631. 78 Rede des Präsidenten der Kraiiuschkll Handels- unk» Hemerbekammer, gesprochen bei der ordentlichen Kammersitzung am 13. September 1866. Verehrte Versammlung! wir an die Geschäfte gehen, sehe ich mich veranlaßt den verehrten Herren Kammermit- gliedern für das mir geschenkte Vertrauen zur Wahl des Präsidenten meinen Dank auszusprechen. Ich verkenne keineswegs die großen Pflichten und die großen Schwierigkeiten, die ich durch die Annahme dieses Ehren¬ postens auf mich geladen habe. Zwei leitende Gedanken waren es, die mich bestimmt haben, diese Ehren¬ stelle anzunehmen. Erstens, weil ich die feste Ueberzeugung habe, daß ich auf Ihre kräftige Unterstützung mit Be¬ stimmtheit rechnen kann, und dies umsomehr, da uns an der einen Seite ein Vice-Präsident beisteht, dessen Thätigkeit und dessen Umsicht bereits bei vielen nützlichen Instituten die Feuerprobe bestanden hat, und an der andern Seite stehet uns ein Sekretär bei, dessen begeisterter Patriotismus, dessen Liebe zum Lande und dessen anerkannt hervorragende Talente uns mit Recht hoffen und erwarten lassen, daß wir eine kräftige Stütze an ihm haben werden, und so glaube ich, daß wir mit vereinten gemeinschaftlichen Kräften, wenn nicht viel — so vielleicht doch etwas Ersprießliches für unser gar so sehr verarmtes Land wirken werden. Dies, meine Herren! war der erste leitende Gedanke, der mich bestimmt hat, diese Ehrenwahl anzunehmen. Eine furchtbare Katastrophe, die in Folge einer unglücklichen und unnatürlichen Politik über Oesterreich hervor gebrochen, läßt uns mit Recht auch hoffen und erwarten, daß wirklich ein vollständiger Systemwechsel in allen Fundamentalgrundsätzen des Staates vorgenommen werden wird, läßt uns hoffen, daß endlich eine freie österreichische Volkspolitik befördernd und befruchtend auf die materielle Entwicklung Oesterreichs ein¬ wirken wird. Dies, meine Herren, war, ich sage es frei und offen, der zweite leitende Gedanke warum ich die Wahl annahm. Meine Herren! Die allgemeine Verarmung Oesterreichs ist eine vollzogene THatsache und die Thatsachen sprechen mehr als Worte. Handel, Industrie, Gewerbe und Agrikultur liegen darnieder; diese, die wich¬ tigsten und mächtigsten Faktoren eines jeden modernen Staates sind zusammengebrochen und — die Ruine rollt unter unfern Füßen. — Nachdem aber, meine Herren, alle Wirkungen ihre Ursachen haben müssen, so entstehtnun die Frage, wie es denn kommt, daß ein Kulturstaat mitten im Herzen von Europa, der obendrauf, wie statistisch nachgewiesen ist, den größten Bodenreichthum hat, wie es denn nämlich kommt, daß ein solcher Staat so allgemein verarmen konnte. — Man hat in Oesterreich die volkswirthschaftlichen Interessen nach fiskalischen Grundsätzen und nach deutscher Politik bemessen, und dies, meine Herren, war unter vielen andern ein Hauptwurm, der den materiellen Wohlstand Oesterreichs benagt und zerfressen hat, bis er voll¬ ständig gesunken ist. Es war am 19. Februar 1853 zu Berlin, als Otto v. Manteuffel als preußischer Minister, und Carl v. Bruck, auch als Preuße, — und österr. Minister die Schlußprotokolle des ersten deutschen Handels¬ vertrages unterschrieben. Wie schwierig es ist, über Handelsverträge das Wahre und Richtige zu treffen, lieferte uns der gewesene hohe Reichsrath den eklatantesten Beweis, weil sonst sehr anerkannte Capacitäten dafür, und ebenso sehr berühmte Capacitäten dagegen sprachen. Das Bedauerliche dabei war nur, daß schließlich Elemente über einen so hochwichtig national ökonomischen Akt entschieden haben, welche vielleicht an jedem andern Gebiete, nur nicht am volkswirtschaftlichen, die richtige Auffassung hätten. Eins aber, meine Herren, geht mir nicht zu Kopfe, wie so uämlich der Großgrundbesitz fin¬ den Handelsvertrag stimmte. Mein Gott! haben denn die Herren Großgrundbesitzer nicht bedacht, daß nur eine blühende heimische Industrie die Landwirtschaft beleben und den Grundbesitz im Preise steigern kann, weil die Bodenprodukte guten Absatz haben. Diese Aussage beweisen die statistischen Daten der industriereichen Länder, auf welche enorme Höhe dort der Bodenwerth gestiegen ist. Ja, eine blühende hei¬ mische Industrie trägt den Lanvwirthen die Reichtümer bei der Nacht ins Haus, und Fürst Jablonowsky hat schon beim ersten Zollcongrcß gesagt: die Hälfte meiner Besitzungen gebe ich umsonst her, wenn die zweite Hälfte an der Seite einer blühenden Industrie wäre. — Ich habe schon früher gesagt, wie schwierig es ist, über Handels- und Zollverträge das Rechte zu treffen. Ein wohltätiger Handelsvertrag ist von einem Manne, der dessen Schwierigkeiten sehr an¬ erkannte, abgesehen von der Kunst zu unterhandeln, als ein geliefertes Meisterstück des menschlichen Verstandes bezeichnet worden. Meine Herren! Es sind ja der Meisterstücke auch viel in Oester¬ reich geliefert worden zur Verarmung des Staates. Ich will schweigen — ja ich will schweigen aus Pietät für die Todten über diese gelieferten Meisterstücke. Das Herz eines jeden österr. Patrioten durch¬ zittert, wenn man an diese gelieferten Meisterstücke denkt; und ich sage nur: Wenn das Unglück eine Schule ist; und wenn die Vaterlandsliebe keine Chimäre ist, so wird wohl nicht leicht wieder ein Ausländer und am allerwenigsten ein Preuße gewissermaßen an der Spitze der österr. Regierung stehen. Die gefallenen harmonisch verbundenen Faktoren als Handel, Industrie, Gewerbe und Agrikultur zu heben und zu beleben, ist nun die Hauptaufgabe der Regierung. Es ist, meine Herren, vielseitig anerkannt worden, daß unsere Industrie gegenüber der west- und besonders der rheinländischen noch in manchen Zweigen zum Theile in den Kinderschuhen stecke, was aber, meine Herren, zum Theil noch in den Kinderschuhen steckt, das braucht ja naturgemäß auch noch einen entsprechenden väter- lichenSchutz. Daher rufe ich: Einen vernünftigen, den österr. Verhältnissen zweckent¬ sprechenden Schutz der österr. Arbeit nach Innen und Außen. Wir bezahlen mit einem Wort zu viel fremde Arbeit, während bei uns die Arbeit fehlt. Nur ein zweckentsprechendes Schutzsystem der heimischen Arbeit kann der weitern Verarmung Oesterreichs entgegen steuern. Meine Herren! bedenken Sie, was wäre nun schon nicht aus unserer Industrie geworden, wenn wir nicht seit Jahren fortwährend einen unnatürlichen Schutzzoll von so viel Perzent Agio hätten. Bedenken Sie, meine Herren, daß gerade die größte Industrie Jnner- österreichs, nämlich die Eisenindustrie noch mit 25"o Agio die Conkurrenz nicht aushalten kann. Ja, um Gotteswillen! will man denn die eigenen Producenten mit ihren eigenen Produkten ersticken. Ich rufe nochmals: Größer» Schutz der heimischen Arbeit sonst sind wir alle verloren. — Meine Herren! Die Geschichte sagt man, ist der Lehrmeister, und offenbar hat auf die Handels¬ geschichte dieser wichtige Satz auch seine gerechte Anwendung. Meine Herren! Wer nur Halbwegs einen offenen Blick in die britische Handelsgeschichte gethan hat, der wird wohl wissen, von welch' tief ein¬ gehender Wichtigkeit und welch' allgemeiner Wirkung seiner Zeit die zweckentspre¬ chenden Schutzsysteme gewesen sind, und nur mit ihrer Hilfe ist es möglich geworden, den Handel Englands auf diese gestiegene Höhe zu bringen. Ich deute dies hier nur insoweit an, und glaube, daß man mich nicht falsch verstehen oder gar glauben wird, daß ich dem stets verderblichen Prohibitiv-Systeme das Wort führen will, Gott bewahre! ich bin im Prinzipe entschieden für alle Freiheiten, aber für Freiheiten, die man noch nicht ertragen kann, die einem, wie es oft im Leben vorkommt, schaden, für solche Freiheiten war ich nie und werde auch nie sein, und ich frage nur, wie kann man z. B. einem Knaben von 10 Jahren dieselbe Freiheit geben, wie einem Menschen von 24 Jahren, und so glaube ich, ganz gut verstanden zu werden. — Ich glaube nicht zu irren, wenn ich behaupte, in dem Maße als die deutschen Zoll-Vereinsstaaten im Wohlstände empor wuchsen, in dem Maße ist Oesterreich verarmt; die deutschen Zoll-Vereinsstaaten und ins- besonders Preußen, reich an Capital, reich anFachbildung, und wir arm anCapitalund arm an Fachbildung; und unsere Industrie soll unter solchen Verhältnissen mit ungleichen Waffen und mit gutem Erfolge kämpfen, wie ist das möglich? Meine Herren! wer einen Kampf aufnimmt, muß sowohl die materiellen als die geistigen Waffen des Gegners genau prüfen und genau kennen, denn sonst — sitzt man auf. Und ich frage nun die Anwälte freihändlerischer Grundsätze, wo sinddenn die segensreichen wohltönenden Nachklänge des deutschenHandelsvertrages in Oesterreich zu finden? Wo find sie denn? Man könnte viel darüber sagen, ja gewiß, meine Herren, man könnte sehr viel darüber sagen, allein, ich will nicht die verehrte Versammlung ermüden und sage nur, daß wir aus praktischer Erfahrung, in jeder Beziehung, große Lehren entnehmen, und nicht mehr den auswärtigen freihändlerischen Principien- reitern auf die Leimruthe gehen sollen, welche, wie sich schon Jemand ausgesprochen hat, alle zusammen nicht im Stande sind, Tausende von unfern hungrigen Arbeitern mit ihren freien Principien satt zu machen. — Es ist sehr zu wünschen, daß am volkswirthschaftlichen Gebiete gerade die löblichen Handelskammern energisch die Initiative ergreifen möchten. Es ist aber auch eine vollständige Reorganisirung der Kammern dringend geboten, daß sie endlich aus diesem Provisorium heraus treten, und daß ihnen eine konsultative und überhaupt erweiterte Wirksamkeit zugewiesen werde. Unsern Kammerbezirk, meine Herren, erachte ich für einen der wichtigsten der österr. Monarchie, warum? weil wir die ersten Anrainer von unsern Seehäfen sind, und weil wir jetzt die Grenze an Italien bilden werden, wohin unsere Hauptadern laufen müssen. Die Aushebung unserer Freihäfen, die einer unserer begabtesten Industriellen im Reichsrathe beantragt, befürwortete ich ebenfalls vor Jahren schon in diesem Saale als Kammerratb. Hoffentlich wird jetzt auch ein vernünftiger Handelsvertrag mit Italien abgeschlossen werden, wobei aber sehr große Vorsicht anzuempsehlen ist, weil gegenwärtig Italien eine Domaine der französischen Industrie ist, und es könnte wirklich aus einem Depot ein Entrodcpot werden. Meine Herren! Eine außer¬ ordentliche Bedeutung ist der Seeschlacht bei Lissa, entschieden sowohl in moralischer als politischer Beziehung beizulegen, deren glorreicher Sieger bereits Ehrenbürger unserer Hauptstadt ist. Wir hoffen und erwarten, daß endlich auch auf die österr. Flotte mehr Gewicht gelegt, und daß sie nicht wie bisher so stiefmütterlich behandelt werden wird, und ich rufe dem tapfern Tegetthos ein begeistertes 8!av«! — Wir geben uns der aufrichtigsten Hoffnung hin, daß endlich eine wahre, freie öftere. Volkspolitik einfehen wird, daß nur das adriatifche und schwarze Meer dazu be¬ rufen sind,Oesterreichs Macht undGröße herzustellen, und hätte die österr. unglückliche Diplomatie mehr auf Oesterreich als aus Deutschland gesehen, so hätte sie schon längst die Ueberzeugung gewinnen können, daß nach Osten undSüdosten unsere Absatzkanäle naturgemäß lausen sollten,und dies umso¬ mehr, weil wir die schönste Wasserstraße derWelt, die Donau, aus der Metropole des Reiches nach jenen Ländern haben. Ja, meine Herren, was wir im Westen lernen muffen, müssen wir nach Osten verwerthen. Der alte Grundsatz, pro ckomo «na, ist gewiß von sehr großer Bedeutung und obendrauf auch gewiß sehr leicht zu treffen, allein, meine Herren, es gibt Momente im menschlichen Leben und insbesonders im Staats leb en, wo ein gemeinschaftliches Zusammenwirken eine Lebens¬ frage wird. Und in diesem Falle sind wir jetzt. Wenn z. B. ein Dorf in Brand geräth, und jeder Haus-; Herr nur um sein eigenes Haus tanzt, und sucht nur sich und sein Hab und Gut zu retten, da verbrennen gewiß alle zusammen, während, wenn sie sich alle vereint auf den Feuerdrachen werfen, erdrücken sie bald das verderbliche Element. Dies ist zwar ein sehr kurzes, aber ein sehr wahres Bild des blinden Egoismus, der in Oesterreich groß gezogen worden ist, und Arm in Arm mit dem erbärmlichen Servilismus haben sie gemeinschaftlich in der That das spezifisch österr. Elend herauf beschworen. Nicht mehr die sogenannten Gut¬ gesinnten, sondern die Männer, welche ohne Eigensucht und ohne Furcht, wenn auch die btt- ter ste Wahrheit der Regierung offen sagen, die Männer, welche das wahre Herz für Kaiser und Vater¬ land haben, solche Männer soll künftighin die Regierung hören. Zur Grundlage einer materiellen Entwicklung bleibt stets und immer eine echte, wahre po¬ litische Freiheit als Hauptbedingung, denn alles ist Folge der Politik. Die konstitutionelle Freiheit und die folgerichtige Handelspolitik hat die industriereichen Länder zu dem gemacht, was sie heute sind. Und soll das große Werk gelingen, so muß die ganze Staatsmaschine eine vollständig neue Konstruktion er¬ halten. Vor allem aber brauchen wir ein vollständig entschieden freisinniges volkstümliches Ministerium. — Meine Herren! Mögen die Kriege immerhin ihre Nothwendigkeiten haben, allein immer bleibt es eine ewige Wahrheit, daß sie in volkswirthschaftlicher Beziehung stets ein großes Uebel sind. In einer Beziehung ist aber auch der letzte preußische Krieg in volkswirthschaftlicher Richtung hin, von sehr großer Bedeutung, weil eben durch den preußischen Krieg der April-Vertrag, nämlich der deutsch-österreichische Handels¬ vertrag aufgehoben worden ist. Und vor Allem wäre der hohen österr. Regierung zu rächen, daß sie schleu¬ nigst aus geeigneten Männern einen österr. Handelstag in Wien zusammen berufen möchte, um sofort die höchst nothwendige Modifizirung des deutsch-österr. Handelsvertrages vorzunehmen. Dabei soll aber der Grundgedanke obwalten, den österr. Bürger stark, wohlhabend und wohlgesinnt zu machen. Meine Herren! die Geschichte hat uns wohl hinreichend belehrt, daß Reich- thum noch niemals Demagogen gemacht hat, wohl aber die Armuth. Die Regierung möge in erster Linie bedenken, daß nur derjenige Staat reich, stark und mächtig ist, wo die Unterthanen auch etwas haben. Indem ich aus vielfachen Ursachen zum Schluß eile, kann ich nicht umhin noch der Worte des durchlauchtigsten Siegers von CustozA zu gedenken, der da sagt: Muth! — nur Muth! — Nur derjenige ist verloren, der sich selbst aufgibt, und meine Herren, in diesen Worten liegt die Zukunft Oesterreichs. Nun aus denn! das Volk und die Regierung Hand in Hand, und der Himmel wird seinen Segen ergießen über das neue Oesterreich, denn wir haben jetzt ein Oesterreich. Gott segne, Gott erhalte Oesterreich!!! — (Allgemeines Bravo! Dobra!). Selbstverlag. — Gedruckt bei Josef Blasnik in Laibach.