Mo. XI.I. N^ l 8 c> 5. Laibacher A MK Wochenblatt. Zum Nutzen und Vergnügen. Als Zugabe Fragmente eines Gemäldes der Stadt Paris im Anfange des voyaen Jahrhunderts aus einem Schreiben eincv Sic.liancrs, der s'ch »n Jahre '7"' dort aushielt. (Fortsetzung.) Es giebt vielleicht nirgends ein so herrschsüch-tialö und kühnes Volk. Der gemeine Mann ,ucht darin ordentlich einen Ruhm, nichts den Abend vorher fertigzumachen, was er aus den andern Moracn versprochen hat. <2ie sagen, gerade sie waren die einzigen auf der Welt, welche ein Privilegium hatten, ihr Wort, unbeschadet »yres ehrl'chen Namens, zu brechen, well sie sich N" dle einzigen in der Welt halten, die wnkllch frey dachten und frey handelten. (So druckt sich wort-' lich der Sicil'aner aus, und d.eß zwar lm Jahre ^Dcr Wein stehet in mäßigem Preise wenn er vor den Thoren der Stadt ist; sobald er a er herein gebracht ist, ^het er beynahe .ngle.ch n Verhältnisse mit dcm tr.nkbaren Golde, (.m KannrWein kostet in Paris mehr, "ls'n EH"'"' pagnc ein kleines Faß. Für dieRe'chen 'st Wse Flüssigkeit weit theurer, als fur andere, dle jlc in dm Weinhäusern in kleinen Port.ou n trm-k.n. Die Weinschenken sind so 3")!"'^^ mau eine kleine Stadt damit bevölkern konnte. Fast alle sind Heilige, denn sie verstehen d,egro> ßc Kunst, diese F^ssiglc.t zu verdoppeln, und Wasser in Wein zu verwandeln. Das ist, sie machen den Bacchus zum Ehebrecher. Sollten Sie jemals nach Paris kommen, so hüthen Sie sich, je mit eim'mFnßc in solcheLa-den zu trcten, wo man unnütze dachen »erkauft. Gleich bcym Eintritte lobt der Kaufmann seine Waaren so einnehmend, mit so vicü'in Bombast; dann sagt er Ihnen tausend Schmeichelepcn oor, quält Sie unaufhörlich mit vielen Complimcinen uild Vücklingcn, ihm etwas abzukaufen, und am Ende sprich: er so viel, daß Sie närrisch werden möchten, und betäubt Sie mit ciuem Schwall von Worten. Sobald (2ie in ein Gewölbe hei-eintreten, zeigt man Ihnen alle die Waaren, dic man gern los seyn möchte, und dann erst bekommen Sie die zu sehen, die Sie haben wollen. Bey allen diesen Waaren spricht der Kaufmann so viel von der Güte derselben, daß Sie in Ge« fahr laufen, all Ihr Geld siir Dinge hinzuge, ben, die man Ihnen weit theurer anrechnet, als sie eigentlich werth sind. Eben dadurch lassen sich die Kausieute dic verschwenderischen Complimcn-tc bezahlen, die sie machen müssen ; und so wird ihnen die ewige Mühe belohnt, die sie unnüß verschwenden müssen, wohl hundertmal des Tages ihre Waaren jedem Neugierigen zu zeigen, der gar nicht einmal die Absicht hat, etwas zu kaufen. Wenn die unnützen Sachen theurer, als andere verkauft werden/so glaube ich, daß der römische Censor Recht hat. welcher sagt: daß das, was einen Obcl (eine sehr geringe Münz-sorlc) kostet> sobald es nicht nothwendig ist, fthr theuer sey. In der Fastenzeit läuft das Volk den Vormittag in die Predigt mit sehr vieler Andacht, und nach Tische in die Komödie mit eben so vielem Eifer.— Die Prokuratoren, die Charlatans, die Spieler und die Bedienten machen nicht die geringste Zierde von Paris aus. Der Stolz und die Unverschämtheit der letztem gehl wirklich sehr weit, und der König hat ihnen bey harter Strafe verbothen, einen Stock zu tragen; denn da ihrer, mehr als hundert tausend sind, konnten sie aNe möglichen Ausschweifungen begehen. Die Prokuratoren, welche in andern Stadien Frankreichs hausig anzutreffen sind, findet man hier zu lausenden. Diese Menschcnart bat das Geschäfte übernommen, die gar zu Fetten elwas „magerer zu machen, und zu verhinocrn, daß die Magern nicht fett wcrdcn. Gewisse Spitzbuben, die man hier Filous nennt, treiben ein Gewerbe, das viel feiner ist, als die Kunst, aus Bley Gold zu machen. Sie stehlen mit solcher Geschwindigkeit und Geschicklichkett, daß, wenn nicht etwas schimpfliches darin läge, cs wi.klich ein cigentliches Vcrgnngen wäre, sich von so feinen und verschlagenen Leuten bestehlcn zu lassen. Die Wahrheit zu gestchen, wer in der Nacht ausgeht, lauft Gefahr, in jenen nackenden Zustand versetzt zu werden, worin sich unsere ersten Ältern befanden. Und wer am Tage schläft, kann den Aristoteles zum Lügner machen, welcher fagt, daß nichts leeres in bet Natur ftp; denn wer am Tage nicht wachsam genug ist, findet nichts in seinem Kasten, nichts in seinem Hause. Diese Spitzbuben werden wohl strenge von den Richtern bestraft, aber nur dann, wenn man sie ertappt, welches nur selten geschieht. Die Menschen werden hier alt; und doch sieht man beynahe gar keine alten Leute. Die Mannspersonen tragen hier keinen Bart und kein eigenes Haar, sondern sie bedecken sorgfaltig die Mangel des Alters mit fremdem Haar, welches ihnen ein stets jugendliches Ansehen verschafft. Seitdem die Perücken aufgekommen sind, bezahlt man die Köpft der Todten und der Weiber theuer, und es ward Mode, daß beyde den Männern eine herrliche Kopfzierde verschafften. So wie in Paris allcö theuer ist, so erstreckt sich dieß sogar bis auf die Todten, welche für das Recht, sich begraben lassen zu dürfen, bezahlen müssen. Auf die Art ist ein Mensch, der sterben will, auf tausend Art in Verlegenheit über seinen Tod, indem erden Arzt, der ihn umbringt, so gut bezahlen muß, als den Pfarrer, der ihn begräbt. *) Gelehrte giebt es hier in so großer Menge, als Ignoranten in Konsiantinopel. Es giebt verschiedene Akademie:», wo Leute von Distinctio» Unterhaltung finden können. Die beyden bcrühm« tc^en sind die der französischen Sprache und dec Wissenschaften. Die letztere bestehet ans verschiedenen Philosophen, die weit aufgeklarter stnd, als die alten, und beynahe taglich neue Mysterien der Natur entdecken; die andere aus einer Gesellschaft von scharfilnmgell Männern, welche die Schönheiten der französischen Sprache enthüllen, und diese Nation dadurch zur beredtesten auf der Welt mach.n. Die Universität ist auch eine berühmte Akademie, wo man jungen Leuten in den Anfangsgründen der Sprachen und Wissenschaften Unterricht ertheilt, und die Sorbonne ist ein bekanntes Seminarium für die Theologie, wo man die Mysterien der Religion entziffert. Hieralls sind die ersten Männer Europcns hervorgegangen, und haben Gelehrsamkeit und Tugend immer weiter verbreitet. Man hat mir gesagt, daß die Alchymisten m der nämlichen Menge anzutreffen sind, als die Köche. Man zahlt 5 bis 6oaa, welche sich unglücklich gemach» haben, und für alle ihre Arbeit und Mühe weiter nichts erhielten, als — Nauch. Eine sehr gewöhnliche Belohnung, welche eine Kunst ihren Anhängern giebt, die in ihren Hoffnungen so reichhaltig, in ihren Versprechungen so freygebig und so erfinderisch ist, um aNe die Mühe und Beschwerlichkeiten zu ertragen; eine Kunst, deren Anlang Lügen, die Mitte Arbeit nnd deren Ende der Bettelstab ist! Die Buchhändler und Buchdrucker behaupten den ersten Rang unter den mechanischen Kunst" *) Man muß dcrlcy Glossen dem treuherzigen Siciliancr nicht übel nehmen, der manches nur durch seine eigene sicilianische Brille sieht, und vieles in seiner Einsalt anstaunt, oder beschnarcht, was zu unserer Zcitgewöhn-lich. oder gar wohlgethan ist. Bey einer Gelegenheit kann er sich nicht genug wundern, daß in Paris so viele Menschen Stiefel trügen. Man sollte glauben, sagte er, alle diese Leute wollten verreisen — allein vollends un-begreiflich scheint es ihm, daß diese Mensche" in Stiefeln sogar in die Kirche eintraten lern Es giebt vielleicht keine Stadt in dtt Welt, wo man mehr neue Bücher sicht, als h«e?, und dennoch keine, wo die Schwicngkett, etwas dru-«kenzu lassen, grö^r seyn sollte Vlcle schreiben über wichtige, erhabene und mcrtwurdlge Gegenstande, allein die Schnfstetter sind fast alle arm. An Msral finden die Fr^nzoftn von,ehml«ch Geschmack, und man schrobt darin sehr nett Man übersetzt verschiedene Bücher au^ den: Gnechl-schen, lateinischen, ItalienMen und Spamschen, und laßt auch d^e Originale die,cr N>ci^ drucken. Ein sicheres Kennzeichen der Armuth der Schriftsteller, des Rc.chchums der Bnchyandlcr nnd der großen Vortheile, "et«? dle Vemu-hunaen der Gelehrten Men, D«e Buchhändler bereichern sick/ohnc die Bücher zu versteyen d,e s:e verkaufen, daher Queocdo von lhnen ^agt: „daß sie in der andern Welt für die Werke ande^ rer würden büßen nmssen." (Die Fortsetzung folgt.) ______ Die Phantasie. Eine poetische Epistel, an mein« Jugendfreund«. Ihr assc seht des Lebens Jahre stichln; Der Sttom der Zeit reißt alles mit sich fort, Und keines Gottes Zauderwort Kann die Vergangenheit aus ihrem Grabe ziehen. Sie ist dahin! — Die Rose wird verblühen, So ivundersä'ön sie auch in ihrer Iugcndvracht An Flora's wachem Busen lacht. — Der^cbensfunkc glüht — um wieder zu verglühen Und ewig wechselt Tag und Nacht; Weg ist der Augenblick, kaum hast du ihn gedacht. Du wlrst mit jedem Hauch des kurzen Lebens alter, Mit jedtm Jahre stumpfer, kalter, Bis tt'.an dir Absänedschräiirn weint, Ein kurzer— Feentraum dein ganzes Leben scheint Und hoffnungslos die Ärzte von dir gehen. — Wer, Freunde, deutet uns den Wundersinn der Zeit'? Den Augenblick der Lust,— des LcidenöEwigkeit 'i Wenn wir hmaus ins ferne Leben sehen, Wenn wir auf Doruenl'lippcn stehen, Und in dem Lebenssturm, verfolgt vo:i Haß und Neid, Kein Hoffnungsblümchen vor uns scheu ; Dann scheint die Hinkende den »Hchneckengang zu gehen, Nnd wenn sie m«i.«" des Weibcs List — Auf immer fortgeschichen ist. Wem gleicht sie dann"?— Dem raschcnTaubenftuge Dem Pfeil, der durch die Wolken schießt, Der Schnelligkeit des Lichts, das aus den Sonnen fließt. Und doch gewinnen wir bey diesem —Zeitbetruge, Da uns ein guter Gott die rege Phantasie, Auf das Vergangne hinzublicken, Und uns sein schönes Bild mit neuem Reiz zu schmücken. Zu unserm Trost und unserm Glück verlieh« Scht, Freunde, diese Trösterin,— Des Himmels allerbeste Gabe, Womit, — erlaubt dieß Wort, — wir im Gedan- kcntrabe Zurück auf das Vergangne sehn. Und in des Lebens Ungewittern, Wenn kleine Srelen nntthlos zittern, Dem Felsen ^eich, in Donnerwolken stehlt, Macht uns so oft das trübe ^Lebett schön, Und lasset uns nach manchem heißen Tage, Nach mancher unverdienten Plage Zuletzt noch froh zu Bette gehn. — Ja,—wenn oft Grabes Dunkelheit Des Pilgers rauhm Pfad umhüllet, Und bey des Schicksals Bitterkeit Kein Labkbachlein für uns quillet l Wcnn unser Aug' in Iammertränen schwimmt, Wenn uns der Tod dic letzcetdFrcuden nimmt. Wenn Weib und Kinder von uns scheiden, Und Menschenticgcx stch an unsern Schmerzen weiden; Wenn uns der Neid in seine Fällen stürzt, Mit Gift dein kleines Mahl und deine Freuden — würzt; Wenn dein Verdienst der Undank niederdruckte, Und man für deine schönste That, Fnr deinen Flnß und guten Rath ' Dir oft nur Brod und Wasser schickte. Und wenn dich Armen joat und früh Dic Laune und die Phantasie — Mit ihren Zentnerlasten drückte, — O! dann ist oft das milde Zauberbild, Das wir uns vom Vergangnen mahlen. Die Wunderkur der langen Seelenqualen Und unsers Geistes Schinn »nd SchlU>, Damit wir nie u tief in ihren Abgrund sinken. Nicht aus dem Leidenskelch d.e letzten Hefen trinken« c^„ lausend Stürmen eures Lebens Sucht ibv Yen Scelenarzt, die Arzeney vergebens Vloß außer euch, — Ihr hascht nach Ruh, und ,", ' suchet Licht, M reibt dasAug euch wund, und findet beydes nicht. Die Wolken sind so schwarz, so steil dieFelsenwege, Der Sturm so wild, der müde Fuß so trage, So schwer und hart das druckende Gewicht, Das deinen Muth und dein Beharren bricht; Des Lebens Überdruß so rege; So schlecht belohnt Verdienst und Pflicht, So laut verdammt der Durst nach Wahrheit und nach Licht! Verzweiflung naht sich euch, kein Ausweg ist zu siuden; Ihr seyd umringt von Tauben und von Blinden, Von Mensäien ohne Geist und Sinn, Der Geist der Licbe ist dahin, -^-Und keiner eilt. euch Rettung zu verkünden; Man will dieMcnschcnkraft mi: ^clavensesseln binden, Man will aus eurem Arm selbst treue Freunde winden, Man gönnet euch den Trunk des reinen Aethers nicht. — Doch jetzt erscheint, gleich Luna's Silberlicht, Wenn es durch Mitternächte bricht. Ein Zaubergott, — Vernunft, — der also zu euch spricht: „Der edle Mann darf nimmer unterliegen! In ihm wohnt Muth und Kraft zu tausendfachen Siegen, Wenn er nur — will, und seine Größe fühlt. Sich in die Zeiten schickt, nie mit der Wahrheit spielt; Wenn ihn nichtSinnenrausch und niedre Wünsche trügen, Wenn nie sein Gcistcsauge — schielt Und er sich müht, daß edle Thaten siegen. — Bald wird die beßre Zeit nach langer Mitternacht, Wenn redlich er gekamvft, und heilig sich bewacht, Mit ibrer Mutterhand desDulders Tranen stillen, Und seines Schicksals Dunkelheit, And seiner Feinde Trug und Neid Philosophie dls Lcb'ens und des Umgangs. Fortsetzung. Der lebcnsklugc Mann bleibt ferner nicht bey der Gegenwart stehen;, er schreitet abwechselnd in die Zukunft hin, und kehret bedächtig zur Ge, genwart zurück, um seinen Schritten Festigkeit und Ordnung zugeben.— „Was wird die Folge hiervon seyn? — was das Ende ? — wie werden die bessern Menschen davon urtheilen? ^ wie die schlechter« darüber spötteln? __ wie wird die Achtung gegen dich selbst und dein Gewissen dabey bestehen? — wirst du dir mehr oder weniger nach dieser oder jener Handlung werth seyn ? " — Dieß fragt sich der Lebenskluge, so oft er kann; denn er ist der klügste Vielfrager unter allen. Er weiß, daß nichts in der Welt gut und richtig eingeleitet wird, wenn man es nicht genau auf Naum und Zeit berechnet, daß nichts gut von starten gehen kann, wenn matt nickt Gegenwart und Zukunft wechselswcise gegen einander abmißt. Das Kommende wird ihn in sehr villen Fallen noch mehr als das Gegenwärtige beschäftigen, weil er dieses schon berichtiget hat, jenes aber noch zu berichtigen ist, damit stln Lcbl'u ohne Anstoß auch in die Folgezeit passe-Auch die Logik des Wahrscheinlichen rechnet de» H.ebcnskluge zu den Handbüchern seiner'Philosophie des Lebens ; er vergleicht die möglichen Fälle, und unter diesen wieder die möglichem, damit er im Nothfalle auf Alles gefaßt scy, und es hinterher nicht bereue, daß cr nicht früher vorzubauen suchte. DieZukunft ist gewissermaßen in unserer Gewalt, wenn wir die Gegenwart weislich zu nützen wissen. Wer in der Gegenwart wachet hat es nicht nöthig, künftig fcine Schlafsucht zu be-imnmern. Wer in der Gegenwart und zur rechten Zeit säet, den erwarten der Zukunft goldene Erndten. Vor allen Dingen wird der Lebenskluge ein rechtschaffener Mann seyn. Wenn sich beyde große Hl'bcl in dem Menschen vereinigen ; so ist er das, waS cr seyn soll. Sind beyde getrennt, so würde die Lebensklugheit, wenn sie nicht von ihrer himm-Ilschen Schwester, der Tugend, begleitet wird, nur ,n Lebri'.sllst ausarten ; der bloß Tugendhafte ohne Lebensklughcit würde nur einem unaeschliffe-nen und verachteten Diamant gleichen und sich oft selbst die Mitttl und Wege abschneiden sein edles Herz sür sich und Andere wirken zu lassen; schlechte Meiücken würden ftinen redlichen aber nickt vorlügen Sinn, nur dazu nutzen, sich für Andere auf eine unwcise Art aufzuopfern; sie würden ihn zum Spielzeuge ihrcr Selbstliebe, ihrer Eitelkeit und ihres Witzes machen, und ihn dann im Hintergründe stehen lassen, wenn 'sic seine Kraste muchwilllg verbraucht hatten.