preis ganzjährig: Österreich 2'50 5, Deutschland 2 ?Dark, ötalien 6 Lire, Ungarn 2-50 pengö, Tschechoslowakei 12 čK, Jugoslawien 25 Dinar, Schweiz 2-50 Franken, übriges Ausland 2 ©oldmark. Unser Reisiger Vater pius XI. hat wie schon früher papst pius X. der "Redaktion, den Abonnenten und Wohltätern den Apostolischen Segen erteilt. Für Wohltäter werden wöchentlich zwei heilige Messen gelesen. ?Dit Empfehlung der hochwür-digsten Oberhirten von ßrixen, Grünn, ©raz, Ueitmeritz, Linz, Olmütz, Marburg, ürient, Driest und Wien. Rest 5. Mai 1929. XXXII. Jahrgang. Bö Abreise in die (Tnfsion. BB Ich Sann ben Blick nicht tion end) wenden. Ich muß euch anschaun immerdar. Wie reicht ihr mit geschäftigen Händen Den Schiffern eure Habe bar. Mit solcher Teilnahme spricht ein Dichter zu Auswanderern, die ihr Glück in einem fremden Erdteil suchen wollten. Noch viel mehr aber verdienen unser Interesse Missionäre, die das Schiff besteigen nicht um anderswo eine Existenz zu suchen, sondern nur um dem Ruf des Heilandes zu folgen: Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie. Wir bewundern die ausziehenden Missionäre wegen der großen Opfer, die sie bringen, wegen der Gnade, die sie zu diesen Opfern befähigt hat, und wegen der Ehre, Glaubensboten Jesu Christi sein zu dürfen. Auch wir hatten wieder Gelegenheit, eine so tapfere Truppe zu bewundern. Als unser Hochwürdigster Pater General voriges Jahr aus Afrika zurückkehrte, war es seine erste Sorge, weitere Arbeitskräfte in die Mission hinüber zu schicke». Die Glücklichen, die das Los traf, sind: 1. P. Franz Tremmel, bisher Präfekt im Missionsseminar St. Josef Ellwangen. 2. P. Adolf Stadtmüller, Primiziant vom vorigen Jahr. 3. Br. Taver Dorn, Gärtner, bisher im Missionshaus in Graz. 4. Br. Anton Hilmer, Wagner, bisher im Missionshaus in Brixen. Einer besonderen Vorbereitung mußten sich noch die beiden Patres unterziehen. Sie sollten die englische Sprache vollständig beherrschen, um sich drüben mit der ganzen Kraft auf die Eingebornensprache verlegen zu können. Unter der Leitung des Hochw. Pater Rektors, Alois Jpfel-kofer, der im englisch-ägyptischen Sudan viele Jahre Gelegenheit hatte, diese Sprache zu sprechen, machten die hochwürdigen Schüler rasche Fortschritte. Immer sah man die drei Engländer beisammen, beim Unterricht, bei Tisch und bei der Erholung, verstanden aber hat man nichts mehr. Ans Weihnachten ging der Kurs zu Ende. Nun durften alle noch einmal in die Heimat zum Abschied. Mit Freude und Dank hat das Missionshaus die Kunde entgegengenommen, daß bei allen die Heimat gelegentlich der Abschiedsbesuche und Abschiedspredigten die großen Reisekosten gedeckt hat. Gott lohne es allen Gebern mit ewigen Gütern! Besonderen Dank 1 aber schulden wir alle den Eltern dieser Missionäre, die das größte Opfer gebracht haben. Sie haben von ihren Söhnen keine Unterstützung zu erwarten, sie können sie nicht mehr besuchen oder ihren Lebensabend bei ihnen verbringen, schiedsfeier. Am 1. März fuhren sie ab nach Hamburg und am Montag den 4. März bestiegen sie ihr Schiff Watussi, auf dem sie nun einen vollen Monat zubringen müssen. Wir beten für sie in dieser Zeit alle Tage Vier unserer Missionare, die am 4. März nach Transvaal abgereist sind. (Von links nach rechts: Br. Anton Hilmer, F. 8. C., Hochw. P. Franz Tremmel, F. 8. C., Br. Taver Dorn, F. 8. 0., und Hochw. P. Adolf Stadtmüller, F. 8. C.) sie haben sie ganz Gott dem Herrn gegeben. Wir wünschen ihnen ein seliges Wiedersehen mit ihnen im Himmel. Die letzten Tage vor der Abreise verbrachten die Missionäre in unserem Hause in Ellwangen. Bei den Zöglingen war eine gemeinsame Ab- um eine gute Überfahrt. Der hl. Josef, in dessen Monat sie reisen, möge sie beschützen. Mögen solche Abschiedsfeiern von Missionären, die immer ein erhebendes Ereignis für das Missionshaus sind, noch recht oft wiederkehren Missionsseminar St. Josef. Lin schwarzer Cdelmann. Von Hochw. P. Josef Singer er, F. 8. C. (Schluß.) Unterwürfigkeit. Doch das Mißgeschick, daß er den verlangten Ausweis seiner Glaubenszngehörigkeit nicht bei sich hatte, nahm der arme Bursche so ernst, daß er es als Verbot betrachtete, die j heiligen Sakramente zu empfangen. Monatelang blieb er ihnen fern, ohne es zu wagen, um Erlaubnis dazu nachzusuchen. Er hätte wahrscheinlich noch lange so schweigend geduldet, wäre man nicht endlich durch sein ans- nehmend gutes Betragen veranlaßt worden, ihn zu fragen, warum er denn nie zu den heiligen Sakramenten gehe, da er doch jeden Tag der heiligen Messe beiwohne. Seine Antwort war dem Sinne nach: „Durfte ich es denn, nachdem mich der Pater Obere um die schriftlichen Beweise meiner Kirchenzugehörigkeit fragte und ich keine hatte?" So ernst war es denn doch von Seite des Pater Superiors nicht gemeint. Abel erzählte, wie es in seiner Heimat so schön gewesen sei, da er täglich kommunizieren konnte. Da er noch andere hinreichende Beweise erbringen konnte, gab man ihm selbstverständlich die Erlaubnis, so oft zu kommunizieren, als er sich dazu gedrängt fühle. Nun sah man ihn von da an jede Woche bei der heiligen Beichte und jeden Tag am Tische des Herrn. Als er diese Erlaubnis erhielt, sah mau, wie schwer ihm das Opfer des (vielleicht mißverstandenen) Gehorsams gefallen sein mußte: er dankte bewegt und mit Tränen in de» Augen für diese Gunst und war froher wie zuvor. Gehorsam geht ihm über alles, nach dem Wort der Weisheit: „Gehorsam ist besser als Opfer." So bleibt er nie länger in der Kirche, als es ihm seine Dienstpflichten erlauben. Nach der heiligen Messe (mit Kommunion) geht er ungesäumt seiner Arbeit nach und füllt dann die Arbeitszeit bis zum Abend vollständig aus. Am Abend, nach vollendeter Arbeit, bleibt er noch lange, bis gegen 10 oder 11 Uhr auf, betet seinen Rosenkranz in seinem stillen Kämmerlein, lernt, liest etwas und verwendet diese Zeit ungestört zur Besorgung seiner persönlichen Bedürfnisse. In der Früh ist er zeitig wieder auf, ohne geweckt zu werden, und ist dann sogleich bei der Arbeit, bis zur heiligen Messe. Frohsinn. Bei diesem stillen Opferleben ist er durchaus kein Kopfhänger. Für gewöhnlich geben allerdings die Falten an der Stirn seinem Gesichte einen besorgten Ausdruck, wie wenn er ständig in Ängsten wäre, daß er ja seine Sachen nicht falsch mache. Im Gespräch mit anderen heitert sich jedoch seine Miene wie die Sonne hinter Wolken auf. Er ist immer munter und wohlgemut, selbst bei der Arbeit. Da hört man ihn oft still vor sich hinsingen, meist geistliche Lieder, die er vormals zu Hause gelernt hat, mitunter auch lateinische Choralgesänge und Marienhymnen. Sein frohes Gemüt zeigt sich auch darin, daß er sich eigens einen Grammophon angeschafft hat, um seine Besucher am Sonntag unterhalten zu können. Am Sonntag ist sein Ruhetag. Da sitzt er in Gesellschaft einiger weniger auserlesener Freunde, gutmütiger, braver Burschen, fröhlich zusammen und kann recht aufgeräumt werden. Sie fingen und lachen, daß es eine helle Freude ist, er hilft ihnen Katechismus lernen und macht mit dem einen und andern einen kurzen Spaziergang. Niemals während seines Aufenthaltes dahier hat man beobachtet, daß er sich betrunken oder einer ausgelassenen Gesellschaft sich angeschlossen hätte. Mit keiner Frauensperson hat er jemals besondere Freundschaft angeknüpft. Dieses geregelte, arbeitsame und zurückgezogene Leben ist in einer leichtsinnigen Umgebung eine seltene Ausnahme, was bei seinem kräftigen Körperbau, seiner Jugend und dem eingefleischten Wander- und Abwechslungstrieb seiner Rasse um so höher anzuschlagen ist. Beständigkeit. Was der Neigung seiner Rasse völlig entgegen ist, ist die Beständigkeit. Abel aber führt dieses Leben immer in gleicher Weise seit dem Tage seiner Anstellung bis heute nach zwei Jahren ohne nennenswerte Abspannung, ohne die lauten Vergnügungen, welche die Neger so sehr lieben. Das stille Wetter in seinem Innern ist ständig ungetrübt, soweit es nach außen bemerkbar ist. Niemand von uns hat ihn jemals zornig oder auch nur aufgeregt gesehen, obwohl er ein gefühlvoller Mensch ist und er oft genug Anlaß gehabt hätte, das seelische Gleichgewicht zu verlieren. Es heißt: Ritze, einem Edelmann von Geburt ein wenig die Haut auf und es kommt das Tier zum Vorschein. Bei Abel ist das Umgekehrte der Fall. Äußerlich keine Spur von einem Stammadel an ihm, eher einer mißachteten Nasse und einem niedrigen Stande angehörig, tritt eben dann sein Edelsinn zutage, wenn Anlaß wäre, das Tier zu wecken. Frömmigkeit. Woher hat dieser einfache Schwarze solche Charakterstärke? Was ist es, das seinem ganzen Auftreten eine geheimnisvolleWeihe und schlichte Feinheit verleiht? Es kommt davon, daß er ans dem Glauben lebt. Der ist es, der ihm eine gediegene Frömmigkeit eingibt, und diese hinwieder erzeugt jene Liebe, die ihn seine Arbeiten vom höheren Standpunkte aus betrachten lehrt. Die Quelle dieser Gnaden hat er gefunden in dem häufigen Empfang der heiligen Sakramente und im Geiste des Gebetes. Daraus schöpft der unmittelbare Abkömmling von heidnischen Eltern die Kraft, die vererbten schlimmen Neigungen zu überwinden und die Tugenden zu erwerben, die sein ganzes Wirken so wunderbar veredeln, beseelen und vergeistigen. Ein Zug seiner Frömmigkeit ist seine Ehr- Zurzeit bestehen in unserer Apostolischen Präfektur vier ständige Seelsorgsposten für die weiße katholische Bevölkerung: Lydenburg, Wit-bank, Barberton und Ermelo. Die anderswo zerstreut lebenden Katholiken werden in längeren oder kürzeren Zwischenräumen vom Wanderseelsorger besucht und betreut. Von Witbank aus versehe ich Middelburg (35 km entfernt) regelmäßig am zweiten Sonntag jeden Monats. furcht vor dem geistlichen Stande. Sie ist nicht sklavische Furcht, denn erzeigtauch auffallende Liebe und kindliche Hingabe an seine geistlichen Vorgesetzten. Eines Tages z.B. war ein Bruder im Hause erkrankt. Da kam unser Bursche zu mir und klagte tiefbekümmert: „Bruder 1. hat heute gar kein Essen genommen, er ist krank!" Er spricht wenig mit uns, aber dafür sprechen um so deutlicher sein Auge und sein treuherziges Gesicht. Er zeigt rege Teilnahme am Wohl und Wehe seiner Herren, darum auch sein vorbildlich treuer Dienst und sein aufrichtiges Streben, ihnen in allem zu Gefallen zu sein. * * * So ist dieser unser Hausdiener nicht bloß nützlich fürs Haus, sondern auch mit seinem Beispiele für die Seele. Ich muß bekennen, daß er mir in manchen Punkten ein vorzüglicher Lehrmeister auf meinem eigenen Lebenswege ist, freilich unbewußt ihm selber, als auch auf dem Lebenswege, den ich anderen zu weisen habe. Er wäre ein Ideal, nach welchem die Erziehung der schwarzen Jugend einzurichten wäre. Sein Beispiel weist darauf hin, daß alle Schulweisheit, wenn sie auch nützlich und unter Umständen unentbehrlich ist, doch nutzlos, ja zuweilen schädlich ist ohne die noble Weisheit, die Weisheit von oben, die Abel sich anzueignen das Glück gehabt hat. Dieses traf sich beispielsweise wieder am 10. Februar dieses Jahres. Nur ungern verließ ich dieses Mal meine Witbanker Pfarrei. Ein Redemptoristenpater, den ich aus Pretoria berufen, begann nämlich an diesem Tage eine Volksmission. Am liebsten hätte ich meinen Besuch vierzehn Tage hinausgeschoben. Eine innere Stimme mahnte mich jedoch, auf jeden Fall zu gehen, so schwer es i <5 6m Sias Bier — die nächste Veranlassung zu einem Versehgang. Ü Von Hochw. P. Josef Kl assert, F. S. C. mir auch fiel. Ich benützte den letzten Zug, der j Ich entschied mich für das letztere. Ich muß Samstag abends nach Middelburg abfuhr. Um hier der Deutlichkeit halber bemerken, daß hierüber möglichst wenig von der Mission zu ver- j zulande nach den neuesten gesetzlichen Vorsäumen, hatte ich mit einer guten Witbanker schriften an einem Sonntage geistige Getränke Familie, die über ein Auto verfügte, verein- i bloß im Speisesaale des Gasthauses verbart, mich Sonntag' nachmittags von dort ab- ; abreicht werden dürfen, weshalb denn auch die zuholen. I Dame mich dahin führte und Platz nehmen Ncgermüdchen aus Transvaal in landesüblicher Tracht. tPhot. von P. F. S. C.) VIIV Tcr hochwürdige Pater schreibt als Erllärung zu seiner Aufnahme: „So finde ich meine in der Schule anständig und nett gekleideten Mädchen daheim in ihren Dörfern. Eine Hauptarbeit dieser größeren Kinder ist die Sorge für die ganz kleinen Geschwister, wenn die Mutter selbst verhindert ist. Sie werden so schon frühzeitig an das Tragen der Kinder auf dem Rücken gewöhnt." Die heilige Messe ist vorüber. Ich besuche der Gewohnheit gemäß etliche Familien des Dries, darunter zuletzt eine, welche eine Bierhalle führt. Es war bereits 12 Uhr. Es herrschte eine gewaltige Hitze und eine drückende Schwüle und ich hatte großen Durst. Nach Begrüßung und kurzer Besprechung fragte mich die gastfreundliche Dame, ob ich etwas trinken wolle, eine Tasse Tee oder Kaffee oder ein Glas Bier. ließ. Eine Tasse Kaffee oder dergleichen hätte ich im Empfangszimmer, wo ich mich gerade befand, zu mir nehmen önnen und damit wäre alles erledigt gewesen. An einem andern Tische des Speisesaales saßen zwei Herren. Bei meinem Eintritt unterbrachen sie in auffälliger Weise ihr Gespräch und hielten ihre Augen auf mich gerichtet. Alsbald redete mich der ältere von ihnen an und fragte, ob ich ein Minister sei (Minister in englisch-protestantischem Munde bedeutet einen Geistlichen irgendwelcher religiösen Sekte). Auf meine bejahende Antwort bemerkte er weiter: „Sie sind wohl römisch-katholischer Priester?" „Ja", erwiderte ich mit Nachdruck und dachte dabei, daß er eine religiöse Streitfrage auswerfen wolle. Doch dem war nicht so. Tränen traten dem guten Manne in die Augen, als er sich von seinem Sitze erhob und auf mich zukam. Er reichte mir seine Hand und mit einem Ausdruck tiefer Betrübnis sagte er: „Hochwürden, es freut mich ungemein, Sie hier so zufällig zu treffen. Wie von Gott gesandt kommen Sie mir vor." — „Nun, was ist denn los?" fragte ich teilnahmsvoll, „was kann ich für Sie tun?" -- „Pater," fuhr der Mann fort, „ich selbst gehöre zwar nicht zu Ihrer Kirche, aber meine Frau ist katholisch; sie ist krank, schwer krank; sie wird nicht mehr lange leben, der Arzt hat sie aufgegeben. Sie leidet an einer schmerzhaften und unheilbaren Krebskrankheit; jeden Tag kann es mit ihr zu Ende gehen. Vor kurzem sind wir aus Eng-land gekommen in der Hoffnung, daß das südafrikanische Klima ihr Linderung verschaffen würde, und seit Weihnachten wohnen wir hier in Middelburg im Grand Hotel. Sie ist eine gute Katholikin und wird sich unendlich freuen, Sie zu sehen." Ich dankte dem Manne, daß er mich auf seine katholische Frau aufmerksam gemacht, und erklärte ihm, daß ich sie sofort aufsuchen wolle. „Sehr gut," erwiderte er, „und Gott segne Sie!" Ohne Zögern stand ich auf und eilte zum besagten Hotel. Ich stelle mich der Hotelbesitzerin vor und frage nach der Kranken. „Schon zweimal haben wir im Verlaufe des Vormittags versucht, die Frau aus ihrem Schlaf zu wecken, jedoch ohne Erfolg. Ihr Zustand scheint mir sehr bedenklich. Bitte, kommen Sie mit mir, vielleicht wird es uns jetzt glücken." Ich trete mit der Hotelbesitzerin ins Zimmer. Der erste Blick sagte mir, daß da große Gefahr herrsche. Während ich ein Gebet spreche, bemüht sich meine Begleiterin, die Kranke zu wecken. Wirklich öffnet sie ihre Augen und beginnt über heftige Schmerzen zu klagen. „Der Priester ist da", sagte erstere zu ihr, „ und möchte Sie sprechen." Ich trete ans Bett heran, während ich die Begleiterin ersuche, mich für eine Weile allein zu lassen. Die arme Kranke zeigte große Verwunderung und Freude über mein so unerwartetes Erscheinen. Nach wenigen einleitenden Worten verhalf ich ihr zur Ablegung der heiligen Beichte, wozu sie sich sofort bereit gezeigt hatte ... Es tat mir leid, daß ich ihr nicht die heilige Wegzehrung geben konnte, da in Ermanglung einer Kirche in Middelburg das Allerheiligste nicht aufbewahrt werden kann. Ich fragte sie, ob sie die letzte Ölung empfangen wolle. „Bitte, ja!" erwiderte sie, „denn ich habe das bestimmte Gefühl, daß ich heute oder morgen sterbe." Und so eilte ich zurück zu dem Hause, wo ich in der Frühe die heilige Messe gelesen, und holte aus meinem Meßkoffer die heiligen Öle. Nach einer halben Stunde war ich wieder zur Stelle. Wacker und brav hatte die Kranke , sich gegen alle Schwäche und Erniattung int wachen Zustande erhalten. Nach Verrichtung einiger Vorbereitungsgebete spendete ich ihr das Sakrament der letzten Ölung, das sie mit viel Andacht und Sammlung empfing Am Nachmittag besuchte ich sie nochmals. Wiederum traf ich sie in tiefem Schlafe. An ihrer Seite saß ihr Gemahl tief betrübt. Zu seinem Troste sagte ich, daß ich als Priester für seine Frau alles getan und ihr all die Segnungen und Tröstungen der Religion gegeben habe, worüber die katholische Kirche in solchen Umständen verfüge, und daß sie wohlvorbereitet sei, die Reise in die Ewigkeit anzutreten, falls dies der Wille Gottes sei. In Dankbarkeit drückte er mir schweigend die Hand. Da er sah, daß ich für die Kranke ein Kruzifix und einen Rosenkranz gebracht, ließ er es sich nicht nehmen, sie zu wecken. Ich reichte ihr das Kruzifix zum Kusse und betete mit ihr einige Stoßgebete. Und nachdem ich ihr noch- metis die Absolution gegeben, nahm ich von ihr Abschied und versprach, womöglich am nächsten Tage die heilige Kommunion von Witbank bringen zu wollen. Der Mann begleitete mich bis zur Haustür. Ich bat ihn, mir zu sagen, woraus er wohl geschlossen habe, daß ich katholischer Priester sei, als ich mit ihm des Mittags im Gasthaus zusammentraf. „Well, Hochwürden, es mag Ihnen das sonderbar vorkommen, immerhin kam mir dieser bestimmte Gedanke, als ich sah, daß Sie so frei und ungezwungen ein Glas Bier verlangten. Darin sehe ich zwar durchaus nichts Böses; aber ein protestantischer Minister, z.B. der wesleyanischen oder presbyterianischen Kirche, hätte das nicht so in der Gegenwart anderer getan." Ich bemerkte ihm, daß ich in dem ganzenVorfall und dessen Folgen einwnnderbares Walten der göttlichen Vorsehung erblicke zum Troste und Segen seiner Frau. „Ja, Hochwürden, daran zweifle ich nicht. Aus baldiges Wiedersehen!" Ich sah, wie er gerührt und mit Tränen in den Augen zum Krankenzimmer zurückkehrte. Kurz daraus, um halb 5 Uhr, kam das Auto, das mich nach Witbank zurückbrachte. Der Abendgottesdienst ist vorüber. Ich sitze mit dein Re-deinptoristenpater zusammen und bespreche mit ihm die Aussichten der Mission und die Er- lebnisse des Tages. Da, gegen 10 Uhr klingelt das Telephon! „Sind Sie der katholische Priester?" — „Jawohl!" — „P. von Middelburg spricht! Meine Frau, deren Sie sich heute mittags so liebevoll angenommen haben, ist soeben gestorben!------------" Es ist mir nicht möglich, die Erregungen und Gefühle zu schildern, die sich meiner bei dieser so unerwarteten Todesnachricht bemächtigten. Es waren vor allem Gefühle des innigsten Dankes gegen Gott und seine wunderbare Vorsehung, welche mich auf eine so unscheinbare und doch so außerordentliche Weise zum Krankenbett einer Person geführt, die mir bis zu diesem Tage völlig unbekannt war, um ihr sozusagen im letzten entscheidenden Augenblicke die Sterbesakramente zu spenden. Damit verband ich heiße Gebete um die Seelenruhe der armen Frau, die, fern von ihrer Heimat und fern von ihren katholischen Kindern und Freunden, aus diesem Leben scheiden sollte und in diesem Augenblick wohl einzig auf meine Gebetshilfe rechnen durste. Alles das hielt mich im Banne bis tief in die stille Nacht hinein und erst in früher Morgenstunde senkte sich der Schlaf auf meine Lider. Und das erste beim Erwachen war wieder das inbrünstige Gebet: „O Herr, gib ihr die ewige Ruhe!" Frau Luise (Sanholzer f. Gewiß ist den „Stern"-Lesern noch der Name des Hochw. P. Wilhelm Banholzer in Erinnerung. Er hat als einer der ersten Missionäre unter den Schilluk-Negern gewirkt und durch Erforschung des Landes, insbesondere der Eingeborenensprache, für seine Nachfolger unschätzbare Pionierarbeit geleistet. Leider ist er allzu früh ein Opfer des ungesunden Klimas ge-iuorbeu. Am 20. Februar 1914 raffte ihn das Fieber hinweg. (Das Leben dieses Missionärs wird demnächst in Buchform erscheinen.) Nun ist ihm seine Mutter, Frau Luise Banholzer, am 27. Februar im Tode nachgefolgt. Sie war eine Frau, die unsere Beachtung und unseren Dank verdient. Als Mutter eines Missionärs hatte sie ein großes Opfer zu bringen. Nur ein einzigesmal im Leben durfte sie ihren Sohn als Priester sehen. P. Wilhelm Banholzer hatte sein erstes heiliges Meßopfer schon draußen in der Mission in Gesira (Ägypten) dargebracht und kam erst zehn Jahre später zu einer Ordensversammlung nach Europa zurück. Da kam er zum erstenmal als Priester in seine Heimat nach Rottweil a. Neckar. Das waren gewiß Freudentage für eine Mutter. Aber gar bald nahm der Sohn wieder Abschied von ihr, um zu seinen lieben Schilluknegern zurückzukehren. Sie hat dieses Opfer großmütig gebracht und zu diesem das Opfer des Gebetes und vieler Almosen für unsere Mission hinzu- besuchte sie ein Pfarrer aus der Umgebung, dem sie einst Studentenkosttage gegeben hatte. Auch Hochw. P. Isidor Stang, der draußen in der Mission mit ihrem Sohne wie ein Bruder Freud und Leid geteilt hatte, überraschte sie einmal mit einem lieben Besuch. Frau Luise Bauhölzer mit ihrem Sohne, Hochw. P. Bauhölzer, F. 8. C. gefügt. Sie war eine der ersten „Sterns-Leserinnen in Württemberg und hat unsere Zeitschrift bei Verwandten und Bekannten verbreitet, sie blieb Förderin bis zu ihrem Tode. Ihre letzten Lebenslage verbrachte sie im Spital zu Rottweil. Die Schwester, die sie zu pflegen hatte, meinte, eine so zufriedene und anspruchslose Frau werde man nicht leicht finden. Jeden Tag kam sie in die Kapelle zur heiligen Messe; in der letzten Zeit ließ sie sich führen. Jeden Montag In den letzten Jahren kamen auf der Durchreise öfters Patres von uns zu ihr, immer war sie erfreut und zeigte großes Interesse für unsere Mission. Als sich kürzlich wieder ein Pater im Spital nach Frau Banholzer erkundigte, da bekam er zur Antwort, sie sei vorige Woche begraben worden. Am 5. Februar hatte sie noch in guter Verfassung mit Besuch der heiligen Messe ihren achtzigsten Geburtstag gefeiert. Aber es war die letzte heilige Messe der sie beiwohnte. Es setzte ein akuter Herz-verfall ein. Am 27. Februar trat, nach Empfang aller Sterbesakramente, der nun von ihr ersehnte Tod ein. Als Hinterlassenschaft an Geld fand man fünf Pfennige. Die gute Frau hatte alles auf jener Bank angelegt, wo 7. Kapitel. Die Karawane. Debu und Dschembana verließen ihr Versteck und gingen der Karawane entgegen. Sie ließen die lange Reihe der Träger an sich vorbeiziehen. Einer der mit Gewehren bewaffneten Aufseher trat auf sie zu und fragte: „Woher des Weges?" — „Aus Bandari." — „Wohin wollt ihr?" — „Nach Abonadi. Wir möchten mit dem Führer der Karawane sprechen." — „Er wird gleich hier sein." — Endlich waren die Leute vorüber. In einem kleinen Abstande folgte der Führer, dem der Aufseher mitteilte, daß die beiden ihn zu sprechen wünschten. Er blieb stehen, ohne sich um die weiterreisende Karawane zu kümmern. „Ihr seid aus Bandari?" — „Ja. Wir möchten uns der Karawane anschließen, wenn du es erlaubst." — „Ich erlaube es, aber nur unter Bedingungen, da ich euch nicht kenne." Debu, der geglaubt hatte, daß der Karawanensührer ihnen ohne weiteres die Mitreise gestatten würde, wurde etwas verlegen. Zögernd fragte er endlich: „Welches sind die Bedingungen?" — „Die erste Bedingung besteht darin, daß ihr euch nicht von der Karawane entfernt, ohne mich zu benachrichtigen. Zweitens müßt ihr euch der Karawane nützlich erweisen. Die dritte Bedingung i|t die, daß ihr mit denen kein Wort sprecht, die ich euch noch bezeichnen werde. Nun überlegt, was ihr zu tun gedenkt, und teilt mir euren Entschluß mit." Mit diesen Worten schritt Kankassa, so hieß der Führer, davon. In schwerem Nachdenken blieben die beiden zurück. Endlich sagte Dschembana: „Der Mann gefällt mir nicht. Er hat böse, Hinterlistige Augen und ich sah, wie er dem Aufseher einen eigenartigen Blick zuwarf, den ich leider es nicht von Rost und Motten verzehrt wird. Darum hoffen wir, daß ihr Gott der Herr drüben ein gutes Plätzchen bereitet hat. Unsere Mitbrüder und alle Missionsfreunde bitten wir, der Verstorbenen int Gebete zu gedenken. P. St., F. S. C. nicht zu deuten vermag." — „Du bist schnell fertig mit deinem Urteil, Dschembana. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Bedingungen anzunehmen." — „Wüßte ich, wie weit es noch ist bis Abonadi, so würde ich lieber ohne Kankassa Weiterreisen, aber so ist es besser, uns den Bedingungen zu fügen und dem Führer eine bejahende Antwort zu geben." Sie einigten sich auf die Annahme der Bedingungen und schritten der Karawane nach. „Wir haben überlegt", sagte Debu zum Fiihrer. — „Wie ist euer Entschluß?" fragte dieser mit einem eigenartig lauernden Blick. — „Wir schließen uns der Karawane an." — „Und die Bedingungen?" — „Wir nehmen sie an." — „Gut. Ich will hoffen, daß ihr euch daran haltet, denn sonst ..." Er vollendete den Satz nicht, aber sein Blick schaute sie drohend und unheilvoll an. Nach etwa einer Stunde kamen sie in ein kleines Dorf und Kankassa gab mit einem schrillen Pfiff das Zeichen zum Halten. Die Lasten wurden abgelegt. Ein zweites Zeichen bedeutete den Leuten, nicht auseinanderzugehen, und so stellten sie sich neben ihre Lasten, um dem Führer zuzuhören. „Diese beiden Männer schließen sich der Karawane an. Ich gab ihnen die Erlaubnis unter den bekannten Bedingungen." Dann nannte er eine Menge Namen, woraufhin eine Anzahl Leute vortraten, denen er Befehl gab, nicht mit den beiden Bandarileuten zu sprechen. „Seht ihr diese Leute?" fragte Kankassa die beiden Bandariburschen. — „Ja." — „Ihr erinnert euch der dritten Bedingung. Mit diesen Leuten werdet ihr kein Wort sprechen. Tut ihr es dennoch, dann erhaltet ihr jedesmal eine Strafe, die euch an euer Versprechen erinnern wird. Seht sie euch gut an, es sind alles Leute mit den Tätowierungen ihrer Stämme." Er winkte mit der Hand und die £)er Tiäuptlmgsfot)n von bandari Der Roman eines Schwarzen von P. Johannes E m on t s, 8. C. J. (Fortsetzung.) Leute zerstreuten sich, um sich irgendwo ein Plätzchen zum Ausruhen auszusuchen und eine Stärkung zu sich zu nehmen. Sowohl die Aufseher als die Träger kamen den beiden freundlich entgegen. Gleich den Trägern erhielten sie jeden Tag ihre Nahrung und Unterkunft. Die anfängliche Mißstimmung verschwand und selbst Dschembana glaubte, sich in Kankassa getäuscht zu haben. Aber weshalb durften sie nicht mit den bezeichneten Leuten verkehren? Zwar trugen auch sie Haussahkleidüng, aber es war klar, daß es trotzdem keine Haussah waren. Wie sie auch suchten und nachdachten, sie fanden keinen stichhaltigen Grund. Am dritten Tage war die .Karawane in einem größeren Dorfe angelangt, hatte die Lasten abgelegt und begann nach den vorgeschriebenen Waschungen die üblichen Gebete. Dann ging man an die Zubereitung des Essens, das aus Betaten, Planten und Mangok bestand. Während Debu hiemit beschäftigt war, ging Dschembana zum nahen Bach Wasser holen. Unterwegs begegnete ihm einer, von den Leuten, mit denen ihm zu sprechen verboten war. Er trug in beiden Händen eine mit Wasser gefüllte Kalabasse und flüsterte im Vorbeigehen ganz leise, aber für Dschembana deutlich hörbar die Worte: „Ihr seid in Gefahr, flieht heute oder morgen. In Abonadi werdet ihr die Sklaven der Haussah." In schnellem Vorbeigehen waren diese Worte gesprochen. Dennoch war der Vorgang, wie sich bald herausstellte, von einem Haussahträger, der in der Nähe im Gras gesessen hatte, bemerkt worden. Kaum war nämlich Dschembana wieder in sein Rasthaus zurückgekehrt, als der Diener Kankassas hereinkam und ihn aufforderte, mit ihm zu gehen. Kankassa stand vor der Hütte, die ihm zur Unterkunft diente, und sprach mit einem seiner Leute. Nun schauten sie auf den ankommenden Dschembana. „Du bist soeben zum -Wasser gegangen?" fragte Kankassa. — „Ja." — „Hast du mit jemand gesprochen?" — „Nein." — „Sage die Wahrheit, sonst wird die Peitsche dir die Zunge lösen und dein Gedächtnis auffrischen. Hat jemand mit dir auf dem Wege gesprochen oder hat jemand dir etwas unterwegs gesagt?" — „Gesprochen habe ich mit niemand, doch hat mich jemand gegrüßt." — „Und sonst hat er nichts gesagt?" — „Nein." Kankassa befahl nun, den andern vorzuführen und dann stellte er mit dem Manne dasselbe Verhör an. Selbstver- ständlich leugnete er ebenfalls. „Also du hast kein Wort gesprochen?" — „Kein Wort." — „Auch keinen Gruß?" — „Doch, aber nur einen Gruß; sonst nichts." — „Dieser Mann hat es aber gesehen. Was hast du gesagt? Ich will es wissen. Denke an die Peitsche." — „Ich habe weiter nichts gesagt als einen Gruß und bin weitergegangen. Wie hätte ich mit dem Manne sprechen können, da doch andere Haussah-leute mit mir am Wasser waren und hinter mir herkamen." Alles Leugnen half nichts. Einer der Aufseher löste seine Nilpferdpeitsche; auf dieses Zeichen stürzten sechs bis sieben Träger herbei, die zuerst den einen und dann den andern festhielten. Die Hiebe sausten mit Wucht auf die armen Opfer nieder und verursachten grimmige Schmerzen. Kankassa zählte jedesmal bis zehn und zum Schluß sagte er: „Die heutigen zehn Streiche sind nur ein Vorspiel für das, was euch zuteil wird, wenn ihr nochmals meine Befehle übertretet. So, nun gehet. Der Bandarimann soll zur Strafe bis Abonadi von seinem Kameraden getrennt sein." Die letzten Worte waren an den Aufseher gerichtet, der den Dschembana in eine andere Hütte führte und den dortigen Trägern den Auftrag des Führers übermittelte. So waren die beiden Freunde bereits voneinander getrennt, noch bevor sie Abonadi erreichten. Vergebens sann Debu nach Grund und Zweck der Trennung, fand ihn jedoch nicht. 8. Kapitel. In Abonadi. Von der Höhe eines Hügelrückens aus erblickte die Karawane am nächsten Nachmittag Abonadi, das große Karawanendorf. Die Träger, die schon lange Wochen unterwegs gewesen, begrüßten das endlich erreichte und so nahe vor ihnen liegende Reiseziel mit lautem Gejohle. Die beiden Bandari schauten mit gemischten Gefühlen auf den vor ihnen liegenden Ort, der in einer weiten bäum- und strauchlosen, sonnenverbrannten Ebene lag, die allenthalben mit riesigen Felsblöcken und Gestein-bildungen bedeckt war und äußerst unfruchtbar sein mußte. Abonadi war ein typischer Hanssah-ort, in dem die vielen bienenkorbartigen Grashütten nahe zusammen lagen, aber durch Mattenzäune in eine große Zahl ausgedehnter und kleiner Gehöfte abgegrenzt wurden. Je näher man kam, desto lauter wurde das Gejohle der Träger, desto schneller wurden die Schritte, die sich erst mäßigten, als sie durch das halbzerfallene Tor ' der den Ort umschließenden Lehmmaner hindurchzogen. An den Seiten der Straßen standen Scharen von Neugierigen, die ans den frohen Marschgesang herbeigeströmt waren und nun ebenfalls mit lautem Rufen und vielem Geschrei die Ankommenden begrüßten. Bekannte eilten herbei; man tauschte Gruß und Gegengruß, gab einzelnen Trägern ein Stück Wegs das Geleite und klatschte dabei vor Freude in die Hände. Die Wege waren schmal und recht Kurz, es war ein prachtvolles Bild echten Hausfah-lebens, das auf Dschembana gewiß Eindruck gemacht hätte, wenn er nicht an die warnenden Worte jenes Mannes und an die drohende Gefahr hätte denken müssen. Debn schaute mit mehr Interesse auf dieses seltsame, nie geschaute Schauspiel, aber die schwere Last hatte ihn stark ermüdet. Hätte er geahnt, in welcher Gefahr er schwebte und was sein Freund ihm vergeblich hatte zuraunen wollen, dann wäre auch seine Anteilnahme geschwunden. In einer schlecht, aber es herrschte ein reges Leben und Treiben im Ort und besonders auf den kleinen Plätzen, auf denen die verschiedensten Dinge zum Verkauf feilgeboten wurden. Männer, Frauen und Kinder wimmelten und fluteten geschäftig durcheinander in den seltsamsten Trachten. Die Warenstände waren dicht umstanden. Händler boten laut ihre Waren zum Kaufe an. Tragesel kamen und gingen schwer bepackt daher. Reiche und vornehme Handelsherren sah man in ihren wallenden Prachtgewändern hoch zu Roß. Kessel mit dampfendem Öl standen da, ; in denen schwarze Haussahfrauen ihre Manjock-küchlein schmorten, um sie zu verkaufen. Schuster fertigten vor ihren Hütten Sandalen, Fußbekleidungen und sonstige Ledersachen an. Schneider arbeiteten mit unterschlagenen Beinen an Haussahkleidern. Auch die anderen Handwerker saßen an den Eingängen ihrer Wohnung. breiten Straße, die nicht besonders stark belebt war, machte die Karawane halt. Kankassa, der Führer, und die sechs mit Gewehren bewaffneten Aufseher untersuchten die einzelnen Lasten und teilten sie in vier größere und acht kleinere Gruppen ein. Die Händler ans Abonadi, die bereits Nachricht erhalten hatten, kamen nach und nach herbei und nahmen ihren Anteil in Augenschein. Wie es selbstverständlich war, gab es heftige Auseinandersetzungen, Schimpfereien und unvermeidlichen Wortwechsel; der eine hatte zu viel, der andere zu wenig; dem einen schienen die Waren nicht genügend verpackt, der andere behauptete, man habe etwas aus seinem Teil entwendet. Einzelne Lasten waren falsch verteilt oder hatten auf der Reise Schaden gelitten. Lange dauerte es, ehe man sich geeinigt hatte und die einzelnen Besitzer ihren Teil in ihre Gehöfte tragen ließen. Debn stand mit etwa fünfzehn Trägern ziemlich am Anfang der langen Lastenreihe. Lange besprach sich Kan-kassa mit einem vornehmen Haussah, der, nach seiner reichgestickten Tobe und seiner wertvollen Tracht zu urteilen, einer der Reichsten des Ortes sein mußte. Was mochten sie nur so lange verhandeln? Weshalb schauten sie dabei öfter so seltsam auf Debu? Dieser aber glaubte, es sei der Serki von Abonadi, mit dem der Führer über die Angelegenheit der beiden Ban-dari spreche. Aber wo ist Djchembana? Soeben hatte er noch in seiner Nähe bei einer anderen Lastengruppe gestanden, aber wie er auch suchte, jetzt fand er ihn nicht mehr. Sosehr ihn das auch beunruhigte, so tröstete er sich mit dem Gedanken, daß sich später alle Träger an einem bestimmten Unterkunftsgehöft zusammenfinden würden. Endlich schienen Kankassa und der reiche Handelsmann einig geworden zu sein; sie grüßten sich und reichten sich zum Abschied die Hand. Der Aufseher gab das Zeichen zum Aufnehmen der Lasten, und schnellen Schrittes ging es in ein nicht weit abgelegenes Gehöft. Der reiche Handelsm aun gin g als letzter hinterher, gab Befehl, alles in einer geräumigen Hütte zu verstauen und unterhielt sich angelegentlich mit dem Aufseher, dem er etwas in die Hand drückte. Die Träger wurden entlohnt und gingen davon. Als letzter stand Debu da, der keinen Lohn erwartete, sich aber mit den Leuten entkernen wollte. „Komm hieher," rief der Handelsmann ihm zu, „wie heißt du?" — „Debu" — „Bist du kein Haussah?" —„Nein." — „So gehörst du zu ben Äaftri?"1 Debu antwortete nicht, sondern schaute kühn dem Mann ins Auge. „Woher bist du?" fragte der Haussah weiter. — „Aus dem Stamme der Bandari." — „Kaukassa sagte mir, daß du und ein anderer Bandari vor dem umgehenden Tode geflohen seid." — „Ja." — „Und ihr wollt euch beide einer Karawane zum großen Wasser anschließen?" — „So ist es." — „Daran habt ihr gut getan. Da euer Aufenthalt in eurem Stamme unmöglich war, so seid ihr uns beide willkommen. Als Träger könnt ihr uns gute Dienste leisten. In Zukunft wirst du meine Lasten tragen, während dein Freund schon einen andern Herrn gefunden hat." — „Ich verstehe dich nicht recht", sagte Debu etwas bestürzt und mit mißtrauischen Gefühlen, aber ohne noch zu ahnen, was ihm bevorstand. — „Was du nicht ver- stehst, wirst du schon lernen. Folge mir!" — „Wohin soll ich folgen?" — „Das wirst du gleich sehen", antwortete einer der Ausseher, indem er sein Gewehr von der Schulter nahm und es schußbereit machte. Debu erriet sofort, daß er in einer gefährlichen Lage war und rührte sich nicht von der Stelle. Bittend sagte er nur: „Ich will zu meinem Freund und Stammesgenossen, sonst verliere ich ihn aus den Augen. Laß mich zu ihm gehen." — „Du hast nichts zu wollen. Du hast nur zu tun, was man dir sagt, du elender Bawa" (Sklave), brüllte ihn der Handelsmann an. Ratlos und betroffen stand Debu einen Augenblick da, dann faßte er sich und gedachte schnell den Ausgang zu gewinnen und seinen Freund aufzusuchen. Drum sagte er: „Ich will hinaus zu meinem Freunde." — „Du bleibst hier, elender Bawa!" — „Ich bin kein Sklave. Noch niemand hat mich Bawa genannt. Ich bin ein freier Ban-darimann." — „Das warst du heute zum letzten Mal, du bist jetzt der Sklave des Jdon Serki."1 Mit diesen Worten stürzten sich der Aufseher und herbeieilende Diener des Jdon Serki auf Debu, der aber mit katzenarliger Geschwindigkeit dem Manne das Gewehr aus der Hand schlug und sich den Händen der Angreifer zu entwinden suchte. Fast wäre es ihm gelungen, wenn nicht mehrere andere Diener herbeigeeilt wären und das Tor verschlossen hätten. So gab es kein Entkommen mehr, die Übermacht war zu groß und rund um das Gehöft war eine hohe Lehmmauer. Debu wurde überwältigt und an Händen und Füßen gefesselt. Lachend und spottend schleppten sie den armen Gefangenen in eine leerstehende Hütte, verriegelten die Tür und gingen davon. Dem armen Dschembana war es ähnlich ergangen. Er hatte eine Last des Serki getragen und war mit einer anderen Trägergruppe ebenfalls in ein von hohen Lehmmaueru umgebenes Gehöft geführt worden. Da er gewarnt war, war er doppelt mißtrauisch und gedachte, sich schnellstens wieder aus diesem Hof zu entfernen. Aber er war der letzte in der Gruppe, und bevor er in das Tor eintrat, um gleich den anderen Trägern seine Last abzulegen, hielt ihn der Aufseher einige Zeit auf, prüfte die Last recht umständlich und gründlich und bewirkte dadurch, daß Dschem- 1 Eigentlich: das Auge des Serki, d. i. der Vertreter des Serki. 1 Schimpfname für Heiden. Stern der Neger 77 Heft 5 bana erst in das Gehöft eintreten sonnte, als der letzte Träger hinaustrat. Schnell legte er nun ebenfalls feine Last ab und wollte gleich den übrigen Leuten sich entfernen, fand aber das Tor verschlossen. Der davorstehende Aufseher rief ihm zu, er solle einige Augenblicke warten, der Serki werde gleich kommen, um ihm seinen Lohn zu geben. Dschembana sieht sich gefangen. Wut und Zorn steigen in seiner Seele auf. Er rüttelt mit größterAnstrengnng am Tor, aber vergebens; es öffnet sich nicht. Er geht umher und besieht sich die Mauer; sie ist zu hoch, als daß er sie übersteigen könnte. Die Größe der Gefahr ahnend, will er schnell die Lasten an der Mauer auftürmen und darüber hinweg seine Freiheit erlangen, als das Tor geöffnet wird und der Serki mit einer Anzahl kräftiger Hanssahdiener hereintritt. Der Serki, der als Hanffahhänptling an seiner besonders reichen Tracht gleich zu erkennen ist, sieht die Bemühungen des Mannes, der soeben eine zweite Last zur Mauer trägt, und ruft: „Ha, was sehe ich! Ein fremder Mann ist in meinem Gehöft, ein Dieb! Schnell, bringt ihn hieher!" Die Diener kamen dem Befehl gleich nach, ergriffen Dschembana und brachten ihn zum Serki. „Was suchst du hier in meinem Gehöft?" fuhr dieser ihn an. — „Ich bin nicht gekommen, etwas zu suchen. Ich brachte mit den anderen Leuten meine Last hieher und als ich mich entfernen wollte, war das Tor verschlossen." — „Daß du hier eingedrungen bist, ist doch klar. Wie sollten wir dich denn sonst hier antreffen. Und daß du stehlen wolltest, habe ich selbst gesehen, da du sogar mit einer Last über die Mauer entfliehen wolltest." Dschembana merkte gleich die Tücke und Hinterlist des Hanssah. Sein Stolz bäumte sich ans. Vor Wut und Zorn kochte es in ihm; er war versucht, sich auf den Serki zu stürzen. Vorsichtigerweise tat er es nicht, sondern sagte in bescheidenem Tone: „Ubangidji (b. h. Großer Herr), ich wünsche nichts anderes, als daß Ihr mich in Frieden ans diesem Gehöft entlasset." — „Dich entlassen !" sagte der Serki mit einem höhnischen Lachen. „Wer sich ans solch heimliche Weise in schlechten, diebischen Absichten in mein Gehöft hineinschleicht, der wird es nicht ungestraft verlassen. Von heute ab bist du der Sklave des Serki von Abonadi." — „Ich aber will frei sein I" rief Dschembana. Hoch und mit dem Mute der Verzweiflung reckte er sich auf. In alter Wildheit und Unerschrockenheit sprang er in die erschreckte Männerschar hinein, schlug mit der geballten Faust zwei, drei, vier der Leute blitzschnell und so heftig auf den Kopf und ins Gesicht, daß sie vor Schmerz aufschrien. Ehe sich die anderen umgesehen hatten, stand Dschembana vor dem offenen Tore, das er hinter sich zuschloß: der Serki samt seinen Leuten war gefangen. Dschembana war frei und suchte sich schleunigst durch die Flucht zu retten. Doch was ist das? Steht da nicht ein neuer Feind? Ein Mann in Hanssah-kleidnng winkte, ihm zu folgen. Dschembana erkannte ihn. Er war derselbe, der ihn gewarnt und gleich ihm die zehn Peitschenhiebe erhalten hatte. So folgte er ihm in ein kleines Seiten« gäßchen. Die Wege schien der Mann genau zu kennen. Hier bog er nach rechts, dort nach links ans und stand schon bald vor einem gänzlich zerfallenen Gehöft. „Schnell, verbirg dich dort in dieser eingestürzten Hütte. Die Öffnung ist gerade groß genug zum Einschlüpfen. Heute abends komme ich zurück. Ich hoffe dich zu retten." Der fremde Mann warf in aller Eile Gras und Schutt vor die Öffnung und verschwand. Der Serki und seine Leute hatten sich selbstverständlich bald von ihrem Erstaunen über die blitzschnelle Tat des wilden Bandarimannes erholt und stimmten ein fürchterliches Geschrei an. Den herbeikommenden Leuten riefen sie zu, das Tor zu offnen und den fliehenden Träger zu fangen. Das Tor wurde bald geöffnet, doch hatte Dschembana schon einen guten Vorsprung. Eine eilige Verfolgung setzte ein. Die Diener des Serki suchten überall nach dem Flüchtling, aber niemand hatte ihn gesehen. Er war und blieb verschwunden. Die Torwachen des Ortes wurden zu besonderer Wachsamkeit aufgefordert und so schien ein Entkommen des Bandarimannes ausgeschlossen zu sein. Dschembana lag in seinem elenden Versteck, in das er so weit als nur möglich hineingekrochen war. Die Beine zog er an, so daß er unter den eingestürzten Wänden zusammengekauert war wie ein Igel in seinem Nest. Es mochte ungefähr eine halbe Stunde vergangen sein, als er Schritte vernahm, die sich dem Gehöft näherten. Es waren die Verfolger. Er vernahm das zornig ausgesprochene Wort: „Bawa." Er hörte ganz in seiner Nähe jemand sprechen: „Hier in diesem zerfallenen Gehöft muß er sein." Die umliegenden Hütten, die noch nicht ganz zerfallen, aber äußerst baufällig waren, wurden lärmend und fluchend untersucht, aber an seinem ganz auf dem Boden liegenden Trümmerhaufen gingen sie achtlos vorbei. Die Lage Dschem-banas war äußerst unangenehm und gefährlich. Der aufgewirbelte Staub reizte seine Nase beständig zum Niesen, aber mit aller Gewalt hielt er sich die Nase zu und so gelang es ihm, wenigstens für kurze Zeit den gewaltigen Reiz zu überwinden. Ameisen, Käfer und andere Insekten krabbelten da herum. Die Enge des Raumes war fürchterlich unbequem und seine Beine krampften sich schmerzlich zusammen. Aber er hielt stand und rührte sich nicht. Das sind nicht die Schritte eines Menschen. Unheimlich still und merkwürdig ist's. Es hält sich eine geraume Zeit in der Nähe feines Versteckes auf, entfernt sich und kehrt wieder zurück. . . Zwei glühende Punkte meint Dschembana auf sich gerichtet zu sehen. Es überläuft ihn eiskalt, er meint zu zittern. Doch nein, jetzt schnuppert es an dem Schutthaufen herum. Das ist ein Hund und kein Geist, so denkt er und sucht sich zu beruhigen, wenngleich die Aufregung noch eine Zeitlang anhält. Das seltsame Wesen verschwindet, da sich ein anderes geringste Zeichen, die kleinste Bewegung hätte ihn verraten. Die Verfolger fanden nichts und gingen stuchend davon. Tie erste Gefahr war vorüber und Dschembana atmete wieder auf. Allmählich wurde es Abend. Im Orte ertönten die seltsamen Haussahschalmeien und der dreimalige Ruf der Malem (der Haussahpriester), die die Gläubigen, die Anhänger des Propheten, zum Abendgebet aufforderten. Etwas später hörte man an verschiedenen Stellen des Ortes laute Musik und lebhaften Tanzgesang, aber der Retter schien seinen Schützling zu vergessen. Es wurde dunkler und immer später, für Dschembana schien es eine Ewigkeit zu sein. Abermals beschlich ihn Verzweiflung. War es nicht Wahnsinn, an Rettung zu denken? War nicht alles verloren? Doch was raschelt da draußen? Wer schleicht sich an die Hütte heran? Ist es der Retter, der fremde Mann? Dschembana häli den Atem an und lauscht gespannt. Nein, das Geräusch nähert, auch ganz leise. Das muß ein Mensch, ja, das wird der Retter sein. Bereits macht er sich an der verfallenen Hütte zu schaffen, deckt die zugeworfene Öffnung auf und flüstert leise: „Komm heraus, aber leise und vorsichtig!" Der Retter ist da. Dschembana ist froh überrascht und krabbelt hervor. Der fremde Mann nimmt ihn bei der Hand und führt ihn in die entfernteste Ecke des Gehöftes, wo er in eine leerstehende baufällige Hütte eintritt und seinen Begleiter nachzieht. Nach Negerart hocken sie nebeneinander auf dem Boden. Ein Feuer dürfen sie nicht anzünden, es würde sie verraten. „Du hast Wort gehalten, guter Mann", beginnt Dschembana. „Ich dachte bereits, man hätte dich entdeckt und du würdest nicht kommen." — „Nein, aber ich mußte die Nacht abwarten, damit mich niemand sah, auch wollte ich dir etwas Essen bereiten, damit du deinen Hunger stillen kannst. Hier, nimm und iß I Auch etwas für den Durst habe ich mitgebracht." — „Hungrig bin ich zwar, Durst habe ich auch und es freut mich, daß du daran gedacht haft, aber bevor ich esse, möchte ich dir die Hand drücken. Das ist das einzige, das ich dir jetzt als Zeichen meiner Dankbarkeit anbieten kann. Übrigens verstehe ich nicht, weshalb du dich meiner in der größten Not angenommen hast." — „Jetzt ist keine Zeit zu Dankesbezeigungen. Weshalb ich mich deiner angenommen habe, will ich dir erzählen, während du deinen Hunger und deinen Durst stillst. Hier nimm zuerst einen Schluck frischen Wassers, damit du den Staub hinunterspülen kannst, den du in deinem Versteck eingeatmet hast." Dschembana griff zu und aß; sein Retter aber fuhr fort: „Ich heiße Alombi und bin aus dem Stamme der Dakwa. Mein Dorf liegt weit, sehr weit von hier an einem großen Wasser, das wir Dsche-ndji (Tsadsee) nennen. Die großen Karawanenstraßen, die ins Meer des Sandes (die große Wüste Sahara) führen, ziehen in der Nähe vorbei. Ich hatte ein schönes Gehöft und bearbeitete mit meiner Frau und den Kindern, die bereits anfingen, groß zu werden, unsere Felder, die uns reichlich Nahrung lieferten. Es fehlte uns nichts außer Salz, das wir von Zeit zu Zeit in Aduna, einem Haus-sahdorf an der Karawanenstraße, einkauften. Eines Tages war ich wieder nach Aduna gegangen, um eine ganze Last Salz für mich und zum Verkauf an meine Stammesgenossen zu holen. Kaum war ich angekommen, da forderte mich ein Karawanenführer auf, eine der Lasten einen Tag weit tragen zu helfen, da ein Träger erkrankt sei. Ich weigerte mich selbstverständlich, aber es nutzte mir nichts. Er drohte mit dem Tode und sagte, daß ich auf der Stelle sterben müsse, wenn ich mich weigere, die Last zu tragen. Man zog mir ein Haussahkleid an; meinen Kopf hüllten sie in das Lithamtuch, damit man mich in der Gegend nicht als Eingeborenen erkenne, und dann mußte ich mit. Der erste Tag ging vorüber, aber man entließ mich nicht. Ich war der Sklave der Haussah geworden. Immer weiter zog die Karawane, immer mehr entfernte ich mich von meiner Heimat, die ich bis heute nicht mehr wiedersah und auch wohl nie wieder sehen werde. Der Karawanensührer verkaufte mich in Jola, der großen Handelsstadt am Benutz, einem reichen Handelsmann. Ich versuchte in der ersten Zeit wiederholt zu fliehen, aber sie verstanden es, mir alle Fluchtversuche unmöglich zu machen oder sie zu vereiteln. Bon Jola kam ich nach Kanoba, wo ich einem andern Haussah verkauft wurde, nach einem weiteren Jahr gehörte ich einem Händler in Jbi an, dann war ich hier, dann dort. Seit etwa zwei Jahren bin ich in Abonadi der Sklave eines Mannes, der Ebunako heißt. Sieben Jahre lang trage ich nun bereits die Lasten der Haussah, die mich der Freiheit beraubten. Ich habe es gewöhnlich nicht schlechter als die anderen Haussahträger. Seit mehreren Jahren habe ich mich auch mit meinem harten Geschick, das mich von der Heimat fernhält, abgefunden und klage nicht mehr. Es ist nicht zu ändern. Von Zeit zu Zeit jedoch wurde in mir die Sehnsucht nach der Heimat so groß, daß ich Tag und Nacht an die Flucht dachte und auf eine günstige Gelegenheit zur Freiheit sann. Aber bis jetzt hatte ich wenig Glück. Jedesmal hat man mich wieder ergriffen, öfters wurde ich grausam mit scharfen Lederpeitschen geschlagen, dreimal hat man mich bereits mit glühenden Eisen aus meinem Rücken gequält, man ließ mich hungern und dursten und bei der letzten Flucht drohte man mir, beim nächsten Fluchtversuch das linke und dann das rechte Auge auszustoßen. Solange ich in Abonadi bin, also seit zwei Jahren, habe ich noch keinen Fluchtversuch gewagt, denn ich fürchtete, daß ich doch den unendlich weiten Weg in meine Heimat nicht finden und daß ich irgendwo wieder auf einer Karawanenstraße oder in einem Haussahdorf ergriffen würde. Der Arm der Haussah greift weiter als man denkt. Überall haben sie ihre Augen, die die fliehenden Sklaven entdecken. Wenn mir nun auch der Fluchtgedanke vergangen ist, so habe ich doch Mitleid mit denen, die zu ähnlichem Geschick aus ihrer Heimat fortgerissen und in das harte Karawanen- und Trägerleben hineingezwungen werden. Schon mehr als einmal habe ich Leute, die in Gefahr schwebten, gewarnt, auch habe ich schon manchem zur Flucht verholfen. Seit dem Augenblick nun, da ich gestern die Peitsche erhielt, ist der Drang zur Freiheit wieder mächtiger als je zuvor in mir erwacht. Auf dem Wege nach Abonadi habe ich heute überlegt, wie ich euch retten könne. Auch will ich selber mit euch zusammen nochmals die Flucht versuchen und sollte es mein Leben und meine beiden Augen kosten. Nun weißt du, weshalb ich dir gut bin, weshalb ich dich warnte. Ich wußte, daß du iu das Gehöft des Serki gegangen warst, und vermutete, daß man dich dort einsperren würde, weshalb ich mich nach dem Ablegen meiner Last in der Nähe aufstellte, um zu beobachten, was man mit dir vorhabe. Als du so aufgeregt aus dem Tor stürmtest und es zuschlugst, wußte ich, daß du stohest. Es war ein Glück für dich, sonst wärst du jetzt Gefangener des Serki. Nun aber hoffe ich, dich und mich zu retten. Ich sehe, daß du mit dem Essen fertig bist. Wir wollen nun kurz überlegen, wie wir uns für die weitere Flucht verhalten. Noch diese Nacht müssen wir fort, aber sage mir vorher, wie es dir geschmeckt hat." — „Daß es mir gut geschmeckt hat, brauche ich kaum zu sagen. Ich habe nichts übrig gelassen als nur die Kolanüsse, die ich mir für die Flucht aufsparen will." — „Sage mir, wie du heißt und aus welchem Stamme du bist?" — „Ich heiße Dschembana und bin der Sohn des Häuptlings von Bandari. Da eine große Krankheit bei uns ausbrach, die wir den umgehenden Tod nennen, bin ich mit meinem Freunde geflohen. Wir wollten unS einer Karawane zum großen Wasser anschließen." — „Ich war schon viermal am großen Wasser, da ist es schön, sehr schön und die Macht der Haussah ist dort nicht so groß wie hier. Hoffentlich gelingt unsere Flucht. Da ich den Weg gut kenne, werden wir uns dorthin begeben. Aber jetzt wollen wir daran denken, wie wir aus Abonadi fortkommen." — „Laß mich zuerst eine Frage an dich richten, guter Alombi. Wo ist Debu?" unterbrach ihn Dschembana. — „Wer ist Debu?" — „Mein Freund, der sich mit mir der Karawane anschloß und den ich heute bei der Lastenverteiluug aus den Augen verlor." — „Ich weiß es nicht. Es wird ihm wohl ähnlich ergangen sein wie dir. Gewiß liegt er in irgendeinem Gehöft gefangen und muß warten, bis man ihn als Träger oder als Sklave in eine Karawane steckt. Ich glaube nicht, daß ich ihn retten kann. Wir dürfen keine Zeit verlieren, sondern müssen suchen, noch diese Nacht aus Abonadi zu entkommen. Morgen kann es vielleicht zu spät sein." — „So meinst du, ich solle ohne ihn fliehen und den guten Freund im Stiche lassen?" — „Es wird dir nichts anderes übrigbleiben." — „Kannst du, du Retter in der Not, nicht auch ihn retten? Vielleicht ist es dir möglich, dich nach seinem Verbleib zu erkundigen und wie du mich gerettet hast, so wirst du auch ihm zur Flucht behilflich sein!" — „Nein, Dschembana, ich weiß wirklich nicht, was ich für ihn tun könnte. Zwei Mann zur Flucht zu verhelfen, ist schwerer, als wenn es nur einen zu retten gilt." Alombi dachte eine Weile nach. Dann sagte er nochmals: „Nein, es geht nicht, es ist unmöglich!" — „Wenn ich fliehen würde ohne ihn, dann nützte mir die Flucht gar nichts. Ohne ihn hätte das Leben in fremden Landen gar keinen Reiz. Dann würde ich lieber mit ihm zusammen die Lasten der Haussah tragen." -- „Nun, dann will ich versuchen, euch beide zu retten, aber die Gefahr der Entdeckung ist doppelt und dreifach groß. Und doch! Morgen werde ich mich nach Debu umschauen. Dann bleibt dir aber nichts anderes übrig als einen, vielleicht mehrere Tage in dem elenden Versteck zuzubringen, in dem du vorhin gelegen hast." — „Wenn ich damit die Rettung meines Freundes Debu erkaufen kann, von Herzen gern. Zwar ist es in dem elenden Loch nahezu unausstehlich. Einen ganzen Tag, wie leblos, zusammengekauert, unter allerhand Insekten, im Staub und Schmutz liegen —! Ja, es ist schrecklich. Aber mein Freund ist es wert, daß ich so für ihn tue. Wirst du mich daun morgen Nacht benachrichtigen?" — „Ganz gewiß, wenn nicht etwas Unerwartetes dazwischenkommt." Die beiden unterhielten sich noch einige Zeit und machten Pläne für die Zukunft. Alombi packte aus seiner Tasche noch allerlei aus, das er für die Flucht mitgebracht hatte, und übergab es Dschembaua. Dann verabschiedete er sich, damit sein langes Ausbleiben nicht auffällig erscheine. Dschembana blieb in der Hütte. Vor Sonnenaufgang wollte er wieder in sein häßliches Versteck hineinkriechen und es nach dem Rate Alombis so gut als möglich von innen her mit Schutt zudecken. Unterdessen saß er nun allein in der zerfallenen Hütte. Jedes Geräusch ließ ihn furchtsam aufhorchen. Er war traurig, wenn er die Vergangenheit überdachte, und die vielen Enttäuschungen, die er gerade jüngst erlebt hatte, ließen ihn auch den Blick in die nahe Zukunft nicht besonders freudig und vertrauensvoll tun. (Fortsetzung folgt.) Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Kongregation der Missionärs Söhne des heiligsten Herzens Jesu. Verantwortlicher Schriftleiter: P. Al. Wilfling, Missionshaus Graz, Paulustorgasse 10. — Universitäts-Buchdruckerei „Styria" in Graz.