Dr. Renate Seebauer Discussions on school reform - a long way to the unification of schools for 10 to 14-year-olds Review of a scientific article UDK: 37.014.3(436) ABSTRACT The beginning of the article presents a retrospect of the discussion of unifying schools in Austria with arguments for and against them. In the 2008/09 school year a few selected Austrian regions started experimental school models in an attempt to unify their school system at the level often to fourteen-year-old pupils. More schools will start similar experiments a year later. Particularism - mainly politically motivated - has become evident: Nine regions, nine concepts. The fact that a new school organization will need teachers that have been educated in line with the new pedagogical concepts has been discussed sporadically. It remains neglected, however, in the overall concept of educational reform - at least in current public discussions. Key words: school reform in Austria, unified schools, higher level, school for ten to fourteen-year-old pupils Pogovori o šolski reformi - dolga pot k enotni šoli za deset- do štirinajstletnike Pregledni znanstveni članek UDK: 37.014.3(436) POVZETEK Izhajajoč iz preteklih razprav o skupnem šolstvu v Avstriji, bodo predstavljeni njihovi argumenti za in proti. Nekatere zvezne dežele so začele svoje modelne preizkuse o enotni šoli za deset- do štirinajstletnike v šolskem letu 2008/09, druge pa leto pozneje. Evidenten je partikularizem, ki je pretežno politično motiviran: devet zveznih dežel - devet konceptov. Dejstvo, da nova organizacija šolstva z novim pedagoškim konceptom zahteva ustrezno izobražene učitelje, je sicer sporadično obravnavano, vendar je iz celotnega koncepta izobraževalne reforme - vsaj v zdajšnjih javnih razpravah - izostalo. Ključne besede: šolska reforma v Avstriji, skupna šola, višja stopnja, šola za deset-do štirinajstletnike Die Gesamtschuldiskussion in Österreich ist nichts Neues Konsultiert man die offizielle Website des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, dann findet sich vieles, was unter dem Begriff "Zukunftsorientierung" subsummiert werden kann: u.a. Intensivierung der Begabtenförderung, Weiterführung des Projekts "Kleinere Klassen", Ausweitung des Kleingruppenunterrichts, insbesondere in berufsbildenden Schulen, Verstärkte individuelle Förderung in der Volksschule, Erarbeitung gesetzlicher Grundlagen zur Integration von Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, Ausbau der Ausbildungsplätze an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, Umsetzung des Förderprogramms "Berufsmatura: Lehre mit Reifeprüfung", Einführung der standardisierten Matura in ganz Österreich ... Der Reform der Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen - auf Grund der nur mittelmäßigen Ergebnisse Österreichs bei der PISA-Studie wieder einmal ins Rollen gebracht - wird zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrags zweifelsohne die größte Aufmerksamkeit gewidmet (Herbst 2009). Fragen der Gesamtschule lassen sich i.w.S. bereits bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen - zunächst mit dem Ziel der immer stärkeren Differenzierung des Bildungswesens Einhalt zu gebieten. Durch Zusammenlegung der Unterstufe des Gymnasiums und der Realschule tritt sie als "partielle Einheitsmittelschule" bereits 1864 vereinzelt in Erscheinung und wird 1908 durch Koppelung der humanistischen mit den realistischen Lehrplananforderungen als zusätzlicher Schultyp (Realgymnasium) eingeführt. Im engeren Sinne - und darum geht es in der Folge - bildet die Gesamtschuldiskussion das Kernstück des sozialdemokratischen Schulerneuerungsprogramms von Otto Glöckel (Leitsätze, 1919/20), das eine gemeinsame Schule (Allgemeine Mittelschule) für alle Zehn- bis Vierzehnjährigen vorsah sowie eine Ausbildung von Lehrer/-inne/-n auf universitärem Niveau. Richtschnur für die Reform der Lehrer/-innenbildung war einerseits mehr Wissenschaftlichkeit für die Volksschullehrer/-innen, andererseits mehr Pädagogik für die Lehrer/-innen der Mittelschulen. Die Studiendauer hätte für Volksschullehrer/-innen vier Semester, für Lehrer/-innen anderer Schulgattungen zehn Semester betragen. Im neu gegründeten Pädagogischen Institut der Stadt Wien wurden im Wintersemester 1925/26 mit 126 Studierenden die neu geschaffenen hochschulmäßigen Kurse der Lehrer/-innenbildung' aufgenommen. Führende Persönlichkeiten der Universität Wien wurden für die Lehrtätigkeit gewonnen, u.a. Karl und Charlotte Bühler, Alfred Adler, Wilhelm Jerusalem, Hans Kelsen, Max Adler, Eduard Castle... (vgl. Seebauer 1993). Das Schulmodell wurde zwischen 1922 und 1927 hinsichtlich der Organisation und des Lehrplans in Wien erprobt. Die Schüler/-innen wurden von der 5. bis 8. Schulstufe - je nach Leistungsfähigkeit - in einen Klassenzug I oder II mit 1 Die hochschulmäßigen Lehrer/innenbildungskurse wurden bis 1930 geführt. Von den ursprünglich 327 inskribierten Studierenden traten 299 zu den Schlussprüfungen an. unterschiedlichem Anspruchsniveau eingestuft; im Ersten Klassenzug waren auf der 7. und 8. Schulstufe weitere Differenzierungsmaßnahmen vorgesehen. Die Struktur der Allgemeinen Mittelschule wurde weitgehend von der 1927 geschaffenen Hauptschule übernommen; daneben blieb jedoch die "Mittelschule" als gymnasiale Unterstufe bestehen (Haupt- und Mittelschulgesetz 1927). Erst im Jahr 1971 wurden Schulversuche zu einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen - vor allem als Integrierte Gesamtschule, in der Hauptschul- und Gymnasiallehrer/-innen gemeinsam unterrichteten - wieder aufgenommen (vgl. Seebauer 1984, 1993). Wie schon 1927 waren diese "Gesamtschul versuche" auch in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts ein Politikum und bildeten einen der Hauptstreitpunkte in der Bildungspolitik zwischen dem sozialdemokratischen und dem bürgerlichen Lager, sodass 1982 die Struktur der Gesamtschule (3 Leistungsgruppen auf verschieden hohem Niveau in Deutsch, Englisch und Mathematik; Stütz- und Förderkurse) lediglich für die Hauptschule verpflichtend eingeführt wurde (Reform ab 1985, "Neue Hauptschule"). Die Unterstufe der Allgemein bildenden höheren Schulen ("Gymnasien") war von dieser Reform nicht tangiert. Bestehen blieben wieder zwei getrennte Schultypen für die Zehn- bis Vierzehnjährigen: die sog. "Neue Hauptschule" und die Unterstufe der Allgemein bildenden höheren Schule. Bestehen blieben aber auch zwei getrennte Ausbildungssysteme der Lehrer/-innen für die betreffenden Schulen: Zukünftige Hauptschullehrer/-innen studierten sechs Semester an Pädagogischen Akademien; zukünftige Lehrer/-innen an Allgemein bildenden höheren Schulen studierten neun Semester an Universitäten. Die Lehrpläne für beide Schulgattungen der Zehn- bis Vierzehnjährigen waren weitestgehend ident, die Schulbücher hatten die Approbation für beide Schulgattungen, lediglich die Lehrer/-innen wurden in unterschiedlichen Institutionen ausgebildet. Gesamtschule pro und contra Im letzten Jahr wurde wiederum - teilweise sehr unsachlich - über das Thema Gesamtschule diskutiert. Nicht immer entsprachen alle Argumenteden Tatsachen-nicht immer waren alle Thesen dazu schlüssig. Inden meisten Fällen blieben Fragen der Ausbildung von Lehrer/-inne/-n von den Diskussionen ausgenommen. Gesamtschulbefiirworter/-innen verweisen auf zahlreiche -vorwiegend sozio-ökonomische - Fakten Faktum ist, dass • Österreich eines der wenigen Länder in Europa ist, in dem die Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen in zwei unterschiedliche Schultypen (Allgemein bildende höhere Schule, oft "Gymnasium" genannt, Hauptschule) gegliedert ist; • Österreich eines der Länder ist, das die Selektion in die beiden Schultypen am frühesten - de facto mit 9,5 Jahren - vornimmt; • der sozio-ökonomische Status der Eltern einen starken Einfluss auf den Bildungsweg des Kinder nimmt: 71 % der Kinder in Armut besuchen die Hauptschule; 29% das Gymnasium (vgl. Armutsbericht der Statistik Austria); weitere Einflussfaktoren auf den Bildungsweg sind: Nationalität, Muttersprache, Geschlecht des Kindes, Bildungsstatus der Eltern und Wohnort; • Österreich eines der wenigen Länder ist, das unterschiedliche und wenig kompatible Systeme der Ausbildung von Lehrer/-inne/-n aufweist. Die Anrechnung eines PH- (PA-) Studiums auf eine Universitätsstudium ist de iure möglich - jedoch häufig Ermessenssache. Die unterschiedlichen Ausbildungssysteme haben unterschiedliche Dienstgeber (Land vs. Bund) im Gefolge, ferner ein unterschiedliches Dienstrecht und andere Gehaltsschemata. Der längst fällige, international weithin vollzogene Jahrhundertschritt in der Entwicklung der Lehrer/-innenbildung bestünde in der für beide Seiten gewinnbringenden Integration der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten. • österreichweit 50 % - in manchen Bundesländern sogar 70 % - aller Matu-rant/-inne/-n über die Hauptschule und nicht über eine AHS-Unterstufe zur Matura kommen. Die Lehrpläne von AHS-Unterstufe und Hauptschule sind wortident. • ein Schulsystem mit früher Selektion keine besseren Leistungen als die Gesamtschule bringt. Keine Studie belegt, dass österreichische AHS-Abgänger/-innen klüger, gebildeter oder wissensdurstiger wären als finnische oder britische Gesamtschulabgänger. Längst ist bekannt, dass es Formen der Leistungsdifferenzierung gibt, die es Kindern unterschiedlicher Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ermöglicht, im Rahmen einer gesamtschulmäßig organisierten Sekundarstufe I entsprechend gefördert werden. • für viele Schüler/-innen ist die Absolvierung einer AHS nur mit intensiver Unterstützung durch die Eltern oder Nachhilfelehrer/-innen möglich; Österreichs Eltern geben jährlich 140 Mill. Euro für Nachhilfe aus (vgl. AK-Studie). • Einsparungen im vergangenen Jahrzehnt haben die Probleme auf der Sekundarstufe I verschärft: verschlechterte Arbeitsbedingungen für Lehrer/-innen und Schü-ler/-innen auf Grund von Stundenkürzungen, gestrichene Stütz-, Förder- und Integrationsmaßnahmen, große Klassen, ... - ungewisse Zukunftsaussichten, Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung ... - Basiswissen und Grundkompetenzen für alle werden nicht mehr ausreichend vermittelt (OECD-, PISA-Studien) -zunehmende Überforderung von Lehrer/-inne/-n (Burnout und Frühpensionierungen trotz Abschlägen als Symptom). Gesamtschulgegner/-innen legen den Schwerpunkt der Reformen auf Qualitätssicherung Seit den frühen 90er-Jahren haben zahlreiche Bildungsexperten über Konzepte zur Verbesserung von Schulqualität nachgedacht und diese Konzepte wissenschaftlich fundiert. Ein "Weißbuch" des Ministeriums (Weißbuch - Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im österreichischen Schulsystem) hat sie in eine praxisnahe Sprache gebracht. Experten- und Praktikergruppen haben Detailkonzepte erarbeitet: • zur Umsetzung des Schulprogramms als pädagogisches Steuerungsinstrument, • zur Unterstützung der Qualitätsentwicklung am Schulstandort (vgl.:), • zur Orientierung von Unterricht und Systemsteuerung an Bildungsstandards, • für den Aufbau kontinuierlicher Systembeobachtung und Bildungsberichterstattung sowie • zur Nutzung von Wissenschaft und Forschung als unterstützende Ressource. • Gesamtschulkritiker/-gegner legen das Schwergewicht ihrer Vorschläge auf Qua-litäts-sicherung, nicht hingegen auf Systemumbau; sie sehen in der "Gesamtschule" kein pädagogisches Programm, sondern eine institutionelle Struktur, innerhalb derer sich zwar manche Probleme unseres Bildungswesens besser lösen ließen - aber eben nur dann, wenn es dafür einen Grundkonsens gibt und wenn elementare Voraussetzungen vorhanden wären. Gesamtschulkritiker sehen in der Gesamtschule durchaus auch Vorteile: • Die Reduktion sozialer Benachteiligungen, indem die Entscheidung über die Bildungslauf-bahnen der Kinder nach hinten verlagert wird und von Fähigkeiten, Interessen und schulischen Leistungen der Schüler, nicht aber von den (herkunftsbedingten) Wünschen der Eltern bestimmt wird. • Die Veränderung tradierter Formen des Unterrichtens, da Heterogenität neues Lehren und Lernen erfordert, das sich stärker an der Förderung des einzelnen Kindes orientiert. • Die Überwindung der Vereinzelung des Lehrerdaseins, da unterschiedliche Lern-voraus-setzungen Teamarbeit, Kooperation und geteilte Verantwortung für die Lehr-und Lernprozesse erfordern. Im Kontext der Gesamtschuldiskussion fordert Specht (2005) "Evolution" statt "Revolution". Eine Gesamtschule müsste demnach "eine Schule für alle Kinder sein. Nur echte Heterogenität (unter weitestmöglichem Einschluss von behinderten und beeinträchtigten Schülern) könnte diese Vorteile freisetzen. Das aber würde heißen: Verzicht auf die,Autonomie' der Schulträger, Ausleseschulen und integrative Schulen nebeneinander zu führen." Specht übt ferner Kritik an "heterogenen Schulhäusern": Nur heterogene Lerngruppen stimulieren neues Lehren und Lernen, fördern den Blick auf den einzelnen Schüler, erfordern die Zusammenarbeit unterschiedlicher Lehrkräfte. ... Gesamtschulen mit weit reichenden äußeren Diffe- renzierungs-systemen können gnadenlosere Selektionsmaschinen sein als jedes gegliederte Schulsystem." Nach Specht fehlen die "Voraussetzungen nicht einfach deswegen, weil ,die Konservativen' auf ihren Elitebildungskonzepten beharren, sondern, in zumindest gleichem Maße, • weil sich auch progressive' Bildungsdenker bei allen Lippenbekenntnissen schwer tun mit dem Gedanken, ihre eigenen Kinder gemeinsam mit Kindern von Sandlern, Junkies und Hilfsarbeitern unterrichten zu lassen; • weil die Fantasie der meisten Lehrer/innen -gleich welcher politischen Couleur-nicht für die Vorstellung ausreicht, Hochbegabte im Beisein von behinderten, demotivierten und schwächer Begabten angemessen zu fördern; • weil das Ausleseprinzip, wenn nicht in den Herzen, so doch in den Köpfen der allermeisten Pädagogen fest verankert ist" (Specht 2005). Modellversuche zur Neuen Mittelschule stellen Individualisierung und Differenzierung in den Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit Ziel der Modellversuche ist eine grundsätzliche pädagogische und organisatorische Neugestaltung des gemeinsamen Lernens der 10- bis 14-Jährigen. Die Modellversuche Neue Mittelschule werden auf Vorschlag des Landesschul-rats in sog. "ModelIregionen" eingerichtet, der einen Modellplan mit den Betroffenen und den Expertinnen des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur erarbeitet, der vom Bundesministerium genehmigt wird. Die wissenschaftliche Begleitung übernimmt das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE) unter Berücksichtigung der Berichte der Expert/-inn/-enkommission. Die Phase der Arbeit in den Modellversuchen umfasst vier Jahre, also jeweils einen Schülerjahrgang von der 5. bis zur 8. Schulstufe. Forderung und Förderung gelten als die wesentlichen Säulen der Modellversuche. Für die Modellversuche der Neuen Mittelschule gilt der Lehrplan der AHS-Unterstufe. Individualisierung ermöglicht das Eingehen auf die Einzigartigkeit der Schüler/-innen, auf die Vielfalt von Begabungen und Interessen. Differenzierung ermöglicht die unterschiedliche Förderung unterschiedlicher Fähigkeiten: • Unterricht erfolgt in heterogenen Gruppen und in flexiblen Kleingruppen. • Inhalte werden - im Sinne des forschenden Lernens - themenzentriert von den Schüler/-inne/-n selbst erarbeitet. • Themen werden fächerübergreifend, projektorientiert und in offenen Lernformen erarbeitet. Das Thema "Wasser" kann beispielsweise in Geografie, Biologie, Physik, Deutsch, Sport und Musik etc. behandelt werden. • Die Fortsetzung der schulischen Förderung erfolgt auch am Nachmittag (ganztägige Betreuungsformen). • Ein umfassendes Bewegungsangebot - auch an den Nachmittagen - ist Teil des pädagogischen Konzepts der Modellversuche Neue Mittelschule. • Kunst- und Kulturprojekte sind wichtiger Bestandteil der Unterrichtsarbeit (Theater, Tanz, Musik, Malen ...). • Die Modellversuche Neue Mittelschule fördern die Integration/Inklusion und dienen dem Ausgleich sozialer Ungleichheiten. • Schulen sind grundsätzlich zu Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit verpflichtet. Mädchen und Buben sollen ohne Vorurteile die gleichen Chancen im Unterricht haben. • Die Schultore der Modellversuche Neue Mittelschule sind "weit offen", auch für Gäste aus unterschiedlichen Berufsbereichen. Im Rahmen des Lehrplans des Realgymnasiums (AHS-Unterstufe) bilden die sog. "Unterrichts-prinzipien" die zentralen Grundlagen der Unterrichtsarbeit: • Individualisierung und innere Differenzierung • E-Learning - zur Unterstützung der Individualisierung und inneren Differenzierung des Unterrichts. • Gender-Kompetenz und Geschlechtergerechtigkeit - mit dem Ziel der Erweiterung der - häufig durch geschlechtsspezifische Rollenbilder eingeschränkten -Handlungsoptionen der Geschlechter. • Kunst- und Kulturvermittlung - partizipative Kunstvermittlungsangebote in Schulen lassen die Stärkung des Lern- und Sozialverhaltens erwarten sowie eine Förderung der Entwicklung, Für die Einrichtung der Schulversuche sind folgende Kriterien relevant: • Regionale Streuung: Modellregionen aus unterschiedlichen Bundesländern, • Sozioökonomische Charakteristik der Modellregion: unterschiedliche sozialstrukturelle Merkmale, Bildungs-Infrastruktrur, • Pädagogisches Konzept: aussichtsreiche Konzepte (Vorerfahrungen). Langfristig wird eine enge Kooperation zwischen Gymnasium und Hauptschule mitgemein-samem Einzugsgebiet der Schüler/-innen angestrebt, in dem Sinne, dass alle Schülerinnen und Schüler des Einzugsgebietes prinzipiell jede der beteiligten Schulen besuchen können. An allen beteiligten Standorten unterrichten AHS-/BHS-und HS-Lehrkräfte gemeinsam. Der Unterricht erfolgt in der heterogenen Gruppe - ohne äußere Leistungsdifferenzierung - bzw. in zeitlich befristeten Kleingruppen (Förderkurse, offenes Lernen, Projektarbeit). Der Unterricht in Deutsch, Mathematik und Englisch orientiert sich an den Bildungsstandards. Ausgewählte "Entwicklungsfelder" sollen wissenschaftlich begleitet werden Die Schulen in den Bewerberregionen versuchen nach Möglichkeit alle Kriterien angemessen zu berücksichtigen, verpflichten sich jedoch, in mindestens fünf der folgenden, bedeutsamen Entwicklungsfelder wissenschaftlich begleitete und unterstützte Entwicklungsarbeit zu leisten und deren Ergebnisse für den Entwicklungs-prozess zur Neuen Mittelschule verfügbar zu machen: • Umgang mit Heterogenität - mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen (Begabungen, Interessen, Motivation); • Individualisierung des Unterrichts - nachhaltig; • Motivierende Formen der Lernerfolgsrückmeldung; • Selektionsfreie Mittelstufe - praxisgerechte Konzepte ohne Klassenwiederholung (Förderkurssysteme); • Jahrgangsübergreifende Lerngruppen - Entwicklung und Erprobung von praktikablen Organisations- und förderlichen Unterrichtsformen; • Alternative Zeitorganisation - Auflösung des 50-Minuten-Rhythmus; • Arbeit mit Alternativen zur gegenwärtigen Fächerstruktur - Fächerverbindende, projektartige Unterrichtsformen im Teamteaching; themenbezogene Flächenfächer (z.B. Naturwissenschaft); • Neuorganisation der Lehrer/-innenarbeit - Teamstrukturen mit klaren pädagogischen Verantwortlichkeiten; Funktionsdifferenzierungen; • Integration von Schüler/-inne/-n mit Behinderungen und Beeinträchtigungen; • Gezielte Angebote zur Förderung der Kreativität, des künstlerischen Ausdrucks und der kulturellen Partizipation (Kunst- und Kulturvermittlung); • Begabungs- und Begabtenförderung ohne neue Segregation; • Ganztagsangebote - Verbindung der Neuen Mittelschule mit Angeboten ganztägiger Betreuung; • Gender - Schulen sind grundsätzlich zur Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit verpflichtet; bewusste Auseinandersetzung mit Geschlechterdifferenzen • eLearning-vernetztes Lernen mit Hilfe des Internets-Erkenntnisse aus erfolgreichen eLearning-Projekten sollen in die Unterrichtsarbeit einfließen. Neun Bundesländer, neun organisatorische Varianten -Partikularismus wird evident Im Schuljahr 2008/09 haben 67 Pilotschulen in den Bundesländern Burgenland, Kärnten I und II, Oberösterreich (Praxisschule der PH Linz), Steiermark und Vorarlberg mit der Entwicklungs-arbeit zur Neuen Mittelschule entlang der im Jänner 2007 approbierten Rahmenmodellpläne begonnen. Mit Beginn des Schuljahres 2009/10 folgten die Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Wien (vgl. http://www.bmukk.gv.at/schulen/bw/nms/mp.xml). Im Allgemeinen werden die Schulversuche zur Neuen Mittelschule an Hauptschulstandorten durchgeführt, lediglich an einigen Standorten arbeiten Unterstufen der Allgemein bildenden höheren Schule mit Hauptschulen im Verbund.2 Wie die unten stehende Tabelle zeigt, nehmen im Schuljahr 2009/10 insgesamt 244 Standorte mit 801 Klassen (inklusive der aufsteigenden ersten Klassen aus dem Schuljahr 2008/09) an der Entwicklungsarbeit zur Neuen Mittelschule teil. Die Klassenschülerhöchstzahl in diesen Klassen beträgt 25. Tabelle 1: Neue Mittelschule: Anzahl der Schulstandorte und Klassen im Schuljahr 2009/10 Bundesländer Standorte Klassen davon AHS-Klassen Burgenland 28 78 0 Kärnten 23 62 5 Niederösterreich 47 106 0 Oberösterreich 22 61 0 Salzburg 10 26 0 Steiermark 35 143 8 Tirol 8 20 0 Vorarlberg 51 226 0 Wien 20 79 25 Gesamt 244 801 38 Quelle: http://www.bmukk.gv.at/schulen/bw/nms/mr.xml Um zu demonstrieren wie unterschiedlich die organisatorischen Konzepte der einzelnen Bundes-Iänder sein können, werden in der Folge das Konzept des Bundeslandes Niederösterreich (genehmigt mit ZI. BMUKK-36.300/0143-1/2008) und jenes des Bundeslandes Wien (genehmigt mit ZI. BMUKK-36.300/0143-1/2008) gegenüber gestellt: 2 Steiermark / Graz I: AHS Klusemannstraße mit HS Graz Algersdorf, HS Graz Karl Morre, HS Graz Puntigam, HS Graz Straßgang, HS Graz Kaisdorf (seit 08/09); Kärnten / Klagenfurt I: AHS Hubertusstraße mit Praxishauptschule der PH Kärnten (seit 08/09); Kärnten / Klagenfurt II: Katholische Privatschule AHS St. Ursula mit HS St. Ursula (seit 08/09); Kärnten / Wolfsberg: AHS Wolfsberg mit HS 1 Wolfsberg (Beginn 09/10); Wien 6 AHS-Modelle (Beginn 09/10) (vgl. http://www.bmukk.gv.at/schulen/bw/nms/mr.xml). Niederösterreich Wien • Für den Übertritt in eine Modellschule nach dem NÖ Schul modeli ist der positive Abschluss der 4. Klasse Volks-schule einzige Voraussetzung, andere Selektionskriterien sind nicht vorzusehen. • Einmal gebildete Volksschulklassen sollen grundsätzlich zwei weitere Jahre gemeinsam unterrichtet werden, wenn es pädagogisch sinnvoll und organisatorisch machbar ist. • Nach den im SchOG § 7a (2) festgelegten Bestimmungen haben die Schüler/-innen nach der 4. Volksschule die Wahl zwischen einer allgemeinbildenden höheren Schule und einer Modellschule. • Der Unterricht erfolgt im Fachlehrer-system. Ein gemeinsames Unterrichten von HS- und AHS- bzw. BMHS-Lehr-kräften ist vorzusehen. Ab der 7. Schul-stufe ist eine vertiefte Zusammenarbeit mit einer (mehreren) weiterführenden Schule(n) (Partnerschule) anzustreben. • Nach der 6. Schulstufe hat der Schüler/ die Schülerin zwei Wahlmöglichkeiten am Standort: das Realgymnasium/ Gymnasium (allgemeinbildend) oder die interessen- und berufsorientierte "Mittel-schule". • Entscheidung erfolgt nach Beratung durch die unterrichtenden Lehrer/innen... • Der Besuch der Wiener Mittelschule setzt den positiven Abschluss der 4. Stufe der Volksschule, bei Schüler/-inne/-n mit sonderpädagogischem Förderbedarf den Besuch dieser Schulstufe, voraus. Alle Schüler/-nnen können prinzipiell jede Wiener Mittelschule besuchen. • Es gibt keine Aufnahmebarrieren ... • Einsatz spezieller Nahtstellenpädagog/-innen sowie schulartenübergreifender Bildungsprojekte • Die Führung von Integrationsklassen ist an der Wiener Mittelschule im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen möglich. • §Zusätzlich zu den gesetzlich vorgesehe-nen Ziffernnoten werden neuartige For-men differenzierter Leistungsbeschreibung und Leistungsfeststellung eingesetzt. • Die Gesamtstundenanzahl wird auf jeder Schulstufe um eine Stunde Lerncoaching erhöht. • Der Lehrplan entspricht... dem der AHS-Unterstufe. ... alle weiteren Lehrpläne der Sekundarstufe 1 können für den/die einzelne/-n Schüler/-in durch Maßnah-men der inneren Differenzierung An-wendung finden. ... • Die Beurteilungen sind grundsätzlich nach den Lehrplänen der Schultypen der AHS-Unterstufe (Realgymnasium) durchzuführen. • Im Falle eines absehbaren negativen Ab-schlusses in einem Pflichtgegenstand ist der bestehende Rechtsrahmen nachweislich auszuschöpfen (Förderunterricht, indivi-duelle Förderpläne, Frühwarnsystem, ...) Details zu den Schulversuchen in Niederösterreich und Wien sowie die Modellpläne der weiteren Bundesländer können unter http://www.bmukk.gv.at/schulen/bw/nms/mp.xml abgerufen werden. Ein eingehender Vergleich der Konzepte aller Bundesländer sowie die Diskussion standortspezifischer Varianten, die sich aus zahlreichen Schwerpunkten ergeben, können nicht Gegenstand des vorliegenden Beitrags sein. Bakkalaureat und/oder Magisterium für die Lehrer/innen der Sekundarstufe I Dass motivierte Lehrer/innen der Schlüssel zum Erfolg der Modellversuche Neue Mittelschule sind, steht außer Zweifel. An den Lehrer/inne/n liegt es, die anspruchsvollen pädagogischen Konzepte umzusetzen und eine neue Lernkultur zu leben. Die Gründung der Pädagogische Hochschulen liegt etwas mehr als zwei Jahre zurück (Beginn: 1. Oktober 2007). Die Pädagogischen Hochschulen bilden u.a. in sechssemestrigen Bakkalaureats-studiengängen Lehrerinnen und Lehrer zum Lehramt an Hauptschulen (Sekundarstufe I) aus; im universitären Bereich, wo Lehrerinnen und Lehrer für Allgemein bildende höhere Schulen ("Gymnasien") ausgebildet werden, welche die Sekundarstufe I + II umfassen, steht die Reform der Lehrer/-innenbildung nach dem "Bologna-Modell" an, d.h. gestuft nach Bakkalaureats- und Magisterabschluss. Befremdend ist es, dass bereits zum Zeitpunkt der Gründung der Pädagogischen Hochschulen ihr Ausbildungsmodell im Hinblick auf eine "gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehn-jährigen" obsolet war und bezüglich der Bologna-Stufung (Bakkalaureat - Magisterium - Doktorat) einer öffentlichen Diskussion keine gemeinsamen Ausbildungskonzepte von Universitäten und Hochschulen vorliegen. Mittelfristig gesehen wird es jedoch für die Lehrer/-innenbildung von fundamentaler Bedeutung sein, ob sie auf ein gestuftes Schulsystem mit einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis Fünfzehnjährigen ausgerichtet wird oder nicht. Und für den Fall, dass es eine Gesamtschule gibt, wird sorgfältig zu prüfen sein, ob die Pädagogische Hochschule oder die Universität der effizienteste Ort für die Ausbildung der Lehrer/-innen der Sekundarstufe I sein wird. Lehrer/-innen für die Sekundarstufe I könnten auch an beiden Institutionen ausgebildet werden, da sowohl die hochschulmäßige als auch die universitäre Ausbildung von Lehrer/-innen durch Stärken in unterschiedlichen Bereichen ausgewiesen ist. In jedem Fall wird die Frage der Gesamtschule nicht ohne eine zugehörige Regelung der Lehrer/-innenbildungsfrage zu lösen sein. Ein gutes Stück Arbeit liegt vor uns! Literaturangaben Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (BMBWK) (Hg.): Weißbuch -Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im österreichischen Schulsystem. Wien o.J. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (Hg.): Die Modellversuche "Neue Mittelschule". Wien, o.J. Internetportal des Bundesministerium für Unterricht, Kunst und kultur http://www. bu kk.gv.at/i ndex.xm I Seebauer, R. (1984). Zur Konzeption der Pflichtschule der Zehn- bis Vierzehnjährigen vom Reichsvolksschul-gesetz bis 1945, mit besonderer Berücksichtigung Wiens. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien, hg. vom Wiener Stadt- und Landesarchiv, Wien, 122-169. Seebauer, R. (1993). Zwischen Reformbestrebungen und Konservativismus - Zur Geschichte der Lehrerbildung in Wien. Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Reihe B: Ausstellungskataloge, Heft 38, hg. vom Wiener Stadt- und Landesarchiv, Wien. Seebauer, R. (2007). Qualitätsdiskussion und Gesamtschuldebatte. In: Manäk, J./Janfk, T.: Absolvent zäkladnf skoly. Masarykova Univerzita, Brno. Specht, W. (2005). Der Standard, Tageszeitung, Printausgabe vom 3 Elektronski naslov: renate.seebauer@phwien.ac.at Založniški odbor je prispevek prejel 4. 11. 2009. Recenzentski postopek je bil zaključen 12. 11. 2009.