur zum Thema Moderation interessante Vorschläge, wie man die Moderation metaphorisch veranschaulichen kann. So stellt etwa Lauff (2019: 132) geglückt fest, Moderator*innen seien Gastgeber*innen. Sie haben die Aufgabe, sich während einer Veranstaltung darum zu kümmern, dass die Redner*innen optimal zur Geltung kommen und ein Maximum an Nutzen erzielen. Sie sorgen dafür, dass Zuhörer*innen im Publikum das Gesagte verstehen und mit Nachfragen und Diskussionsbeiträgen teilhaben können. In kritischen Situationen vermitteln sie zwischen beiden Seiten. Sie sorgen für einen planmäßigen Ablauf und ein gutes Arbeitsklima. Außerdem reagieren sie sensibel auf Unvorhergesehenes. Egal ob die Moderation im Rahmen eines Kongresses, eines Vortragsabends, eines Kundenevents oder einer Vereinsversammlung stattfindet: Die Aufgabe eines Moderators bzw. einer 8 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Moderatorin ist es, dass Referent*innen und Zuhörer*innen am Ende sagen: „Ich habe mich wohlgefühlt, habe Neues dazugelernt, Anregungen erhalten, Zweifel beseitigt, Fragen geklärt, Kollegen kennengelernt, Einblicke erhalten. Ich bin bereichert“ (Lauff 2019: 132). Das ist auch das Anliegen des vorliegenden Werkes. In Anlehnung an die oben angeführte dritte Definition aus dem Handbuch PersonalEntwickeln sowie an die Definition von Sperling und Wasseveld-Reinhold (2011: 6), die Moderation im Kontext des Studiums als ein „spannendes Erlebnis des Gestaltens menschlicher Interaktion“ bezeichnen, sollen die hier versammelten Texte helfen, Moderation zu verstehen, zu recherchieren und zu erlernen. Der eigentlichen Arbeit und dem Aufgabenlösen wird folgende Arbeitsdefinition der Moderation vorausgeschickt: Moderation ist eine durchdachte und im Voraus vorbereitete Leitung bzw. Führung eines (nicht privaten) Gesprächs mit einem oder mehreren Gesprächspartner*innen, das einer klar umrissenen Dramaturgie folgt. Sie wird inhaltlich mit Quellen sowie sprachlich mit geeigneten (fremd-)sprachlichen Redemitteln unterstützt und läuft in einer angenehmen, konstruktiven, an Diskussion und Austausch orientierten Umgebung ab. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 9 1.3 Interview mit Mojca Mavec3 Im Weiteren folgt ein Interview mit der Journalistin und (Fernseh-)Moderatorin Mojca Mavec. Die Intention des Interviews ist es, den durchdacht ausgewählten theoretischen und praktischen Übungen, die das Werk enthält, eine authentische berufliche Perspektive des Moderierens voranzustellen. Im Interview beschreibt Mojca Mavec ihre persönlichen Erfahrungen mit der Moderation in unterschiedlichen Kontexten und erklärt, was für sie eine gute Moderation ausmacht. Immer wieder stehen dabei die Empathie und die zwischenmenschliche Interaktion im Fokus. Damit setzt sie einen deutlich anderen Schwerpunkt als viele Ratgeberwerke, die Moderation als eine rein handwerkliche Tätigkeit beschreiben, die anhand bestimmter Kriterien abgearbeitet werden kann. Die Interviewte, Mojca Mavec, ist gelernte Journalistin und Moderatorin, bekannt für ihre Mehrsprachigkeit (Slowenisch, Englisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Französisch), ihre Empathie und ihren Charme. Grundlage ihrer Arbeit ist ihre langjährige Erfahrung als TV-Moderatorin, sie leitet aber auch Galaabende und verschiedene andere Veranstaltungen sowohl in Slowenien als auch im Ausland. Sie moderiert und konzipiert unter anderem die tägliche Fernsehsendung Dobro jutro [Guten Morgen] aus dem Bereich Unterhaltung sowie die sehr interessante und spannende Reisesendung Čez planke [Über die Planken], in der sie die Welt bereist, alltägliche, gewöhnliche Menschen zu Wort kommen lässt und den Zuschauer*innen das Leben an anderen Orten aus einer anderen Perspektive zeigt. 1 Wie sind Sie eigentlich Moderatorin geworden, wie hat alles angefangen? Ich habe meinen Werdegang sehr früh angefangen, und zwar direkt beim Fernsehen. Das war keine Debatte. Damals war das nationale Fernsehen, das 3 An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei Frau Mojca Mavec für das Interview bedanken. Wir freuen uns sehr, dass sie sich die Zeit genommen hat, unsere Fragen zu beantworten, und dass sie ihre Zustimmung zur Veröffentlichung der Antworten gegeben hat. Das Gespräch wurde als Videokonferenz geführt. Da die vollständige Abschrift des einstündigen Gesprächs leider das Anliegen dieser Handreichung sprengen würde, werden in dieser Publikation nur ausgewählte Fragen und Antworten verschriftlicht. 10 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Staatsfernsehen, das einzige, das wir hatten, und damals gab es eine populäre Jugendsendung, die hieß Tok tok. Ich war ein großer Fan davon und ich habe gesehen, dass sie Mitarbeiter suchen. Ich habe mich gemeldet und bin dann ganz offiziell zur Audition gegangen. Irgendwie bin ich da durchgekommen und habe dann sehr sehr früh angefangen, vor der Kamera zu arbeiten. Das mache ich jetzt schon seit fast zwanzig Jahren. [Lächeln] 2 Beim Radio waren Sie nie oder nicht so oft wie beim Fernsehen? Ich habe es auch beim Radio versucht, also beim Staatsradio, aber ich brauche irgendwie auch die Kamera, ansonsten ist es mir zu wenig. Ich finde das faszinierend, auch meine Kollegen, die beim Radio arbeiten, wie sie all das, was ich vor der Kamera mache, mit der Stimme, mit den Emotionen erzählen können. Aber für mich war das irgendwie zu wenig. Ich liebe wirklich das Fernsehen. Ich finde auch, es ist ein wunderschöner Beruf, den ich habe. Ich bin nicht nur Journalistin und Moderatorin. Das Fernsehen gefällt mir sehr, weil ich ja auch viele Sachen machen kann, nicht nur vor der Kamera. Ich finde, ein Dreiviertel des Lebens ist Arbeit und die muss dir gefallen. Ansonsten wird es nicht einfach. Ich liebe meinen Beruf, es ist immer schwer, nicht immer euphorisch zu sein, wenn ich über meinen Beruf spreche. Ich kann mich sehr gut ausdrücken und es ist ein Beruf, den ich auch mit viel Fantasie machen kann, es ist ein konstantes Lernen. Auch jetzt mit meinen Jahren. Ich finde, da sind wirklich schöne Möglichkeiten, wie gesagt, nicht nur vor der Kamera. 3 Was muss ein Moderator bzw. eine Moderatorin können, was sind die Aufgaben? Was kann er oder sie lernen und was bringt man auf die Welt mit? Ich selbst erlebe die Moderation so wie eine Geschichte, die eine Einführung braucht, dann die Geschichte selbst und dann noch eine Auflösung. Ich finde, die Moderation ist nicht einfach ein Interview zu führen, wie viele denken, oder etwas vorlesen. Das ist eine Ansage. Eine Ansage ist für mich, dass man etwas von einem Papier abliest, und das ist nicht subjektiv. Eine Moderation Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 11 ist für mich sehr subjektiv. Es hat etwas mit Emotionen zu tun, mit Empathie. Es ist wirklich eine sehr komplexe Aufgabe. Natürlich kann man das in gewissem Maße erlernen, aber ich würde sagen, man braucht auch Talent. Was mich manchmal stört und vielen fehlt bei der Moderation, auch bei meinen Kollegen: Man muss vor allem sehr gut zuhören können. Das fehlt manchmal sehr und diese Empathie, die finde ich für die Moderation sehr wichtig. Man kann die Haltung erlernen, wie ich da sitze, wie ich da vor Ihnen stehe. Man kann sehr viel mit der Sprache arbeiten und diese natürlich auch verbessern. Aber ich finde, diese Empathie, dieses Talent, irgendwie nahe zu den Menschen zu kommen, mit denen du dich unterhältst oder an die du dich wendest. Das kann man eigentlich schwieriger erlernen. Und ja, es ist ein Beruf, in dem das Talent sehr wichtig ist, würde ich sagen. 4 In den Nachschlagewerken kommt das Zuhören oft zu kurz. Ich finde Zuhören zu lernen viel schwieriger, auch mich darauf vorzubereiten. Ich kann mir genau überlegen, was ich sagen möchte, aber wie schaffe ich es, gut zuzuhören? Ich glaube, es hat viel mit Gefühl zu tun, mit diesem Feingefühl. Wenn ich jetzt ein Interview habe, einen Gast, dann nehme ich mir immer Zeit. Obwohl, beim Fernsehen hat man nie Zeit. Die Uhr tickt immer, aber ich nehme mir trotzdem Zeit, vor allem am Anfang ein paar lockere Fragen und dann fange ich so richtig an, also richtige Fragen zu stellen. Aber ich bin auch sehr temperamentvoll. Ich rede auch sehr viel und auch sehr schnell. Aber ich bin auch eine sehr gute Zuhörerin und ich glaube, das hilft mir wirklich sehr bei meinem Beruf. 5 Hatten Sie trotzdem mal Situationen, in denen das nicht wirklich funktioniert hat? Z. B. stellt man eine Frage und der Gegenüber sagt fast nichts oder antwortet ganz kurz. Ja, da ist die Empathie sehr wichtig. Ich habe meinen Charakter und mein Temperament, aber ich fühle auch meinen Gesprächspartner. Ich versuche, 12 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: mich in ihn hineinzuprojizieren, wie er ist, und dann benehme ich mich auch so. Ich versuche, mich meinem Gesprächspartner anzupassen. Und das finde ich sehr sehr wichtig für die Moderation. Manchmal finde ich, dass Moderatoren zu sehr mit eigenen Charakteren spielen, bei vielen ist das auch ein bisschen Egoismus, wenn man schon ein bekannter Moderator ist, lässt man immer den Charakter spüren. Und wenn der Mensch nervös ist oder scheu, da leg ich nicht grad los, aber ich versuche, langsam etwas Nettes zu fragen: Wie geht es Ihnen heute. Ich finde, manchmal sind die einfachsten Fragen die effektivsten. Man denkt immer, jetzt muss ich wirklich etwas Schlaues fragen, ich muss schlau rüberkommen. Aber ich finde, die wichtigsten und die schönsten Fragen sind eigentlich die einfachsten. 6 In der Fachliteratur wird gesagt, dass Vorbereitung wichtiger sei als Erfahrung. Wie würden Sie das kommentieren? Ist die Vorbereitung wirklich so wichtig und erst dann kommt die Erfahrung? Oh ja, auf jeden Fall. Ich glaube, die Vorbereitung ist sehr sehr wichtig. Und das ist auch ein sehr wichtiges Thema für mich. Was immer ich auch mache, also ein Interview, eine Ansage, ich versuche, mich wirklich sehr sehr gut vorzubereiten, denn mich interessieren ja auch die Themen, über die ich spreche. Ich lese gerne, ich bin fleißig. Ich glaube, das ist sehr sehr wichtig, wenn man ein Moderator sein will. Man muss wirklich fleißig sein. Fernsehen ist wirklich harte Arbeit, wenn man das gut machen will. Und das ist auch das Schöne an meinem Beruf, ich kann immer noch lernen. Und ja, die Vorbereitung ist natürlich auch die Erfahrung. Aber die Erfahrung würde ich mehr auf dieses Anpassen projizieren. Dass man den Gesprächspartner mehr spürt, das ist die Erfahrung. Ich will auch nicht sagen, dass ich nicht nervös bin. Ich habe immer auch ein bisschen Lampenfieber vor meinen Auftritten. Das ist für mich persönlich immer ein gutes Zeichen. Denn wenn ich Lampenfieber habe, dann passe ich auch auf, dann lege ich nicht sofort los, sondern mache alles langsam. Wissen Sie, die Arbeit vor der Kamera hat auch sehr viel mit Ehrlichkeit zu tun. Die Kamera potenziert alles, die guten und die schlechten Seiten, und ich versuche immer, ehrlich zu sein, so wie ich bin. Manchmal bin ich nervös und ich Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 13 schäme mich nicht. Es ist kein Problem für mich, das auch zu sagen: „Ach, heute habe ich wirklich einen schlechten Tag.“ Das ist wieder so eine schöne Einleitung für das Gespräch, ein bisschen von sich selbst zu erzählen. Ich bin ja nur ein Mensch. Eine Moderation ist eine Interaktion zwischen zwei Menschen und auch der Moderator ist ein Mensch. Das darf man nicht vergessen, das soll er selbst nicht vergessen. Ansonsten, ja, Gefühle zu zeigen, jetzt nicht so wie Oprah Winfrey z. B., dieses amerikanische Fernsehen, wo ja alles amazing, awesome ist. Das ist wieder eine andere Sache, aber nein, Gefühle zeigen, einfach ehrlich sein. Ich finde, das ist sehr sehr wichtig, auch für diesen Beruf, über den wir heute reden. 7 Haben Sie auch bei der Vorbereitung ein Konzept, nach dem Sie immer vorgehen? Planen Sie bestimmte Schritte exakt oder wie sieht das bei Ihnen konkret aus? Ich kann improvisieren und spontan sein, wenn ich wirklich gut vorbereitet bin. Ich frage mich immer, was interessiert mich jetzt wirklich an diesem Menschen, was würde ich wirklich fragen. Es ist nicht immer, was würde die Zuschauer interessieren. Ich fange immer bei mir an. Was haben wir noch nicht von ihm gehört, was würde ich ihn fragen, so ganz spontan. Ich glaube, so ein bisschen Intuition ist auch sehr wichtig bei der Vorbereitung. Wie gesagt, ich stelle immer Fragen, die mich interessieren, also Sachen, die ich gerne wissen würde. Das finde ich schon wichtig, also der Charakter zählt schon viel, man muss den Gesprächspartner schon fühlen. Den anderen oder dir selber etwas vormachen, das spürt man sehr schnell vor der Kamera und ich sehe das manchmal mit den Gesprächspartnern oder manchmal auch mit Kollegen. Du stellst dich vor die Kamera und plötzlich bist du ein anderer Mensch. Die verwenden Sätze, die sie nie im Leben sagen würden. Und das spürt man auch sofort. Ich versuche, so zu sein, wie ich halt immer bin. Natürlich passe ich mich auch der Situation an. 8 Zu der Phase der Planung gehört auch die Nachbereitung, die Auflösung sagten Sie. Wie gehen Sie da vor, haben Sie ein Modell, ein System? 14 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Es hängt eigentlich ganz vom Thema ab. Ich habe wirklich Glück. Ich mache nicht viele Interviews mit Politikern, sondern mit Menschen aus dem alltäglichen Leben und das ist viel angenehmer. Aber natürlich, ich habe immer ein Konzept von A, B, C. Ich mache mir auch Notizen, ich schreibe immer noch. [Lachen] Ich habe immer ein Skript, auch für die Moderation, für das Interview, wo ich anfange und wo ich hinkommen will. Und was immer dann inzwischen passiert, spontan, wenn ich eine Antwort bekomme, die ich nicht erwartet habe, das ist dann umso besser, aber ich zeichne mir immer meinen Weg auf. Wo ich anfange und wo ich hinwill. Wenn man schreibt, ist es auch schon ein bisschen Memorieren. Das war schon so, als ich Studentin war. Ich musste alles immer zeichnen, visualisieren und dann ist es auch hier geblieben. 9 Sie haben gesagt, dass Sie auch im Ausland moderiert haben. Dann haben Sie wahrscheinlich in einer Fremdsprache moderiert? Ja, auch in Slowenien moderiere ich sehr viel in Fremdsprachen, das finde ich sehr spannend und das mag ich wirklich gerne, wenn ich in Fremdsprachen moderiere. Das ist wirklich spannend und nicht einfach, aber ich liebe schwierige Sachen. [Lachen] Wenn ich so out of the box gehen darf, aus meiner Komfortzone, ich liebe das. Und ich nehme das auch als eine gute Schule, als Lernen. Ich habe auch sehr früh angefangen, auf Englisch zu moderieren, dann später auch auf Deutsch. Und heute ist das für mich kein Unterschied mehr, ob ich jetzt Slowenisch, Deutsch oder Englisch moderiere, oder auch Spanisch. 10 Wie schafft man es, eine wirklich gute Frage zu stellen? Ich würde sagen, einfache und kurze Fragen sind für mich die besten. Nicht dass die Frage manchmal länger ist als die Antwort. Der Moderator erzählt und erzählt und sagt schon alles und die Antwort ist dann ja oder nein. Das finde ich am schlimmsten. [Lachen] Also die Leute sind jetzt nicht da, um dem Moderator zuzuhören, sondern die Zuschauer wollen Antworten. Und ich finde es ganz schlimm, wenn der Moderator anfängt zu philosophieren und zu zeigen, was er alles kann und was er jetzt gelesen hat und so weiter. Ich Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 15 versuche, es wirklich kurz zu fassen. Natürlich, wenn ich in einem Interview bin, wo der Gesprächspartner sehr nervös ist, natürlich erzähle ich so etwas, ein paar Sätze mehr, um eine Einleitung zu machen. Aber dann bin ich sehr kurz in den Fragen und sehr präzise. Ich glaube, das ist sehr wichtig. Und wie gesagt, einfach fragen, keine komplizierten Fragen. Denn auf einfache Fragen kommen manchmal viel interessantere Antworten als man denkt. 11 Haben Sie vielleicht eine Lieblingsfrage? Ich glaube, es ist immer sehr wichtig, auch bei der Moderation, beim Interview, irgendwie so etwas Komisches, Lustiges zu fragen, etwas Aktuelles, woran man interessiert ist. Fußball zum Beispiel ist immer ein gutes Thema [Lachen], halt irgendwie aktuelle Sachen. Ich versuche auch, ein bisschen lustig zu sein, so ein bisschen lockere Fragen, sich selbst nicht so ernst zu nehmen und dann langsam die Beziehung aufbauen. Denn die Moderation ist ja auch eine Beziehung mit dem Gesprächspartner und man kann nicht sofort loslegen, würde ich sagen. Ich finde dieses Small Talk ist sehr wichtig, aber es muss schon sehr ehrlich sein, sehr echt, nicht einfach so etwas fragen, damit man etwas fragt. 12 Gehen Sie bewusst mit unterschiedlichen Typen von Fragen um? Vielleicht habe ich diese zwei verschiedenen Typen von Fragen, die einen sind sehr locker, eher persönlich, und die anderen sind sehr konkret. So würde ich es aufteilen, aus meiner Erfahrung. 13 Was würden Sie machen, wenn jemand nicht mehr aufhört zu sprechen? Das ist manchmal eine Angst, dass irgendjemand die Diskussion dominiert. Wie schaffe ich es, da als Moderator bzw. Moderatorin die Kontrolle zu haben? Es hängt vom Thema ab, von der Situation. Ich würde das vielleicht mit Humor lösen, mit Charme. Und wenn es dann halt nicht geht, dann sage ich: Oh, heute sind Sie wirklich so gut drauf, ich komme gar nicht zu Wort. Ich würde dann ehrlich sagen, wie ich mich fühle oder was ich denke. Aber ich 16 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: würde erst versuchen, es irgendwie positiv zu lösen. 14 Passiert es öfter, dass Ihre Gäste zu viel sprechen oder dass sie eher schweigsam sind? Eher mehr schweigsam. Und dann sind natürlich diese lockeren Fragen wichtig. Aber man muss sie auch kurzfassen. Ich würde sagen, auf keinen Fall loslegen. Wenn dein Gesprächspartner nicht viel spricht oder sehr still ist, auch nicht sehr viel fragen. Etwas Kurzes fragen, dann wieder warten. Ich habe eigentlich keine Angst vor schweigsamen Menschen, auch wenn ein paar Sekunden nichts passiert. Ich finde das furchtbar spannend. Manche Kollegen legen gleich los und reden, besprechen etwas aus dem Kontext, nur damit es keine Stille ist. Ich finde Stille schön und auch dramatisch. Ich kann auch ein paar Sekunden für mich haben und dann nachdenken, was mache ich jetzt. 15 Worauf muss man achten, wenn man Gespräche mit mehr als einer Person gleichzeitig moderiert? Viele denken, mit vielen Menschen ist es einfacher, weil man viel Gelegenheit hat, gute Antworten zu bekommen. Aber es ist schwierig, ich finde das wirklich schwierig, mit mehreren Menschen ein Gespräch zu führen. Und ich bereite mich dann noch exakter darauf vor. Vor allem, wenn das ein Thema ist, das ich nicht so gut kenne, da wird es schon schwierig. Aber ich mache mir immer ein Skript und ich finde, am schwierigsten ist es, jeden gleich zu behandeln. Ich versuche, jeden Gesprächspartner erst einmal vorzustellen. Jedem eine Frage stellen, damit es ein Equilibrium ist, und dann versuche ich irgendwie, dass dann debattiert wird, mir kürzeren Fragen. Aber ich lasse dann die Menschen schon reden. Zuerst ist es sehr wichtig, zu spüren, wie der Rhythmus beim Gespräch ist, in welche Richtung es geht. Ich würde immer zuerst jedem eine Frage stellen und dann eine sehr wichtige Frage für alle und ein bisschen warten, damit man anfängt zu debattieren. Und dann, wenn ich sehe, dass das nicht in eine richtige Richtung geht, dann wieder mit Fragen anfangen. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 17 16 Können Sie uns über ein Ereignis erzählen, an das Sie sich besonders gern erinnern? Ich habe zwei Mal die Weltmeisterschaft im Trockenbau moderiert. Zuletzt habe ich das in Salzburg gemacht, mit vielen jungen Menschen, und das war superlustig und wirklich sehr anstrengend für mich. Die haben mich wirklich so toll unterstützt und mussten auch mal lachen bei meinen Fehlern, wenn ich mich irgendwie falsch ausgedrückt habe. Aber ich fand, das war wirklich eine tolle Erfahrung und ein Kompliment eigentlich, dass sie mich ausgesucht haben. Also eine Frau, die aus einem anderen Bereich kommt, und das ist auch das Schöne an meinem Beruf. Wie gesagt, ich moderiere Veranstaltungen für Ärzte und auch, wie gesagt, für Trockenbaumeister. Ich habe keine Angst, auch neue Themen kennenzulernen und mich da vorzubereiten, das ist das Schöne. 17 Was würden Sie den Studierenden noch empfehlen? Wann wird das Leiten von Gesprächen im weitesten Sinne des Wortes erfolgreich? Keine Angst vor Fehlern. Wir sind ja auch nur Menschen, auch beim Moderieren. Und immer neugierig sein, mit viel Fantasie. Und immer einen Beruf auswählen, der dir wirklich gefällt. Ich glaube, heute leben wir in einer Zeit, wo wir verschiedene Sachen machen können. Du kannst Bauarbeiter sein, aber du kannst auch noch etwas anderes machen. Ich finde, das ist eine super Herausforderung für die jüngere Generation. Ich hatte wirklich Glück mit meinem Beruf, wo ich mich immer neu erfinden muss, schon wegen Themen, die ich behandeln muss, auch will. Ich kann mir ja heute, Gott sei Dank, die Themen auch aussuchen, die Sachen, die ich machen kann. Ich finde, es ist wirklich eine aufregende Zeit für die neue Generation, wo man viel mehr ausprobieren kann, auch international. Ich finde das wirklich wunderbar und ich würde sagen, probiert mal einfach so viele Dinge wie möglich aus, aber so schnell wie möglich anfangen. Nicht zu viel Theorie lernen. Lernen auf jeden Fall, aber ich finde, Praxis ist sehr sehr wichtig. Ich habe schon sehr früh angefangen, als ich Studentin war. Es müssen ja nicht immer große Dinge sein, es kann etwas Kleines sein. Einfach 18 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: so schnell wie möglich anfangen zu arbeiten, zu experimentieren. Nicht nur dasitzen und zuhören. 18 Gibt es noch einen Tipp für diejenigen, die diese Begeisterung für das Moderieren nicht haben? Wie findet man so eine Begeisterung? Auf jeden Fall sich gut vorzubereiten, Fragen stellen, die mich wirklich interessieren, kurz und exakt und nicht zu kompliziert. Sich einfach bei sich selbst den Weg aufzeichnen, bei jeder Moderation. Wo fange ich an und wo will ich hin, wo ist das Ziel und was soll dazwischen passieren. Das ist meine Art und die funktioniert für mich sehr gut. Ich denke, gute Vorbereitung und einfach wissen, wo will ich jetzt hin mit diesem Gespräch, wo ist die Auflösung, so wie eine Geschichte. Lesen Sie das Interview und heben Sie einen für Sie interessanten Abschnitt hervor. Begründen Sie Ihre Wahl. Gibt es im Interview eine Aussage, mit der Sie nicht ganz einverstanden sind oder die Sie überrascht hat? Begründen Sie Ihre Wahl. Lesen Sie die Antworten auf die Fragen 3 und tellung 4 im Interview noch einmal genau durch und überlegen Sie sich: abens Inwiefern stimmen die Interviewaussagen mit den beiden Axiomen von Watzlawick überein? 1C Aufg Welche der drei oben genannten Definitionen von Moderation finden sich in den Antworten wieder? Welche Fragen zum Thema Moderation wurden im Interview nicht gestellt? Formulieren Sie weitere Fragen, auf die Sie gerne Antworten erhalten würden. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 19 Baustein 2: Zum Moderieren notwendige Kompetenzen Damit ein Gespräch, ein Treffen oder eine Diskussion nicht zu einer zeitraubenden und ineffizienten Angelegenheit geraten, nehmen Moderator*innen eine zentrale Rolle ein. Was man können muss, was man erlernen kann, was man bereits als angeborenes Potenzial mitbringt und was Moderationskompetenz ist, sind Fragen, auf die in diesem Baustein eingegangen wird. Was sind Kompetenzen eines Moderators bzw. einer Moderatorin? Was kann er bzw. sie? Was soll tellung er bzw. sie können und wissen? Wie soll er bzw. sie sein? abens Denken Sie über diese Fragen nach und ergänzen Sie das von Studierenden in einem Seminar schon 2A Aufg zum Teil erstellte Assoziogramm! kommunika- tiv fachlich kompetent gepflegtes Moderator* Äußeres in objektiv humorvoll neutral konfliktbereit Abbildung 1: Assoziogramm zum Thema Moderator*in Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 21 Im Weiteren folgt nun eine theoretische Diskussion des Begriffs der Moderationskompetenz. Dabei sollen zwei Dinge bereits am Anfang hervorgehoben werden: Erstens ist das Kompositum Moderationskompetenz schon aus dem Grund schwer zu definieren, dass seine Bestandteile Moderation und Kompetenz keineswegs auf einem eindeutigen konzeptuellen Fundament aufbauen; zweitens geht es hier nicht um ein begriffsdefinitorisches Konzept, sondern um die Ermittlung von Kompetenzen, auch Kann-Beschreibungen genannt, die im Moderationsprozess wichtig sind. Vor der eigentlichen Auseinandersetzung mit Kompetenzen von Moderator*innen wird ein Exkurs zum Begriff Kompetenz vorweggeschickt. 2.1 Kompetenz – Begriffsexplikation Der Begriff Kompetenz ist ein hochaktueller und für verschiedene Bereiche interessanter Begriff. Das folgende Zitat, das der Einleitung im Handbuch Kompetenzmessung entnommen wurde, veranschaulicht seine Bandbreite und seine fast schon tautologische Verwendung. Der Begriff Kompetenz hat den betrieblichen wie den privaten Alltag erobert. Computer- und Medienkompetenz [...] werden erwartet, Management- und Coachingkompetenz [...] gefordert und Selbstorganisationskompetenz gefördert. Kompetenzmanagement [...] ergänzt das schon gängige Wissensmanagement [...]. Der mit interkultureller Kompetenz [...] ausgestattete Kompetenzmensch wird zum höchsten Ziel lebenslangen Lernens. (Erpenbeck & von Rosenstiel 2003: IX) Kompetenzen werden in interdisziplinären Diskursen diskutiert. Es existiert kein einheitlicher theoretischer Rahmen für ihre Definition. Um einen grundlegenden Eindruck von der Komplexität und Ausdifferenzierung des Begriffs zu vermitteln, werden im Folgenden überblicksartig einige Kompetenzsystematiken dargestellt. 22 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Begriffsgeschichtlich stammt der Ausdruck aus der Biologie und bezeichnet dort die Bereitschaft embryonaler Zellen, auf einen bestimmten Entwicklungsreiz zu reagieren. Im alltagssprachlichen Diskurs wird er erstens dann verwendet, wenn ein Mensch aufgrund seiner Qualifikationen, d. h. seines entsprechenden professionellen Wissens auf einem bestimmten Gebiet, in der Lage ist, gewisse Aufgaben sachgerecht auszuführen. Zweitens bezeichnet dieser Begriff die kognitiven Fähigkeiten, Mängel in bestimmten Situationen zu kompensieren. Der Sprachphilosoph Noam Chomsky setzt in den 1960er Jahren im linguistischen Kontext dem Begriff Kompetenz die Performanz entgegen. Unter Kompetenz subsumiert er die angeborene, dem Menschen innewohnende, unbewusste, universelle sprachliche Fähigkeit. Mit Hilfe eines begrenzten Inventars von Kombinationsregeln und Grundelementen können dann auf dieser Grundlage potenziell unendlich viele Sätze gebildet und verstanden werden. Die sogenannte Performanz bezeichnet die tatsächliche Realisierung des in jedem Individuum existierenden Potenzials, die ‚Veräußerlichung‘ der Kompetenz. Obwohl diese Theorie heute kritisch gesehen wird und vielen Umwandlungen – auch seitens des Autors selbst – unterworfen wurde, prägte sie lange viele linguistische Untersuchungen. Der Entwicklungspsychologe Jean Piaget nimmt in den 1970er Jahren ebenfalls den Begriff Kompetenz in seinen Begriffsapparat auf, modifiziert und spezifiziert ihn jedoch. Kompetenzen werden – nicht nur auf die Sprache bezogen – nach Piaget prozesshaft in der Interaktion zwischen Umwelt und Menschen erworben. Ferner findet der Kompetenzbegriff in den 1980er Jahren eine Modifikation in der Theorie der kommunikativen Kompetenz von Jürgen Habermas. Während Chomsky in seiner Theorie vom situationalen Vollzug der Kommunikation absieht, knüpft Habermas hier an und formuliert das Kompetenztheorem als Regelungen des sprachlichen Diskurses, die an Situationen gebunden sind. Folglich rekonstruiert er daraus das Regelsystem und generiert demnach Situationen möglicher Rede. Wenn ein Individuum sie beherrscht, dann verfügt es über die sogenannte kommunikative Kompetenz. Der Pädagoge Franz E. Weinert hat verschiedene Definitionsmöglichkeiten des Kompetenzbegriffs aufgezeigt und 2001 die auch heute noch meistzitierte Variante festgehalten. Diese Definition lässt sich auch auf den Bereich Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 23 Moderation applizieren. Kompetenzen sind demnach die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können (Weinert 2001: 27f). Diesem Verständnis nach ist Kompetenz eine Disposition oder eine erworbene Fähigkeit und Fertigkeit, die Individuen befähigt, spezifische und konkrete Anforderungssituationen zu meistern. Kompetenz besteht aus verschiedenen Facetten, wie etwa Fähigkeit, Wissen, Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung und Motivation. Sie bündelt somit Kognition, Motivation, soziale und volitionale Potenziale eines Individuums in ein flexibles, individuell geprägtes Ganzes. Dieses äußert sich dann als tatsächliche Leistung. Die Diskussion um den Kompetenzbegriff ist hiermit bei Weitem nicht vollständig. Das ist auch nicht das Anliegen des vorliegenden Bausteins. Die angeführten Beispiele ermöglichen jedoch ein kurzes Resümee: Mit dem Begriff Kompetenz kann man zwei Fähigkeitsbereiche beschreiben. Einerseits ist es die Fähigkeit, etwas zu tun oder ein bestimmtes Ziel zu erreichen, andererseits ist es die Fähigkeit, eine „Befähigung“, etwas tun zu können, oder eine prinzipielle Voraussetzung, die realisiert werden kann oder auch nicht. Kompetenzen werden zum Teil angeboren und zum Teil angeeignet. 2.2 Moderationskompetenz: ein Forschungsüberblick in Umrissen In Anlehnung an den Exkurs oben soll Moderationskompetenz als theoretisches Konstrukt aufgefasst werden, als eine spezifische Kompetenz für spezifische Anforderungssituationen, konkret für die Moderation (→ siehe Baustein 3). Die 24 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Theoriebildung dazu ist ein permanenter Prozess. So kann man Ansätze finden, die Jahrzehnte alt sind und sich bewährt haben, und auch solche, die neueren Datums sind. Diese Vielfalt an theoretischen Überlegungen spiegelt eigentlich nur die Komplexität des Feldes Moderation bzw. Moderationskompetenz wider, das für alte Forschungsdisziplinen (wie bspw. Rhetorik) ebenso interessant ist wie für neuere (wie bspw. Neurolinguistik). Bei Anita Klupp (1992) kann man in den 1990er Jahren eine Liste mit 13 wichtigen Kompetenzen eines Moderators bzw. einer Moderatorin finden. Klupp, die den Begriff Moderator*in nicht verwendet, spricht hier von Aus-und Weiterbildner*innen. Als deren Kompetenzen nennt sie Lernbereitschaft, Beratungsfähigkeit, Orientierung an den Teilnehmenden, Qualitätsbewusstsein, Zielorientierung, Konfliktfähigkeit, Flexibilität, Moderationsfähigkeit, didaktische Kompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz, Kooperationsfähigkeit und konzeptionelle Fähigkeiten. Die Moderationskompetenz kommt bei Klupp als eine von 13 Kompetenzen vor und wird als die Fähigkeit zu moderieren verstanden. Diese umfasse das Vermögen, sich Zeit zu nehmen, feinfühlig zu handeln sowie verschiedene Standpunkte wahrzunehmen. Sie impliziere ein spezifisches Rollenverständnis des Moderators bzw. der Moderatorin als Führungskraft ohne Vorgesetztenfunktion. Bernd Steffens (2016) spricht in seinem sehr positiv rezipierten Buch Meetings – Das überfällige Praxishandbuch von sieben Begabungen, die einen guten Moderator bzw. eine gute Moderatorin auszeichnen. Diese sieben Begabungen seien: dreifache Intelligenz (rationale, soziale und emotionale), Mut zu eigener Meinung und Zivilcourage, Mut zu konstruktivem Ungehorsam, ein positives Verhältnis zu Konflikten, Toleranz für die Beteiligten und ihre Standpunkte, Kommunikationsfähigkeit und Verantwortungsfähigkeit. Warum Steffens den Begriff Kompetenz nicht verwendet, sei dahingestellt. Der Begriff Begabung suggeriert auf jeden Fall die angeborenen Potenziale und nicht etwa auch die erworbenen. Steffens bleibt auch nicht konsequent bei der Benennung einzelner Begabungen, die er mal als Intelligenz, dann wieder als Mut oder Toleranz bezeichnet. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 25 Susanne Beermann und Monika Schubach (2013) widmen sich in ihrem Buch ebenfalls Moderator*innen, wobei sie nicht auf deren Potenziale eingehen, sondern direkt auf die Verwirklichung dieser Potenziale, d. h. auf die Aufgaben, die Moderator*innen zu meistern haben. Die Aufgabe von Moderator*innen ist es laut Beermann und Schubach, den Teilnehmenden fundierte Informationen zum Thema zur Verfügung zu stellen; Ziele und Ideen zusammenzufassen (und teils zu visualisieren); eine positive Qualität des Gesprächs bzw. eine produktive Atmosphäre zu schaffen; ein sorgfältiges, geplantes und für alle Teilnehmenden faires Gespräch zu steuern sowie Konflikte zu erkennen und sie konstruktiv lösen zu können. Jan B. Sperling und Jaqueline Wasseveld-Reinhold (2011) listen in ihrem viel beachteten Buch Effiziente Besprechungen und Projektmeetings vier Moderations-Tugenden auf, welche die professionelle Moderator*innenrolle auszeichnen: Moderator*innen verhalten sich neutral, agieren im Hintergrund, gestalten den Prozess und sind Dienstleister*in für die Gruppe. Auch diese Tugenden entziehen sich, so wie bei Beermann und Schubach, einer Systematik. Man könnte auch darüber streiten, ob sie angeboren oder erworben sind. 2.3 Kann-Beschreibungen der Moderationskompetenz Weitere Überblicke über Kompetenzen, Tugenden, Eigenschaften und Know-how von Moderator*innen würden das eigentliche Anliegen dieses Bausteins verfehlen. Hier soll es vor allem darum gehen, einen Rahmen zu entwickeln, in dem die für die Zielgruppe relevanten, vielleicht bereits vorhandenen oder noch zu entwickelnden Kann-Beschreibungen eines Moderators bzw. einer Moderatorin vorkommen. Die Konstitution dieses Deutungsrahmens erfolgt methodologisch vor dem Hintergrund einer Unterscheidung von drei Diskursebenen: 26 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: soziale- und methodische Selbst- Fähigkeiten kompetenz Grundhaltungen und Werte Abbildung 2: Die Diskursebenen der Kann-Beschreibungen 1.) Grundhaltungen und Werte: Dieser Kompetenzbereich umfasst Einstellungen, Grundhaltungen und Werte, die in der eigenen Erfahrung mit Kommunikation und Interaktion wurzeln. Sie bilden den Rahmen und schaffen Voraussetzungen (Möglichkeiten und Grenzen) für das eigene konkrete Handeln, bzw. für das eigene Leiten von Gesprächen in verschiedenen Anforderungssituationen. 2.) Methodische Fähigkeiten: Dieser Kompetenzbereich schließt methodische Fähigkeiten wie die Kenntnis verschiedener Theorien, diverser Methoden und Techniken des Moderierens, Techniken der Organisation von Meetings, Techniken des Führens von Teams sowie Gesprächen und vielem mehr ein. Die Erweiterung dieser Fähigkeiten ist ein aktiver, bewusster und lebenslanger Prozess, der meistens professionellen Moderator*innen als Aufgabe zufällt. 3.) Soziale- und Selbstkompetenz: Dieser Kompetenzbereich inkludiert soziale Kompetenzen wie die Fähigkeit zur Kommunikation und die dazu notwendige Sprachkompetenz, inklusive fremdsprachlicher Kompetenz. In diesen Bereich fallen aber auch Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich der Selbstorganisation. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 27 Man geht davon aus, dass jeder gesunde Mensch mit grundlegenden Kompetenzen für die Kommunikation und Interaktion geboren wird. Es liegt dann an ihm bzw. ihr, ob man sie einsetzt und erweitert, und wie intensiv man dies tut. Bestimmte Menschen werden mit bereits ausgeprägt(er)en Kommunikationspotenzialen geboren und ihre Moderationskompetenzen werden dann oft, ob zurecht oder nicht sei dahingestellt, unter dem Begriff Talent subsumiert. Vor dem Hintergrund dieses Deutungsrahmens umfasst die Moderationskompetenz unserer Meinung nach die unten aufgeführten konkreten Kann-Beschreibungen. Die Bewusstmachung dieser hier angeführten Kann-Beschreibungen dient als eine Grundlage für (Germanistik-)Studierende, die ihre Moderationskompetenz reflektieren, erweitern und ausbauen wollten. Der Moderator bzw. die Moderatorin ... • kann das benötigte fachliche Wissen und fundierte Informationen zum Thema erwerben. • kann die Moderation zielgerichtet, zeitlich und inhaltlich effektiv planen und leiten. STRAN 26 • kann (fremd-)sprachliche kommunikative Mittel relevant verwenden. • kann mit Konflikten (konstruktiv) umgehen. • kann sich neutral verhalten und unparteiisch bleiben. • kann empathisch sein. • kann kongruent und authentisch vorgehen. • kann aktiv zuhören. Abbildung 3: Die Kann-Beschreibungen der Moderationskompetenz 28 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Der Moderator bzw. die Moderatorin ... • ... kann das benötigte fachliche Wissen und fundierte Informationen zum Thema erwerben. Moderator*innen besitzen fachliche Sicherheit im Thema der moderierten Veranstaltung, brauchen aber keine Fachleute auf dem jeweiligen Gebiet zu sein. Manchmal kann die wichtige neutrale Rolle, die man als Moderator*in einnimmt, gar durch vertiefte Fachkenntnisse erschwert oder gestört werden. • ... kann die Moderation zielgerichtet, zeitlich und inhaltlich effektiv planen und leiten. Moderator*innen sind in der Lage, Verständigung herbeizuführen, einen Austausch zu initiieren, diesen zu leiten und zu erleichtern sowie konstruktive zwischenmenschliche Interaktion zu ermöglichen. Moderator*innen können das Gesagte analysieren und synthetisieren und verfügen auch über ein Repertoire von Moderationstechniken und -methoden, die sie der Situation entsprechend und flexibel einsetzen können. • ... kann (fremd-)sprachliche kommunikative Mittel relevant verwenden. Moderator*innen verfügen über für die Moderation relevante (Fremd-)Sprachkenntnisse auf einem sehr hohen Niveau. Sie kennen ein breites Repertoire an Redemitteln, die flexibel und der Situation sowie den Gesprächspartner*innen gemäß verwendet werden können. • ... kann mit Konflikten (konstruktiv) umgehen. Moderator*innen erkennen mögliche Konfliktpotenziale und sind in der Lage, Konflikte positiv und konstruktiv zu lösen. • ... kann sich neutral verhalten und unparteiisch bleiben. Sperling und Wasseveld-Reinhold stellen in diesem Kontext treffend fest: „Als Person muss man nicht neutral sein, als Moderator muss man sich neutral verhalten“ (2011: 13). • ... kann empathisch sein. Moderator*innen können sich in Gesprächspartner*innen hineindenken, Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 29 zwischen den Zeilen lesen und sowohl direkte als auch nicht offen geäußerte Einwände und Ressentiments wahrnehmen. • ... kann kongruent und authentisch handeln. Moderator*innen können ein Gleichgewicht finden zwischen dem, was sie denken, und dem, was sie kommunizieren. • ... kann aktiv zuhören. Moderator*innen können auf das Gesagte (verbal und/oder nonverbal) eingehen und kommunizieren, dass eine Botschaft angekommen ist. Die Moderationskompetenz samt ihrer Kann-Beschreibungen ist hiermit bei Weitem nicht ausgeschöpft. Die Wirklichkeit der Arbeit mit Menschen bzw. einer Moderation ist in der Regel viel komplexer und komplizierter als jedes theoretische Modell. Die hier dargestellten Beschreibungen können jedoch einen ersten Rahmen geben, in dem man die eigenen Kompetenzen reflektieren und systematisch ausbauen kann. Aufgabenstellung in 4 Schritten: Nehmen wir an, dass Sie bereits in der Situation waren, ein (im Voraus geplantes) zielgerichtetes Gespräch zu leiten. Nehmen Sie diese Erfahrung als Grundlage, um ihre eigenen Moderationskompetenzen zu reflektieren. tellung 1. Schritt (Selbstbewertung): Nehmen Sie abens das Raster mit den aufgelisteten Kann- Beschreibungen zur Hand und überlegen Sie in 2B Aufg Ruhe, wie Sie sich selbst auf einer Skala von 1 bis 5 bewerten würden. 2. Schritt (Peerbewertung): Sprechen Sie mit einem Kollegen bzw. einer Kollegin, welche*r dann möglichst objektiv Ihre einzelnen Kann- 30 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Beschreibungen mit Hilfe der Skala bewertet. 3. Schritt (Fremdbewertung): Der dritte Bewertungsschritt erfolgt durch einen Hochschullehrer bzw. eine Hochschullehrerin. 2B 4. Schritt (Reflektion): Denken Sie über die Bewertungen nach. Sie können sie im Plenum besprechen, vor allem aber notieren Sie das Fazit der Überlegungen und die Konsequenzen, die daraus eventuell gezogen werden. Die Kann- Beschreibung Selbst- Peer- Fremd- Fazit und (1 überhaupt nicht bewertung bewertung bewertung Konse- gut, 2 nicht gut, 3 (von 1 (von 1 (von 1 quenzen gut, 4 sehr gut, 5 bis 5) bis 5) bis 5) hervorragend) … kann das benötigte fachliche Wissen und fundierte Informationen zum Thema erwerben. …kann die Moderation zielgerichtet, zeitlich und inhaltlich effektiv planen und leiten. …kann (fremd-)sprachliche kommunikative Mittel relevant verwenden. …kann mit Konflikten (konstruktiv) umgehen. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 31 Die Kann- Beschreibung Selbst- Peer- Fremd- Fazit und (1 überhaupt nicht bewertung bewertung bewertung Konse- gut, 2 nicht gut, 3 (von 1 (von 1 (von 1 quenzen gut, 4 sehr gut, 5 bis 5) bis 5) bis 5) hervorragend) …kann sich neutral verhalten und unparteiisch bleiben. …kann empathisch sein. …kann kongruent und authentisch handeln. …kann aktiv zuhören. Sie werden jetzt anhand der Liste der Kann- Beschreibungen eine öffentlich zugängliche und von einem Profi geleitete Moderation analysieren und dann im Plenum diskutieren. Versuchen Sie dafür, im Internet (z. B. auf tellung YouTube) eine moderierte Fernsehdiskussion zu abens einem aktuellen Thema, wie etwa Mehrsprachigkeit, Umwelt, moderne Technik und unser Leben, zu finden. Schauen Sie sie an und versuchen Sie, 2C Aufg das Raster unten auszufüllen. Sie werden bald feststellen, dass bestimmte Kann-Beschreibungen nicht thematisiert werden können, andere hingegen viel differenzierter als vorgegeben. 32 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Die Kann- Beschreibung (1 überhaupt nicht Bewertung Kommentar für die Diskussion im gut, 2 nicht gut, 3 (von 1 Plenum gut, 4 sehr gut, 5 bis 5) hervorragend) … kann das benötigte fachliche Wissen und fundierte Informationen zum Thema erwerben. …kann die Moderation zielgerichtet, zeitlich und inhaltlich effektiv planen und leiten. …kann (fremd-)sprachliche kommunikative Mittel relevant verwenden. …kann mit Konflikten (konstruktiv) umgehen. …kann sich neutral verhalten und unparteiisch bleiben. …kann empathisch sein. …kann kongruent und authentisch handeln. …kann aktiv zuhören. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 33 Baustein 3: Eine Moderation vorbereiten Alle Dinge gelingen, wenn sie vorbereitet sind, und misslingen, wenn sie nicht vorbereitet sind. Schon seit Konfuzius wissen wir, dass der Erfolg eines Prozesses in einer positiven Korrelation zur Vorbereitung und genauen Planung eben jenes Prozesses steht. Dieses Axiom kann man auf alle Lebensbereiche übertragen, aktuell und wichtig ist das vor allem in nicht-privaten Tätigkeiten. Speziell im Kontext der Moderation bzw. der Planung und Führung eines Gesprächs stellt Lauff (2019: 192) für den Erfolg die folgende einprägsame Formel auf: E = V2 + R Demnach setzt sich der Erfolg E zusammen aus der Routine R und der Vorbereitung V, wobei die Vorbereitung quadriert wird, also erheblich wichtiger ist als die Routine. Dies ist in doppelter Hinsicht eine gute Nachricht für Moderations-Neulinge: Denn mit der richtigen Vorbereitung lässt sich erstens fehlende Routine ohne Weiteres wettmachen und zudem wächst die Routine zusätzlich mit jeder Moderation ganz von selbst. Im Folgenden liegt das Augenmerk darum auf einer gelungenen Moderationsvorbereitung. Mit einem kleinen Versuch wollen wir jetzt zeigen, dass sogar eine noch so gute Vorbereitung das Ziel verfehlen kann, wenn sie nicht eindeutig kommuniziert wird. Geniti tellung v ins Wasser abens weil’s Dativ ist. Lesen Sie den oben angeführten Satz. Was bedeutet 3A Aufg er? Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 35 Was denken Sie, wie dieser Satz geplant und ausgewählt wurde? Was soll er aussagen? Ist die Bedeutung eindeutig? Schaffen Sie es, die Bedeutung ohne weitere Anleitungen zu entschlüsseln? 3A Schneller gelangen Sie zu einem Aha-Erlebnis, wenn Sie eine konkrete Anleitung erhalten: Lesen Sie den Satz in Silben vor. Wie lesen Sie den Satz ohne ‚Ortogra-Vieh‘?4 Diese Übung zeigt bereits, dass das Kommunizieren von Informationen, das letztlich zentral für das Moderieren ist, eine komplexe Aufgabe darstellt, die Moderator*innen eine Vielzahl an Fähigkeiten abverlangt (→ Baustein 4). Um die Moderation kompetent und zugleich entspannt ausführen zu können, muss man schon im Vorhinein wissen, wie man die Moderation gestalten wird und welche Aufgaben man erfüllen muss. Ist man gut vorbereitet, kann man sich während der Moderation selbst ganz auf das Thema und die Gruppe konzentrieren. Nur wenn man sein eigenes Handeln als Moderator*in vor sich selbst und der Gruppe logisch begründen kann, kann man der Leitungsfunktion gerecht werden, die man als Moderator*in einnimmt. Je komplexer die Veranstaltung, die moderiert wird, desto komplexer ist auch die Vorbereitung. In jedem Fall braucht es einen Ablauf- und Zeitplan, der auch eine Definition der Ziele der Moderation bzw. der Veranstaltung enthält. Je nach Rahmen kommen außerdem eine inhaltliche Vorbereitung auf das Thema sowie organisatorisch-logistische Aufgaben hinzu. Schließlich sollte man nicht vergessen, für ein ruhiges und entspanntes eigenes Auftreten zu sorgen und sich auch darauf ggf. vorzubereiten. Im Folgenden werden diese Punkte einzeln erläutert. 4 Lösung: „Geh nie tief ins Wasser, weil es da tief ist.“ 36 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: 3.1 Inhaltliche Vorbereitung Moderator*innen müssen keine Expert*innen im Thema einer Diskussion oder eines Interviews sein. Ganz im Gegenteil kann es gerade hilfreich sein, aus der Perspektive eines unabhängigen Beobachtenden auf die Diskussion zu schauen und so eventuelle Unklarheiten oder Widersprüche zu erkennen, die dem Experten bzw. der Expertin schon nicht mehr auffallen. Trotzdem brauchen Moderator*innen ein grundlegendes Wissen, um Fragen stellen und Beiträge der Teilnehmenden relevant einordnen zu können. Je nach Thema der Moderation kann dies bedeuten, dass man mit einer Recherchephase beginnt und sich über die Grundlagen des Themas informiert. Hierzu gehören besonders Fachbegriffe und Redemittel, die man sicher verwenden muss. 3.2 Das Ziel bestimmen Da Moderationen in ganz unterschiedlichen Kontexten verlangt werden, sind auch die Ziele einer jeden Moderation andere. Für Treffen, in denen nicht das bloße Entertainment im Vordergrund steht, lassen sich zwei Hauptziele voneinander abgrenzen. Ein Ziel kann die Weitergabe bestimmter Informationen an die Teilnehmenden sein. In diesem Fall gibt es eine bestimmte Menge an Informationen, die von Person(engruppe) A an Person(engruppe) B weitergegeben werden. Als Moderator*in übernimmt man die Koordination dieser Weitergabe. Ein anderes Ziel ist die Sammlung von (neuen) Ideen. Hier werden die Teilnehmenden aufgefordert, kreativ zu denken und neue Informationen selbst zu generieren. Als Moderator*in hat man hier die Aufgabe, den kreativen Prozess anzuregen und zu lenken.5 Die meisten moderierten Treffen haben mehr als nur ein Ziel. Häufig folgen unterschiedliche Phasen aufeinander, etwa wenn erst Informationen über ein bestehendes Problem gesammelt werden (Informationsweitergabe), um im Anschluss kreativ Lösungen für dieses Problem zu entwickeln (Ideensammlung). Zusätzlich zu dem einen großen Ziel des Workshops können daher beliebig viele kleine Ziele geplant werden, besonders für die Teilschritte. Ein Ziel der Eingangsphase kann es bspw. sein, dass die Teilnehmenden sich wohlfühlen und 5 Für eine alternative, detailliertere Liste von Zielen siehe Bischof et al. (2012: 170f.). Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 37 eine offene Atmosphäre entsteht. Beermann und Schubach sprechen hierbei von „sekundären Zielen“ (2013: 17). Für die Planung einer Moderation muss das Ziel zudem sehr viel konkreter definiert werden. Hierfür muss man als Moderator*in die Ziele erkennen und möglichst genau beschreiben können, um dann im Anschluss einen Plan darüber aufzustellen, mit welchen Schritten man das Ziel erreichen kann. Dabei muss das Ziel nicht nur für den Moderator bzw. die Moderatorin verständlich sein, sondern auch von den Teilnehmenden nachvollzogen und verstanden werden, wie die oben angeführte ‚Genitiv‘-Aufgabe verdeutlicht. Die konkrete Formulierung des Ziels kann entscheidend dafür sein, ob man es erreicht. Im Business-Kontext hat sich als Merkmalsdefinition von Zielen das Akronym SMART durchgesetzt, das 1981 von George T. Doran eingeführt und im Laufe der Jahre immer wieder leicht geändert wurde.6 Im Folgenden sind die Merkmale so gewählt, dass sie für eine Moderation besonders hilfreich sind. Die Kriterien können bei der Formulierung von Zielen als Prüfwerkzeuge herangezogen werden, um die Qualität der Zielformulierung zu überprüfen. • S – specific: Der Bereich, auf den sich das Ziel bezieht, sollte eingegrenzt sein. • M – measurable: Das Ziel sollte so formuliert sein, dass man am Ende klar erkennen kann, ob es erreicht ist oder nicht. Je nach Ziel kann die Messbarkeit sich quantitativ in Zahlen ausdrücken, dies muss aber nicht der Fall sein. • A – accepted: Die Gruppe sollte das Ziel akzeptieren. So muss man als Moderator*in nicht gegen die Gruppe arbeiten, sondern kann mit ihr arbeiten. • R - realistic: Die Erreichbarkeit des Ziels sollte realistisch sein. Im Rahmen einer Sitzung oder Diskussion kann nicht unendlich viel erreicht werden. Zu den Ressourcen, die bei der realistischen Planung von Zielen beachtet werden müssen, zählen neben dem Hauptfaktor Zeit bspw. auch die Gruppengröße, 6 Alternative Kriterien für die Formulierung von Zielen finden sich etwa bei Tirok (2013: 28f.). 38 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Konzentrationsfähigkeit und die Verständlichkeit von Anweisungen. • T – time-related: Es sollte ein Zeitpunkt definiert werden, zu dem das Ziel erreicht sein sollte. Unabhängig von Langzeitzielen muss am Ende des Treffens ein Ziel erreicht sein. Nur Die Kriterien können bei der Formulierung von Zielen als Prüfwerkzeuge herangezogen werden, um die Qualität der Zielformulierung zu überprüfen. Nur wenn dem Moderator bzw. der Moderatorin selbst die Ziele bewusst sind, kann er bzw. sie diese auch für die Teilnehmenden transparent machen. 3.3 Ablauf und Zeitplan Ausgehend von dem aufgestellten Ziel sollte nun ein Plan zur Erreichung des Ziels erarbeitet werden. Dies geschieht in Form eines detaillierten, zeitlich geordneten Plans, der wiederum die untergeordneten Ziele der einzelnen Schritte des Treffens beinhaltet. Modelle für den Ablauf einer Moderation finden sich zum Beispiel bei Seifert (2015: 20) für Meetings, bei Beermann und Schubach (2013: 41) für Workshops sowie bei Sperling und Wasseveld-Reinhold (2011: 25) für gruppendynamische Prozesse. Je nach Moderationsanlass unterscheiden sie sich im Hauptteil teilweise stark voneinander. Im Folgenden soll ein neues Modell vorgestellt werden, das auf viele Moderationsarten angewendet werden kann und für die Zielgruppe der Studierenden als Moderator*innen relevanter ist. Die Moderation wird in sechs Teile aufgeteilt, die anhand einer Rauten-Form geordnet sind. Übergeordnet lassen sich die drei Teile Einstieg, Hauptteil und formaler inhaltlicher Erarbeitung der Sicherung der inhaltlicher formaler Einstieg Einstieg Ergebnisse Ergebnisse Abschluss Abschluss Abbildung 4: Ablauf einer Moderation Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 39 Abschluss unterscheiden, die jeweils noch einmal in zwei Teile untergliedert werden. Die Form der Raute verdeutlicht dabei sowohl den zeitlichen Umfang der einzelnen Teile als auch die gedankliche Konzentration. So sind Einstieg und Schluss am kürzesten und lassen die wenigsten Abschweifungen zu. Der Hauptteil hingegen ist zeitlich deutlich umfangreicher und hat inhaltlich eine größere Bandbreite. Der lineare Ablauf der Planung von links nach rechts wird im Weiteren genauer dargestellt (zur sprachlichen Dimension → Baustein 4). Der Einstieg besteht aus einem formalen Teil, in den die allgemeine Begrüßung und kurze Smalltalk-Fragen fallen. Anschließend folgt der inhaltliche Einstieg, in dem der Ablauf und die Ziele geklärt werden. Nach dem Einstieg sollten alle Teilnehmenden wissen, was sie erwartet. Anschließend folgt im Hauptteil die eigentliche Arbeitsphase, in der Ergebnisse erarbeitet und anschließend gesichert werden. Die Phasen können voneinander getrennt oder auch vermischt sein. Je nachdem wie viele inhaltliche Punkte besprochen werden, können mehrere Erarbeitungen und Sicherungen aufeinander folgen. Der Abschluss der Moderation gliedert sich wie schon der Einstieg in den inhaltlichen Teil, in dem offene Fragen geklärt und zentrale, übergreifende Ergebnisse festgehalten werden, und einen formalen Teil, der die Verabschiedung, Danksagung und eventuelle Ankündigungen weiterer Veranstaltungen umfasst. Der Ablauf sollte, gerade bei längeren Moderationen, unbedingt schriftlich festgehalten werden. So hat man in der Planung einen besseren Überblick und kann in der Moderation auf einen ‚Spickzettel‘ zurückgreifen. In den Plan gehören auch die praktisch-methodischen Schritte, etwa die Art der Visualisierung oder konkrete Arbeitsaufträge. Parallel oder im Anschluss wird der Ablauf zeitlich geplant, indem festgehalten wird, wie viel Zeit für jeden Programmpunkt zur Verfügung steht. Dabei sollte nicht vergessen werden, einen zeitlichen Puffer einzuplanen und auch für die Verabschiedung und mögliche Fragen Zeit zu berechnen. Dabei gilt: Weniger ist mehr! Im Zweifel ist es besser, weniger zu schaffen und dabei gute Ergebnisse zu haben. Niemand profitiert davon, wenn viel besprochen wird und am Ende nichts 40 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: hängen bleibt. Für Meetings gilt hierbei die 60:20:20 Regel: 60 % der Zeit sollten für die inhaltlich relevanten Themen zur Verfügung stehen, 20 % sollten als Puffer vorgesehen sein, also unverplant bleiben, und 20 % werden für Soziales benötigt, etwa für die Begrüßung oder kleine Pausen (vgl. Bischof et al. 2012: 18). Beermann und Schubach (2013: 42) nennen den Plan, den man in der Vorbereitung aufstellt, einen „Fahrplan”. Der Begriff Fahrplan zeigt bereits, dass der Plan relativ flexibel zu handhaben ist, so wie etwa auch der Fahrplan eines Busses. Unter idealen Bedingungen wird der Bus alle Haltestellen in der Reihenfolge anfahren, in der sie auf dem Fahrplan stehen. Kommt es jedoch zu einem unvorhergesehenen Ereignis, wie einem Unfall oder einem umgestürzten Baum, dann muss man als Busfahrer*in flexibel reagieren und das Hindernis umfahren. Ebenso muss man als Moderator*in bei unvorhergesehenen Ereignissen flexibel vom eigenen Plan abweichen können. Hilfreich ist es, für vorhersehbare Schwierigkeiten bereits einen Plan B zu kennen. Besonders bei der Arbeit mit technischen Geräten wie Smartboards und Beamern sollte man sich überlegen, wie man bei einem Ausfall der Technik vorgeht. Meistens helfen hier schon einfache Materialien wie Flipcharts und bunte Karten. Hier kommt das R aus der anfänglichen Formel E = V2 + R ins Spiel: Je routinierter man als Moderator*in wird, desto leichter fällt die Abweichung vom Plan. Für Moderationsanfänger*innen empfiehlt sich, den Plan vorab einmal durchzuspielen. Dazu gehört das Durchsprechen der Begrüßung und Verabschiedung genauso wie das Antizipieren möglicher Ergebnisse und Schwierigkeiten. Indem man die Moderation einmal simuliert, kann man bereits erkennen, wie logisch der geplante Ablauf ist, wie gelungen die Formulierungen von Fragen und Arbeitsaufträgen sind ( → Baustein 4) und wie realistisch der Zeitplan ist. 3.4 Mental-emotionale Vorbereitung Die Planung und Probe der Moderation können bereits sehr entlastend wirken. Sie dienen als erster Indikator dafür, dass die Moderation gut funktionieren wird. Wer trotzdem vor der Moderation noch aufgeregt ist, dem sei gesagt: Aufregung ist normal. Selbst erfahrene Moderator*innen haben noch Lampenfieber. Meist verfliegt die Aufregung spätestens im Einstieg wie von selbst. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 41 Je häufiger man moderiert, desto entspannter wird man jedoch gewöhnlich, denn Lampenfieber7 entsteht unter anderem aus fehlender Routine. Hat man noch keine Situationen erlebt, in denen man Ähnliches bereits gemeistert hat, so hat man noch keine Erfahrungswerte, auf denen das eigene Selbstvertrauen aufbauen kann. Mit jeder Moderation wird es einfacher, sich auf die eigenen Kompetenzen zu verlassen. Trotzdem kann man in der Vorbereitung versuchen, unnötige Stressfaktoren auszuschalten, etwa indem man für mögliche Schwierigkeiten einen Plan B überlegt. Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie entspannt vor Menschen gesprochen haben. Wie sah diese Situation aus? Was können Sie auf eine tellung Moderation übertragen? abens Alternativ: Wie sähe eine Moderation aus, die Sie entspannt durchführen? Wie müssten die 3B Aufg Rahmenbedingungen sein? Welche dieser Rahmenbedingungen können Sie selbst schaffen? 3.5 Organisatorische Vorbereitung Je nach Situation gehört es auch zu den Aufgaben der Moderator*innen, die logistische Vorbereitung zu übernehmen. Hierzu zählt das Reservieren von Räumen, das Besorgen von Materialien und technischer Ausrüstung oder auch die Einladung der Teilnehmenden. In jedem Fall muss der Moderator bzw. die Moderatorin den Überblick darüber haben, welche Materialien benötigt werden. Hierzu gehören besonders Materialien zur Visualisierung wie Flipcharts, Poster, Stifte, Karten oder Magnete. Möchte man technische Hilfsmittel einsetzen, mit einem Laptop, Beamer oder Smartboard arbeiten, muss man schon vor Beginn der 7 Eigenen Erfahrungen mit Lampenfieber und ihre Tipps dagegen beschreiben bekannte deutschsprachige Moderator*innen sehr anschaulich in den Interviews von Markus Tirok (2013), auch als Videos verfügbar unter http://professionell-moderieren.de/. 42 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Moderation mit deren Anwendung vertraut sein. Nicht nur Moderator*innen müssen vorbereitet sein! Je nach Situation kann es notwendig sein, dass auch die Teilnehmenden sich vorbereiten, indem sie bspw. einen Text lesen oder bereits vorab Ideen sammeln. Auch dies muss von Moderator*innenseite angeleitet werden. Exkurs: Nachbereitung Nach der Moderation ist vor der Moderation, lautet ein Spruch von Fachleuten und professionellen Moderator*innen. Darum ist es wichtig, nach jeder Moderation kurz über die folgenden Fragen nachzudenken: • Was ist gut gelaufen? • Was hätte ich anders machen können? • Was muss ich mir für das nächste Mal merken? Die Antworten bieten bereits erste Anhaltspunkte für die Vorbereitung der nächsten Moderation und sorgen so langfristig dafür, dass die nötige Routine entsteht, die eine erfolgreiche Moderation erleichtert. Wenden Sie Ihr Wissen über die Vorbereitung einer Moderation nun an! Vervollständigen Sie dafür die Planung der unten beschriebenen Veranstaltung wie angegeben. tellung Stellen Sie sich vor, Sie moderieren ein 60-minütiges abens Planungstreffen für eine Weihnachtsfeier. Ziel des Treffens ist es, an dessen Ende den Ablauf der 3C Aufg Weihnachtsfeier erstellt und die Aufgaben verteilt zu haben. Welche Schritte müssen Sie als Moderator*in planen, um das Ziel zu erreichen? Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 43 Schreiben Sie für jede Phase des Ablaufmodells einen Arbeitsauftrag bzw. eine 3C Moderationsanweisung. Halten Sie auch fest, wie viel Zeit Sie für jeden Schritt einplanen. Ziel des Treffens: konkrete Planung der Weihnachtsfeier, Verteilung der Aufgaben Zeit: für die Vorbereitungen 60 Min. Phase Ziel Arbeitsauftrag/ Moderationsanweisung Zeit Formaler Einstieg Inhaltlicher Einstieg Erarbeitung der Ergebnisse Sammlung der Ergebnisse Inhaltlicher Abschluss Formaler Abschluss 44 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Während der Vorbereitung sollte man nie das Ziel aus den Augen verlieren. Ziele zu benennen und zu formulieren erfordert einige Übung. Testen Sie sich selbst am folgenden Beispiel. Stellen Sie sich vor, Sie moderieren eine Seminarsitzung, in der es um guten Fremdsprachenunterricht geht. Ihre Moderation beinhaltet die folgenden Schritte: 1. Die Gruppe sammelt Ideen dazu, was einen erfolgreichen Fremdsprachenunterricht tellung kennzeichnet. abens 2. Die Gruppe liest einen Text über offiziell erhobene Kriterien guten Fremdsprachenunterrichts. 3. Die Gruppe schaut ein Video, in dem ein 3D Aufg Ausschnitt aus einer Unterrichtsstunde gezeigt wird. 4. Die Gruppe diskutiert, welche der zuvor erarbeiteten Kriterien im Video wiederzufinden sind. Formulieren Sie die Ziele der einzelnen Unterpunkte des Unterrichtsplans sowie das übergeordnete Ziel der Unterrichtsstunde. Was soll jeweils erreicht werden? Denken Sie dabei an die SMARTe Formulierung des Ziels. Ziel der Unterrichtsstunde: Arbeitsschritt Ziel Ideensammlung Textarbeit Filmausschnitt Diskussion Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 45 Baustein 4: Fragen formulieren in der Moderation Mögen auf den ersten Blick für eine Moderation oder Diskussion die Aussagen der Diskussionsteilnehmenden am wichtigsten sein, sind bei genauerer Überlegung der eigentliche Motor bzw. der Initiator dieser Aussagen die Fragen des Moderators bzw. der Moderatorin. Verständigungsprozesse in der Moderation zu fördern, sie möglichst reibungslos zu lenken, heißt u. a. auch durchdachte, ‚gscheite‘ Fragen zu stellen. Darauf wird im Weiteren eingegangen. 4.1 Fragestellung(en) in der Diskussion Lesen Sie die Zitate8 von bekannten tellung Persönlichkeiten zum Thema Fragen! abens Wählen Sie ein Zitat aus, das Sie anspricht, und diskutieren Sie in der Gruppe! 4A Aufg Frag nur vernünftig, Wer fragt, ist ein Narr Klug fragen und du hörst für eine Minute. Wer können, ist die nicht fragt, ist ein Vernünftiges. halbe Weisheit Narr sein Leben lang. . Euripides Francis Konfuzius Bacon Es sind unsere Fragen, die darüber Wer fra gt, Wo Punkt ist, soll entscheiden, ob wir ein der ler nt. Fragezeichen Ja oder ein Nein zur werden! De Ant utsches Sprich w wor or t t bekommen. Manfred Hinrich Ernst Ferstl 7 Mehr Zitate finden Sie bspw. hier: https://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Frage; http://zitate.net/ fragen-zitate. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 47 Wer fragt, der lenkt bzw. führt, behaupten Bischof et al. (2012: 76) und Seifert (2015: 106) meint, die Frage sei in der (Besprechungs-)Moderation das wichtigste Werkzeug des Moderators bzw. der Moderatorin. Geschickt gestellte Fragen können Blockaden in der Diskussion lösen, Unterschiede und Spannungen zwischen den Diskussionsteilnehmenden relativieren und so die Stimmung während der Moderation positiv, konstruktiv und harmonisch gestalten. Gekonnt gewählte Fragen sind ein Zeichen guter Moderation. Sie sollten durchdacht, direkt und kurz bzw. optimal formuliert sein. Fragen zu stellen kann man zwar in der Theorie lernen, aber die eigentlichen Kompetenzen im Bereich Fragestellung erwerben Moderator*innen durch Erfahrung. Nicht nur während einer Sammelphase oder Diskussion sind Fragen wichtig. Schon im Einstieg können Fragen dazu beitragen, ein angenehmes und offenes Arbeitsklima herzustellen. Durch allgemeine oder gar Smalltalk-Fragen zeigt man als Moderator*in Interesse an den Teilnehmenden. Gleichzeitig beginnen die Teilnehmenden so bereits zu sprechen und ‚werden warm‘, bevor die eigentliche inhaltliche Arbeit beginnt. Fragen dienen hier praktisch als Türöffner (→ Baustein 3). Z U M Wie lief es so seit der letzten Besprechung? B E Wie geht es Ihnen heute? ISP Wie war Ihr Tag bisher? IEL In Ratgebern (bspw. Bischof et al. 2012; Sperling & Wasseveld-Reinhold 2011) gibt es viele verschiedene Typologien von Fragen. Sie unterscheiden sich zum Teil in der Zahl der Fragetypen und zum Teil auch im Begriffsapparat. Denn ein und derselbe Fragetyp wird in unterschiedlichen Nachschlagewerken unterschiedlich genannt. Im Weiteren werden verschiedene Fragetypen aus verschiedenen Typologien angeführt und mit Beispielen veranschaulicht. Man vermutet, dass für Studierende, die noch keine erfahrenen Moderator*innen sind, 48 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: eine Liste von verschiedenen Fragetypen eine durchdachtere Auseinandersetzung mit diesem Thema auslösen kann. Allen Typologien ist gleich, dass sie tendenziell zwei große Fragegruppen unterscheiden. Dies sind offene und geschlossene Fragen. → Offene Fragen Offene Fragen sind Fragen, die nicht mit einem Ja oder Nein beantwortet werden können. Sie beginnen in der Regel mit einem W-Wort (wer, wo, was, warum, wie usw.). Sie stoßen Diskussionsprozesse an, fordern zum Nachdenken und Mitsprechen auf und binden die Teilnehmenden so in die Diskussion bzw. in das Gespräch ein. Ihre Funktion ist es, eine Vertrauensbasis zu schaffen, auf die Teilnehmenden einzugehen sowie ihre Meinungen und Standpunkte in die Diskussion mit einzubeziehen. Das Risiko, das durch offene Frage entsteht, ist, dass die Gesprächspartner*innen vom Thema abschweifen können. Umso wichtiger ist darum eine präzise Formulierung gerade von offenen Fragen. Die Wirkung der konkreten Formulierung wird etwa an folgendem Beispiel deutlich. Die Frage „Was fällt Ihnen zum Thema Fremdsprachen ein?“ wird für jeden Teilnehmenden in eine andere Richtung führen. Die folgende, ebenfalls offene Formulierung hingegen, verengt die Antwortmöglichkeiten und kann so Abschweifen verhindern: „An welche konkreten Erlebnisse aus Ihrem Alltag erinnern Sie sich, bei denen Sie mit Verständigungsproblemen in einer Fremdsprache zu tun hatten?“ Z U Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema? M B Unter welchen Umständen könnte der Ablauf eines E Ereignisses in eine andere Richtung gehen? ISP Was geht im Kopf eines Menschen vor, der solche Gedanken IE hat? L Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 49 → Geschlossene Fragen Geschlossene Fragen verlangen nur eine mögliche Antwort. In den meisten Fällen kann man sie mit einem Ja oder Nein beantworten. Sie grenzen die Diskussion ein und lenken sie in eine von Moderator*innenseite genau bestimmte Richtung. Auch wenn kurze und präzise Antworten ein Teil jedes Gesprächs sind und gerade darin ihr Nutzen liegt, besteht bei geschlossenen Fragen und Antworten darauf immer die Gefahr, dass die Diskussion einen ‚Verhörcharakter‘ bekommt (Bischof et al. 2012: 77). In den Nachschlagewerken (u. a. Bischof et al. 2012; Sperling & Wasseveld-Reinhold 2011) werden noch andere Fragetypen aufgelistet. Im Folgenden werden sie einzeln benannt, kurz beschrieben und dann mit Beispielen belegt. Zwei Anmerkungen sollen den Fragetypen vorangestellt sein. Es ist manchmal schwierig, die konkreten Beispiele nur einem bestimmten Fragetyp zuzuordnen, denn die Grenzen sind nicht scharf und die Fragetypen überschneiden sich teilweise. Zudem muss man als Moderator*in nicht immer die Frageform verwenden, um Redebeiträge einzufordern. Alternativen können etwa Aufforderungen sein oder Aussagen, die eine Reaktion der Diskussionsteilnehmenden provozieren. Je nach Situation können diese Aussagen unterschiedlich provokant sein. Manchmal ist es hilfreich, als Moderator*in einen klaren Standpunkt einzunehmen, um die Teilnehmenden zur kritischen Auseinandersetzung mit einem Thema anzuregen. Z U M Ich behaupte und provoziere jetzt einfach einmal, dass… B E Ich wage jetzt die provokante Behauptung, dass ... ISP Dann stelle ich einfach mal die These in den Raum, dass ... IEL Unabhängig von der Formulierung und der offenen oder geschlossenen Frageform lässt sich eine Unterscheidung in den Bezugsbereich der Fragen vornehmen. Die 50 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Moderationsfragen tragen maßgeblich zum Tempo einer Diskussion bei, können diese nach vorne bringen oder ausbremsen, je nachdem, was der Diskussion dienlich ist. Als Moderator*in erfüllt man damit zwei Aufgaben. Mit nach vorne gerichteten Fragen regt man die Teilnehmenden zu Wortbeiträgen an und produziert so Ideen und Ergebnisse. Mit zurückblickenden Fragen hingegen sorgt man dafür, dass die Wortbeiträge strukturiert und verständlich sind. Man agiert praktisch als Anwalt der Diskussionsgruppe, indem man etwa bei unverständlichen oder vagen Beiträgen eine Präzisierung des Gesagten einfordert. Im Folgenden sollen die bekannten Fragetypen darum in zwei Kategorien eingeordnet werden: Unterschieden werden Fragen, die in der Diskussion zurückblicken, und solche, die in der Diskussion nach vorne weisen. Als zusätzliche Mischform werden Plateaufragen vorgestellt, die beide Funktionen vereinen und so gut als Übergang zwischen beiden Kategorien verwendet werden können. 4.2 Fragen, die in der Diskussion nach vorne weisen → Direkte Fragen Mit einer direkten Frage wird eine Expertenmeinung eingeholt. Sie bringt jemanden absichtlich Ausgewählten ins Rampenlicht. Sie sorgt für eine intensivere Aufmerksamkeit aller Teilnehmenden, schließt auch stille Teilnehmenden ein und nicht zuletzt beschleunigt sie auch die Diskussion in bestimmten Punkten. Jedoch besteht hier das Risiko, dass sich direkt Angesprochene unwohl fühlen können, dass sie nichts zu sagen haben oder nichts sagen möchten. Z U M Nennen Sie mir bitte die Vorteile Ihrer Idee. B E Zählen Sie bitte die negativen Auswirkungen von … auf! ISP Was sagen Sie zu den Auswirkungen von ... IEL Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 51 → Zielgerichtete Fragen Eine zielgerichtete Frage treibt den Lösungsprozess an, indem sie das Thema oder einen Diskussionspunkt konkretisiert. Oft zielt man auch mit einer zielgerichteten Frage auf eine Expertenmeinung unter den Teilnehmenden. Z U M Wer hatte schon mal Kontakt mit ... B E Wer kann mehr berichten über ... ISP Wer hat … am eigenen Leib erlebt? IEL → Vollständigkeitsfragen In Phasen, in denen Ideen oder Vorschläge gesammelt werden, gehört es zu den Aufgaben der Moderator*innen, alle Teilnehmenden einzubinden und allen Stimmen Gehör zu verschaffen. Oft reicht dafür schon eine einfache Aufforderung nach mehr Beiträgen, um den Gesprächsfluss zu erhalten. Z U M Welche Ursachen kann es noch geben? B E Welche weiteren Faktoren müssen wir berücksichtigen? ISP Gibt es Punkte, die wir bisher vergessen haben? IEL → Bewertungsfragen Diese Fragestellung erfordert ein Voting. Die Teilnehmenden werden aufgefordert, eine Entscheidung auf einer vorgegebenen Skala (bspw. von 1 52 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: bis 10) zu treffen. Hierbei handelt es sich um eine geschlossene Frageform, die keinen Raum für Abschweifungen lässt, sondern stattdessen zeitsparend ein quantitativ erfassbares Ergebnis produziert. Z U M Wie würden Sie den bisherigen Ablauf auf einer Skala von B 1 bis 10 bewerten? EIS Wenn Sie Schulnoten von 1 bis 6 vergeben könnten, welche P Note würden Sie dann der Problemlösung geben? IEL → Alternativ- und Suggestivfragen Wenn man Antwortmöglichkeiten stark einschränken möchte, eignen sich Alternativ- und Suggestivfragen. Als Moderator*in lenkt man hier schon durch die Frageform, so dass nur bestimmte Antworten gegeben werden können. Besonders stark ist das bei Suggestivfragen der Fall, in denen die Antwort bereits versteckt ist. Sie sollten deswegen möglichst vermieden werden, da sie schnell manipulativ wirken können. Fragen nach Alternativen hingegen können den Teilnehmenden die Gelegenheit bieten, sich mit einem bereits besprochenen Problem auseinanderzusetzen und nach anderen Möglichkeiten zu suchen. Vor allem stillere Teilnehmende können so ebenfalls ihre Ansichten in die Diskussion einbringen. Z U M Sehen Sie es nicht auch so, dass ... B E Sie wollen doch sicher eine produktive Besprechung haben, I oder? SPI Wollen wir das direkt besprechen oder erst ausdiskutieren? EL Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 53 4.3 Fragen, die in der Diskussion zurückblicken → Reflektierende bzw. verzögerte Fragen Reflektierende bzw. verzögerte Fragen haben eine Kontrollfunktion, womit man Missverständnisse vermeiden kann. Wenn ein Redebeitrag fachlich komplex und umfangreich ist, kann eine reflektierende Frage als eine Basis wirken, die für alle Teilnehmenden festgehalten und im weiteren Verlauf als Konsens angenommen wird. So können spätere Widerstände präventiv abgebaut werden. Z U Sie denken also, dass … M Ihrer Meinung nach ist es also… B E Könnten man also mit anderen Worten sagen, dass ... ISP Habe ich Sie richtig verstanden, dass… IE Meinten Sie mit diesem Ausdruck wirklich… L → Erneute Fragen Eine erneute Frage stoppt den Dialog, indem ein Rückblick verlangt wird. Sie kann als eine Brücke zwischen dem Gesagten und dem noch nicht Gesagten verstanden werden. Sie koordiniert so den Fortschritt der Diskussion. Vergleichbar mit der reflektierenden Frage kann man sie als eine Regression verstehen, die aber wegen einer gemeinsamen Basis, die sie schafft und fixiert, für die Progression des Gesprächs entscheidend sein kann. Z U Darf ich Sie noch einmal bitten… M Könnten Sie noch einmal erläutern… B EI Ich möchte noch einmal auf das vorherige Beispiel S zurückkommen. Könnten Sie dazu noch einmal erklären ... PIE Was genau meinten Sie mit ... L 54 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: → Umgekehrte Fragen Mit einer umgekehrten Frage verarbeitet man eventuelle Wortspielereien in der Diskussion und erzielt dadurch auch eine Klärung des Leitfadens des Gesprächs. Z U M Wenn ich das jetzt umgekehrt darstelle, dann heißt das… B E Andersherum betrachtet würde das bedeuten, dass…. ISP Im Umkehrschluss müsste dann ja auch gelten, dass ... IEL → Zusammenfassende Fragen Eine zusammenfassende Frage verweist auf bestimmte herausragende Punkte und lenkt die Aufmerksamkeit auf etwas besonders Wichtiges. Es ist auch möglich, dass eine zusammenfassende Frage das vorangegangene Thema abrundet und den Wechsel zu einem neuen Thema einleitet. Z U M Wenn ich jetzt also zusammenfasse … B E Zusammenfassend ließe sich jetzt sagen, ... ISP Auf den Punkt gebracht lässt sich also festhalten, ... IEL 4.4 Die Plateaufrage als eine Mischform → Plateaufragen Für den Übergang zwischen zurückgerichteten und nach vorne gerichteten Diskussionsteilen eignen sich besonders gut sogenannte Plateaufragen. Für Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 55 diese Fragen werden zuerst Informationen vermittelt, auf deren Grundlage dann eine Frage gestellt wird. Es wird also ein Plateau errichtet, von dem aus die Teilnehmenden dann gemeinsam an der Beantwortung der Frage arbeiten können (vgl. Tirok 2013: 98f.). Die Informationen können neu sein oder aber eine Zusammenfassung von bereits Gesagtem darstellen. Wir haben also gesehen, dass das Fremdsprachenlernen aus Z U bestimmten Phasen besteht, und zwar ... Wenn man diese M Phasen betrachtet, ergibt sich die Frage, wie wir dies konkret B im Unterricht umsetzen können. EIS In einer aktuellen Studie zu Kommunikationstechniken sind P Forscher*innen zu dem Ergebnis gekommen, dass ... Fallen IE Ihnen konkrete Nutzen ein, die Sie für Ihre Arbeit aus L diesen Ergebnissen ziehen können? Hier noch einmal alle Fragetypen Fragen, die in der Diskussion nach Fragen, die in der Diskussion vorne weisen zurückblicken Direkte Frage Reflektierende bzw. verzögerte Frage (eher offen) (eher offen) Zielgerichtete Frage Erneute Frage (eher offen) (eher offen) Alternativ- und Suggestivfrage Umgekehrte Frage (eher geschlossen) (eher geschlossen) Bewertungsfrage Zusammenfassende Frage (geschlossen) (eher geschlossen) Plateaufrage Eine Mischform (kann sowohl offen als auch geschlossen sein) 56 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: tellung Schauen Sie sich die Frageliste9 unten an und versuchen Sie, die einzelnen Fragen einem oder abens auch mehreren Fragetypen zuzuordnen. 4B Aufg Interviewfrage Fragetyp Wie recherchierst du für ein Buch? Inwiefern fühlst du dich privilegiert? Welche Rolle spielt die Mehrsprachigkeit in deinem Leben? War das vielleicht ein Grund, warum das dein letzter historischer Roman ist? Kannst du mit dieser Figur etwas anfangen, sagt die dir etwas? Arbeitest du gerne mit diesem Prinzip? Ist das tatsächlich etwas, das man beobachten kann, dass Sprecher, die nicht oft ihre Sprache wechseln müssen, weniger Verständnis haben? Ist dir so etwas auch schon einmal begegnet? Ist der Bezug auf die Bibel bewusst gewählt? 9 Die Interviewfragen wurden während einer Lesung (im Oktober 2020) notiert. Es handelt sich um authentische Fragen, die in einem seitens einer Hochschullehrerin moderierten Gespräch gestellt und von einer Autorin beantwortet wurden. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 57 Interviewfrage Fragetyp Kannst du mit dieser Figur etwas anfangen? Wie findest du deine Themen? Oder umgekehrt: Findet der Stoff dich? Du hast literarisches Schreiben studiert. Was macht man da genau? Studiert man da, um Autorin zu werden? Warum ist der Protagonist so sensibel für dieses Thema? Könnte das auch an seiner eigenen Situation liegen? Wann wird die Lesung stattfinden? Wird das auch eine Online-Veranstaltung? Könntest du uns an deiner Perspektive auf den Konflikt teilhaben lassen? Kannst du uns mehr darüber erzählen? Ich wollte dich bitten, magst du uns noch einige Seiten vorlesen? Manchmal liegt der Teufel im Detail. Schon kleine Formulierungen können einen großen Unterschied machen. tellung Auf welche der untenstehenden Fragen sind abens am ehesten Wortbeiträge der Teilnehmenden zu erwarten? Bringen Sie die Liste der Fragen in eine 4C Aufg Reihenfolge, beginnend mit der Frage, auf die sich die meisten Teilnehmenden melden werden. 58 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Überlegen Sie hierfür auch, ob die Fragen offen oder 4C geschlossen sind. • Wer hat noch Fragen? • Wem fällt noch eine Frage ein? • Hat noch jemand eine Frage? • Gibt es weitere Fragen? • Sicherlich haben Sie noch Fragen. Wer möchte sich zuerst melden? • Möchte noch jemand eine Frage stellen? • Welche Fragen haben Sie noch? • Überlegen Sie noch einmal: Welche Fragen sind für Sie noch offengeblieben? Wählen Sie ein Gespräch oder eine Diskussion in tellung einem online verfügbaren Video aus und notieren Sie einige offene und geschlossene Fragestellungen. abens Welcher Fragetyp überwiegt? Was bedeutet das für die Diskussion? Sprechen Sie darüber! 4D Aufg Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 59 Baustein 5: Eine Moderation auf Deutsch leiten Eine Moderation in einer Fremdsprache zu führen, stellt Moderator*innen im Vergleich zur Moderation in der Muttersprache vor zusätzliche Herausforderungen. Hervorragende Fremdsprachenkenntnisse sowie eine gute Vorbereitung und Planung auch bezüglich Termini und relevanter Redemittel können das eventuelle ‚fremdsprachliche Unbehagen‘ relativieren oder gar abschaffen. Das Anliegen dieses Bausteins ist es, genauer darauf einzugehen, wie man Einstieg, Leitung des Gesprächs, Übergänge und Schluss in der Fremdsprache Deutsch planen und effizient ausführen kann. Eine genauere, intensive Auseinandersetzung mit entsprechenden Redemitteln kann einige unangenehme oder peinliche Augenblicke verhindern. Für Moderationsanfänger*innen mag es schwierig erscheinen, den wichtigen Spagat zu schaffen zwischen dem Lernen der Redemittel und ihrer möglichst spontanen und authentischen Verwendung. Der Schlüssel hierfür ist jedoch die Routine. Je häufiger man die Redemittel benutzt, desto leichter kommen sie während der Moderation über die Lippen. Lesen Sie die folgenden Beschreibungen wahrer Ereignisse und sprechen Sie darüber? Was ist passiert? Eine Studentin moderierte einmal eine Veranstaltung für Pensionisten in der Fremdsprache tellung Deutsch. Am Anfang begrüßte sie lieb und freundlich die Gäste u. a. mit folgenden Worten: abens „[…] Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie haben den Sommer überlebt, und jetzt sind wir 5A Aufg wieder zusammen“. In der Tagesschau vom 11. Juni 2000 verlas der Moderator Jens Riewa die Lottozahlen und wollte anschließend die Wettervorhersage ankündigen. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 61 Stattdessen versprach er den Zuschauer*innen jedoch die „Lottovorhersage“. Als er seinen 5A Versprecher bemerkte, konnte er ein Lachen nicht unterdrücken. Wie man sieht, passieren Fehler sowohl Moderator*innen in der Mutter- als auch in der Fremdsprache. „Es irrt der Mensch so lang er strebt”, hat Goethe bereits behauptet. Anders gesagt: Fehler sind menschlich. Das wissen auch die Teilnehmenden, die für kleine Fehler sicher Verständnis aufbringen. So kann ein Versprecher sogar für Belustigung sorgen und so die Stimmung lockern. Natürlich sollte man trotzdem versuchen, Fehler so gut wie möglich zu vermeiden. Dafür ist eine intensive Vorbereitung besonders wichtig. Im Folgenden werden deswegen für jeden Abschnitt einer Moderation sprachliche Besonderheiten und beispielhafte Redemittel vorgestellt. 5.1 Die Begrüßung Die Begrüßung setzt den Ton für den Rest der Veranstaltung. Schon hier kann man als Moderator*in das Tempo, die eigene Rolle und den Grad der Formalität festlegen. Nach der Begrüßung sollten alle Teilnehmenden über die grundlegenden Informationen zu der nun folgenden Veranstaltung verfügen. Hierzu gehören Informationen dazu, wer zu ihnen spricht, was geschehen wird, was von den Teilnehmenden erwartet wird, außerdem Informationen über den Ablauf der Veranstaltung sowie die Grundregeln für die Zusammenarbeit. Als gute*r Moderator*in schafft man es außerdem, schon im Einstieg eine angenehme Atmosphäre herzustellen, die alle Teilnehmenden zu einer konstruktiven Mitarbeit ermutigt. Dies geschieht unter anderem durch Begrüßungsfloskeln, die nicht direkt den Fortlauf der Veranstaltung beeinflussen, aber als Ausdruck von Höflichkeit und gegenseitigem Respekt ein wertschätzendes Grundklima schaffen. Was dabei als höflich gilt, ist in jedem Kontext und in jeder Sprache anders. Sowohl der Grad der Formalität als auch der Umfang dieser 62 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: einleitenden Worte ist in unterschiedlichen kulturellen Kontexten unterschiedlich zu wählen. Die Begrüßung sollte weder zu kurz noch zu lang ausfallen. Eine Begrüßung, die nur zwei Sätze umfasst, wirkt lieblos und gibt der Teilnehmenden nicht genug Zeit anzukommen. Eine halbstündige Begrüßung hingegen wirkt unnötig und ermüdend. Es gilt, den richtigen Mittelweg zu treffen. Zu den Grundbausteinen des Einstiegs gehören die Begrüßung, die Vorstellung der eigenen Person und eventueller weiterer Personen, eine kurze inhaltliche Einführung sowie die Vorstellung des Ablaufs der Veranstaltung (siehe auch Lauff 2019: 161). Routinierte Moderator*innen überlegen sich zudem eine kurze Anekdote, ein Wortspiel, einen Witz oder Ähnliches, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden zu erhöhen und Interesse zu wecken. Die Wahl dieser Anmoderation möchte jedoch gut überlegt sein, da sie zum Anlass und Rahmen passen muss, aber auch zur eigenen Persönlichkeit. Kein Aufhänger ist in diesem Fall besser als ein nicht authentischer, mit dem man sich als Moderator*in unwohl fühlt. Ein paar sprachliche Vorschläge für den Einstieg:10 Begrüßen/ Willkommen heißen Z U M • Guten Abend sehr geehrte Damen und Herren, Freundinnen und Freunde der [DAS FACH]. B E Willkommen bei unserem … IS • Guten Abend, ich begrüße Sie ganz herzlich zu... PIE • Ich freue mich sehr, Sie zur heutigen L [VERANSTALTUNG] begrüßen zu dürfen. 10 Die hier aufgelisteten Vorschläge sind keineswegs als vollständige Liste zu verstehen. Die sprachlichen Gestaltungsmöglichkeiten jedes einzelnen Moderationsschrittes sind schier unendlich. Die ausgewählten Beispiele sind vielmehr als erste Impulse zu verstehen, die durch eigene Ideen ergänzt werden sollten. Letztendlich steht die Authentizität beim Sprechen im Vordergrund. Welche Formulierung die richtige ist, hängt somit von den persönlichen Vorlieben und dem Stil des Moderators bzw. der Moderatorin ab. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 63 • Ich heiße Sie herzlich willkommen. Ich freue mich, dass Sie hier sind. Vorstellung • Erlauben Sie mir, dass ich mich kurz vorstelle. • Für diejenigen, die mich noch nicht kennen, stelle ich mich kurz vor. • Mein Name ist [NAME], ich bin [POSITION] und werde Sie durch den heutigen Tag führen. Erklärung des Ablaufs • Wir werden heute folgende Punkte besprechen ... • Wir haben heute vor, ..., je nachdem, wie wir mit der Zeit hinkommen, … 5.2 Die Anmoderation der Gäste bzw. Referent*innen Moderiert man eine Veranstaltung, zu der Gäste eingeladen sind, muss deren Vorstellung gut überlegt und vorbereitet sein. Als Moderator*in übernimmt man hier die Gastgeber*innenrolle und zugleich die Rolle des Vermittlers bzw. der Vermittlerin zwischen Gast und Publikum. Auf keinen Fall sollte man Gäste in der Kommunikation mit dem Publikum alleine lassen, sondern vielmehr heißt man sie stellvertretend für das Publikum willkommen und ebnet ihnen den Weg in ihren Sprechbeitrag, indem man sie dem Publikum vorstellt und ihnen für ihr Kommen dankt. So vermeidet man, dass Gäste ins kalte Wasser geworfen werden. Inhaltlich sollte man darauf achten, dass die Anmoderation nicht zu lange dauert, dass sie nur Relevantes und Wichtiges enthält und das Publikum nicht bevormundet. 64 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Ein paar sprachliche Vorschläge für die Anmoderation: Z • Bei uns ist heute Frau [NAME], [Position] … U M • Bitte begrüßen Sie mit mir zusammen [NAME]. B E • Und damit begrüße ich Sie ganz herzlich, [NAME]. IS Wenn Sie möchten, können Sie gerne auch noch einige P Worte über Ihre eigene Person sagen. IEL • Dann übergebe ich das Wort nun an ... 5.3 Fragerunde und Diskussionen Fragerunden und Diskussionen bestehen aus Fragen, die von Moderator*innenseite gestellt werden, sowie Fragen aus dem Publikum, bzw. Fragen der Teilnehmenden. Gerade die Formulierung der eigenen Fragen sollte möglichst gut vorbereitet sein. Dies kann meistens problemlos in der Vorbereitungsphase geschehen. Anspruchsvoller ist der Umgang mit den Fragen der Teilnehmenden, da auf diese spontan reagiert werden muss. Aber auch hier gibt es sprachliche Muster, die sich wiederholen. Der Grad der Bewertung durch den Moderator bzw. die Moderatorin variiert je nach Art der Veranstaltung. Beispielsweise kann es in der Moderation einer Lesung angenehm sein, wenn der Moderator bzw. die Moderatorin als Sprachrohr des Publikums agiert und wertende Reaktionen auf das Gesagte äußert, ebenso wie es auch in einem gewöhnlichen Gespräch geschehen würde. Wertende Ausdrücke wie interessant, spannend oder sehr schön können zu einer positiven Gesprächsatmosphäre beitragen und den Redefluss in einem Dialog aufrechterhalten. In der Leitung einer Diskussion hingegen können solche wertenden Ausdrücke fehl am Platz sein. Hier wird von Moderator*innen eine größere Neutralität und Wertfreiheit verlangt. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 65 Ein paar sprachliche Vorschläge für die Diskussionsleitung: Reaktionen auf Wortbeiträge von Gästen • Ich finde es schön, dass ... • Wir können uns jetzt auch schon was notieren, … • Vielen Dank, Sie haben gerade geantwortet auf mehrere Fragen, die ich noch stellen wollte. Gerade das war auch mein Eindruck, dass …. • Vielen Dank, dass sie diese Überlegungen mit uns geteilt haben. • Vielen Dank für diesen Einblick. • Dem kann ich nur zustimmen. • Das kann ich mir sehr gut vorstellen, dass ... Z U • Ich musste auch denken an ... M • Sehr schön. Das ist gut zu wissen. B EI Moderation von Publikumsfragen SP • Ich würde das Gespräch an dieser Stelle gerne öffnen für die allgemeine IE Fragerunde. L • Ich möchte Sie ermutigen, sich an der Diskussion zu beteiligen. Haben Sie keine Angst, Fehler zu machen. • Sie können sich nun gerne zu Wort melden. • Ich denke, jetzt wäre der richtige Moment, um einige Fragen aus dem Publikum zu stellen, falls es Fragen gibt. • Gibt es noch mehr Fragen im Chat? / Gibt es noch Fragen aus dem Publikum? • Gibt es sonst irgendwelche Wortmeldungen? • Ich habe gesehen, dass wir einige Fragen im Chat haben. Ich erlaube mir, eine Frage vorzulesen. • Wir haben noch eine Frage aus dem Publikum. / Wir haben eine 66 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Frage von [NAME]. • Gibt es weitere Fragen? • Das wäre jetzt die letzte Gelegenheit für Fragen. Ansonsten würde ich weitergehen zu ... • Wenn es jetzt keine weiteren Fragen gibt, können wir am Ende noch einmal fragen, ob es weitere Wortmeldungen gibt. • Es gibt noch eine Frage zum Thema ..., bevor wir zurückkommen zu ... 5.4 Übergänge Übergänge entstehen immer dann, wenn ein neuer Programmpunkt oder eine neue Person folgt. Genau wie der Einstieg und Schluss der gesamten Veranstaltung sollten auch die Übergänge weder zu langatmig noch zu hektisch ausfallen. Sie sollten genügend Zeit einnehmen, um einen deutlichen Wechsel zu markieren, gleichzeitig aber keine unnötige Zeit verbrauchen, da sonst Langeweile und Unruhe entstehen. Inhaltlich sollten alle losen Fäden eingesammelt werden, so dass keine offenen Fragen oder Missverständnisse dem nächsten Programmpunkt im Wege stehen. Jeder endende Programmpunkt sollte klar markiert werden, dies geschieht vor allem sprachlich, durch Redemittel, die von den Teilnehmenden als Endpunkte verstanden werden. Zu den Markern zählen etwa bestimmte Tempora. Ein paar sprachliche Vorschläge für Übergänge: Z • Vielleicht noch eine kurze Frage, bevor ich das Wort an U M das Publikum gebe. B E • Vielen Dank, wir haben jetzt die Zeit schon I überschritten. Insofern würde ich Sie jetzt bitten, dass Sie SP vielleicht nur kurz ... IE • Jetzt möchte ich gerne zu ... wechseln. L Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 67 5.5 Der Abschluss Der Abschluss spiegelt in gewisser Weise die Begrüßung wider. Auch er besteht aus einem inhaltlichen und einem eher formalen Teil. Inhaltlich müssen alle offenen Fragen geklärt werden. Außerdem obliegt es dem Moderator bzw. der Moderatorin, die Ergebnisse zusammenzufassen bzw. ein Fazit zu ziehen, das die Ereignisse der Veranstaltung noch einmal zusammenfasst. In den formalen Teil gehören das Bedanken bei den Referent*innen und Teilnehmenden, ggf. die Ankündigung weiterer Veranstaltungen sowie die Verabschiedung. Ein paar sprachliche Vorschläge für den Abschluss. • Wir möchten uns erst einmal bedanken bei ... • Wir freuen uns sehr, dass wir so erfolgreich in diese Reihe gestartet sind. Wir werden fortsetzen mit ... • Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns Z genommen haben. Wir freuen uns sehr, ... U M • Hoffentlich werden Sie am [DATUM] wieder mit B dabei sein. EIS • Vielen Dank noch einmal. Ein besonderer Dank an … PI • Danke auch an das Publikum und natürlich EL [PERSON] und [INSTITUTION], weil sie diese Veranstaltung ermöglicht haben. • Vielen Dank für diese spannende Beschäftigung mit der/dem [DAS THEMA]. • Gut, dann verabschieden wir uns. Bis bald. / Bis dann. 68 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: 5.6 Moderationen speziell in der Fremdsprache Wenn man in einer Sprache moderiert, die nicht die eigene Muttersprache ist, erscheint die eigene Hemmschwelle erst einmal höher. Mit der richtigen Vorbereitung ist jedoch auch das keine Schwierigkeit. Schließlich gilt es zu bedenken, dass auch Muttersprachler*innen nicht als Moderator*innen geboren werden und auch ihnen die Redemittel einer Moderation nicht automatisch vertraut sind. Vielmehr handelt es sich bei der Sprache von Moderator*innen um eine antrainierte Sprechweise, die auch in einer Fremdsprache schnell vertraut werden kann. Vorbereitung ist hier wieder einmal das Stichwort. Um die richtige Wortwahl für die Moderation zu finden, helfen Übersetzungen aus der Muttersprache nicht zwangsläufig weiter. Vielmehr kann man auf diese Weise schnell in vermeidbare Fettnäpfchen treten, denn die üblichen Formulierungen von Moderationen enthalten zahlreiche Redensarten. So kann man im Deutschen bspw. jemandem ‚das Wort übergeben‘. Je nach Akzentuierung hat der Begriff übergeben im Deutschen sehr unterschiedliche Bedeutungen, so dass hier die falsche Betonung schnell eine völlig andere und negativ konnotierte Bedeutung erzeugen kann. Gerade solcher Fallen sollte man sich im Moderieren in der Fremdsprache bewusst sein. Im Zweifelsfall gilt: Lieber einfach als kompliziert. Die Teilnehmenden profitieren eher von einem schlichten und dafür gut verständlichen Satz als von elaborierten Formulierungen, in denen man sich als Moderator*in verhaspelt. Man sollte darum Formulierungen wählen, die dem eigenen Wortschatz besonders ähnlich sind, und auf zu lange Sätze verzichten. Wenn die Routine in der Moderation steigt, steigt auch die Komplexität der Redemittel. Wie komplex Formulierungen sein dürfen, ist in letzter Instanz jedoch abhängig von den Teilnehmenden. Für sie findet die Moderation statt, darum müssen auch sie die Formulierungen verstehen. Man gewinnt als Moderator*in keine Preise für besonders viele Fremdworte oder besonders verschachtelte Sätze. Wohl aber gewinnt man die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden, wenn man in verständlichen und prägnanten Sätzen spricht. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 69 Exkurs: Virtuelle Meetings moderieren Bei der Moderation von Videokonferenzen spielt die sprachliche Gestaltung im Vergleich zu Veranstaltungen in Präsenz eine ungleich größere Rolle. Hier fallen Moderator*innen weitere Aufgaben zu, die sprachlich ausgeführt werden müssen, etwa die Einführung in die technische Nutzung des jeweiligen Mediums oder die Lösung technischer Schwierigkeiten auf Referent*innen- und Publikumsseite. Zudem muss aufgrund der eingeschränkten sonstigen Kommunikationsmittel, wie etwa der Körpersprache, die sprachliche Gestaltung mit größerem Bedacht gewählt werden. Dies betrifft die Redemittel der Moderator*innen ebenso wie Wortbeiträge von Teilnehmenden. Es gehört dabei zu den Aufgaben der Moderator*innen, sicherzustellen, dass die Gruppe weiß, was gerade geschieht und was von ihnen erwartet wird. Die Führung der Teilnehmenden, die weiter oben schon besprochen wurde, ist umso wichtiger, wenn sich nicht alle Personen physisch im selben Raum befinden. Mehr Informationen zu virtuellen Treffen finden sich bei Seifert und Kerschbaumer (2011). Einige sprachliche Vorschläge für virtuelle Treffen: • Ich werde jetzt meine Präsentation mit Ihnen teilen. Hoffentlich ist das gut sichtbar. Z U M • Jetzt sollten Sie alle die Präsentation sehen können. B EIS • Bitte schalten Sie Ihre Kamera ein/aus. PIEL • Ihre Fragen können Sie gerne bereits jetzt in den Chat schreiben, so dass wir sie nachher weiterleiten können. 70 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Suchen Sie im Internet nach einem kurzen Vortrag zu einem wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Thema. Besonders gut eignen sich hierfür Vortragsreihen wie etwa TED-Talks, die in unterschiedlichen Sprachen auf Plattformen wie YouTube zu finden sind. Stellen Sie sich vor, dass Ihnen die Aufgabe gegeben wurde, diesen Vortrag zu moderieren. Bereiten Sie nun Ihre Moderation sprachlich vor. Überlegen Sie dafür Folgendes: tellung 1. Wie begrüßen Sie die Gäste? Was sagen Sie zum abens Einstieg? 2. Wie stellen sie den Referenten bzw. die 5B Aufg Referentin vor? 3. Welche Fragen können Sie im Anschluss an den Vortrag stellen? 4. Wie moderieren sie eventuelle Fragen aus dem Publikum? 5. Wie verabschieden Sie das Publikum und den Referenten bzw. die Referentin? Formulieren Sie möglichst konkret Ihren Moderationstext. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 71 Suchen Sie im Internet nach einer Diskussion (mindestens 3 Personen) zu einem gesellschaftlichen Thema auf Deutsch und dann nach einer vergleichbaren Diskussion in Ihrer Muttersprache. Die Konstellation der an der tellung Diskussion Beteiligten sollte gleich sein. Betrachten abens Sie die Unterschiede und Ähnlichkeiten in den Moderationen. In der Tabelle unten finden Sie Vorschläge für Ihre Beobachtungsaspekte. Ein 5C Aufg Hinweis: Diskussionen können Sie beispielsweise im Online-Archiv eines Rundfunks im Aus- und Inland suchen. Die Die Beobachtungsaspekte Moderation Moderation Anmerkungen auf Deutsch in der Mut- tersprache Wer sind die Teilnehmenden? Wie werden die Teilnehmenden begrüßt? Wie werden Sie vorgestellt? Wie organisiert der Moderator bzw. die Moderatorin den Ablauf des Gespräches bzw. der Diskussion? Welche Fragetypen werden verwendet? 72 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Die Die Beobachtungsaspekte Moderation Moderation Anmerkungen auf Deutsch in der Mut- tersprache Wie werden eventuelle Konflikte bzw. Unstimmigkeiten behandelt? Wie endet das Gespräch bzw. die Diskussion? Wie sind die (fachlichen, inhaltlichen, organisatorischen, sprachlichen) Kompetenzen des Moderators bzw. der Moderatorin? Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 73 Baustein 6: Methoden für die Moderation: praktische Beispiele In den vorangegangenen Bausteinen wurde gezeigt, dass es die Aufgabe eines Moderators bzw. einer Moderatorin ist, eine Gruppe zu lenken, zu aktivieren und zum kreativen bzw. systematischen Denken anzuleiten. Jede Vorbereitung (→ Baustein 3) ist dabei eine neue Aufgabe, die man als Moderator*in selbst erarbeiten muss. Dafür muss man jedoch das Rad nicht neu erfinden. Es existiert bereits eine Vielzahl von Methoden11, die sich für Moderationen bewährt haben. Bei der Vorbereitung stößt man jedoch schnell auf eine überwältigende Fülle verschiedener Methoden. Nicht jede Methode ist dabei gleich gut bzw. gleich gut geeignet. Eine kritische und gut überlegte Auswahl ist unabdingbar und sollte immer unter Berücksichtigung des Ziels der Veranstaltung getroffen werden. Um die richtige Methode auszuwählen, sollte man sich darum unter anderem die folgenden Fragen stellen: • Was ist das Ziel der Veranstaltung? • Wie viel Zeit steht zur Verfügung? • Wie groß ist die Gruppe? • Wie sind die räumlichen Rahmenbedingungen? • Welche Materialien und technischen Hilfsmittel stehen zur Verfügung? Je nach Antwort auf diese Fragen werden sich unterschiedliche Methoden anbieten. Jede Methode hat dabei Vor- und Nachteile, die gegeneinander abgewägt werden müssen. Komplexe Methoden bringen oft gute Ergebnisse, brauchen jedoch mehr Zeit und vor allem eine gute Anleitung von Moderator*innenseite. 10 Unter dem Begriff Moderationsmethoden werden hier konkrete Vorgehensweisen und Aufgabenstellungen innerhalb einer Moderation verstanden. Ein alternativer Begriff, unter dem man ebenfalls unterschiedliche Vorgehensweisen für Moderationen zusammenfassen kann, sind Moderationstechniken. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 75 Die beste Methode ist nutzlos, wenn die Gruppe sie nicht versteht und somit nicht durchführen kann. Die Grundvoraussetzung dafür, dass die Gruppe die Methode versteht, ist, dass man als Moderator*in selbst die Methode gut genug kennt, um sie in einfachen Worten anzuleiten und während der Durchführung den Überblick zu behalten. Im Zweifelsfall gilt darum wieder einmal: Weniger ist mehr. Eine sehr einfache, aber verständliche Methode ist einer sehr komplexen Methode vorzuziehen, die Verwirrung stiften und somit keine Früchte tragen würde. Letztlich sollte bedacht werden: Keine Methode ersetzt den Menschen. Eine Methode ist immer nur so gut wie die Moderator*innen, die sie anwenden. Im Folgenden werden exemplarisch ausgewählte Moderationsmethoden vorgestellt und bewertet. Zu jeder Methode findet sich dabei ein konkretes Beispiel. Die Beispiele sind so gewählt, dass sie jeweils auf einen Baustein angewendet werden können. 76 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: 6.1 Moderationsmethode: Punktabfrage → Das vorgestellte Beispiel kann angewendet werden auf Baustein 1. Über die Methode Die Punktabfrage ist eine graphische Erfassung von Aussagen. Die Teilnehmenden drücken dabei ihre Meinung aus, indem sie bestimmten Kategorien, die man als Moderator*in vorher aufgeschrieben hat, Punkte zuordnen. Die Methode kann eingesetzt werden, um Abstimmungsergebnisse zu erzielen oder Stimmungsbilder zu erfassen. Demnach kann sie vor einer Diskussion eingesetzt werden, um einen Überblick über die Grundstimmung in einer Gruppe zu bekommen. Ebenso geeignet ist die Methode für die Abstimmung nach einer Diskussion, um eine Einigung auf ein Ergebnis zu erzielen. Das Ziel ist es, möglichst schnell und unkompliziert alle Meinungen aus einer Gruppe aufzunehmen und zu visualisieren. Die Durchführung besteht aus drei einfachen Schritten. 1. Der Moderator bzw. die Moderatorin stellt die Kategorien vor und bittet die Teilnehmenden, ihre Punkte zu verteilen. Wie viele Punkte jede*r Teilnehmende verteilen darf, ist abhängig von der Anzahl der Kategorien und der konkreten Fragestellung. 2. Die Teilnehmenden kleben nun reihum Klebepunkte auf die Kategorien. 3. Abschließend wird das Ergebnis präsentiert und ggf. diskutiert. Eine Stärke dieser Methode ist, dass alle Teilnehmenden ‚zu Wort kommen‘, auch stillere Teilnehmende. Sie stellt sicher, dass auch Meinungen gesehen Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 77 werden, die im Gespräch vielleicht untergegangen wären. Die Punkte können auch verdeckt, also anonym, geklebt werden und so eine noch offenere Äußerung von Meinungen ermöglichen. Die Methode eignet sich hingegen nicht, um neue Ideen zu generieren oder kreative Antworten zu sammeln, da die Antwortmöglichkeiten auf die zuvor festgelegten Kategorien beschränkt sind. Darum eignet die Methode sich z. B. sehr gut, um nach der Ideensammlung eine Abstimmung über die Ideen durchzuführen, und um seitens der Teilnehmenden einen bestimmten Fokus der weiteren Diskussion zu bestimmten. Dies kann zum Beispiel geschehen, indem nur auf die Aussagen eingegangen wird, die die meisten Punkte bekommen haben. Statt eines Flipcharts können für die Abstimmung auch Apps eingesetzt werden, in denen die Teilnehmenden online abstimmen und die Ergebnisse virtuell dargestellt werden. Hierfür eignen sich beispielsweise Tools wie mentimeter oder Pingo. Vorbereitung Um die Methode durchführen zu können, braucht es eine Pinnwand oder ein Flipchart, auf denen die Übersicht über die Kategorien festgehalten wird, sowie genügend Klebepunkt. In der Übersicht müssen alle relevanten Meinungen abgedeckt sein. Die Methode funktioniert nur, wenn sich alle Teilnehmenden in den Kategorien wiederfinden, also eindeutig entscheiden können, wohin sie ihre Punkte kleben. Variation: Barometer Eine Variante dieser Methode ist das sogenannte Barometer. Hierbei werden keine Punkte verteilt, sondern die Teilnehmenden stehen als Person sichtbar auf ihrem Standpunkt. Dafür werden die Kategorien der Abstimmung auf dem Boden des Raums verteilt. Üblicherweise geschieht dies in Form einer Linie: Die Kategorien gleichen einer Skala. Daher stammt auch der Name der Methode. Es sind jedoch auch komplexere Kategorien denkbar. Die Teilnehmenden werden nun gebeten, sich auf den Punkt der Übersicht zu stellen, der am ehesten ihrer Meinung entspricht. Logischerweise kann hier pro Frage nur eine einzige Stimme vergeben werden. 78 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Die Ergebnisse können im Barometer anschaulicher sein als in der Punktabfrage. Ein weiterer Vorteil ist die Bewegung. Die Teilnehmenden laufen im Raum umher und werden so automatisch aktiver. Gleichzeitig verlangt die Methode jedoch, dass man seine Meinung offen vertritt, da keine Anonymität möglich ist. Man steht wortwörtlich für seine Meinung ein. Darum sollte diese Methode möglichst nur für nicht kontroverse Fragen gewählt werden. In der Tabelle sehen Sie unterschiedliche Aussagen zum Thema Moderation. Schreiben Sie die Tabelle auf ein Flipchart oder ein Poster. Bitten Sie die Teilnehmenden nun, einen Punkt auf das Feld zu kleben, das am ehestens auf sie zutrifft. Wie oft ! haben Sie bereits eine noch nie selten ab und sehr t aus Moderation zu häufig elbs geleitet? un s Wie oft sprechen Sie nie selten ab und sehr hode n vor Gruppen? zu häufig et Sprechen Sie über- gerne vor haupt eher nicht eher ja sehr gerne en Sie die M Gruppen? nicht obier Wie viel 6A Pr wissen Sie noch ein schon über nichts wenig einiges sehr viel Moderation? Alternativ können Sie auch eine Matrix aufzeichnen, in der die Teilnehmenden sich verorten sollen. Hierfür eignet sich die Frage „Wo ordnen Sie Ihre eigenen Erfahrungen im Bereich Moderation ein?“ Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 79 Ich spreche sehr gerne vor Gruppen. Ich spreche sehr ungerne 6A vor Gruppen. Ich spreche nie Ich spreche oft vor Gruppen. vor Gruppen. In beiden Fällen fassen Sie nach der Punktevergabe das Ergebnis zusammen. Ggf. können Sie die Teilnehmenden auch bitten, sich zu ihren Aussagen zu äußern. → In Anhang 1 finden Sie ein Beispiel mit möglichen Ergebnissen einer Punktabfrage im Rahmen einer Diskussion zum Thema Differenzierung im Unterricht. 80 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: 6.2 Moderationsmethode: Die ABC-Methode → Das vorgestellte Beispiel kann angewendet werden auf Baustein 2. Über die Methode Die ABC-Methode ist eine Methode zum Sammeln von Schlagwörtern. Zu einem vorgegebenen Thema wird dabei für jeden Buchstaben des Alphabets ein Begriff festgehalten. Als Ergebnis entsteht so eine Liste mit mindestens 26 Begriffen zu einem Thema. Sinn der Methode ist es, ein Thema von einer anderen Seite zu begehen, sozusagen indem man andere Schubladen, man könnte sie die ‚Buchstabenschubladen‘ nennen, aufzieht. Man assoziiert also nicht rein inhaltlich, sondern bewegt sich auf einer auf einen Buchstaben eingegrenzten sprachlichen Ebene, die neue Assoziationen wecken kann und auf die man anders höchstwahrscheinlich nicht gekommen wäre. Die Methode kann in vielen Varianten angewendet und so an die jeweilige Situation angepasst werden. Denkbar ist ein Erstellen der Liste in Einzelarbeit, gemeinsam im Plenum oder auch in konkurrierenden Gruppen in Form eines Spiels unter Zeitdruck. Als Moderator*in kann man außerdem die Ergebnisse auf bestimmte Wörter beschränken, etwa indem man nur bestimmte Wortarten zulässt (bspw. nur Adjektive, nur Verben, nur Substantive). Eine Stärke der Methode sind ihr unkomplizierter Charakter und ihre theoretisch universelle Anwendbarkeit auf jedes Thema. Sie ist einfach erklärt und kann trotzdem gute Ergebnisse erzielen. Ihr offener Charakter ist dabei auch eine Schwäche. Gerade wenn keine Einschränkung möglicher Antworten vorgenommen wird, rutschen die Ergebnisse schnell ins Beliebige ab. Die Qualität der Antworten kann somit sehr unterschiedlich sein. Vorbereitung Die Methode braucht wenig bis keine Vorbereitung. Falls gemeinsam gesammelt wird, hilft es, das Alphabet für alle sichtbar aufzuschreiben. Falls es nötig Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 81 erscheint, kann man als Moderator*in auch vorab mögliche Antworten vorbereiten, um bei fehlenden Ideen weiterhelfen zu können. Besonders bei schwierigen Buchstaben wie J, Y und X kann dies hilfreich sein. Beides ist jedoch nicht zwingend notwendig. Überlegen Sie: Welche Eigenschaften verbinden Sie mit Moderator*innen? Wie sollten gute Moderator*innen sein? Was müssen sie können? Legen Sie eine ABC-Liste an, indem Sie alle Buchstaben des Alphabets auflisten. Assoziationen ! A t aus B elbs un s C hode n D E F en Sie die Met G obier H 6B Pr I J K L M 82 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Assoziationen N O P Q R S T U 6B V W X Y Z Überlegen Sie sich nun zu jedem Buchstaben ein Adjektiv, das eine Eigenschaft guter Moderator*innen beschreibt. Sammeln Sie anschließend Ihre Ergebnisse im Plenum. → In Anhang 2 finden Sie eine Liste mit möglichen Ergebnissen, die von Germanistik-Studierenden im Rahmen eines Seminars gesammelt wurden. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 83 6.3 Moderationsmethode: Fischgrätendiagramm → Das vorgestellte Beispiel kann angewendet werden auf Baustein 3. Über die Methode Das Fischgrätendiagramm wird auch Ishikawa-Diagramm genannt, nach seinem Entwickler Kaoru Ishikawa. Es ist ein Diagramm, das die Ursachen eines Problems übersichtlich darstellt (Ursachen-Wirkungs-Diagramm). In Form eines Flussdiagramms werden dabei die Ursachen für ein Problem entlang eines Hauptasts sortiert. Rechts, an der Pfeilspitze, steht das Problem. An den abgehenden Ästen stehen die Ursachenkategorien. Im Original sind dies: Mensch, Maschine, Methode, Material. Man sollte diese Kategorien jedoch an die jeweilige Fragestellung anpassen. Alternativ kann man sie auch mit der Gruppe gemeinsam erarbeiten. Ziel der Methode ist es, die Ursachen eines festgestellten Problems zu finden und systematisch zu erfassen. Es steht nicht unbedingt eine Lösung im Vordergrund, sondern erst einmal eine Übersicht über die Ursachen, um an diesen später gezielt arbeiten zu können. Die Methode ist nur unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll. Um Ergebnisse zu erzielen, muss das Problem bekannt und für alle nachvollziehbar sein. Je klarer umrissen oder gar messbarer das Problem ist, desto besser. Die Methode eignet sich am besten für Probleme, die entweder in der Gruppe selbst bestehen oder der Gruppe aus eigener Erfahrung bekannt sind. So lassen sich am leichtesten eigene Ideen finden. Typischerweise wird die Methode für quantifizierbare Probleme verwendet, sie lässt sich aber auch auf andere Probleme übertragen. Zu Beginn wird das Schema vorgestellt und der Ablauf wird erklärt. Anschließend wird eine Kategorie nach der anderen durchleuchtet: Was sind Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 85 Ursachen für Probleme, die auf diese Kategorie zurückgehen? Was sind wiederum die Ursachen dieser Ursache? Als Moderator*in trägt man die Ergebnisse in das Diagramm ein. Anschließend können die Ursachen noch nach ihrer Relevanz sortiert werden. Abschließend kann ggf. aus den Ursachen eine Lösung entwickelt werden. Die Methode geht sehr systematisch an ein Problem heran und hat den Anspruch, die Ursachen vollständig zu erfassen. Sie eignet sich also gut dafür, Problemen auf den Grund zu gehen. Durch die Form des Diagramms bleibt die Sammlung dabei dennoch übersichtlich. Die Methode kann jedoch leicht ausufern. Gerade in diskussionsfreudigen Gruppen, die viele Ideen haben, muss man als Moderator*in sehr auf die Zeit achten und die Sammlung der Ideen ggf. abkürzen. Um Zeit zu sparen, kann man auch in Kleingruppen arbeiten, die jeweils zu einer Kategorie Ideen sammeln und ihre Ergebnisse anschließend präsentieren. Vorbereitung: ! Zeichnen Sie auf ein Flipchart oder an die Tafel t aus das leere Fischgrätendiagramm. Sie können das Problem und die Kategorien entweder direkt an die elbs Tafel schreiben oder sie separat auf Karten notieren un s und erst während der Aufgabe anheften. hode n en Sie die Met obier 6C Pr 86 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: 1. Stellen Sie nun das folgende Problem vor: In einem Seminar leiten Sie eine Diskussion zum Thema Studiengebühren. Die Teilnehmenden beteiligen sich jedoch kaum. Sie sagen von sich aus nichts und antworten bei direkten Ansprachen nur sehr kurz. 2. Erklären Sie nun das Ziel: Ihr Ziel ist es, mögliche Ursachen für das Problem zu finden und diese Ursachen möglichst genau zu untersuchen. 3. Präsentieren Sie das Verfahren, indem Sie das Diagramm vorstellen. Am Kopf des Fisches ist das Problem noch einmal notiert. 4. Bitten Sie die Teilnehmenden nun, Ideen für Ursachen innerhalb der ersten Kategorie zu nennen. Dabei können Sie entscheiden, ob Sie mit einer Abfrage auf Zuruf arbeiten oder die Teilnehmenden ihre Ideen auf Karten 6C notieren. Wenn Sie als Moderator*in selbst notieren, können sie einfacher lenken und sparen zudem häufig Zeit. 5. Bohren Sie nach. Fragen Sie nach weiteren Ursachen und nach Unterkategorien für die Ursachen. Wenn Sie merken, dass zu einer Ursache keine neuen Ideen kommen, springen Sie zur nächsten Kategorie. Behalten Sie dabei die Zeit im Auge! Manchmal ist es notwendig, einige Ideen ungesagt zu lassen, um alle Kategorien besprechen zu können. 6. Am Ende fassen Sie die Ergebnisse noch einmal zusammen und ordnen sie. 7. Optional: Sollten Sie genügend Zeit haben, können Sie sich nun gemeinsam noch einmal alle Ursachen ansehen und auf dieser Grundlage Lösungsstrategien erarbeiten. → In Anhang 3 finden Sie ein Tafelbild, das mögliche Ergebnisse der Aufgabe darstellt. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 87 6.4 Moderationsmethode: Kopfstandtechnik bzw. Paradoxe Abfrage → Das vorgestellte Beispiel kann angewendet werden auf Baustein 4. Über die Methode Wie der Name bereits sagt, geht es in der Kopfstandtechnik darum, dass man ein Problem ‚auf den Kopf stellt‘, es also verkehrt herum betrachtet. Man nimmt hierfür die Frage, die man lösen möchte, und verkehrt sie in ihr Gegenteil. Über diesen neuen Blickwinkel kann man leichter auf neue Ideen kommen. Besonders gut eignet sich die Methode für Fragen, deren Antworten den Teilnehmenden offensichtlich erscheinen, die sie vielleicht sogar langweilen. Ein Bespiel dazu ist eine Frage, die im Fremdsprachenunterricht oft gestellt wird: „Was hast du am Wochenende gemacht?“ Der eigentliche Inhalt der Antworten ist für die Lehrenden nicht so wichtig. Wichtiger ist in der Regel die Versprachlichung. Die Lernenden haben jedoch oft keine Lust, ausführlich auf die Frage zu antworten. Mit der an der Kopfstandtechnik orientierten Frage „Was hast du am Wochenende nicht gemacht?“ kommen Lernende viel leichter, viel spontaner und motivierter zu interessanten Antworten. Weitere Beispiele sind Fragen wie „Was ist zu viel Schokolade?“ oder „Wann langweilst du dich nicht?“. Die Durchführung gleicht einer einfachen Abfrage auf Zuruf oder anhand von Karten. Durch die besondere Form der Frage kann die Diskussion aber trotz dieser simplen Struktur sehr produktiv sein. Das Ziel ist es, am Ende möglichst viele kreative Antworten gesammelt zu haben. Eine Stärke dieser Methode ist der motivierende, sogar ein bisschen provozierende Charakter. Die entstehende Frage ist häufig absurd und lockert so die Stimmung. Die Teilnehmenden kommen so auf kreativere Antworten Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 89 als bei der umgekehrten, vorhersehbaren Frage. Allerdings geht man mit dieser Methode u. U. einen Umweg und braucht darum mehr Zeit für die Beantwortung der eigentlichen, nicht-paradoxen Frage. Diese Schwäche sollte man immer dann in Kauf nehmen, wenn man kreative und innovative Antworten auf eine Frage sammeln möchten, wenn man bei einer Frage in einer Sackgasse steckt und den Teilnehmenden keine Antworten einfallen, oder wenn nicht der Inhalt der Antworten im Fokus steht, sondern der Spaß am Sprechen selbst, wie es im oben genannten Beispiel der Fall ist. Vorbereitung Diese Methode kann ohne große Vorbereitung beginnen. Es kann jedoch hilfreich sein, die Leitfrage für alle Teilnehmenden sichtbar aufzuschreiben oder anders zu visualisieren (bspw. auf eine Leinwand projiziert oder auf ein Flipchart geschrieben). 90 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Zuerst stellen Sie der Gruppe die Aufgabe vor: „Sie sind Moderator*in einer halbstündigen Gruppendiskussion zum Thema Studiengebühren. Ihr Ziel ist es, dass in der Diskussion kein Ergebnis erreicht wird. Wie können Sie als Moderator*n Ihre Fragen so formulieren, dass die Teilnehmenden ! sich möglichst wenig beteiligen? Überlegen Sie sich t aus konkrete Fragen.“ elbs un s Anschließend sammeln Sie die Vorschläge der Teilnehmenden. Dafür können Sie die hode n Teilnehmenden bitten, ihre Ideen selbst et aufzuschreiben und vorzustellen. Oder Sie arbeiten mit Zurufen und schreiben selbst mit. Im zweiten Fall können Sie als Moderator*in die Diskussion en Sie die M einfacher steuern. Sie sparen außerdem Zeit, da Sie die Antworten schon in der Sammelphase sortieren obier und gruppieren können. 6D Pr Im nächsten Schritt bitten Sie die Teilnehmenden darum, die Fragen so umzuformulieren, dass längere Antworten provoziert wird. Auch diese neuen Fragen können Sie an der Tafel oder auf Karten festhalten. Aus den Beispielfragen können Sie nun allgemeine Regeln für die Formulierung guter Fragen ableiten. → In Anhang 4 finden Sie ein Tafelbild, das mögliche Ergebnisse der Aufgabe darstellt. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 91 6.5 Moderationsmethode: Die sechs Denkhüte (nach Edward de Bono) → Das vorgestellte Beispiel kann angewendet werden auf Baustein 5. Über die Methode Die sechs Denkhüte wurden als Trainingsmodell von Edward de Bono (1987) entwickelt. Es handelt sich dabei um eine Kreativitätstechnik, die dazu dienen soll, eine Fragestellung systematisch aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten. Das Ziel ist es, ein Thema strukturiert und systematisch von unterschiedlichen Seiten zu betrachten und Ideen zu generieren. Hierfür wird eine Fragestellung schrittweise aus sechs Richtungen betrachtet, die anhand von sechs Hüten dargestellt sind. Diese Hüte werden metaphorisch (oder auch ganz praktisch, wenn es sich um eine spielerischere Situation handelt) aufgesetzt. Folgende Hüte benennt de Bono: • Der weiße Hut sammelt die Fakten. Hierunter wird das Vorwissen über das Thema im Allgemeinen gesammelt. Dabei sollen noch keine Bewertungen vorgenommen werden. Es geht vielmehr um eine Sammlung allgemeiner Grundlagen. • Der rote Hut sammelt die spontanen Emotionen zur Fragestellung. Es soll jedoch noch nicht begründet oder argumentiert werden. Vielmehr kommt hier das Bauchgefühl zum Einsatz. • Der gelbe Hut betrachtet die Vorteile der Fragestellung. Er verkörpert die optimistische Sicht der Dinge. Hier genügt nicht mehr allein das Bauchgefühl, sondern es wird für die Vorteile argumentiert und die Argumente werden begründet. • Der schwarze Hut ist der Gegenspieler des gelben Huts. Er sammelt die Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 93 Nachteile und Fallstricke, argumentiert also, was gegen die Fragestellung spricht. • Der grüne Hut ist der Idealist. Er versammelt Alternativen zur ursprünglichen Fragestellung, die die Nachteile ausgleichen und eine optimale Lösung darstellen. • Der blaue Hut begibt sich auf die Metaebene. Er fasst die Ergebnisse der Diskussion zusammen und ordnet das Gesagte ein. Gerade bei langen und unübersichtlichen Diskussionen ist es ratsam, dass der Moderator bzw. die Moderatorin dieses Fazit zieht. Aber auch die Teilnehmenden können anhand dieses Hutes die Ergebnisse einordnen. Üblicherweise startet man mit dem weißen und roten Hut und schließt mit dem blauen. Dies ist jedoch nicht zwingend. Für jedes Thema bietet sich eine andere Reihenfolge an. Es ist auch möglich, zwischen den Hüten zu wechseln, zu einem Hut zurückzukehren oder die Hüte unter den Teilnehmenden aufzuteilen, so dass jede*r Teilnehmende einen anderen Hut vertritt. Der genaue Ablauf hängt auch hier wieder von der konkreten Moderationssituation ab. Die Methode gibt sowohl Moderator*innen als auch Teilnehmenden eine sehr klare Struktur, an der man sich orientieren kann. Diese Stärke minimiert Abschweifungen und Konflikte aufgrund widersprüchlicher Standpunkte. Gleichzeitig werden die Teilnehmenden dazu angehalten, wirklich alle Perspektiven miteinzubeziehen und aus unterschiedlichen Richtungen auf eine Frage zu blicken. So können neue Ideen generiert werden. Allerdings ist die Methode relativ zeitaufwendig. Wenn man jeden Hut berücksichtigen möchte, kann das sehr lange dauern. Außerdem muss man als Moderator*in recht geübt sein, um die Methode sicher anzuwenden. Es ist nicht immer einfach, die Wortbeiträge der Teilnehmenden einzuordnen und durchzusetzen, dass nur der jeweilige Hut behandelt wird. Vorbereitung Im Vorhinein sollten die genaue Formulierung der Fragestellung und die Reihenfolge der Hüte festgelegt werden. Je nach Thema ist vor allem die Reihenfolge von gelbem und schwarzem Hut entscheidend. Zu manchen 94 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Themen fallen leichter Nachteile ein, zu anderen eher Vorteile. Manchmal beeinflussen die Antworten sich auch gegenseitig. Man sollte sich außerdem vorab schon entscheiden, wie man mit Abschweifungen umgeht. Als Moderator*in hat man es in der Hand, ob man einen Wechsel zwischen den Hüten erlaubt oder streng am geplanten Ablauf festhält. Man sollte nicht davor zurückschrecken, während der Moderation spontan zu reagieren und ggf. den Plan zu ändern, falls dies der Diskussion zuträglich ist. Variation: SOFT-Analyse Als eine weniger komplexe Variante dieser Methode kann die sogenannte SOFT-Analyse genutzt werden. Wie bei den sechs Denkhüten wird auch hier eine Fragestellung systematisch aus unterschiedlichen Richtungen betrachtet. Das Akronym SOFT steht dabei für die vier Kategorien, nach denen vorgegangen wird. Dies sind die englischen Begriffe strengths bzw. satisfactions, opportunities, faults und threats. Nacheinander werden so gegenwärtige sowie zukünftige Vor- und Nachteile betrachtet. Während unter satisfactions und faults die gegenwärtigen Faktoren zusammengefasst werden, betrachten opportunities und threats zukünftige Chancen und Fallstricke. Die Ergebnisse können anhand einer Tabelle festgehalten werden. Diese Methode ist weniger zeitaufwendig und einfacher zu erklären als die Denkhüte. Allerdings sind auch die Ergebnisse weniger komplex. ! Schreiben Sie die folgende Aussage an die Tafel oder t aus an ein Flipchart. „Als Vorbereitung für eine Moderation sollte man als un selbs Moderator*in möglichst wortwörtlich seinen Text vorbereiten und auswendig lernen.“ hode net Nun erklären Sie den Teilnehmenden die Methode der sechs Denkhüte. Bitten Sie sie, nacheinander anhand der folgenden Fragen die Hüte aufzusetzen. • Der weiße Hut: Was wissen Sie bereits über en Sie die M Moderation? Welche Fakten fallen Ihnen obier zum Stichwort Auswendiglernen bzw. zum Stichwort Moderationsvorbereitung ein? 6E Pr Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 95 • Der rote Hut: Was sagt Ihr Bauchgefühl zu der Frage? Was ist Ihre spontane Emotion? • Der gelbe Hut: Welche Vorteile kann das Auswendiglernen haben? Worin hilft das Auswendiglernen Ihnen vor bzw. während der Moderation? • Der schwarze Hut: Welche Nachteile kann das Auswendiglernen haben? Welche Gefahren entstehen, wenn Sie Ihren Text auswendig können? • Der grüne Hut: Fallen Ihnen Alternativen 6E zum Auswendiglernen ein? Gibt es einen Mittelweg oder eine bessere Lösung? Werden Sie kreativ! • Der blaue Hut: Hier können Sie die Teilnehmenden bitten, die zentralen Ergebnisse zusammenzufassen, oder Sie können als Moderator*in selbst aktiv werden. Gerade bei langen und unübersichtlichen Diskussionen ist es ratsam, ein Fazit aus der Moderator*innenperspektive zu ziehen und die zentralen Ergebnisse noch einmal → In Anhang 5 finden Sie eine Übersicht über mögliche Ergebnisse der Aufgabe. 96 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Literaturverzeichnis Beermann, S. & Schubach M. (2013): Workshops. Vorbereiten, durchführen, nachbereiten. 2. Auflage. Freiburg: Haufe. Bischof, A.; Bischof, K.; Edmüller A. & Wilhelm, T. (2012): Meetings planen und moderieren. Freiburg: Haufe. De Bono, E. (1987): Das Sechsfarben-Denken. Ein neues Trainingsmodell. Econ. Doran, G.T. (1981): There’s a S.M.A.R.T. way to write management’s goals and objectives. Management Review, 70. Jg., Nr. 11, S. 35–36. Erpenbeck, J. & von Rosenstiel L. (2003). Einführung. In: Erpenbeck, J. u.a. Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart: Schäfer-Poeschel Verlag. S. IX-XXXII. Klupp, A. (1992): Planen – Managen – Trainieren: Zwanzig Bausteine erfolgreicher Erwachsenenbildung. Soziale Arbeit in der Wende, Band 10. München: ZIEL. Lauff, W. (2019): Perfekt schreiben, reden, moderieren, präsentieren. Die Toolbox mit 100 Anleitungen für alle beruflichen Herausforderungen. 2. aktualisierte und ergänzte Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag. Seifert, J.W. (2015): Besprechungen erfolgreich moderieren. Kommunikationstechniken für Leiter und Teilnehmer. 15. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Offenbach: Gabal. Seifert, J.W. & Kerschbaumer, B. (2011): 30 Minuten Online-Moderation. 2. überarbeitete Auflage. Offenbach: Gabal. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 97 Sperling, J.B. & Wasseveld-Reinhold, J. (2011): Moderation. Effiziente Besprechungen und Projektmeetings. Freiburg: Haufe. Stanek, W. & Mayer, L. (2011): Kommunikation, Rhetorik, Präsentation. Linz: Trauner Verlag. Steffens, B. (2016): Meetings – Das überfällige Praxishandbuch. Lösungen für erfolgreiche Besprechungen. Weinheim: Wiley. Tirok, M. (2013): Moderieren. Praktischer Journalismus Band 94. Konstanz, München: UVK. Weinert, E. F. (2001b). Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Weinert, E. Franz. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim: Beltz. S. 17-31. Internetquellen: Gabler Wirtschaftslexikon: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/ moderation-38919/version-262340 (erreichbar am 1.12.2020). Handbuch PersonalEntwickeln: https://www.personalwirtschaft.de/produkte/ hr-lexikon/detail/moderation.html (erreichbar am 1.12.2020). 98 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Anhang Anhang 1: Moderationsmethode: Die Punktabfrage Im Folgenden sind die Ergebnisse einer Punktabfrage aus einem Seminar dargestellt. Die Seminarteilnehmenden sollten darüber nachdenken, wir ihr Deutschunterricht differenziert wurde. Anschließend sollten Sie sich mit einer der untenstehenden Aussagen identifizieren. Sie hatten zwei Punkte zu vergeben, die auf eine oder zwei Aussagen verteilt werden konnten. „Ich kann mich nicht „Wir haben manchmal in „Ich konnte Deutsch daran erinnern, dass meine zwei oder drei verschiedenen und wurde dann immer Deutschlehrerin den Gruppen gearbeitet, die „irgendwie beschäftigt“, um Unterricht je differenziert Besten zusammen, die nicht zu stören.” hätte.“ Schlechtesten auch.“ „Ich musste immer mehr „Sei still, du kannst das!“, „Ich war gut in Deutsch Aufgaben lösen, immer wurde mir oft gesagt. und so musste ich immer längere Texte schreiben als mit einem Schüler, der andere, aber letztendlich keine Ahnung hatte, hatten ich und auch einige zusammensitzen, ihm was andere eine Fünf in erklären, ihm helfen, oft auch Deutsch.“ die Aufgaben lösen, weil es so halt einfacher war.“ Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 99 Anhang 2: Moderationsmethode: Die ABC-Methode Das ABC der Moderation A Antwort, Angst, Autonomie, Augenblick B Begrüßung, Bewertung, Begeisterung, beantworten C Checkliste, Chance, cool, Chemie stimmt (nicht) D Durchblick, direkt, Diskussion, Debatte, dynamisch, denken E Empathie, Entscheidungsfrage, Ehrgeiz, erkennen, Eigenschaft F Flipchart, frei sprechen, Freude, Fantasie, Fiktion G Genauigkeit, Gleichwertigkeit, Gespräch, Gefahr, Gegenstand H Horizont, Handout, Hand heben, Herausforderungen, Herz, Hintergrund I Idee, interessant, Internet J jubeln, Ja/Nein-Fragen K Kompetenz, Kreativität, Kultur, Klassenzimmer, Karten legen L Lampenfieber, langweilig, Lust, Lernen, Lachen M Methode, Motivation, Musik N Neugierde, nicht vorbereitet sein, Not, Nerven O Ohnmacht, offene Fragen, organisiert, Ort P PowerPoint, Präsentation, praktisch, Plan B, Partnerarbeit, Plakat Q Qualität, Quelle, Quiz, Qual R Rampenlicht, radikal, Routine, Respekt, Ruhe im Saal S spontan, Spaß, Stress, Selbstbewusstsein, sprechen, Sinne T Teilnehmende, Tempo, Technik, Team, Test U unvorbereitet, Unglück, Uhr, Unterhaltung, Universität, Unklarheit, unparteiisch V Verabschiedung, Verantwortung, Vorbereitung, Verlegenheit, Vernunft W Wunsch, Widerstand, Wortmeldung, Witz, Worte, Werte, Wissen X Y YouTube Z Zeitplan, zentral, Zerstreutheit, Zeit 100 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Anhang 3: Moderationsmethode: Fischgrätendiagramm e m de enmeigsa hw lneh an Sc Tei regen zumcht orten w Fragen ni Ant liche zur gen ng pe ra gen F ra rung /falsche ie rsicht telung/ äru hlechte up F iche rs sc Gr übe ende Da Erkl Beziehung sene tändl os Visualis un fehl chl unvers ges in ode ch tor* Meth it lima ind no odera nk M n nde s bere er - cht ruppe Angst ehl öhnt ni G onen len es or F gew lnehme ht ussi /feh Tei ec st v cht Einstieg Disk ni schl Ang n der er falscher ht a en de hem z schüc ung T en es m ng di schat sant ort lneh es issen enbe ende Tei tion er tion r W s W ra er t nt Rahm t / fehl nt t- tiva nk uni ne ende ende Zei gkei kei Mo falsch pu fehl fehl üdi Konze de ne M enm kei ort lneh issen tw Tei w An Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 101 Anhang 4: Moderationsmethode: Kopfstandtechnik bzw. Paradoxe Abfrage Wie bekomme ich möglichst wenige und kurz F e Ant ormulier wor en Sie mög ten? liche Fragen zum Thema Studiengebühren. Sind wir uns alle einig, dass Der Ertrag einer Studiengebühren Investition im sinnvoll sind? Bildungskontext ist elation zu immer in R Sie finden erbundenen Studienge den damit v bühren schlecht, oder? Opportunitätskosten zu betrachten. Was denken Sie dazu? Möchte noch jemand etwas zum Thema sagen? Sind Kennt sich Studiengebühren jemand mit dem schlecht? Thema aus und möchte etwas sagen? Wie stehen Sie zum Thema Studiengebühren? Bitte begründen Sie Ihre Ist es nicht Meinung und geben so, dass wir Sie uns mindestens ein Studiengebühren Beispiel. abschaffen sollten? 102 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Anhang 5: Moderationsmethode: Die sechs Denkhüte (nach Edward de Bono) Der weiße Hut: Fakten • Eine Moderation muss gut vorbereitet sein. • Man muss als Moderator*in wissen, was man sagen wird. • Auswendiglernen dauert lange und klappt nicht immer gut. Der rote Hut: Bauchgefühl • Auswendiglernen gibt Sicherheit. • Auswendiglernen ist (zeit-)aufwendig. • Ich würde mich besser fühlen, wenn ich den Text auswendig könnte. • Ich wäre nervös, weil ich Angst hätte, den Text zu vergessen. Der gelbe Hut: Vorteile • Auswendiglernen gibt Sicherheit, man fühlt sich vorher ruhiger. • Es kann weniger schiefgehen. Man weiß genauer, was man sagen wird. • Man kann besser einschätzen, wie viel Zeit man brauchen wird. • Man kann vorher schon die besten Formulierungen finden. Dadurch wird das Gesagte verständlicher und schöner formuliert. Der schwarze Hut: Nachteile • Wenn man den Text vergisst, hat man ein Problem. Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 103 • Die Zuhörer*innen merken, dass der Text auswendig gelernt ist. Das macht keinen guten Eindruck. • Auswendiges Vortragen klingt schnell langweilig und monoton. • Man kann nicht alles auswendig lernen. Es kann immer etwas passieren, auf das man nicht vorbereitet war. Der grüne Hut: Alternativen • Man kann sich seinen Text in Stichpunkten notieren und einige Male laut vortragen, um zu üben, was man sagen wird. • Man kann bestimmte Floskeln, z. B. für die Begrüßung und Verabschiedung, auswendig lernen, die man dann in unterschiedlicher Reihenfolge anwenden kann. • Man kann sich besonders schwierige Stellen, an denen die Formulierung sehr wichtig ist, aufschreiben (z. B. bei Aufgabenstellungen oder bei Lebensläufen von Gästen). Wenn man dann stockt, kann man sie ablesen. Der blaue Hut: Zusammenfassung • [Hier fassen Sie die Ergebnisse der Diskussion zusammen.] 104 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende Saša Jazbec, Judith Hansmeier Zusammenfassung Um effektive Kommunikationsprozesse gestalten und erfolgreich Gespräche führen zu können, braucht man eine intensive inhaltliche, organisatorische und (fremd-)sprachliche Vorbereitung, deren Ziel es ist, sich spezifisches Wissen und relevante Fertigkeiten anzueignen. Das Anliegen dieses Werkes ist es explizit nicht, professionelle Moderator*innen auszubilden, sondern Studierende dazu zu befähigen, an zwischenmenschlicher Interaktion effektiver teilnehmen zu können. Sie sollen in der Lage sein, Gespräche reibungslos, zielorientiert und kompetent auszuführen und Interaktionsprozesse kritisch zu reflektieren. Die vorgestellten Theorien und Konzepte sind dabei auf unterschiedliche Kontexte im universitären, wissenschaftlichen, beruflichen, aber auch privaten Kontext anwendbar. Als Grundlage wird auf grundlegende theoretische Aspekte der speziellen Art der Kommunikation, der Moderation, eingegangen. Zusätzlich werden konkrete Tools und Methoden bearbeitet, praktisch ausprobiert und reflektiert, mit denen man die Moderationskompetenz ausbauen kann. Schlüsselwörter: • Moderation • Kommunikation • Methoden • Studierende • Gespräche führen Über die Autorinnen: Saša Jazbec, Universität Maribor, Philosophische Fakultät, Maribor, Slowenien, E-Mail: sasa.jazbec@um.si Judith Hansmeier, im Studienjahr 2020/21 als DAAD-Sprachassistentin tätig an der Universität Maribor, Philosophische Fakultät, Maribor, Slowenien, E-Mail: judithhansmeier@gmail.com Grundlagen der Moderation für (Germanistik-)Studierende 105 106 Kommunikationsprozesse effektiv und geplant leiten: