Karin Sollat Mednarodni inštitut za mladinsko književnost in raziskavo branja, Dunaj HÖHEPUNKTE DER ÖSTERREICHISCHEN KINDER-UND JUGENDBUCHPRODUKTION: GEGENENTWÜRFE ZUM TRIVIALEN Österreich ist - im Vergleich zum bundesdeutschen Nachbaren - ein kleines Land. Die wirtschaftliche Situation für die Verlage ist äußerst schwierig, manche Häuser kämpfen sogar um ihre Existenz. Der Konkurrenzdruck auf dem heimischen Markt wirkt durch die große Produktion der bundes-deutshen Verlage immer größer. Werden in Österreich jährilch etwa 230-240 Neuerscheinungen verlegt, nennt die entsprechende Statistik in der BRD für das Kinder- und Jugendbuch die 15fache Menge. Außerdem ist es für österreichische Verlage und Autoren noch immer sehr schwierig, sich auf dem deutschen Markt zu behaupten bzw. durchzusetzen. Dazu kommt, daß im fremdsprachigen Ausland eine Unterscheidung zwischen österreichischer Literatur und der Literatur in der Bundesrepublik Deutschland, der ehemaligen DDR und der deutschsprachigen Schweiz kaum stattfindet; im allgemeinen wird die österreichische Literatur mit der aus der BRD gleichgesetzt. Es ist also verständlich und logisch, daß die österreichische Kinder- und Jugendbuchproduktion - um überleben zu können - auch reine Unterhaltungsliteratur, Lesefutter, und auch Triviales auf den Markt bringen muß. Aber nicht destotrotz läßt sich ohne Nationalstolz behaupten, das der Großteil der Bücher alles andere als trivial zu nennen ist; die Titel werden generell immer anspruchsvoller, sind alles andere als „kleine" Literatur. Daß die Kinder- und Jugendliteratur zusehends an Ansehen gewinnt, zeigt sich auch darin, daß immer mehr Autoren, die ursprünglich für Erwachsene schreiben, sich nun auch dem Kinder- und Jugendbuch widmen. Barbara Frischmuth, Milo Dor oder Heinz R. Unger zum Beispiel. Immer wieder gehen und gingen starke innovative, erneuernde Impulse von Österreich aus; es gibt kaum ein Thema, das nicht auch Eingang in die österreichische Kinder- und Jugendliteratur gefunden hätte. Neben den lange charakteristischen phantastischen und märchenhaften Texten finden sich seit geraumer Zeit viele engagierte Bücher mit sogenannten „problemorientierten" Themen, die von sozialen Konflikten über Außenseiterproblemen bis hin zu gesellschaftlich brisanten Aspekten alles behandeln. 68 Um Ihnen einen Eindruck der großen Bandbreite zu geben, möchte ich nun einige Beispiele qualitätvoller österreichischer Kinder- und Jugendbücher vorstellen. Die Auswahl ist mir schwergefallen; in nur zwanzig Minuten die wichtigsten Bücher zu nennen, ist einfach unmöglich. Daher habe ich vor allem - bis auf sogenannte „Klassiker" Beispiele aus der neueren Produktion gewählt. Auch möchte ich alle Alterssparten berücksichtigen, also beim Bilderbuch beginnen und beim Roman für junge Menschen aufhören. Beginnen möchte ich mit zwei Bilderbüchern von Autorinnen, die man wohl als die bekanntesten in Österreich bezeichen kann: Christine Nöstlinger und Mira Lobe. In Christine Nöstlingers Anna und die Wut hat die kleine Anna ein großes Problem: Sie wird unheimlich schnell wütend und kann sich gegen diese riesengroße Wut nicht wehren. Der geringste Anlaß genügt, und Anna tobt. Die Mutter meint, Anna muß der Wut aus dem Weg gehen. Und so sitzt Anna nur mehr daheim in ihrem Zimmer und starrt vor sich hin. Bis zum Sonntag, da kommt der Großvater zu Besuch und bringt eine Trommel mit, mit der sie die Wut wegjagen kann. Den ganzen Tag über tut Anna Sachen, die sie wütend machen. Doch das Trommeln verscheucht die Wut. Seither hat sie die Trommel immer vor den Bauch gebunden. Illustriert wurde dieses Bilderbuch von Christine Nöslingers zweiter Tochter Christiana. Die Bilder erinnern an Kinderzeichnungen; ihr Reiz liegt vor allem in den bunten Farben, in den vielen Details und im karikaturistischen Witz. Hier hat Oskar Mazerath aus der „Blechtrommel" eine Bilderbuchschwester bekommen, die groß und klein Spaß macht! Das zweite Bilderbuchbeispiel stammt von Mira Lobe und ist von der nicht weniger bekannten Künstlerin Angelika Kaufmann illustriert: Das fliegt und flattert, das knistert und knattert ist ein ungewöhnliches, abstraktes Bilderbuch. Hauptdarsteller sind nicht Menschen oder Tiere, sondern Formen und Farben: ein gelbes Quadrat und ein rotes Dreieck gehen auf Wanderschaft rund um das große Blaugrün. Sie geraten in ein dichtes Gestöber von Qua-drateb, kippen in einen Tunnel, treffen auf ein grünes „Rund", das sie von nun an begleitet, werden durch die Luft gewirbelt und von einer Linie gerettet, die leider kitzlich ist und sich vor Lachen biegt. Am Ende kehren sie müde in ihre Behausungen zurück. Die einfachen farbigen Illustrationen laden zu einer ersten Begegnung mit Farben und geometrischen Formen via Bilderbuch ein; der Betrachter verfolgt Quadrat, Rechteck und Kreis auf ihrer Reise, während derer sie auch ihre Gestalt verändern müssen. Die Sprache ist originell und teilweise gereimt; ein wirklich phantasievolles Bilderbuch, das die Kreativität und Beobachtunsgabe des Kindes anzuregen vermag. Vielleicht bekommt es sogar selbst Lust, sich eine ähnliche Geschichte auszudenken und zu malen. Als nächstes möchte ich Ihnen zwei brandneue Titel vorstellen, die von noch ganz unbekannten Künstlerinnen und Künstlern stammen, die aber unter Beweis stellen, daß auch der sogenannte „Nachwuchs" in Österreich sehr viel verspricht. 69 „Prinzessin Mislim" ist ein Erstlingswerk sowohl der Wiener Autorin Verena Vondrak als auch der Pariser Graphikerin Nathalie Choux, die sich in Prag kennenlernten. Schon beim ersten Durchblätern ist nicht zu übersehen: Die der tschechi-chen Schule verpflichteten (leicht an Kveta Pacovskâ erinnernd) Illustrationen können kaum als „gefällig" bezeichnet werden. Agressiv und laut entwickeln sie mit starkem Rot/Grün-Einsatz und strengen graphischen Elementen eine eigenartige Ästhetik der intendierten Häßlichkeit. Der Text ist auch nicht gerade alltäglich, arbeitet von der ersten bis zur letzten Seite mit extremer Wiederholungstechnik und festen Wort- und Satzrastern, innerhalb derer sich das chaotische Geschehen um Prinzessin Mislim à la crème abspielt. Mit Logik oder Rationalität ist da absolut nichts zu wollen, eine Sinnsuche erübrigt sich angesichts dieses bizarrphantastischen Bilderbuchs, das von jeder „Aussage" oder „Moral" meilenweit entfernt ist. Ein extremes Buch, das möglicherweise auch extreme Kritikerpositionen hervorruft. Außergewöhnlich auf eine ganz andere Art ist Irene Ulitzkas und Gerhard Gepps „Das Land der Ecken", ebenfalls ein Erstlingswerk. Hier wird man in eine Bilderbuchwelt versetzt, in der - der Titel läßt es ahnen - alles eckig ist: Menschen, Blumen, Bäume, Pferde, Äpfel, Schneeflocken. Da stößt ein stets von seiner (natürlich ebenfalls eckigen) Katze begleitetes Kind plötzlich auf einen Ball. Die Erwachsenen beratschlagen über dem seltsamen Fund - und zerstören ihn. Der Kommentar des Kindes: „Das hätt' ich mir denken können.". Ein am Himmel schwebender Luftballon läßt aber keinen Zweifel daran, daß es „doch noch mehr davon gibt" und führt unseren eckigen Kleinen zu einem anderen Kind, das ihm mit ausgesprochen rundem Gesicht zulächelt. Und beide fahren auf seinem Tretroller der runden Welt entgegen. Unschwer zu erkennen, worum es geht: Um das Auftauchen von etwas Fremdem, Unbekanntem in einer festgefügten, starr-einheitlichen Welt, das prompt als Bedrohung empfunden und zerstört wird. Nur das Kind freut sich daüber, daß es außer Ecken auch noch etwas anderes gibt, und will es kennenlernen. Eine graphisch inszenierte Parabel zur Akzeptanz und Toleranz also, die Thematik schon für die ganz Kleinen besprechbar und begreifbar macht. Das Konzept des Buches ist bis ins Detail durchdacht, Collagen- und Reißtechnik, die vor allem bei der Hintergrundgestaltung und der Montage der kurzen Textzeilen (auf farblich abgehobenem Untergrund) angewendet werden, entsprechen der Gesamtaussage. Jutta Treibers Dazwischenkind, ein Buch für Leser ab sieben oder acht Jahren, handelt von dem Mädchen Connie, die einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester hat, also ein „Sandwich-Kind" ist. Sie ühlt sich regelrecht eingekeilt zwischen dem älteren vernünftigen Bruder mit all seiner Gescheitheit und der jüngeren Schwester, die mit Temperament und Charme alle um den Finger wickelt. Sie reagiert trotzig und griesgrämig - sie wäre doch so gerne mit dabei. 70 Aber die Angst vor Zurückweisung wird stetig genährt aus dem Gefühl des Nicht-geliebt-Werdens, aus dem zu geringen Selbstwertgefühl. Als zu allem Überfluß auch noch der Schulweg zu einem Spießrutenlauf wird, die beste Freundin sich von ihr wegsetzt und das Au-pair-Mädchen aus Nordirland eintrifft, scheint sich endgültig alles gegen Connie verschworen zu haben. Aber Nelly, eine sensible junge Frau aus Belfast, findet Zugang zu ihr. Mißverständnisse klären sich. Mit Connies genauerem Wahrnehmen ihrer Umgebung und indem sie aufhört, alles und jedes auf sich und damit grundsätzlich gegen sich zu beziehen, baut sie ihr Mißtrauen ab, wird offen für andere Sichtweisen. Ebenfalls für diese Altersgruppe gedacht ist ein humorvolles,doch auch nachdenklich stimmendes Buch von Lene Mayer-Skumanz: Das Lügennetz, das erst vorgestern mit dem Preis der Stadt Wien ausgezeichnet wurde. Lene Mayer-Skumanz ist eine der profiliertesten österreichischen Autorinnen, viele Bücher hat sie geschrieben, viele Preise hat sie dafür arhalten. Die Fachwelt kennt und schätzt sie ebenso wie die Kinder und Jugendlichen selbst, denen sie auf eine im besten Sinne des Wortes un-pädagogisierende Art und Weise immer wieder Inhalte wie friedvolles Miteinanderleben, Toleranz und Offenheit nahebringt. Roman und Zlatko, dessen Eltern aus Bosnien stammen, sind Freunde, sehr gute Freunde sogar. Und weil man einem guten Freund manchmal aus der Patsche helfen muß, erklärt sich Zlatko dazu bereit, Romans Rolle zu spielen und die alte Tante Steffi aus dem Pensionistenheim an seiner Stelle zu betreuen. Schließlich hat Romans Liebe zu der honigblonden Sissy Vorrang. Auffliegen kann der ganze Schwindel, so meinen die Junge, schon deshalb nicht, weil Tante Steffi Roman das letzte Mal im Kinderwagen gesehen hat. Doch dann lauft alles ganz anders als geplant. Erstens ist Tante Steffi durchaus keine - in ihrere Diktion - „alte Schachtel", die ihrer Umwelt nur auf die Nerven geht, sondern im Gegenteil eine höchts aktive und lebenskluge Frau, mit der man Pferde stehlen kann. Und zweites zieht die Anfangslüge natürlich hundert weitere nach sich, die zur Aufrechterhaltung der ersten unumgänglich sind. Das Geflecht der großen und kleinen Schwindeleien wird immer enger, verdichtet sich zu einem Lügennetz. Das von der permanenten Aufdeckung bedroht ist. Und sich schließlich durch einen Zufall, bei dem herauskommt, daß Tante Steffi sowieso schon alles weiß, auflöst. Das Lügennetz ist eine ganz besondere Geschichte. Nicht nur eine, der sich spannend liest und einen oft schmunzeln und manchmal lachen macht. Nicht nur eine, die anhand von Zlatkos Schwester Dika, die dem Terror eines Mitschülers ausgeliefert ist, Ausländerfeindlichkeit unter Jugendlichen thematisiert. Lene Mayer-Skumanz hat auf unprätentiöse Art über Menschliches, Alzu-menschliches geschrieben, kindliche Lebenswelten eingefangen und sie in Beziehung zu ihrer gesamten Umwelt gestellt. Das Verhältnis zwischen Kindern und alten Menschen, häufig Thema in ihren Büchern, spielt dabei 71 eine zentrale Rolle. Dabei bewegt sie sich jenseits aller gängigen Klischees, zeigt Einfühlungsvermögen jenseits aller Altersgrenzen. In der Folge möchte ich Ihnen einige Titel präsentieren, die sich auf meines Erachtens herausragende Weise mit sogenannten „problemorientierten" Themen beschäftigen. An erster Stelle ein Buch einer Autorin, die weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt geworden ist: Renate Welsh. Wie ein roter Faden zieht sich das Engagement für die sozial Schwächeren durch ihr Werk. Von über zehn Jahren wurde Renate Welsh erstmals aufgefordert, eine Schreibwerkstatt mit jungen Körperbehinderten zu leiten. Durch die intensive persönliche Auseinandersetzung mit Behinderten enstanden die Drachenflügel das 1989 mit dem Österreichischen Staatspreis für Jugendliteratur ausgezeichnet wurde. Es nähert sich dem Thema Behinderung von einer neuen Seite. Im Mittelpunkt steht nicht der schwer behinderte, spastisch gelähmte Jakob, sonder seine Schwester Anne, aus deren Perspektive erzählt wird. Es ist also nicht sosehr die Geschichte einer Behinderung, als vielmehr die Geschichte derer, die mit dem Behinderten leben: ihr Alltag, ihre Kontakte zur Umwelt, ihre Probleme und ihre Freunden. Anne hat sich hinter eine Mauer aus sprachlos-aggresiver Distanz zurückgezogen, die einen Dialog unmöglich macht. Jede Reaktion ihrer Umwelt ist ihr gleichermaßen unerträglich. Ihre uneingeschränkt positive Haltung Jakob gegenüber ist von einem Auschließlichkeitsanspruch, der sich im Kontakt mit der Umwelt nicht aufrecht erhalten läßt. Erst mit Hilfe einer neuen Freundin beginnt Anne zu lernen, daß nur der Abbau ihrer trotzig-ablehnenden Sprachlosigkeit ein offeneres und unverkrampfteres Umgehen mit sich selbst und mit der Behinderung des Bruders möglich macht. Um einen anderen Problemkreis geht es in Die Sache mit dem Heinrich von Mira Lobe. Sie hat sich als erste im deutschsprachigen Raum an das Thema Kindesmißhandlung herangewagt. Es wird vor allem aus der Sicht der Mitschülerin Julia erzählt, der eines Tages nicht nur Heinrichs eigenartiges Verhalten auffällt, sondern auch die Spuren seiner Mißhandlung: Er wird vom Lebensgefährten seiner Mutter, der schwerster Alkoholiker ist, immer wieder grausamst geschlagen. Anhand dieses Einzelschicksals versucht Mira Lobe einerseits, den Betroffenen Mut zu machen, damit sie ihr Schweigen durchbrechen, anderseits will sie aber vor allem an die Umwelt appellieren, nicht mehr die Augen vor diesen menschlichen Tragödien zu verschließen, sondern etwas dagegen zu unternehmen. So wie es das Mädchen Julia tut, die die Sache nicht auf sich beruhen läßt, sondern sich an verschiedene Instanzen wendet und schließlich sogar die Polizei ruft und so bewirkt, daß Heinrichs Mutter ins Frauenhaus geht und der Junge dem Einflußbereich des gewalttätigen Mannes entzogen ist. Ein Buch, das ebenfalls „problemorientiert" genannt werden kann, in dem es aber trotzdem bedeutend lustiger zugeht, ist Christine Nöstlingers Sowieso und überhaupt. „Ein besinnlich heiterer Familienroman, heißt es im Untertitel, und genau das ist er auch: besinnlich, weil ein doch recht ernstes Thema im 72 Mittelpunkt steht - die Scheidungsproblematik. Und heiter, weil Christine Nöstlinger ihrem Witz und sprachlichem Können wieder einmal völlig freien Lauf läßt und bekannter dialektaler Einfärbung den Leser wirklich zum Lachen bringt. Eines Tages entdeckt die Familie, daß der Vater, der immer mehr Überstunden macht und am Wochenende immer öfter fischen geht, dort nicht wirklich angelt, sondern einen Fisch namens „Wilma" fängt. Die Scheidung bedeutet emotionale und finanzielle Probleme für alle Beteiligten, vor allem für die drei Kinder, aus deren Sicht erzählt wird. Es dauert eine Weile und braucht viel Toleranz und Verständnis füreinander, bis die Familienmitglieder sich in der neuen Situation zurechtfinden und dem Leben auch wieder seine schönen Seiten abgewinnen können. Bücher zum Thema Scheidung gibt es mittlerweile recht viele, dieses ist anders, weil es ein ernstes Thema einmal nicht todernst behandelt, aber auch nicht verharmlost. Man kann über Sowieso und überhaupt eben lachen und nachdenken gleichzeitig. Als letztes Beispiel aus dem belletristischen Bereich möchte ich Ihnen einen Titel nennen, der mittlerweile zum absoluten Klassiker geworden ist: Johanna von Renate Welsh. Renate Welshs möglicherweise größte Stärke liegt in der literarischen Umsetzung authentischer Vorgaben. Paradebeispiel dafür ist Johanna, eines ihrer erfolgreichsten Bücher, das auf Gesprächen mit der realen Protagonistin fußt, die sich über Jahre hinweg entwickelten. Die Geschichte spielt im Österreich der 30er Jahre (1936-39), in der Zwischenkriegszeit, die von politischer Unsicherheit und finanzieller Not, Arbeitslosigkeit und aufkeimendem Nationalsozialismus geprägt ist. Johanna, als uneheliches Kind recht- und chancenlos, wird als Magd auf einem Bauernhof jahrelang ausgebeutet, bis sie sich aus den Unterdrückungsmechanismen befreit und selbständig entscheidend die Verantwortung für ihr Leben übernimmt. Es ist ein Entwicklungsroman - und doch hat Welsh mehr als nur ein Einzelschicksal aus einer unterprivilegierten Schicht gestaltet. Die individuelle Existenz wird in unmittelbarem Zusammenhang mit den politischen Ereignissen gesehen. Hier wird jüngere österreichische Geschichte lebendig - die nicht nur für Österreich interessant ist: 1980 wurde „Johanna" mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Kennzeichend für Welshs Stil ist der ungeheure Detailreichtum, aus dem sich die dargestellte Wirklichkeit zusammensetzt. Welsh vermittelt Stimmungen, Aussagen nicht, indem sie sie explizit bezeichnet; sie beschreibt scheinbare Nebensächlichkeiten, die sich zu einem umso intensiveren Bild fügen. „Johanna" ist übrigens nicht die letzte Auseinandersetzung der Autorin mit österreichischer Geschichte. 1988 schrieb sie In die Waagschale geworfen. Österreicher im Widerstand", für das abermals authentische Berichte die Basis darstellten. Anhand von acht Erzählungen, denen die jeweilige Biographie angefügt ist, werden Möglichkeiten des Widerstandes im Dritten Reich aufgezeigt - ein Widerstand, der sich nicht nur im öffentlichen, sondern vor allem auch im privaten Bereich vollzogen hat, der von Menschen jeden Alters und aus unterschiedlichen sozialen Schichten, von unbekannten und bekannten Persönlichkeiten geleistet wurde. 73 Nicht vergessen möchte ich aber auf den Sachbuchbereich, in dem es ebenfalls einiges Bemerkenswertes zu verzeichnen gibt. Hier ist vor allem Suzzanne Riha zu nennen, die sich als Autorin und Illustratorin von Sachbilderbüchern einen Namen gemacht hat, und zwar mit ihrem Bänden Wir schlafen, bis der Frühling kommt, „Wir wachen auf, wenn's dunkel wird, Wir tragen noch das Kinderkleid und Wir leben rund um Haus und Hof. In jedem Buch wird eine besondere Tiergruppe mit ihrem Vertretern vorgestellt - Tiere, die Winterschlaf halten, nachtaktive Tiere, Tierkinder und Tiere, die auf oder rund um einen Bauernhof leben. Kurze, leicht verständliche Texte geben die wesentliches Informationen über das jeweils behandelte Tier; die Illustrationen sind von überzeugender Naturtreue. Und nachdem ich aus Wien komme, kann ich gar nicht anders, als Ihnen auch ein Sachbuch vorzustellen, das sich an Jugendliche und auch an Erwachsene richtet: Mein Wienbuch von Reingard Witzmann, das auch den Sachbuchpreis der Stadt Wien 1991 erhielt. Es versucht, vieles Wissenswertes um diese Stadt in lebendiger, anschaulicher Sprache zu vermitteln. Ein Wappenadler führt durch die Geschichte und Kulturgeschichte Wiens und lädt den Leser auch zu einigen Rundgängen ein. Sagen und beigefügte Erklärungen ihres historischen Kerns tragen viel zur Anschaulichkeit bei; die zahlreichen Illustrationen sind historischem und zeitgenössischem Material entnommen. Damit möchte ich meine kurze Buchvorstellung schließen, die natürlich alles andere als vollständig ist. Viele, sehr viele Titel würden mir noch einfallen, wenn es darum ginge, Höhepunkte der österreichischen Produktion zu nennen. Aber vielleicht ist die Liste „Lesefreude x 300", die ich Ihnen mitgebracht habe und die die bemerkenswertesten Bücher vergangenen Jahres vorstellt, ein kleines Trostpflaster. Povzetek Vrhovi avstrijske mladinske književnosti v primerjavi s trivialno književnostjo Avstrija je v primerjavi s svojo nemško sosedo majhna dežela. Gospodarska situacija je zato za založbe skrajno težka in nekatere založniške hiše se morajo celo boriti za svoj obstoj. Konkurenčni pritisk iz nemškega prostora je zaradi tamkajšnje velike knjižne produkcije zmeraj večji. Avstrijske založbe izdajo približno 230-240 novih publikacij letno, kar je v primerjavi z Nemčijo, kjer izdajo mladinskih knjig petnajstkrat toliko, relativno malo. Poleg tega avstrijski avtorji in njihove knjige zelo težko prodrejo na nemško tržišče. Zato je razumljivo, da mora avstrijska knjižna produkcija za mladino, da bi lahko preživela, izdajati tudi trivialno literaturo. Kljub vsemu pa je, brez pretiranega nacionalnega ponosa, mogoče trditi, da je večji del avstrijskih knjig za otroke in mladino vse prej kot trivialna literatura. Izdaje so zmeraj zahtevnejše, mladinska literatura pa ima vedno večji ugled, kar dokazuje tudi dejstvo, da se mnogi avtorji, ki so prej pisali izključno za odrasle, danes posvečajo tudi 74 literaturi za otroke in mladino. Med njimi npr. Barbara Frischmut, Milo Dor in Heinz R. Unger. V avstrijski mladinski književnosti lahko zasledimo vedno nove impulze: skorajda ni teme, ki ne bi prodrla tudi v avstrijski prostor. Poleg fantastičnih in pravljičnih besedil, ki so bili zanjo dolgo časa značilni, lahko že nekaj časa srečujemo angažirane knjige s tako imenovanimi .problemsko orientiranimi' temami, ki obravnavajo tako socialne konflikte, družbeno brizantne aspekte kot tudi probleme ljudi onkraj družbenega roba. Da bi vam lahko posredovala vtis o široki paleti avstrijske mladinske književnosti, bi vam želela predstaviti le nekaj najkvalitetnejših mladinskih knjig. Izbrala sem predvsem .klasike' in nekaj primerov iz najnovejše produkcije, upoštevala pa sem literaturo za vse starosti, od slikanice do romana za mladostnike. Izmed avtorjev slikanic sem izbrala Miro Lobe in Christine Nóstlinger. Slednja je avtorica knjige za najmlajše: Ana in jeza (Ana und die Wut), v kateri ima glavna junakinja resen problem: zelo hitro se razjezi, svoji veliki jezi pa se nikakor ne zna ubraniti. Njena mama meni, da se mora Ana jezi pač izogniti, najbolje tako, da ostane v svoji sobi in tam mrko zre predse. To traja do nedelje, ko pride dedek. Ta prinese s seboj velik boben, ki zna jezo pregnati. Od takrat Ana svojega bobna ne odloži več. Slikanico je ilustrirala avtoričina hči Chistiana. Slike spominjajo na otroške risbe, privlačne so zaradi svojih pisanih barv, mnogih detajlov in karikaturističnega humorja. Nedvomno zasluži pozornost tudi nenavadna, abstraktna slikanica Mire Lobe Das fliegt und flattert, das knistert und knattert. V domišljijsko razgibani zgradbi nastopajo geometrijski liki in barve, ki spodbujajo mladega bralca h kreativnosti in opazovanju. Predstavila bi vam rada še dva čisto nova naslova izpod peres avtoric, ki sta še popolnoma neznani - kot dokaz, kako obetaven je tudi avstrijski literarni .podmladek'. Gre za Princeso Mislim dunajske avtorice Verene Vondrak in Deželo oglov (Das Land der Ecken) izpod peresa Irene Ulitzkas (ilustracije Gerhard Gepps). Princesa Mislim je nadvse zanimiva, neke vrste ekstremna slikanica, ki je s svojo bizarno fantastičnostjo skrajno oddaljena od iskanja smisla in morale. Slikanica Das Land der Ecken nas prestavi v svet, kjer je vse oglato. V tej deželi naleti otrok, v spremstvu (seveda oglate) mačke, nenadoma na žogo. Odrasli se ob tej nenavadni najdbi posvetujejo - in žogo uničijo. Otrokov komentar: „To bi si lahko mislil!" Toda na nebu lebdeči balon zagotavlja, da je žog še več, in odpelje oglatega otroka k nekemu drugemu otroku, ki se smehlja s svojim izrazito okroglim obrazom. Na skiroju se potem oba odpeljeta v okroglo deželo. Ni težko razbrati, za kaj gre: če se v našem smotrno urejenem svetu pojavi kaj tujega, nenavadnega, občutimo to odrasli kot grozeče in se zato nagibamo k uničevanju. Samo otrok se veseli, da je poleg oglatih stvari na svetu še kaj okroglega in želi to spoznati. Vmesni otrok (Dazwischenkind) Jutte Treibers je knjiga za bralce od sedmega, osmega leta naprej. Pripoveduje o deklici Connie, ki ima starejšega brata in mlajšo sestro. Med njima se počuti kar zagozdena, saj je starejši brat tako pameten, mlajša sestrica pa si zna s svojim šarmom in temperamentom vsakogar oviti okrog prsta. Connie se v tej situaciji zapre v svojo trmo in pase mulo, kljub temu, da bi vendarle želela .biti zraven'. Toda strah, da jo bodo zavrnili, občutek, da je nihče ne mara, in podcenjevanje same sebe ji preprečijo, da bi sploh poskusila. Zdi se, da so se vsi zarotili proti Connie. Šele Nelly, občutljivi mladi ženi iz Belfasta, uspe podreti zid, ki ga je Connie zgradila okrog sebe. Nesporazumi se pojasnijo, Connie začne svojo okolico zaznavati drugače, razgradi svojo sumničavost in se otrese občutka, da ima vsak kaj proti njej. Omeniti je potrebno seveda tudi Lene Mayer-Skumanz, eno najbolj profiliranih in najplodovitejših avstrijskih pisateljic, ki ji vedno znova uspeva ustvariti zanimive in vsebinsko bogate knjige, v katerih na humorističen, a hkrati zelo poglobljen način izpostavlja medčloveške odnose. Iz skupine knjig, ki se ukvarjajo s t.i. .problemskimi temami' bi želela omeniti Tisto reč s Heinrichom (Die Sache mit dem Heinrich) avtorice Mire Lobe, Takointako 75 in sploh (Sowieso und überhaupt) Christine Nöstlinger in Zmajeva krila (Drachenflügel) avtorice Renate Welsch. Renate Welsch je pisateljica, ki je znana tudi zunaj avstrijskih meja. Skozi njeno delo se kot rdeča nit prepleta angažma za tiste, ki so družbeno ogroženi. Pred več kot desetimi leti so Renate Welsch prvič poprosili, naj vodi literarno delavnico za telesno prizadete mlade ljudi. Zmajeva krila so nastala kot rezultat avtoričinega intenzivnega (miselnega in čustvenega) ukvarjanja s prizadetimi. Za to delo je bila Renate Welsch leta 1989 odlikovana z avstrijsko državno nagrado za mladinsko književnost. Z njim se približuje temi o prizadetih s popolnoma novega zornega kota. V središču ne stoji težko prizadeti spastik Jakob, ampak njegova sestra Anna, saj pripoveduje avtorica zgodbo z njene pripovedne perspektive. Zato torej to ni toliko zgodba neke prizadetosti, ampak zgodba tistih, ki s prizadetimi živijo; njihov vsakdanjik, njihovi stiki s svetom, njihovi problemi, njihova veselja. Anna se je umaknila za zid molčeče in agresivne distance, ki ji onemogoča kakršenkoli dialog. Vsaka reakcija okolice se ji zdi neznosna. Annin skrajno lojalno pozitivni odnos do Jakoba se očitno izključuje z možnostjo ohranjanja kontaktov s socialnim okoljem. Šele s pomočjo neke prijateljice se začne Anna učiti, da trmasti in odbijajoči molk na služi ničemur in da je treba ravnati s seboj in z Jakobovo prizadetostjo veliko manj krčevito in veliko bolj odprto. Ob vsej književnosti za otroke in mladino pa ne smemo pozabiti na strokovno literaturo zanje. V tem kontekstu je treba omeniti predvsem Susanne Richa, ki se je proslavila kot avtorica in ilustratorka strokovne literature za otroke, in sicer s svojimi zvezki: Spimo dokler ne pride pomlad, Zbudimo se, potem ko se stemni, Nosimo še otroške oblekice in Živimo okrog hiše in na dvorišču. V vsaki knjigi je predstavljena skupina živali s svojimi predstavniki - živali, ki spijo zimsko spanje, mladički, živali, ki živijo na kmetiji. Skratka, lahko razumljiva besedila posredujejo najbistvenejše informacije. Ilustracije so prepričljivo realistične. In ker prihajam z Dunaja, seveda ne morem mimo strokovne knjige Moja dunajska knjiga (Mein Wienbuch) Reingarda Witzmana, ki je dobil leta 1991 zanjo nagrado mesta Dunaja. S tem bi zaključila svojo kratko knjižno predstavitev, ki je bila seveda vse prej kot popolna. Mnoge naslove bi bilo treba še omeniti, če govorimo o največjih dosežkih avstrijske knjižne produkcije za otroke. Toda morda bo seznam ,Lesefreude *300\ ki sem ga prinesla s seboj in ki predstavlja najpomembnejše knjige iz lanskega leta, vsaj majhno nadomestilo. 76