Seihefte öer Zeitschrift: „Die evangelische Diaspora" Nr. 13 ! I Deutsch-evangelisches Leben I in Slowenien I von GerharÜ Map Pfarrer in Lilli VS !7S ISSis 1S7SSS741 Leipzig Verlag ües Eentralvorstanöes öer Evangelischen Gustav stüolf-Stiftung 1427 Deutsch-evangelisches Leben in Slowenien. Slowenien, d. h. der von Slowenen bewohnte westliche Teil des König¬ reichs der Serben, Kroaten und Slowenen (8bl 8), umfaßt Südsteiermark, Kram und ein Stückchen Südkärntens, sowie das Äbermurgebiet, Prekmurje, einen Teil der früher ungarischen Komitate Zala und Eisenburg. Die Bevölkerung Prek- murjes sind neben wenig Magyaren und Deutschen Slowenen, die sich aber „Wenden" nennen und von den Slowenen Steiermarks und den „Kramern" sowie den Kroaten durchaus verschieden fühlen. Sie gehörten jahrhundertelang der ungarischen Reichshälfte an und erfuhren an sich die starke Anziehungskraft der überlegenen magyarischen Kultur- und Nationalisierungspolitik. Ihre Sprache ist ein slowenischer Dialekt, der zur Schriftsprache geworden ist, zahlreiche magya¬ rische und deutsche Brocken ausgenommen hat und mit magyarischer Orthographie geschrieben wird. Jetzt wird von Laibach und Marburg a. D. her diese Sprache systematisch durch das einheitliche „Lochslowenisch" ersetzt — oder wie es die Wenden fühlen: unterdrückt und ausgerottet. Also ein slowenisches Minderheiten¬ problem im slowenischen Lande! Dabei gibt es in der ganzen Welt nur eineinhalb Millionen Slowenen, davon sind 480000 in Italien, einige Hunderttausend in Amerika, einige Zehntausend im österreichischen Kärnten. — Im Äbermurgebiet gibt es rund 27000 Protestanten (darunter 1000 Reformierte). Ihre 10 Ge¬ meinden mit zahlreichen Filialen, 12 konfessionellen Volksschulen, einem Schüler¬ heim in der Kreisstadt Murska Sobota, sind in einem eigenen Seniorat unter dem Senior Stesan Kovatsch in M. Sobota organisiert. Diese kleine Bauern¬ kirche ist besonders bemerkenswert, weil sie die einzigen Protestanten Jugoslawiens sind, die sich seit der Reformationszeit in ihrem Glauben erhalten haben. In mannigfachen Anfechtungen der Türkenzeit und in mancherlei Glaubensverfolgun¬ gen, jedoch keiner systematischen Gegenreformation wie die Protestanten der be¬ nachbarten österreichischen Steiermark ausgesetzt, bewahrten sie unverändert ihren Glaubensstand. Der Gottesdienst wird auch heute noch wendisch und magyarisch gehalten, sie haben eigene Gesangbücher, Bibel,. Gebetbücher und ein Kirchen¬ blättchen in ihrer Sprache. Ihr reges kirchliches Leben geht streng und treu in den traditionellen Bahnen und ist ties im Volksleben verwurzelt. Doch Prekmurje liegt infolge seiner schlechten Verkehrsverhältnijse fast außerhalb des Gesichtskreises des übrigen, ehemals österreichischen Slowenien. Diese wendischen Gemeinden, die ihr in sich ruhendes, durch kirchliche Tradition und bäuerliche Seßhaftigkeit festgefügtes Sonderleben führen, müssen außerhalb dieser Darstellung bleiben, die sich auf die nach Geschichte, Umgebung und Struktur ganz verschiedenen deutsch-evangelischen Gemeinden, d. h. Marburg, Mah- 1* 3 renberg, St. Egydi in den Windischen Büheln, Pettau, Cilli und Laibach, be¬ schränken will. Dazu kommt noch der südlich der Mur gelegene Teil der Gemeinde Radkersburg: Oberradkersburg, Abstall, Luttenberg. Diese Gemeinden mit ihrer über das ganze Land weitzerstreuten Diaspora zeigten noch 1918 ein starkes Auf¬ blühen und verheißungsvolles Emporstreben. Leute sind sie eine kleine, arme Min¬ derheit von hochgerechnet 3000 Seelen. Durchaus verschieden von den Prote¬ stanten Prekmurjes, ähnlich den Gemeinden des benachbarten Österreich, sind die deutschen evangelischen Gemeinden in Slowenien ausnahmslos jungen Arsprungs. Am die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden die beiden Muttergemeinden Lai¬ bach (mit der Filiale Cilli) und Marburg (mit Pettau). Eingewanderte Pro¬ testanten aus Deutschland, Lolland, aus der Schweiz, darunter ein hoher Pro¬ zentsatz von Adligen, bildeten den Stock. Evangelische Soldaten der Garnisonen, Beamte der neuen Südbahn waren eine erfreuliche, wenn auch unregelmäßige Verstärkung. Vor 25 Jahren wurde Cilli zur Pfarrgemeinde, Mahrenberg und Pettau selbständige Vikariate, zahlreiche Predigtstationen bildeten sich: z. B. Gottschee, Aßling, Neumarktl in Kram; Weitenstein, Neukloster, Gonobitz, Tri- fail. Rann, Lichtenwald, dazu während der Saison die Bäder Topolschitz und Neuhaus im Gebiet der Cillier Gemeinde; Windisch-Feistritz, Windisch-Graz, Lohenmauthen und mancher andre Ort im Drautal. Die Los-von-Rom-Be- wegung brachte vor allem seit 1900 ungeahnten Aufschwung. And konnte an man¬ chem Orte nur ein-, zweimal ein evangelischer Gottesdienst, ein Familienabend oder ein evangelisches Begräbnis stattfinden, so waren damit Samenkörner aus¬ gestreut, deren Frucht ost nach Jahren, aber doch reiste. Die Übertritte mehrten sich, die Gemeinden wuchsen aus das Doppelte und Dreifache. — 1908 fiedelten sich die ersten „Schwaben" — wirkliche Württemberger und Deutschböhmen aus dem Erzgebirge — in St. Egydi in den Windischen Büheln (16 Kilometer nörd¬ lich von Marburg, an der Strecke nach Graz, Grenzort gegen Österreich) an. Bis 1912 dauerte der Zuzug. Die durch Fleiß und Tüchtigkeit aufblühende Ko¬ lonie zählte bald 300 Seelen, sie konnten ihre Schulden im Kriege gänzlich ab¬ zahlen und sitzen nun stolz auf eigenem Grund und Boden — und waren doch Leute, die z. T. in der alten Leimat abgehaust und kein Fortkommen gefunden hatten. Ihre kirchliche Versorgung erfolgte von Leibniz her. Was aber diesen Gemeinden schon in der österreichischen Zeit eine Sonder¬ stellung gegenüber den andern evangelischen Gemeinden der Alpenländer gegeben hatte, was zugleich ihre besondere Lage und Schwierigkeit heute ausmacht, ist ihre Lage als Diaspora in doppeltem Si nne: nicht nur als Evangelische im rein katholischen Lande, und zwar in einem leidenschaftlich katholischen Lande,sondern gleichzeitig als Deutsche im überwiegend slawischen Landes. Sie sind konfessionelle und nationale Minderheit und haben jetzt, im Zeitalter der Minderheitenverfolgungen doppelt zu leiden. Noch dazu in einem Lande, wo das Bekenntnis zum deutschen Volkstum als Anlaß zu Schimpf und Verfolgung ge¬ nommen und Evangelisch-sein als doppelt Deutsch-fein angesehen wird. Bei der österreichischen Nationalitätenpolitik des letzten Lalbjahrhunderts 1) Marburg, Mahrenberg, Egydi lagen bis 19l8 an der Sprachgrenze, Pellau und Cilli waren Sprachinseln. Laibach Halle seit 40 Jahren slowenische Mehrheit, aber eine in jeder Beziehung bedeutungsvolle deutsche Minderheit (1910 rund 8000). 4 und dem mit den schärfsten Mitteln geführten nationalen Kampfe gab es keine Verständigung und Versöhnung zwischen den streitenden Nationen. In Slowenien war es ein Verteidigungskamps der Deutschen, ein Ringen um die Erhaltung des deutschen Kulturgutes und Besitzstandes. Man kämpfte um die Mehrheit in Gemeindevertretung, Landtag, Reichsrat, man rang um den wirtschaftlichen Ein¬ fluß, um Geldinstitute, um jedes Geschäft, um jeden Fußbreit verkäuflichen Bo¬ dens, um jede Schulklasse. Die Schärfe dieses Kampfes wurde durch die Amsturz- zeit noch überboten und führte zum offen zugegebenen Vernichtungskampf gegen alles, was deutsch war, während der deutschen Minderheit jedes Mittel zur Ge¬ genwehr aus der Land geschlagen, jede Unterstützung von feiten des übrigen Deutschtums nicht nur infolge eigener Ohnmacht versagt war, sondern auch ver¬ sagt bleiben mußte, um ihre Lage nicht noch mehr zu gefährden. Die Slowenen negieren heute die deutsche Minderheit in Slowenien aus poltischen Gründen. Sie stellen die Existenz einer deutschen Minderheit in ihrem Lande glatt in Abrede, und wenn Deutsche im Lande seien, so — sagen sie — seien sie keine vollberech¬ tigte Minderheit, denen die Rechte der garantierten Minoritätenschutzartikel ge¬ bührten, denn — sie seien nicht bodenständig! Man möge sich daher die Lage der deutschen Protestanten vorstellen, die, weil Protestanten, als doppelt Deutsche angesehen und in jeder Weise beargwöhnt, verdächtigt, überwacht werden. Doch wie steht es mit dem Vorwurf, die deutsche Minderheit in Slowenien sei nicht bodenständig? Wenn Ausländer kamen, um die Minderheitenfrage zu studieren, so wurden sie auf die Friedhöfe und in die alten Kirchen geführt. Die 300, 400, 500 Jahre alten Grabsteine sind unbeeinflußt und sie zeigen deutsche Namen und deutsche Inschriften. Aber das Deutschtum Sloweniens ist noch älteren Datums als die ältesten Inschriften. Das Deutschtum Sloweniens ist sogar unter dem gesamten Auslanddeutschtum das älteste deutsche Siedlungsgebiet, älter noch als Burgenland, Siebenbürgen, Zips, Baltikum. Am die Mitte des 8. Jahrhunderts riefen die slowenischen Fürsten die Bayernherzöge Thassilo II. und III. ins Land zu Enlfe, weil ihr friedliches, waffenunkundiges Bauernvolk sich der andringenden Awaren nicht erwehren konnte. Der Bayer kam, aber mit Bedingung und Forderung: die Slowenen hätten den Christenglauben anzu¬ nehmen. So kam der Deutsche ins Land: als Schützer, Äerr und Kulturträger. Der nächste Nachschub kam unter Karl dem Großen: kriegerische Sicherung der Südostgrenze des Reiches war der Zweck, die Folge war Gründung von Städten und Märkten. Sachsenseld, Sachsenwart im Sanntal künden im Ortsnamen bis heute den Stamm ihrer Gründer. Die Völkerwanderung hatte das blühende, aus römischer und vorrömischer Zeit stammende Kulturleben dieses gesegneten Landstrichs zerstört, die Slowenen, obwohl schon fast zwei Jahrhunderte im Land, hatten es über die ersten Anfänge bäuerlicher Kultur und Siedlung nicht hinaus¬ gebracht. Der Deutsche brachte erst wieder staatliche Ordnung, Sicherung nach außen und höheres Leben. Seit den ältesten Zeiten haben die Städte, größeren Orte und Burgen deutsche Namen. And trotz der allgemeinen Slawisierung gibt es heute, 1927, noch Orte, die offiziell nicht slowenische, sondern deutsche Namen, wenn auch in slawischer Orthographie, tragen, z. B. Rospah (gleich: Roßbach), Ma- renberg, Rajhenburg (Reichenburg), Vurberg (Wurmberg), 8alek (Schallegg)... 5 Der Adel und das Bürgertum — also die durch 1000 Jahre kulturell entscheiden¬ den Schichten — waren deutsch. Der Slowene war der „kmet", der Bauer, der Leibeigene. Nur an der nördlichen Sprachgrenze gab und gibt es deutsche Bauern. Daß es sonst kein deutsches Landvolk gibt, droht verhängnisvoll für die Zukunft der deutschen Minderheit zu werden, denn es fehlt der gesunde, aufsteigende Nach¬ schub vom Lande. Nur in der Gottschee in Südkrain kam es vor 600 Jahren zu einer geschlossenen Siedlung, die sich in wunderbarer Zähigkeit deutsch erhalten Primus Trüber, der „slowenische Luther" 1508—1586, begraben in Derendingen bei Tübingen. hat (20000 Kopse). Doch sührten sie auf dem dürftigen Karstboden hinter den Arwäldern verborgen ein derartiges Sonderleben, daß sie bei der ersten Volks¬ zählung Österreichs, die nach Nationalitäten fragte, nicht wußten, welches Volk sie seien. Slowenen waren sie nicht, das wußten sie. Deutsche? das lag außerhalb ihres Gesichtskreises. So bekannten sie sich frischweg zur „Gottschewerischen Na¬ tion". Leute sirrd sie gut deutsch und streng katholisch. Die gesamte Kultur des Landes in ihrer Tiefe und Breite war bis in die jüngste Vergangenheit deutsch. Erst 1550 wurde die slowenische Schriftsprache geschaffen, und zwar in — Rothenburg ob der Tauber! Schlief aber nach kurzer 6 Jugendblüte einen zweihundertjührigen Dornröschenschlaf. Wenn sich heute der Slowene dem Serben gegenüber stolz seiner überlegenen Kultur rühmt, so be¬ kommt er von diesem die vorwurfsvolle oder höhnende Antwort: Ihr Slowenen seid auch halbe Deutsche! Tatsächlich gehört der Slowene trotz aller panslawisti¬ schen Kundgebungen zum abendländisch-germanischen Kulturkreis und empfindet es als schmachvolle Degradation, daß seinem Volke durch die Gründung des M In der Mmdsswe-m Spruch/ ff fambt cittcr Mrrzcn Auflegung sf mgcsattg wclß.Ifr>8 k>lslB4L 8 'ß'bMIL- sklbckMN 8 ^8silk,LDlM3 chp8b8. 8 Oüdpsfi B3lljb84sfl, 8ilb 8tl-8sZFMI8 8 sfichMll DkM8ckk^ö>43 1tb8Hv8 DMl8sllIl?lK Ldllb8lfi?8?ck , M-8k§8^i K-LMck- Mükl; Dlirssh eck8 sßWs LdrmslVts^N'ck Oer Larechlsnms/mie karrzmausi- tegttngen/LymbOluM ^rkZnAsrj, vmrd ein Predig von der kmffc mrd würF- ung des rechcen LhnMchen G!a?l^ bens/in der Lrsbgttschen Sprach, AmE8?L,8. TLSIN-LlllÄ'^ sg 8b3l^bDlIZM8^ LMDllllklA » Titelblatt des kroatischen Katechismus der von Stephan Konsul und Isatou Dalmatvr nach dem slowenischen Kate¬ chismus Trabers (einer Übersetzung des Latherschen) über¬ tragen und in glagolitischen Lettern in der Druckerei Un- gnads von Sonnegg in Urach 1561 gedruckt wurde. gefördert und finanziert. Die deutschen Reichsstädte in erster Linie, die protestanti¬ schen Fürsten, die Adeligen Steiermarks und Krams spendeten die Tausende von Gulden und Dukaten, die der Bücherdruck kostete und die dem slowenischen Volke zur ersten Blütezeit seiner Literatur verhalfen. Der Exulant Äans Kngnad von 9 Sonnegg errichtete auf seinem Kof bei Arach die Druckerei für den slawischen Bücherdruck und stellte sein ganzes Vermögen dasür bereit. Der schwäbische Äumanist Nicodemus Frischlin richtete die erste höhere Schule in Laibach ein, an der slowenisch, deutsch und lateinisch unterrichtet ward. Zahlreiche niedere Schulen entstanden im Land im Anschluß an die sich bildenden Gemeinden. Es ist nicht Schuld der Deutschen, daß mit dem Protestantismus diese Lite¬ ratur ein Opfer der jesuitischen Gegenreformation von 1600 ff. wurde und das slowenische Volk der erneuten Anbildung und klerikalen Knebelung verfiel bis zum heutigen Tage. Der deutsche Adel selbst wanderte „ins Elend", soweit er nicht — zum geringeren Teile — für den katholischen Glauben „optierte" (wie man heute Grundriß und Aufriß der ev. Kirche zu Scharfenau bei Cilli, errichtet von der evangel. Landschaft 1582—1588 nach Plänen italienischer Baumeister (Rundbau). Zerstört 1600 durch Bischof Martin Brenner, den „Ketzerhammer". sagen müßte). Für das slowenische Volk blieb die Reformation — um ein Wort Anastasius Grüns, des krainer Grafen Auersperg, zu gebrauchen — nur ein Meteor, der in dunkler Nacht aufblitzend den ganzen Äimmel für kurze Zeit er¬ hellt, um nur desto dunklere Nacht zu hinterlassen. Erst zwei Jahrhunderte später regte sich wieder eine slowenische Literatur. Die Gegenreformation aber hat ihr Werk so gründlich getan, daß der Abscheu vor den „Ketzern" dem Bauer in Fleisch und Blut übergegangen ist und er den Protestanten nicht als Christen gelten lassen will. — Am schwersten von den Zurückbleibenden war das Deutsch¬ tum getroffen: dieser Verlust der charaktervollsten Männer und Frauen blieb un¬ ersetzlich. Man könnte die Frage aufwerfen — und sie wird zuweilen von solchen auf¬ geworfen, die die heutige Lage nicht kennen -—: sind nicht die heutigen Protestan¬ ten in Slowenien berufen, die große Tradition ihrer protestantischen Vorfahren in diesem Lande aufzunehmen und fortzuführen? Nämlich, dem Evangelium Ein- 10 gang ins Lerz des slowenischen Volkes zu verschaffen. Aber diese Frage ist mit einem „Nein" zu beantworten. Dieses Nein ist von der harten gegenwärtigen Wirklichkeit diktiert. Zunächst: es ist aussichtslos gegen den mächtigen Klerikalis- inus, der das ganze Volksleben durchdrungen und fest in der Land hat, Sturm zu laufen. Sodann: es ist nicht einmal die religiöse Aufnahmebereitschaft im slo¬ wenischen Volke vorhanden. Das beweist die hingebungsvolle 25jährige Arbeit des tschechischen sreireformierten Predigers Chräska in Kram, der bis vor kurzem durch Predigten, Versammlungen, Äbersetzungen, Flugblätter u. dgl. unter den Slowenen missionierte und so gut wie keinen Erfolg auszuweisen hatte. — Letzte Reste der evangelischen Kirche von Scharfenau. Ferner: der Protestantismus wird nicht, wie in der Resormationszeit, von einer Bevölkerungsschicht getragen, die gleich dem Adel der Feudalzeit eine starke na¬ türliche Autorität besitzt, sondern vor allem im vergangenen Jahrhundert war der Protestantismus die Religion einer einigermaßen land- und volksfremden Min¬ derheit. And endlich und vor allem: der nationale Gegensatz schafft eine unüber¬ brückbare Kluft. Das Luthertum bleibt der deutsche Glaube. Das zu natio¬ nalem Selbstgefühl erwachte slowenische Volk ist einer so intensiven Beeinflussung, wie sie eben ein konfessioneller Wechsel darstellen würde, geradezu feindlich gesinnt. Cs- will seinen eigenen Weg gehen und der führt nicht nach Wittenberg und Wei¬ mar. Einzelne Ausnahmen, die genannt werden könnten, sind nicht stichhaltige Gegengründe. Nur noch ein Wort über die Deutschen in Slowenien! 1910 machten sie mit 100674 Köpfen nicht ganz 10 Prozent der Bevölkerung aus. Aber ihre Bedeu- 11 tung für das kulturelle, wirtschaftliche und politische Leben ging weit über ihr zahlenmäßiges Verhältnis hinaus. Das wirtschaftliche Leben war in den Städten und meisten Märkten Untersteiermarks in deutschen Künden, in Kram großenteils. And man beutete nicht das Land aus, sondern verwendete den Gewinn zu neuen Investitionen im Lande selbst. Ein Netz von deutschen Schulvereins-Schulen über¬ zog das Land, sie waren aus Privatmitteln errichtet, aber der kluge Slowene schickte seine Kinder hinein, damit sie die deutsche Weltsprache lernten (denn slo¬ wenisch verstand man nur von Marburg bis hinter Laibach) und er sah darin eher ein Mittel zu gegenseitiger Verständigung und Versöhnung, als der Feind¬ seligkeit. Zur Charakteristik der Deutschen selbst in ihrer glücklichen Zeit sei eine Stelle aus den Lebenserinnerungen des Seniors Fritz May, der 25 Jahre unter ihnen wirkte, wiedergegeben; er schildert, wie er sie 1899 sand. „Die Cillier waren da¬ mals ein im Kampfe trotzig gewordenes Geschlecht. Meist überragend an Körper¬ größe, die Kaufleute in der ganzen Monarchie als hervorragende und zuverlässige Geschäftsleute bekannt. Ihre Weinberge waren die Sammelpunkte fröhlicher Ge¬ selligkeit. Neben diesen, wie es schien, allezeit Glücklichen erhob sich unerschrocken vordringend eine Schar gebildeter Akademiker und froher Ästheten, die, begeistert für alles Edle, auch für ein ernstes deutsches Christentum schwärmten." Seit mehr als einem halben Jahrhundert war dieses Deutschtum durch und durch politisiert, es stand ununterbrochen im Kampf um die nationale Selbsterhaltung. Verteidi¬ gung war's, nicht Angriff. And doch war auch hier das Bedürfnis nach Ruhe und Frieden stark, aber es gab keine Neutralität. So blieb es den Deutschen ver¬ sagt, je zu einer vollen harmonischen Lebensgestaltung zu kommen, weil ihnen überall der politische Tageskamps den stillen Frieden, die ruhevolle Beschaulich¬ keit raubte, Spannung und Schärfe in alle menschlichen Beziehungen, in Arbeit, Berus, Freundschaft und Familie hineintrug. And dabei lädt gerade diese Anter- steiermark mit ihrer paradiesischen Schönheit, ihrem zauberhaften Wechsel von Kochgebirge,Arwäldern,Weinbergen,südlichen Längen, darüber sich eintiefdunkel¬ blauer Kimmel wölbt, wie kaum ein andres Stück Erde zu sorglosem Genießen ein. And das deutsche Volk dieses Landes trägt die Süßigkeit seines südlichen Kimmels, die Sehnsüchtigkeit und Phantastik seiner Landschaft im eigenen Blute; es hat in jahrhundertelanger Grenzwacht gegen den Balkan und damit gegen den nahen Orient manches von dessen glutvoller Leidenschaft in die eigene Seele ein¬ strömen lassen, nicht umsonst ist es Nachbar des Italieners und weiß, was um den Rausch der Schönheit ist. Dabei ist es noch immer ein Stamm von unge¬ brochener Freude an starkem Lebensgenuß, von urwüchsiger Freude an starkem Essen, an Trunk und Kamps. And dabei ein Lang zur Träumerei, zum Ange¬ wöhnlichen, Sonderlichen. Der Kampf und die brutale Wirklichkeit hat sie hart gemacht, hat manchem Charakter einen Riß und Bruch für immer mitgegeben. Viele sind von einer tiefen Zwiespältigkeit ihres Wesens, das sich in Mißtrauen gegen sich selbst, in selbstquälerischer Ironie und ätzender Schärfe verzehrt. Nicht umsonst sind sie die Beweglichsten unter den Alpenlandsdeutschen. — Die Ro¬ mane von Rudolf Lans Bartsch haben dies Land und seine Leute der deutschen Leserwelt bekanntgemacht. Den Zauber der Landschaft vermag er zu schildern wie kein anderer. Aber das „Deutsche Leid" dieses Landes möchte man von 12 einem tieferen und männlicheren Geiste dargestellt haben. Er zeigt ein Volk im seligen Genießen des Augenblicks und doch überschattet von Melancholie, um¬ droht von feindlichem Schicksal. Aber die eigentliche Kraft dieser Männer und Frauen, ihre tiefe Sorge und leidenschaftliche Liebe zu Volkstum und Leimat, ihre Freudigkeit zu Opfer und Lingabe ohne Bedenken und die Tragik ihres Schicksals vermag er nicht zu gestalten. — Es ist kein glückliches, kein erfolgreiches Leben und Schaffen, das die Deutschen dort führen, aber es ist Leben, ein heißes, volles, verzehrendes Leben. Dies Land müßte jedem Deutschen teuer sein durch Wolfram von Eschenbachs Parzival, der seine Leiden von Zilje (Cilli) über Rohatsch (Rohitsch) an die Drau ziehen läßt und dem bei der Schilderung des Berges Monsalvatsch der schöngeformte imposante Wotschberg (980 m) vorgeschwebt haben mag, wie man aus den angeführten Ortsnamen und der Beschreibung des Weges und der Gegend schließen kann. Fausts Gretchen wiederum soll vom Teufel nach dem Schloß Schönegg bei Leilenstein im Sanntal entführt worden sein — so erzählt man heute noch. Doch lassen wir die Sage! Was dieses knappe Hunderttausend Deutscher kulturell bedeutete, welch reges geistiges Leben unter ihnen blühte, wie vor allem die Musik oie eifrigste Pflege unter ihnen sand, mögen einige Namen zeigen. Die Philharmonische Gesellschaft in Laibach wurde 1701 gegründet und ist die älteste musikalische Gesellschaft des europäischen Kontinents. Anter anderm schenkte ihr Beethoven die Landschrist seiner VI. Symphonie. — Anastasius Grün, der ritterliche Graf Auersperg, ist Kramer, desgleichen der bekannte Romanschriftsteller Friedrich von Gagern. Südsteiermark ist die Leimat Tegethosfs, des Seehelden von Lifsa, Lugo Wolfs, des genialen musika¬ lischen Lyrikers, Joseph Marx', des großen modernen Tondichters; der be¬ kannte Ottokar Kernstock ist in Marburg geboren, dichterisch viel bedeutender ist der tiefsinnige Mysteriendichter Max Mell aus Marburg und Ernst Goll aus Windisch-Graz, ein Lyriker von bestrickender Süße und ergreifender Mensch¬ lichkeit, der ganz jung an der Zwiespältigkeit seines Wesens zugrunde ging (Ge¬ dichte „Im bittern Menschenland", Verlag Egon Fleischel A Co., Berlin). And dies Land ist heute losgerissen vom deutschen Mutterland, während das benachbarte Österreich der Vereinigung mit dem Deutschen Reiche entgegenharrt; sein Deutschtum ist wehrlos preisgegeben. „Es wird das deutsche Leid über die verlorene Südsteiermark mit all den dort noch wohnenden deutschen Brüdern, so¬ lange es bei der Trennung bleibt, nie völlig verwunden werden." Es mag so sein. Aber wo man nicht dauernd vor Augen hat, was man verlor, verwischen und mildern neue Eindrücke die schmerzliche Erinnerung. Wie aber mag es denen zumute sein, die drunten ausharren und ausharren müssen, aus Pflichttreue, aus Leimatsliebe, aus andern Lebensnotwendigkeiten! Die sich Stück um Stück rauben lassen mußten und noch nehmen lassen müssen von dem, was ihr Stolz, ihre Freude, ihr Lebensinhalt war und nun Tag um Tag vor Augen sehen, was einst ihr eigen gewesen ist, heute aber von triumphierenden Gegnern schamlos be¬ nützt wird. Sie sehen ihre Volksgemeinschaft unaufhaltsam zusammenschmelzen und wissen keine Rettung. Ein paar dürre Daten statt allgemeiner Phrasen: die Volkszählung von 1910 wies 100674 Deutsche auf, die von 1920 nur mehr 39631. Wohin sind die 13 60000 gekommen? Ausgewiesen, ausgewandert, hinausgeekelt, vertriebene Op¬ tanten (denen nur ein Jahr Frist gewährt war). Einige Tausend sind auch hier wie überall, die ihre Nationalität von Opportunitätsgründen bestimmen lassen. Einige, die in wirtschaftlicher Abhängigkeit stehen und ihre Nationalität aus Gründen der Brotfrage verleugnen müssen. Von 1920 —26 sind auch noch manche Tausende ausgewandert. Das kulturelle Leben der Deutschen ist so gut wie lahmgelegt. Denn 1. hat man ihnen alle Mittel dazu genommen und 2. wird ihnen eine kulturelle Betäti¬ gung verwehrt. Das einst so blühende Schulwesen ist zerstört. Das ausgedehnte, reichentwickelte Vereinsleben ist vernichtet. Nicht nur alle Ortsgruppen des Schulvereines, der „Südmark", der Turnvereine, des Deutschen und Österreichi¬ schen Alpenvereins wurden aufgelöst und ihr Vermögen beschlagnahmt mit der Begründung: diese Vereine stünden mit dem feindlichen Ausland in Verbindung (das war natürlich der Fall, aber zu einer Zeit, da Jugoslawien noch gar nicht bestand!), sondern auch zahlreiche Vereine, für die diese Begründung einer Auf¬ lösung nicht angewendet werden konnte. Z. B. rein humanitäre, durchaus un¬ politische Vereine, wie die Feuerwehren, die wegen der deutschen Kommando¬ sprache aufgelöst wurden, da sie „mit den Interessen des Staates im Widerspruch" standen. Ja sogar der nicht einmal Humanitär zu nennende Vogerlschutzverein in Gottschee wurde aufgelöst, der doch gewiß keine politischen Absichten verfolgte, etwa die Spatzen deutsch von den Dächern pfeifen zu lassen. Doch um von Kleine¬ rem zu schweigen — es wurden ohne Rechtsanspruch geraubt: Das Vermögen des deutschen Theater- und Kasinovereins (Theatergebäude) in Marburg; das deutsche Studentenheim in Marburg; das deutsche Mädchenheim in Marburg; das deutsche Studentenheim in Gottschee; das deutsche Kasino in Laibach; das große Gebäude, die Instrumente und Notenschätze der Philharmonischen Gesell¬ schaft in Laibach. Endlich kam am 5. Januar 1925 das „Deutsche Laus" in Cilli an die Reihe, das aus Spenden des Gesamtdeutschtums errichtet worden war. Franz von De¬ fregger und Richard Strauß hatten je ein Album mit Originalbeiträgen deutscher Künstler zugunsten des Cillier Deutschen Laufes in den 90er Jahren erscheinen lassen. Leute feiern" die Slowenen darin ihre Feste. Die versuchte Intervention beim Völkerbund mußte unterbleiben, da der Außenminister drohte, in diesem Falle an den Schwaben in der Woiwodina Repressalien zu ergreifen. Diese Liste kann beliebig verlängert werden. Regelmäßig wiederkehrende Äberfälle auf ganz harmlose Konzerte, Lieder¬ tafeln und Tanzunterhaltungen, die mit schweren Verletzungen endeten, führten zur gänzlichen Einstellung aller deutschen kulturellen Veranstaltungen. Denn ent¬ weder sieht sich die Behörde unter dem Drucke nationalistischer Organisationen („Orjuna", ähnlich den Faschisten) gezwungen, solche deutschen Veranstaltungen wegen „Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" zu verbieten, oder aber die Deutschen wollen selbst nicht wegen eines Tanzes oder Konzertes ihr Leben riskieren. Im politischen Leben spielen die Deutschen nur mehr eine kleine Rolle. In den ersten Jahren hatten sie nicht einmal das Wahlrecht, weder zum Parlament, noch zu den Gemeindevertretungen. 1922 konnten sie einen Vertreter in die 14 Skuptschina entsenden, den Protestanten Franz Schauer, der kurze Zeit später überfallen wurde und einen lebensgefährlichen Bruch der Schädelbasis erlitt. 1925 war es unter dem furchtbaren Terror und infolge der weiteren Abwande¬ lung nicht mehr möglich, den für einen Abgeordneten erforderlichen Wahlquotien- ren zu erreichen. In verschiedenen Ortsvertretungen, z. B. Mahrenberg, haben Deutsches Haus in Cilli erbaut 1806. heute die Deutschen die Mehrheit. — Sehr schlimm ist es, daß infolge der schweren Wirtschaftskrise und der allgemeinen Benachteiligung, die die Deutschen immer wieder erfahren, schon ein hoher Prozentsatz deutscher Kaufleute Konkurs ansagen mußte. Damit ist nicht nur der Geschäftsinhaber, sondern ebenso seine deutschen Angestellten, die in slowenischen Unternehmungen selten unterkommen, und damit zugleich die ganze deutsche Volksgemeinschaft moralisch und wirtschaftlich arg getroffen. Die Zeit der großen dramatischen Ereignisse ist vorbei, die Zeit der gewalt- 15 samen, blutigen Verfolgungen, der willkürlichen Verhaftungen und Geiselver¬ schleppungen, der straflosen Vernichtung deutschen Privateigentums, der wöchent¬ lichen Auswandererzüge, der Kärntner Abwehrkämpfe, der für Österreich sieg¬ reichen Volksabstimmung (10. Oktober 1920), derzufolge die Jugoslawen Süd- kärnten herausgeben mußten, die aber für die Deutschen Sloweniens nur eine neue Flut von Verfolgungen und Ausschreitungen nach sich zog. Aber heute ist die Gefahr eine schlimmere: die allmähliche Zermürbung, Aufsaugung, das jetzt noch langsame, aber vielleicht bald immer schnellere Verschwinden des Deutsch¬ tums auf diesem Außenposten. Diese Gefahr kennt niemand besser als die Volksgenossen in Slowenien selbst. Aber sie halten in Stolz und Treue ihren Posten, solange sie es können. Im Sommer 1922 nahm ein Schwede, der von Erzbischof Söderblom zur südost¬ europäischen Tagung des Weltbundes für Freundschastsarbeit der Kirchen ent¬ sandt war, an einer Liedertafel des Cillier Männergesangvereins teil. Man schil¬ derte ihm die Lage. Er sah die drohende Haltung der Bevölkerung, das unge¬ wöhnliche Aufgebot von Polizei, die harmlose Unterhaltung und sagte schließlich: „Ihr Deutschen hier kommt mir vor wie die Hellenen auf dem Rückzug aus Kleinasien in Tenophons Anabasis. Ein neuer schwedischer Dichter hat dies in einem großen Gedicht geschildert: Das Heer ist geschlagen. Sie kämpfen weiter. Fast aussichtslos ist der Kampf, er geht ums nackte Leben. So schlagen sie sich durch. Täglich sind sie weniger. Aber wenn sie abends das Lager ausschlagen und, gewappnet gegen Feind und Tod, beisammen sind, dann freuen sie sich, daß sie Hellenen und nicht Barbaren sind. So seid ihr!" — Ja, sie freuen sich trotz allem, daß sie „Hellenen und nicht Barbaren" und. — Gibt es keine Möglichkeit, dem Deutschtum Sloweniens freien Atemraum und damit den Weiterbestand zu sichern? Die slowenischen Zeitungen, Politiker und Faschisten sowie die jugoslawische Staatsregierung weisen immer wieder auf die slowenische Minderheit in Österreich (Kärnten) hin und behaupten: diese sei völlig entrechtet, politisch geknebelt, kulturell vergewaltigt; was den Deutschen in Slowenien widerfahre, sei nur gerechtfertigte Repressalie. Diese Anschul¬ digungen lassen sich durch keine greifbaren Angaben stützen, vielmehr gibt die Statistik ein völlig anderes Bilo. Jugoslawien sucht eben nach einem Vorwande, aus irgendeine Weise die Kärntner Slowenen zu „befreien", d. h. Südkärnten, das sich durch freie Volksabstimmung unter jugoslawischer Herrschaft (!) für Österreich entschieden hat, zurückzuerobern. Vor allem wird für den Fall des österreichischen Anschlusses ans Deutsche Reich eine „Grenzregulierung bis Kla¬ genfurt und Graz" gefordert. Die Leidenden sind aber auch hier die Deutschen Sloweniens. Kürzlich erst zieh sie der Llnterrichtsminister Stefan Raditsch der Illoyalität und machte sie, die Deutschen Sloweniens, für die Unterdrückung der Kärntner Slowenen verantwortlich. Nun wandte sich im Januar 1926 diese deutsche Minderheit an die Kärntner Landesregierung und den österreichischen Staat: Österreich möge den Kärntner Slowenen „die uneingeschränkte Möglich¬ keit der national-kulturellen Selbstbestimmung und Selbstverwaltung, die volle Schul- und Kulturautonomie gewähren". Diese ungewöhnliche Forderung findet in Österreich volles Verständnis und Österreich hat bereits seit längerer Zeit be¬ wiesen, daß es, dem Beispiele Estlands folgend, bereit ist, die Minderheitenfrage 16 im eigenen Lande in großzügiger und gerechter Weise zu lösen. Freilich knüpft sich daran die Erwartung und die zwischenstaatlichen Verhandlungen müssen die Bürg¬ schaft dafür schaffen, daß nun 8H8 in reziproker Weise den Deutschen in Slowenien gewährt, was Österreich seinen Slowenen in Kärnten gibt. Seit Jahren streben die deutschen Führer Sloweniens für ihr Volkstum die Kulturautonomie an. Sie allein kann den Fortbestand dieser schwerbedrängten Minderheit und damit auch die Zukunft der deutschen evangelischen Gemeinden in Slowenien sicherstellen. Was bedeutet nun innerhalb dieses bedeutsamen Splitters deutschen Volks¬ tums die geringe Schar deutscher Protestanten? Wie hat sich ihre Lage seit dem Llmsturz gestaltet? Wie sind ihre Zukunftsaussichten? Ihre kurze Geschichte von 70 Jahren zeigt drei Entwicklungsstufen: 1. Im 19. Jahrhundert waren es Elitegemeinden, die noch des tieferen Zu¬ sammenhanges mit dem ganzen deutschen Volksleben entbehrten: Adlige, Militär, eingewanderte Bürger, verhältnismäßig sehr viel Ausländer. 2. Lim die Jahrhundertwende griff die Los-von-Rom-Bewegung tief ins Volksleben ein. Die mit ihr zusammengehenden nationalen und politischen Kämpfe wühlten alle Leidenschaften auf. Es sah nach einer „neuen Reformation" aus. Aber sie ergriff doch nicht das Volk in der Tiefe und Breite. Die in jeder Be¬ ziehung leichter bewegliche geistige Oberschicht wandte sich vielfach dem evangeli¬ schen Glauben zu, viel weniger die alteingesessenen Geschlechter des Bürgerstandes und Landvolkes. 3. Das zeigt die dritte Entwicklungsstufe, der Llmsiurz. Die leichtbewegliche Oberschicht der Intelligenz- und freien Berufe, Beamte, Lehrer usw. wurde hin¬ weggefegt. Die Gemeinden verloren 50—60 Prozent ihres Bestandes, ja noch mehr. Heute bestehen sie meist aus Geschäftsleuten und ihren Angestellten, Ar¬ beitern, wenig Intelligenz — wie überhaupt die deutsche Intelligenz gegen früher sehr schwach geworden ist und in Zukunft noch weniger Lebensmöglichkeiten im Lande haben wird. Staatsstellungen sind dem Deutschen so gut wie verschlossen, deutsche Ärzte, Rechtsanwälte u. dgl. werden systematisch boykottiert, Techniker und ähnliche haben nur vorübergehende Beschäftigung oder können nur in deut¬ schen Unternehmungen feste Stellen bekommen, diese aber sind versorgt. Darunter leiden gerade die evangelischen Gemeinden sehr. — Aber noch immer, ja heute mehr als früher, gehören die führenden Köpfe und stärksten Stützen des Deutsch¬ tums dem Protestantismus an. Zugleich ist eine kulturelle Betätigung bei der allgemeinen Drosselung der Vereine fast nur mehr innerhalb der evangelischen Gemeinden oder in Anlehnung an sie möglich. So kommt ihnen eine zu ihrer Seelenzahl unverhältnismäßig große Bedeutung zu. Es wäre aber irreführend, die evangelischen Gemeinden nach ihrer n a ti o n a l e n Bedeutung würdigen zu wollen. So wollen sie selbst nicht gewertet sein. Jede nur irgendwie nach politischer Betätigung aussehende Haltung zöge die schlimm¬ sten Folgen für sie nach sich. Aber zwischen charaktervollem Volksbewußtsein und politischer Betätigung ist ein Unterschied. Gerade Orte, deren Pfarrer sich einst in der Vorkriegszeit im nationalen Kampfe exponiert hatten, haben bis heute unter Argwohn und Verdächtigung ihrer harmlosesten Lebensäußerungen und 17 Regungen zu leiden. Das sind Dinge, die man bei der allgemeinen Abhängigkeit nicht auf die leichte Achsel nehmen darf. Aber das Schwergewicht der evangelischen Gemeinden liegt im Religiösen. And da ist Erfreuliches zu berichten. Die Gemeinden sehen nicht nur in der Pflege des religiösen Lebens ihre selbstverständliche Ausgabe, sondern unter dem Druck und Kreuz ist wirklich das religiöse Leben erstarkt, das religiöse Verlangen heißer und lebendiger, das Gemeindeleben inniger, das religiöse und evangelisch-kirchliche Bewußtsein vertieft. — Diese Erstarkung des religiös-kirchlichen Lebens gibt den so klein gewordenen Gemeinden noch die Daseinsberechtigung. Sonst wäre wahr¬ lich die zuweilen gestellte Frage am Platze: hat es noch einen Sinn für diese Wocheiner See am Fuße des Triglaw einst deutsche Sprachinsel. wenigen Protestanten umständliche Gemeindewesen mit Pfarrämtern und allem Drum und Dran zu erhalten? Sollte man nicht die Pfarrämter Zusammenlegen? Der Amsturz bat Wunden geschlagen, die noch nicht verheilt sind und wohl nie ganz verheilen können. Als 1918 der Rückzug von der italienischen Front in wilder Auflösung gerade über Kram und Südsteiermark ging und das Land, das bis dahin zwar Kriegsgebiet, aber nicht Kampfzone gewesen war, plötzlich zum Kampffelde der beim Rückzug zusammenstoßenden verschiedennationalen Regi¬ menter wurde, als die Ausweisungen einsetzten und jeder Deutsche sich in seinem Lause, in seiner Existenz bedroht fühlte, da sahen sich auch die evangelischen Ge¬ meinden in die schlimmste Verwirrung gestürzt. Sie waren von der österreichischen Mutterkirche losgerissen, waren selbst ohne Organisation, und bei den weiten Ent¬ fernungen und der Verkehrsunsicherheit, Zensur und polizeilicher Überwachung fast ohne Verbindung miteinander. Wilde Gerüchte verstörten die ruhigsten Gemüter. 18 — Der achtzigjährige hochverdiente Kurator von Laibach, Rüting, der ein halbes Jahrhundert an verantwortlicher Stelle in seiner geliebten Gemeinde ge¬ standen war, kani nach Cilli und suchte Lilfe; er sah die Laibacher Gemeinde als säst vernichtet an und glaubte, sie könne nur bestehen, wenn sie sich in ein Vikariat von Cilli umwandle. Im Januar 1919 wurde Pfarrer O. Mahnert infolge einer Grabrede, die die neuen Verhältnisse nicht in Rechnung stellte, sirr 11 Tage in Untersuchungshaft genommen, und als später in derselben Sache gegen ihn die gerichtliche Verhandlung angeseht wurde, floh er vor der drohenden Verurteilung nach Österreich. Die Gemeinde Marburg und ihre Stationen blieben der Obhut eines jungen, noch ungeprüften Kandidaten überlassen, dem nun bis zum August 1920 unter unendlich erschwerten Verhältnissen die Last der Arbeit und Verant- Senior und Pfarrer a. D. Fritz May-Cilli. Wortung, die früher 3—4 Geistliche getragen hatten, ausgebürdet war. Das Schicksal wollte es, daß ab 1919 in keiner derGemeinden noch ein Geistlicher aus der Vorkriegszeit vorhanden war, der mit der Entwicklung der Dinge, mit den örtlichen Verhältnissen und Bedürfnissen und der,ganzen schwierigen Lage vertraut gewesen wäre, mit Ausnahme des durch sein schweres Leiden (multiple Sklerose) an den Beinen gelähmten Pfarrers Frih May in Cilli. Dieser nahm, obwohl er sich zu allen Amtshandlungen — selbst auf die Kanzel — tragen lassen mußte und an feinen Krankenstuhl gefesselt war, mit Entschlossenheit und Zielbewußtsein die Organi¬ sierung der mutterlosen, ganz auf sich gestellten Gemeinden in die Land. Die Re¬ gierung hatte den Verkehr mit der österreichischen evangelischen Kirche untersagt, der Briefverkehr mit dem Auslande wurde völlig eingestellt, selbst der Zugsverkehr mit dem Auslande war für Monate gänzlich unterbrochen. So suchte man Fühlung mit den großen protestantischen Gemeinden im Osten, die einst zur ungarländischen Kirche gehört hatten, und mit den bosnischen Kolonien; — aber von dort war keine Förderung zu erwarten, auch dort war die Lnlf- und Ratlosigkeit groß. 19 Nur wer alles selbst miterlebt hat, kann die Schwierigkeiten und Gefahren ermessen, unter denen diese mühselige Arbeit vor sich ging: dauernd von Aus¬ weisung oder Verschleppung ins Gefängnis bedroht, jeder Schritt beargwöhnt und aufs schärfste überwacht, jede Predigt, jede Grabrede von Spionen belauscht, die einzelnen Gemeinden 60 Kilometer und weiter voneinander entfernt. Dabei konnte man zeitweise nur mit behördlicher Erlaubnis reisen. Dennoch gelang es der unermüdlichen Lingabe der führenden Männer (außer Pfr. May der junge überaus rührige Pfr. Ino. Or. Schneider-Laibach und die Kuratoren Rüting- Laibach und Or. Fritz Zangger-Cilli) am 29. Juni 1919 das „Seniorat der deut¬ schen evangelischen Gemeinden in Slowenien" zu gründen. Pfarrer Fritz May wurde der erste Senior und trug dies verantwortungsschwere Amt trotz seines zunehmenden Leidens bis 1925. Da legte er, der inzwischen an Beinen, Länden und Zunge gelähmt worden war und nur in mühsamster Anstrengung von seinem Leidenslager aus die Entwicklung verfolgen, beraten und lenken konnte, sein Amt zurück. Der neue Marburger Pfarrer Ioh. Baron, ein Schwabe aus der Batschka, wurde sein Nachfolger im Senioramte. Zufammenfassend kann man sagen: sah auch zunächst alles nach Vernichtung aus, so haben die 7 Jahre unter zielbewußter Führung und treuem Zusammen¬ stehen eine starke Festigung gebracht. Die bösesten Sturmzeiten sind überstanden^ die gefährlichsten Klippen sind umschifft, das schwache Fahrzeug hat sich wacker gehalten und hat jetzt — wie man hoffen darf— ruhigeres Wasser vor sich. And ist auch vieles in den Stürmen über Bord gegangen, so hat man neue Segel auf-- gesetzt und schaut mit neuem Mut, wenn auch nicht ohne Besorgnis in die Zukunft. Die Stellung zur evangelischen Landeskirche Jugoslawiens ist durch die geschichtliche und geographische Lage gegeben. Die Mehrzahl der Protestan¬ ten sitzt in der Woiwodina (ehern. Südungarn), 20 — 24 Eisenbahnstunden von Slowenien entfernt. Sie sind schwäbische Kolonisten, Landgemeinden, deren ge¬ ringe Intelligenz größtenteils magyarisch gesinnt war. Die Gemeinden in Slo¬ wenien sind Stadtgemeinden, kulturell weit vorgeschritten und in diesem natio¬ nalen Kampfgebiet seit jeher entschieden deutsch gesinnt. Dort ist man von Ar- vätertagen her evangelisch und von strengem Konsessionalismus (mehr als ein¬ mal weigerte sich ein reformierter Vater seine Tochter einem Lutheraner zur Frau zu geben und umgekehrt) — hier in Slowenien sind es meistens Neuübergetretene, so haß der Gegensatz zwischen Lutherisch und Reformiert ganz zurücktritt vor dem Gegensatz zu Rom. Nicht nur infolge der Kampfesstellung in den Los-von-Rom- Gemeinden und aus Opportunismus stehen Reformierte und Lutheraner brüder¬ lich nebeneinander, sondern die ganze religiöse Einstellung ist mehr auf das Ge¬ meinsam-Evangelische als aus das konfessionell Trennende gerichtet. — Anter solchen Amfländen konnte sich noch kein einheitliches Kirchenleben und wirklich tragendes Gemeinbewußtsein bilden und den Protestanten Sloweniens blieb ihre Sonderstellung und Entwicklung ungestört. Dazu kommt, daß sich die lutherische Kirche in 8A8, der sich die Gemeinden Sloweniens trotz ihres konfessionell ge¬ mischten Charakters bisher angeschlossen haben (das reformierte Seniorat in der Woiwodina ist überwiegend magyarisch), bis zum heutigen Tage noch nicht zu organisieren vermocht hat. Die konstituierende Synode trat im April und im Oktober 1926 zu den ersten Verhandlungen zusammen; doch die Sanktionierung 20 der neuen Kirchenverfassung durch Skuptschina und König steht in weiter Ferne. Aber das bisher größte Ereignis, die Spaltung in einen slowakischen und einen nichtslowakischen „Distrikt" hat eine gewisse Klarheit geschaffen. Die Stellung zum Katholizismus ist ruhiger als in den heißenKampfes- tagen der Los-von-Rom-Bewegung. Verschiedene Gründe spielen mit. Zunächst: die evangelische Kirche kann infolge der neuen Verhältnisse nicht wie einst Mission und Propaganda treiben. Jede Arbeit, die irgendwie als Verquickung mit poli¬ tischen Motiven gedeutet werden könnte, muß vermieden werden. Was sie tut, geschieht im Verborgenen, so daß sie der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zwar nicht entschwunden, aber einigermaßen entzogen ist. Wer dies Feigheit schelten mag, tue es: er sitzt sicher. -— Sodann: die römisch-katholische Kirche hat nicht mehr die Oberhand wie im alten Österreich. Durch die innerpolitische Entwicklung sind die Slowenen politisch kaltgestellt, die Serben geben den Ton an; ja, die Slo¬ wenen, vertreten durch die klerikale „slowenische Volkspartei" haben dauernd Ur¬ sache jämmerliche Klage über ihre nationale Unterdrückung durch die Serben zu erheben (ünterdrückung der Slowenen durch die Serben!). Dabei ist die katholische Kirche selbst in die zweite Reihe gedrängt. Orthodox ist Trumpf. Nichtsdesto¬ weniger kommen noch Fälle gehässiger Anduldsamkeit (Anweisung der Grabstätte im Selbstmörderwinkel) vor. Auch wärmt die Presse die alten Geschichten von den „Pastoren" als pangermanische Agitatoren gerne wieder auf und stört damit, natürlich mit vollbewußter Absichtlichkeit, die erwünschte Beruhigung der Gemüter. Das Auftauchen der orthodoxen Kirche, die Bildung von orthodoxen Ge¬ meinden durch die Zuwanderung serbischen Militärs und serbischer Beamter, die durch eine eigentümliche Ehescheidungspraxis — über die geltenden österreichischen Gesetze wird großzügig hinweggegangen — und durch Übertritte aus nationalen Gründen wachsen, hat ein neues, srüher unbekanntes Problem gebracht: die Stellung zur orthodoxen Kirche. Die in den östlichen Ländern traditionelle Freundschaft zwischen Orthodoxen und Protestanten schien den Weg zu weisen. Schon um an den serbischen Machthabern einen Rückhalt zu haben, war man da¬ zu bereit. ünd sicher ist das morgenländische Christentum dem Protestanten sym¬ pathischer als das römische. Man gewährte daher den neu sich bildenden Gemein¬ den Gastfreundschaft in den evangelischen Gotteshäusern, wenn auch unter allerlei Sicherstellungen, und brachte die höfliche, traditionell-freundschaftliche Kaltung bei verschiedenen Anlässen zur Geltung. Aber die Gerüchte wollten nicht ver¬ stummen, daß man von der anderen Seite kurzerhand die evangelischen Kirchen für die orthodoxen Gemeinden beschlagnahmen und enteignen wolle. Diese Ge¬ rüchte entbehrten nicht irgendeiner Grundlage. Dazu hatte man allerorts die Bei¬ spiele, daß nur die Faust des Stärkeren galt. — Immerhin scheint diese Gefahr heute gebannt zu sein. Die Stellung zum Staate. Von offizieller evangelischer Seite befleißigt man sich voller Loyalität. Von feiten des Staates ist das Verhältnis kühl-korrekt zu nennerL). Liebeserklärungen sind nicht möglich. Daß Übergriffe und Verge- 1) Immerhin wurde die Verselbständigung der Gemeinde St. Egydi i. d. Windischen Büheln mehrfach abgeschlagen, ja nicht einmal gestattet, daß ein Vikar oder Diakon seinen ständigen Wohnort dort nähme; angeblich sind politische und militärische Gründe für dieses Verbot ma߬ gebend: St. Egydi ist Grenzort gegen Deutsch-Österreich. 21 Waltigungen verkamen, ist vielleicht aus der unruhigen Zeit zu begreifen : Haus¬ durchsuchungen in Pfarrhäusern und Kirchen, angedrohte Ausweisung, Verhaf¬ tung und Geiselverschleppung der Geistlichen usw. Schlimmer war die Verwü¬ stung in Kirche und Pfarrhaus zu Mahrenberg durch serbisches Militär zur Zeit der Kärntner Abwehrkämpfe, vor allem aber die Sequestration des dortigen Gemeinde- und Pfarrhauses, wobei der Beamte zugleich Gemeindevermögen, Kassebücher, Bargeld und Wertpapiere beschlagnahmte. 1925 stellte sich endlich heraus, daß diese Sequestration als privater Übergriff eines Dorfpaschas erklärt wird (was schwer zu glauben ist, da seitens der Bezirkshauptmannschast und Landesregierung Akte darüber an Pfarr- und Senicratsamt gesandt wurden). Die Sequestration wurde, also aufgehoben, bezw. für nicht bestehend erklärt, aber Geld und Wertpapiere bleiben verschwunden. — Ein Staatspauschale wie in Österreich wird nicht bezahlt. Staatliche Teuerungszulagen — so gering sie auch waren — entfallen jetzt völlig. — Die Beziehungen zum Staat beschränken sich auf den amtlichen Verkehr (die Pfarrämter sind zugleich Standesämter, die Geistlichen Matri'kelführer) und auf die Feier der 6 vorgeschriebenen Staats¬ feiertage: Tag der Befreiung und Einigung (1. Dez.), Geburtstag des Königs (17. Dez.), der Königin (9. Ian.) und des Kronprinzen (6. Sept.), Vidovdan (Veitstag, Niederlage der Serben auf dem Amselfeld, 28. Juni) und neuerdings Cyrill und Method (24. Mai), der trotz wiederholten Protestes von evangelischer Seite auf Befehl der Regierung gefeiert werden muß. Das kirchlich religiöse Leben — so konnte bereits oben gesagt werden — ist erstarkt. Immerhin sind gerade hier der Schwierigkeiten übergenug und manches Schmerzliche darf nicht übergangen werden. Der Kirchenbesuch ist gut, verhältnis¬ mäßig stärker als früher. Aber ist es nicht schmerzlich, wenn in Kirchen mit 300 Sitzplätzen nur durchschnittlich 40 Personen zum Gottesdienste kommen? Lind doch ist dies bei einer Gesamtzahl von 150 Seelen am Orte ein hoher Prozent¬ satz zu nennen. Nur an Festtagen und bei besonderen Anlässen füllt sich die Kirche durch zahlreiche Katholiken beider Nationen. Erfreulich ist besonders die wach¬ sende Beteiligung an den Abendmahlsfeiern. Dies sind beachtenswerte Zeichen, handelt es sich doch um Los-von-Rom-Gemeinden, in denen kirchliche Sitte und Gewöhnung nicht bestand. Übergetretene, die als Katholiken seit ihrer Trauung ihre Kirche nicht von innen gesehen hatten, finden nur allmählich den Weg und das Verständnis für evangelischen Gottesdienst und Gemeindeleben. Die Zahl der Übertritte hat im Verhältnis zu früher stark abgenommen, während doch in Österreich und in der Tschechoslowakei die Äbertrittszahlen der Nachkriegszeit die der Vorkriegsjahre zum Teil bedeutend übersteigen. Die Zahlen von 1918/19 übertreffen zwar auch hier die irgendeines Los-von--Rom- Jahres. Das war eine Folge des Umsturzes und der nationalen Unterdrückung seitens der slowenisch-klerikalen Partei. Die Llrsache dafür, daß die Zahlen später zurückgingen, ist vor allem darin zu suchen, daß die Bevölkerungsschichten, die zum Übertritt geneigt sind, fast fehlen oder eben bereits übergetreten sind. Ferner haben die einzelnen infolge der Politisierung und Überwachung des ganzen Lebens mit Hemmungen und Hindernissen zu kämpfen, wie sie früher zwar auch, aber lange nicht in dem gleichen Maße bestanden (Rücksicht aus Arbeitgeber, Geschäft und Kundschaft, politische Machthaber usw.). Die sogenannten „Dispensehen" 22 (Wiederverehelichung katholisch Getrauter und dann Geschiedener, die erst nach dem Übertritte, niemals aber katholisch möglich ist), durch die in Österreich manche Gemeinde starken Zulauf erhielt, gab und gibt es in 8 bl 8 nicht, so daß auch dieser — freilich nicht immer rühmenswerte — Zuwachs fehlt. — Immer noch aber übertrifft die Zahl der Übertritte die der Austritte. Der Pflege des Gemeindelebens dienen die regelmäßigen Gottesdienste und Kindergottesdienste, Bibelstunden, Familienabende, Vorträge verschiedener Art, Gesangsübungen, die Sammlung und Pflege der Heranwachsenden, schulentlassenen Jugend. Gerade dies letzte ist eine Arbeit von ganz besonderer Wichtigkeit, da die Jugend in slawischen Schulen erzogen wird und überall, in und außerhalb der Schulen, slawischer Beeinflussung ausgesetzt ist. Dadurch droht die Gefahr, daß sie dem deutsch-evangelischen Leben ganz entfremdet wird. Es werden der jungen Burschen und Mädchen immer mehr, die ohne Verständnis die Forderung und Mahnung anhören, daß man an seinem Volkstum sestzuhalten habe, auch wenn es Nachteile bringe. Für sie ist deutsches Volkstum kein Gut mehr, für das es sich lohnt Opfer zu bringen. Gott sei Dank, nicht alle denken so, aber wie gesagt, es droht die Gefahr, daß dieser Geist um sich greift. — Mit dem Verlust des an¬ gestammten Volkstums aber geht auch das Verständnis für die Kraft und Eigen¬ art des evangelischen Glaubens nur zu oft verloren. Was bedeutet ihnen dann noch der Glaube Luthers, wenn ihnen die Sprache Luthers fremd oder gar ver¬ haßt geworden ist! And als Luthers Glaube, nicht als PrimoL Trubars Glaube, lebt der Protestantismus in Slowenien. — So wird denn die Jugend zu geselligen Stunden, zu Vorträgen, Beschäftigung, Gesang u. dgl. gesammelt. Für alle diese Arbeiten sind die Gemeindesäle geradezu unentbehrlich. Denn immer seltener können die Gemeinden, wie es einst Sitte war, in die großen öffentlichen Säle gehen, sei es, daß es keine deutschen Säle mehr gibt, sei es, daß man sich dort nicht sicher sühltP Aus dieser Einsicht ist die Gemeinde Marburg im Äerbste 1925 daran gegangen, trotz drückender Schulden die Pfarrkanzlei zu einem größeren Gemeindesaale auszubauen. Laibach hat um die gleiche Zeit nach jahrelangen Bemühungen seine von der Behörde beschlagnahmten Räume freibekommen. Mahrenberg und Cilli haben stets ihren Gemeindesaal aufs eif¬ rigste benützt. Pettau ist verwaist und obdachlos: es hat seit 6 Jahren keinen eigenen Geistlichen, hat weder Kirche noch Gemeindehaus, noch auch nur einen eigenen Saal, sondern muß sich mit der Gastfreundschaft eines Gesangvereins, in dessen Abungszimmer, genügen lassen. — St. Egydi, die Schwabenkolonie in den Windischen Büheln, hatte schöne Pläne zu einer „Lutherkirche", das Grundstück ist gekauft, aber der Krieg vereitelte alle Pläne. Ja, Egydi verlor seine Gottesdienststätte im „Südmarkhos", als dieser geraubt wurde. Jahrelang sanden die Gottesdienste in engen Bauernstuben oder in oft allzu luftigen Scheunen statt, bis eine der Familien, die bereits seit Jahr und Tag dem Geistlichen freie Station gewährt, in seltener Opferbereitschaft ein Blockhaus zur Verfügung stellte, in dem sich die Egydier einen Betsaal einrichteten (1921). — Cilli beab¬ sichtigt in seinem Gemeindesaale einen deutschen evangelischen Kindergarten zu er- 1) Sv wurde, als im Januar 1926 die Marburger Gemeinde einen Saal mieten wollte, als Sicherstellung gegen eventuelle Bombenwürfe und Zerstörungen eine Kaution von 100 000 Dinar (d. s. 7400 Mark) gefordert. 23 öffnen. Trotz aller Bemühungen seit Jahr und Tag war es bis jetzt nicht möglich, die Schwierigkeiten, die seitens der Behörden mit fadenscheinigen Gründen gemacht werden, zu überwinden. Die Arbeit der Inneren Mission sand in diesen Gemeinden immer Unter¬ stützung. Früher waren in verschiedenen Gemeinden Diakonissen tätig. Leider Bethaus in St. Egydi. macht der Geldmangel trotz dringenden Bedürfnisses die Erhaltung von Schwe¬ stern unmöglich. — Mehrfach hatte man die Gründung eines Kinderheimes, Waisenhauses, Erziehungsheimes in Aussicht genommen, widrige Amstände ließen nichts zur Ausführung kommen. — Was die noch bestehenden Frauenvereine in der Armenpflege leisten, ist erstaunlich. Der jugoslawische Diakonieverein mit seinem Diakonissenhaus, Altersheim usw. (jetzt in Neuwerbas) wurde von einem 24 ehem. Pfarrer dieses Seniorates (Rihner aus St. Egydi) gegründet und findet in diesen Gemeinden noch immer eifrigste Förderung, ja, man hofft, einen Teil der Arbeit aus der heißen, staubigen Batschka in die gesündere Berg- und Waldluft Steiermarks verlegen zu können. — Wie fo vielen anderen Vereinen machte der Amsturz auch der Tätigkeit der Ortsgruppen des Evangelischen Bundes und des Gustav Adolf-Vereins (Zweigverein Südöfterreich) ein jähes Ende. — Am auch hier nicht auf Ruinen zu klagen, sondern die verbliebenen Trümmer zu einem Neubau zu verwenden, ist man an die Gründung eines „Protestantisch¬ kirchlichen Enlfsvereins" geschritten, dessen Satzungen im Februar 1926 end¬ lich genehmigt wurden. Er will in einem volkstümlichen Werke das ganze Betsaal im Blockhaus St. Egydi. deutsch-evangelische Kirchenvolk Sloweniens zur Selbsthilfe sammeln und vor allem der dringendsten Not steuern, der Not der eigenen Diaspora. Ende 1926 hatte er bereits 386 Mitglieder und 15 848 Dinar (1200 RM) Einnahme. Was den besonderen Charakter und die besondere Not dieser Gemeinden ausmacht, ist ihr ausgesprochener Diasporacharakter. Jede der Pfarrgemeinden hat ihre Glieder über mehrere tausend Quadratkilometer verstreut. Als Beispiel sei die kleinste der Gemeinden angeführt: Cilli hat 345 Seelen, davon 151 in der Stadt, 62 in 6 Orten der näheren, zu Fuß erreichbaren Amgebung, 130 in 28 Ortsgemeinden über 2800 Quadratkilometer verstreut. Der Pfarrer hat in¬ nerhalb des Gemeindegebietes auf Amtsreisen 1921: 3385 Icm, 1922: 3231, dazu jährlich noch rund 1500 Irin zu Rad zurückgelegt. 1925/26 sind Religions¬ schüler an 9 verschiedenen Orten, die 18—72 Icm vom Pfarrort an 4 verschiedenen 25 Evangelische Kirche und Pfarrhaus in Lilli Eisenbahnlinien liegen, so daß höchstens je 2 Orte zusammen an einem Tage besucht werden können. Ein Ort ist erst nach 18 km Eisenbahnfahrt und 17 km Fußmarsch zu erreichen, ein anderer nach 12 Eisenbahnkilometern und 21 km Fußweg. 1925 waren 9 Konfirmanden an 6 verschiedenen Orten, also in sechs¬ fachem Konfirmandenunterricht, vorzubereiten. Jeder, der in der Diaspora ge¬ arbeitet hat, kennt diese Not, diesen Aufwand an Kraft, Geld und Zeit, den solche Arbeit erfordert, und wobei man sich immer wieder seufzend fragt: lohnt es sich? Für die meisten liegt die Kirche unerreichbar weit. In den meisten Orten aber sind es zu wenige, als daß dort eigene Gottesdienste abgehalten werden könnten, auch wenn man mehrere Orte zusammenlegte. Die meisten der einst blühenden Predigtstationen sind eingegangen. Gerade nur die Gemeinde Cilli konnte zu Weihnachten 1925 eine neue Predigtstelle irr dem Industrieort Lrastnik an der Save errichten und Marburg zu Ostern 1926 in Maria Rast a. d. Drau. Es ist fast unmöglich, daß der Pfarrer alle Gemeindeglieder auch nur ein¬ mal im Jahre aufsucht: zu groß sind die Entfernungen, zu verstreut wohnen die einzelnen. Ein Motorrad oder Kleinauto wäre am Platz, aber die Anschaffungs¬ kosten sind zu hoch. And doch sind gerade die Besuche der einzelnen von größter Wichtigkeit. Oft sind sie die einzigen Protestanten und zugleich einzigen Deutschen weit und breit, angefochten, abhängig von der Gunst der Nachbarn, ohne Zu¬ sammenhang mit dem deutsch-evangelischen Leben. Diese Vereinzelten gehen am leichtesten für Volkstum und Glauben verloren, gar noch, wenn sie etwa Äber- getretene sind, die sich noch nicht im neugewählten Glauben eingelebt und gefestigt haben, oder in gemischter Ehe leben, sind sie der Gefahr ausgesetzt, durch Über¬ redung oder auch wirklich religiöses Anlehnungsbedürfnis für die evangelische Kirche verloren zu gehen. Da gibt es Altprotestanten, die aus Deutschland zu¬ gewandert sind; die evangelische Kirche können sie nicht aufsuchen, weil sie zu weit liegt; so geben sie zuweilen zur katholischen Kirche des Ortes zur fremden Messe und unverständlichen, weil slowenischen Predigt. „Ich kann doch in der Kirche besser beten als daheim" entschuldigen sie sich und fragen unter Gewissensbissen ihren Pfarrer beim nächsten Besuch, ob denn das auch nicht Anrecht wäre? Die Kinder aber, welche ihre katholischen Altersgenossen allsonntäglich zur Kirche gehen sehen, fragen mit ängstlichem Zweifel im Lerzen: „Sind wir Evangelischen so arm, daß wir keine Kirche haben?" — Wie gerne nähme sich der Geistliche gerade der Verstreuten mehr an. Nirgends ist man dankbarer für sein Kommen, nirgends wird er freudiger ausgenommen als bei den Vereinsamten. Aber wenn der Pfarrer nicht nur Seelsorger und Prediger, sondern zugleich Standesbeamter und Matrikelsührer ist, dazu an seinem Pfarrort 10 — 18 Wochenstunden Reli- gions- und Konfirmandenunterricht zu erteilen hat, überdies an verschiedenen Außenstationen unterrichten soll, so kann er unmöglich allen Ausgaben gerecht werden; selbst wenn er jede Woche einige Tage unterwegs ist, kann er oft nur einmal im Monat in die Außenstationen kommen. Wenn da nicht verständnis¬ volle Eltern oder ältere Geschwister nachhelfen, ist der Lehrerfolg höchst zweifel¬ haft. Ost aber können die Eltern, selbst ungebildete Leute oder Übergetretene, gar nicht unterrichten. Läufig hören die Eltern demünterricht zu,religiöseBesprechungen und Lausandachten schließen sich zuweilen an solche Religionsstunden an. And eine besondere Not dieser Diaspora ist's, daß es Protestanten gibt, die 27 aus mancherlei Rücksichten sich nicht als Protestanten zu bekennen wagen, meistens bangen sie um ihre Existenz. Sie sind vielleicht sogar dem Pfarrer bekannt, aber der Pfarrer wird flehentlich gebeten „sie nicht zu kennen". Da mag es bitter in einen: aufsteigen: „Wer mich verleugnet vor den Menschen. . ." Aber wer darf verurteilen? Wer hat noch niemals seinen Äeiland verleugnet, vielleicht ohne daß er seine Existenz bedroht sah? „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein." Aus dieser Diasporanot heraus gibt das Seniorat „Flugblätter der deut¬ schen evangelischen Gemeinden'in Slowenien" aus, wie sie schon 1919/20 er¬ schienen waren. Sie enthalten alles Wissenswerte aus dem Gemeindeleben und praktische Mitteilungen. Es soll vor allem den Auswärtswohnenden von ihrer Gemeinde Positiveres zugehen als nur die Zahlungsaufforderung. Darum gehen diese Flugblätter grundsätzlich kostenlos allen Mitgliedern und Freunden zu (herausgegeben und zu beziehen vom Evang. Pfarramt in Cilli/Celje). Die schlimmste Not ist das Schul elend. Das ist die schmerzlichste Wunde an: vielgemarterten Leib des Deutschtums in Slowenien. Von dieser Seite her ist auch die Zukunft der deutsch-evangelischen Gemeinden am fühlbarsten bedroht. Minderheitenschulen sind zwar durch das Minoritätenschutzgesetz gewährleistet. Aber die Einhaltung ist ein Lohn darauf. Südsteiermark hatte 1918 noch 71 deutsche Volks- und Bürgerschulen mit zusammen 265 Schulklassen, außerdem 3 vollständige Gymnasien, 1 Ober-Realschule, 2 Lehrer- und Lehrerinnenseminare. Ende 1925 gab es auf demselben Gebiet noch insgesamt 7 deutsche Schulklassen, nämlich Parallelklassen an slowenischen Schulen mit teilweise slowenischem Anter- richt (6 Klassen in Marburg, 1 in St. Egydi). Mit allen Mitteln werden die deutschen Klassen abgebaut. Nicht die Eltern, sondern die staatlichen Behörden bestimmen die Nationalität der Kinder. Wenn ein Teil der Großeltern (!) vermutlich slawischer Herkunft war, wie es im ge¬ mischtsprachigen Lande leicht vorkommt, gilt das Enkelkind als slawisch. Der Um¬ stand, daß ein Kindesvater als pensionierter Beamter eine jugoslawische Staats¬ pension bezieht, ist Grund genug, das Kind aus der Minderheitsklasse auszu¬ schließen, denn in diesem Falle gilt das Kind nicht als deutsch, sondern als slawisch — weil eben der Vater eine Pension vom Staate 8118 genießt. (Der Vater aber mußte — so kam es vor — seinen Dienst quittieren, weil er als Deutscher die Staatssprache nicht genügend beherrschte.) Die Folge ist: kein Deutscher kann eine Staatsstellung annehmen, ohne damit sein Volkstum praktisch aufzugeben, und zwar nicht etwa nur für seine Person, sondern zugleich für seine ganze Fa¬ milie. Infolge solcher Maßnahmen wurde Mitte Oktober 1925 die letzte deutsche Parallelklasse in Pettau geschlossen, Ende Oktober wurden die ersten 3 Volks¬ schulklassen in Marburg zu einer einzigen zusammengezogen und der Lehrersolg dadurch aus ein Minimum herabgedrückt. 50 Kinder waren angemeldet, 30 wurden als „Slowenen" in die slawischen Klassen geschickt. Daün ist die vorgeschriebene Mindestzahl von 30 nicht erreicht und auch der Rest deutscher Kinder muß in die slawische Schule. Die Kinder kommen aus der Schule und haben nie ein Wort von Goethe oder Schiller gehört, dafür halten sie Prescheren für den größten und tiefsten Geist der Weltliteratur. Wie sollen die einmal lebendigen Anteil an der deutschen Kultur nehmen und deutschen Geist im fremden Lande vertreten? Wenn beim 28 einfachen Volk noch etwas Hochachtung vor deutscher Kultur aus eigener An¬ schauung da ist, so beruht sie auf den (natürlich mit slowenischem Text) gespielten Kinofilmen, wie „Nibelungen" und „Kraft und Schönheit". Deutsche Kultur! Der evangelische Religionsunterricht ist noch deutsch. Aber die Kinder können großenteils nicht mehr deutsch lesen und schreiben. Sie sprechen zwar noch mit den Eltern daheim deutsch. Aber vielbeschäftigte oder mangelhaft gebildete Eltern sind nicht fähig, ihren Kindern deutsches Lesen und Schreiben beizubringen. So können die Kinder die Fraktur der Biblischen Geschichten, des Katechismus und Gesang¬ buches nicht mehr enträtseln. Der Pfarrer bringt ihnen mühsam im Religions¬ unterricht etwas Deutsch-Lesen bei. Dann diktiert er ihnen und ist entsetzt. Deutsche Kinder von zehn, zwölf Jahren schreiben, natürlich in Lateinschrift und nach slowenisch-phonetischer „Rechtschreibung z. B. die Anfangsworte des Liedes : „Herr, dein Wort die edle Gabe..." folgendermaßen: Aor dujn vort cli sdlo Zallo dmon 8uo orllullo mir, den ill oij 68 alor llaba und dsm Zession rujllinrn kir . . . Deutsche Kinder schreiben, wie es ihnen in der Schule besohlen wird, ihre Namen ,,i7ris (Fritz), „Aujns" (Heinz), ,,ViIjsm" (Wilhelm). Es ist zum Verzweifeln! Man fragt: muß es so sein? Warum errichtet ihr keine Privatschulen? And man erhält die Antwort: Die Errichtung von Privatschulen, welche nach Art. 67 des Friedensvertrages von St. Germain gestaltet wäre, ist durch Art. 14 der Staatsverfassung und durch das staatliche Volksschulgesetzunmöglich gemacht: das gesamte Schulwesen ist verstaatlicht, bestehende Privatschulen wurden auf¬ gehoben, Neugründungen sind verboten. Aber auch ausgedehnterer Privatunter¬ richt ist untersagt. Wenn mehr als drei Kinder gemeinsam unterrichtet werden, ist man strafbar. Die wenigsten haben die Mittel für Privatunterricht. Selbst¬ verständlich sollen die Kinder die Staatssprache lernen. Gerade in dieser Be¬ ziehung hat man früher deutscherseits viel versäumt. Aber das Elternhaus kann in den meisten Fällen den verderblichen Einfluß der Schule und ihre starke politisch tendenziöse Bearbeitung der Kinderseelen nicht mehr paralysieren. And man bedenke gar die moralische Zwiespältigkeit, die schon ins Kinder¬ gemüt gebracht wird, wenn es daheim deutsch, in der Schule slawisch beeinflußt wird, ohne den Grund zu verstehen. Kinder kommen heim und wollen nicht mehr deutsch sprechen. „Mutter, schäm dich, du kannst nicht slowenisch. Heute sprechen die besseren Leute nur mehr slowenisch." Oder: „Vater, warum darf ich beim Sokolsest nicht mitsingen?" — Du bist ein Deutscher. — „Warum muß ich ein Deutscher sein, ich möcht aber so gern mitsingen." — Endlich, nach vielen Erklärungsversuchen sagt der Siebenjährige: „Ja, in Graz möchte ich schon ein Deutscher sein, aber hier möchte ich lieber ein Slowene sein." — Oder: Ein Drei¬ jähriger, dessen Vater Kroate und Staatsangestellter, dessen Mutter Siebenbürger Sächsin ist, sagt auf die Frage: wie heißt du? „Ich bin der Hinko". Die Mutter drauf: „Diesem Onkel kannst du schon sagen, wie du wirklich richtig heißt." Der Kleine sagt strahlend: „Ich bin der Heinzi." — Welcher Zwiespalt, welche un¬ heilvolle Belastung für die Kindesseele. Wie oft ist der Erwachsene gezwungen. 29 sein Herz zu verbergen. Es ist schwer. Aber wenn schon die Kindesunschuld ver¬ giftet wird, wohin soll das sichren? — Ein tiefblickender Pfarrer Österreichs sagte: Es besteht für die Deutschen in diesem Gebiet die gleiche Gefahr wie für die oberösterreichischen Bauern, die während der Gegenreformation durch Heim¬ lichkeit und Verstellung ihren Glauben erhalten haben: daß ihnen durch das er¬ zwungene Doppelspiel eine undeutsche Verschlagenheit, Doppelzüngigkeit und Doppelsinnigkeit zur zweiten Natur wird. Für Eltern, die ihre Kinder deutsch und rein erhalten wollen, ist das Aus¬ harren unendlich schwer gemacht. — And auch die Zukunft der deutschen evange¬ lischen Gemeinden hängt davon ab, ob das Minderheitenproblem auch in Slo¬ wenien im Sinne der oben angedeuteten Kulturautonomie gelöst wird oder nicht. Daß dabei die vielen vereinzelten Familien im Lande leer ausgehen, ist schmerzlich aber nicht zu vermeiden. Die wirtschaftliche Lage der Gemeinden ist durch die Folgen desAmslurzes bestimmt. Die Abwanderung von mehr als der Hälfte der Gemeindemitglieder, die Geldentwertung und die Absperrung vom Auslande drohten katastrophal zu werden. Seit jeher waren die Gemeinden vom Auslande stark unterstützt worden. Nur Laibach hatte, nachdem es von dem furchtbaren Erdbeben 1895 heimgesucht worden war, wobei Kirche und Pfarrhaus schwer gelitten hatten, so viel Gaben aus aller Welt erhalten, daß es für lange Zeit der Auslandhilse nicht mehr be¬ durfte. Die anderen Gemeinden aber waren, zumal in der Zeit der Organisierung und Ausbreitung, auf die glaubensbrüderliche Hilfe angewiesen. An erster Stelle unter den Helfern stand der Gustav Adolf-Verein. In der Los-von-Rom-Be- wegung übernahm der Evangelische Bund die Pflege der meisten Gemeinden. In manchen Gemeinden deckte die Auslandshilse 60—80, zuweilen noch mehr Prozent der Ausgaben. Nur auf diese Meise war es möglich, daß in verhältnis¬ mäßig kurzer Zeit ein so reichgegliedertes Gemeindeleben aufblühen, eine so viel¬ fältige Diasporapflege, die infolge der weiten Entfernungen sehr kostspielig ist, eine Reihe von Bauten, ber Ankauf von Grundstücken für geplante Kirchen usw. durchgeführt werden konnte. Denn es waren junge Gemeinden, ohne Einkünfte aus Grundbesitz, Vermögen, Stiftungen oder Fonds. Die staatliche Beihilfe war ganz gering, der Gemeindehaushall mußte durch freiwillige Beiträge der Mitglieder, die auf Grund einer Selbsteinschätzung nach einem Schlüssel geleistet wurden, und eben durch die Auslandshilse gedeckt werden. Noch im Kriege mußte der Evangelische Bund seine Beihilfen zum Teil ein¬ schränken. Da setzte wieder kraftvoll und großzügig die Hilfe des Gustav Adolf- Vereins ein und schuf Ersah, so weit und so lange es möglich war. Aber der Am- sturz zerriß die Verbindung mit dem Ausland, ja mit dem nunmehr „feindlichen" Auslande ward sie untersagt. In Deutschland kam die Inflation: bald überstieg das Porto der Dankbriefe und Empfangsbestätigungen den Wert der Spende. Wohl waren Amerika und die Schweiz in die Bresche getreten, doch konnten sie beide den Ausfall keineswegs wettmachen. — Die Gemeinden aber waren selbst verarmt. Anter dem Drucke der österreichischen Regierung hatten sie ihre geringen, mühsam gesammelten Fonds (z. B. Pfarrbesoldungsfonds) in Kriegsanleihe an¬ gelegt. Die Kriegsanleihe jedoch wurde vom jugoslawischen Staate gar nicht an¬ erkannt. Die Geldentwertung verschlang Papiere und das wenige Bargeld. Der 30 neue Staat zahlte keine Anterstützungen. Viele der zahlungskräftigsten Gemeinde¬ glieder wanderten aus und die zurückgebliebenen litten unter der schlimmen Wirt¬ schaftslage in dem von seinem bisherigen Wirtschaftsgebiet abgeschlossenen Slo¬ wenien. Die Gemeinden standen vor der Schicksalsfrage: entweder zugrunde zu gehen oder durch beispiellose Opfer sich selbst zu erhalten. Der jahrzehntelange nationale Kampf hatte dauernd Opfer gefordert und eine seltene Opferwilligkeit erzogen. Die evangelischen Gemeinden waren das Letzte, das den Sturm der Amfiurzjahre überdauert hatte. So wurden die ge¬ forderten Opfer gebracht. Dabei ist zu bedenken, daß die Gemeinden bereits vor dem Kriege aufbrachten, was irgend möglich war. Die wirtschaftliche Kraft der meisten ist durch die fort¬ währenden Wirtschaftskrisen stark geschwächt. Die Äbergetretenen mußten zu dem Gedanken, für kirchliche Zwecke Beiträge zu leisten, überhaupt erst erzogen werden, da die reiche katholische Kirche keine Beiträge oder Kirchensteuern einhebt. Den¬ noch konnten sich die Gemeinden über Wasser halten. Gemeinden, die 1914 nur 20 Proz. ihrer Ausgaben aus eigenen Mitteln decken konnten, haben 1924/25 bis zu 90 Proz. ihrer Ausgaben selbst aufgebracht; und dabei war die Seelenzahl um 60 Proz. zurückgegangen. Das entspricht einer Mehrbelastung des Einzelnen um 1125 Proz. Doch glaube man nicht, daß die Gemeinden bei solcher aufs äußerste ange¬ spannten Selbsthilfe ihr Auskommen finden könnten. Das Sicherstem der Witwe genügt eben doch nicht für die Erhaltung eines Gemeindewesens, es müssen die Silber- und Goldstücke der Reichen hinzukommen, die „viel einlegten". So kam's, daß manche Gemeinde, die erst im Krieg ihre Schulden abstoßen konnte, sich neue Schuldenlasten aufbürden mußte. Wohl bringt sie den Großteil ihrer Einnahmen selbst auf, aber damit kann bisweilen kaum das Allernötigste bestritten werdend) Seit 1914 unterblieben alle Reparaturen und Renovierungen. Man mußte sich aus Geldmangel auf das nötigste, aber unzulängliche Flickwerk beschränken. And der nicht behobene Schaden wächst, wie z. B. au der schönen Laibacher Kirche, ins Anabsehbare. — Dabei bedarf überall die Diaspora einer regeren Versorgung. Es ist schmerzlich, festzustellen, daß sie oft vernachlässigt wird, nicht nur weil der Pfarrer keine Zeit und keine Lilfskraft hat (was auch wieder nur eine Geldfrage ist), sondern weil oft die für eine ausgiebige Diasporabereisung nötigen Geldmittel nicht vorhanden sind. — Sorgenvoll stimmt die Tatsache, daß durch die schwere Wirtschaftskrise in der letzten Zeit gerade eine Reihe deutscher und evangelischer Kaufleute und Anternehmer zusammengebrochen sind oder vor dem Zusammen¬ bruche stehen. Menn sich das Deutschtum in Slowenien trotz seiner zerstreuten Siedlungsart bisher noch halten konnte, so geschah es dank seiner wirtschaftlichen Kraft. Bricht sie, so könnten hier auch die evangelischen Gemeinden vernichtend getroffen werden. In all dem eigenen Leide hatte man für fremde Not Verständnis und offene Äände. Die Gustav Adolf-Ortsvereine hatte die Regierung verboten, aber der I) 1925 waren den Pfarrämtern 2026 Seelen, d. h. rund 500 Steuerzahler bekannt. Sie zahlten im Jahre 260000 Dinar (20000 RM.) freiwillige Gemeindebeiträge. Außerdem wurden über 40000 Dinar für kirchliche Vereine und bergt gesammelt. Das entspricht einer Durchschnitts¬ leistung von 150 Dinar pro Kopf oder 750 Dinar (56 RM.) pro Steuerzahler. Aber es reicht nicht! 31 Gustav Adolf-Geist war nicht erstorben. In den Gemeinden wurde weitergesam¬ melt, besonders für die bedrängten Protestanten in der Zerstreuung, für evange¬ lische Liebeswerkc in Jugoslawien und Österreich, für die Diasporaversorgung der Abstaller Protestanten, für vertriebene Nestorianer und armenische Waisenkinder, für die durch Hochwasser 1925 geschädigten Gemeinden in Prekmurje und ihr Schülerheim. Die Nachrichten von der Hungersnot unter den deutschen Kolo¬ nisten Rußlands weckten opferwillige Hilfsbereitschaft. Größere Summen gingen für die deutschen Ruhrkinder ab und als die Not Deutschlands 1923/24 ans Herz griff, sammelte man für die alten Freunde, für den Evangelischen Bund und Gustav Adolf-Verein. Für die große Hilfsaktion zugunsten der hungernden deut¬ schen Kinder, die unter den Deutschen Jugoslawiens eingeleitet wurde, wurde im Gebiet der Marburger und Cillier Gemeinde allein 61358,50 Dinar, die nach¬ weisbar größtenteils von Evangelischen gespendet wurden, gesammelt und Evan¬ gelische leiteten dort die Aktion. Auch 200 deutsche Kinder wollte man dort aus¬ nehmend) Die Negierung batte anfangs ihre Genehmigung zu dieser Hilfsaktion erteilt. Im entscheidenden Augenblick aber verbot sie die Einreise der hungernden reichsdeutschen Kinder — aus politischen Gründen. Anvergessen bleibe solche Treue. Anvergessen sei dies Land mit seinem schwer ringenden deutschen Volkstum und seinen evangelischen Gemeinden! Die neu¬ erwachte Anteilnahme am Auslanddeutschtum gehe auch an diesen Nächstgelegenen nicht vorbei, ebensowenig aber auch die tatkräftige Lilfe. Sonst droht dies Land uralten deutschen Lebens und stolzer Kultur zu einem Lande deutschen Sterbens zu werden?) Seit drei Jahrhunderten hat sich auch an der Grenze des Balkans vieles geändert. Aber heute ist dort das tiefe Leid der Gegenreformation unheimlich lebendig geworden: der Kampf nach außen und das Ringen in der Seele der einzelnen um Heimat, Volkstum und Glaube. Das alte Lied der bedrängten Vorfahren ist nun zum Gegenwartsgebet geworden und wird — geb's Gott — von keinem schwächeren Geschlechte gebetet: „Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ, weil es nun Abend worden ist. Dein göttlich Wort, das Helle Licht, laß ja bei uns auslöschen nicht. In dieser schwer betrübten Zeit verleih uns, Herr, Beständigkeit, Daß wir dein Wort und Sakrament behalten rein bis an das End'. Die Sach' und Ehr', Herr Jesu Christ, nicht unser, sondern dein ja ist; Darum so steh du denen bei, die sich auf dich verlassen frei." 1) Aus ganz Jugoslawien gingen mehrere Zugsladungen mit Mehl und Speck im Werte von mehreren Millionen Dinar nach Deutschland ab. Insgesamt liefen Anmeldungen von 6V0V Frei- plützen sür Kinder ein. 2) Wer sich eingehender über einzelne Fragen unterrichten will, dem fei empfohlen: über Geschickte und Bedeutung des Deutschtums die knappe vorzügliche Darstellung von A. A. Klein „Zwischen Drau und Adria" (A. Pichlcr's Witwe-Verlag, Wien 1925); das große Gedenkbuch „Südsteiermark", herausgeg. von Franz Hausmann (Verlag U. Moser, Graz 1925); A. Haussen, „Die deutsche Sprachinsel Goltschee" (Graz-Styria). Oskar Lobmeyer, „Die Lage der Minderheiten in Kärnten und in Slowenien (Verlag A. Kollisch, Klagenfurt 1928). über alle Belange des Deutschtums berichtet die zweimal wöchentlich erscheinende „Cillier Zeitung". — In die Diese der kroatisch-slowenischen Volksseele sührl Frdr. von Gagern's hervorragender Roman „Ein Volk". Die Gegenreformation in Marburg schildert Ludwig Mahnert in „ ... bis du am Boden liegst" (Steinkopf, Stuttgart); in die Knmpfeszeit der Los-Von-Rom-Bewegung führt sein Erstlingswerk „Die Hungerglocke".