8II6I WWll » Licerons Rede für de» M. Makccllus in das Deutsche übersetzet Mir Egerischen Schrifteu. Laphach, zu finden bey Aloys Raab, Landschaft- Buchender. 17?», .-r L I operne Furcht, sondern theils Detrükniß, theilS 4. Schamhaftigkeit war es, versammelte Va- ter! daß ich diese Jem-n her geschwiegen ha¬ ke; aber dieser Tag bringt endlich mein langes Stillschweigen zu Ende; an diesem mache ich wie¬ der den Anfang meine Gesinnungen nach der alte« Gewohnheit öffentlich vorzutrage'n. Denn unmög¬ lich ist es mir, eine so große Sanftmuth, eine ss seltsame, und unerhörte Güte, eine so große cm der Seite der höchsten Obergewalt stehende Milde, und eine so unglaubliche, und fast göttliche Weis¬ heit mit Stillschweigen zu übergehen. Ja es kömmt mir vor, versammelte Värer! als wäre, da M. Marcellus euch, und dem gemeinen Wesen zurück- gegeben wird, nicht nur seine, sondern auch meine Stimme, und Ansehen euch, und der Republik zum besten erhalten, und wiedergebracht worden. Glaubet mirs, ich war traurig, und voll der Bctrübniß, als ich sehen mußte, daß ein solcher Mann zwar im gleichen Handel mit mir ekngefloch» ren gewesen wäre, doch kein gleiches Schicksal mit mir genösse: und unmöglich konnte ich mich bere¬ den , noch für recht halten ; allein auf der alre« Bahne fortzugehen, da mir jener gerauber war, der mir durch seinen Eifer, und Nachfolge in allen mei¬ nen Geschafften, und Unternehmungen als ein ge« treuer Gesell, und Seleirsmann stäts zur Seite A» ge» gestanden ist. . Mir also und meiner vorigen Ge¬ wohnheit hast du, mein Lasar! die Laufbcchne wie» -er -eröffnet, uns allen aber gleichsam die Fahne der Hoffnung ausgesteckct, daß wir alle für den ganzen Staat gut hoffen sollten. Denn, was mich detrifft, so habe ich schon längst aus vielen, so geschehen , ja am meisten aus dem, was mir selbst begegnet ist, deine Achtung für das allgemeine Wohl eingesehen; da du aber den Marcell unlängst zu einer Zeit, wo du dich seiner Fehltritte wohl erinnertest, dem Senate, und Volke wicdergeschen- ket hast, da haben alle ganz klar erkannt, wie weit du das Ansehen dieser Versammlung, und die Würde des Staates deiner Empfindlichkeit, oder ja doch dem Argwöhne vorzieheff. Fürwahr er, der Marcell, hat heute den größten Lohn seines rühmlich geführten Lebens überkommen, und diesen hat ihm der Rath einhellig erberhen, du aber durch das klügeste, und gerechteste Urtheil zuer¬ kannt. Wenn nun die Erhaltung dieser Gutthak dem Marcell so viel Ehre macht, ffo kannst du für¬ wahr selbst schließen, was dir für ein unsterbliches Lob durch Errheilung derselben zugewachsen. Glück¬ seliger Wann! dessen Erhaltung allen Bürgern eine fast so große Freude, als ihm selbst die Nachricht davon bringen wird: aber man muß ihm Gerech¬ tigkeit wiederfahrcn lassen; er war wohl einer sol¬ chen Glückseligkeit würdig. Denn, saget mir, fin¬ den wcr wohl einen Mann, der an Adel, an Fröm¬ migkeit, an Hebung in den auserlesensten Wissen¬ schaften , an Redlichkeit, und an allen, was lo¬ denswürdig ist, einen Vorzug vor ihm hatte? 2 Keines Menschen Verstand ist so reich an Gedanken, keine Beredsamkeit ist so ausnehmend, keine Feder so geschickt, welche uns deine Lhaten, mein Lasar! ich will nicht sagen mit Worten aus- zuschmücken, sondern nur der Reihe nach zu erzäh- len fähig wäre. Doch getraue ich mir zu behaupt tcn, und du wirst mirs zu Gute halten, wenn ich sage, daß das Lob, so du dir heute erworben hast, das Lob aller deiner vorhergehenden Lhaten über¬ steige. Oft denke ich es bey mir allein, und oft behaupte ich cs auch in Unterredungen vor andern, daß man die Tharcn aller unserer Feldherren, aller auswärtigen, und mächtigsten Völker, und aller berühmtesten Könige mir dem deinigen in keinen Vergleich ziehen kann, man mag entweder die Au» gen auf die Hitze, und den Eifer, mit dem man wider einander 'zu Felde gezogen ist, oder auf die Anzahl der Schlachten, oder auf die Verschieden» heit der Länder, in welchen man die Kriege gefüh» ret, oder auf die Geschwindigkeit, mit der man ihnen ein Ende gemacht hat, oder auf die Ungleich» heit der Kriege selbst werfen. Ja man muß sagen, keiner habe semalö so weit entlegene Lander mit Reisen geschwinder durchwandert, als du sie mit deinem Kricgshecre nicht so viel durchlaufen, als mir Siegen durchstreifet hast. Thöricht müßte ich seyn,wenn ich diese deine KriegSthaten nicht für so groß hielte, daß Ke kaum ein menschlicher Verstand mit seinen Gedanken be- greifen kann; aber dennoch sind sie noch nicht die größten. Denn das Lob der Kriegörharen ist diesem Zufälle unterworfen, daß es immer von einigen mit Worten geschmälert,daß es den Feldherren ent» zogen, und dem gemeinen Manne micgetheiler wird, und dessentwegen den Anführern nicht ganz eigen» thümlich verbleibt. Und wenn man die Sache ge» stehen will, so trägt gewiß die Tavfeckeit der Sol¬ daten , die Gelegenheit des Ortes, die Beyhülfe der Bundsgenoffcn, die Flotten, die Zufuhren vie* les im Kriege bey. Das Glück will auch sein Recht dabey behaupten, dasselbe will allzeit den größten Theil daran nehmen, und fast alles sich A 3 eigen eigen machen, was man immer mit einem glückli- chen Erfolge unternommen har. Aber diese Ehre, die du dir, mein Lasar.' heute erworben hast, theilet keiner mit dir. Alles dieses, so groß es auch immer ist, und es ist gewiß etwas ungemein großes, alles, alles, sage ich, ist dein- Hier theilet die Ehre kein Hauptmann, kein Oberst, kein Fußvolk, oderRcuterey mit dir. Ja selbst diese Beherrscherin» menschlicher Dinge, das Glück dringet sich nicht in die LhUlnehmung dieser Ehre ein: es tritt zurücke, und bekennet, daß selbe ganz dein, und dir eigen sey. Denn ein Ge- rarhewohl vergesellschaftet sich nicht mit der Weis¬ heit, und gähe Zufälle finden bey einem reifen Ent¬ schlüße keinen Zutritt. z Du hast Völker unter den Gehorsam ge* kracht, so an Unmenschlichkeit die grausamsten, an Menge unzählbar, an Weitschichtigkeit ihrer Ortschaften unbegränzt, und an Kriegsrüstungen die wohlversehenstcn gewesen sind; dughast aber da¬ durch nichts mehreres gethan, als etwas bemu¬ stert , so seiner Natur, und Beschaffenheit nach konnte bemeisrert werden. Denn es giebt keine so große Stärke, die nicht durch das Eisen, und durch die Gewalt könne geschwächet, und bezwungen wer§ den. - Aber das Gemüth bemustern, dem Zorne Einhalt thun, sich in Siegen mäßigen, seinen zu Boden liegenden Feind, der an Adel, Weisheit, und Lugend groß ist, nicht nur aufhelfen, sondern auch seine rorige Würde vergrößern; einmal, der dieses thut, den kann ich nicht nur mit ben grö߬ ten Männern vergleichen, ich muß ihn den Göttern selbst ähnlich halten. Derohalben wird man zwar, mein Lasar! Leinen Heldenthattn immer das Lob aussprechen: nicht nicht nur wir, sondern schier alle Volker werde» davon zu reden, und zu schreiben wissen, und kem Alter wird jemals von deinem Lobe schweigen« Aber es scheinet, ich weis nicht, wie, daß wiv auch bey Ablesung dergleichen kriegerischen Dinge durch das Mordgeschrey der Soldaten, und de» Schall der Trompeten irre gemacht werden. Wen» wir aber von einer gütevollen, sanftmüthigen, ge« rechten, mäßigen, und weisen Thar hccen, ödes lesen, besonders, wenn sie im gähen Zorne, wel« cher niemals eine Ueberlegung zuläßt, oder im Sie» ge, der an sich allzeit hochmüthig, und. stolz ist, ausgeübet ist; was für eine Freude entzündet sich nicht in uns, wenn auch die Geschichte nicht wahr» haft, sondern nur erdichtet ist, so daß wir oft jene lieben, die wir niemals gesehen? dir aber, Läsar! den wir da gegenwärtig sehen, dessen Gemüth, und Gesinnungen wir so klar, als das Gesicht in die Augen fassen, der du alles, was immer das Schick« fal des Krieges der Republik noch übrig gelasse» hat, Heil, und Wohlfahrt geniessen läffest, welche Lobsprüche sollen wir dir zuruffen? welche Wünsche sollen wir dir entgegen schicken? mit welcher Liebe sollen wir dich umfangen? Wahrhaftig, so gar die Mauern dieses Nathhauses, wie mirs scheinet^ bewegen sich dir Dank zusagen, daß in diese seine- und seiner Vorältern Stäte, jenes alte Ansehen i» Kürze wieder zurückkehren wird. 4 Gewiß, da ich itzt den L. Marcellus, die» fen so rechtschaffenen, und tugendhaften Mann vor deinen Füssen weinen mit angesehen habe, o! wie ist mein Herz von der Erinnerung aller vorige» Marcellen durchdrungen worden! glaube mir, La¬ sar! auch allen diesen schon verstorbenen hast du durch die Erhaltung des Marcus Marcellus ihr voriges Ansehen wiederzegeben, und dieses so ade« liche Geschlecht, so schon auf ganz wenige herunter« A4 ge» gefallen, fast vom Untergänge errettet. Billig sollst du dann diesen Tag allen deinen herrlichsten, und un» zähligen Freudentagen vorzichen. Denn diese That ist ganz, und allein Lasars That: die übrigen sind nur unter deiner Anführung vollbracht worden: sie gehören zwar unrer die großen Thaten, doch haben auch viele andere vieles dabey mitgewirket. In Lieser Sache aber hast du in deiner Person alles gethan, du bist der An-und Ausführer derselben gewesen: und diese ist so groß, daß sie noch im An» gedenken seyn wird, wenn die Zeit deinen Sieges« gebäuden, und Denkmälern schon ein Ende wird gemacht haben; denn es giebt kein Werk mensch¬ licher Hande, das nicht die Zeit emmal zerstören, und zu Grunde richten wird: nur deine Gerechtig¬ keit, und Sanftmuth wird täglich mehr grünen, und so viel die Zukunft deinen übrigen Tagen wird hinwegnehmen, so viel wird sie deinen Lugenden zusetzen. Die andern Obfleger, wie viel derer im» rner in den bürgerlichen Kriegen gewesen sind, hast Lu zwar lange schon an Gerechtigkeit, und Gme überwunden; an dem heurigen Tage aber bist du der Obsteger über dich selbst geworden. Ich fürch¬ te , ob dasjenige, was ich sagen will, meinen Begriff zur Gnüge ausdrücken wird. Es scheinet mir, du habest den Sieg selbst besieget, da du den Ueberwunvenen jenes zurückgegeben, was die-» ser über sie behauptet hat. Denn da wir alle vermöge des Sieges mit Rechte, als Besiegte ver» loren waren, hast du uns durch deine Güte auf¬ recht erhalten. Billig bist du dann allein der un» übcrwindliche,als von welchem sogar die Gewalt, und Natur des Steges sechsten rst überwunden morde». Z Bemerket es wohl versammelte Vatervon was großem Umfange der heutige Ausspruch des L. Lasar sey. Denn wir alle, die wir, ich weis sticht. nickt, von welch einem elenden, und trauervollen Sckicksale des Staates angetrieben, zum Gewehre Muffen, wenn wir schon einiges Vergehens schul» big, sind wir doch von allem Verbrechen freyge» sprachen worden- Denn da er den Marcus Mar« cellus auf eure Fürbitte dem Staate erhalten hat, da hat er mir mich selbst, und dem Staate ohne eines Menschen Fürwort, da er die übrigen ansehn¬ lichsten Manner ihnen, und dem Daterlande wie» dcrgegeben hat, die ihr allhier in größter Anzahl, und vollkommener Würde versammelt sehet, har er ja vermuthltch keine Feinde hereingeführet, son¬ dern den Ausspruch gerhan, daß die meisten viel¬ mehr aus Unwissenheit, aus leerer, und ungcgrün- detcr Furcht, als aus andern Absichten, oder Blutgierde sich in den bürgerlichen Krieg gewager. Lch zwar war immer der Meynung in diesem Krie¬ ge, daß man Friedens Dortrage machen, und an- hören solle, und cs har mich sehr gedauert, daß man nicht nur den Frieden, sondern auch die Stim¬ me der Bürger, die um den Frieden bathen, ver¬ worfen hat. Denn ich habe weder an diesem, noch an andern bürgerlichen Kriegen jemals Theil genommen, und meine Gesinnungen sind jederzeit Gesinnungen des Friedens, und nicht des Krieges gewesen. Ich bin einem Manne gefolget, nur aus sonderheirlicher Pflicht, nicht aus Staates Absich¬ ten ; und die Dankbarkeit vermochte bcy mir so viel, daß ich nicht nur ohne Eigennutz, sondern sogae ohne die mindeste Hoffnung fürsetzlich, und frey« willig dem Untergänge gleichsam entgegen gelau¬ fen bin. Ich habe auch diesen meinen Anschlag nicht in Geheim gehalten. Denn ich habe nicht nur in die» ser Versammlung, da wir noch Zeit hatten, uns zu berathschlagcn, vieles von dem Frieden gesprochen, sondern ich habe auch selbst im Kriege nicht ohne Aä Le- Lebensgefahr, diese Meynmg beyketzalten. Dero- halben wird sich ja, denke ich, kern so unbilliger Deurthciler der Sachen finden, daß er an den gu» Len Absichten des Lasar bey diesem Kriege zwei¬ fele, indem er diejenigen, so den Frieden riechen, sogleich erhalten, auf die übrigen aber etwas un» gehaltener gewesen. Zwar ist dieses vielleicht we¬ niger zu bewunderen gewesen, zu jener Zeit, da es noch ungewiß war, auf welche Seite das Glück des Krieges sich wenden werde. Der aber nach er¬ haltenem Siege den Urheber des Friedens liebet, der giebt fürwahr zu erkennen, daß er vielmehr nicht streiten, als siegen wolle. s Für den Marcell kann ich gut stehen, daß er gleich mit mir gedacht hat. Wir zween haben im Frieden, und Kriege immer einerlei) Gesinnun- gen gehabt. Ich habe es gesehen, und wie oft? wie schmerzlich ihm der Uebermuth gewisser Leute gefallen, und was für Angst, und Furcht er wer gen der grausamen Folgen eines Sieges ausgestan¬ den habe. Und eben dessentwegen muß auch mir, der ich ein Augenzeuge davon gewesen bin, deine Gnade, mein Lasar! so du diesem Manne erwei¬ sest , um so viel rührender seyn. Itzr darf von nichts anders mehr die Rede seyn, als vom Siege; den deinigen müssen wir dem Pompejens Siege entgegen halten. Dein Sieg hat sich mit den Schlachten geen¬ det , und hier zu Nom haben wir dich das Schwert ziehen noch nicht gesehen. Die Bürger, die wir vermisset haben, har das Schicksal des Krieges, und nicht der Zorn, des Sieges gerödtet: daß also gar nicht zu zweifeln ist, mein Lasar! der so vie¬ len seiner Gegner, als er nur kann, das Leben schenket, würde auch viele vom Lode aufwecken, wenn es ihm anders möglich wäre. Don dem Gegentheile aber will ich nichts^ mehr sagen, als was wir alle besorget haben, nämlich, daß er viel zu grausam würde gewesen seyn, wenn er die Ober* Hand erhalten hätte. Denn einige aus ihnen dro* hetcn nicht nur den Bewaffneten, sondern auch denen, die an dem Kriege keinen Theil nahmen, und sie behaupteten, man solle- keine Acht haben, wie ein jeder geschlagen hatte. Daß es mir also rorkömmt , als waren die unsterblichen Götter, wenn sie sich auch wegen irgend eines Verbrechen an dem römischen Volke durch diesen so kläglichen Krieg gerächct haben, entweder schon ausgesöhnet, oder doch gesättigcr, und als hätten sie die ganze Hoffnung unserer Wohlfahrt auf die Güte, und Weisheit des Ucberwtnderö gegründet. So erfreue dick dann ob dieser deiner vor* züglichen Tugend, und genieße die Früchte des Glü* ches, des Ruhmes, und deiner angebohrnen Gü» te: worum der Weise jederzeit das größte Dergnü* gen findet. Wenn du dich deiner übrigen Lhaten erinneren wirst, wirst du zwar deiner Tapferkeit, aber mcistentheils deinem Glücke Dank wissen. Liber wenn du unser gedenken wirst, die du der Republik erhalten hast, so werden sich in deinen Gedanken zugleich deme eigenen Gutthaten, deine unglaubliche Freygebtgkeir, deine ausnehmende Weis« heit darstcllen: worinnen nicht nur die größte, sondern, ich getraue mirs zu sagen, die einzige Glückseligkeit bestehet, denn der achte Ruhm, die Großmuth, und die Klugheit ist so glänzend, und herrlich, daß man nur diese als Geschenke der Lu* gend, das übrige aber, wie von dem Glücke ge« liehen, ansehen kann. So sey dann unermüdet in Erhaltung rechtschaffener Männer, besonders, da sie nickt aus Elgcnnutz, oder boshaften Abfichten, sondern aus dem Jrrwahne ihrer Pflicht genug zu thun, der vielleicht thöricht-aber gewiß nickt la¬ steč, sterhaft war, und unter dem Scheine den Staat zu unterstützen deine Gegner gewesen sind. Denn da hast du keine Schuld daran, wenn dich vormals einige gefürchtet haben, hingegen ist cs dir die groß» te Ehre, daß nachmals die meisten erfahren, daß du niemals zu fürchten wärest. 7 Itzt ist es Zeit, daß ich auf deine Klage komme, so von der größten Wichtigkeit ist, und über den Verdacht meine Gedanken eröffne, der dich so sehr beunruhiget, und welcher auch greu» lich genug ist, daß nicht soviel du, als alle Bür» gcr, und insonderheit wir, so du beym Leben er» halten hast, vorzubeugen trachten. Es ist heilsam, daß du für deine Sicherheit machbar bist, weil du zu gleicher Zeit auch für die unsrige wachest, und wenn man in einem aus zweyen das Ziel überschrei» ten müßte, so wollte ich lieber, daß man zu viel Furcht, als zu wenig Vorsichtigkeit hätte. Allein wer ist der, den seine Lhorheit so weit verleiten sollte, daß er dir übel wollte? wer? einer aus den Deinigen? die sind wir: denn wer gehöret mit größerem Rechte ln die Zahl der Deinigen, alö die dir wider alles Dermuthen ihre ganze Wohlfahrt zu verdanken haben? einer aus deinem Anhänge? eine so große Tobsucht kann man ja doch keinem zumu» thcn, daß er nicht viel lieber sein eigenes Leben für den darbiethen solle, durch dessen Anführung er alles im höchsten Grade erlanget hat. Die Dei¬ nigen führen also keine böse Anschläge im Schilde. Wer dann sonst? deine Feinde? was für Feinde? die es jemals gewesen? die haben ja alle entwe¬ der durch ihre Hartnäckigkeit das Leben vermisset, oder durch deine Güre erhalten, daß also entweder keiner von deinen Feinden übrig ist, oder wenn doch noch welche übrig geblieben, deine größten Freunde geworden And, Doch Doch wir wollen es zugeben, weil die Gesin- nunge» der Menschen rief vergraben, und uner¬ gründlich sind, wir wollen deinen Verdacht größer machen: denn so wirst du auch auf deine Sicher¬ heit aufmerksamer seyn. Denn wem sind die itzi- gen Umstände so unbekannt? wer ist in den Ange¬ legenheiten des Staates so unerfahren? wer ist so wenig auf seine eigene, und die gemeine Wohlfahrt bedacht? daß er nicht einsähe/daß sich sein Heil auk das Deinige gründe, und daß von deinem Le¬ ben das Leben aller übrigen abhange. Gewiß, da ich von dir, so wie es meine Pflicht erfodert, ge¬ denke, so fürchte ich nichts, als die menschlichen Zufälle, die veränderlichen Umstände der Gesund¬ heit, und die Gebrechlichkeit der Natur, nnd nur dieses bekümmert mich, daß das gemeine Wesen von dem Leben eines einzigen abhange, daß doch unsterblich seyn sollte. Wenn sich aber mit den menschlichen Zufällen, und veränderlichen Umstän¬ den der Gesundheit noch die Anschläge boshafter und mörderischer Leute vereinbaren, welcher Gott, wenn er auch wollte, würde dem gemeinen Wesen Hülfe verschaffen können? 8 Du allein, L. Cäsar! mußt alles wieder aufrichten, was du immer darnieder liegen siehst, und was die Gewalt des Krieges, wie es nothwen« dig geschehen mußte, zerstört, und niedcrgerissen hat; du mußt die Gerichte wieder Herstellen, dem Kredit wieder aufhelfen, dem Muthwillen Einhalt lhun, auf die Bevölkerung besorget seyn, und die verfallenen Sitten durch die Schärfe der Gesetze verbessern. In einem so schweren bürgerlichen Kriege, der mit so großer Verbitterung, und Ge¬ walt ist geführet worden, hat cs nicht anders geschehen können, als das die gedrückte Re¬ publik bey was immer für einem Erfolge einen großen Theil ihres Ansehens, und ihrer Grundstü- Hen verloren hat, und daß beyde Feldfürsten unter den Waffen vieles gestatten mußten, was sic im Frieden nimmermehr würden zumlaffen haben. Nun für diese Wunden, die der Krieg dem gemeinen Wesen geschlagen hat, mußt du Hülfsmittel ver¬ schaffen, weit'sic sonst niemand zu heilen im Stan» de ist. Dieß ist die Ursache, da? mir eine Sprache verdrüßlich fallt, weiche für sich vortrefflich', und der Denkungöarr eines Weisen gemäß ist. Du sa¬ gest : Ehre genug für mich, oder doch wenigstens Jahre genug, als daß ich nur länger zu leben wünschte. Ich will dir es zugeben; ja, du hast vielleicht in Absicht auf dein Alter, und wenn du es so haben willst, auch in Absicht auf die Größe dei¬ ner Ehre lange genug gelebet: aber was das wich¬ tigste ist, du hast noch nicht genug für das Vaterland gelebet. Hinweg dann, ich bitte dich, mein Lasar? 'hinweg mir der Verachtung des Todes, diesen für itzt unzeitigen Satz gewisser Gelehrten; du magst einen Philosophen machen, aber uns zum Schaden wirst du ihn machen. Wie fürchte ich? denn ich höre es nur gar zu oft, daß du immerhin diese Sprache führest: Ich habe für mich genug gelebet. Ich glaube es dir, aber itzt will lch sie nicht hö¬ ren; damals könntest du also sprechen, wenn du nur für dich allein leberest, oder wenn du für dich allein gebohren wärest. Itzt aber findet sie keine Statt; die Wohlfahrt aller Bürger, und das Heil der gan¬ zen Republik beruhet einmal auf dem, was im angefangen hast, und von der Ausführung dieses großen Werkes fehlt es noch so viel, daß nicht ein¬ mal der Grundstein ganz, wie du wolltest, dazu ge- leget ist. Nun, da die Sache sich so verhält, sollst du die Länge deiner Lebenslage lieber nach einer Gleichgültigkeit, als nach dem Bedürfniße deS Staates abmeffen wollen? wie ? wenn dieß nicht ein« einmal der Größe deines Namens erweckend wäre? du kannst es nicht laugnen, daß, wenn du dicht schon zur Welrweishetr bekennest, Ruhm, und Eh« re dw allzeit sehr nahe am Herzen gelegen sind? Wie? wirst du hier sagen, so wird mein Ruhm key der Nachwelt nicht schon groß genug seyn? Ja für andere, und zwar kür viele würde er gewiß groß genug seyn, für dich allein ist er noch zu klein. Denn alles, wenn es auch in sich selbst groß ist, ist zu gering, solange etwas größeres noch übrig ist. Wenn sich nun deine unsterblichen Tharcn, L. La¬ sar ! also endigen sollten, daß du die Republik nach überwundenen Feinden in diesen Umständen verließest, in denen sie sich itzt befindet, so wäre zu befürchten, daß du nicht in Zukunft mehr, Be¬ wunderung, als Ruhm erlangest; denn der achte Ruhm ist nichts anders, als "ein edler, und weit auögcbreiterer Ruf vieler, und großer Verdienste, die man sich von seinen Mitbürgern, oder dem Va- rerlande, oder dem ganzen menschlichen Geschlechte gemacht Har. 9 Dieser Theil ist dir also noch übrig, diesen Aufzug hast du noch zu vollenden; dahin müssen noch deine Bemühungen gerichtet seyn, daß du das gemeine Wesen in eine richtige Verfassung bringest, rind daß du vor allen andern desselben in größtem Vergnügen, und Ruhe genießest. Wenn du einmal dem Vaterlande die schuldigen Dienste wirst erwie¬ sen, wenn du der Natur selbst durch die Fülle deiner Tage eine Gnüge wirst geleistet haben; dann magst tu sagen, wenn es dir gefällt, du habest lange ge¬ nug geleber; obschon ich nichr einsehe, wie man etwas für lange halten kann, was doch zu letzt eirr Ende nimmt; und nähert sich dieses, so verlieret fich alles vorige Vergnügen, und wird für nichts seachter, in dem in Zukunft keines zu hoffen ist. Wem Allein ick rede dieses vergebens; denn dein erhabe¬ nes Gemüth hat sich niemals in die engen Grän¬ zen, welche die Natur unserem Leben gesetzct hat, cmschränken lassen; es hat immer nach der Un¬ sterblichkeit gestrebet. Vorsichtig hast du hierin» gehandelt; denn man muß nicht einzig dieses Leben, das durch den Zusammenhang des Leibes, und der Seele unter¬ halten wird, für dein Leben ansehen. Jenes Le¬ ben, mein Läsar! jenes, sage ich, ist vielmehr dein Leben zu nennen, welches durch das Anaeden- ken aller Zeiten dauern, welches die Nachwelt im¬ mer erhalten, welches endlich die Ewigkeit selbst nnrerstützen wird. Für dieses Leben bey der Nach¬ welt müßt du arbeiten, für dieses mußt du groß thun; sie hat zwar schon zum voraus von Trium¬ phen, und allem, was dein ist, viel Bewunderungs¬ würdiges in dir, doch erwartet sie noch etwas, was sie an dir anrühmen könne. Unsere Nach¬ kommen werden zwar erstaunen, wenn sie von den Mdzügen, von den Provinzen, vom Rhein, vom Lcean, vom Nil, von unzähligen Schlachten, von unglaublichen Siegen, von deinen Denkmälern, von Würden, und von den Triumphen hören, öder lesen werden. Doch gicbst du dieser Stadt durch gute Rathschläge, und Einrichtungen das vorige Ansehen, und dieser eine unveränderliche Dauer nicht, so wird wohl dein Namen allenthalben vec- > breitet werden; allein er wird nirgends einen be¬ ständigen Wohnsitz, und Aufenthalt finden. Auch unsere Enkel werden untereinander getheilet seyn, wie wir es waren; denn einige werden deine Tha- ren durch ihre Lobsprüche bis m den Himmel erhö¬ hen , andere aber werden vielleicht in dir etwas su¬ chen, das wohl das wesentlichste des größten Lo¬ bes wäre: sie werden verlangen, daß du die Flam- MN de» bürgerlichen Krieges also zu löschen gewußt hättest. hättest , daß aus der Asche desselben eine MM- weltliche Glückseligkeit des Vaterlandes hervor¬ wachsen müßte; damit man diese als ein Werk deiner Klugheit, jene als einen Zufall des Der- hängnißes ansehen möchte. Wohlan dann, mein Lasar! entschließe dich auch den Beyfall unserer spaten Enkeln zu erwerben, welche nach vielen Jahrhunderten von dir, und gewrß unpartheyischer, als wir, urrheilen werden; denn sie werden sowohl ohne Zuneigung, und Eigennutz, als auch ohne Haß, und Eifersucht urrheilen. Und gesetzt auch, daß du nach dem Tode, wie einige fälschlich be¬ haupten, an deinem Lobe keinen Theil mehr hät¬ test , so liegt dir dennoch ob, immer so groß zw werden, daß deinen Ruhm keine Vergessenheit je¬ mals verdunkeln könne. io Erbärmlich war bisher das Aussehen unse¬ rer Stadt: die Herzen der Bürger waren, wie die Stimmen getheilet; und wollte Gott, es wäre nur allein bey den widrigen Gesinnungen geblieben; aber wir haben auch Waffen, und Kriegsheere ein¬ ander entgegen gcsetzer. Allein die Sache war nicht aufgeklarer; tue vornehmsten Feldfürstett fochtert gegen einander; viele zweifelten, was daS beste wäre; viele wußten nicht, was ihnen selbst nützerr könnte; einige waren ungewiß, was die Anstän¬ digkeit von ihnen fodere, und andere, was fie vermöge ihrer Pflichten thun dörftem Nun hak die Republik diesen betrübten, und unglückseliger» Krieg überstanden: derjenige hat die Oberhand er¬ halten , dem der Sieg die Gelegenheit nicht zus Ausübung der Rache, sondern zu Besänftigung seines entflammten Geistes gegeben, und welcher nicht alle, tue als Gegner seinen Zorn sich zuge« rogen haben, der Verweisung, oder des Todes wür¬ dig erachtet hat, Niemand ist mehr bewaffnet; denn viele deren, die es waren habet» ftepwmg H die die Waffen niedergeleget , andern hat man fie mit Gewalt entrissen. Ass) Bürger! wie undank¬ bar, und ungerecht würde jener ans uns seyn, welcher, nachdem er von aller feindlichen Gefahr lbcfreyet ist, dennoch ein feindseliges Gemüth bcv- behielt! Fürwahr ein solcher wäre böser, als je¬ ner, der in der Schlacht umgekommen ist, und in diesem Handel, den er vielleicht für gerecht hielt, sein Leben eingebüsset hat. Denn was einige Ei¬ gensinn, und Hartnäckigkeit nennen, das können andere für Standhaftigkeit halten. Nun aber ist die ganze Zwistigkeit durch Waffen gedämpftt, durch des.Obstegers Milde getilqek worden, und übriger «och allein, daß alle, die nicht nur weise, son¬ dern auch, die nur vernünftig denken, gleiche Ab¬ sichten hegen. Aber doch endlich hängt alles von dir ab Läsar! du mußt leben. Es sey dann, daß -du diesen Ausspruch, dem du allzeit vorhin, heute aber besonders Gehör gegeben hast, auch fortan feste beybehältst, sonst ist es um uns ge¬ schehen. Wir dann alle, die wir gutgesinnt, und die wir alles in gutem Stande zu erhalten wünschen, wir reden dir zu, wir bitten dich, lie¬ be dein Heil, liebe dein Leben, uns laß für das Aebrige sorgen. Wir alle, denn ich getraue mich von den übrigen dir eben das zu verheißen, was ich in mir empfinde, weil du ja doch glaubest, es sey noch etwas verborgen, dem man Vorbeugen müsse, wir alle werden alles veranstalten, die nö- thigen Wachen sollen dir Tag, und Nacht zur Seite, und unsere eigene Brust, und Leben zu deiner si¬ chersten Bedeckung seyn. n Aber lasset uns diese Rede mit eben dem endigen, wovon sie angefangen hat. Alle zusam¬ men sagen wir dir, Läsar! so viel Dank, als wir nur können, der größte aber, well wir ihn nicht auszudrükkm vermögen, hleibt in unfern Her¬ zen zen verMossen. Me zusammen , sage ich ; denn alle sind von gleichen Emvfindungcn der Dankbar¬ keit durchdrungen, wie du es aus ihren Fürbit¬ ten , und Lhränen hast fühlen müssen: deßwegen ist cs auch unnörhig, daß ein jeder aus den An¬ wesenden ins besondere rede; es ist genug, und dieß verlangen sie auch, daß ich im Namen aller das Wort führe. Mir ist es aber gewissermassen unvermeidlich, theils weil es die andern so ha¬ ben wollen, theils weil ich von selbst einsehe , daß, da Marcell ein Mitglied der Republik, des römischen Volkes, und dieser Versammlung aus deiner Gnade wieder geworden ist, mich diese Sa» che am allermeisten angehe. Denn alle übrigen erfreuen sich meines Erachtens nicht so viel we¬ gen der Glückseligkeit Marcellens , als wegen der allgemeinen Wohlfahrt. Ich aber liebe diesen Mann ungemein , wie es ohnehin allen zur Gnüge bekannt ist, so, daß ich hierinnen kaum dem Lajus, seinem besten, liebenswürdigsten Bruder, oder doch wenigstens nach ihm gewiß niemanden etwas nachgeben woll¬ te. Da ich ihm nun diese meine zärtliche Liebe mit aller Sorgfalt, und Mühe damals erwiesen habe, als seine Wohlfahrt noch im Zweifel stund, um so viel mehr muß ich sie itzt zeigen , da ich von den größten Sorgen, Kummer, und Schmer¬ zen entlediget bin. Ganz besondern Dank sage ich dir demnach, mein Lasar.' daß, nachdem du mich schon mit so vielen Gnaden überhäufet , nachdem du mich zu allen Ehren wieder erhoben hast, du dennoch meiner noch besonders ingedenk wärest; Ja deine Wohlthärigkc-it gegen mich, was ich nimmer mehr gehoffet hatte , ist durch Leine heutige Gnade zur höchsten Stusse hinan- gestiegen.