(Die Predil- umi die Triest-Lack-Launsdorfer Balin.) W ir sind gegenwartig Zeugen eines lebhaften Kampfes, der zwar ob des allgemeinen Interesses, das unsere politiscben Zustande in Anspruch nehmen, gedampft in die Welt schallt, der jedoch ernste Beachtung verdient. Die Folgen des Ausganges desselben werden fiir die Stadt Triest und fur die ganze West- seite unserer Monarchie noch in einer spaten Zukunft fuhlbar sein, wenn die jetzigen politischen Winen schon lange ihre Losung werden gefunden baben. Wir meinen den Kampf um die Frage, ob Triest mit einer zweiten Bahnlinie liber den Predil oder iiber Prdwald- Lack - Launsdorf mit dem Innern der Monarchie verbunden ■vverden soli. Da der Zeitpunkt der Entscheidung herannaht, fuhren die Vertreter jener beiden Ideen alle Truppen in das Feuer, welche ihnen zum Siege verhelfen sollen. Sehen wir uns vorerst die beiden streitenden Heere an. — Auf der einen Seite erblicken wir den gewaltigen Herrscher, der an der Spitze der „franzosisehen GesellschafV- steht, — seine erfahrenen, kampf- und siegesgewohnten Generale, — semen mMreichen, goldbetressten Generalštab und die in seinem Dienste stehenden Truppen verschiedener Waffengattungen, welche fur das Predil-Projekt kampfen. Auf der andern Seite erblicken wir einen Bund krdftiger, von ihrer Aufgdbe hochbesedter Potenzen — den Stadtrath von Triest, den Landesausschuss von Krain, die Handelskarrmern 2 aller Hinterldnder der Adria in der Westhalfte der Monarchie, alle unbefangenen Bewohner von Triest und der ubrigen ange- deuteten Provinzen. Diese beiden Heeresmachte sind schon hart an einander gestossen und — die Sc hlač h f von MVorth scheint schon geschlagen. Dies ist entnehmbar aus den konfusen, widerspruchs* t' " 4t v vollen, engherzigen Hin- und Herzugen der Predilisten. Ihr Sedan wird nicht aushleiben! — I)och iibergehen wir zur Sache. A.. Unbestritten und unbestreitbar ist es: 1. Dass die Linie Triest-Prdwald-Lack die kiirzeste Verbin- dung zwischen Triest und der Rudolfsbahn darstellt, denu die Lange derselben betragt nur 14 l / 2 Meilen , wahrend die Predilbahn von Triest bis zur Rudolfsbahn bei Tarvis wenigstens die Lange von 22 Meilen hatte. Es resultiren daher zu Gunsten der ersteren 7 1 / 2 Meilen. 2. Ist die Linie Triest-Lack die wohlfeilste , weil sie mit 16 Millionen Gulden hergestellt werden kann, wahrend die Bahn Triest-Predil - Tarvis nach gewissenhaften Berech- nungen das 5- und 6fache kosten miisste. 3. Ist erstere Linie in der kurzesten Zeit ausfuhrbar , ndmlich in 2 Jahren , wahrend die Predilbahn 8 Jahre und noch mehr zum Ausbaue erheischen wtirde. Durch die eben erwahnten drei Vortheile, welche die Linie Triest-Prawald-Lack darbietet, ist den Postulaten entsprochen, welche das hohe Ministerium in seiner Antwort auf eine Ein- gabe der Triester Handelskammer vom 10. August 1871 auf- stellte und welche dahin lautet, »dass es jenem Projekte den Vorzug zu geben geneigt sei, tvelches die kiirzeste, schnellst aus¬ fuhrbar e und wohlfeilste Verbindung von Triest mit der Ru¬ dolfsbahn herzustellen geeignet befunden werden wird. £i Allein mit der Linie Triest-Prawald-Lack sind noch meh- rere andere wesentliche , hochst ivichtige Vortheile verbunden, von welchen wir einige hervorheben zu miissen glauben, namlich: 3 4. Sie erhebt durch ihren weiteren Verlauf uber Grafenstein bis Launsdorf wo der meridionale Hauptstrang der Ku- dolfsbahn beginnt, letztere selbst zu der Bedeutung einer IVeltbahn und stellt eine direkte Schienenverbindung zivischen Triest, Linz, Prag, Dresden, Berlin, Stettin und Hamburg u. s. w, somit zwischen dem adriatischen Meere und der Ost- und Nordsee her, und vermittelt daher eine Verbindung, wie sie an WicMigkeit und Aus- dehnung fur Oesterreich noch nicht existirt. 5. Die Linie Triest liber Wien nach Prag betragt bekanntlich. 132.50 M. jene liber Triest, Launsdorf, Linz bis Prag wurde betragen .. 102.50 „ somit ergabe sich eine Abkiirzung des Weges bis Prag und den nordlicher gelegenen Stadten Dresden, Berlin, Stettin, Liibeck, Hamburg von 30.'— M. d. i. von vollen swei geografischen Graden. 6. Ist durch die oben envahnte Linie den industrie- und na- turproduktenreichen Provinzen, durch welche sie zu ziehen hatte, eine Pulsader geschaffen, deren segensreiche Wirkun- gen auf die offentliche Wohlfahrt wohl von Niemandem werden iibersehen oder abgeleugnet werden konnen 7. Durch die Erhebung der Rudolfsbahn m einer Weltbahn gewinnt dieselbe ihre Rentabilitdt und befreit den Sfaa/ von den schweren jahrlichen Opfern, welclie er dermalen fur dieselbe zu tragen verpflichtet ist. die sich im Jahre 1870 (ohne die Zinsengarantie fur die Oberkrainer Bahn) nach dem diesjahrigen Berichte der General-Direktion auf 2,039.325 (l. belaufen. Die Triest-Lack-Launsdorf er Bahn ist daher von hochster finanzieller Bedeutung, welche erst dann in voller Ausdehnung wird ermessen werden konnen, wenn der erzielte Aufschtvung der Pro- duktion , der vermehrte VerJcehr und die erhdhte Steuer- fdhigkeit die Elemente zu dem Kalkiile werden geliefert haben 4 8. Der Knotenpunkt Prdvoald erscheint als der naturgemas- seste zu einer Verbindung nach Gor z, zu einer andern nach St. Peter und mithin nach Fiume und Carlstadt; der Pollanderboden zu einer Verbindung mit Idria, endlich Krainburg zu einer Verbindung iiber Stein, Mottnig nach Cilli und von dort in das Innere von Ungarn. 9. Die eingehende Beurtheilung dieser Linie vom strategischen Standpunkte miissen wir zwar den diesfalligen Fachman- nern iiberlassen und sind ihres gunstigen Urtheiles im vor- aus sicher; jedoch auch dem Eaien in diesem Fache sei es erlaubt, die Erkenntniss dessen, was aus den ortlichen Verhdltnissen und aus der neueren Kriegsgeschichte sich ergibt, auszusprechen. Letztere zeigt, dass jene Punkte Festungen sind, wo man zu recliter Zeit eine hinreichende Machi hin- lo er fen kann. Man denke sich den Halbkreis Villach- Tarvis - Kvrch- heim-Idria-Prdwald-Pola-Fiume, zu welchen Einbruchs- stationen das besprochene Bahnprojekt die mittelbaren oder unmittelbaren Zufahrten darbietet, — man denke sich die im Hintergrunde jener Grenzpunkte gelegenen Kochirlinien, welche es ermoglichen, jede not)iwendig werdende Truppen- verlegung auf das schnellste, und zwar innerhalb der treuen, dem Feinde unzuganglichen Lunder auszufuhreu, und wird der Wahrheit das Zeugniss geben miissen, dass der obbe- zeichnete Halbkreis die gesicliertste Grenze der osterreichi- schen Monarchie wdre. Die Eisenbahnen an der Kiiste der Adria, vervollstdndigt durch die projektirte Istrianer und Dalmatinec Bahn, waren iibrigens auch fur unsere Kriegsmarine von hochster Bedeutung. Ein Angriff gegen dieselbe nach Ausfuhrung jener Bahn- linien ware fur den Feind zwecklos, da er vvissen wiirde, dass das Kustenland durch Eisenbahnen in die Lage ver- setzt ist, einem Landungsversuche sich krdftig entgegenzu- stellen, andererseits ware ein Offensivstoss derselben, weun er misslange, von keinen entscheidenden Folgen, eben weil 5 der Sieg des Feindes zur See auf den geschutzten Ufer- landern nicht verfolgt iverden konnte. Schienenmege, v-elche Kiistenstriche durchziehen, sind ein mesentliches Surrogat einer numerisch starken Kriegsmarine. Die hier angefiihrten 9 Punkte der Vortheile der Triest- Prawald - Lade - Launsdorfer Fahn , deren wir im Verfolge dieses Aufsatzes noch mehrere hervormheben Gelegenheit Jiaben werden, wurden von den Anhangern der Predilbakn nie bestritten und konnen uberliaupt von Niemand bestritten werden; diese Tliatsache ware schon. an und fur sich hinreichend, um jener Linie den Sieg zu sichern. B. Die Zuversiclit in diesen Sieg wird noch gerechtfertigter erscheinen, rvenn man die Schwache der Argumentatiop der Gegner der Lacker Bahn naher ins Auge fasst. Dieselbe beschrankt sicb auf das einzige, iibrigens in allen moglichen Tonarten reproduzirte Thema, dciss das Bedurf- niss der Stadt Triest nur in einer erleichterten Com- munication nach Westen und Nordvest liege: diesem Bedurfnisse entspreche nur die Predilbahn; eine abge- kiirzte tSeh i enenv erh in du n g nach Norden sei fur die Stadt Triest und iiberhaupt fur den dsterreichischen Handel von keinem Interesse. (!) Wir sind weit entfernt, den Werth einer besseren Schienen- verbindung von Triest nach dem Westen und Nordwesten zu verkennen, im Gegentheile, die Triest-Ladcer Balin strebt nach dem gleichen Ziele und errreicht dasselbe schneller und v:ohlfeiler als die Predilbahn. Die Lange der Triest-Lack-Tarvis-Bahn betragt von Triest bis Lack.14.50 und von Lack nach Tarvis . . 12.— zusammen 25.50 M., die Linie Triest-Predil - Tarvis nach eige- nem Zugeben deren Anhanger.22.— es zeigt sich eine Differenz von. 3.50 M. 6 Dabei muss man in Betracht ziehen, dass von den 25 */ 2 Meilen der Triest-Lack- Tarviser Balm bereits 11 Meilen f tir lig und im Betriebe sind, und dass nur mehi' i4 l j 2 Meilen herzustellen kamen, wdlirend die game Predilstrecke von 22 Meilen erst zu bauen ivare. Ueber die enormen Schwierigkeiten, die die Predillinie zu besiegen darbietet, wird wohl keine Tauschung obschweben, und die Kosten diirften per Meile auf drei Millionen nicht zu lioch angeschlagen sein. Bechnet num dazu die Geldbeschaf- fungskosten, die Interkalarzinsen, die Vertheuerung der A-rbeit und des Materials wdhrend der mehrjahrigen Arbeitszeit , so mer den die Anlagekosten mit 100 Millionen Gulden si- cherlich nicht zu hoch veranschlagt erscheinen. Um ein derlei Kapital rentdbel m machen, um die Be- triebs- und Erhaltungskosten su ersclmingen, um den Elemen- tarzufallen die Štirne zu bieten, bedarf es der Zuschldge min- destens in der Hohe, icie der Semmering sie erheischt. Bei der hohen Steigung, die die Predilbahn charakterisirt, ist an eine gewohnliche Schnelligkeit des Verkehrs ebenfalls nicht zu denken, und es leuchtet ein, dass der Verkehr der Lacker Bahn , wiewohl dieselbe bei 3 Meilen langer wdre, schneller vor sich ginge und billiger sein miisste, als auf der Predil¬ bahn; zudem beriicksichtige man auch die Blementarzufdlle, denen die letztere voraussichtlich und unabwendbar durcli meh- rere Monate des Jahres ausgesetzt ware, welche die Kommunika- tion oft und auf in voraus unberechenbare Zeit unterbrechen wurden, und man wird auch in Bezug auf die Sicherheit des Verkehrs einen icichtigen Vortheil der Lacker Bahn als Verbindungsmittel nach Westen und Nordivesten zu- zugestehen nicht umhin konnen. Man ziehe alle diese pekuniaren und materiellen Kalkiile, und dann icage man sich noch mit der Behauptung hervor, dass die Predilbahn . vas die Kosten, die Zeit und Sicherheit des Verkehrs nach dem Westen und Nord- westen anbelangt, einen Vortheil gegen die Triest-Luck- Tarviser Bahn vor sich habe! 7 Bei der angedeuteten notorischen Qualifikation der Predilbahn ist es geradezu lacherlich, zu behaupten, dass sie geeignet ivdre, Triest von der Konkurrenz der ita- lienischen Bahnen zu erretten. Bis in das Unbegreifliche inkonsequent ist es, von der Be- kampfung jener Konkurrenz zu reden, gleicbzeitig aber durch die Predilbahn si eh die nachste und gefahrlichste Konkurrenz iiber Cividale-Caporetto d tout prix schaffen und selbst aufdringen zu ivollen. Die volle Ohnmacht der Predilbahn zeigt sich der St. Gotthardt-Bahn gegeniiber. Die Distanzen von Genua bis Basel via Gotthardt be- trageu : Von Genua — Novi.5 Meilen, „ Novi — Mailand.15 „ „ Mailand — Como.10 „ „ Como — Belinzona.10 „ „ Belinzona — Fliicken .... 15 „ „ Fliicken — Luzern.10 „ „ Luzern — Basel.10 „ zusammen 75 Meilen. Von Triest nach Basel via Predil betragen die Entfer- nungen: zusammen 120.7 Meilen. Mithin zeigt sich zu Gunsten der St. Gotthardt-Bahn eine Differenz von nahezu 46 geografischen Meilen. Diese Ziffer iiberhebt uns jeden Beweises, dass die Predil¬ bahn durchaus nicht im Stande ist, der St. Gotthardt- Bahn Konkurrenz zu rnachen, und deutet anderseits auf die Zweckmassigkeit und Nothwendigkeit hin, von Triest aus die 8 kiirzeste Verbindung mit dem Norden zu suchen und zu bewerkstelligen. Nach Norden hin von der Adria weisen die geografische Lage Cisleithaniens sowie die merkantilen und industriellen Bediirfnisse und Interessen der betreffenden Provinzen. Der na- tionale Reichthum der osterreichischen West- und Nord- provinzen Cisleithaniens ist das Objekt, welches bei der Anlegung der neuen Bahn von Triest a us entscheidend bleiben muss. Wir perhorresziren auf das entschiedenste die von deu Geg- nern der Lacker Bahn in die Welt geschleuderte Behauptung, das s die Hinterlander von Triest nicht im Stande sind und nie im Stande sein iverden, dem iiberseeischen Handel ein nennensnierthes Materiale zu liefern. Wir perhorresziren die daraus gezogene Folgerung, dass man bei Be- stimmung des Zuges der neu angestrebten Bahn auf den Norden keine Rucksicht zu nehmen habe, und haben dabei zweifels- ohne jeden Patrioten und Nationalokonomen auf unserer Seite. Man leme eben von der St. Gotthardt-Bahn den Gedan- ken wurdigen, welcher auch der Triest- Laclc-Launsdorfer Linie zu Grunde liegt , ndmlich das Anstreben der kiirsesten und ge- radesten Verbindung des Siidmeeres mit dem Norden. Die Sttaats- und Finanzmanner Preussens, Frank- reichs und Italiens und der Schtveiz erkannten jenen Gedanken als den naturlichsten und vortheilhaftesten, und nur die Anhanger der Predilbahn versteigen sich zu der Ausnahme, ihn zu verwerfen. O. Es liegt auf ber flachen Hand, dass die vorangefuhrten Argumentationen der Gegner der Lacker Bahn nur den Cha- rakter des Scheinmanovers an sich tragen. Auch die In- telligenz, iiber die sie disponiren, ist Biirge dafiir. Bevor wir iibrigens in unserer Deduction fortfahren, mus- sen wir die Versicherung voranschicken, dass wir es mit keiner Person, sondern nur mit der Saclie zu thun haben. Wir gehen 9 in unserer Unbefangenheit und Objektivitat so weit, dass wir der franzosischen Gesellschaft, als einem auf Gewinn berechne- ten TJnternehmen, das Recht, und den in derselben verwickelten Interessen gegenuber sogar die Verpflichtung zugesteben, die Verhaltnisse in allen erreichbaren Dimensionen zu ihrem Vor- theile auszuniitzen. Sie wird dafiir Reciprocitat uben und den osterreichischen Patrioten und speziell den Patrioten von Triest das Recht einraumen, jenen Tendenzen, insofern sie das Wohl des Staates und der Stadt Triest schadigen sollen, mit allen lovalen Mitteln entgegenzutreten. Auf denn zum ehrlichen Kanipfe! Vorerst ertont der Auf- ruf des Herold’s: Weg mit der Maske! Gleichgiltig ist euch „Eingeweihten“ die Lange der Predil-, gleichgiltig jene der Triest-Lacker Bahn; gleichgiltig ist es euch, oh der neue Schienentveg nach We st en oder in welcli immer fiir einer Riclitung hin gebaut mer den soli; gleichgiltig ist euch, wie viel oder icie icenig sie kosten oder wann sie ausgebaut werden soli. — Es liegt euch ausschliesslich daran, dass der Sudhahn keine Konkurrenz ericachse, dass ihr Privilegium vereicigt icerde, und dass der neue Hafenhau von Triest das Privilegium einbringe, jede Handelsbeicegung in jener Mafenstadt zu beherrschen! ■— Dies ist euer Sedan ! Pie Positionen sind demasMrt, — bald wird es sich enveisen, tvelche die haltbare war. Man hore, wie der unerbittliche Sommerfeld im „Oesterr. Oekonomisten" von seiner unzugangliclien Stellung ,,der Ehr- lichkeit“ in die Zukunft donnert: „Voruber ist die Aera des Monopolismus und der „Korruption, sie diirfen ohne Sfrafe offentlicher Brand- „markung keinen Versuch melir wagen, ihr e Polgpen- „arme nach dem, was des dffentlichen Wohles ist, aus- „zustrecken. !“ — Man erbebe vor dem Flammenschtverte der dffentlichen Meinung, das Jeden zuriickdrdngt, der zu egoistischen Zicecken das Gebiet der allgemeinen Wohlfahrt zu verletzen sich erkuhnt ! Als die Frage des Hafenbaues von Triest auftauchte, da waren der dortige Stadtrath und die Handelskammer, sowie alle 10 unbefangenen Einwohner, in der Verurtheilung des Talebot- schen Projektes einig und entsandten eine Unzahl Remonstra- tionen, Beschwerden, Denkschriften und Deputationen gegeii dasselbe. In diesem Punkte herrscht nocb die Einigkeit fort, doch ist sie nunmehr unnutz, da der Hafenbau im Sinne der fran¬ zosischen Gesellschaft als eine vollendete Thatsacbe zu be- trachten ist. Als jedocb mit der Prage des Hafenbaues die Predilbahn- Angelegenheit auf die Oberflache kam, war die Einigkeit zwi- schen dem Stadtrathe und der Handelskammer zerstort. Letztere erschtvang sich unseres Wissens nie zu dem Ge- danken, dass die Predilbahn- und die Hafenbaufrage iden- tisch seien und beide in der Tendenz gipfeln, der franzo- sischen Gesellschaft das Sii db ahn-Pr i v i l e g i u m und nebst dem die Beherrschung des Triester Hafens zu sichern. Mit grosser Feinheit umrde dieser heiMe Punld bei den Handelslcammersitzungen jederzeit umgangen, und deshalb seben wir noch keute die Majoritat der Handelskammer in einer Rich- tung gegen die franzosische Gesellschaft ivirken, in der andern aber, namlich der Predilfrage, dem Monopolis- mus in die Pande arbeiten. Wir bekennen uns zu der Ansicht des Stadtrathes und der Handelskammer von Triest, dass der neue Hafenbau der franzosischen Gesellschaft ein Monopol iiber alle Handels- bewegungen von einiger Bedeutung in dem dortigen Hafen zu sichern geeignet ist. Die Bauten sind ja derart angelegt, dass sie den Sudbahnhof und die dazu gehorigen Rdumlichkeiten um- klammern, und dass es geradezu unmoglich sein icird, irgend ein Im- oder Export-Geschaft zu unternehmen, ohne der franzosischen Gesellschaft zinspflichtig zu sein. Diese Ueberzeugung ist in Triest in alle unbefangenen, selbst in niedere Kreise gedrungen. Hievon ein Beispiel: Als der Verfasser dieses Aufsatzes im heurigen Sommer die Hafenbauten vom Meer aus besichtigte, sagte er dem Gon- 11 delfuhrer: Questo nuovo porto šara una bella cosa. — Worauf ihm dieser mit einer eigenthiimlich ironischen Miene nach einer kleinen Pause erwiederte: Sior si — šara una bella cosa! — Non La vede, che vien fabbricato soltando per la sta¬ dione! — (Pause.) Questo sa da noi ogni facchino. So urtheilt das Volk in Triest liber den Hafenbau. Es kann nicht ferne sein, dass es auch iiber die Predilbahn das analoge Urtheil fallen wird. Die Neutralisirung jeder ernsten Konkurrenz der Siidbcthn vrurde durch die Predilbahn mittelst der Ho/ie der Kapitalsanlagen, der Betriebskosten, mithin durch die dadurch bedingten hohen Tarif'satze derselben, dann mittelst des prekdren, unsichern Verkehrs, ivelcher auf derselben voraussichtUch durch mehrere Monate des Jah- res eintreten muss, vollkommen erreicht icerden. Wir konnen nicht umhin, bei diesem Punkte abermals einen Seitenblick auf die Triester Handelskammer zu werfen, welche sich so oft und so laut gegen die Tarife der Sudbahn mit Redit ereifert und die N o th w e n digkeil des Baues einer ziveiten unabhangigen Balin con Triest aus befunvortet hal, nun aber durch den Anschluss ihrer Majoritat an das Predilprojekt eh en jenes Mittel protegirt, das eine Her- abminderung der Tarifsatze der Sudbahn fiir immer be- seitigen soli. Die Triester Handelskammer war es auch, welche, als im Jahre 1870 der Peichsraths-Ausschussbericht liber die Predil¬ bahn bekannt wurde, dagegen protestirte, dass dieselbe nur bis Gorz und nicht unmittelbar bis Triest gefuhrt werden solite , auch sprach sie sich, wenn wir nicht irren, fur einen zweiten von der Sudbahnstation unabhangigen Bahnhof aus. Um dieser Anforderung seheinbar gerecht zu werden und die Handelskammer als einzigen Stutzpunkt in Triest nicht von sich zu stossen, muss nun das Gaukelspiel aufgefuhrt werden, dass man sich den Schein gibt, als wenn man thatsachlich da- ran dachte, die Predilbahn von Gorz bis Triest zu verlangern. Eine solche Abnormitat, wie diese Parallelbahn Gorz-Triest. hat die Welt noch nicht aufzmveisen, und wir durfen es Oester- 12 reich zumuthen, dass es sich nicht herbeilassen wird, mit einem derlei finanziellen Unsinn voranzugehen. Die Strecke Triest uber Vallone nach Servola wiirde zwar nur circa 7 1 /* Meilen lang sein, allein die Schwierigkeiten, die auf derselben zu besiegen sind, in deren Aufzahlung wir uns hier der Kurze balber nicbt einlassen konnen, sind so kolos- saler Natur, dass sie den Schwierigkeiten auf dem eigentlichen Predil an Intensitat nicbt nachstehen, dass dalier jener Trakt allein uber 20 MiTlionen kosten wurde. Der Gedanke, eine solche Summe auszuwerfen, nur um der Sudbahn auf der gleichen Strecke Konkurrenz zu machen, ist geradezu widersinnnig. Entweder tcurde diese Summe von einer Gesellschaft zur Bisposition gestellt werden, dann liatte der Staat nebst der Sudbahn meh jener Gesellschaft die Garantie zu lei- sten, oder wurde der Staat selbst jenes Kapital auslegen , dann hatte er mindestens die Einbusse der Interessen von die- sem Kapitale jahrlich mit circa 1 Million Gulden zu erleiden. In jedem dieser Fdlle erwiichse ihm eine doppelte Last, und diese involvirt eine finanzielle Ungeheuerlichkeit. Auch der vorgebliche Plan der Anlegung des neuen Balm- hofes, ivestlich zunachst des Sudbahnhofes, muss jedem Lokal- kundigen als eine krasse Fopperei erscheinen. Man will diesen neuen Bahnbof an die ungeschiitzteste Stelle der Pliede — cmsser dem Bereiche des neuen Hafens , an eine Stelle, zu der die Kommunikation mit der Stadt dusserst beengt und an der Meeresseite durch die Baumlichkeiten des Sudbahnhofes unterschnitten ist, an eine Stelle, wo es zur Auf- fuhrung von Privatgebauden nicht eine Spanne Boden gibt, ■— verlegen! I)ort angebracht, passte er allerdings in den Plan des Monopolismus, denn ein solches „Aschenbrodel (i umre in der Wirthschaft der franzosischen Gesellschaft wa/tr¬ li c h unschadlich ! Bei solchem Thatbestande wagen es die Herren Predilisten in der „Triester Zeitung" Nr. 268 vom 23. November d. J. dem derart vereinten Bahnbofe das Wort zu reden und damit so 13 vielen kockeinsicktsvollen Kaufherren und sonstigen unabk&ngi- gen, fiir das Wokl von Triest ernstest besorgten Mannern in das Gesickt zu scklagen! AUein gleicligiltig ist es, wohin der Predilbahnhof zu stehen Mme, denn die Predilbahn bliebe stets die Sicherung der Privilegien der Sudbahn. Das Vorschiitzen des Baues eines neuen Traktes Gorz- Triest ersckeint uns als eine analoge Falle, wie es das in dem ominosen Aussckussberickte vom vorigen Jalire gestellte be- scbeidene Verlangen war, fiir das erste Jahr aus dem Staats- schatze fiir den Predilbau nur 3 Millionen zu verlangen, und welchem Verlangen das Korollar anklebte, dass sich der Staat in eine grossartige — ungluckselige — Finanmperation zu Gunsten der franzosischen Gesellschaft hatte einlassen miissen. Man sieht, „die Zukunftsherren an der See“ baben das Fischen griindliclr gelernt. Der Fisch schluckt nur einen kleinen Koder, jedock in demselben steckt die spitze Angel, und an die- ser ist die feste Scknur befestiget, die die Beute ans Trockene bringt. Mit Beckt betrackteten der Stadtratk, die Handelskam- mer und die gesammte Bevolkerung von Triest das Gesckenk der franzosiscken Gesellsckaft bei Lieferung des Planeš und Uebernakme des Hafenbaues mit Misstrauen. Dasselbe ist aus analogen Grunden auch gegen das iveiters beabsiclitigte Ge- schenlc der Predilbahn vollends gerechtfertigt. Ist etwa nickt Jedermann damit einverstanden, dass jenes Gesckenk dem Bosse der Griecken von Troja glick ? — Man wird die Bedeutung dieser Parallele erst vollkommen erfassen, wenn der Freihafen von Triest aufgehoben sein ivird , und die Folgen tviirden nickt nur von jener Hafenstadt aUein, sondern von ganz Oesterreich bitter empfunden werden, wenn diesem Attentate nickt durch eine von der Sudbahn vollstandig unabhdngige neue Sc h i e nenver b i n du ng vorgebeugt iv er den umrde. Verehrliche Herren der Handelskammer von Triest , stirn- men Sie nickt mit uns iiberein ? oder solite es moglich sein, dass Sie einer eriveiterten „Rucksichtnahme auf eine etivaige Anleihe“ beistimmen konnten? 14 Wir wiederholen schliesslich unsere aufgestel 1 te Behauptung: IJie Predilbahn wurde, verni sie zur Ausfiihrung kame, jede ernste Konkurrenz der franzosischen Gesell- schaft gegenuber fiir undenkliche Zeiten rereiteln und ihr das Monopol im Triester Hafen zn m unberechenbaren Nachtheile des bsterreichischen Mandel.s- und speziell der Triester Handelswelt vielleicht auf Jahrhunderte sichern. Die Triest - J .nek- Grafenstein - Launsdorfer Balin ist das einzige, natiirliche Mittel zur Atmendung einer solcli unermesslichen Kalamitat. LAIBACH, 12. Dezember 1871. . t. t. Druck von Ign. v. Klemmayr & i v ed. Bambergf in Laibacli. Ira Selbstverlage.