FUR LAIBACH. ZUM BESTEN DER DURCH DIE ERDBEBEN-KATASTROPHE IM FRUHJAHRE 1895 SCHVVER BETROFFENEN EINWOHNER VON LAIBACH UND UMGEBUNG. HERAUSGF.GEBEN VON DER **> I« • GENOSSENSCHAFT DER B1LDENDEN KUNSTLER WIENS. WIEN. CARL GEROLD’ 5 SOHN. 1895 . I! ’ Ljubljana \% ' /?/ 2o2oO^CP& BUCHDRUCKEREI UND LITHOGRAPRIK, CH. REISSER & M. WJiRTHNER, WIEN'. FUR LAIBACH. S& *0 _ ^ -X? - . ^ /" 2 ? / /C> &?t^y^r, ^w- s Josef Engelhart, * 1 1 Caritas. Die schaumgeborne Gottin, die den Fluthen Entstieg — ist nicht so schon wie du; Und ihres Auges seelenvolle Gluthen Sie weichen deines Auges heiTger Ruh’ — Du bist das Wesen, das mit starken Armen Die Welt umfangt und jedes Menschenkind; Du bist das allumfassende Erbarmen, Das milde griissend Herz und Sinn gewinnt. Du stehst im Schauer auf zerstorten Fluren Und lachelst, wo des Mannes Kraft zerbricht; Auf allen Pfaden fand ich deine Spuren, Wo Menschenjammer hob sein Angesicht — Dir sinkt der Muth nicht, wenn Heracles Saulen In’s Wanken kommen und die Sturmfluth steigt — Dein zarter Fuss will jach zur Stelle eilen, Wo sich des Unheils ganzer Schrecken zeigt — Mit Myrthen und mit Rosen lasst uns kronen Dein Haupt, so lieblich und so mild, Nur mit Gesange konnte noch verschonen Ein Kind dein unentweihtes Bild — Ja, schon bist du! — Nicht schaumgeboren aus den Wogen Erhob sich deiner Schonheit lauter Ruf: Im Menschenstaube kamst du hergezogen — Das schonste ist, dass dich die Er d e schuf. — Wien, im Mai 1895. &/&U' (/-oc^o 3 1 * / 4 5 Splittef. Wenn das Schicksal mit seiner erbarmungslosen Faust Das Geld liegt auf der Strasse!« hort malt rufen, zuschlagt, dann offnen sich die Hande guter Mensclien. ; Deshalb holen es Viele aus dem Kotli. Die Maler mogen das Wort des heiligen Augustin betrachten: *.und da gehen die Menschen hin und bewundern hohe Berge und weite Meere und machtige Strome und den Ocean und den Lauf der Sterne, vergessen sich aber selbst darob.« 7 St. Peters-Friedhof in Salzburg. St. Peters-Friedhof, traute Graberstatte! In dir beruhen sich des Todes Schauer, Zu schildern dich, du schones Bild der Trauer, Wetteifern Lyra, Griffel und Palette. Die dich umragt, der Alpen Silberkette, Sie hiillt dich ein mit ihrer Felsenmauer, Als rvollte sie in treuer Liebe Dauer Behiiten sorglich ihrer Kinder Bette. Ein Kirchlein klebt an steiler Felsenwehre, Und drtiber hoch die alte Burg, die hehre Gebieterin im \veiten Thalesrunde — Hier steh’, o Wand’rer, wo Natur im Bunde Mit der Geschichte Geist! Der Weisheit Lehre, Du pfltickest hier sie von der Schonheit Munde. ~0ifi tMkp Richard Tautenhayn. ’s Kopfrechna. Die Buab’n de sitzen in der Schul’, Der Lehrer vorn’ sitzt auf sein Stuhl, Und weil’s g’rad’ Rechenstund’ jetzt ham, Geht ihna d’G’schicht’ halt gar net z’samm’. »Du Hans!« so thuat der Lehrer frag’n, »Pass’ auf, — kannst Du mir jetzt g’schwind sag’n, Wia viel als »fiinf und viere« is? — So denk’ nur nach, mach’ koan so G’friss!« Wien, Juni 1895. Der Hans is dumm als wia die Nacht, Und schreit g’schwind: »»Fiinf und vier is acht!«« »A Beispiel!« sagt der Lehrer d rauf — »Wia viel san des, -— merk aber auf, — Wann i fiinf Eier nimm, hor zua - Und leg’ no’ viere dann dazua?« »»Herr Lehrer!«« sagt der Hans ganz blod’, »»Sie leg’n do’ koane Eier net?!«« 8 9 2 "William Unger. Sprliche der Thorheit. Nichts Schoneres gibt’s, als wenn die Kunst geht nach Brot — fiir die Armen. Die meisten Stilllebenmaler erkennt man an ihren Frtichten. Die Farbe der Unschuld ist noch immer weiss, trotzdem so viel Hande darin gewaschen werden. Mein Lieblingsdichter ist Wasmutb, mein Lieblings- buch Brehm’s Thierleben, meine Lieblingsspeise doppelt- kohlensaures Natron und meine Lieblingsunterhaltung ein abgesagtes Concert. Wenn man einen Maler fragt, warum seine Figuren Nichts anhaben, so antworte er: Den Stoff dazu finden Sie in der Mythologie. Was sind die Zeichen unsrer Zeit? Erbarmen und Erbarmlichkeit! Carl Karger. 11 2 * H. Rauchinger. Die Kunst hat ihre Gesinnung, ihr Gewissen, ihre Verpflichtungen, ihre Delicte, kurz: ihre artistische Ethik, die sich von der allgemein menschlichen durch die Be- dingungen des fachmassigen Betriebes unter- sclieidet, aber in den Hauptpunkten doch mit ihr iibereinkommen muss. Das Gemiith des Ktinstlers fur die Kunst, sein Gefiihl der Verantvvortung fiir die Aufgaben der- selben — dies sind neben den Eigenschaften des Talentes ganz wesentlich Charakterziige, welche den Werth einer schbpferisclien An- lage auch sittlich bestimmen. Die Schonheit des Weibes. In der Schonheit des VVeibes liegt ein ausgleichen- des Moment der Gerechtigkeit oder gar ein schlauer Kunstgriff der Natur, \vodurch diese den Frauen eine er- quickliche Entschadigung fur ihre abhangige sociale Stellung bietet. Die schone Frau ist ja in der That eine Herrscherin! Mit welch schwellendem Hochgefiihl muss sie das Bewusstsein durchschauern, dass schon ihre Er- scheinung allein Beachtung, Aufsehen erregt, dass sie durch einen Blick beseligen, durch ein Lacheln begliicken kann, dass tausend begehrliche und bewundernde Blicke an ihr hžingen und ihre Gestalt umkreisen I Das aus- gleichende Moment der Gerechtigkeit offenbart sich aber noch in einer viel nachdrticklicheren Weise. Wie vieler Miihen, welcher Anstrengungen bedarf es, bis ein Mann aus einer niederen Lebenssphare sich endlich empor- gerungen, bis er es zu Rang und Ansehen gebracht. Wie anders das schone Weib! Wie ist diesem die Lebensbahn geebnet! Wie einstmals in Frankreich jeder gemeine Soldat in seinem Tornister den Marschallsstab trug, so besitzt ein schones Weib eine Zaubergabe, die ihm den Zutritt zu den hochsten Rangstufen der Gesellschaft er- ofFnet. Die Laufbahn so mancher Ballerine hat in ein grafliches Heim gemiindet; Ehen zwischen beriihmten Ktinstlern und Madchen aus dem niederen Volke, die bei ihnen Modeli gestanden, sind keineSeltenheiten; und selbst furstliche Kronen sind fur arme schone Madchen kein unerreichbares Ziel. Bei schonen VVeibern gelten eben weder Standes-, noch Racenunterschiede, weil ihre Schonheit ihren Geburtstitel bildet, ihren Adel, ihre Ahnenprobe. 12 13 Robert Russ. ; Joh. Nep. Geller. U ngltick verbriidert; versiegen auch bei Erdbeben bisweilen unversehens die Heilquellen im Innern der Erde, so brechen desto unaufhaltsamer lang verborgene oder ganz verschiittete Quellen des Erbarmens, selbst im Herzen der Verhartetsten, hervor. Muss aber wirklich erst Krieg und Pestilenz, Hungersnoth und Erdbeben iiber das Menschengeschlecht kommen, um miissigen Hass auszuldschen und uns armselige Sterbliche zur Einkehr und Eintracht, zur Schonung der fremden, zur Erkenntniss der eigenen Schwache zu vermogen? Wien, Pfingsten 1895. 15 Ed. R. v. Lielitenfels Die Vergangenheit ist eine Seifenblase der Erinnerung. Die Gegenwart eine Seifenblase des Augenblicks. Die Zukunft?- Ein Nichts, ein Phantom! Vergniigen wir uns an dem schillernden Augenblick. Der tausendste Theil einer Secunde: die Seifenblase platzt, und die Gegemvart ehort der Vergangenheit an. Ein Narr nur denkt an die Zukunft! IG Zygmunt Ajdukiewicz. 17 s Jo sef Sturm. —aa<- Mythos der Kunst. Was bist du, Kunst? — Ein Freudenstrahl der Sonne Dringt durch die Thranenwelt der Meeresflut Bis tief zur Perle, die, noch fremd der Wonne, Ein Bild der Seele, ahnungsbang dort ruht. Mit Macht beginnt da rings ein neues Leben, Ein Etwas, das nun alles' Sein durchbebt: Der Zug nach oben ist’s, ein Lichterstreben, Das auch die Perle aus der Tiefe hebt. Und so, stets hoher jetzt emporgetragen, Erreicht sie stili des Tages Herrlichkeit, Wo die Erloste, hold wie Friihlingstagen, Der Genius dann in sein Mysterium weiht. Was zwischen ird’schem Sturm und sonn’ger Milde Sich da gestaltet nun aus Lust und Qual, Ob Venus, ob ein Lied, ob ein Gebilde, Stets ist’s die Kunst, der Schonheit Ideal. 19 3 * Eugenie Munk. Schliess’ mit meiner Feder Micb hier gerne an, Und so leistet Jeder Wie er’s eben kann. Wien im Juni 1895. AlV Was das kleine Menschenherz Alles kana! Jetzt ist es das machtige Instrument fiir die Symphonie der Leidenschaften; dann wieder der Dudelsack fiir Alltaglichkeiten. Derselbe Muskel, den die Wonne der Liebe und der Schmerz ewiger Trennung durchzuckt, muss auch das Missbehagen iiber eine zerbrochene Fensterscheibe oder die Freude iiber ein gutes Friihstiick getreulich aus- pragen. Wenn Menschen am gebrochenen Herzen sterben, so fragt es sich erst, wie viel dazu die tragischen Lebensschicksale beigetragen. Das arme Herz wird viel ofter durch den constanten Aerger iiber abgerissene Hemdknopfe, enge Schuhe und ungeschickte Dienstboten consumirt, als durch grosse seelische Erschtitterungen. Und mancher Haus- frau konnte man als Epitaph die Worte setzen: »Sie starb an verstaubten Mbbeln, durchlocherten Servietten und zerbrochenem Ivaffeegeschirr!« 20 Arthur Thiele. Nicht fabuliren will die Kunst, Will heut’ fiir Menschen bitten, Die vvehrlos, ohne Dach und Brot, Auf berstender Scholle littenl Einsamliof, 9. Juni 1895. 21 S. Gliicklich. -4JV- Epigramm. Aus dem Englischen des James Henry. »Setzt in die Welt kein Vertrau’n« — so sagen die VVeisen und seufzen : »Hohle Tauschung nur ist sie, den Augen ein Trug, Unwahr, ohne Gehalt, ein Schatten, nicht einmal ein Schatten!« — ’s ist kein Wunder; die Welt ist ja geschaffen aus nichts. 22 .. -~*1 Rudolt Ribarz. Was lange Zeit fur echt gegolten Wird jetzt als Pseudowerk gescholten Und nach der »wahren« Kunst begehrt! Der Eine sucht sie, hochgelehrt, Aus alten staubigen Scharteken, Aus Schutt und Triimmern zu envecken, Der And’re findet ihre Špur In jeder knospenden Cultur; Der Dritte schweift nicht in die Ferne Und halt sich kiihn an das Moderne. Und je nach dem, was er verehrt, Beurtheilt jeder ihren Werth: Den Einen Ton und Farb’ entztickt, Den Anderen die Form beriickt, Dem soli die Kunst die Sinne tauschen, Wo Jene »tiefen« Sinn erheischen, Der wieder liebet das Abstracte, Und Diesen fesselt nur das Nackte, Der will des Geistes Kraft verspiiren, Dem soli Gemiith und Herz sie riihren — Wer nun verschwendet seine Gunst, Wer spendet sie der »wahren« Kunst? Und irrt nicht Der, der ihrer Špur Mit ofFnem Aug’ zu folgen meint, Und dem die hehre Gottin nur In einerlei Gestalt erscheintr In's Stammbuch. Dem Baume gleiche, liebes Kind, dein Leben, Der Friichte tragt und Bliithen stets daneben! /fauirC -diru 23 Luchvig Durnbaucr. Der Friihling naht aus liditen Htihen, Der Himmel hat’s nicht so gervollt, Verzage nicht, geliebte Heimat, Wenn auch die dunkle Tiefe grollt! Denn siehe — was auf Erden Bestes Ein Mensch im Leid erfahren mag Dass er an seinem Herzen fiihle Des Freundes treuen Herzensschlag: Dir ist’s, mein armes Land, gervorden, An diesem Besten wardst du reich, Dir schlug ein grosses Herz entgegen, Im Leide dein, — ganz Oesterreich! Mai 189 j. 24 25 4 Erdbeben-Glossen. »Gib mir zu stehn!« rief einst zu Zeus der Weise, »Und deine Erde heb’ ich aus dem Gleise!« »Steh’, \venn du kannst,« so hohnts vom Gotterherde. Ein Ruck — verheerend zittert’s durch die Erde. Den Menschen graut’s. Auch Weise lernen jammern Und Weltverachter sich an’s Dasein klammern. Und keiner sucht, dass eingerankt sie werde, Sich einen Standpunkt ausser dieser Erde. Dei Philosoph ruft: »Halt! Soli mir \vas gliicken, So darf man mir den Standpunkt nicht verriicken!« Der Fromme: »Freilich ist das Heil nur drviben, Doch hier das Feld, im Dulden uns zu iiben.« Der Pessimist: »Ein Jammerthal, auf Ehre! Und wenn’s doch mind'stens ein stabiles ware!« Der Gute: »Feindlich sind die Urgeivalten, Und wir sind sclrvvach. Lasst uns zusammenhalten!« Wer imrner weint, es sind die gleichen Thranen, Bei Deutschen, Ungarn, Walschen und Slovenen. Gebt Euch die Hand, so wird die Angst gelinder. »Wenn Mutter fiebert, finden sich die Kinder!« Wien, Mai 1895. 27 4* »Inter arma silent musae« hat im Zeitalter der allgemeinen Wehrpflicht keine Geltung mehr. Das moderne Kriegswesen hat alle Kiinste und AVissenschaften in Zins und Pflicht genommen. AVereschtschagin, Meissonnier, L’AIlemand, Myrbach u. A. sind Kiinstlertypen, charakteristisch fur das nahe Verhaltniss, in \velchem die bildende Kunst zu dem militarischen Zuge der Zeit steht. Alfred v. Pfliigl. 28 29 Du hoher Genius der Nachstenliebe! Ich grtisste dich voli Dankbarkeit, Wenn nicht die bose Frage offen bliebe: Wo steckst du sonst die lange Zeit? Juni 1895. -A/V Es starrt die Welt in Waffen und in — Kniitteln, Du, hoher Genius, riihrst dich nicht! Muss sich denn erst die Erde schiitteln, Eh’ du envachst zu deiner Pflicht? — O. Wisinger-Florian. 31 Gedanken und Einfalle. Beim Zoll der Wahrheit wird am meistcn ge- schmuggelt. „ Die Blumen, die man uns auf dem Lebens\veg streuen solite, wirft man uns lieber aufs Grab nach. .*}; Der Eine vollbringt’s, dem Anderen — gliickt es. Ztveimal zwei ist vier, wenn dabei keine Frau in Rechnung kommt. ... Es gibt Leute, die ihre eigenen Ansichten nicht theilen. Die Freundschaft ist kauflich, die Feindschaft muss man sich verdienen. DerTod istdoppeltgrausam, weil envahlerisch ist. Man findet oft bei einer Frau eine Ansicht, ein Princip, das ein fruherer Liebhaber bei ihr vergessen. * Die Ohnmacht ist bei den Frauen in der Regel ein ztveifacher — Schtvindel. Die Frauen machen wohl ein Unrecht gut, aber sie gestehen es nicht ein. 32 Hans Temple. 33 s Heinrich Wettach. Menschliches. Das erste Wort, das ein Mensch dem anderen zufliisterte, war: Hilf mir! Geben ist seliger als Nehmen. Aber wie wenige Menschen streben nach der tvahren Seligkeit . . . * Nur was ein Mensch gegeben hat, kann er im Leben nie mehr verlieren. * Wenn die Erde erschiittert ist, sollen es nicht aucli Menschenherzen sein? Niemals werden wir uns der Zusammengehorigkeit mit allen Menschen tiefci und inniger bewusst als in den Tagen schweren Unglticks. St. Gilgen, 31. Mai 1895. 35 Lad. Benesch. F r i e d h o f s a b e n d. Am HimmelsraDd die Sonne steht Mit heissen Abschiedsblicken, Der Abend durch den Friedhof geht: Die Todtenblumen nicken. Sein Lager wahlt ein Vogelein Im Trauervveidenbaume, Das singt sich in den Schlummer ein Und zwitschert noch im Traume. Entfarbt, umdammert, sacht verhallt Ist Alles nah wie ferne, Und schweigsam ob den Grabern vvallt Der Pilgerzug der Sterne. 36 0 Ludwig Mayer. H. Lindner. Adrienne Grafiti Pbtting. Ella Weber A. Siber. E. Dite. Bertba v. Tarnoczy. A. Jakesch. Imre Revesz. 37 Es tragt gewohnlich ein Jeder von uns die Liebe zum Bruder Menschen unter neunfachem Siegel in seinem Herzen. — Wann wird die Zeit kommen, da nicht erst die sengenden Fackeln des Erbarmens und des Mitleids diese Siegel losen ? Wien, Juni 1895. A. D. Goltz. Betrachte die Kunst als was du willst, im Sinne der Naturwissenschaften als noth- wendige Lebensausserung Einzelner und denselben grossen Gesetzen gehorchend, \vie Wachs- thum, Bliithe, Frucht, oder nehme sie als Gottesgabe, ebenso unbegreiflich, wie Alles, was von oben kommt, also im Sinne des Glaubens oder der Mystik; stets wird sie zu dem Bedeutungsvollsten gehoren, was dir das Leben bieten kann. Verstehe es wohl, sie hoch ' zu halten. 39 Cii. AVilda. Nicht Herzenssache, Pflicht des Verstandes ist Wohlthun; denn brutale hassliche Aeusserlichkeiten hemmen den Fortscbritt des Geistes. Juni 1895. \. r *y 40 Susanne Granitsch. 41 G ' Auf, in’s Gebirge! O hatte mir die Seele der Natur Den reichsten 'Wohllaut in’s Gemiith gegeben, Den reinsten Strahi vom leuchtenden Azur: Wie wiirde heute sich mein Herz erheben Und Frohsinn athmen und in Freude bliihn, “VVie \viird’ ich zwischen Licht und Klangen scbweben Und im Genuss des Augenblickes gliihn! Ein Augenbliclc des Jubels! — O verzeiht Und lasst sie mich durchjubeln, die Secunde, Die der verjiingte Muth uns hold verleiht! Gedenke dessen, edle Freundesrunde, Und mein Frohlocken, o verkenn’ es niclit: Das Leben gleitet, kostbar ist die Stunde, Und jeder Tag ist wechselnd von Gesicht. Entfliegt, entfliegt — hinaus in Gottes Welt, Wo Klarheit sich mit Innigkeit verbiindet Und zum Geschopf der Schbpfer sich gesellt! Hinaus, wo das Gefiihl hiniibermiindet Und jauchzend mit des Aethers Strdmen fliesst, Wo ,£jn der Blume sich das Herz entziindet Und die geheimste Falte sich erschliesst! Hinaus zur Schlucht, um die die Gemse streicht, Wo aus den Tiefen ihrer Silbertonne Den Labetrunk die schone Nixe reicht; Hinaus, rvo der ersehnte Blick der Sonne Nach jedem Bliithenstaub der Fluren zielt Und wo in unfassbarer Geisterwonne Der Vettersturm mit Felsgiganten spielt. O schaaren wir uns warmer Mann an Mann Es wallen unsres Busens hehre Kliinge Wie selige Geschwister himmelan! Es spricht aus dem vertraulichen Gedrange Die Bundesliebe jugendlich hervor, Es schwingt sich mit dem Zauber der Gesange Das deutsche Lebehoch verkliirt empor! O helle Rast im dunklen Lebenslauf! Wie wiinsch’ ich, dass die Helle sich erneue! Ich ruf’ euch bittend zur Erneurung auf. Wie rviinsch’ ich, dass die Bitte euch erfreue, M ich findet ihr ergeben und beseelt; Begeisfrung, Seelenadel, Freundestreue, Wie gern gehorch’ ich da, wo ihr befehlt! Wien, 28. Mai 1895. 43 c* Wien, am 6. Juni 1895. Herm. Giesel. Ein Fingerzeig. Wenn wir uns klaren Worts verbanden, Die \vir im Geist verbunden sind; Ein rasches Wort des Scheidens fanden, Die wir geschied’ne Leute sind, — Es war’ erfiillt so manch’ Begehren, Verhiitet mancher Ueberdruss: Die Fesseln nur des Schweigens -— stdren Uns in des Lebens Vollgenuss. W i e n. 45 Wohlthatig ist die Kuust: Sie veredelt und bildet, Erfreut und erheitert, Ob in alten Bahnen Oder neuem Geleis’. VVohlthatiger noch Und herzerquickender Naht uns die Muse, Wenn Noth sie lindert Und Thranen stillt. Wien, im Mai 1895. Heinrich Jakesch. A/V Was schon ist! Wie das Urtheil so verschieden, Das begreift dein Gleichmuth nicht. Dir scheint ganz von Reiz gemieden, Was zu Anderer Sinne spridit. Schonheit ist nichts Absolutes, Formgebund’nes. Viel darein Spricht das Herz. Das hat sein Gutes, Denn geliebt will Jeder sein. Audi dein Urtheil wird sich triiben. Merke nur das Eine, dass Immer »schon« ist, was wir lieben Und — dass »hasslich« kommt von »Hass 4G Wien-Hietzing, 9. Juni 1895. D as Gliick erzeugt den Uebermuth Und scheidet, was zuvor vertraglich; Der Eine schmaht des Andern Gut Und blaht sich eitel auf, unsaglich. Von aussen kommen muss ein Merks, Bis bose Nachbarn sich besinnen Und gleichen Sinnes, gleichen Werks, Den Bau der Eintracht neu beginnen. Doch ist’s der Adel des Geschlechts, Trotz feindlich treibender Gewalten, Dass Die von links und Die von rechts, Wo’s Rettung gilt, zusammenhalten. 47 Campagna-Gewitter. Auf \Volken schwer und filister Jagt der Scirocco in’s Land . . . Schiviil duftet um mich der Ginster Im brennenden Haidesand. Vom Leuchten fcrner Geivitter Ein Schimmer heriibcrzuckt — Starr wachst in das fahle Gezitter Der alte Aquaduct. Und plotzlich hdr’ ich’s gellen In’s schweigende Land hinaus — Das sind nicht des Sturmes Wellen, So naht einer Schlacht Gebraus! Die ehernen Tuben scbreien, Die Kampfer briillen auf, In schemenhaften Reihen Umwogt es mich zu Hauf\ Und iiber dcn irren K-liingcn Und der rasenden ICampferschaar Schivebt, dcn Sieg in gierigcn Fiingcn, Der gold’ne Romeraar! Ich seh’ ihn kreisen — jctzt schnellt cr Herab ... da ivach’ ich auf: Der lodernde Blitz, dort fallt er, Der Donner \virft sich d’rauf; Die Erde dampft, cs erzittert Im Nachhall leis’ die Luft — Wo der Tod herabgeivittert Qualmt siisser Weihrauchduft. Und wie die Flore sich heben Seh’ in weissem WoIkengewand Ich Casars Schatten sclnveben Ueber sein heiliges Land! Wien. 48 49 7 Distichon. Biklende Kunst — wie erhaben, \venn Kunst nicht von Bildung erstickt wird! Redende Kunst — ach es ist soviel Gerede dabei. W i en, 7. Juni 1895. H. Rathausky. Nur Weltenpein allein ist unverganglich, Die Wonne spiilt sich fort, wcnn sie auch schaumt, Und balde — ist sie weggetraumt. (Ga a.) Franz Ondrušek. 51 7 * Du magst gefallen haben, Du magst gefallen sein, Man wird dir das Gefallen In keinem Fali verzeihn. Die Lust ist uns’res Leichtsinns Wiege, Doch auch die Amme der Geduld; So hilft sie uns zu manchem Siege Und wird zur Quelle mancher Schuld. "VVien, 7. Juni 1895. Wer weiss, was er will, Weiss viel. 52 Es waltet eine ungeheuere Lieblosigkeit in unserer Welt. Ein Mensch wird vom Schicksal zermalmt, eine Welt ist mit ihm zu Grunde gegangen, und das Gewiihl in den Strassen geht fort, und die Gestirne kreisen ihre Bahn nach wie vor; es ist, als ob nichts, aber auch rein gar nichts geschehen ware. Eine Ameise wird im Walde zertreten — was weiterl Der Wald vveiss nichts davon und er rauscht es weiter sein altes Lied. — Die alte Erde reckt sich im Schlafe, und eine bltihende Stadt liegt in Triimmern, und die Friihlingssonne scheint auf eine Statte des Elends und der Verzvveiflung. Nachdem das Unheil geschehen ist, ruht sie wieder und schlaft weiter, wie die wilde Bestie dumpf und dumm den Verdauungsschlaf schlaft, nachdem sie eine Creatur zerrissen, ohne Gefiihl und ohne Bewusstsein dafiir, ob es ein Thier des Waldes oder ein Menschenkind war. Wir konnen uns kein grosseres Ungltick denken, und es gibt auch keines, als dass ein Menschenherz bricht in Noth und Leid. Nur durch die Haufung desselben Un- gliicks konnen wir uns noch eine Steigerung vorstellen: \venn hundert, tausend Menschen zu Grunde gehen! Auch das verschlagt nichts; die gesattigte Bestie schlummert weiter. Vielleicht ist es aber auch nichts, und es erscheint nur uns so wichtig, weil wir mit unseren eingebornen Be- griifen die Dinge falsch sehen, durch die beriihmte Kant’sche Brille, die uns angeboren ist und durch \velche wir Alles blau sehen. Vielleicht sieht unser geistiges Auge auch durch ein uns angeborenes Vergrosserungsglas, das unser eigenes Ungltick uns namenlos gross erscheinen lasst, obschon es in Wirklichkeit gar nicht so gross ist. Das ist eine Philo- sophie, die thatsachlich Trost bietet — den Andern, immer den Andern, die nicht selbst betrofifen sind. Die haben auch leicht philosophiren, aber der, den 's trifftl — Wenn das Ungltick nicht so arg ist, warum diese schreckliche Em- pfanglichkeit fur den Schmerz, natiirlich fiir den eigenen Schmerz, wozu den Willen, der sich nicht ertodten lasst, wozu die Hoffnung, \vozu die Sehnsucht, wozu, wozu? ? Franz Rumpler. Wien, ara 5. Juni 1895. 53 Aug\ Schaeffer. Aus dem Tagebuche eines Journalisten. Die Zeitung hat sich Ellenbogenraum verschafft, sie sitzt mit am Webstulile der grossen Ereignisse, sie verberrlicbt die segensreichen Fiibrer und straft die Unzuverlassigen, die Falschen, die Halben; in manchen Landern — natiirlich nicht in Oesterreich — beunruhigt sie sogar Minister, ohne zu bedenken, dass diese als Giiter behandelt werden wollen mit der Auf- schrift: »Nicht stiirzen!« Sie richtet gebeugte Primadonnen auf. Manchmal wagt sie es, ihre Stimme gegen Fursten zn erheben, und dem Bettler, in dem eine hohe Seele lebt, setzt sie die Biirgerkrone auf. Sie ist der Spiegel des Lebens, in ihren Spalten fluthet oceanisch das Dasein — bis in die Annoncen hinein, wo Geburt und Begriibniss hart aufeinander stossen, ganz \vie in der Wirklichkeit, die uns durch Contraste zu verbliiffen pflegt. Ist’s nicht verzeihlich, wenn uns Zeitungs- "VVien, 26. Mai 1895. schreibern manchmal die Machtfiille unseres Berufes schivindel- erregcnd zu Kopfe steigt? In Stunden ironisch angeliauchter Selbsterkenntniss fiihlen wir uns versucht, den Journalisten als Jemanden zu definiren, der sich eifrigst um ali das bekiimmert, \vas ihn nichts angeht. Aber solche Stimmungen verfliegcn rasch, und alsbald kehrt unser schones Selbstbewusstsein unver- mindert ivieder ... Unser Charakterbild, nvon der Parteien Hass und Gunst verwirrt«, schwankt in der zeitgenossischen Wevth- schiitzung. Die Gottersage der alten Romer nimmt fiir uns den Schein der Wirklichkeit an, denn fast Jeder, der mit uns zu schaffen hat, zeigt einen Januskopf: das e i n e Gesicht, das freund- schaftlich -1 iebenswiirdige, so lange er unserer Dienste bedarf — das a n der e, das verdriesslich oder feindlicli abwehrende, nachdem wir ihm diese Dienste schon erwiesen habeu.« 54 Ein Gott, Ein Recht, Eine Wahrheit. Scliloss Erlaa bei Wien, 6. Juni 1895. Franz Russ. 55 Das Leben ist ein zvviefach Ding, Es ist von Werth imd ist gering, Es vvidert an und grlisst und lacht Und \vandelt zvvischen Tag und Nacht. Das ist ein Zwiespalt ohne Rast —• Doch wer das Leben richtig fasst, Kann alles Bittre lindern Und alles "Oble mindern: Geh’ nicht den allgemeinen Trab, Kehr’ vornehm dich vom Unwerth ab, Such’ nicht den Wirbel, such’ die Ruh’ Und wende dich dem Schonen zu. Verliere das Vertrauen nicht, Wenn einer dir die Treue bricht, Geh’ stolz an ihm vortiber Und trau’ dem Nachsten wieder. Greif’ nimmer nach dem hohlen Schein, Nach falschen Ereuden, leer und klein; Nach Grossem strecke deine Hand, Nach Gliick, das Kern hat und Bestand Und in sich birgt den Frohgenuss, Der ohne Reu’ und Ueberdruss. Und wenn des Lebens tiefste Noth, Wenn dunkler Schatten dich umdroht, Dann raff’ dich auf und such’ das Licht, Das warm aus Wolken niederbricht! Sag’ nicht: es iibenviegt die Nacht! Sie kommt und geht. Und wieder lacht Aus reinem Blau der helle Schein Belebend dir in’s Herz hinein! Und sieh, von allen Wunden Wirst lachelnd du gesunden. Fcldafing ara Starnbergersee. 56 57 8 Zerstreute Gedanken. Adolf Hirschl. Poesie ist die dargestellte Erfahrung eines Einzelnen. Die Macht, solche neue Erfahrung den Anderen aufzuzwingen, dass sie raeinen, es sei ihre eigene ■—- diese Macht nennt man Genie. Es ist so eingerichtet, dass die JVTuh- seligen und Beladenen zu allem Uebrigen auch noch die Starken und Klugen tragen miissen. V orauszusehen, dass kommende Zeiten im Erben etwasUnmoralisches sehen werden. Schon sind Vorzeichen da: »Pah — ein Erbe! . . .« Es ist noch gut, es zu sein; aber nicht mehr, dafiir zu gelten. Reich ist nur der Geizige. Er kann sich Gentisse traumen, die im Bereich seiner Macht sind, und die ihn enttauschen wiirden, wenn er sich sie nicht kraftvoll versagte. Hans — mein Sohn — sagt in seiner lustigen Kindersprache statt »Blodsinn«: das ist eine Blodsinde. Er hat Recht. Es gibt Blod-Siinden - und die sind sogar die argsten. Pariš, 8. Juni 1895. 5 !) 8 * A. Schmidgruber. Es wankt der Boden! Er bebt und kracht! — Entflieht den stiirzenden Raumen! — Die schlummernde Erde ist aufgervacht Aus ihrem versteinerten Traumen. Die Glocke tont im schivankenden Thurm, Zerborsten fallen die Mauern — Nun stohnt der thorichte Menschenwurm In zitterndein Todesschauern. Und donnernd spricht der todte Stein: 0 Mensch, wie bist du schwach und klein! Die Geister haben zu Ende gelarmt, Die unten so wild sich emporten; Nun baut Ihr bleich und abgeharmt Die Hiitten auf, die zerstorten. Die Klage schreitet durch die Weit — Wie sich die Augen feuchten! Denn in Millionen Herzen fallt Der Bruderliebe Leuchten. Des Mitleids Bliithe sich strahlend erschloss: O Mensch, wie bist du stark und gross! 30. Mai 1895. Die Zeiten andern sich und auch die Spriiche! Wie schrieb doch Lessing einst: »Kunst geht nach Brot.« Der grosse Dichter ist nun lange todt, Und heute gibt die Kunst — fiir Laibach — Brot. 60 Und wieder sind es Kiinstlerhande, welche auf- bauen helfen, was blinde Naturgewalt zerstort hat! Karlsbad, Mai 1895. Die Kunst hat keine Katastrophen; sie kennt nur Entwicklung. Friedrich R. v. Friedlander. Aus einer »Alkestis«. Der kleine Eumelos: Was legen sie die Hutter auf die Trage? Kann sie denn nicht mehr gehen? AVas ziehn sie ihr die schoncn Kleider an? AVas geben sie ihr gold’nc Spangen um? Ist doch kein Fest? Die alteren Frauen (an der Bahre): Es pfliicken die Menschen die Friichte des Lebens, Die AVunder der AVeite, die Wunder der Nahe. Sie lassen den Wind ihre Schiffe treiben, Sie saugen den Zauber der Tone aus Floten Und Konigsgedanken aus Traumen der Naclit. Wien, im Mai 1895. Sie fahren im hohen Wagcn des Lebens Mit stolzen Stirnen den A\ r underweg, Da springt gegen sie mit der eichenen Keule Und schlagt sie nieder das stumme Geschick. Die jiingeren Frauen: AVir diirfen nicht fragen, ivir kdnnen’s nicht fassen! O brechet die Friichte, umschlinget einander, Beladet mit Leben die laufenden Stunden, Mit funkelnden Blumen, iveissaugigen Steinen, Mit Lachen und Liebe, mit Herrschaft und Lust! AVas frommen die duftenden, gold’nen Sandalen, A Vas frommen die .Spangen, was frommen die Blumen, Um nieder in’s Dunkel zu folgen dem Tod? 61 A. Mangold. Vor’m Antritt seiner Grabesruhe, Im Anblick seiner Todtentruhe Fragt jedes Menschen Herze sich: Hast einmal du geliebt? O sprich! Und wem das Herz nicht pocht, Und wem das Blut nicht kocht, Und wem die Wang’ nicht gliiht, Und wem das Aug’ nicht spriiht, Dem ist das Sterben leicht. Denn hart Ist sonst des ird’schen Kampfes Art, Es mochte keiner zweimal stehen In seinem bosen Sturmes\vehen. Die Liebe siegt mit einem Blick! Wer ihn empfing, fragt das Geschick, Ob es Verjtingung ihm gewahr’, Ihm, ihm allein, und stirbt so schvver. Ich ziehe die jungen Parlamentarier den alten vor, sie haben mehr Gesinnung und weniger Interessen. Man soli jeden Menschen z\veimal \vagen, mit und oline Brieftasche. 62 Rudolf Alt. An cler Grenze, wo Musik und Malerei sich einander nahern, zeigen diese beiden Kitaste ein sehr verschiedenes Verhalten. Malende Musik hat et\vas Kindisches, Malerei, die musikalisch, also vornehmlich durch ihren Empfindungsgehalt wirkt, etvvas unendlich Ergreifendes, Riihi endes. Dort Hilflosigkeit, Unvermogen, hier hochstes Vermogen. 63 E. Ditč. —AAr— — Fruhling! Die ganze stille Gegend liegt Mit Berg und Busch und Baum In einen tiefen Traum gewiegt Bis an des Himmels Saum. Die wellcen Bliitter ab und zu, Sie rauschen wie erschreckt, Wenn sie aus ibrer Todesruh’ Ein Scliritt des Friililings weckt — Bis wieder wie im Traume liegt Mit Berg und Busch und Baum Die ganze Gegend tiefgeschmiegt Bis an des Himmels Saum; Nur von den jungen Knospen geht Ein leuchtend Liicheln aus, Und eine jede heimlich spiiht: Der Freier schleicht um’s Haus; Und wenn die Amsel hell im Hag, Der an der Wiese zieht, Dem jungen miiden MSrzentag Noch singt ein Schlummerlied . . . W.ien, 1895. Der Freier schleicht durch letzten Schnee Mit leichtem, leisem Fuss . . . Was Windesbrausen in der Hdh’ — Gliickselig ist sein Kuss! '\IAam foMM 64 05 Alois Hans Schram. 9 Sie verlangen von mir einen Beitrag fiir Ihr Rettungs- werk zu Gunsten Laibachs? O, mit tausend Freuden! Kennen Sie aber auch die ganze Bedeutung Ihres Unternehmens? Ist Ihnen vollig bewusst, dass Sie mit demselben beitragen zur Verbreitung jenes semitischen Contagiums, das seit mehr denn anderthalb Jahrtausenden das reine arische Blut vergiftet, und dass es — ich meine Ihr Werk — ein Faustschlag ist in’s Antlitz der modernsten aller Wissenschaften, der National- okonomie namlicli? Sie wollen wohlthun, Ihren leidenden Mitmenschen uneigenniitzig helfen. Sie appelliren dabei allerdings auch an den Patriotismus — aber mit Verlaub, der liat mit Ihrem Thun nichts zu schaffen. .Die Yolkswirthschaftslehre — die orthodoxe natiirlich, die von den Kanzeln gelehrt wird — kann Ihnen sagen, dass Sie Ihrem Vaterlande nicht niitzen, sondern schaden, indem Sie Capitalien, die besser zur Griindung neuer Fabriken, zur Anschaffung neuer Maschinen, kurzum zu productiven Zwecken Verwendung finden sollten, dazu in An- sprucli nehmen, um Hungernden Brot und Frierenden Kleider zu schenken. Nein, meine Herren, die Wohlthatigkeit, die Charitas, weiss nichts von Patriotismus, sie kennt nur die Menschenliebe, und diese ist eine verhaltnissmassig junge Er- findung. Sie werden sagen, dass schon das heidnische Alter- thum Brotvertheilungen — und noch dazu allergrossten Styls — kannte. Sehr richtig, aber diese erfolgten nicht, weil man den Notlileidenden helfen wollte, nicht weil man Mitgefiihl mit ihren Entbehrungen empfand, sondern weil man sie brauchte, sich ihrer zu seinen Zrvecken bedienen musste, aus Patriotis¬ mus mit einem ‘VVort. Mit der Menschenliebe und ihren Ge- boten ist die Welt erst durch die Apostel Christi bekannt geworden, und eines mehrhundertjahrigen grimmigen Kampfes bedurfte es, bis die neue Lehre von der Gleichheit und Briiderlichkeit aller Mensclien ihren nothdiirftigen Frieden mit dem Staate schloss. Einen nothdiirftigen, ausserlichen Frieden bloss, denn diese Lehre ist in der That unvertraglich mit den Grundlagen des auf Ungleichheit, auf Herrschaft und Aus- beutung des Menschen durch den Menschen beruhenden Staates, und nur zu sehr im Rechte waren jene romischen Imperatoren, ivelche die ersten Christen den Bestien vorvvarfen oder als lebende Fackeln verbranntcn, gleichrvie auch heute diejenigen im Rechte sind, welche von der vveiteren und tieferen Ver¬ breitung des semitischen Giftes den volligen Umsturz des Staates erwarten; sie irren bloss, wenn sie den solcherart be- drohten Staat einen christlichen nennen. Sie aber, meine Herren, indem Sie ein Werk rvahrhaft christlicher Menschenliebe iiben, tragen bei zur Verbreitung des Gleichheitsgedankens. Indem Sie zugeben, dass Ihnen schmerzlicli sei, andere Menschen leiden zu sehen, indem Sie dazu auffordern, fremder Noth, unbekiimmert um den eigenen Nutzen, ein Ende zu bereiten, setzen Sie sich in Widerspruch mit einer Ordnung, die Vortheil und Gliick des Einen auf- baut auf Noth und Jammer des Andern. Ihnen dazu meine Mitwirkung leihen zu lconnen, soli mir jederzeit eine hohe Genugthuung sein. Carl Reichert. 67 V* An Johannes Paul. Dir lebt ein Freund, o Sohn, wie’s treuer keinen gibt, Er hat als Kindlein schon vor Andern dich geliebt; An seine Brust gar oft hat er dein Haupt gelegt, Etir dich geseufzt, gehofft, in Krankheit dich gepflegt; Hat dich gewiegt im Arm, gekiisst dich und geherzt, Hat unter bitterm Harm gar oft mit dir gescherzt! — Was irgend er vermag, will er auch ferner thun, Und solit’ er keinen Tag und keine Stunde ruh’n. Er will des Čuten Saat ins Herz dir senken friih: Die Kraft zur edlen That, die Lust an heisser Mtih’. Er lehrt an dem, was wahr und schon, dich zu erbaun, Nur musst du immerdar dem Freunde dich vertrau’n. WennZweifel dich beschleicht, ivennReue dich verzehrt, So komm, dass er dir leicht abnimmt, was dich beschwert! Ihm Alles zu gesteh’n, darfst furchtlos du ihm nah'n, Ob Unrecht dir gescheh’11, ob Unrecht du gethan. Er spricht nach Freundesbrauch Geduld und Trost dir zu, War er doch thoricht auch, ein Knabe so wie du! Ins Leben fiihrt er dami, will’s Gott, den Jiingling ein Und sieht dichnoch zum Mann nachseinem Sinn gedeihn. -Alk Eduard Zetsclie. 68 ; 'acr™—~ Walter Ziegler. In der Wiiste. Tief unten \vo im Orient, Wo man Cul tur und Recht nicht kennt, Begegnet mir ein Beduine, Dem Leid gepragt ist in die Miene. »Mit Euch den Frieden alle Tage! Doch, scheint es, Freund, Ihr habt ihn nicht. Gibt Euer Scheik Euch Grund zur Klage?« Da zuckt’s ihm schmerzlich durch’s Gesiclit: »O Herr, bei allen unsern Todten! Das ist der hart’ste der Despoten. Vernichtung schwor er einst uns Allen, \Vas nur im Lande lebt, muss fallen. Und vollig fehlt dabei die Norm, Die doch so selir dem Menschen frommt: Prag-, im Juni 1895. -- A/V Gerichtet wird ganz ohne Form, Getodtet wird, wie’s eben kommt.» »Um Gott, wie mogt Ihr das ertragen?« »Wir sind vvie vor den Kopf geschlagen, Wie Fieber wiihlt’s uns im Gebein, Auf Borg ist unser ganzes Sein. Zum Tod verurtheilt sind wir Alle, Nur dass dem Herrscher nicht beliebt, Dass er uns je Gewissheit gibt, Wann der, wann jener kommt zu Falle.« »Denkt Ihr nicht dran, Euch zu erheben, Wird nicht geklagt, gekampft, getobt?« »Ach nein, wir haben uns ergeben Und seufzen: Allah sei gelobt!« ^ 1 - Josef Biiche. M. Kupfer. Emil Strecker. 7J Mag audi in Ungewittern Die Mutter Erde zittern, Mag alles ivanken, beben, Bedrohen Gut und Leben — Wir kennen keine Sorgen, Wir sind im Lied geborgen, Das kiindet uns ja munter : »Der Wiener — geht nicht unter!« Wien, im Alai 1895. Carl Schuster. Zu ivohlthatigen Zivecken geistreich sein ist nicht Jedermanns Sache. Sch\vitzende VVeisheit tragt so \venig Zinsen wie Wohlthun, zu dem man sich erst auffordern lasst. Begniigen Sie sich daher mit meinen auf- richtigsten Wiinschen fiir das Gedeihen Ihres edelherzigen Unternelimens. 72 73 10 >■' ■ ».-.J - - Le op. Burger Mag der Erde Grand erbeben, Liebe soli mit kiihnemi Streben, Goldgefiedert, holdgegliedert, Sich aus Sturz und Staub erheben. Pieta. Dem Mitleid menschliche Gestalt zu geben, War stets des Iviinstlers heiligstes Bestreben. Es soli das geistige Oesterreich hier vertreten sein . . . Midi schmuggle ich fein — nur der Statistik vvegen ein. 75 10* Jul. Schmid. Iti den Zeitungen las ich neulicb, dass das jlingste Erdbeben insoferne auch eine gute Seite hatte, als es zur Entdeckung einer Schwefelquelle geflihrt hat. Nun war mir auch sofort klar, warum die verehrliche Wiener Klinstler-Genossenschaft sich an uns Journalisteu um literarische Beitrage zu Gunsten der armen Laibacher gewendet hat. Sie hat eben bei uns die richtige »Schu efclcjuclle« gesucht, von der Voraussetzung ausgehend, dass denn doch Niemand so zu »schwefeln« versteht, wie wir Leute von der Feder. 7G Gebet. Du bist der Traum, den meine Seele schaut, Im Rausch des Gliicks, in triiben Nachtgedanken, Du bist der Gott, dem meine Seele traut, Wenn in der Brust mir wirre Zweifel schwanken. Du bist das Land, das mir die Sehnsucht nennt, In das des Lebens dunkle Strome miinden, Du bist das Rathsel, das kein Weiser kennt, Kein Sterblicher vermochte zu ergriinden. AVien. Du bist die Macht, aus der das Leben fliesst, Die alles schafft und welken lasst hienieden, Du bist die Nacht, mit der das Leben schliesst; Erst mit dem Tode bringst du mir den — Frieden! 77 Franz Koch. Der schonste Beruf von Worten und Bildern Ist Gliick zu begriinden und Ungliick zu mildern. Wien, 28. Mai 1895. Kunst und Kunstler. Es kam Humanitas zur Kunst, Um anzuflehen ihr Erbarmen: »O schenke deine hohe Gunst, Ich bitt’ dich, Schvvester, meinen Armen, Die, preisgegeben Sturm und Wind, In Laibach auf der Strasse lungern, Noch ungewohnt des Bettelns sind Und, stumm die Hiinde faltend, hungern.« Es \vinkt die Kunst; bald naht heran Mit Meissel, Pinsel und Palette Die Schaar der Jiinger, Mann fiir Mann, Und alle miih’n sich um die Wette, Von hehrer Schaffenslust beseelt. Da sprach die Kunst: »Muss ich vermissen Die Feder, die doch sonst nicht fehlt Und allezeit scheint hilfbeflissen?« Die Feder war, wie stets, bereit Vuch mitzuthun an diesem Werke, 'Jur meinte sie: »Je nun, verzeiht, >o ich den Umstand bloss vermerke: Venn es der hohen Kunst gefallt, 'u fordern menschliches Bestreben, Cann sie allein die ganze Welt V n s Srhutt zn neiier Pracht erhrlien 78 Bocklin’s Todteninsel. Nimm mich auf, du bleicher Fahrmann, In den Nachen dein, Fiihre mich in der Cypressen Schattendunklen Hain. Zwischen schroffen Felsemvanden Lass mich traumend steh’n, Mich noch einmal zaubertrunken den Wolken seh’n. Lass ins blaue Meer mich starren, Wo die Welle springt Und in ungeheurer Weite Spurlos untersinkt. Lass noch einmal mich erschauern In der Wonne Pein Und in Todesschlaf versinken Auf der Insel dein! 79 Was ist denn Mitleid Anderes, als ein heftiges Erbeben des Herzens ob des Ungliicks unseres Nebenmenschen? I.,- Max Kurzvveil. Bebende Machte. Die Stadt zerfallt. Dies that der Erde Beben: Entfesselung der ewig roben Kraft, Die das zerstort, was Menschenklugheit schafft; Des Stoffes Tiicke hohnt des Geistes Streben. Wie ist’s, wenn Vdlker grollend sich erheben? Den Sclaven sieh’, der \vild empor sich rafft, Der jahlings sich entringt der Kettenhaft: Natur will frei von Geistestiicke leben. Da lob’ ich mir das Beben und das Zittern Des Menschenherzens, wenn in dem Gemiitli Die Leidenschaft ersteht in Unge\vittern; Da lobe ich mir, wenn die Seele gliiht, Das Beben des Gedankens, da zu Splittern Den Irrthum zu zerschellen er sich miiht. Hine Majestat gibt es, vor der jeder Parteihader verstummt und sich in Ehrfurcht neigt: die Majestat des Ungliicks; und Eine Sprache ist, die uns erinnert, dass wir Brtider sind und zu einander gehoren: die Thranen. W i en. 80 Melanie v. Horsetzky. M. Ruppe. Jos. Straka. L, Bara, 81 11 Deutung. Beachte wohl dies Werden und Vergehen, Den Sinn des Lebens, das von Tod sich nahrt, Wie es im Tiefsten unaufhorlich gahrt, Nach Neuem ringt in ivechselndem Geschehen. Das Altern und das Sterben sind die Wehen Des neuen Lebens, das sich machtvoll hebt, Das aus der Htille, die sich ausgelebt, Schon weiter dringt zu kunftigem Entstehen. Dies ungeheure Streben, ivelterhaltend Und weltbedeutend, das sich iib’rall regt, Erkenn’ es auch in deinem Innern waltend; Die Unbefriedigung, sie ist die Sendung Zu hohrem Dasein einstens, und sie tragt Die frohe Botschaft kommender Vollendung. čO&L- ' M*. Mag den Bedrangten oft erheben Die Kunst mit dem, was sie vollbracht, Verlornes ihm zuriickzugeben, VVie hatte sie dazu die Macht ? Und doch — heut pocht sie an die Thiiren Und ruft: »O helftl Gross ist die Noth. Heut will ich mehr als trosten, rtthren, Fiir die Verarmten samml’ ich Brot« 83 11* Es gibt nichts Tiefsinnigeres als den deutschen Sprachgeist. Er nimmt Fremdes scheinbar auf, um fiir einen Begriff zwei Beziehungen zu haben, und legt ihm heimlich einen ganz anderen Sinn unter: Was ist demKiinstler einLiebhaber? Ein Forderer. Was ist ihm einAmateur? EinGreuel! W i e n, 84 Der Mensch erhebt sich iiber das Thierreich ausschliess- lich nur durch die Innigkeit seiner Geflihle, — durch Herzens- gtite — durch den Idealismus. Je naher er sich mit dem Materialismus befreundet, desto tiefer zieht ihn Gefiihlsroheit zum Thiere hinab. Gr a z, 8. Juni 1895. Franz Birkinger. Zusammen*. Ein Hoffen bringt die Osternacht Der jungen Mutter, die bangend wacht Beim Scharlach-erkrankten Kinde: Nach Tagen und Nachten voli schmerzlicher Qual Umfangt es, beruhigt zum erstenmal, Der Schlaf, erquickend und linde. Das kiindet Genesung!.Da fahrt sie empor: Ein scbrecldiaftes Rollen tont dumpf ilir an’s Ohr, Als donnert’ es tief aus den Griiften; Es schwanken die Mauern, es zittert das Haus, Und alle die Glocken, sie kiinden den Graus, Sie liiuten von selbst in den Liiften. Nocb fasst die Venvirrte das Schreckliche kaum, Da eilt ihr der Gatte vom Nebenraum Entsetzt, wie sie selbst, entgegen. »Auf bebendem Grunde zerbirst das Haus! Mein Weib, mein Kind, kommt rascb hinaus, Eh’ wieder die Mauern sich rege n!« * Eine \valire Epi s o de \vahrend des Erdbebens in Cilli. Schon fasst die Mutter das kranke Kind: Es schlummert der Heilung entgegen so lind, Gebettet in warmes Behagen; Und draussen ist frostige Mitternacht — Ist’s nicht dem Tod entgegen gebracht, Es jetzt in’s Freie zu tragen?! Ein Augenblick — und sie legt es sacht Aufs Lager zuriick — es war nicht erivacht — In vielberedtem Schweigen. Der Mann, der sie rasch und zu tiefst verstand, Er stimmt ihr zu, er driickt ihr die I-Iand — Erst jetzt sind sie ganz sich zu eigen! Zusammen trotzt das Elternpaar Dem Kinde zu lieb der Todesgefahr, Zusammen harrt’s auf den Morgen; Zusammen im Gliick, zusammen im Leid, Zusammen in aller Ewigkeit, Ganz Eines im Andern geborgen! 85 A. Kaan. Du kannst dir Lebenskraft und geistige Jugend bevvahrt haben, auch wenn dir in deinem Dasein mehr Kummer als Freude beschieden war. Erst welm du das Empfinden fiir fremdes Ungliick verloren hast, bist du alt und arm. 1 C 'VCV^VV-^A/V 86 W. Gause. Es gilt als ein Zeichen praktischen Sinnes und hoher politischer Weisheit, sich nicht in Utopien zu verlieren. Die »Losung« der socialen Frage, dei »sociale Friede sind auch Utopien; sind wir aber darum weniger verpflichtet, unseie ganze Kiaft an dieses ewig Unerreichbare zu setzen? 87 Dante. Wie in der Wtiste geleitet die Feuersaule das Volk einst, Wandle der Dichter voran, zeige den Pfad in der Nacht Zu den Hohen der Menschheit; leuchtend fuhr’ er es aufvvarts, Wo die mannliche Kraft reifet znr mannlichen That. Aus dem Samen der That entspringe der neue Ge- danke, In der Fnvigkeit Ring schliesse vollendet der Kreis. Innsbruck, 27. Mai 1895. 88 89 H« Lefler. 12 K. Graf. Ghaselen. i. Kin Spriichlein galt vor Zeiten: So wie die Alten sungen, So zrvitschern in den Zrveigen die nestentflog’nen Jungen. Doch in dem Dichterwalde der jungen Brat ist leider Der Alten schone Weise vergessen und verklungen. Die Nachtigallen schrveigen — es mehren sich die Raben. Ich bor’ ein greulich Tonen von Spott und Lasterungen. Der Grieclicn Marmorsaulen, der Gothik hehre Dome, Sie fallen hin in Triimmer, geborsten und zersprungen. Im heil’gen Schonheitstempel, entweiht von stumpfen Haufen, Empfangen rohe Gotzen nun feile Huldigungen. In Nacht will man versenken die alten Sangerweisen, Wie einst den Schatz, den gold’nen, der edlen Nibelungen. Erstehen rnoge bald uns ein Geistesheld, ein hehrcr, Gleich Siegfried, der den Drachen, den garsfgen, bat bezwungen, Dass uns’rer Welt die Freude, die Schonheit rvieder werde, Die Geister sich erheben aus sumpfigen Niederungen. II. Ich hab’ in’s Aug’ der Liebe siisstraumend oft geschaut; Beseligende Runde ward mir von ihm vertraut. Zum ew’gen Born des Lebens der Liebe Drang uns fiihrt; Allein zu hausen jedem Geschopf auf Erden graut. Auf allem Leben lastet ein Heimrveh, bang und schwer. Es suchen sich die Welten wie Briiutigam und Braut. Wir sind gebroch’ne Ztveige vom grossen Lebensstamm, — Verdorren, wenn uns bindend die Liebe nicht bethaut. Gleiclnvie der Strom zum Meere, so zieht der Mcnschheit Fluth Nach fernem, hohem Ziele, von Sehnsucht aufgebaut. Dem irren Erdenwand’rer ein heil’ges Ahnen sagt, Dass iiber uns’rem Himmel manch and’rer Himmel blaut. Im Larm und Wahn des Lebens tont diese Kunde nicht; Im Auge, liebeselig, spricht sie vernehmlich laut. III. Strahlend ist die Sonne iiber jenem Hange heimgegangen. Einsamrvandl’ ich, die ich liebte sind schon lange heimgegangen. Wehmuth breitet ihre Schatten auf die Flur. Schon ist die siisse Nachtigall mit einem letzten Trauerklange heimgegangen. Bilder liingst entschwund’ner Tage tauchen auf. O Gliick der Jugend, Spurlos bist du mit der Jahre rauhem Zwange heimgegangen. Dichterbrust, du unruhvolle, willst du nimmer wieder tonen? Bist mit einem \vehevollen Schtvanensange heimgegangen. Graue Schattenhande winken. Warte nur, nach kurzer Weile Bist auch du mein Herz mit deinem heissen Drange heim¬ gegangen. 91 Es war zu dir der Weg so steil . . . Es war zu dir der Weg so steil, so schmal, Auch wusst’ ich, dass dein Herz mit Liebe geize, Doch sch\vebtest du vor mir als Ideal, Denn mich besiegten deines Geistes Reize. Trat in das Paradies man einmal ein, Wohl pfliickt’ man sonst die schonste von den Rosen; Doch diese duftete so keusch und rein, Ich \vagte nimmer es, mit ihr zu košen. Carl Schwei‘zek, Sie blieb der Seele hehres Ideal, Mein Herz begniigte sich mit Georginen; Ich habe sie zerpfliickt ganz ohne Wahl Und kiihlte meine Leidenschaft an ihnen. Der Rose aber bleib’ ich schtichtern fern; Wer wiirde an das Heiligste sich wagen? Man sieht, bewundert oft den hellsten Štern, Ihn zu erreichen muss man stets verza''en. O 92 Tina Blau. Moderne Novellistik. Das Morgenroth des aufblodenden Tages glich dem goldigen Hintergrund auf einem der Gemalde von Pejo de Glencas in der Galerie Los Lugos. So stechend, so stumpf, so schnaubend . . . Der Elimar schleppte sich an diesem Tage in sein siebzehntes Jahr. Ein Menschenalter . . . Was hatte er erfahren, was gelitten, was iibenvunden! Es ekelte ihn vor der Welt, dieser schamlosen, Schopfung eines Unbekannten. Und nicht \vissen, was nun? . . . W # ien, 10. Juni 1895. Die grosse Oede . . . Wie sie der Uebermensch Bartholomaus Zogel- mayer in seinem demnachst erscheinenden und Alles umstiirzenden Werke »Die Gelammerten« so wild an- odend hingehaut hat. . . Stimmung des lahmenden Wassertiimpels- Der Elimar empfand sich als einen geschwoll’nen Unkerich, der langsam auf der triiben Lache mit einem letzten Up-up dahinstirbt. Der Leser auch. Ende. 93 Wiener Weise. O, neues Wien, du jugendfrische Stadt, Die alle 'VVelt mit ihrem Reiz entziickt, Wie hat die Kunst dich bršiutlich schon geschmiickt! Aus griinen Baumen ragen ihre Tempel, Und leuchtet mild der grossten Geister Haupt, In Erz und Marmor schimmernd allem Volk. Und um zu sprechen — gab sie dir ein Lied, In dem sich, wie in einem Brennpunkt, eint, Was klingend Oestreichs Volker ali’ durchzieht. Da neckt des Aelplers kecker frischer Ton Und tont des Deutschen tiefempfund’ne Weise, Es weint und jauchzt im Lied der Pusztensohn Und klagt der Slave melancholisch leise, Des Italieners feuriger Gesang Mengt mit den Tanzesrythmen sich des Polen, — Dem Liederherzen Oesterreichs entsprang Das Wiener Lied, nachdem es Gott zuvor Noch reich gewiirzt mit gottlichem Humor- Und um zu lieben — gab er dir ein Herz, Wie Gold so lauter und so treu wie Erz, Ein menschlich Herz — fiir alle Menschen offen, So reich und warm im Lieben, Glauben, Hoffen! — Und vvas auch kommen, was auch gehen mag, Du solist uns bleiben, lenzhaft jungfrisch Wien, In Sturmesnacht — so wie am Sonnentag, Und mit dir schlage treu fiir alle Zeiten, Und mit dir klinge laut in alle “VVeiten — Im Strahi der Kunst allimmer neu erbliiht — * Das goldne Wiener Herz — das ewige Wiener Lied! W i e n. v / // 94 N. V Ed. Lebiedzki. Osternacht 1895. Der sanfte Lenz! So herb an eure Mauern Hat er noch nie gepocht, als diese Nacht, Erbebt die Erd’, aus Winterschlaf erwacht, Nicht jugendselig in Empfangnisschauern? Sie fuhren auf in mitternachtigem Schrecken, Am Fenster athmete der nahe Mai Und fliisterte herein: Ich war so frei Ein wenig eure Herzen aufzuwecken, Dass horen sie, was schallt in allen Liiften, Dass sehen sie, was ich mit Blumen schrieb: Wie kurz die Lebenszeit, o habt euch lieb, Die Todten pochen laut in ihren Griiften. 95 1 . Ein Spruch, sei er auch noch so klein, Schliesst eine ganze Welt oft ein, Stammt er aus tiefstem Herzensgrund, Gibt er den ganzen Menschen kund: Bedenk’ drum sorglich, was du sagst, Dass, was gesagt, du nie beklagst! 2 . Die Worte, die wandern G’rad so \vie die Leut’, Am \veitesten kommen, Die von Haus aus »gescheit«. Franz Simm. VVillst du ein echter Kampfer sein, Dann prage dir die Wahrheit ein: »Der Starkste kann nicht immer siegen, Doch darf, geschlagen, nicht erliegen. Vom Boden wieder aufersteh’n, Ktihn neuerlich ins Kampfspiel geh’n, Das ist der echten Heldenschaft Stets neugeborn ureigne Kraft; Der echte Kampfer denkt im Sieg Schon \vieder an den neuen Krieg. Sein Fali bedeutet Neuerheben, Im Riickzug sinnt er Vorwartsstreben, So lange seine Pulse schlagen, So lange muss er ringen, wagen, Sein Kampfesmuth niemals vergeht, Als bis sein Herzschlag stille steht!« Mai 181)5. 9(3 C. von Kratzer. Hermine Schnell-Herman. Caroline Kubin. Heinricb Fuss. Hermine Schnell-Herman. Emma v. Muller. Carl Pippich. Alois Greil. F. Popiel. A. Kozakietvicz. Anton Ebert. A. L. Mielich. F. Puteani. Th. Bruckner. 97 13 Dass es immer erst einer Katastrophe bedarf, damit die Menschheit sich solidarisch fiihlt! Nicht allein im Jammer, angesichts des Todes und der Vernichtung, — sondern auch im Gliick, angesichts des Lebens und Aufbaues: Einer flir Alle, — Alle fiir Einenl Schloss Harmannsdorf, Juni 1895. | 'Vt/j/i d a t&ajv Robert Weigl. Der Kiinstler schafFt der Cameen vieldeutig bered- same Formen, Aber die thorichte Welt greift nach dem blinkenden Glas. Emericli A. Swoboda. 99 13* Anton Lasar. Dem armen Laibach, das bedroht, Gibt Wien mit vollen Handen, Wie es der Menschlichkeit Gebot; Stets will es Hilfe spenden. Das ist das »gold’ne Wiener Herz«, Ich hor’s in allen Gassen loben, Es spendet Liebe allenvarts, Daheim nur lasst den Hass es toben Wien, im Juni 1895. 100 Josef Hoffmann. Dass Wien nicht bloss das Haupt, sondern auch das Herz unseres herrlichen Reiches ist, zeigt sich am klarsten in Augenblicken des Ungliicks. Der echte Kunstler schafft mit der Hand and trifft in’s Herz. Nichts ist so sdrvvierig, als ein Autograph fiir ein Festblatt zu liefern. Den Freunden ist Alles zu wenig, den Feinden das Wenige zu viel. 101 A. Trentin. Josei R. v. Berres-Perez. Die wahre Menschenliebe kennt nicht Ort noch Zeitj du findest sie iiberall und immer. Autoren und Kiinstler begehen ein grosses Unrecht, wenn sie die Geftihle ihrer Collegen ihnen gegenuber nacb der Scbablone beurtheilen. Es gibt auch da Nuancen, und in der bangen Ervvartung eines neuen VVerkes, einer neuen Leistung ist Platz fiir die stiirksten Empfindungen, fiir Furcht und Floffnung. Namlich: Die VVenigen, die von dem Konnen des Autors oder Kiinstlers gegen ihren Willen eine gute Meinung haben, ftirchten das Beste, und die Zahlreichen, die von seinen Fahigkeiten gering denken, hoffen das Schlimmste. 102 Fontana Trevi. Kennt Ihr die Sage von Fontana Trevi, Dem Wunderquell im heil’gen, alten Rom? Wo, scheidend, Wandrer von der Quelle trinken, Um noch einmal zu schaun Sanct Peters Dom? Wo sie den Soldo in die Fluthen werfen, Erwartend, dass die Welle ihn verschlingt, Der Sage glaubend, dass wenn er versunken, Die Wiederkehr zur ew’gen Stadt gelingt! — Drei Kiinstlern, die von Norden hergezogen Und manchen gold’nen Tag in Rom erschaut, Hat heut’ die bange Abschiedsstund’ geschlagen, Und fort soll’s gehn, noch eh’ der Morgen graut. Es schlummern in dem bleichen Schein des Mondes, Im Sternenglanz die frischen Fluthen hcut’, Den Kiinstlern war zum letzten Mal erklungen, Als Abschiedsgruss Sanct Peters fromm’ Gelaut. »Auf Wiedersehn«! ruft Einer nach dem Andern, Ein Wanderlied entquillet ihrem Mund, Zwei Soldi fallen in die hellen Fluthen Und tauchen gliicklich auf den Wellengrund. Nun will der Dritte auch sein Opfer briDgen, Ihn halt’s zuriick, als fehlte ihm der Muth, Und sinnend blickt er auf die Silbervrellen, Als schaut’ ein Unheil aus der tiefen Fluth. In langen Locken fallt sein Haar, das golden Umrahmt ein Kiinstlerantlitz, schon und bleich, Was halt gefesselt in der Abschiedsstunde Ihm Sinn und Herz an der Fontana Teich? Doch wirft er seinen Soldo. — Bang verstummet Mit einemmal ist seiner Freunde Sang, Man hort von der Fontana Steingelande In hellem Aufschlag des Metalles Klang. Es klinget wie ein unheilvoll Verkiinden, Die Freunde reissen ihren Freund zuriick. Der hat das bose Zeichen iiberhoret Und traumet noch von Wiedersehn und Gliick! Mit heitrem Sinn und froher Ktinstlerlaune Ruft bald »A Dio« er dem alten Rom, Die Peterskuppel glanzt in Morgensonne, Im Morgenhauch liegt des Sanct Peters Dom. — Und Monde zogen an dem Quell voriiber, Nun lag er da in warmer Friihlingsluft, Doch hoch im Norden strahlt die junge Sonne Auf eines Kiinstlers frischbekranzte Gruft. Hermine Laukota. 103 Leo Rciffenstein. Sociales Erdbeben. Sie sitzen beisammen am griinen Rathstisch und driicken sich eng aneinander. Ilire Zopfe wackeln bedachtig, uralter Staub dampft aus den Periicken; Moderduft fiillt das Gemach mit den dicht verschlossenen Fenstern, Schimmelpilz ivuchert an den Wanden. Die Rathsherren sitzen und traumen vor sich hin; mitunter wacht Einer auf, steckt die Feder mit unheimlicher Hast in’s Tintenfass und malt dickkopfige, hangebauchige Paragraphenzeichen. Das Auge der Rathsherren ist stumpf und glanzlos. Es gewahrt die Risse der Dečke nicht und nicht den Abgrund, den der klaffende Boden zu ihren Flissen zeigt. Sie fiirchten Nichts. Ueberlegen lachelnd legen sie der Erdkraft den Paragraphenzaum an, den Menschengeist zwangen sie in Pappendeckel, Paragraphenkdpfe stemmen sie gegen den Groll der Tiefe. Den socialen Erdbeben trotzen sie durch — Umsturzgesetze. Eugen R. v. Blaas. 105 F. Kopallik. St. v. Lewandowski. 107 14 * Franz Frli. v. Krauss. -AAr' Wien, 15. Juni 1895. D urch keine Brille sehen, sagen was man cknkt — das macht wohl zunachst den Kunstler. 108 109 Carl Froschl. Alwyn R. v. S tein. Treib’ vveiter hinaus auf deinem Kahn An scliwiilem Sommertage; Die Bremsen, die dir so weh gethan, Sind nur des Ufers Plage. Es zvveigen sich aufs neue die Partei’n, Und neue Namen will sich jede finden. Wozu? Am Ende weiss man immer nur von zvvei’n Den Sehenden — und den Blinden. Und hast du einen neuen Duft empfunden, Erzahl’ es lieber nicht den »ganz Gesunden«. Der eine klagt: Ihn hat ein Wahn erfasst! Ein andrer lachelt: Pose wird es sein! — Dass grade du die beste Nase hast, Fallt keinem ein! Mario Egner. Vier Wochen brannte die Sonne heiss Auf Wald und Felder nieder, Zwei Tage regnet’s —■ da jammern wir: »Ist das ein Sommer wieder!« Arthur Ferraris. Leopold Horowitz. —w- »AVer nicht liebt Wein, Weib, Gesang, Der bleibt ein Narr — sein Leben lang.« Ich habe Manchen gekannt, der die drei Dinge geliebt hat und doch sein Leben lang ein — Narr geblieben ist! 112 113 Lieblos. Wen ein treues Herz geleitet Liebreich bis an’s Lebens Ende, Ueber den ha.lt ausgebreitet Gott in Gnaderi seine Hande! Reichthum lasset sich entbehren, Jedem Schimmer auch entsagen, Aber keinem Herzen angehoren, Bleibt ein Kummer, sch\verst zu tragen! Seine Einsamkeit zu wissen, Ohne milden Blicks Erlaben — Ach, so lieblos hingehn miissen, Todtsein ist’s — nur nicht begraben! Heinrich Tomec. Fliichtiger als die Zeit ist die Zeitung; das Blatt, das am Morgen sich entfaltet, ist vergilbt am Abend und welk. Aus Augenblicken besteht das Leben, diesen zu dienen, das ist unsere Aufgabe. 115 15 * Josef Kinzel. GeschelVnes Ungliick zu lindern, Zogert der Brudersinn nie, Kommendes Ungliick zu hindern? Das nennt man zu deutsch: Utopie. 116 117 J. V. Myslbek. »D er Klugere gibt nacli!« Eine empfehlenswerthe \Veisheit ftir Schwachlinge, die als klug gelten wollen, und fiirDummlinge, die doch so schlau sind, auf die Schwache der Klugen zu bauen. Z. 119 Hassen \vas fremd und was feind, Das ist’s, was Manner vereint. Wenn dir ein schones Weib gefallt, Hofire schnell auch and’ren Frauen; Das Blatt, auf das der Spieler halt, Soli nicht ein jeder Kiebitz schauen. Wicn, M.ai 1895. Eduard Teltsch. 120 Tony Grubhofer. 121 16 I Menschengluck. Nichts Gutes kann auf Erden Dir werden — Was nicht auch manches Schlechte Dir brachte. Im Glanze des Geschickes, Des Gliickes ■— Durchhaucht dich Ahnungsschauer Von Trauer Sitz’ froh im hellen Saale Beim Mahle — Bleich starren dir durch's Fenster Gespenster. Dem wonnereichsten Ivusse, Genusse — Folgt stets ein Alp aufs neue, Wie Reue. Das Susseste, beschieden Hienieden — Wird stets ein Hauch des Bittern Durchzittern. 123 18* Pur Laibach! Die Erde bebt und Manner zittern, Des Menschen Kraft erlahmt und bricht; Palaste wanken und zersplittern, Doch Briider-Treue wauket nicht. Drum blickt empor! Verstummet, Klagen! Geschlossen sind der Briider Reih’n; Sie schlossen fest in diesen Tagen Zum Bunde sich fiir Euer Krain! In Ost und West, in Nord und Siiden Bekennt sich Jedennann zu Euch; Vergessen ist, was sie geschieden, Alluberall ist Oesterreich! C. Wollek. Sandor Jaray. Des Himmels Zorn, er musst’ versohtien, Die Gott zur Liebe einst erschuf, Des Sturmes Braus, des Donners Drohnen, Zum Frieden war’s ein Gottes-Ruf. Wir folgen ihm; in allen Zungen Spricht Briider-Treue nun zu Euch, Der Drache Zvvietracht ist bezivungen, Das Ungliick einigt Oesterreich. Wien, Mai 1895. _ 124 Koloman Moser. 125 E Fuchs. I) ie Liebe ist ein Narrenlied, Das einst ein Narr gedichtet, Der hat es thranenfeuchten Aug’s An eiue Narrin gerichtef. Die klugen Leute lachten drob, Als schluchzend er’s geschrieben: Und drum ist auch die Liebe stets Ein Narrenlied geblieben. Das Gebet. Der hagere Laienbruder kniet Vor dem Madonnenbilde, Das lachelt so traurig herab auf ihn, So traurig und so mikle. »Ave, regina Maria!« »Dein Blick versengt mich, du bleiche Frau Mein Hirn ist wahnsinnumfangen, Es ranken die Gedanken zu dir In frevelhaftem Verlangen; Ave, regina Maria!« »Ich lieb’ dich, wie ich einst so heiss Geliebt eine Irdische habe — Jetzt wolbt sich ein Buhi unterm Weidenbaum, Ich wollt’, ich lag auch im Grabe. Ave, regina Maria! . . .« Die scheidende Sonne gliiht in’s Gelass, Golden das Bildniss umsaumend, Der junge Monch blickt sehnend empor, In rvirren Geftihlen traumend. — »Ave, regina Maria! . . « 127 Hans Ranzoni. \'V elch’ eine trtibselige Zeit, in der nur mehr ein einigen- des Band die Menschheit zu umfangen scheint: das Ungliick. Wžire die Kunst nicht, mit ihrer Allen gemeinsamen, von Allen verstandenen und gesprochenen Sprache, — man miisste an dem Ziele der Menschheit vemveifeln und besorgen, dass sie sich dereinst erst in der letzten Stunde des Weltenbrandes zur reinen und edlen Bruderlichkeit zusammenfinden wird! Wicn, 8. Juni 1895. A. \Veber. 128 17 Anton Miiller. -V/- In der Nachahmung der ausseren Natur mag des Ktinstlers lechnik ihre I riumphe feiern; der Geist wird seine Befriedigung in einer Composition suchen, welche das innere Wesen der Kunst zu Ausdruck und Geltung bringt; der Meister aber zeigt uns in seiner Schopfung Geistiges und Sinnliches harmonisch vereinigt, und darum ist sie ein »Kunstvverk« in des Wortes v o 11 er Bedeutung. G. Barison. -'uv Erkenntniss. Wem je des Lebens Gliick begam, Der glaubt nicht, dass es endet; Er sieht, erst wenn die Zeit verrann, Dass Alles, ach, sich wendet. Es lacht dir zu die ganze Welt, Du glaubst, das sei fiir’s Leben; So aber ist sie nicht bestellt, Sie nimmt \vas sie gegeben. Doch blick’ in deines Herzens Grund, Wenn du den Schmerz erduldet, Da findest du in ernster Stund’, Dass du ihn selbst verschuldet. O. Friedrich. Toni Stadler. Eduard Ameseder. Das Leben hat mir geboten gar viel, Ich will nicht greinen und klagen, War stiirmisch das Wetter, war Sonnenschein, Dem Schopfer will Dank ich sagen. Und geht es an’s Ende, was kummert es mich, Froli lass ich den Ruf erschallen: Die Komodie ist aus! Letzter Act, Lasset den Vorhang fallen! — Moran, Juni 1895. 135 Erinnerung. »Einsame Stunde, du nahst, da sinnend der Geist sich ver- senket Und aus der Gegemvart Strom fliichtet zur Insel des »Einst«. Rauschend und unstat umwogt mich im AVechsel das hastende Leben, Doch im Erinnern gewinnt festeren Boden der Geist. Langsam zieh’n sie voriiber die todten, verblichenen Tage, Unveriindert \vie einst griisst mich getreulich die Schaar! Menschen, sie andern sich oft, und Freunde, sie werden zu Feinden, Doch das genossene Gliick bleibt im Erinnern uns treu . . . Also fiiicht’ ich mich oft aus dem brausenden AVechsel der Dinge Wie in ein traulich Asyl in der Vergangenheit Land, Fliichte zu Geistern und Schatten, sie werden zu Menschen und Bildern, Und sie umringen mich eng, schliessen sich traulich mir an — Ei! — sie kennen kein Falsch — sie andern nicht Herz und Gesinnung, Und so erschaffen sie stets mir in der Welt — eine AVelt! Aus den »Wanderungen«. Wien, im Mai 1895. Freilich entlockt mir ihr Anblick so manche verstohlene Thrane, Mess’ ich an einstigem Reiz stili das veranderte Bild; Aber sie lehren zugleich mich die trostendste AVeisheit des Lebens, Dass ich des AugenblicksGliick niemalszuschiitzen vermocht, Lehren mich auch, wie im Kerne uns jegliche Stunde des Daseins — War’ es die bitterste auch — heimliche Siisse verbirgt; Ahn’ ich doch wohl wic die .Stunde, die eben im Flug’ mir entflattert, Gerne in spaterer Zeit ruft die Erinn’rung zuriick; Sinnend verweilt dan n der Geist in nimmer befriedigter Sehnsucht An dem bejammerten »Heut« wie an erstorbenem Gliick! . . . Also troste dich stets das Bewusstsein der karglichsten Freude, Zittern durch Stunden der Qual — sePge Momente des Gliicks, Halte sie fest und lerne die Fliichtigen vollends geniessen! — AVahrlich ein jeglicher wird dir zum verklarenden Strahi, Der mit dem Schimmcr der Hoffnung die drauenden AVolken durchzittert Und dir die finsterste Nacht leise zum Dammern erhellt . . .« 136 Julian Falat. 137 18 /v-o-n ' TT—ini mr- rr r -htt t-- Tattahi l^ounasioouii Jem|icl ara. 0 p ‘ (j ' mv\ix- <*Ur*M\ /ryl^Jl 4 s '£jk.- '' ^ /i ° ' v *' £ ' ,< . ^oJil ov-vrvti Atu crrrvltAsru-iM-1 ryu/ eAcAjv ' l ^ yVUA ^-ty)l^dtxAA-V\ rr v*v^ OuIJmAAA, rrr&Ol/iflAArfd' «04». j/*XuA /rvvt/f 5-n Vt6> ^ UA/uAm " ' ' ^ ^f^čVvv^lMV. "WmL Jlur^&sltmA mA^lct-Ou! ^HjL^/y* l /v / V~cUA uma J/ij-tvvJiAiic rmQ Jh^JAu A4 4A>A { P ^- Id1 tiw AiyKrKcJltL^C ^MrtmiUUu ) vW- rmcix/U-c^4. ^tUufu ^o^tlU. ftvO ^At<^flaAjL (T^irf^Alu.J(XMs £amA. QAa\^- jfiAl ^tWul6| ^rmvu/rl ItMijilt cuu t i>-tm ?VnMt Jimx (mJi »v^rn ^kwA l\*\ /ujv-^u^ ^ iW tCon^iiL (HMl), ^}j tO AvtfA/djj* oAiaM. /AuAjm fctiA ., /Vo cuWc- i iJ-c e/y\Aj/rv\ j^li. f yyy\t\AAt , fTiH^tJklM. OLL- OmA | Wlvn /rnvi -ihm ^/rvD-tV* AjuJ uc. ^{AiuA/VlcH TV^x, ot^vt) • a/ua, #j aAiio-H. ’""■ -cUc .f^rnr^iAjtA. ^^-voflTUi-Or ^cttrniM-iLn elsci\-Jcmpel -t-vi C-« rt^J -<)mAX (Ul £■*>* OkJfJv* &+A 'trik yiM*Wr\ Mdln^ohxivnU. /Le*A aaMiJ o-kh ^5vn H^vi4 />r*nl k^MAnl /yv^ALtn n kA />v4mX «^u ^/ZryOi • ^2)u. ^trdiM ( o^< A»Vvn /rv^tlJU