ZUM Mutzen und Vergnügen. Freytag den 2Z. May 182Z. L h a u d a. (Beschluß.) thievena sah sich kaum mit ihrer Tochter allein, so siel sie lhrum den Hals,drückcesie an ihreBrustund rief: „End-!lch, meine liebe Lhauda, endlich fängt die Prophezeih-Ung der Zigeunerinn an, sich zu erfüllcn. Du bist zwar ^vch nichtKöniginn, aber doch schon eine vornchmeDame, la, «ine vornehmeDame!" — Claudine schien in Gedanken verloren. „Wie," sagte die Mutter, „denkst du noch 6n diesen Ianin, der so lange zögerte, und dich nur *ö«, Weiler dich nicht entehren konnte ?" — „Ich sehne wich nicht nach Ianin," sagte das Mädchen: „ich lie-^ ihn „icht mehr; aber er ist jung, und dieser Herr ^ eZ nicht." —„Dein Vater war auch nicht mehr jung, ^6'ch ihn hcirathete, und wir waren dennoch glücklich. "H, meine liebe Claudine, welcher Ruhm für dich, "' der Kirche in dem Stuhl des Barons zu sitzen! Wo ^U vorbeygehst, wird man sagen: Das illFrau v. Am-vlerieur! Wer tommt dort? Frau v. Amplerieu)-! ^^atz fi'lr die Frau v. Amplerieux! Es lebe Frau 0. "Mplerieur! Und welche Ehre für mich, zu sagen: Frau b» Amplerieux, meine Tochter! Keine Arbeit mehr, "ine Müh«, keine Furcht vor schlechtem Wetter, kein fangen vor dem Winter.' Gutes Kaminfeuer, guten "fch! Wir werden Alle zehn Jahrelanger leben, vorausgesetzt, daß ich nichtvor Freude plötzlich hinsterbe. Keine Minute soll dein Glück langer verschoben werden, «ort, suchen wir den Vater, um ihm zu sage,»/ daß " Königinn von Amplerieux —nein, Urau 0. A-nole, l"«l geworden bist.^ Sobald der ehrliche Pierro soine Frau geHort hat< le, sagte er zornig: „Thörinn du, ich will einen Schwiegersohn , an dessen Tisch ich mich ohne viele Compli-menre setzen kann, und der ohne Erröthen Platz an-dem meinigen nehmen kann. Es würde deiner Tochter schön stehen, ihr RasMeib abzulegen, und sich in Sammet zu kleiden ! Ist sie an einen vornehmen Mann verheirathet, so wird sie bald lernen. Alles zu verachten, waS ihr bisher Freude und Vergnügen gemacht hat. Alles, selbst ihre Ältern nicht aufgenommen. Die leben« de Lhauda wäre todt fur uns; ich hasse die Menschen, die Brot essen, ohne zu wissen, welche Mühe es kostet, das Getreide zu säen und einzusammeln; meiner Tochter Mann soll arbeiten, und das Brot verdienen, das er ißt. Was würden die schönen Damen und die vornehmen Fräulein sagen, wenn sie die Lhauda hier sich vorgezogen sähen ? Was unsere Nachbarn, die Frauen und Madchen des Dorfes? Noch ein Mahl, Thieoena, du bist toll! Laß mich mit solchen Einbildungen!" Thievena und Claubine wagten nicht zu ailtworten ; der gute Pierro war heftig „nd zuweilen grob. Sie lie, ßen die Freunde und Verwandte, Nachbarn und Nachbarinnen für sich reden. Pierro war unerschütterlich. Wie sollte man dem Herrn v. Amplerieux gtssel>>n. dasi «in armer Winzer ihm seine Tochter verweigeret Thievena begab sich heimlich, ins Schloß. Der Herr v. Ampllrieux sah es ihrem bestürzten Gesichte an, welche Antwort sie brachte; ali er aber erfuhr, woher der Widerstand ic-nme, verzweifelte er nicht a>n Siege. „Pierro," s^gre er, „will nicht «imuilligen, daß ich euch zu mir erhebe; gut, so werde ich l^ich zu euch hn« abesse!,. Haltet die Säche-geheim; unterrichtet T^!U-dil>en; und wenn ihr mich bey dem ehrlichen Pierro sehr, so ^hnt Beydi,.als kenntet il>r mich nicht." Herr V. Amplerieux ließ seine Leute rufen, «m-< pfahl^ihnen das tiefste Schweigen auf alle Fragen, welche man wegen der nun vorzunehmenden Lebensweise an sie thun werde, und,v^lleß,sein Schloß, um sich in einer Schäferey eln^n'ichten, die er am Ende des Dorfs besaß» Am folgenden Tage führte er, als Hirte verkleidet und.unter d«m Nahm-en Lu^as, s>ine Heerde an die Umzäunung von Pierro's Wem bergen. ,Lucas ^ war. so artig, wachte so sorgfältig über die Heerde, da-WWit sie nichts verderbe, lobte so geschickt Pierro's Arbeit, seine Ausdauer, die Bescheidenheit seiner Wünsche, und die Weisheit seiner Reben, baß er in kurzer Zeit sehr greße Fortschritte m Pierro's Gunst ,machte. Pierro und Lucas waren bald unzertrennlich. Lhauda und Thieoena, die Ler etwas alte Seladon heimlich sah und in s«n Vertrauen zog, unterstützten ihn nach Kräften. Indessen erhielt Ianin zu Lyon täglich neue Auftrage, neue Befehle, welche seine Abreise nach Bacher in die Lange z»gen. Die Briefe, die er an Lhauda und ihren Vater schrieb, kamen nicht in deren Hände, und Hie Nachrichten von seiner Schönen, obgleich nicht der Art, daß sie ihm lebhafte Unruhe ein-gefiößt hätten, bewiesen doch, daß sie seine Abwesenheit nicht zu schmerzvoll ertrage. Als Herr v. Ampleneux sich in Pierr—> «Ich habe anders Mittel zur Hand, als weinen Schäfer-ftab," sagte Luoas: „vielleicht ließe Thievena sich gewinnen. Claudme betreffend, so habe ich wenig Hoffnung, ihr Liebe einzuflößen; aber in der Haushaltung tlt es genug, wenn nur kein Widerwille herrscht. War' ich eurer Einwilligung so gewiß, als d«r ihrigen ....« —' „Der memigen, lieberLucas? Ich gebe sie euch!" — Er reichte ihm die Hand, und sie gaben>sich gegen« seicig das Versprechen. Lucas hielt den Augenblick für Zünftig,die Maske abzulegen und'Pierro.zu enttäusche». Dieser ward, als er Herrn v. Amplerieurs Verichr gehört hatte, unruhig, wollte Entschuldigungen stammeln, und.gebachte de^ Schreibers, deffen er ganz vergessen hatte. „Er ist ein junger Wüstling," sagte der Paroü, ^,er denkt nur an seine Vergnügungen. Liebte er enre Tochter wahrhaft, so wär' er jetzt hier: seine Geschähe in Lyon sind ssit mehrern Wochen geendigt; aber er findet immer nene Vorwande, seinen Aufenthalt in jener Stadt zu verlängern, und ich weiß, daß er dort ein ausschweifendes Leben fübrt. Uebrigens liebt ibn eure Tochter nicht mehr, und ihre Ehe müßte noch» wendig unglücklich werden." Pitrro sah sich von allen Seiten gefangen, und jeden Versuch fruchtlos, dei Barons Wünschen sich zu entziehen. Er reichte ihm eno-lich die Hand und willigte ein. Die Nachricht von einer so ungewöhnlichen und ungleichen Verbindung verbreitete sich bald in dem ganzen Lande. Der,Adel schrieZeter: S.'ättereytN, satyriiche Verse und Liedchen regnete es von allen Seiren her. Man sprach in Lyon von der Sache. Ianin fand sie .zu unwahrscheinlich, zu unerwartet, verließ aber doch die Stadt in,aller Eile und reiste nach Nachet. Ec .,kam um Mitternacht an, klopfte an allen Tho-en det Schlosses, und sah sich überall von den Dienern des Barons zurückgewiesen, die Befehl hatten, ihn »ncht zu kennen. Er eilte an Pierro's Hütte, klopfte: Niemand öffnet. Niemand antwortet. Er war in Verzweig lung. Der Gedanke, dasi Lhauda für ihn verloren sey, brachte Schmers und Tod in seine Seele >als er abtl dachte, daß ein Anderer Lhauda besitze, eröffnete sich sein Herz, das sich der Hoffnung verschloß, der Eifersucht, und nldü'i erste Liebe. Sie kann mich nichc »ergessen haben!" Er stürzte in den Wald,und brach, te den Rest der Nacht dort zu. Der Morgen stieg herauf, das Dörfchen ward lt. ötndig. Kanonen donnerten,-Glocken Klangen, Trompeten schmetterten; Gesang, Freud«lgeschrey, Bänder, Kränze, Blumengewinde, Alles verkündigte das Hoch-zettfest des Herrn v. Amplerieu.r. Der arme Ianin! Pierro sprechen, Lhauda einen Augenblick sehen— was boffte er nicht davon für sein Herz, in welchem Liebe Und Haß, dai bessere Gefühl und das Bild seiner Schmach furchtbar kämpfend wechselten! Er hörte den Jubel im Schlosse, uud durfte sich nicht nahen! Ec sah ^laudine am Arm des Barons durch den Garten gehen, u»d dmfce sie nicht von seiner Seite reißen! Claudme ^ttt ihn durch das Gebüsch schleichen sehen , sie erröthe-^> „Glaubten wir denn nicht Alle <—sagte sie zu sich selb>r-— Ianin sey in Lyon und habe meiner vergessen ? "^an hat mich also getäuscht? Was ist vorgefallen^ Durch l^che Mittel hat man den armen Ianin entfernt.gehalten ?" Die Frage« drängten sich in ihrem Gnst uud "ersetzten sie in lebhafte Bewegung. Am Fuße des Schlosses braust ein reißender Berg- <"'oin h„rch die dunkeln Felsen hin; dem Schloß gegen- ^ber erhebt sich «in steiler, nackter Felsenzahn, der '"bet das kühle Bett heraushangt, und dem Schloß so "a,he ist, daß man Alles sehen kann, was in demselben "°rgtht. Ianin, furchtlos wie die Verzweiflung, ersticq kn Gipfel der Höhe, und fand/so wie die Kerzen im schlosst heller brannten, und die ihm,so sehr bekann- ^n Umgebungen durch ein mildes Mondlicht beleuchtet ^rvorlraten, Nahrung genug für sein von der Leiden- lhafc einsiammtes Herz. Aber bald verhüllten Wolken en Mond, die Mnslt im Schlosse verttang, die Lich- " verlosch»,,, und e< wnrde sinsier dort wie am stern- "!'«" Himmel. Stint Verzweiflung wird zum Wahn. -sinn. E< tritt auf-den -Naud der Klippe/-reißt fein Pi-stol aus dem Busen, schießt sich die Kftgel durch den Kopf und stürzt in den Abgrund hinab. Claudine hatte den Schuß gehört, Angst,, Sor.-gH,—.,vielleicht Liebe verschlossen ihr He.fz, .und hießen sie des Unglücklichen denke«, dessen Spur man vergeblich in ber -Gegend suchte, und, dessen.Schüksal ersi am folgenden Tage bekannt ward. Der B^ron war nicht l^-nge im Besitz der schonen Göttinn, so sing er sem vorigesLeben wieder,«« ;'er glaubte selbst, eine Zeitlang getraimn.zu h^ben, und mm wieder erwachen zu müsseil. Der ehrliche ,Pierro wur« de in jeine Weinberge, Thievena..an ihren Heerd.zurückgeschickt und nicht mehr in d«m «Schloß aufgenom» men; nnr mit Mühe erhielt Fr^u v.Amplerieux zuwei» len die Erlaubniß, sich so weit Hu erniedrigen, heimlich ihre armen, alten Altern, zu besuchen. Pierro hatte sein Unglück vollMgejehsil: er duldete und schwieg. Ader die Eitelkeit Thivvena's, die so schmählich getauscht war, verwandelte ihre Zunge in ein grimmiges Schwert, .sobald die Nede von ihrem Herrn Schwii-Hersohn war. Doch lange liest der Himmel Lhauda dieseS dlü-cken,de Los nicht trageil. Herr r. Amplerieux starb, und setzte Claudme zur Erbinn seines ganzen Vermögens .sin: dieses war bedeurend. Der erste Gebrauch/ welchen sie davonmachte, war, dasi sie ihre Ältern reichlich versorgte, und. zu Ianins Andenken ein einfaches Mo» liument auf dem,Felsen über dem Bache errichten ließ. .Man sah daselbst eine weibliche Gestüt, bi» Blumen in eine leere Urne wirfr. Frau v. Amplerieux blieb nicht im ruhigen Besitz der großen Güter ihres Gatten. Die Seitenverwandten strömten herbey, sie zu plün« dern: die Ungleichheit der Geburt wurde ein Grund zu Verfolgungen. Die Heirath selbst wurde als unrechtmäßig angegriffen. Die Sache wurde ernsthaft, man leitete einen Prozeß ein, nnd Frau v. Amplerieux sah sich gezwungen , nach Paris zu gehen , um ihre Rechte zu vertheidigen. Man übersah hier ihre Schönheit nicht; sie fand mächtige Beschützer. Der Marichall de Lhopiral, über sicbenzig Jahre alt, seit mehreren Jahren Witwer, war ihr eifrigster Gönner. Sein Ansl° hcn tonitte dem Rechte der schönen Dame den Ausschlag geben. Ein Wort von ihm... Aber er wollte, wie tl sagte, dem Nuf der z'ungen Frau nicht zu nah« treten... man konnte Verbindungen Mltthmaßen ... kurz, er bath zuvor um ihre Hand, ehe er ihre Sache betreiben zu dürfen vorgab. Sein Nahme, fein Rang schmeichelte ClauoinenK Eitelkeit Eine Verbindung mit einem Greis war ihr nichts Neues; sie wußte, daß alte (Hatten, wenn sie unbequem sind/ es nicht langF sind. Es schien in der That, als habe sie dem alten Marschall nur die Hand gereicht, um ihm schneller und angenehmer in das Grab steigen ';u helfen. Nach einigen Monathen machte der Marschall de Lbcpital des Herrn v. Amplerielv Ve-kanncschasr am Strande desStix, und ließ seine Frau etwas »irmer Zurück, als er sie geheirathet hatte; denn außer einigen Schulden hatt« er ihr nichts zugebracht. Claudine oezahlce in ihnen den Nahmen der Frau Mar-schallinn de Lhopital. Thievena horte mit Entzücken die Heirath ihrer Tochter mir einem Mcnschall von Frankreich ankündigen. Noch war sie nichts weniger als von ihrer Eit?tttit geheut; durch die Worte: Die Frau Mar-schallinn dt Ldopital, meine Tochter, ja, meine Tochter t tastete sie sib wegen der Schmach, die sie Herr v. Amplerieu? hatte erfahren lassen. Allein Pierro war^ weit entfern, sich dieser neuen Heirath zu freuen, und sagte betrübt: „Ach, es ist weit von hier bis Paris; ich werd« nun meine Tochter nicht mehr an mein Herzdrücken ; ihre Hand wird nichl mehr in der meinigen ruhen !" „Es handelt sich hier, sagte Thievena, um unsers Kindes, und nicht um unser Glück. Jetzt ist sie Marschal-linn, hernach wird sie Prinzessinn, und dann Königinn, ja, dann Königinn. Das Zigeunerweib hat es gesagt." Ein Prinz, der Jesuit, Cardinal und Monarch gewesen war, Johann Cäsimir II., König von Pohlen, hHtte der Kroc:e entsagt, und sich nach Frankreich zurückgezogen,, wo ihm Ludwig XIV. die Adten Samt-Germ2m-deZ-PröS als Residenz gab. Dieser Prinz, 'dex aufgehört hatte, König und Jesuit zu seyn, wurde der liebenswürdigste und galanteste Mann von der Welt, ssh die schöne Mancdcnlmn de Lhovital, wurde uvn ihren Reihen hingerissen , nnd war so glücklrch, ihr ^u gefalle. Er heirathett s" heimlich; das Geheimniß wurde aber bald durch die emhüllt, deren Eigenliebe es vl'wundet?, und wenn Claudine nicht öffentlich deil Titel einer Königinn erhielt, so wußt« dochIederman, dasi sie die Gemahlinn eines Ksnlgs war. Die Nach' richt kam in die niedrige Aittte ihres Vaters, der aui Kummer starb, wahrend die Freude ihre Mutter to'^ tete. Johann C'o gerieth si< ^ auf den sinnreichen Einfall, das Almosengeben mehr zü beschränken. Bisher h^tte sie nähmlich alle Wochen ast einem bestimmten Tage einer Hausarmen l kr. gespen^ det; dieser wurde daher jetzt bedeutet; daß sie von nun an die milde Gabe nur jede zweyte Woche von ihr i« « Zlitunft ebzuhohlen hatte. Auf diese Weise wollte sit ^ ihren besonders- beym Feder.- und Borstenvieh erlittenen Schaden nach und »ach wieder einzubringen suchet Eedruckt b « y IZnai A ! oy 5 (5 dl« n von Klcinmayr.