Zweiter Kammermusikabend der Philh. Gesellschaft am 2. Dezember 1905 • Preis 20 Heller. Wortlaut der Gesänge. o o o “UBUANA Verschwiegene Liebe. Über Wipfel und Saaten In den Glanz hinein. Wer mag sie erraten, Wer holte sie ein? Gedanken sich wiegen, Die Nacht ist verschwiegen, Gedanken sind frei. Errät’ es nur eine, Wer an sie gedacht, Beim Rauschen der Haine, Wenn niemand mehr wacht Als die Wolken, die fliegen, Mein Lieb ist verschwiegen Und schön wie die Nacht. (J. v. Eichendorff.) ISO Genug, der Frühling, er wirkt und lebt. Doch was im Garten am reichsten blüht, Das ist des Liebchens lieblich Gemüt. Da glühen Blicke mir immer fort, Erregend Liedchen, erheiternd Wort. Ein immer offen, ein Blütenherz, Im Ernste freundlich und rein im Scherz. Wenn Ros’ und Lilie Sommer bringt, Er doch vergebens mit Liebchen ringt. (Goethe.) ISO Frühling übers Jahr. Das Beet, schon lockert sich’s in die Höh’! Da wanken Glöckchen, so weiß wie Schnee; Safran entfaltet gewalt’ge Glut, Smaragden glimmt es und glimmt wie Blut. Primeln stolzieren so naseweis, Schalkhafte Veilchen, versteckt mit Fleiß; Was auch noch alles da regt und webt, Freundliche Vision. Nicht im Schlafe hab’ ich das geträumt. Hell am Tage sah ich’s schön vor mir: Eine Wiese voller Margeritten; Tief ein weißes Haus in grünen Büschen; Götterbilder leuchten aus dem Laube. Und ich geh’ mit Einer, die mich lieb hat, Ruhigen Gemütes in die Kühle Dieses weißen Hauses, in den Frieden, Der voll Schönheit wartet, daß wir kommen. (Otto Julius Bierbaum.) ISO Heimliche Aufforderung. Auf, hebe die funkelnde Schale empor zum Mund, Und trinke beim Freudenmahle dein Herz gesund; Und wenn du sie hebst, so trinke mir heimlich zu, Und dann lächle ich und dann trinke ich still wie du, Und still gleich mir betrachte um uns das Heer, Der trunk’nen Schwätzer, verachte sie nicht zu sehr, Nein, hebe die blinkende Schale gefüllt mit Wein Und laß beim lärmenden Mahle sie glücklich sein. Doch hast du das Mahl genossen, den Durst gestillt, Dann verlasse der lauten Genossen festfreudiges Bild, Und wandle hinaus in den Garten zum Rosenstrauch, Dort will ich dich dann erwarten nach altem Brauch, Und will an die Brust dir sinken, aH’ du’s gehofft, Und deine Küsse trinken, wie ehmals oft, Und flechten in deine Haare der Rosen Pracht, O komm, du wunderbare ersehnte Nacht! (John Heniy Makay.) Der Junggesell. Ich bin ein leichter Junggesell und wandre durch die Welt, Nomaden gleich erbau ich schnell und breche ab mein Zelt, Wohl träumt mir oft, es hab’ ein Weib sich an mein Herz geschmiegt, Ich hab’ im süßen Zeitvertreib ein holdes Kind gewiegt. Doch weg den Traum, ich bin erwacht! Er hat gar lang gewährt, So lang, daß er bei Tag und Nacht mir immer wiederkehrt, Der Ausgang liegt mir stets im Sinn : Zum Grabe feucht und kalt trug man die schöne Mutter hin, Das Kind dann welkte bald! Der ganze Traum ist nun vorbei, mein Auge wusch ich hell, Durchwandre wieder leicht und frei die Welt als Junggesell. Zwei Locken aber wunderbar vom Traum mir blieben sind; Die braune von der Mutter Haar, die blonde von dem Kind. Schau ich die goldne Locke an, so bleicht das Abendrot; Und seh’ ich auf die dunkle dann, so wünsch’ ich mir den Tod. (Gustav Pfizer.) ISO Thomas der Reimer. Der Reimer Thomas lag am Bach, Am Kieselbach bei Huntley Schloß. Da sah er eine blonde Frau, Die oaß auf einem weißen Roß. Sie saß auf einem weißen Roß. Die Mähne war geflochten fein, Und hell an jeder Flechte hing Ein silberblankes Glöckelein. Und Tom, der Reimer, zog den Hut Und fiel aufs Knie, er grüßt und spricht: „Du bist die Himmelskönigin! Du bist von dieser Erde nicht!“ Die blonde Frau hält an ihr Roß. „Ich will dir sagen, wer ich bin: Ich bin die Himmelsjungfrau nicht, Ich bin die Elfenkönigin! Nimm deine Harf’ und spiel und sing Und laß dein bestes Lied erschall’n, Doch wenn du meine Lippe küßt, Bist du mir sieben Jahr’ verfall’n.“ „Wohl sieben Jahr’, o Königin, Sie ritten durch den grünen Wald, Zu dienen dir, es schreckt mich Wie glücklich da der Reimer war! kaum! * Er küßte sie, sie küßte ihn, Sie ritten durch den grünen Wald Ein Vogel sang im Eschenbaum. Bei Vogelsang und Sonnenschein, Und wenn sie leis’ am Zügel zog, „Nun bist du mein, nun zieh’ mit mir, So klangen hell die Glöckelein. Nun bist du mein auf sieben Jahr . “ (Nach dem Altschottischen von Th. Fontane.) iso * Odins Meeresritt. Meister Oluf, der Schmied auf Helgoland, Verläßt den Amboß um Mitternacht. Es heulet der Wind am Meeresstrand, Da pocht es an seiner Tür mit Macht: „Heraus! Heraus, heraus, beschlag mir mein Roß, ich muß noch weit, Und der Tag ist nah!“ Meister Oluf öffnet der Türe Schloß, Und ein stattlicher Reiter steht vor ihm da. Schwarz ist sein Panzer, sein Helm und Schild; An der Hüfte hängt ihm ein breites Schwert; Sein Rappe schüttelt die Mähne gar wild Und stampft mit Ungeduld die Erd’! „Woher so spät? Wohin so schnell?“ „In Norderney kehrt’ ich gestern ein. Mein Pferd ist rasch, dir Nacht ist hell, Vor der Sonne muß ich in Norwegen sein!“ „Hättet Ihr Flügel, so glaubt’ ich’s gern!“ „Mein Rappe, der läuft wohl mit dem Wind. Doch bleichet schon da und dort ein Stern, Drum her mit dem Eisen und mach’ geschwind!“ Meister Oluf nimmt das Eisen zur Hand, Es ist zu klein, da dehnt es sich aus. Und wie es wächst um des Hufes Rand, Da ergreifen den Meister Bang’ und Graus. Der Reiter sitzt auf, es klirrt sein Schwert: „Nun Meister Oluf, gute Nacht! Wohl hast du beschlagen Odins Pferd; Ich eile hinüber zur blutigen Schlacht.“ Der Rappe schießt fort über Land und Meer, Um Odins Haupt erglänzet ein Licht. Zwölf Adler fliegen hinter ihm her, Sie fliegen schnell und erreichen ihn nicht. (Aloys Schreiber.) — — Im Verlage der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach. — Druck von Kleinmayr & Bamberg. 3329