Katholifche MifUonszeitfdhrift fcer Miffionäre Söhne Des Hlft. Herzens Jefu Inhalt P. Edmund Schumm:. Maria, breit den Mantel aus .;............. 49 •Neue Kirche in Witbank ................... .................................... 50. P. W. K.: Spannungeù. zwischen Weiß und Schwarz-in Südafrika (Schluß) .....V... 51 Werner Gulbà: Preisfragen aus der Missionskunde ............. A,U........ 53 P. Adalbert Mohn: Romiùnd das Marianische Jahr ............................... '.'SS1 Br. August Cagol: Königslänze und Kreuz (Fortsetzung) ........,................ 62 ; Hugo Köcher: Die Station am Rio Begas (Fortsetzung) 66 Die beiden Umschlagbilder zeichnete Rudolf Wirlh, München. Zur gefälligen Beachtung Die Missionszeitschrift „Stern der Neger" erscheint alle zwei Monate im Umfang von 24 Seiten. 1pj)Der jährliche Bezugspreis beträgt in Deutschland DM 2.50; in Österreich 12 Schillinge in Italien 300 Lire. — Allen, die den Bezugspreis für 1954 schon gezahlt: haben, sagen wir ein herzliches Vergelt's Gott. Bestellungen werden entgegengenommen:' In Deutschland vorn Missionshaus Josefstal, Ellwangen (Jagst), Württemberg; in Österreich vom: Missionshaus Maria Fatima, Unterpremstätten bei Graz; in Italien vom HerZ-Jesu-Missionshaus in Milland bei Brixen. Einzahlungen sind zu richten: In Deutschland auf das Postscheckkonto Stuttgart 54 066 Missionshaus Josefstal; in Österreich auf das Scheckkonto 86211 „Stern der Neger"'; in Italien auf das Herz-Jesu-Missionshaus in Milland bei Brixen. Miffionegebetemeinungen Vom Heiligen Vater gütgebeißen und gesegnet. Für Mai: Für die Mohammedaner, daß sie Gott in seiner unendlichen Liebe erkennen mögen. . Für Juni: Daß die ganze katholische Welt: sich ihrer Gemeinschaft mit der-verfolgten Kirche in China voll bewußt werde. Herausgeber und Verleger: Kongregation der Missionäre Söhne des Heiligsten Herzens Jesu, Josefstal bei Ellwangen (Jagst), Württemberg. Postscheckkonto Stuttgart 54066. — Schrlftleitung: P. Stephan Untermann. U Druck: Schwabenverlag AG., Zweigniederlassung Ellwangen (Jagst). Mit kirchlicher Druckbewilligung und Erlaubnis des Generalobern. Stern Oer Neger KathoUfche Miffions-Zettfchrift Herausgegeben non öer Kongregation Millionäre Söhne öes Heiligften Herzens Jefu 47. Jahrgang Heft 3 Maria, breit Öen Mantel aus Zu unserem Titelbild ' \Afenn sich Kinder fürchten, eilen! sie zur Mutter und fühlen sich in ihrem Schutz geborgen. Nicht anders machten es zu allen Zeiten die gläubigen Christen, wenn sie von leiblicher oder seelischer Not bedrängt wurden: sie flohen zu! ihrer himmlischen - Mutter Maria. Zeuge dessen sind so viele Gebete und Lieder, in denen Vir Maria die Hilfe der Christen, das Heil der Kranken, die Trösterin der Betrübten, die Zuflucht der Sünder, den, Meeresstern, die Königin des Friedens nennen. Zeuge dessen sind auch die zahllosen Bilder, die uns Maria in ihrer mütterlichen Güte und Macht zeigen und die eingeweiht sind von den Bitt-i und Dankgebeten vieler Generationen. In besonders schöner Weise kommt; das Vertrauen der Christen zu Mariä auf den Bildern zum Ausdruck, die sie uns als Schutzmantelmadonna, zeigen. Diese Bilder stammen zumeist aus dem Mittel-alter, einer Zeit, in der die Christenheit immer wieder von Hungersnöten und kriegerischen Verheerungen, Seuchen urd Naturkatastrophen, Mongolenstürmen und Ketzeraufständen heimgesucht wurde. Da haben sich denn Kaiser und Papst, Soldat und Bauer, Kind und Greis unter den Mantel der Himmelskönigin geflüchtet, „bis alle Feind' vorübergehn". Wir neuzeitlichen Menschen sind vielfach von anderen Heimsuchungen betroffen als die mittelalterlichen. Aber auch für uns bleibt Maria die Zuflucht, durch die Uns Gott seine Hilfe schicken will. Ganz besonderen Schutzes bedürfen aber die jungen .Missionskirchen, die Neuchristen, ,Taufbewerber und Glaubensboten in den Heidenländern. Denn hier, wo mehr als anderswo das1 Reich des Lichtes mit dem'Reich der Finsternis im Kampfe, liegt, wo die Kirche Schritt für Schritt Neuland gewinnen will, setzt sich die Hölle ganz besonders verbissen zur Wehr. Sie tut das in vielfacher Gestalt: als östliche und westliche Gottlosigkeit, die die christliche Jenseitsreligion als Behinderung des irdischen Fortschritts betrachtet; als übertriebener Nationalismus, der das Christentum als volksfremd verfolgt; als Genußsucht und Geldgier, die, mit der europäisch-amerikanischen Zivilisation eingeführt, die Menschen vom steilen Weg der Gebote Gottes weglocken; als Sektenünwesenj das mit seinen reichen Geldmitteln alte christliche Länder, wie Südamerika, „bekehren" will. Helfershelfer des Satans sind gerade in den Missionsländern auch so viele schlechte Filme und Schriften, Ungerechtigkeiten der Kolonialmächte, soziale Mißstände, die Macht der Zauberer,’ Unterdrückung des Missionsschulwesens und mancherorts blutige Ver-: folgungen. In dieser Zone des Kampfes darf Maria nicht fehlen, von der auf den ersten Seiten der Heiligen Schrift gesagt wird, daß sie der Schlange den Kopf zertreten werde. Wenn wir daher in diesem Maria geweihten Jahr nach Altötting und Maria Zell, auf den Schönenberg und nach Maria Trost pilgern oder Irgend ®raÌÉlfÌ8®j§ Innenansicht mit Blick auf den Hochaltar kirche (Kathedrale) werden. Dieser Umstand erklärt es auch, daß außer Bischof Riegler noch drei Erzbischöfe und zwei Bischöfe an der Einweihungsfeierlichkeit teilnahmen. Es waren die Erzbischöfe von Pretoria, Bloemfontein und Durban und die Bischöfe von Johannesburg und Kroonstadt. Aus der ganzen Missionsdiözese waren zahlreiche Patres und Brüder herbeigeeilt. Die Einweihung von Kirche und Altar nahm Bischof Riegler vor, der auch das ; Pontifikalamt hielt. Bischof Whelan von J Johannesburg hielt die Festpredigt. Die § Kirche war bis auf den letzten Platz ge- . füllt, da auch zahlreiche Protestanten der | Stadt sich eingefunden hatten, dazu Ka- ) tholiken aus nah und fern. Unter den Gästen bemerkte man auch den Bürger- | meister der Stadt sowie den österreichi- 1 sehen Konsul und den Vertreter des a deutschen Konsuls in Pretoria. Zum Fest- J essen trafen sich die Ehrengäste in einem J Hotel der Stadt, in dem einer der an- 1 wesenden Priester vor 41 Jahren die heilige Messe für die damals noch wenigen Katholiken von Witbank gefeiert hatte. Die neue Christ-Königs-Kirche in Witbank Neue Kirche tu Witbatih Am 31. Januar 1954 weihte Bischof Johannes Riegler in der Kohlenstadt Witbank, Transvaal, die neue Pfarrkirche für die dortigen 200 weißen Katholiken ein. Sie ist Christus dem König geweiht. Da geplant ist, den Sitz des Bischofs vom abgelegenen und durch dauernde Abwanderung immer kleiner werdenden Lydenburg hierher nach Witbank zu verlegen, wird diese Kirche wahrscheinlich in absehbarer Zeit zugleich Bischofs- (Fortsetzung von Seite 1) eine unbekannte Marienkirche in Stadt und Land besuchen, wollen wir dort nicht nur in eigener Sache vorsprechen, sondern Maria, die von Gott Gekrönte, bitten, sie möchte den jungen Christen in der Ferne Kraft geben im Kampf um den Glauben und die christlichen Ideale; sie möchte alle ihre Kinder, nicht nur die weißen, sondern auch die schwarzen, gelben gnd roten, unter ihren schützenden Mantel nehmen. P. Edmund Schümm Blick vom Turm der Kirćhe über die Stadt Ansicht von der Seite. Die Kirche ist ein Werk des aus Österreich stammenden Architekten Eibenschütz. Der Bau der Kirche kostet 25 000 Pfund (etwa 312 000 DM). Davon hat die kleine Witbanker Gemeinde zusammen mit protestantischen Freunden in den letzten Jahren schon 10 000 Pfund aufgebracht. Bischof Riegler hob in seiner Tischrede diese außerordentliche Opferwilligkeit rühmend hervor und dankte vor allem auch P. Superior Anton Reiterer, dem Pfarrer der dortigen weißen Katholiken, der den Bau der Kirche zu leiten hatte und auch die Hauptlast der Finanzierung zu tragen hat. Ihm ist es auch zu danken, dajß das Fest einen so harmonischen Verlauf genommen hat. Möge von dieser Kirche aus die Botschaft und der Geist Christi des Königs hineindringen-in den Alltag und das Berufsleben der Menschen und dazu beitragen, daß. auch das mit sozialen und religiösen Spannungen geladene Südafrika immer mehr ein. „Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens" werde. (4 Aufnahmen W. kühner) Die Kirche ist 46,50 Meter läng und ganz in modernem Stil gehalten. Durch die großen, farbigen Fenster, die bis zur Decke reichen, strömen Fluten von Licht und Farbe in das Innere, besonders eindrucksvoll am Morgen, wenn das Licht der aufgehenden Sonne durch die Chorfenster auf den Altar fällt. Diese-Chorfenster sind von rückwärts nicht sicht bar, blenden also nicht. Der : einfach ge baitene Hochaltar mit mächtigem Kreuz beherrscht den ganzen Kirchenraum. Die österreichische Künstlerin Braunger hat für die Kirche einen sehr modernen Kreuzweg geschaffen; er ist auf die Wand aufgemalt. Kanzel und Bischofsthron haben einen sehr günstigen Platz géfunden. Taufkapelle und Beichtstühle befinden sich Unter der Empore. Der etwa 30 Meter hohe Turm hält wie ein hochgereckter Arm das Zeichen des Kreuzes über die Stadt und das umgebende Land. Der Platz für die Glocken ist noch frei. Die Kirche ist von schönen Gartenanlagen eingefaßt. Spannungen zwifchen Weiß unt> Schwarz in SüOafriha (Schluß) Lösungsversuche Viele wohlmeinende Persönlichkeiten haben sich schon mit dem Rassenproblem in Südafrika beschäftigt und nach einer Besserung der gespannten Lage gestrebt. Die katholischen Bischöfe Südafrikas haben auf ihrer Konferenz im April 1952 zu unserer Frage Steilung genommen. Sie sagen, daß das Rassenproblem nicht eine schnelle Erledigung und leichte Lösung finden könne. Die Schwierigkeit liege vor allem darin, daß die Schwarzen noch nicht- jene Entwicklungsstufe erreicht haben, die es recht- fertigen würde, sie auf gleiche Ebene mit den Europäern zu stellen. Ein plötzlicher und gewaltsamer Versuch, sie in die Formen europäischen Handelns und Denkens zu zwingen, würde sich unheilvoll auswirken. Doch gebe es anderseits eine beträchtliche Anzahl von Nicht-Europäern, die so gut wie jeder Europäer geeignet seien, am gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben des Lahdes teilzunehmen. Die Bischöfe sehen das Problem in der beinahe unausrottbaren Voreingenommenheit der Europäer gegen die Nicht-Europäer und in der ungerechten Behandlung jener Volksgruppen, die für eine volle Teilnahme am Leben nach sogenanntem westlichen Standard noch ganz unvorbereitet sind. Liebe, Gerechtigkeit und Klugheit müssen bei Aufstellung der Grundsätze zur Lösung des Rassenproblems richtunggebend sein. Liebe verbietet Verachtung; Gerechtigkeit gibt jedem das Seine, also das Recht der freien Entwicklung seiner Fähigkeiten und Kräfte, Anteil am Gebrauch der materiellen' Güter, die zur Erreichung des menschlichen Lebensziels als Persönlichkeit und Gotteskind nötig sind. Die Bischöfe unterscheiden zwischen unabdingbaren Rechten, auf die niemand verzichten kannL wie z. B. das Recht auf Leben, Privateigentum, upd bedingten Rechten, die von gewissen Umständen abhängen, so z. B. das Wahlrecht in einem demokratischen Staat, das Menschen mit- entsprechender politischer Schulung voraussetzt. Drei Folgerungen erscheinen' den Bischöfen klar und einsichtig; 1. Die nachteilige Behandlung, die sich nur auf die Hautfarbe stützt,, ist'.eine Verletzung der Rechte der Nicht-Europäer in ihrer Würde als menschliche Persönlichkeiten. 2. Die Lebensbedingungen einer großen Anzahl Nicht-Europäer sind so, daß gewisse Grundrechte praktisch unmöglich ausgeübt werden können, besonders ein geordnetes Familienleben. 3. Die Verweigerung der bedingten Rechte gegenüber Nicht-Europäern, die -fähig sind, ihren Anteil zum Wohle des Staates beizutragen und die fraglichen Rechte auszuüben, ist nicht gerecht. Klugheit ist geboten bei der Förderung rückständiger Volksteile. Man muß ihnen stufenweise die Wohltat höherer Zivilisation geben, ohne Verwirrung in ihr gesellschaftliches Leben zu bringen. Das Rassenproblem ist, so schließen die Bischöfe ihre Vorlage, ein sittliches. Es geht zurück auf Gedanken und Gefühle der einzelnen. Jeder soll also sein Leben einrichten nach den hohen und edlen Grundsätzen des Christentums, jeder, ohne Rücksicht auf seine Rassen-zugehörigkeife Eine solche Haltung von vielen Einzelpersonen wird im gesellschaftlichen Leben bald Wunder wirken. Ein soziales Programm Erzbischof Hurley von Durban hat in einem Vortrag während der Winterkurse der Kolbe-Gesellschaft in Mariann-hill ein Programm zur Lösung des Räs-senproblems entworfen. Unter den persönlichen und Familienrechten betont er vor allem die Erhaltung des Familienlebens, das durch die Wanderarbeit bedroht ist, wenn der Mann für .Monate in die Stadt geht, um zu verdienen, und seine Familie Zu Hause ohne Vater läßt, während er selbst den schwersten sitt-i liehen Gefahren ausgesetzt ist. Entsprechende Nahrung, Kleidung und sanitäre Einrichtungen sollten gesichert sein. Unter den wirtschaftlichen Rechten erwähnt der Erzbischof, daß in den Reservaten, wo nur Schwarze wohnen* eine Neuordnung vorgenommen werden sollte, da das Stammesbrauchtum veraltet sei durch die Berührung mit der modernenUGesellschaft. Der Ackerbau sollte modernisiert werden. Der Erzbischof tritt ein für entsprechende Löhne schwarzer Angestellter auf Farmen von Europäern, in weißen Haushalten, in Bergwerken, Fabriken, in Handel und Gewerbe. Auf erzieherischem Gebiet soll den Schwarzen zunächst Ausbildung in praktischen Arbeiten gegeben werden, später auch mehr geistige Schulung. Besonders wichtig aber ist religiöse und sittliche Schulung,. denn sie allein kann einen erfolgreichen Übergang von einer Zivilisation zur andern ermöglichen. Die alten Stammesgesetze und Schutzmaßnahmen verschwinden rapid; deshalb ist ein entsprechender Ersatz in sittlicher Lehre und Zucht nötig. — Stufenweise sollte den Afrikanern auch politisches Recht gegeben werden, und vor Gericht sollte ihnen mehr Gerechtigkeit als bisher widerfahren. Erzbischof Hurley verwirft die Politik der Apartheid und empfiehlt die Politik einer christlichen Vormundschaft über die Nicht-Europäer. Apartheid, Rassentrennung, ist in Südafrika unmöglich, weil alle auf einander angewiesen sind, besonders wirtschaftlich. Christliche Vormundschaft meint, daß eine Rasse mit höherer Kultur als Vormund öden Treuhänder der weniger entwickelten Rassen handelt. Dies bedeutet für den Europäer die Verpflichtung, den Nicht-Europäern Möglichkeiten der Höherentwicklung zu geben! Diese Treuhänderschaft muß zuletzt ‘in die Zuerkennung voller Gleichheit auf allen Gebieten des bürgerlichen Lebens übergehen. Es erfordert Mut, in Südafrika für, die Nicht-Europäer und ihre Rechte einzutreten. Die Nats sind sehr freigebig mit dem Spottwort „kafferboettie" (Kaffern-bruder). Für einen wahren Christen ist diese Bezeichnung eine Ehre. Der heilige Petrus Claver, der sich „ Sklave der Negersklaven für immer" nannte, hat uns den Ausweg aus dem Chaos Südafrikas gezeigt. Nur Umsetzung echt christlicher Grundsätze in die Tat, ins tägliche Leben, kann Rettung bringen. In dieser Richtung arbeiten die katholischen Missionen. Je mehr Südafrika mit katholischem Geist durchdrungen wird, desto besser wird das Rassenproblem gelöst. Noch manches Opfer muß gebracht werden. Vielleicht winkt noch manchem Missionar ein gleiches Los wie der Dominikanerschwester Aidan, die am 9. November 1952 in East-London von aufständischen Schwarzen in ihrem Auto erstochen und verbrannt wurde. Möge die Lösung eine christliche sein und nicht eine kommunistische. Zwar sucht die Regierung auf der einen Seite den Kommunismus mit allen Mitteln unmöglich zu machen, auf der andern Seite aber hilft sie durch ungerechte Gesetze mit, ihm die Wege zu bereiten. Es verdient Anerkennung, daß sich auch Menschen, die lange nicht alle Wahrheiten des christlichen Glaubens annehmen, aktiv an der Lösung des Rassenproblems beteiligen. So arbeitet z. B. der bekannte Orgelvirtuose, Arzt und Theologe Albert Schweitzer schon seit Jahren unter den Schwarzen am Kongo. Er möchte ein wenig abtragen von dem Berg der Schuld, den sich die Europäer im Laufe der Kolonialgeschichte aufgeladen haben. Wenn wir Katholiken auch noch andere und, wie wir glauben, bes-*sere Beweggründe zu gerechter Behandlung anderer Rassen haben, so ist doch der ' angeführte Grund nicht zu unterschätzen, und die Lebensarbeit Albert Schweitzers verdient höchste Anerkennung. P. W. K. Preiefragen aus Oer MiffionshunOe Eine Missionsveranstaltung besonderer Art brachten in den Tagen vor Weihnachten, 1953 unsere diesjährigen Abiturienten auf die Beine. Wir haben hier schon des öfteren Missionsfeiern gehabt, aber dieses Quiz war etwas Einmaliges. (Den Rundfunkhörern wird das „Quiz", diese neue Form der Rätselfragen, nicht unbekannt sein.) Es ging darum, einmal festzustellen, was in den Köpfen unserer Missionsschüler an Wissen auf missions-kundlichem Gebiet steckt. Die Ankündigung dieses Vorhabens regte Klein und Groß zu gewaltigem Eifer an, und so wurden Missionsbücher gewälzt, Atlanten studiert und alles herangezogen, was irgendwie mit dem Missionswesen zu tun hat, und das ist nicht wenig. Das Schöne an der Sache war, daß die Initiative und Durchführung nicht von unsern Patres ausging, sondern aus unsern eigenen Reihen kam. Genauer, unsere vier Abiturienten der 9. Klasse knobelten die Fragen aus, die sie jeder Klasse stellen wollten, nicht zu leicht und nicht zu schwer; sie setzten auch fest, in welcher Zeit jede Frage zu beantworten war und wieviele Punkte jeweils die richtige Antwort ..zählen sollte. Teilnehmer waren alle Klassen von der 1. bis zur 8. Die 9. Klasse selbst machte nicht mit, denn sie stand kurz vor der Reifeprüfung und wurde dann auch von ihren Lehrern auf Herz und Nieren „gequizt", und nun können wir sagen, daß alle vier das Reifezeugnis in der Tasche haben. Der Verlauf des Abends hat uns alle, Patres wie Schüler, freudig überrascht, und obwohl sich , das Ganze' zwei und eine halbe Stunde hinzog, ließ die Spannung keinen Augenblick nach. Abends 20 Uhr versammelten wir uns im Theatersaal. Kurz vorher waren durch das Los von jeder Klasse drei „Opfer" bestimmt worden, die nun auf den ersten beiden Reihen Platz nahmen. Man spürte direkt die Begeisterung und Spannung, als kurz nach 20 Uhr die Preisrichter die Bühne betraten. Die drei Vertreter der 1. Klasse wurden vorgerufen, und los ging’s. Diese Zehn- Und Elfjährigen mußten wissen, wer denn der Apostel der Deutschen sei, Geburtsland, wo gemartert, wo begraben, — Weiter, wie der Gründer unserer Kongregation heiße, und wie sein Leben in kurzen Zügen verlaufen sei, — Wer hat Amerika entdeckt? wann? wo? — Die fünf Erdteile sind in 30 Sekunden der Größe nach aufzuzählen. —Ein Heiliger mit Schlüsseln wird gezeigt: Wer ist das? — Woran erkennt man einen Neger (Farbe, Haar, Nase, Lippen)? — Nenne sechs Indianerstämme.—Wie heißt der „fliegende Pater"? — Bei welchen täglichen Gebeten denkt man an die Mission? Die Punkte waren säuberlich not-iert, und die 2. Klasse kam dran. Ihr wurden schon härtere Nüsse vorgesetzt: Nenne vièr alte Indianerreiche. — Wie heißt die oberste Missionsleitung in Rom? $p| Und wie heißen die beiden Missionspatrone? — Wer ist der Gründer der größten asiatischen Religion? — Welche Verkehrsmittel hat man im Hochland von Peru?Wer ist der größte Feind des Missionars in Afrika? Was treibt er? (der Zauberer) —- Wodurch wird, unsere Kapelle zur Missionskapelle? — Unsere beiden Missionsgebiete mit Hauptstädten? — Der Apostel Japans, mit wichtigen Jahreszahlen? — Ist Transvaal oder Peru weiter von Deutschland entfernt? Die mittleren Klassen mußten sich vor allem in den großen Religionen der Erde auskennen, in unserer Kongregation und unsern Missionsgebieten.; Und wie heißen die fünf größten Inseln Japans? Nicht ganz leicht; drei sind allgemein bekannt, vier weiß man (4 Aufnahmen Hans Poost) manchmal auch noch, aber fünf? Mit Spannung verfolgten die Zuhörer im Saal die Antworten d.er Prüflinge auf der Bühne, am meisten die jeweiligen Klassenkameraden, denn was ihre Leute schafften, fiel auf die ganze Klasse zurück. Die beiden oberen Klassen wurden besonders hart hergenommen. Aber gerade in der achten Klasse fand sich ein Fachmann für Kirchengeschichte, der die Preisrichter mit seinen Antworten buchstäblich zu Boden warf. Brausender Beifall begleitete seine sicheren Antworten, und die Spannung, wer den ersten Preis davontragen würde, stieg wie das Thermometer an einem heißen Sommertag. Die 7. Klasse mußte einen kurzen Bericht über Neuseeland geben. Wie heißen die sechs Universitäten der Missionen? — Nenne zehn unserer afrikanischen Missionsstationen.'^ Die härteste Nuß war die indische Nationalhymne, die einer der Preisrichter auf dem Klavier vorspielte und die von den Unterprimanern als solche-erkannt werden mußte. Diese Frage blieb unbeantwortet. -— Dagegen wurde ein Negro-Spiritual Sofort als solcher erkannt, was starken Beifall auslöste. •— Ein Bild aus der christlichen Kunst Indiens wird gezeigt. Aus welchem Land stammt es? -f- Es wird ein Stück aus dem „Gebet der großen Reinigung" vorgele-sen. Welchem Land, welcher Religion gehört es an? — Sechs Inseln der indonesischen Republik? — Ein Owambohäuptling wiegt 1,5 Zentner mehr als die Hälfte seines Gewichtes beträgt??? Als endlich die 80'Fragen gestellt und mit mehr oder weniger Glück beantwortet waren, steckten die Preisrichter die Köpfe zusammen, verglichen die Ergebnisse und verkündeten unter atemloser Spannung: Sieger ist bèi den Kleinen die 2. Klasse, bei den Großen die 7. Als sieh der Beifallssturm gelegt hatte, erhielten die siegreichen Klassen je einen schönen Kalender als Gemeinschaftspreis, außerdem bekam noch jeder Teilnehmer einen Preis, den P, Direktor gestiftet hatte. Mit dieser Preisverteilung fand die Feier einen heiteren Abschluß. P. Direktor Bauer dankte noch allen Mitwirkenden und drückte seine Freude darüber aus, daß dieses Missions-Quiz von den Seminaristen selbst aufgezogen wurde und so gut gelungen sei. Dieser Abend hat gezeigt, wie Sehr bei uns das Mis-sionsinteresse lebendig ist. Werner Gulba, 7. Klasse Rom unt> Das FRarianifche Jahr Wenn sich auch im Marianischen Jahr die Blicke der Welt, vornehmlich auf die großen Marienheiligtümer — Lourdes, Fatima, Altötting usw. — richten, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß keine Stadt der Welt so viele Kirchen, Denkmäler, Statuen und Bilder zu Ehren der Gottesmutter geschaffen hat wie die Hauptstadt ' der Christenheit, Rom. Rom ist die Stadt, die uns in der Priscilla-Katakombe das älteste Marienbild aufbewahrt, das wir überhaupt besitzen. In Rom finden wir auch die größte Marienkirche der Welt — Santa Maria Maggiore (Groß Sankt Marien), eine der vier großen Basiliken. Ja, es wird kein Jahr- hundert geben, das in Rom nicht irgendwie sichtbar zur Ehre der Muttergottes beigetragen hat, von den Zeiten der Ur-kirche angefangen bis auf unsere Tage. Wie im Leben und in der Lehre der Kirche und in der Liturgie, so steht auch in den Kirchen der Stadt, in der der Stellvertreter Christi auf Erden seinen Sitz hat, überall Christus im Mittelpunkt. Dennoch darf auch die in dieser Stadt nicht fehlen, die Ihm von allen Geschöpfen im Himmel und auf Erden am nächsten steht, die Ihm Seiner menschlichen Natur nach Mutter sein durfte. Wir wollen heute einen kleinen Spaziergang durch die Ewige Stadt machen, Das Pantheon, die älteste Marienkirche der- Welt um einige marianische Heiligtümer Roms zu besuchen. Vielleicht kommt uns dann ein wenig zum Bewußtsein, weshalb die Hauptstadt der Christenheit auch im Gnadenbild „Maria, Heil der Kranken“, in der Kirche der hl. Magdalena Marianischen Jahr ein besonderer Anziehungspunkt für die Gläubigen aus aller Welt ist. Die älteste Marienkirche der Welt, wenn wir sie so bezeichnen wollen, befindet sich mitten im . Herzen von Rom und ist bekannt unter dem Namen Pantheon. Dieses Gotteshaus ist aber nicht zu Ehren der Gottesmutter erbaut worden, sondern würde bereits im Jahre 27 vor Christus als heidnischer Tempel errichtet. Nach zweimaliger Zerstörung erhielt das Pantheon im zweiten Jahrhundert nach Christus . unter - Kaiser Hadrian ‘ seine heutige Gestalt. Papst Bonifaz IV. weihte diesen alten heidnischen Tempel dann zu Beginn des 7, Jahrhunderts der Muttergottes und allen hei- ligen Märtyrern. So blieb das Pantheon vor dem Schicksal der anderen großen heidnischen- Tempel Roms bewahrt, die ausnahmslos der Zerstörung anheimfielen, und ist heute von all den -Monumentalbauten des alten Rom noch der am besten erhaltene. Das Pantheon ist ein gewaltiger Rundbau mit sechs Meter dicken Mauern, ohne Fenster, nur mit einer großen runden Öffnung mitten in der Decke. Das Dach der Vorhalle wird von 16 riesigen Granitsäulen aus Ägypten getragen. Früher stieg man auf Stufen zum Pantheon empor. Heute dagegen scheint es im Boden zu versinken.- Das kommt daher, daß durch die vielen Zer- Anläßlich der Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten 'Empfängnis wurde im Jahre 1856 auf der Piazza di Spagna diese Mariensäule, errichtet. ' Der Palast rechts ist der Sitz der - päpstlichen Missionsbehörde.: . Die Basilika Maria Maggiore, das größte Marienheiligtum Roms. Rechts das Portal der russischen kath. Kirche. ' Störungen und Einäscherungen der Stadt im Laufe der Jahrhunderte der Boden Roms heute um drei bis sechs Meter höher ist als im Altertum. Im Pantheon liegt der große Madonnenmaler Raffael begraben. Nicht weit von dem Pantheon steht das kleine, wunderschöne Kirchlein der heiligen Magdalena. Dort befindet sich das viel verehrte Gnadenbild, vor dem im Jahre 1571 der heilige Papst Pius V. mit dem Rosenkranz den großen Seesieg der christlichen Flotte über die Türken bei Lepanto erflehte. Heute wird es in der Kirche Santa Maddalena verehrt unter dem Titel „Maria, Heil der Kranken". Von diesem Kirchlein sind es nur wenige Schritte zür Kirche des heiligen Augustinus, in welchem sich neben dein Grab der heiligen Mutter Monika auch das Gnadenbild von der Mutterschaft Mariens befindet, das besonders von den hoffenden Müttern verehrt wird. Nicht weit von Sant' Agostino liegt die deutsche Nationalkirche, die gleichfalls eine Marienkirche ist: Santa Maria deli' Anima (Sankt Maria von der Seele). In der deutschen Kirche in Rom wird die Gottesmutter verehrt als die Schutzfrau der Armen Seelen. Das ist wohl ein sehr seltener Titel, aber doch besonders zutreffend für diese Kirche, unter deren Boden so viele Angehörige unseres Volkes begraben liegen. Gebaut wurde die Kirche kurz vor der Reformation. Der let te deutsche Papst, Hadrian VI., ein tieffrommer Mann, auf den die ganze Welt die Hoffnung setzte, daß er den großen Glaubensabfall in Deutschland verhüten möge, der dann aber schon nach wenigen Monaten ins Grab sank, fand hier seine letzte Ruhestätte. Unter der Kirche sind auch zahlreiche Gefallene des ersten und zweiten Weltkrieges beigesetzt. Wenn daher die deutschen Rompilger ihre Heimatkirche in Rom aufsuchen, beten sie dort immer ganz besonders zur Schutzfrau der Armen Seelen für ihre Gefallenen und Vermißten. Auf einem Nèbenaltar der Kirche sehen wir eine Nachbildung des in .Deutschland meistverehrten Gnadenbildes, der Muttergottes von Altötting. Wenn wir auf unserem Weg weitergehen, treffen wir auf der Piazza di Spagna (Spanien-Platz) auf die große Mariensäüle, die anläßlich der Dogmati-sierung der Unbefleckten Empfängnis vor dem Propagandapalast, dem Missionsministerium der katholischen Kirche, aufgestellt wurde. Sid liegt dort mitten im Verkehr der Weltstadt, der sie von morgens bis abends umbrandet. Jèdés Jahr aber steht an einem Tage diese Säule im Mittelpunkt des Interesses: das ist am 8. Dezember. Dann strömen alle Römer herbei und. legen der Gottesmutter einen Blumenstrauß zu Füßen. Die Feuerwehr fährt sogar mit einer großen Leiter vor und legt ihren Strauß buchstäblich der Unbefleckten Jungfrau zu Füßen. Von morgens bis abends umgibt eine riesige Menschenmenge die Säule und wird nicht müde, Lieder zu Ehren der Unbefleckt Empfangenen an-züstimmen. Am 8. Dezember 1953 fuhr der Heilige Vater persönlich unter dem Jubel der Hunderttausende zu dieser Mariensäule und legte einen Strauß kostbarer Orchideen nieder, der ihm kurz zuvor von mexikanischen Katholiken mit einem Flugzeug überbracht won den war. Von dort fuhr der Papst zum größten Marienheiligtum der Ewigen Stadt, nach Santa Maria Maggiore, und erteilte von der Loggia der Basilika aus den Hünderttausenden den Apostolischen Segen. Die Kirche Maria Maggiore wurdè be-rehs im 4. Jahrhundert erbaut, wenn sie. auch im Laufe der Jahrhunderte vielfältige Veränderungen und Verschönerungen erfuhr. Die Decke dieser Kirche ikt die kostbarste der Welt. Denn sie wurde geschmückt mit reinem Gold, dem ersten Gold, das unter Kolumbus aus Amerika nach Europa kam. Wenn am Abend diese Decke beleuchtet ist, glaubt öian, man befände sich nicht mehr auf dieser Erde, so herrlich ist dieser Anblick. In der linken Seitenkapelle befindet sich das berühmte Gnadenbild „Salus Populi Romani" (Maria, Heil des Römischen Volkes). Es ist eines der ältesten Marienbilder der Kirche und Im Gassengewirr der Altstadt diè Kirche Santa Maria dell* Anima, die deutsche Nationalkirche (erbaut 1500—4514). stammt noch aus der Zeit, in der man darum rang, ob man Maria den Titel Gottesmutter ' zuerkennen dürfe odet nicht, denn daš Bild trägt gleichsam als feierliches Bekenntnis die griechischen Worte Meter Theou, d. h. Mutter Gottes. Im Jahre 431 wurde dann auf dem Konzil zu Ephesus feierlich das Dogma Von der Gottesmutterschaft Mariens als erstes Mariendogma verkündet. An dem Altar vor diesem Gnadenbild feierte unser Heiliger Vater Papst Pius XII. sein erstes heiliges Meßopfer. Vor der Kirche befindet sich ebenfalls eine Mariensäule, die bereits zu Beginn des 17.' Jahrhunderts errichtet wurde. Die herrliche Säule aus weißem griechischen Marmor ist die letzte noch erhaltene aus der heidnisches Konstantinsbasilika am Forum. Die Inschrift der 42 Meter hohen Säule, die die Dächer der Stadt überragt, lautet: „Freudig trage ich nun das Bild der Königin des wahren Friedens, nachdem Die Kirche Santa Maria in Ara Coeli. Festbeleuchtung am Dreikönigstag 1954. Auf einem Nebenaltar der Kirche Santa Maria dell' Anima befindet sich eine Nachbildung der Muttergottes von Altötting idi jahrhundertelang in einem Tempel des falschen Friedens gestanden." Wir können nun nicht einmal die andern Marienkirchen: Roms auch nur aufzählen. Aber einer wollen wir wenig- stens noch gedenken, der Kirche Santa Maria in Ara Coeli. Diese Kirche ist gleichsam die Weihnachtskirche von Rom. In ihr befindet sich das von allen Kindern der ganzen Welt verehrte Jesus- . ■ *' .**' i * • Die Grotte von Tre Fontane, wo die Muttergottes einem Ungläubigen erschien und ihn bekehrte. kind, der Bambino. Zu Weihnächten liegt er in einer schönen großen Krippe, und zwei italienische Karabinleri halten Tag und 'Nacht vor ihm Wache. Auf einer kleinen Kanzel in der Nähe finden danri' die berühmten Kinderpredigten statt, wo auch die Jüngsten in der Kirche einmal, zu Wort kommen. Am Fest der Erscheinung des Herrn wird der Bambino in feierlicher Weise dreimal durch die Kirche getragen und dann von der hohen Freitreppe der Kirche' aus dreimal die Stadt Rom mit dem Bambino gesegnet.' Zum Schluß wird uns dann auch noch das jüngste Marienheiligtum der Stadt Rom interessieren, die kleine Grotte in dem Eukalyptushain bei Tre Fontane. Hier erschien vor wenigen Jahren die Unbefleckte Gottesmutter einem Kommunisten und bekehrte ihn und seine ganze Familie. Zwar ist diese Erscheinung noch nicht offiziell von der Kirche anerkannt, aber der Kulf' an dieser Mariengrotte wird von der Kirche wohlwollend geduldet und man rechnet damit, ' daß er auch bald seine kirchliche Bestätigung findet. Jedesmal wenn man wieder zur Grotte hinkommt, ist der Platz vor der Grotte würdiger und andächtiger gestaltet, und1 fast immer findet man einige Beter, die dort ihre Sorgen und Nöte zur Gottesmutter tragen. Man könnte ganze Bücher schreiben; über das mafianische Rom. Aber diese wenigen Notizen mögen tins genügen. Wir ersehen daraus, daß auch im Marianischen Jahr Rom als die marianische Stadt der eigentliche ittelpunkt der Christenheit ist. P. Adelbert M o h n (8 Aufnahmen A. Mohn) Königslanzc unt> Kreuz Geschichtliche Erzählung von Br. August Cagol (Fortsetzung) Luong erinnerte sich, daß er, als erster die Schlafhütte der Jungmannschaft verlassend, sofort einen Schuß erhielt, der ihn zu. Boden fällte. Er hatte aber noch soviel Geistesgegenwart und Willenskraft aufgebracht, in den Schatten und hinter die Hütte zu kriechen, die am äußeren Rande des Dorfes gelegen war. Von dort kroch er unbemerkt weiter und gelangte ins hohe Steppengras, wo ihn Kräfte und Sinne verließen. Kurz nach Sonnenaufgang, als eben die dumpfhallenden Kornstößel der arbeitsamen Hausfrauen ihr alltägliches Moirgenlied zu singen begonnen hatten, wurde die große Trommel des Großhäuptlings vernommen, die' die Männer des Dorfes zu einer- Beratung zusammenrieft Struppige Haare, schwärzgraue Gesichter und vom nächtlichen Aschenlager grau gefärbte Leiber tauchten überall im Dorfe auf und strebten dem freien Platze mit der. weitästigen Sykomore zu. Doch nicht unter dem Baume ließen die würdigen Dorfväter sich nieder, sondern auf der windgeschützten Seite des Platzes in den Strahlen der wärmenden Sonne, denn der Morgen war kühl. Alsbald erschien auch der Großhäuptling, ' ließ sich auf sein Schemelchen nieder und legte die Lanze neben sich auf den Boden. Ein minutenlanges Schweigen ehrte des großen Mannes Ankunft. Darin öffnete er seinen Mund zur Begrüßung und sprach über die Ereignisse der vergangenen Nacht. Er schilderte den feigen Überfall auf ein schwaches Dorf, das nur wenige kampffähige Männer besessen, das-die Räuber in tiefster Nacht mit ihren Donnerbüchsen überraschten und aus dem sie wehrlose Frauen und Kinder in. harte Sklaverei fortschleppten, nicht zu vergessen des schöner! Viehs. Die Zuhörer bekundeten ihre Aufmerksamkeit durch oft wiederholtes „Hm", mochte es sich um Zustimmung oder Ablehnung, Gutheißung oder Widerspruch handeln; für alles galt das viel- sagende „Hm". Dabei machten die unvermeidlichen Pfeifen die stete Runde. Der Großhäuptling beendete seine Ansprache mit der Frage, was die Männer zu tun gedächten. Nach ihm sprach B o 1, der Adjwogo (Zauberer). Er gedachte der vergangenen Zeiten, da die Schilluk glücklich für sich allein lebten. Dann ging der Redner über zur Schilderung der Schlechtigkeit der „Turuk" (Türkeri-Ägypter) und der Fremden insgesamt, die den Kampf der Schilluk bis aufs Blut verdienten. Er schlug deshalb vor, allen Schiffen, die; auf dem Nil verkehrten, aufzulauern, sich- ihrer zu bemächtigen und alle Fremden zu töten. ' Nach dem Medizinmann sprach Meister Kalto. Er ging noch einmal alle Einzelheiten des nächtlichen, Überfalles durch und gab der Ansicht Ausdruck,'daß die Räuber wahrscheinlich Leute aus Nubien gewesen seien, weshalb er vorschlage, die nordwärts gelegene Zeriba der Sklavenjäger, wohin .ohne Zweifel die Gefàngerien geschafft worden seien, zu umzingeln und ihre Landsleute möglicherweise zu befreien. Nach Kalto redeten andere Männer. Alle Schilluk sind geborene Redner. Obwohl sie Gesagtes wiederholen, unterbricht sie keine Ungeduld der Zuhörer. Alle haben ja Zeit, viel Zeit. Will jemand etwas einwerfen', so'kann er es anbringen, wenn er selbst das Wort ergrifferi haben wird. Die Beratung wurde auf angenehme Weise unterbrochen, indem Frauen und Mädchen ihren Gatten und Vätern dampfende1 Schüsseln mit dem Morgenbrei brachten, die sogleich die ungeteilte Aufmerksamkeit der Versammelten erfuhren. Nach dem Händewaschen wurde die Beratung mit größerer Muße fortgesetzt, wobei ungefähr alle Männer zu Worte kamen und urizählige Pfeifen geraucht wurden. Es schien die vorherrschende Meinung der Krieger zu sein, gegen die nubische Zeriba vorzugehen, ohne daß indes der Vorschlag des sehr geachteten — und gefürchteten — Adjwogo ganz beiseite geschoben worden wäre. Es wurde daher beschlössen, daß alle waffenfähigen Männer des Distrikts sich bei Sonnenuntergang einfänden, um dann nach Norden abzugehen. Kampf Mit Ausnahme von vier Wächtern lagen die Bewohner von Hellet Kaka in tiefem Schlafe. Noch wenige Stunden, Und der neue Tag war zu erwarten. Auf einmal bemerkte der am Dornenwall der Westseite stehende Wachtposten ein Geräusch außerhalb der Zeriba. Mit schußbereitem Gewehr traf der Mann in den Schatten einer Hütte und blickte angestrengt in die nächtliche Steppe hinaus. Der untergehende Mond machte es schwierig, etwas genau zu erkennen. Eine Zeitlang war alles wieder still, Da bemerkte der Nubier, daß außen; am Dornverhaü herumgezerrt wurde; gleichzeitig beobachtete er ein eigentümliches Gewoge im Steppengras. Ihm wurde unheimlich zumute. Er schoß sein Gewehr in die Luft ab und lud es sofort wieder. Der Knall des Schusses weckte die Schläfer in den Hütten, von denen bald eine Anzahl mit ihren Gewehren erschien. Inzwischen blieben die angreifenden Schilluk nicht untätig. Mit ihren Lanzen suchten sie den Dornverhau auseinander zu zerren. In die entstehenden Lücken suchten andere Krieger Bündel von vorher geschnittenem Steppengras zu stopfen, um eine Art Durchgang über das Hindernis zu schaffen. Als die Verteidiger ein regelrechtes Feuer auf die Angreifer begannen, ließen diese ab vom Angriff und verschwanden eilig in der Steppe. Plötzlich aber wurde an einer anderen und dann an einer dritten Stelle ein Einbruch versucht, so daß die Nubier vollauf beschäftigt waren, die unvorhergesehenen Angriffe der, Schilluk abzuschlagen, wobei sie manche gut gezielte Lanze in Kauf nehmen mußten. Im, Osten begann der Himmel sich zu röten. Den Kriegern von Moam war es gelungen, an einer Stelle im Nordwesten einzubrechen. Hier entbrannte der Kampf aufs heftigste. Die Nubier unterhielten ein lebhaftes Feuer, während die Schilluk sich anschickten, zum Nahgefecht mit, ihren furchtbaren Lanzen überzugehen und in ihrem Rücken immer neue Kräfte an der Durchbruchstelle erschienen. Auf einmal erscholl Hufgetrappel, dann Geschrei und Gewehrschüsse. Die Nubier der Zeriba erhielten unerwarteten Entsatz. Es waren die Leute, die die Sklavenkarawane des Landweges eine Strecke weit begleitet hatten und nun zurückkehrten. Im unsicheren Lichte des dämmernden Morgens schien ihre Zahl sehr bedeutend zu sein. Ihr plötzliches Erscheinen entschied für diesmal die Kampflage. Die Schilluk zogen sich unter Mitnahme ihrer drei Töten mit der größten Schnelligkeit in die Steppe zurück. In einiger Entfernung von der Zeriba waren die Angesehenen versammelt, unter ihnen Bol, der Zauberer, und Kalto, der Schmied. Ersterer hatte vor dem Aufbruch von Akuruar einen Angelhaken in einen Topf mit kaltem Wasser gelegt und den Topf in seiner Hütte versteckt. Der Topf würde sicherlich zur guten Stunde kaltes Wasser über den Feind ausspritzen, daß dieser den Mut verlöre, kalt würde, zitterte. Ferner hatte Bol die eigenen Krieger gestärkt, In einem anderen Topfe hatte er Wasser gekocht und in das siedende Wasser ein „Lo " (Hexenbeil) gehalten, das dem Wasser große, geheimnisvolle Stärke verlieh. Mit diesem Zauberwasser hatte er die Krieger besprengt, deren Mut dadurch gesteigert Wurde. Er hatte auch ein Strohseil gespannt, über das die Krieger hatten hüpfen müssen. Wer die Schnur berührte, wurde offensichtlich ein Opfer des Kampfes. Er mußte entweder ein Opfer darbringen — d. h. dem Zauberer etwas geben oder er blieb besser daheim. Die Schilluk zogen sich noch weiter zurück und setzten sich dann zum Kriegsrat nieder. Einige waren für einen erneuten Angriff auf die Zeriba; die meisten aber hielten die Sache für aussichtslos. Eine Anzahl von ihnen war verwundet; drei Tote waren heimzutragen und zu bestatten. Wenn sie jetzt umkehrten, kamen sie gerade recht zürn Morgenimbiß. Die Heimkehr wurde somit zum Beschluß erhoben und ausgeführt. Am Königshügel Das Schillukland ist eigentlich eine jahrtausendalte Nilanschwemmung und daher : vollständig fläch und tischeben. Umso auffallender ist ein einziger kleiner Hügel in der Mitte des Landes. Er ist denn auch eine künstliche Erhebung, die ihre Entstehung dem König Tugo verdankt, der um die Wende des 17; und 18. Jahrhunderts das Volk der Schilluk beherrschte. Er war der erste Schilluk-könig, der einen ständigen Wohnsitz hätte im Gegensätz zu seinen yorgän-gern, die sich bald in diesem, bald in jenem Dorfe aufhielten. Die' Gründung seiner königlichen Residenz war vere> laßt durch ein besonderes Ereignis. Die vier, hornlosen Ochsen des Königs, Tschot genannt, wühlten eines Tages in auffälliger Weise an einer bestimmten Stelle am Böden, zu der sie immer wieder ' zurückkehrten. Der König sah darin ein ihm von oben gegebenes Zeichen, an dieser Stelle sein Dorf zu gründen. So entstand Pa-tschot, d. i. das Dorf der hornlosen Ochsen, welcher Name sich im Laufe der Zeit zu F a -schoda abschliff. Um während der Regenzeit gegen Nilüberschwemmungen geschützt zu sein, ließ der König unter allgemeinem Volksaufgebot einen Hügel auf werfen, der Aturwitsch genannt wurde. Später wurde wieder und wieder aufgefüllt, bis der Hügel nach zweihundert Jahren die heutige mäßige Höhe erreicht hat. Auf dem Aturwitsch befinden sich nur die vier Hütten des Königs. Am Fuße breitet sich das übrige königliche Dorf aus, das im Grunde genommen nichts als ein Harem, die Wohnstätte der königlichen Frauen, ist. Wenige Tage nach dem überfall auf Abur saß König N j i a d o k auf einem großen Felle im Hofraum seiner Hügel-Residenz. Eine Kette aus Silber, und Glasperlen sowie ein aus Plättchen von Straußeneierschalen gebildeter Ring um den Hals, ein Paar schwere silberne Armringe, zwei Elfenbeinarmringe, , ein Leinenüberwurf und ein Leopardenfell, das königliche Abzeichen, um die Hüften, bildeten die äußeren Merkmale seiner hohen Würde. Ein Mann in vorgerückten Jahren, mit bartlosem Gesicht, nachdenklicher Stirn und unruhigen, mißtrauischen Augen, hatte er seit sechzehn Regenzeiten die höchste Würde des Landes inne; In den ersten Jahren seiner Regierung hatte er mehrere kleine Kriege gegen den unruhigen Nachbarstamm der Dinka zu führen gehabt, in denen er Sieger geblieben. Erbeutete Dinkafrauen und erobertes Dinkavieh hatten ihn und seine Großen bereichert. Dem R e t (König) gegenüber saßen fünf Männer, seine Räte, unter ihnen die einflußreichen Großhäuptlinge von Mo-am und Tünga. Den Stoff der Beratung bildete der Überfall auf Abur, der ergebnislose Strafzug der Krieger von Moam gegen die Zpriba Hellet Kaka und das Verschwinden des Kundschafters Akullo. Ferner machte es dem König schwere Sorge, daß vor wenigen Tagen, die Fremden sich an der Mündung des Sobatflusses in den Weißen Nil niedergelassen und dort, begonnen hatten, eine Zeriba zu errichten. Fünf große Barken mit viel Mannschaft, Feuerbüchsen und allerlei Gerät waren von Norden gekommen, und ohne Verzug hatten die Leute sich ans Werk gemacht. Geredet wurde in der „Doge duong", der ,(Sprache der Großen", der Hofsprache der : Schilluk, die der gewöhnlichen Volkssprache etwa ein halbes Hundert Worte voraus hat. . Ihr Zweck ist, den König und seine Umgebung über • das Alltägliche emporzuheben und diesen großen Männern mehr Achtung vor dem Volke zu verschaffen. Die alten Herren saßen bereits eine geraume Zeit beisammen. Sie pafften dichte Rauchwolken von sich und zogen die weisen Stirnen in krausei!. Falten. Allein es wollte ihnen nichts Vernünftiges einfallen. Die Zeiten schienen ganz geändert. Die Außenwelt zeigte zuviel Teilnahme am Schillukland und -Volk. Die guten Schilluk, die sich selbst genug waren, kümmerten sich herzlich wenig um die übrige Welt und hätten ge- wünscht, daß man auch sie in Ruhe gelassen hätte. Die Beratung schien auf einem toten Punkte angekommeh zu sein, als plötzlich mörderisches Geschrei aus einem der Weiber-Kale ertönte. Sogleich sprang der König auf und lief dem Orte des Wehgeschreis zu; auch die Herren Staatsminister erhoben sich und folgten dem Ret mit langsamen Schritten. Als sie in den geräuschvollen Kal eingetreten waren, bot sich ihnen das Schauspiel, wie der erzürnte königliche Gemahl eine Peitsche klatschend über den Rücken einer am Boden kauernden Ehefrau jausen ließ. Einige Augenblicke sahen die hohen Herren diesem nicht ungewöhnlichen Auftritt zu, um sich dann an den Herrscher mit der Bitte zu wenden: „Tschui!" (Schone deine Arme!) Daraüf-hin ließ der König es bewenden, doch konnte er es nicht unterlassen, der Schuldigen noch einige zürnende Worte zuzurufen, die ihr augenscheinlich weniger Eindruck machten als die Peitschenhiebe. Dann wandte er sich mit seinen Räten wieder den Staatsgeschäften zu. Auf dem Rückweg zum Aturwitsch erleichterte er ein wenig sein sorgenvolles. Herz. „Die Weiber, sind sie nicht auf der Welt, des Mannes Leben bitter zu machen? Hat nicht diese Hexe von einer Dinka sich vor meiner Diiang (die über allen.Frauen stehende LieblingsggttinJ: des Ret) gebrüstet, Demei, der Sohn Akuots, werde mir, dem König, heimzahlen, was ich an ihrer Familie verschuldet hätte. Ich werde es aber der bösen N j a -kinin o austreiben, zu meinen Feinden zu halten!" Nach diesem Zwischenfall ließen die hohen Herren sich wieder , zur Beratung nieder. Eines stand festfSes war grö'ßte Wachsamkeit geboten. Gegen die neue Zeriba am Sobatfluß, gedachte man einstweilen nichts zu unternehmen. Es war vorerst abzuwarten, ob sie nicht gegen die Dinka arbeiten werde, was eigentlich von Vorteil für die Schilluk wäre-. Gegen die nördliche Niederlassung der Nubier bei den Baggara, wo Akullo allem Anschein nach verschwunden war, war es nicht ratsam, vorzugehen; sie lag außer- halb des Schillukgebiets und man lief dadurch Gefahr, sich die Baggara auf den Hals zu laden. Gegen Hellet Kaka mußte man in der nächsten Zeit etwas Wichtiges unternehmen, doch Wollte man das Ende des Rudo abwarten, weil dann 'die meisten Dongo nach Chartum zurückkehrten und die Schilluk alsdann leichteres Spiel hätten, die Zeriba zu zerstören. Wenn dann die Feinde im folgenden Rudo zurückkehrten und ihre Niederlassung zerstört fänden, würden sie sich gewiß anderswo ansiedeln, wo sie vor den Überfällen der Schilluk gesichert blieben. Schließlich wurde noch beschlossen, daß in den wichtigsten Njikang-Tempeln des Landes Opfer dargebracht würden, um sich des Schutzes des großen heimgegängenen Landesvaters in diesen schweren Zeiten zu versichern. Es war inzwischen ziemlich spät geworden. Da die Ratgeber des Ret nicht im köniaiichen Dorfe übernachten konnten, sondern nach dem eine Stunde entfernten Dorfe K w o m zu gehen hatten, brachen sie auf. Nachdenklich blieb König Niiadok zurück. Der Vorfall mit seiner Dinkagemah-lin Nfakunno hatte ihn zornig gemacht, und der Ärger klang noch nach, in ihm. Durch seine Spione war er gut darüber unterrichtet, wie sein Neffe Demei im Distrikt N j i g o h r gegen ihn arbeitete. Dieser hätte aber nicht viel gegen ihn ausrichten können, hätte er nicht Anhang in der Nähe des Ret selbst gefunden. Wenigen untèr seinen fünfzig Frauen konnte der König, trauen;-die meisten rächten sich für wirkliche oder vermeintliche Zurücksetzungen an ihrem königlichen Gemahl durch üble Nachreden,, die sie geschickt an unzufriedene Häuptlinge gelangen ließen, obwohl sie ganz abgesperrt lebten. Getreu den alten Schilluksitten und wohl ; auch aus eigenem Antrieb hatte Ret Niiadok es im Laufe der Zeit auf mehr als fünfzig Frauen gebracht, denen gut dreißig Sklavinnen hilfreich zur Seite standen. Aber auch wirtschaftliche Gründe hatten den König bewogen, viele Frauen zu haben, da er als der größte Mann des Landes viele Besuche erhielt und seinen Gästen stets etwas zu essen vorzusetzen hatte, und dieses Etwas mußte eines Königs würdig sein. Zur Bestellung der Felder, zur Bereitung des Mehles sowie zum Kochen der Mahlzeiten bedurfte er zahlreicher Arbeitskräfte, die er nach Schillukbrauch nur an seinen Weibern finden konnte, übrigens hatte er als König, dem von rechts-wegen alle Güter im Lande gehörten, es als Freier leichter wie ein gewöhnlicher Schilluk. Letzterer hatte dem künftigen Schwiegervater eine schöne Anzahl Rinder, z. B. zehn Stück, zu übergeben, um seine Tochter heimführen zu können. Der königliche Freier hingegen brauchte nur zu einem seiner Untertanen zu sagen: „Deine Tochter gefällt mir; ich will sie zu meiner Frau machen." Der Mann, dem die Ehre zugedacht war, Schwiegervater Seiner Majestät zu werden, konnte sich ihr nicht erwehren, sondern hatte mit süßsaurer Miene zuzu- stimmen, ohne seinen Viehstand vermehrt zu sehen. Für das Mädchen selbst hatte die Aussicht, Gemahlin des Beherrschers aller Schillul?: zu werden, wenig Verlockendes. Es hatte einen jungen Freier aufzugeben, dem es gewogen war, und dafür einen ihürrischen, gefürchteten Alten einzutauschen, dier von einem kalten und steifen Hofzeremoniell umgeben war. Des Königs trübe Gedanken erhielten eine andere Richtung durch das Erscheinen W a k s, seines Leibkochs, der ihm die Abendmahlzeit brachte. Nicht von seinen Frauen ließ der Herrscher sich die Speisen bereiten — da er nicht sicher war vor Vergiftung •—- sondern von einem Manne, der sein volles Vertrauen besaß, einem herabgekommenen Verwandten, der keine Aussicht hatte, je König werden zu können und der auch keinen Sohn hatte, für den er ehrgeizige Pläne hätte hegen können. (Fortsetzung folgt) Die Station am Rio Begas Eine Erzählung aus Perus wildesten Tagen. Von Hugo K o c h er (Fortsetzung) Zögernd wagte sich der Kazike hervor. Einer der Fremdlinge, ein hochgewachsener,. hagerer Mann, mit einer Nase, die wie ein gekrümmter Vogelschnabel aussah, sprach mit rauher Stimme zu dem Indio, der seine Rede dolmetschte. Immer finsterer wurde das Gesicht des Kazi-ken. Ein paarmal warf er hilfesuchende „Blicke..- nach . seinen Männern,' die mit Keulen, Speeren, Blasrohren und Pfeilen bereitstanden. Und dann ging alles so schnell, daß Jokar sich, später an nichts mehr erinnern konnte. Zwei der weißen Männer packten den Kaziken an den Armen, Er versuchte sich zur Wehr zu setzen. Jokar stieß den Kr'egsruf aus und lief mit seinen Freunden auf die Weißen zu. Da lernte er den Dönnerzauber kennen. Er- fühlte einen Schlag an der Schulter, wurde herumgerissen und zu Boden geworfen. Neben ihm stürzten einige andere. Als Jokar wieder zu sich kam, lag er in der Hütte seiner Mutter. Sein ganzer Körper war eine einzige große Wunde. Die Schmerzen und das Fieber schüttelten ihn. Otopé, der Curaca, der Arzt des Dorfes, kauerte vor ihm und schüttelte unheilverkündend den grauen Kopf. Gegen solche Zauberwunden war er machtlos. Ob das Geistesopfer des Brujo die Rettung brachte? Wer konnte das wissen. Mit gebundenen Händen stand der Kazike zwischen den Weißen und gab Befehle nach ihrem Geheiß. Alle Männer und die jungen Frauen mußten sich vor der Hütte einfinden; in der die Weißen hausten. Und wie es der Tetetebote gesagt hatte, so geschah es. Die Namen der Männer, Knaben, Frauen und Mädchen wurden auf dünne Blätter geschrieben. Dann teilten sie die fremden Indios, die jnit den Weißen gekommen waren, in 'kleine Trupps ein. Einige mußten Holz fällen und unverzüglich ein großes Haus bauen, andere wurden beauftragt, einen dichten, hohen Zaun aus Dornen und zugespitztem Bambus um das ganze Dorf zu ziehen. Während der Nacht brannten rings um das Dorf große Wachtfeuer. Zweimal krachten die'Gewehre, und der Donnerzauber schlug den Tetetéboteh und'einen Mayana nieder, die versucht hatten, zu fliehen. Am andern Morgen gingen die weißen Männer von Hütte, zu Hütte Und nahmen alle Waffen fort. Als Jokar nach schwerer Krankheit schwach und kraftlos vor der Hütte kauerte, war eine große Veränderung um ihn her vorgegangen. Aus dem Stamme der Mayanas,- einem, freien Indiovolk, war eine Sklavenhorde geworden.. Geknechtet, geduckt schlichen, die Männer und Frauen umher. Verstummt war das Lachen und Jubeln der Kinder, niemand dachte mehr, an Tanz, an Jagd, Fischfang oder an einen Zug gegen die räuberischen Tetetes. Etwas abseits des Dorfes erhoben sich große Häuser, dergleichen Jokar noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Und davor lagen im Pälmschatten böse, bissige Hunde, die jeden Indio grimmig anfletschten, der sich ihnen zu nahen wagte. Wohin der Häuptlingssohn die Blicke ' richtete, überall sah er eine fremde Welt.- Das Herz zog sich ihm zusammen, heiß lief es ihm. über die eingefallenen Wangen. Er hörte .es und hörte es nicht,, wie ihm seine alte Mutter zuflüsterte, daß dort bei der hohen Palme Toruga und Apay begraben wurden, seine Freunde, die mit ihm zusammen die Weißen angreifen wollten. Und Jokars Vater, der Kazike, lag gefangen in dem größten der Ranchos, vor dem Tag und, Nacht eine Wache stand. Von dort aus gab er Befehle'durch den Mund eines fremden Indios. Er forderte, daß alle Mayanas Kautschuk - sammeln sollten, Viel Kautschuk, Arobas um Arobas, denn nur wenn sie die großen Vorratshäuser mit dem schwarzen Gold füllten^ würde der Kazike wieder Tfrei und die Fremden? zögen fort. Jokar liefen die Gedanken wie Ameisen durcheinander. Es war so vieles geschehen, das er nicht begreifen konnte. Aber dann, noch ehe er dazu kam, einen Entschluß zu fassen, stand eines Mor- gens der, Führer der Eindringlinge vor ihm. Verächtlich sah Don Leonardo auf den jungen Indiò herab? „Steh auf, denn ich habe mit dir zu reden", herrschte er Jokar in seiner Stammessprache an. Es ■ fiel ihm nicht leicht, die rechten Worte zu finden, das machte ihn ärgerlich Und noch bösartiger als sonst. Ohne weiteres packte er Jokar, der wankend vor Schwäche vor ihm stand, an den Armen, betastete die Muskeln. „Er ist kräftig genug zur Arbeit, ich kann keine Faulenzer brauchen. Du, Mi-gucl®jnimmst ihn mit in deine Truppe." Der Mann, den er eben mit Miguel an- ■ redete, war gerade im Begriff, mit einer kleinen Schar Indios in den .Wald zu ziehen. Jetzt blieb er stehen. Sein.jün-ges, offenes Gesicht mit den blauen Augen und den blonden Haaren paßte nicht recht in die Abehteurergeseilschaft hinein; .„Was soll das, der Bursche ist doch noch krank und elend, laß ihn noch eine Weile ausruhen, er war schwer verwundet", sagte er bedächtig. Don Leonardo runzelte grimmig die, Stink .'-„Der Kerl muß mit hinaus. Ich habe keine Lust zu warten, bis er auf dumme .Gedanken kommt. Es ist der Sohn des Kaziken und ich. will, daß du ihn härter anfaßt, als die andern." Der Blonde wollte noch etwas erwidern. Aber dann nickte er schweigend, es war ihm der Gedanke gekommen, daß den junge Bursche bei einem der andern Aufseher sicher schlechter wegkommen würde als bei ihm: Durchschaute ihn der Hagere? Als sich Miguel-zürn Gehen wandte, faßte er ihn am Arm. Seine Augen funkelten. „Daß du dir aber-nicht etwa einfallen läßt,, den Kerl zu schonen-. Dein Trupp bringt immer einige Ar oben weniger als diè andern. Wozu trägst du die Peitsche am Gürtel, he?" „Ich bin hierher gekommen um Kautschuk zu suchen,,nicht-um Menschen zu schinden", murrte der junge Blonde, Er reckte sich unwillkürlich, auch in seine Augen trat ein harter, funkelnder Glanz. Der Hagere dämpfte die Stimme, es klang fast wie das Zischen einer Schlange: „Du weißt, daß wir uns hier draußen selbst unsère Gesetze machen. Als du dich mir und Don José verpflicht tet hast, war es dir bekannt, daß du meinen Befehlen zu gehorchen hattest." Der Blonde blieb ganz ruhig. „Alles gut und schön", versetzte er-in einem Spanisch, dem man den Zugewanderten, deutlich anhörte, „aber was ich nicht wußte, das war, daß ich den Sklaven-, treiber machen sollte. Du kannst dich nicht über mich beklagen bei der Arbeit im Kanoa, im Lager, auf der Jagd und auf der Suche, aber ein Indioschinder werde ich nie und nimmer. Paßt es dir nicht, so laß mich laufen." Don Leonardo grinste hämisch. „Das könnte dir so passen,< davonlaüfen und in den Siedlungen über unser Treiben schimpfen. Nein, mein Vögelchen, wir werden dir das Pfeifen schon noch aus-treiben. So lange du zu uns gehörst, hast du zu schweigen und alles zu tun, was ich verlange, oder..." Er schlug, vielsagend auf den Pistolenkolben. Schweigend wandte sich der junge Blonde ab und folgte seinem Indiotrupp in den Wald hinein. Sein Gesicht war finster. Halblaut sprach er mit sich selbst. „Da hast du dich schön in die Patsche gesetzt, Michel Kraus; wie ein richtiger dummer Michel bist du in die Falle gegangen. Aber natürlich, das schwarze Gold, der hohe Verdienst, das war es, was dich immer tiefer hinein in die Wälder zog. Hast du wirklich,gar nicht geahnt, wie es zuging beim Kautschuk-süclien am Putumayo? Natürlich nicht, du glaubtest, daß dieser Don José ein ebensolcher Kolonisator wäre wie Dom Julio Arana. Aber du hättest dodi sehen müssen, was für Galgenvögel deine Ca-marados wären. Ganz, ehrlich, Michel, das Gold hat dich gelockt, dir die Augen geblendet. Und jetzt sitzt dü fest. Es ist-rein unmöglich,, allein ausZurüd^eh..' Auf halbem Weg zum Putumayo haben sie mich und dann machen sie kurzen Prozeß." Ein Schauer lief ihm bei dem Gedanken über den Rücken. Dieser Leonardo und seine Bande kannte keine Gnade. Er mußte bleiben, durchhalten. Vielleicht fand er später eine Gelegenheit zur Flucht. Seine Augen fielen auf die Indios, die sich .jetzt im Wald zerstreuten, um an -die Arbeit^ zu gehen, Wenn es ihm gelingen würde, ein hal- bes Dutzend der jungen Burschen mit auf die Flucht zu nehmen. Aber er verwarf den Gedanken sofort wieder, Gewiß, sie würden alle gerne entfliehen, aber nur um sich in den., tiefsten Wäldern zu verstecken. Dort aber hausten menschenfressende Stämme, vor denen sie sich fast ebensosehr fürchteten wie vor den weißen Bedrückern. Im Osten und Weiten aber hatten sich andere Handelsgesellschaften festgesetzt, die jeden Flüchtling auslieferten. Das mußten die Mayanas zu ihrem Schrecken bald genug erfahren. Einige Männer, die während der Arbeit entliefen, waren gefangen- zurückgeschickt worden. Flüsternd erzählten sich die Versklavten von der unbarmherzigen Strafe, die sie getroffen hafte. Wie an allen andern Tagen machte Michel Kraus seine Runden, suchte die Arbeitsplätze auf. Die Indios mühten sich redlich, neue Bäume zu finden, die angezapften nachzusehen, die kostbare Milch zu sammeln. Auch Jokar tat, was er konnte. Ein paarmal wollte ihm der junge Deutsche mitleidig erlauben, sich auszuruhen. Er preßte die Lippen zusammen! machte sich selbst hart. Aber dann konnte er es nicht mehr mit an-sehen. Er winkte einen alten Indio heran. Es war der Brujo, der Zauberer der Mayanas. Mit den wenigen Worten der Indiosprache, die er kannte, versuchte er sich verständlich zu machen!: Er deutete auf Jokar: jKrank. viel krank, liegen, schlafen. Du und du, alle viel arbeiten, damit Kranker.ruhen kann.“ Ifke.schien zu begreifen. Er sprach mit den andern. Eifriger als zuvor machten sie sich an die Arbeit, während sich Jokar erschöpft im Schatten niederließ. Ein dankbarer Blick traf den Aufseher. Miguel lächelte ihm zu und setzte sich neben ihm nieder. Aber so sehr er sich mühte, es gelang ihm nicht, ein richtiges. Gespräch zustande zu bringen. So versuchte er seine Sprachkenntnisse dadurch zu verbessern, indem er auf seine Augen, die Nase, den Mund, die Hände deutete und sich die Worte merkte, die Jokar daraufhin sagte. Der Häuptlingssohn hatte schnell begriffen, was der Weiße von ihm wollte. Die Männer und Frauen des kleinen Trupps hatten ihm längst 'zugeflüstert, daß der Mann mit den. hellen Haaren gut zu ihnen sei. Nicht so böse wie die andern. Die Naturkinder fühlten ja mit sicherem Instinkt heraus, daß Miguel zuweilen Mitleid mit ihnen empfand. Sie arbeiteten willig und keiner dachte je an Flucht. Trotz der kärglichen Nahrung, die den Mayanas von den Kautschuksuchern gegeben wurde, erholte, sich Jokar schnell. Im Urwald fanden sich immer ein paar Früchte, eine Schlange oder Eidechse, die er roh verzehren konnte. Er arbeitete jetzt auch tüchtig mit, aber zugleich fing er an, über seine Lage nachzudenken. Bald hier, bald da kam er mit dem alten Brujo zusammen, dem Zauberer, um sich mit ihm zu beraten. „Ich bin ein alter. Mann geworden, ohne alle Kraft", jammerte Ifke. „Vergebenshabe ich Krankheit und Tod gerufen, die Urwaldgeister hören nicht mehr auf meine Worte, seitdem ich ihnen kein Opfer mehr zu bringen vermag." 3. Im Dunkel der Nacht Es ist eine dunkle Nacht. Das leise Murmeln in den Indiohütten ist längst „Ich werde für ein Opfer sorgen", versicherte Jokar, und Wirklich gelang es ihm ein paar Tage später, ein junges Wildschwein mit dem Buschmesser zu erlegen. In aller Heimlichkeit stahl er sich mit dem Brujo beiseite. Im dichtesten Gebüsch fachten sie ein. Feuer ah und unter Zaubersprüchen verbrannte der Alte das Schwein. Kein Auge ließ Jokar von dein Brujö. Unheimlich; furcht-einflößend sah der Alte aus. Seine Glieder zuckten, von Krämpfen geschüttelt. Schließlich schluckte er den Bejuca, ' den Zaubertrank. Er geriet in eine Art Halbschlaf und murhielte wirre Worte. Doch zuletzt wurde Jokar aufmerksam. Der Brujo sprach deutlicher, und jetzt rief er beschwörend: „Eile, Jokar, dein Water ruft nach dir, Tag und Nacht. Höre auf seine Worte, denn bald wirst du der Kazike der Mayanas sein. Eile, denn dein Vater stirbt." verstummt. Todmüde von der schweren Arbeit liegen Männer und Frauen auf den Matten. Isidro, der Negermischling, der die Wache hat, grinst hämisch. Aus einer der Hütten vernimmt er ein qualvolles Stöhnen. Dort windet sich Gakach in Schmerzen. Er hat ihm heute mit der Peitsche den, Gedanken an Meuterei ausgetrieben. Traf er doch Gakach in den Büschen an, wie er sich eine Keule zurechtzuschlagen versuchte. Er wird es nicht wieder ; tun. Der dunkelhäutige Wächter steckt sich schmunzelnd ; eine Pfeife an. Dann pfeift er dem Hund, der ihn begleitet. Er lauscht. Auch in den Ranchos droben ist es ruhig geworden. Das Fluchen und Wettern der Spieler, die beim Canaschnaps saßen, ist verstummt. Wie huschende Schatten bewegen sich auf der breiten Veranda die Indianerinnen-, junge Mädchen, ' die in den Ranchos der Weißen die Hausarbeit versehen. Jetzt sind auch sie hinter den Matten verschwunden. Isidro spuckt aus, wirft das Qewehr auf die andere Schulter und brummt verdrossen vor sich hin. Noch drei Stunden lang muß er die Runde um das Dorf machen. Eigentlich barer Unsinn. Die Männer und Frauen sind viel zu müde, um an Flucht oder Aufstand zu denken. Man könnte > die Wache getrost den Hunden allein überlassen. Aber Don Leonardo versteht in der. Hinsicht keinen Spaß. Er hält eiserne Disziplin; wehe demjenigen, der seinem Wort nicht gehorcht! Elfegö und Pedro, die schon länger mit ihm zusammen sind, wissen merkwürdige Geschichten über ihn zu erzählen. Sie tun es nur selten und stets im Flüsterton. Zwar fürchtet Isidro nicht Tod noch Teufel, aber das Gesetz der Wildnis, unter dem er jetzt lebt, ist unbarmherzig. In den Wäldern, die gleich schwarzen Mauern rings um das Dorf stehen, ertönt der Jagdschrei eines Puma. Grunzend und quiekend bricht eine Rotte Sauen durch das Unterholz. Der Hund neben Isidro knurrt grimmig, drückt sich aber dami; als wiederum der Puma kreischt, dicht an die Beine des Mannes. Jetzt löst sich aus dem Schatten einer niedrigen Indiohütte fein dunkler Schatten und huscht lautlos an-dem Dornwall entlang, der däs Dorf uhigibt. , Es/ ist Jokar, der Kazikensohn, der 'trotz aller Gefahr versucht, 1 dem Ruf seines Vaters zu folgen. Eben, während die Wildschweine die Aufmerksamkeit des Wachhundes ablenken, gelingt es ihm, durch einen schmalen Einschlupf zu kriechen, den die Indios heimlich in/diè Umwallung gehauen haben. Jetzt gilt es, hinter die Ranchos der weißen Bedrücker zu gelangen. Jokar prüft den Wind. Ein düsteres Lächeln huscht über sein Gesicht. Er weiß, daß einer der Weißen am vergangenen Tag einen Tapir erlegt hat. Das zerlegte Wild hängt an einem Baum vor dem größten Haus, und dort liegen alle Hunde, um es zu bewachen. Er fühlt sich ganz sicher; Trotzdem hält er sich im tiefsten Schatten, tastet mit den nackten Zehen den Boden ab, ehe er auftrift. Eine ganze Weile steht er auf den unteren Ästen eines Baumes hinter den Ranchos und wartet, bis Isidro wieder seinen Rundgang durch das Dorf angetreten hat. Nun gilt es! Jokar schwingt sich auf den äußersten Ast hinaus, und erreicht von dort aus das_Dach des Ranchos, in dem sein Vater gefangen liegt.. Eifrig macht ér sich daran, die Palmblattbedeckung aufzulockern. Endlich gelingt es ihm, ein Loch in den Belag zu schneiden. Er lauscht atemlos in das brütende Dunkel der Hütte hinab. Ein warmer Dunst! dringt ihm entgegen. Jokar wittert mit geblähten Nüstern. Er weiß so, sicher, als ob er es gesehen hätte, daß unter ihm ein Indio liegt. Nun vernimmt er auch ein leises Stöhnen. Er flüstert den Namen seines Vaters. Das Stöhnen verstummt, und dann, nach einer kleinen Weile, kommt die Antwort: „Jokar, bist du es?“ Nur mit Mühe kann der junge Bursche einen Jubelruf unterdrücken. Eifrig ar-be’tet er auf dein Dach, Wobei er es nicht vermeiden kann, daß die dürren Palmwedel verräterisch rascheln. Endlich kann er seinen geschmeidigen Körper; durch die Lücke zwängen. Und jetzt kauert er in der Ecke der Hütte neben seinem Vater. Seine Hände tasten, fühlen eiserne Fesseln, ein hageres, eingefallenes Gesicht, abgemagerte Glieder-. Zorn und Mitleid erschüttern, ihn. ..Ich muß dir. helfen, dich befreien . . .“ stammelt er und vergißt in seiner Sorge fast die Vorsicht. Der Kazike vfersucht sich' aufzurichten. Er lehnt' mit dem Rücken an der Wand. Seine Stimme, oft;von cmalvollem Stöhnen unterbrochen, wird beschwörend. „Jokar, du bist der Sohn des Kaziken der- Mayanas, auf dir ruht meine letzte Hoffnung. Du sollst nicht an mich denken... ich habe nur noch wenige Tage zu leben. Aber mein Ruf drang zu deinen Ohren und du bist gekommen, nun ist alles guf. Höre mein Vermächtnis. Du allein bist - dazu berufen; den Stamm der Mavanas wieder frei zu machen. Rufe heimlich alle Männer zusammen, bereitet Gift, fertigt neue Blasrohre, Keulen, Speere. Und dann, in einer Nacht, müßt ihr die Weißen überfallen; Sie müssen sterben, alle. . . . Nein, nicht alle, einer von ihnen, den sie Miguel nennen, hat mir mehr als einmal Wasser gereicht. Nie schlug er mich, wie die andern, ihn verschont, er ist unser Freund. Aber alle andern erschlagt. Tötet jeden Weißen, der sich je wieder . in unsere Wälder ' wagt. Hörst du, ihr müßt sie töten, denn sie sind wie die bösen Krankheiten, die aus dem Dunkel der Wälder und aus den Sümpfen zu uns kommen. Sie sigd wie Geisterbosheit und Waldbrand." Der Kazike schweigt keuchend, er muß Kräfte sammeln. Jokar sitzt da und lauscht in das Dunkel hinein. Er hört die gleichmäßigen Atemzüge des Wächters, der vor der Türe liegt, er hört auch, wie Isidro den Rancho betritt, um seine Ablösung zu rufen. Allmählich gewöhnen sich seine Augen an das Dunkel. Er kann die kahlen Wände, die eisenharten Pfosten unterscheiden, an denen sein Vater festgeschmiedet ist. Er knirscht vor Wut mit den Zähnen. Wieder und wieder versucht er mit dem Messer die Eisenbänder zu durchschneiden; Der Kazike wehrt, ihm. „Laß, nur noch Tage können mich die Fesseln halten, dann gehe ich in das große Dunkel zu den Ahnen. Was nützte es auch, wenn du mich befreien könntest, ich bin schwach und kraftlos wie ein altes Weib geworden, ich, der Häuptling der Mäyanas. Aber du bist jung und stark. Tu, wie ich dir gesagt habe, versprich es mir bei den Ahnen, bei den Nachtgeistem. Fluch über dich, wenn da je vergessen solltest, was du gelobt hast. Töte die Weißen, befreie den Stamm. Und jetzt geh. Bald werden die Brüllaffen den Tag künden. Lebe wohl Jokar, mein Sohn, die Seele meines Vaters hat mich gerufen, ich muß ihr folgen. Du aber wirst der Kazike der freien- Maya-nas, ich sehe dich mit der Lanze in der Rechten inmitten der Männer, ich höre deri Ton der Maguare, der großen Baumtrommel, die von Sieg und Freiheit kündet." Dreimal muß der, alte Kazike seinen Sohn auffordern, ihn zu verlassen. Zum erstenmal ist Jokar ungehorsam. Aber endlich tritt er den gefährlichen Rückweg an. Unruhig • wälzt ’ er sich auf sèiner Matte. Er findet keinen Schlaf mehr. Wirre Bilder umgaukeln ihn. Er hört sich selbst den Kriegsruf ausstoßen, er trifft mit sicherem Speerwürf Don Leonardo, den meistgehaßten unter den Weißen, mitten in die Brust. Er macht seinen Namen zum Fluch bei den Weißen, bei allen Stämmen ringsum, er, der große Kazike der Mayanas. 4. Padre Andreu im Urwald Auf schmalem Pfad traben die Indios hinein in den Urwald. Mit der Peitsche in der Rechten folgt ihnen Isidro, dem es teuflisches Vergnügen macht, die Säumigen anzutreiben. Aber jetzt stockt die Spitze. Geschrei gellt durch den Wald. Isidro naht mit' geschwungener Peitsche. Er wird ihnen Beine machen, wenn sie wieder vor einer Schlange zögern. Was kümmert ihn der Aberglaube der Wilden. Unbedenklich tötet er ihre heiligen Tiere. Aber nun steht er betroffen da, die erhobene Rechte sinkt ihm herab. Mit aufgerissenen Augen starrt er den Pfad entlang. Da steht ein bärtiger Mann, ein Padre, gefolgt von indianischen Trägern. Abér was Isidro noch mehr betroffen macht, das ist der Anblick eines, jungen Mädchens, das in Hosen und hohen Lederstiefeln an der Seite des Padres steht und -lachend herüberwinkt. Ein Missionar im tiefsten Urwald am Rio Begas ist schon ungewöhnlich genug, aber eine weiße Fraü, das ist wahrhaftig das Tollste, Was Isidro je erlebt hat. Wie er sogleich erfährt, ist Juanita die Tochter eines alten Fallenstellers, der den! Padre als Führer dient. In der Wildnis aufgewachsen, fürchtet sich das tapfere Mädchen keineswegs vor den menschenfressenden Indios, durch deren Gebiet die Reise geht. Trotz aller Warnungen ließ sie sich nicht abhalten, ihren alten Vater zu begleiten. Und jetzt sind sie da im künftigen Missionsgebiet des Padre Andreu. Die Überraschung ist auf Seiten der Ankömmlinge, nicht minder groß. Der Padre macht kein Hehl aus seinem Ärger. Ist ihm also richtig wieder einmal eine Bande von Kautschuksuchern zuvorgekommen. Er weiß sogleich Bescheid. Die Mayanas, die er retten, bewahren wollte, sind bereits eine willenlose Sklavenhorde geworden. Auf einen Wink Isidros machen sich die Indios an die Arbeit. Scheue Blicke streifen den Padre, Bartolo, den peruanischen Führer, und seine; Tochter Juanita. Es sind Weiße und also die Brüder und Freunde ihrer Bedrücker. Sie verstehen ja kein Wort von dem, was zwischen I?idro und dém Padre verhandelt wird. „Das Gebiet ist Eigentum des Don José? Ich kenne diesen sauberen Herrn, hatte in Limon schon mit ihm zu tun." So beginnt Padre Andreu ohne Umschweife, nachdem er Isidros Bericht gehört hat. „Wer. verlieh ihm das Siedlungsrecht, wer gab ihm das Recht, über die Mayanas nach Willkür zu herrschen?" Isidro grinste tückisch. „Danach fragt hier im Urwald weder Gott noch Teufel. Das Klügste, was Sie tun können, ist sofort umzukehren. Suchen Sie sich ein neues Missionsgebiet, géheiì Siè zu Don Julio Arana, der will- ja aus all seinen Indios Betbrüder machen. Wii; haben Wichtigeres zu tun. Die faule rote Bande muß Kautschuk suchen, ob sie will oder nicht." Padre Andreu runzelt grimmig die St:rn. „Ich glaube, da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden. Die Regierung hat unserem Orden große Vollmachten gegeben." Isidro lächelt ungläubig'. „Es ist ja noch gar nicht sicher, welcher von den vier Staaten hier am Rio Begas zu bestimmen hat. Wer zuerst kommt, der greift zu. Wir wissen unser Recht zu wahren und wir machen dort, wo wir sind, die Gesetze." Er schlägt vielsagend auf den Büchsenkolben. „Lassen Sie sich raten, Padre, gehen Sie, kehren Sie um. Ich bin nur Isidro, einer der Aufseher, aber wenn Sie erst mit Don Leonardo zu tun bekommen, gibt es nichts zu lachen." „Wb ist dieser Don Leonardo?" i „Im E)orf bei den Ranchos." Der Mischling deutet den Pfad entlang. „Es ist gut, ich werde mir diesen Herrn einmal ansehen." Entschlossen schreitet Padre Andreu an dem verdutzten Isidro vorbei. Der zuckt die Schultern. Dann aber,.kaum sind die Ankömmlinge verschwunden, eilt er aut schmalem Busch? pfad zu der Siedlung zurück. So kommt es, daß Don Leonardo schon auf den Besuch vorbereitet'ist. Spöttisch und ‘ überlegen steht er auf der Veranda seines Ranchos -und: blickt auf den zornigen Padre herab. „Sie wollen die Mäyanas missionieren?" Er lacht' und winkt ab. „Zu spät, Padre. Was Don José einmal gepackt hat, das hält er auch fest. Verdammt will ich sein, wenn einer der roten Burschen an etwas anderes' denkt als an Kautschuk. Jedenfalls, so lange ,ich da bin, haben Sie hier nichts verloren," „Kranke? Natürlich haben wir Kranke im Dorf, Aber die beste Heilung finden-sie damit." Er schwingt drohend'; die Peitsche. „Ich denke nicht'daran;, Ihnen die Erlaubnis zu geben, sie zu behandeln. Damit fängt das Unheil,:;:an.- Sie machen uns die Indios nur aufsässig. Drüben über dem Rio, bei den Tetetes, ist es nicht anders. Dort sitzen die Männer Don Guillermos." „Ich bleibe auf jeden Fall hier am Rio Begas. Ich habe große Vollmachten von der Regierung." Padre Andreu versucht durch festes Auftreten noch zu retten, was zu retten ist. Aber der Abenteurer läßt sich nicht einschüchtern. Breit lehnt er sich über die Brüstung. „Sagen Sie mir mal, Padre, Welche Regierung hier eigentlich zu bestimmen hat? Verlassen Sie sich auf mein Wort, hier am Rio Begas regiert ich und sonst, niemand.’ Beten Sie zu Ihrem Herrgott, daß Sie mich nicht näher kennen lernen. Im übrigen, der Wald ist groß;, siedeln Sie; wo es Ihnen beliebt, nur nicht in der Nähe des Dorfes." Während Don Leonardo spricht, huschen seine Augen ’immer wieder zu Juanita hinüber. Seit Monaten die erste weiße Flau, die er zu Gesicht bekommt. Er kaut an seinem schwarzen Schnurr-' bart. Seine Nasenflügel weiten sich. Das Mädchen errötet unter seinen mustern- den Blicken. AIS der Padre das Zeichen zum Aufbruch gibt, winkt er Juanita nach und ruft: '„Auf baldiges Wiedersehen Senhorita, ich hoffe, wir bleiben Nachbarn." Das Mädchen gibt ihm keine Antwort. Sie fühlt sich angewidert von diesem Burschen, dessen freche Bégehrlichkeit sie spürt. Ihre braunen Fäuste ballen sich, ein Blick tiefster Verachtung streift den Abenteurér. Ein Stück unterhalb des Dorfes rasten die Ankömmlinge. Padre Andreu hält mit seinen Getreuen,- Don Bartolo, Juanita und einem getauften Indio, namens Francisco, eine Beratung aß. „Eine böse Geschichte", brummt Bartolo. „Wir werden nicht viel äusrichten gegen die Bande. Das sind mindestens ein Dutzend Burschen, Gesindel aus aller Herren Länder, die nichts anderes als ihren eigenen Vorteil kennen." (Fortsetzung folgt) ---- ------------------------ - —- s IfljóóionMcfaweóiern \ sind in einem Missionsgebiet'e. unentbehrlich. Sicher lesen viele Jungmädchen. diese Zeilen. Sind sié; nicht ein Gnadenruf von oben auch an Dich, liebe Leserin? Höre und betettind folge dem Gnndenrufe! Komm und geh und hilf auch Du mit an der Ausbreitung des Reiches Gottes im Heidenlando! Melde Dich unter Bezugnahme auf den „Stern der Neger" oder auf das „;Werk des Erlösers“ im Mutterhaus der Franziskanerinnen (13 b) Dillingen/Donau, Klosterstraße 6 oder auch vorerst in einem unserer Missionshäuser. In Dillingen Werden aüf- .Grund einer Vereinbarüng zwischen unserer Kon-’ - gregatiön und jeher der Dillinger Franziskanerinnen für u-n s-e r e Missionen in Transvaal (Südafrika) und Perù (Südamerika) Schwestern ausgebildet,, Je nach Neigung und Begabung kannst Du ausgebildet und verwendet ■ werden; - ; in Schule, Krankenpflege, Handarbeit, Haushalt und vielen anderen Zweigen. ^Düvgehörst als Mitglied der Kongregation der Dillinger Franziskanerinnen1 an und ziehst als. Schwester hinaus in Unsere Missionen.SIm Alter1 von. 12 bis 30 Jahren kann Aufnahme erfolgen. . '.■ Höre, was eine Missionsschwester aus Südafrika schreibt: „Ich glaube-,’ nir- -gendwo und nirgendwie kann sich ein- Mädchen, eine Frau, in allen ihren -Fähigkeiten, und zumal in ;ihren spgaeli; fraulichen Anlagen, in ihrem lie-jbenden Dienen,’ in ihrem mütterlichen Umsorgen und Wohlwolleji und in ' ihrem Tiefsten, dem Weghefeiten zu Christus, mehr auswirken als im Berufe , einer Missionsschwester'.“'. B Höre und bete und folge dem Gnadeiiruf! P. Johann Deisenbeck MFSC Hl. Bonifatiüs, Apostel der Deutschen Aiis Anlaß der 120Ó-Jahr-Feier seines Martyriums finden in Fulda vom 29. Mai bis 13. Juni große Glaubenskundgebungen statt.