'—^^ ^>>. 33. ' Erster Tjahrgang. ' ' 3». Mai R85'?'. Die Dillrchmütze. ! Eine vaterländische Etudir. ^ ^^s klinget gar sonderbar, wenn man im Wonnemonat, ^ dessen Vlumenduft nnd Frühlingslust selbst das frostigste ! Gemüth erwärmet, einen so winterlichen Gegenstand, wie die ! Aufschrift besagt, zur Sprache bringt, und wir können die ^ Besorgnis? nicht unterdrücken, daß man uus deßhalb retro- ! grader Tendenzen oder der völligen Unkenntniß der jetzigen ! Zeitrichtung beschuldigen werde. Dieser Vorwurf könnte um so begründeter erscheinen, da ja der moderne Amazonen-Hut eii: viel zeitgemäßeres und lohnenderes Objekt für eine > Federzeichnung wäre. Er ist der eigentliche Träger der Tages- , chronik, dic auch in unserer Stadt ihn als absoluten Ve- ^ Herrscher anerkennt, zu welcher hohen Stellung er sich in kürzester Frist mit einem in den hiesigen Annalen der Mode ! noch nicht verzeichneten Veifallc emporgeschwungen hat. Außer- ! dem sindet der aufmerksame Beobachter an ihm das, was ! er an der Pelzmütze vergebens sucht, nämlich die reizendste Mannigfaltigkeit in der Form und Ausschmückung, unter ihm rosige Lippen, blühende Wangen, feurige Blicke, oder > das Gegentheil von Allem dem, jedenfalls aber kann er bei tiefern psychologischen Studien über die Motive, welche diese ! oder jene Abweichung in der Gestalt, Verzierung und nament- ! lich in der Dimension des Hutiandes begründen, zu den ! untrüglichsten Schlüssen über dic Geheimnisse des in seinem ^ Schatten schlagenden weiblichen Herzens gelangen. ! Doch wir wollen bei der Villichmütze bleiben, in der j löblichen Absicht, dieses urwüchsige krainischc Produtt zn ! Ehren zn bringen, und dem bereits öfters in eindringenden Worten ausgesprochenen Wunsche, vor Allem das Vatcrlän- ^ dischc zu berücksichtigen, Folge leisten. Aus patriotischer ! ' Vorliebe, die von Manchem als verrosteter Provinzialismus ! gescholten wird, widmeten wir von jeher dieser echt natio- ! nalen Kopfbedeckung unsere Aufmerksamkeit, dazu kam noch ! das naturhistorische Interesse an dem drolligen Thicrchcn, ^ das mit seinem Valgc den Stoff zu jener liefert. Man muß den Vittichfang mitgemacht haben, in einer düstern Herbst- ! nacht, bei Fackelbeleuchtung, unter Anleitung eines erfah- ! rcnen Praktikers, wie sich solcher die Gottscheel, Reifnitzer ! undSchnecbcrger Gegenden mit vollem Rechte rühmen können; 1 man muß aus dem Munde eines solchen Mentors die Volkstraditionen über die Lebensweise des Villichs vernommen haben, und selbst Zeuge des beim Fange unterlaufenden Teufels-spuckes gewesen seiu, um zu begreifen, wie sich an die prosaische Erscheinung dieser Mütze eine so kräftige Waldromantik anknüpfe, daß mit ihr all dic moderne Poesie des Amazonen-Hutes in gar keine Parallele gestellt werden kann. Das gespensterhafte Geraschel im welken Laube, die knurrenden Töne „dern" „dern" des nächtlichen Waldvölkleins, ihr gellendes Gcquicke bei all zu zärtlichen Liebkosungen, wie sie bei dieser bissigen Familie gang und gäbe sind, die schnalzenden Lauic der Nachteule, welche häufig als plötzliches Ungewitter zwischen die in alle Weltgcgcnocn zerstäubende Notte fährt, das „Klip" „Klap" der dic genäschigen Nager erfassenden Fallen, die in den lctzien Todcszuckungen zappelnden Fettwänste, endlich ein Festdiner mit geschmorten Villi-chen, in einem Fettozean schwimmend, all dieß bunte Gewirre von Naturlauten und Naturbildern rcproduzirt eine nicht allzu träge Phantasie beim bloßen Anblick einer Villichmütze. Sie ist ein Charakterbild unseres Landes. Wir wollen damit nicht gesagt haben, was Manche irrthümlich behaupteten und welches Märchen selbst Valvasor seinen Lesern auftischt, daß der Villich bloß in Krain vorkomme; nein, so engherzig ist unser Patriotismus nicht, daß wir auf Kosten der Wahrheit dem Rellmausgcschlechte dic natürlichen weiten Gränzen seiner geo-grasischcn Verbreitung beeinträchtigen würden, aber mit Fug und Recht können wir den Satz aufstellen, daß Krain das gelobte Land dieses Nager-Geschlechtes sei. Man gönne dem Villich anderswo dic üppigsten Fcttweiden in den herrlichsten Buchenwäldern, so wird es doch nirgends zu jenem strotzenden Ansätze des blühendsten Fettes, zu jener vollendeten Ausbildung des sammetweichen, silberdurchwirtten Pelzes bringen, uls eben bei uns, wo die Natur nicht nur für die Stillung seines Appetites hinlänglich gesorgt, sondern ihm auch zur behaglichen Ruhe, ungestörten Verdauung, in sich gekehrten Sclbstanschauung und zur Sicherstelluug vor feindlichen An« griffen, ein weitverzweigtes System von Höhlen und Löchern, roväine genannt, für deren Ausbeute die Villichfänger der Herrschaften manch blanken Thaler zahlen mußten, zur freien Disposition gestellt hat. Selbst die Sorgsalt der römischen Gourmands, von denen die Villichc in eigenen Gehegen, die sie Glirarien nannten, zu wahren Fettklumpen gemästet wurden, konnte denselben kein bequemeres, kein schöneres Dasein bereitet haben. Gegenüber diesem Reichthum an naturhistorischen Be-ziehui.gen, welche die Villichmütze darbietet, ist ihre geschichtliche Seite ein quellarmes und völlig steriles Gebiet, wo man sich nur in vagen Vermuthungen ergehen kann. Für die Mode-Journale war sie stets ein 11011 l>»s; selbst die heimischen Schriftsteller hielten es bisher nicht der Mühe werth, eine ausführlichere Beschreibung davon zu liefern. Die ältesten schriftlichen Nachrichten über den mit ihr in innigem Zusam- ^ inenhang stehenden, in Krain seit jeher storirenden Villich- , fang reichen nicht über das 16. Jahrhundert zurück. Der ! gewissenhafte Matthioli, dem wir die älteste Notiz über letzteres Thema verdanken, macht nicht mit einer Sylbe des Billichfclles Erwähnung, das ihm gewiß Gelegenheit geboten hätte, auf das Kapitel der Kopfbedeckung zu kommen, obwohl er dem Fette des Villichs, als einem landesüblichen probaten Heilmittel gegen manche Leibesschäden, mehrere Zeilen widmet. Doch dürfte bei dem Umstände, daß die Baucru an diesem Erbstücke der Landestracht ihrer Vorfahren noch immer mit besonderer Pietät hängen, und bisher jeden Eingriff der Mode von selbem mit Entschiedenheit abgewehrt haben, die Vermuthung gerechtfertigt erscheinen, daß sie schon in uralten Zelten bei uns im Gebrauche war, und wenn die Vertheidiger der Slavizität der einstigen Pannonier in der slavisch seinsollendcn Wurzel dieses Voltsnamens einen triftigen Grund für ihre Behauptung gcsnnden zu haben glauben, so können wir ihnen anch die Durchführung des Beweises, daß jene Urbcwohner Krain's schon die Billichmütze kannten, getrost überlassen. Techszehn Bittichfelle, in der Art zusammengenäht, daß sich die weißen Bauchräuder zu abwechselnden parallelen Streifen an einander reihen, wodurch eine wohlthuende Nuanci-rung in das einförmige Grau des Pelzes gebracht wird, bilden das Stoffliche der Villichmütze. Ihre Gestalt ist die eines abgestutzten Kegels, an dessen Mantelfläche sich der umstülpbare, mit einem Schlitz versehene Rand eng anschließt. Der besagte Schlitz ist die einzige Stelle, die mit Bändern und Maschcn geziert ist, sonst ist die Mütze durch und durch Pelz, man drehe und wende sie wie immer, ja man stülpe sie völlig um, sie verläugnet ihren Charakter in keiner Situation. Eine weitläufigere Erörterung ihrer sonstigen Vorzüge wird uns dadurch erleichtert, da eine in jüngster Zeit ihr zu Theil gewordene Auszeichnung ohnehin alles besagt, was man nur immer zu ihren Gunsten anführen könnte. Sie wurde nämlich bei der Wiener Mai-Ausstellung im Augartcn mit der kleinen silbernen Medaille prämiirt. Dieses, in ihrer sonst einförmigen Geschichte epochemachende Ereigniß hat uns bei der großen Theilnahme, die, wir seit jeher ihr schenkten, um so angenehmer berührt und zu dem Entschlüsse gebracht, durch die Presse zu ihrer Verherrlichung nach Kräften beizutragen. Es war gewiß ein glücklicher Gedanke der krain. Landwirthschaft-Gesellschaft, dasi sie ein Eremplar dieses vaterländischen Industrie-Pro" duktcs für die Abtheilung der Gegenstände häuslicher Industrie nach Wien sandte; ebenso ist es der beste Beweis für die eindringende Prüfung, welcher die dortigen Preisrichter die ^ eingelangten Ausstellungsobjekte unterzogen, daß sie unter der ! erdrückenden Menge von Kleidungsstücke» und Kopfbedeckungen ! den Werth dieses bescheidenen Artikels herauszufinden wußten. ! Solidität, Zweckmäßigkeit und Billigkeit waren, wie der Aus- stcllungs-Katalog besagt, die Gesichtspunkte, von denen die ^ Jury bei der Preisvcrtheilung in dieser Abtheilung ausging) ! diesem Allem entspricht unser Client vollkommen, und es ist ^ kein hyperbolischer Ausdruck, wenn wir den Preis von 30 Kreuzer pr. Stück einen fabelhaft billigen nennen. ! „Der Villichmütze steht eine glänzende Zukunft bevor!" ! also wird mancher patriotische Enthusiast ausrufen, und ^ „Master Vorwärts" würde schon jetzt im prophetischen Geiste, ! bei ziffermäßigcr Spcziftzirung derpekuniärenVortheile, die daraus > unserm Lande erwüchsen, ihrem Erporte die kühnsten Bahnen ! verzeichnen. Doch so sanguinisch sind unsere Hoffnungen niHt. Vorerst muß ihr bedeutendster Gegner aus dem Felde geschlagen , werden, nämlich der Cylinder-Hut. Doppelt willkommen ! war uns daher ein Aufsatz, betitelt: „Hnt und Kappe" in ! der letzten Nummer der österreichischen Zeitschrift, für Heil-z künde, worin die Naturwidrigkeit der „Angströhre" aus Sani-tätsrücksichten nachgewiesen, und für den Winter die Pelzkappe, für den Sommer der Strohhut warmstens anempfohlen wird. ! Sollte, was wir sehnlichst wünschen, die Wucht der medizini-^ schen Gründe auf der Wagschale der Pelzrappe vollends den ! entscheidenden Anoschlag geben, dann wird auch die Billich-! mutze an den Triumphen der Pelzkappe partizipiren können,, ^ Verschiedenes. <3ntdcckunss Amerika's durch die <5hiuesen Der californische „Demokrat" theilt nach dem „San Francisco Bulletin" einen Aufsatz des chinesischen Dolmetschers ! I. Hanley über die frühesten Entdecker Amerika's mit. j Danach hätten Chinesen Amerika schon vor 1400 Jahren ^ entdeckt und das Land (offenbar Mcrikoi, welches 20.000 > chinesische Meilen weit ostwärts liege, beschrieben. Nach ! ihnen kamen 492 n. Chr. buddhistische Priester von dort zurück, i die meldeten, daß 4ö9 schon buddhistische Traktätlein und ! Götzenbilder dort ausgetheilt worden seien. Die nennen das ! Land: Fusang, von einein Baume, der dort wachse, mit Vlät-, tern ähnlich des Vambus, dessen Früchte die Eingcborncn ! essen und aus dcsscn Ninde sie Kleider weben. Anck Bücher ! hatten sie auf die Rinde des Fufang geschrieben. Von dem-! selben Baume (dem Maquay) sagt Vrcscott später, daß man ' seine Rinde, in einen Brei verwandelt, zu Papier verarbeite; ! aus dem Safte mache man das berauschende Getränk, die ! „Pulque," währcud man mit den Blättern die Dächer decke; > die Fibern geben Stricke, und selbst die Wurzel biete eine ! nahrhafte Speise. Kurz, die Pstanze lieferte den Azteken ^ zur Zeit der chinesischen Entdeckung Alles, wie später auch. Die Chinesen melden ferner, die Eingebornen hätten kein Eisen, sondern nur Kupfer, und alle Werkzeuge, mit denen ! sie Metall und Steine bearbeiteten, wurden aus einer Mi-» schung von Zinn und Kupfer gemacht. Silber und Gold ^ waren wenig geachtet. Kurz, der chinesische Bericht weicht von dem etwa 4000 Jahre späteren von Prescott fast in keinem Punkte ab.- Es herrschten damals schon dieselben Sitten; die Religion, die Kulturstufe war dieselbe. Merk^ würdig ist die Aehnlichkeit der Religion der Azteken mit dem Buddhismus, so wie überhaupt die Uebereinstimmung der Künste, Einrichtungen und Sitten mit den chinesischen. Merkwürdig ist ferner die Aehnlichkeit der Gesichtszüge zwischen den Indianern und den Chinesen, der ähnliche Akzent beider Sprachen, die beide einsylbig sind und die sogar in den Wörtern vielfach übereinstimmen. Folgende Wörter mögen dieß erläutern: Indianisch. Chinesisch. Deutsch. Indianisch. Chinesisch. Deutsch. Nlmz--a I^nß- Mann ^i«nl, 8oa Hand. Rook » K00K Faust ^(.>k-n-5uu 800 Bart. Lm't-n Vnl'l Mond V<'!n ^lul Sonne. MM Hots, Viel I.«>-Wm L^Iunx Taubheit. Ul'^a M II<).»1l Gut ^»a ^P» Vater. ^ m» ^.mn Mutter ivo-Ic ^!Vnl1»6 in der Indianer-Sprache Freund, in der chinesischen Mann; auch in der Hindu-Sprache bedeutet >VlM Mann. Aus Allem ergibt sich, daß die chi>«stscs,c Einn'andcrung nach diesem Kontinent uralt sein muß, und das; selbst die offiziellen Berichte hierüber 1000 Jahre älter sind, als die von der Entdeckung von Amerika von Europa aus. Parodie des Liedes vou der Glucke. Bei F. B. Auffahrt iu Frankfurt a. M. ist im niedlichen Sedez ein poetischer Versuch erschienen, dem man das beliebte Prädicat „zeitgemäß" nicht abstreiten kann, nämlich „das Lied von dem Mobbel (c-i'r 19. Flocht lieber Ruthen als Kränzet. 20. Wäger des Plus und des Minus. 21. Schecrc, von ungleichem Schnitt. Hur Lileralur. ^ Dil V«gal> !>»!>> cn. Noman in 3 Äänl>cn, van Kart u. Hl'ltti. ^ 2- Äust„.,c. Dic klline Nn l rcn >» c l l, 3 Vändc, oc»n ^. Vuhkow. Vcr ^Vugcnl'lick dcs . Hl>ck- lnnder. ! Wer mit prüslntvm Augc dic .Vortschrittc und ^'ntfallung der ^ilc- ! ratur der Oegenwart verfolgt, all das Ringen und Streben auf dem i Gebiete der Poesie beobachtet, der wird nicht mit einstimmen in das unverständige Geschrei des Publilumö, es sei aus mit der Poesie und l dic Dichter und Schriftsteller thäte» besser, ihr Papier unbeschrieben zu z lassen. Erhebliches, die evischen Versuche sind Versuche «^blieben, den Dramen > fehlt dic innere Lcbensfrast und im Noman haben »üs unsere Nach- > barn, dic Engländer und Franzosen, überboten; denn ihre Romane sind gelesen. Daß französische und englische Novellen uno Romane nun ! viel gelesen werden, ist sicher kein Zeugniß gegen die Trefflichkeit unserer Romanschriftsteller, sondern eher ein Ärmiithszeugniß für den Geschmack ! des Publikums. Gerade die neuere Zeit ist sür die novellistische Literatur so überaus ergiebig gewesen, sie hat so viel Gutes und Vortreffliches geliefert, daß das Publikum wohl nicht oft genug darauf hingewiesen ! werden kann, und der Spruch: „Warum in dic Heruc schweifen: denn ! das Gutc liegt so nah", auj's Neue bewahrheitet wird.' Gerade iu dcr ! Novelle, im Roman und etwa noch in der poetischen Erzählung con- ccntrirt sich die a,an;c Produktionskraft. (5>? ist 5a? .in sichtliches Zeichen, dasi wir uns in ciner Ucbcrgangsperiodc befinden. Man sucht nach einer neuen poetischen Forin und wirft sich, bis sie gesunden ist, cinstwlilcn auf dic Prosa, auf dic Novelle, auf den Noma». Unter den Rrnlanschriflstclfcr» unserer Zeit sind die drei obcu-angesührtcn gewiß zu de» berühmteren zi: zählt». Holtei's Werke ssnd längst Eigenthum des dcutscheu VolkcS; Gutzkow bat sich durch seine Ritter vom Geiste, so wie durch seine Dramen ein schönes Denkmal gesetzt, und Hackländer ist binnen wenigen Jahren erklärter Liebling des Publikums geworden. Alle drei sind indeß so verschiede», daß es nicht unintcreffant sein dürste, fic ein Mal neben einander zu stellen und zu betrachten. Dazu bieten ihrc obenerwähnten, theils ganz neuen, ts'l'ilo üüi aufgelegten Schriften die beste Gelegenheit. Holtei behandelt in seinen Vagabunden keinen ganz neuen, aber drch eine» wenig erschöpften Stoff. Es ist dieß das regellose, ungebundene, nomadenhafte Leben und Treibei, der Gaukler, Künstler, Hcrum-fchwlifcr, Heimatloser, furz: aller jener Menschen, welche wir mit dem Collectivnamcn „Vagabunden" bezeichnen. Es liegt ein großer Reiz in dem Vagabundcnleben; auch die Zigeuner, die Musterbilder aller Vagabunden, umschwebt er und ist die Ursache unserer vielen Zigenneropcrn. Dieses Pagabundenleben in seinen bellen und dunklen Seiten führt uns nun Hcltei in seinem Roman mit einer Treue vor, dic Bewunderung erregt, Ich erinnere mich noch recht gut drs (Andrucks, den das Buch bei seinem ersten Erscheinen auf mich machte. Die Frische und Wahrheit der, Schilderung, die psychologische Treue der Charakter-zcichiiuiig, die verwickelte und doch klare Komposition rissen mich hin. In der Person des Helden Anton macht der Leser die seltsamsten Bekanntschaften-, mit den Gaukler», Possenreißern, Künstler» aller Art, vom ersten Schauspieler und Iniprovisator bis zum elendesten Hundc-dressirer und Fcucrvcrschlucker herab, kommt er in Berührung, lernt ihr Leben, Denken und Streben kennen und findet da plötzlich Menschen, dic mitten in d^r Civilisation ein ähnlich Dasein fristen, wie die obdachlosen Nomaden der Steppen und Wüsten. Ueber dem Ganzen liegt ein gewisser Duft der Romantik und der Äbentheunlichkeit, der es recht ! gut kleidet. Auch an tiefpoetischcn Stellen ist der Roman reich; dahin ! rechne ich dic ergreifende Scene, wie ciuc große Menagerie in einer ! Nacht, plötzlich in Vrand gcräth und ein Raub dcr Flammen wird. ! Holtci ist Volksschriftstcller, das beweist schon seine kräftige und doch ! gewandte, flüssige Sprache; alsdann dcr Umstand, daß er Szenen und ! Bilder aufrollt, die durch ihre Derbheit und Ursprünglichkeit manches ! engbrüstige, hvpcrsentimentale Gemüth unangenehm berühren, aber doch ! nitlich reiner sind, als allc die sinnlichen Schilderungen vieler Salon- ! U«d Moralschriftstcllcr. Auch der Humor, welcher sich in jeder Schil- ! deruiig ausfpricht, in jeder Scene offenbart, ist kein künstlicher, geschraub- > tcr, sondcln wahrer, ächter Hninor. den» nur eiu solcher fann einen ! „Onkel t,^u^" schaffen und den Gcdankcngang eines „Niesen- und ! Zwergcführers .^«^kivim^rl" wiedergeben. ^ (^ine ganz andere Schrift« i stcllcrnatur ist Gntzkow. Nähreud Holtci tief im Volksthümlichcn z süßt, erhebt sich Gutzkow iibcr dasselbe und gibt in sich gleichsam j die halbzcrfahrnc, zweifclsüchtige, nach allen Seiten schillernde Bildung i unserer ganzen Zeit. Es ist ihm nicht Ticfc abzusprechen; aber er ver- i tiest sich nicht gern in einen Gegenstand, sondern gewinnt ihm, indem i ,r denselben mit dcn Händen um und umwendet, tausend in die Augen ^ fallende Punkte ab. Er schafft Gebilde, um sie kunstgerecht wieder zu ! zerlegen und ihre innere Struktur zu zeigeu; er ist wie ein Anatom, ! der dem Leibe in das Fleisch schneidet, um dic Nerven zu verfolgen. Seine „kleine Narrenwllt" enthält nuu die Resisitatc feines anatoinistischen Verfahrens mit den Menschen. Dic Wunderlichkeiten, Einbildungen, ! Gewohnheiten, Gelüste, Selbsttäuschungen, das Zwicken, Zucken, Zerren. Zappeln unseres innern Menschen, kurz: dic „kleine Narrenwclt" ! in uns, das ist dcr Inhalt dcs dreibändigen Werks, bestehend aus ältern und ueucru Novellen, Aufsätzen, Betrachtungen aller Art. Gntzkow ist ciu geistreicher Mann, und so hat er auch in diesem Werke des Interessanten, Belehrende», Wahren vicl gegeben. Und es ist wirklich ciwas Närrisches um das Treibe» und Dcukeu der Mensche», wenn man es in derselben Beleuchtung ansieht, wie sie Gutzkow anwendet. Zudem ist der Inhalt so reichhaltig, so mannigfach, daß der Raum. dieser Blätter zu klein wäre. wollte ich auf das Einzelne eingehen. s Hervorhebe» nur will ich im t. Vande: die Reichthümer dcr Phantasie, in welchei» Aufsätze der Verfasser das geistige Lebe» der französischen Neuromantikcr, der Dumas und Sucs schildert, und: König Franz in Fontaincblea», worin auf's Ergötzlichste erzählt wird, wie dic Umgebung des Königs allerlei körperliche Gebreche» heuchelt, um ihm glauben zu machen, dcln „dic Nihilisten" allerlei Zeitfragcn in novellistischer Form; im ! ll. Bande werden unter dem Titel „Wirren der Zeit" und „Wirren des ^ Geschmacks" ci»c Menge Thorheiten uno Verwilderungen beleuchtet, als ^ da sind: die innere Mission, das Tischrücken, das Blumcnlescn in dcr ^ Poesie :c. Gntzkow ist ein Schriftsteller der Zeit; wenn. was er schreibt, > alt wird. verliert es an Werth »icht. wohl aber. an Interesse. Er ist ! i» seinciu Schaffen, in seinem Auffassen der Gegenwart selbst ei» ge- > treues Abbild dieser Gegenwart und wird dem spätern Geschichtsforscher ^ eine reiche Fundgrube unseres Denkens, Strebens nnd Treibens, kurz: ! unserer Sitten und Narrheiten sein. Er ist realistisch wic unsere' Zeit; ! er beschäftigt dcu Verstand, aber das Herz geht meist leer aus. Seine ! erdichteten Menschen sind daher Automaten vergleichbar, die einc Mengc ! geistreiche, gescheidtc Dinge herzusagen vermögen, zugleich aber mit- 5 theilen, warum sie nur dieß und nichts anderes sagen könne». -! Hacklänbcr ist dcr beliebteste Schriftsteller dcr Gegenwart. Noch ,^ vor wenig Jahren war sein Name unbekannt, bis er durch sein „Sol-datenlcbcn" sich schnell allgemeine Anerkennung schaffte. Die „uamcn-losen Geschichten". „Eugen Stillfried", „Sclavenlebe» in Guropa"u. s. w. i steigerten seinen Ruhm, und auch das neueste Werk, das mir von ihm 5 vorliegt: „Dcr Augenblick des Glücks" wird dem Verfasser neue Freundc ^ verschaffen. Nicht mit Unrecht bat man Hackländer den „deutschen Voz" genannt. Er hat vicl Aehnliches mit diesem englischc» Schriftsteller, dicfclbc Leichtigkeit und Anmuth in dcr Behandlung dcr Stoffe, dic genaue, detaillirtc Schilderung der Charaktere, denselben Humor, dcr gern ein wcnig an das Frivole streift, und dic iicsc Kenntniß des Gebarens und Treibens jener Stände, welche sich als die bevorzugten betrachten. Was sich in den Salons und Spcisesälen. in den Nor-zimmern und Schlafgcmächer» der Fürsten, Reiche» und Vornehmen, was sich in dcn glänzenden Hoszirkeln begibt, wie da dic Mensche» sich gcbcrdcn. ärger», iutriguiren, lachen, weine» und liebe», das weiß Hackl ander darzustellen wie kein anderer Schriftsteller der Gegenwart. Dazu kommt die Leichtigkeit, Flüssigkeit und Lieblichkeit seiner Sprache uud vor Allem dic Gabe der gewandten Composition. „Der Augenblick dcs Glücks" hat mich lebhaft an Scribe's Drama „Ein Glas Wasser" erinnert. Wie hier von cincm Glas Wasser ciue Mengc Ereignisse abhängen, so bildet in Hackländcr's Roman ein mit einer Nadel durchstochener Papierstreisen den Brennpunkt, von dem strahlenförmig dic übrigen Begebenheiten ausgehen. Das Buch ist überaus reich an charakteristischen Zeichnungen, unter dene» die Unterredung zweier fürstlicher Kammerdiener gewiß die gelungenste ist. Auch i» der Zeichnung weiblicher Charaktere ist Hackländcr Meister, und in der Prinzessin Elift, so wie in dem Fräulein Helene v, Nipperda bat er weibliche Wesen mit allem Zauber dcr geistigen Vegabtheit. Schelmerei und Lieblichkeit versehen aufgestellt. Dic gelungenste humoristische Scene ist aber jedenfalls die, wo der, m zwei Parteien getheilte Hof im Gallaanzug in dcn Sälen deS Schlosses cmf dic Niederkunft der Herzogin wartet; wo die eine Partei für ihrc Plänc die Geburt eines Prinzen, dic andere, Partei dic Geburt einer Prinzessin hofft. Bald kündiget Kanonendonner das glückliche Ercigniß an und nun zählen die Parteien, ängstlich gespannt: 1—2 — 3 bis 2l Schüsse, dic Partei der Prinzessin, siegt; 22 und mehr Schüsse, dic Partei des Prinzen jubelt. Meisterhaft ist die Aufregung, Spannung und schließlich dic Entmuthigung dcr Parteien geschildert, als zwar ein Prinz erscheint, es aber für gut sindet, sein Auge dcm Lichte dieser Wclt zu schließe». - Hackl ander Hai daS Buch Ihrcr Majestät dcr Kaiserin Elisabeth gewidmet, und ihm damit dic herrlichste Empfehlung ans dcn Weg mitgegeben. Druck und Verlag von IssN. v. Kleinmayr N F. Vamberg in Laibach. - Verantwottlichtr Redacteur: F. BambergT""