Katholische UMionszeitichriit erscheint monatlich und wird vorrf IRiiiionshaus tHeiiendort bei Graz, Steiermark, herausgegeben. Redigiert von P. Beinrich Wohnhaus F. 8. C. Bezugspreis ganzjährig mit Polfzulendung 6000 K - 300 ITIk- - 3 Mre. Der Belüge Vater Pius X. huf der Redaktion, den Abonnenten und Wohltätern den Hpoitolilctien Segen erteilt. Für Wohltäter werden wöchentlich zwei heilige Mellen gelesen. Mit Empfehlung der hochwürdiglten Oberhirten von Brixen, Brünn, Sraz, lieifmerifj, üinz, Olmülj, Marburg, ürienf, Erleb und Wien. Best 3 und 4. märz — April 1923. XXVI. Jahrgang. ob Die [Miionsläfigkeif im Bahr el GhaiaL Bericht des Hpoifoliichen Vikars Hnfon Stoppani. DS □ia Bischof Stoppani begab sich int Sommer 1921 nach Europa, um sich die nötigen Mittel für seine weiteren Missionsunter-nehmungen im Bahr el Ghasal zn beschaffen und kehrte im Herbste des verflossenen Jahres in seine Residenz nach Wau zurück. Nachstehend entwirft der hochwürdigste Herr ein Bild von den Schwierigkeiten, Erfolgen und Aussichten des Missionswerkes unter den heidnischen Negerstänime» seines Vikariates. krankungen vorzubeugen. Überaus schmerzliche Opfer mußten gebracht werden, bis man es verstand, die Lebensweise dein Tropenklirna in allweg anzupassen. Der Mangel an Wegen und Straßen. Durch die Steppen und Wälder führten nur wenige schmale Pfade der Eingeborenen. Der Dschur-fluß ist höchstens drei Monate des Jahres schiffbar. Wir mußten deshalb für unsere befinde ich mich nun wieder inmitten der Hochwälder Jnnerafrikas bei meiner geliebten Herde an den malerischen Ufern des Gazellenflusses. Der Fortschritt ünserer Mission in diesem ausgedehnten Lande erfüllt mein Herz mit Freude und Trost. Nach langen Jahren unverdrossener, undankbarer und dornenvoller Arbeit leuchtet uns jetzt das Morgenrot einer besseren Zeit. Gewaltige Hindernisse türmten sich vor unsern Missionären auf, als sie im Jahre 1904 in die Provinz Bahr el Ghasal vordrangen.*) Das Klima. Anfangs fehlte den Glaubensboten die notwendige Erfahrung, um ihre Gesundheit unter den schwierigen klimatischen Verhältnissen zu schützen und gefährlichen Er- *) Vgl. Das Missionswerk im Bahr el Ghasal. „Stern der Neger", 1921, 81—85. Transporte und Reisen Fahrwege und Straßen anlegen und Brücken bauen, um namentlich in der langen Regenzeit die Verbindung unter den Missionsstationen aufrechtzuerhalten. Das Mißtrauen der Bevölkerung. Durch die zahlreichen Sklavenjagden der Mohammedaner war die Volksziffer stark gesunken. Die Menschenhändler hatten einige Stamme halb ausgerottet. Manches Völkchen zog sich in den Urwald zurück und erblickte in jedem Weißen einen Feind. Die Verschiedenheit der Sprachen. Sie bildet eine der größten Schwierigkeiten. Dazu kommt die Begriffsarmut dieser Sprachen und Mundarten. Die Feindseligkeit der Häuptlinge. Die einheimischen Sultane und Großhäuptlinge erkannten gar bald, daß die christliche Lehre im grellsten Gegensatz stehe zu ihrer grausamen Willkür und Zügellosigkeit. Sie eröffneten darum einen ebenso niederträchtigen als hinterlistigen Kamps gegen die Mission und ihre Vertreter. Der Haß der Mohammedaner. Leider wurde | ihr grenzenloser Fanatismus zuweilen noch von Regierungsbeamten geschürt. Mit Gewalt versuchten die Muselmänner alle Stämme um die grüne Fahne des Propheten zu scharen. Sie scheuten selbst vor Brandstiftung nicht zurück. Wiederholt wurden Missionsgebäude eingeäschert. Der sittliche Tiefstand der Heiden. Stolz, Lügenhaftigkeit und Neid zählen zu ihren hervorstechendsten Charaktereigenschaften. Sie huldigen nach Möglichkeit der Vielweiberei und betreiben auch gern das Diebshandwerk. Wer überdies die, Schwierigkeiten bedenkt, die mit der Bekehrung zum Christentum schon an und für sich verknüpft sind, wird unsere Erfolge im Bahr el Ghasal zu würdigen verstehen. Im abgelaufenen Jahre empfingen in den sechs Stationen der Bahr el Ghasal-Mission über 160 erwachsene Heiden die. heilige Taufe. Die Zahl der Neubekehrten wird in diesem Jahre das erste Tausend überschreiten. In Kayango erhalten gegenwärtig über 50 Erwachsene die nächste Vorbereitung auf das Sakrament der Wiedergeburt. Weitere 50 besuchen den Taufunterricht in dem schöngelegenen Mboro. Diese beiden Missionsgründungen dienen hauptsächlich der Bekehrung des Ndogostammes. Zu Mupoi unter den Njam-Njam stieg die Katechumenenziffer auf einige Hundert. Darunter befinden sich zum ersten Mal auch Frauen. Die Bellandastation Raffili bietet gleichfalls günstige Aussichten für die nächste Zukunft. Zu den eifrigsten Neuchristen von Cleveland gehört der junge Häuptling Konstantin, dessen musterhafte, religiöse Pflichterfüllung Christen und Heiden heilsam beeinflußt. In Wau verwenden wir alle Sorgfalt aus die Ausgestaltung unseres Schulwesens. Von den 70 Zöglingen der Mission sind ein Teil schon getauft, andere werden in Bälde der Taufgnade teilhaftig. Die Mehrzahl von ihnen beabsichtigt, in den Dienst der Regierung zu treten, um das mohammedanische Personal in den Öffentlichen Kanzleien allmählich zu ersetzen. Denn die mohammedanischen Beamten und Angestellten sind die Pest des Landes. Auch die staatlichen Werkstätten beschäftigen bereits ehemalige Missionszöglinge, von denen manche befähigt sind, einmal die Leitung von Handwerkerschulen zu übernehmen. Wie anderswo so wirken auch hier die religiöse Erneuerung und sittliche Hebung segensreich auf den kulturellen Fortschritt des Landes ein. In Anbetracht dieser günstigen Entwicklung unserer Mission ist die frohe Hoffnung berechtigt, daß diese Negervolker in nicht allzufernen Tagen vollständig für das Christentum gewonnen werden. In das Hochgefühl der Freude aber, das unwillkürlich aus dem Herzen bricht, wenn man sich die gegenwärtigen Erfolge vor Augen hält, mischen sich bittere Empfindungen von Furcht und Trauer, sobald wir an den Ausbau der Mission denken. Der Mangel an Missionären und Mitteln kaun schuld daran sein, daß wir trotz aller Anstrengungen von Islam und Protestantismus überholt werden und vollständig in das Hintertreffen geraten. Vor allem wäre es dringend nötig, das Netz der Katechistenposten weiter auszudehnen, die Zahl der eingeborenen Helfer zu vermehren und viele neue Kapellen-Schulen zu errichten. Auf diese Weise könnte in kurzer Zeit eine reiche Seelenernte erzielt werden. Die Voreingenommenheit gegen die Missioir ist größtenteils geschwunden. Mit vollstem Vertrauen schicken die Heiden ihre Kinder in unsere Schulen. Die bisherigen Schranken sind gefallen. Sehnsüchtig blickt Kayango über das Gebiet der Ndogo und Dschur hinüber zu den Dörfern der Bongo und Kresch, die man bisweilen besucht. Es fehlen aber die Mittel, um in jenen Dörfern eifrige Katechisten anzustellen. Ähnlich liegen die Verhältnisse in den anderen Missionsstationen. Das lähmt naturgemäß die Schwingen der Begeisterung. Überzeugt von dem kulturellen Wert der katholischen Missionstätigkeit und ihrem wohltätigen Einfluß aus das leidgedrückte Menschenherz bat uns die Regierung schon im verflossenen Jahre, Glaubensboten in das große Lager der Schlafkranken am Jubbofluß zu senden, um jenen Todgeweihten religiösen Trost zu bringen und ihnen die Tore in eine bessere Welt zu öffnen. Wir haben zugesagt?) Zu Beginn dieses Jahres ersuchte uns der Gouverneur, eine Missionsgründung in Raya an der Grenze der Provinz Kordofan vorzu- *) Siehe Im Lager der Schlafkranken am Jubbofluß. „Stern der Neger", 1921, 85—87. nehmen. Er hätte alsdann die dortige mohammedanische Schule geschlossen und die mohammedanischen Beamten entfernt. So schwierig und angefeindet auch eine derartige Schöpfung wäre, so könnte sie doch in der Folgezeit schöne Früchte zeitigen. Wir wurden auch, allerdings nicht amtlich, aufgefordert, eine Station mit Schule in R u nebe ch, 200 km südöstlich von Wau zu errichten. Der Ort liegt im Gebiete der Denka, das bisher ausschließlich Arbeitsfeld der protestantischen Sendlinge war. Was nun ich und geben, wenn ich behaupte, daß- die Zukunft des Bahr et Ghasal größtenteils von der Zukunft des Denkavolkes abhängt. Wer die Denka für sich gewinnt, entscheidet über das Schicksal der ganzen Provinz. Wie viele Jahre werden noch verstreichen, bis unser Wunsch in Erfüllung geht? Möchte es nicht eines mehr sein! Wenn uns aber die Vorsehung nicht unter die Arme greift, wird unsere Hoffnung wie ein schöner Traum zerflattern. Die Stunde der Gnade hat für den Bahr el Ghasal geschlagen. Wir würden uns eines Ver- Der Missionar unterweist die Neger tut Ackerbau. meine Missionäre für notwendig erachten — ich sage nicht dringend, denn alles ist hier jetzt dringend — wäre eine Missionsniederlafsung unter den Denka im Norden. Nach langer militärischer Vorbereitung hat die Regierung im Frühjahr den großen, kriegerischen Denka-stamm endgültig unterworfen und zwei Garnisonen in sein Gebiet gelegt. Es klingt ganz unglaublich, welch mächtigen Einfluß die Denka auf alle Stämme des Bahr et Ghasal ausüben. Jeder Kenner des Landes wird mir recht brechens schuldig machen, ließen wir sie ungenützt entfliehen. Deshalb wende ich mich an euch, studierende Jünglinge, die ihr den Ruf Gottes vernommen habt. Eilt herbei zum heiligen Kreuzzug! Laßt euch nicht erschrecken und einschüchtern! Christus wird seinen Herolden den Weg ebnen und seine Streiter zum Siege führen. „ Christus heri, Christus hodie, Christus et in saecula“ — „Christus gestern, Christus heute, Christus allezeit!" Schillukrätsel. Gehst du vorwärts, so geht es voran; gehst du rückwärts, so folgt es nach. Ob du aber vorwärts oder rückwärts gehst, so bleibt es dennoch immer stehen. Antwort: Die Nase. — )>6wok ref« — »Der königliche Bund«. cW? AM Von P. Bernhard Rohnen, hui. AM ^ (Schluss) z Da ich meiner Karawane wieder bedeutend voraus war, kehrte ich in ein Dorf ein, um sie abzuwarten. Alsbald eilten die Bewohner scharenweise herbei, den Fremden zu begaffen. „Bringt mir Mogo, ich habe Durst", sagte ich. Allgemeine Antwort: „Bogon" ■— es ist keine da. Nun gewahrte ich unter der Menge eine Frau, die ich gut kannte, denn sie hatte als junges Mädchen oft in Tonga auf der Mission gearbeitet. „Nyatau, du hier, wie geht es dir?" Sie kam herzu und begrüßte mich freundlich. Welch ein Erstaunen bei den Umstehenden! Sogleich mußte sie ihnen von mir erzählen. Ich setzte mich unterdessen in den -Schatten einer Hütte und begann mein Brevier zu beten. Nach einiger Zeit schlich sich Nyatau zu mir her und sagte: „Abuna, ich habe noch Mogo. Komm!" Die Dorfbewohner durften das nicht wissen, sonst hätte sie bald zu viele ungewünschte Besuche gehabt. „Gut, ich werde kommen, sobald meine Begleiter da sind. Wo ist dein Haus?" — „Dort!" Als meine Burschen eingetroffen waren, begaben wir uns zu Nyataus Hütte. Es war schon alles aufgetischt, das heißt auf den Boden hingestellt: ein Topf Durrahbier und eine Kürbisschale voll saurer Milch. Während ich mich über die Milch hermachte, sprachen meine Begleiter dem Biere zu. Erfrischt und gestärkt setzten wir dann unsere Reise fort. Bald hatte ich wieder einen großen Vorsprung gewonnen, denn der „königliche Hund" stürmte vorwärts, ohne eine Spur von Müdigkeit an den Tag zu legen. Da, auf dem schönsten Wege, warf er sich plötzlich der ganzen Länge nach auf den Boden nieder und wollte sich nicht mehr erheben. Ich bediente ihn schließlich mit ein Paar Stockschlägen. Er aber streckte alle viere von sich und rührte sich nimmer. „Oho, du Hund, bist du hin? So geht's, wenn man kein Maß halten kann." Eine Weile ließ ich ihn ruhig liegen. Da kam ein Schilluk des Weges. Mit seiner Hilfe gelang es mir, den königlichen Hund wieder ans die Beine zu bringen. Ich führte ihn nun am Zügel, damit er sich etwas ausruhe. Von da an war er nicht mehr so unbändig wie in den ersten Tagen. Inzwischen hatte von Norden her schwarzes Gewölk den Himmel überzogen und es begann zu regnen. Schnell schwang ich mich wieder in den Sattel und ritt auf das nächste Dorf zu. Vor einem offenen Kuhstall sprang ich ab. Einige Burschen saßen darin und gafften mich dumm an. „He Jungens", schrie ich, „seht ihr denn nicht den königlichen Hund? Zieht ihn doch herein!" — „Oooh", war die Antwort und im Nu waren der Hund und ich im Trocknen. Doch es war schon zu spät. Ich war bis auf die Haut durchnäßt, so. hatte es heruntergegossen. Hoffentlich werden meine Burschen so gescheit sein, dachte ich, und irgendwo unterstehen, denn bekommt unser Proviautsack einen solchen Regenguß, so wird aus dem Salz, Zucker, Reis und Kaffee ein ganz neumodischer Schmarrn. Grutuliere! Als sich das Gewitter verzogen halte und die Sonne wieder schien, kamen meine Begleiter munter daher. „Jungens, wo seid ihr während des Regens gewesen?" — „Wir haben gar keinen R?gen gehabt." — „So, euch hat die Sonne geschienen und ich bin pudelnaß geworden." — Sonderbar, aber wahr. Wir ritten weiter. Drüben am Horizonte sah man das Dorf Atodoy, wo wir übernachten wollten. Infolge des Regens war der Pfad schlüpfrig. Der Hund glitt mehrmals aus und der Reitersmann flog kopfüber auf den Boden. Nun ja, man tat sich nicht weh, denn der Boden war schön aufgeweicht. Doch zog ich es vor, die letzte Strecke zu Fuß zu gehen. In Atodoy mürben wir von einem alten Kwanyaret (Adeligen) freundlich aufgenommen. Der König hatte uns empfohlen, bei diesem Abkömmling der königlichen Familie einzukehren. Wieviel Vieh und Frauen er besitzt, kann ich nicht sagen. Jedenfalls ist er sehr reich und verfügt über einen großen Einfluß in jener Gegend. In der reinlichen Hütte, die er uns als Wohnung anwies, fand ich zu meiner Überraschung ein feines Angareb (arabisches BettgesteÜ) und einen schönen Rohrsessel. „Jungens", sagte ich, „der Hund ist müde, wir alle sind müde. Darum machen wir einen Rasttag und bleiben morgen hier." Allgemeine Zustimmung. Bald wurden uns auch Mogo und verschiedene Durrahgerichte nebst saurer Milch vorgesetzt. Als Begrüßungsgeschenk erhielten wir einen fetten Hammel. Na, das geht ja gut; so können wir es schon einen Tag hier aushalten. — Während der Weiterreise vollführte der königliche Hund wieder seine dummen Streiche. Bald strauchelte er, bald warf er sich unversehens auf den Boden hin, was mich jedesmal einen Purzelbaum kostete. Wie oft, weiß ich nicht. Kurzum, der Hund war müde. Öfters mußten wir Kanäle durchqueren, wobei uns das Wasser bis an die Brust reichte. Einen Tag lang ritten wir durch einen Wald, wo die Affen auf den Bäumen herumturnten und auch andere niedliche „Tierchen" (Löwen) ihr Versteck haben, denen ein friedlicher Wanderer nicht gern begegnet. Gott Lyb, traf uns nirgends ein Mißgeschick. Eines Tages hielten wir unsere Mittagsrast im Hofe eines Häuptlings. Alle Dorfältesten waren um uns versammelt. Die Unterhaltung drehte sich gerade um das Lesen und Schreiben. „Nun ja," meinte der Häuptling, „das ist doch nur für die Weißen; für die Schilluk ist das nichts." Da sagte ich: „Schau, meine Begleiter sind doch auch Schilluk, und wenn ich jetzt etwas von ihnen will, so schreibe ich ihnen ein ,Papier' und sie tun cs." — „Ach was!" — „Gut, die Probe wird gemacht!" Meine Bur- : scheu befanden sich mit anderen Schilluk in ; einer benachbarten Hütte. Ich nahm also einen Zettel und schrieb darauf: „Bereitet mir einen Kaffee; das Feuer holt hier bei uns, wo eine Frau gerade kocht. Dann reisen wir weiter." Ich sagte dem Häuptling und den Alten, was ich geschrieben hatte und gab das Blatt Papier einem Manne, damit er es meinen Burschen überbringe. Doch dürfe er kein Wort zu ihnen sagen. Von allen Anwesenden wurde der Bote ermahnt, ja kein Wort zu meinen Reisegefährten zu sagen. Er ging. Bald kehrte er, vor Staunen in die Hände klatschend, zurück und sprach: „Ich reichte einem Jungen das Papier. Er blickte darauf und sagte zu den andern: Der Abuna will einen Kaffee; Feuer ist drüben; dann werden wir Weiterreisen." — „Mui, nmi", erscholl cs aus aller Munde, „ist das möglich? Wie, ein Schilluk versteht das Papier?!" Nachdem wir uns gestärkt und ein Pfeifchen geraucht hatten, brachen wir auf. Ein schweres Gewitter zog uns nach. Wehe, wenn uns das in der Wildnis überfällt! Dann sitzen wir die kommende Nacht schön in der Patsche. Doch das Gewitter nahm eine andere Richtung und um 5 Uhr abends erreichten wir wohlbehalten Kaka, das Ziel unserer Reise. Die Umgegend von Kaka bildet den nördlichsten Distrikt des Schilluklandes. Der Ort selbst verdankt seine ganze Bedeutung einigen arabischen Händlern. Ter Postdampfer hält in Kaka au. Ich faßte darum den Entschluß, mit dem nächsten Dampfer auf dem Nil nach Lul zurückzukehren, denn die tropischen Regen hatten begonnen, die Kanäle schwollen mehr und mehr an, die Wege wurden täglich schlechter. Nach zwei Tagen weckte uns nachts ein anhaltender, dumpfer Pfiff. „Auf, das Schiff ist da!" Schnell waren unsere Habseligkeiten an Bord gebracht. Aber die Esel! Der kleine Packesel krabbelte ganz flott über die Landungsbrücke aufs.Schiff, aber der königliche Hund zeigte sich recht ungeschickt. Fast war er oben, da rutschte er aus und plumpste kopfüber in den Nil. So geschah es noch ein zweites- und drittes Mal, immer kopfüber ins Wasser. Na, dachte ich, so gut ist der Hund schon lange nicht mehr gewaschen worden. Den-arabischen Matrosen aber, die ihn ins Schiff bringen mußten, riß die Geduld und der königliche Hund erhielt Titel, die schon ganz anders als königlich klangen. Endlich zogen sie ihn mit Gewalt an Ohren, Füßen und Schwanz aufs Schiff hinauf. In der folgenden Nacht kamen wir in Kodok an. Ohne weitere Komplimente schickte ich den königlichen Hund in den königlichen Hundestall, der sich dort in der Nähe befindet, zum Verwalter Herrn Akwokwann. Hierauf legten wir uns auf den Boden zur Ruhe nieder. Als der Morgen graute, kam unsere Missionsstation Lul in Sicht. Wir waren daheim. Von allen Plätzen und Gegenden, die ich auf dieser Reise besuchte, scheint mir Detwok am geeignetsten zu sein für eine Missionsneugründung. Tort erhebt sich unweit des Flusses ein kleiner Hügel, auf dem Kirche, Schule und das Wohnhaus der Missionäre errichtet werden könnten. Jener Distrikt ist dicht bevölkert und man wartet dort schon lange auf uns . ... (Die Vorbereitungen zur Eröffnung einer Missionsstation . tut nördlichen Schilluklande sind schon getroffen und Missionäre dorthin abgereist. Die Schriftl.) (r- Charaktereigeitidiaifen der Hraber Kordoians, Von P. Otto Buber. (Schluß.) Geistige Ausbildung wird geringgeschätzt. Die Araber der Steppe halten viel auf die Entwicklung der körperlichen Kräfte. Auf die Ausbildung des Geistes legen sie aber gar kein Gewicht. Sie sind größtenteils an keine Geistesanstrengung gewöhnt und infolgedessen im Rechnen schlecht bewandert. Geht eine Zahl über die Zehn hinaus, so entsteht Verwirrung in ihrem Verstände. Oft sieht man Araber, die bei Gelegenheit einer Rechnung für jede Einheit einen Strich im Sande machen oder ein Glied ihres Rosenkranzes absondern. Das wiederholen sic so lange, bis sie die Überzeugung gewonnen haben, daß die Rechnung stimmt. Wer in Kordofan reist, begegnet mitunter Eingeborenen, die Gummi aus den Markt befördern. Wie ernst schauen diese Leute drein! Man möchte meinen, sie seien in tiefe Erwägungen versunken. An was denken sie? An ihren Gummi. Die Ware ist nämlich ihr Eigentum. Sie haben den Gummi auf ihrem eigenen Besitztum gesammelt, ihn zu Hause auf einer zwar recht primitiven, aber genauen Wage zu wiederholten Malen abgewogen und die Zahl der Zehner festgestellt, die jedes Kamel auf seinem Rücken trägt. Dieses Kamel da trägt soundso viel Zentner, jenes dort so viel, murmelt der Beduine vor sich hin, nachdem er sich von seinen braunen Kleinen in der Strohbehausung des Steppenlandes getrennt hat und den engen Pfad einschlügt, der zur Hauptstraße führt. Rechts und links derselben wuchert ein überaus üppiges Haskanitgras. Es ist bereits dürr geworden. Die Fruchtsame», in nadel-förmige Schalen eingehüllt, lösen sich beim Vorbeigehen der Lasttiere von den Pflanzenstengeln ab, und ihre Spitzen dringen dem Manne in die nackten Beine. Dieses Kamel trägt soundso viel Zentner, jenes so viel usw., wiederholt der Araber immer wieder und achtet des lästigstechenden Unkrautes nicht. — Wenn er abends anhält, greift er zu einem winzigen Züngelchen, das er stets aus Reisen bei sich hat, und zieht sich damit die spitzigen Haskanit-hülsen aus dem Fleische heraus. Dieses Kamel trägt soundso viel Zentner, jenes so viel, murmelt der Mann noch bevor er einschläft. Wenn er in der Frühe die Augen aufmacht, beginnt wiederum dieselbe Übung, und so geht es vielleicht eine ganze Woche lang weiter. Auf diese Weise will sich der Steppensohn die Zahlen genau ins Gedächtnis einprägen, damit er auf dem Markte ja nicht betrogen werde. Dort angelangt, stimmt seine Rechnung doch nicht, beim der Gummi ist auf dem Wege infolge der Hitze etwas eingetrocknet und hat an Gewicht abgenommen. O, wie hält es schwer, so was dem Beduinen beizubringen! Hat er doch tausendmal wiederholt, daß seine Kamele soundso viele Zentner tragen, und nun sollen es einige Pfund weniger sein! Das will ihm nicht einleuchten. Er setzt den Fall einem seiner Landsleute auseinander, der zufällig auch auf dem Markte weilt und bekannt ist als ein heller Kopf. Dieser bestätigt die Aussage des Gummihändlers und erst daraufhin beschwichtigt sich der Steppensohn und verkauft seinen Gummi. Widerwillen gegen die Schule. Lesen und Schreiben hält der Araber für einen Unsinn. Sieht er ein Schriftstück, so ruft er voll Verwunderung aus: „Was wollen denn alle diese Biegungen und Krümmungen da heißen? Dieser Fetzen sieht aus wie der frische Sand, auf welchem eine Schar Ameisen kreuz und quer gelaufen ist. Wer soll da eine Bedeutung herausfinden?" — Die Araber sind einverstanden, daß mitunter ein Fakih ins Dorf komme, die Jugend um sich sammle und sie im Koran unterrichte. Dabei sitzen Lehrer und Schüler nach der einheimischen Sitte auf der Erde. Diese Wissenschaft hat zu genügen. Regelrechten Schulen ist der Araber abhold, denn in diesen geht es nach seinem Begriffe viel zu vornehm her. Da müssen die Kinder sich reinlich kleiden, sitzen auf hölzernen Dingen, so nennt man die Bänke, lernen außer dem Lesen und Schreiben wer weiß was noch. Sogar Turnübungen machen sie ihnen vor. Das können sie auch von den Affen ihrer Heimat erlernen, die schönere Sprünge machen als der beste Turnlehrer, meint der Araber. — Allmählich gewinnen aber die Kinder die neue Lebensweise lieb, finden sich nicht mehr in ihrem alten Elemente zurecht und lassen sich endlich als Soldaten anwerben. Das hält der Araber für ein großes Unglück, denn die Soldaten sind heute hier, morgen dort, müssen vielleicht gelegentlich gegen ihre eigenen Stammesangehörigen kämpfen, und mancher von ihnen verliert in Gefechten gegen die Schwarzen der Nubanerberge das Heben. Besonders schmerzt es den Araber, daß sein Sohn, geboren als freies Steppenkind, in der Kaserne die abscheulichen Schanita, das heißt Hosen, anziehen muß. Die Hosen nämlich verletzen ganz und gar das Anstandsgefühl der Araber. Nach Schulunterrichtes handgreiflich zu machen? Er ließ eine Art Theatervorstellung geben. Rechts trat ein Bursche auf, der in den Schulen Lesen, Schreiben und Anstand gelernt hatte und ein ehrsamer, geachteter, junger Mann geworden war. Zur linken Seite sah man einen Schlingel, dessen Lieblingsaufenthalt die Verkaufsbuden des Merißabieres gewesen waren. Dortselbst hatte er sich regelrechte Räusche angetrunken und bei einer Rauferei eine Mordtat begangen, weshalb er zum Tode durch den Strang verurteilt worden war. — Unter den Zuschauern waren besonders große und kleine Missionsschule in Wau. ihrer Meinung muß jeder Erwachsene, besonders über den Rücken hinab, ein weites Kleid tragen. — Ein Kaufmann wollte seinem Diener, der in bezug auf Kleider nicht zu gut stand, eine Hose schenken. Dieser weigerte sich aber, das Geschenk anzunehmen, indem er sagte, seine Verwandten würden ihn darob schlagen. Heuchlerisches Benehmen der Negierung gegenüber. Im fernen Westen Kordofans liegt Nahckd, einer der größten Orte der ausgedehnten Provinz. Kinder gibt es dort im Überfluß, um mit ihnen mehrere Schulen zu füllen, wenn nur nicht die starke Abneigung der Einheimischen dagegen wäre. Was tat nun der eifrige ägyptische Mamur, um den Leuten den Nutzen des Häuptlinge nebst Gefolge und andere Leute, die nach der Gunst des Beamten haschten. Am Ende der Vorstellung erhob sich der Mamur und rief den Anwesenden zu: „Erkennet ihr nun den Nutzen, den die Schule mit sich bringt?" Alles klatschte Beifall. Doch weit entfernt, daß es den Leuten von Herzen gekommen wäre. Man hatte halt dem eifrigen Beamten, wenigstens dem Anscheine nach, eine Befriedigung geben wollen. Hinter seinem Rücken aber gab es wegwerfende Bemerkungen. Der Mamur wolle nur das Wasser auf seine Mühle leiten. Gerade der ehrsame Jüngling, der Lesen und Schreiben kann, macht uns Bedenken, sagten die Araber. Wo wird er enden? In einer Beamtenstube. Die hiesige Beamtenschaft ist fremd. Sie ist vom fernen Ägypten hergekommen und erhält eine anständige Zahlung. Im Falle aber, daß unsere Söhne Beamten werden, werden sie als Einheimische betrachtet, die auf einheimische Art leben können. Sie bekommen deshalb eine geringere Zahlung. Davon haben die hohen Beamten einen Vorteil, wir aber einen Nachteil. Der einheimische Beamte wird bald den Kopf verlieren, ein eingebildeter, aufgeblasener Mensch werden und sich die Bedürfnisse der Fremden aneignen. Sein Gehalt reicht ihm dazu nicht aus. Deshalb schlägt er krumme Wege ein, bis er entlassen wird. Nun steht er da ohne Verdienst, eine Schande für seine Familienangehörigen. Er ist arbeitsscheu ge- I worden. Um leben zu können, stiehlt er und i wandert von einem Gefängnis zum andern, bis er auf den Galgen kommt. — Der Schlingel aber, der in den Merißabuden des großen Ortes herumlungert, macht auf uns wenig Eindruck. Wir wissen schon unsere Kinder von den großen : Orten fernzuhalten und sie mit Feldarbeit und Viehzucht gehörig zu beschäftigen. Für ein bös j veranlagtes Kind aber besitzen wir auch Zwangsmittel, um aus ihm einen anständigen Menschen zu machen. Was weiß dieser ägyptische Herr da ; von all dem? Er soll halt bei seiner Meinung : bleiben. Übrigens will er sich eifrig zeigen, um sich ein Verdienst zu erwerben bei seinen Vor- : gesetzten. Aber auch wir halten zäh an unserer Meinung fest. Zum Teufel mit der fremden Bildung, schreien die Araber mit den Häuptlingen an der Spitze. Unsere Vorfahren haben sich mit Ackerbau, Viehzucht und Karawanenführen abgegeben, und so sollen es auch unsere Kinder tun. Und nun, was für Erfolge hatte die Schule aufzuweisen? Es erschienen Kinder. Doch mit Rücksicht auf die starke Einwohnerzahl des Ortes waren es recht wenige. Jeder Häuptling mußte eines seiner Kinder in die Schule schicken. Dazu suchte er natürlich das allerdümmste heraus, denn für diesen dummen Kerl gab es keine Gefahr, daß ihm in der Schule der Kopf verdreht werde. Dem Kleinen behagte es auch nicht, auf einer Bank zu fitzen, das langweilige Abc zu wiederholen und zwischen vier Wänden eingesperrt zu sein. Er sehnte sich nach der goldenen Freiheit. Eines schönen Tages erschien er nicht. Wo war er? Er war entwichen in die sonnige Steppe, wo er lustige Sprünge machte, nach Heuschrecken haschte, Mäuse und Vögel fing. Da erhob der Schuldirektor Klage beim Beamten, und dieser drohte dem Vater mit Strafen, wenn er seinen Sprößling nicht wieder zur Schule bringe. Ein Häuptling konnte es nicht über sich bringen, sein eigenes Kind in die Schule zu schicken. Was tat er, um den Beamten zu befriedigen? Er suchte das Kind eines Untergebenen oder gar das eines Sklaven heraus und gewann dessen Vater mit Geld und allerhand schönen Versprechungen. Er läßt dem Kleinen neue Kleider machen und bringt ihn zur Schulbehörde hin. Hier ist mein Kind, sagt er. Dem Häuptling wird großes Lob zuteil. Es heißt: Man sehe es mit Befriedigung, daß auch er zu den Aufgeklärten zähle, den Wandel der Dinge verstehe und die Notwendigkeit der Schule erkenne. Einst hätten sich die Araber mit Fehden und Raufereien abgegeben, nun aber sollten sie Bildung erwerben und sich gegenseitig liebhaben. — Das gute Beispiel müsse gerade von den Stammeshäuptlingen ausgehen und werde hoffentlich auch die Schichten des gewöhnlichen Volkes beeinflussen. — Ja, Bildung und Fortschritt wollen wir, fügt der schlaue Häuptling bei. Im Herzen aber sagt er: Schullehrer und Bildung sollen sich zum Teufel scheren, denn mit Lesen und Schreiben allein ißt man kein Brot. Der Knabe nennt den Häuptling abuia, das heißt mein Vater. Das ist allgemein in Kordofan der Brauch, daß Kinder von Untergebenen und Sklaven den Häuptling Vater nennen. — Der Schullehrer ist fest der Meinung, der Knabe sei des Häuptlings leibliches Kind. Ob er von brauner Farbe sei wie dieser, halbschwarz oder schwarz, kann dortzulande nicht in Betracht gezogen werden, denn das hängt von der Mutter ab, und nach dieser darf auf keine Weise gefragt werden, ob sie nämlich eine Araberin oder eine Abessinierin oder eine Negerin sei. Es wäre der gröbste Verstoß und eine schwere Beleidigung, einen gewöhnlichen freien Araber befragen zu wollen, wie viele Weiber er habe und von welcher Raffe. Bei einem Häuptling darf es noch viel weniger geschehen. Eines schönen Tages nun gerät der Untergebene oder der Sklave mit dem Häuptling in Streit und droht, seinen Knaben aus der Schule zu holen. Ist er ein Hitzkopf, so tut er es auch. Die Folge davon ist, daß der Häuptling von den Beamten vorgeladen wird. Du bist ein Lügner, ein Betrüger, muß er sich da sagen lassen. Du mußt Strafgeld zahlen. Mitunter entrichtet er ohne weiteres die verlangte Summe. Heft 3 und 4 Stern der Neger 25 Bisweilen kann aber der schlaue und verschmitzte Mann auch den Stiel umdrehen und schlagfertig bemerken: Wie? Ihr nennet mich einen Lügner? Das wollen wir erst einmal sehen. Ihr habet von mir ein Kind verlangt für die Schule. Nun, alle Kinder meiner Untertanen und meiner Sklaven gelten im, Volksmunde als meine Kinder, und alle nennen mich Vater. Der Knabe, den ich euch gebracht habe, hat er mich nicht Vater genannt? Was wollet ihr mehr? Hierzulande muß man klar und deutlich reden. Ihr hättet mir sagen sollen, daß ihr eines meiner leiblichen Kinder verlanget. — Daraus ist zu ersehen, daß die Araber Kordofans, trotzdem sie weder lesen noch schreiben können, doch nicht ans den Kopf gefallen sind und treffliche Gründe ausfindig machen, um sich gegen etwaige Anklagen zu rechtfertigen. 883 >- Bei Sterbenden. Von P. Bugo 311e. 883' -— —— Nyikayo, eine junge noch heidnische Schitluksrau unserer Station Lul, hat bei der ersten Niederkunft Blutvergiftung bekommen. Kein Wunder, meint man die landesübliche Sorglosigkeit bei ärztlichen Arbeiten, namentlich im Punkte der Reinlichkeit, bedenkt. Eigene Ärzte und Ammen haben die Schilluk nicht, man müßte denn die Hexen mit ihrem Hokuspokus als solche bezeichnen ; sie helfen sich so gut sie es eben verstehen. Also Nyikayo ist schwer krank, aber — der Schilluk hat doch auch Sinn für Reinlichkeit. Die junge Mutter muß die nach der Entbindung übliche Waschung vornehmen und verkühlt sich dabei noch gründlich, weil sie es im Hofe besorgt — während zufällig kalter Nordwind weht! Nun sollen die Missionsschwestern helfen und sie halfen, das heißt sie retteten, was zu retten war, eine unsterbliche Seele. Nyikayo hatte früher den Unterricht bei uns besucht und zeigte den besten Willen. Die Schwestern wiederholten ihr die Ndogoknaben vor Grundwahrheiten unserer heiligen Religion und dann wurde ich gerufen. Mit lauter Stimme bekannte Nyikayo den Glauben an die einzelnen Wahrheiten, widersagte den abergläubischen heidnischen Gebräuchen und versprach, sich vollends unterrichten zu lassen, falls sie genese. Ich nahm ihr dies Versprechen ab, weil ich eine nächste Gefahr nicht erkannte. Tann floß das Wasser der Wiedergeburt über die Stirne der Armen: ,,Philomena, ich taufe dich ..Als ich sie am nächsten Morgen (Fest der Erscheinung des Herrn) besuchte, war sie bereits bewußtlos. Doch rief sie beständig mit lauter Stimme nach ihren Lieben: Mayo, mayo — Mutter, Mutter, dann nach ihrem kleinen Schwesterlein. Die Antwort der Mutter, die sie erhielt, während. sie sich in Schmerzen wand und krümmte, horte sie nicht. Neben der Sterbenden liegt ihr Kindlein am Boden, und eine Frau schöpft mit der als Löffel dienenden Muschel Milch aus einer Kürbisschale und läßt der Lourdesgrotte. sie dem Waislein in den Mund laufen. Ich verrichte die Sterbegebete. Wir beten dann noch einige Vaterunser gemeinschaftlich. Der noch heidnische Vater der Sterbenden spricht das Gebet des Herrn mit. Unterdessen richtet er die Kranke etwas auf. Da, einige schwere Atemzüge, dann neigt sie den Kopf zur Seite, der Atem steht still, sie ist in Frieden entschlummert. Der Herr gebe ihr die ewige Ruhe! „Byenyo, die Nyikayo ist eben vorhin gestorben", meldet der P. Obere einem Mädchen, Altersgenossin und Freundin der Verstorbenen. „De’ rio“, ist 'die Antwort, zu deutsch: „Nun, was hat's auf sich, es sterben ja auch andere!"— „Ja, es sterben auch andere", bemerkte der Pater, „auch du wirst sterben!" — „Pwo! Agino nake yan ?“ „Ah! was soll gerade mich umbringen?" Das ist die den Schilluk geläufige Antwort, wenn man von ihrem künftigen Tode spricht; sie fürchten bei solcher Andeutung eine Art Verwünschung. * * * In mo n, der Vater eines unserer jungen Christen, hat „tong“ ; das kann heißen Seitenstechen, kann aber auch eine Lungenentzündung sein und diesmal war es eine. Sie ist im Schilluklande nichts Seltenes und viele sterben daran. Unsere Schwarzen schlafen in dichtverschlossener fensterloser Hütte, vielfach neben einem Feuer, umqualmt von erstickendem Rauch, den nur eben sie vertragen können, da sie daran gewöhnt sind. Daß sie dabei auch in Schweiß kommen, ist erklärlich, obwohl der Schilluk nicht leicht schwitzt. Während des Rhudo, der Zeit des kühlen Nordwindes, in der wir eben stehen, sind die Nächte sehr frisch. Bei einem nächtlichen Gang ins Freie holte sich also unser Mann eine heftige Lungenentzündung. Nach fünf Tagen war die Hoffnung ans Genesung dahin und die Missionsschwestern, die ihn behandelten, verständigten den Abuna. Die älteren Schilluk wollen, auch wenn sie uns wohlgesinnt sind, von einer Bekehrung meist nichts wissen. Es hätte das natürlich verschiedene praktische Folgen fürs öffentliche Leben, die sie nicht auf sich nehmen wollen. Leider gibt es unter ihnen manche, die nicht bloß selber der Gnade widerstreben, sondern auch ihre Kinder vom Besuche des Taufunterrichtes abhalten. In ihren Augen sind jene Burschen, die das Christentum annehmen, keine vollwertigen Schilluk mehr; denn das Recht der Blutrache und die Teilnahme an gewissen Tänzen, an heidnischen Opfern und Totenfeiern sind ihnen durch das christliche Sittengesetz verwehrt. Wohl jaunt ein Volksstamm ist so sehr auf seine Überlieferung und Landessitte verpicht wie die Schillnk. Gri pote collia —- Schilluksitte, gi kwaye — Brauch unserer Ahnen, diese Worte führen sie immer im Munde und entschuldigen damit auch die aufgelegtesten Torheiten. „All die Zeit her sind die Schilluk gestorben, ohne daß ein bonyo, Fremder, dabei war, ich brauche auch keinen", das bekam ich neulich einmal bei einem Sterbenden zu hören. Immerhin gibt es jetzt doch schon viele, die sich gerne unterrichten lassen, wenn es mit ihnen zu Ende geht. Einer von ihnen war auch unser Dumon. Ich taufte ihn und legte ihm den Namen Anton bei. Eine Stunde später war er eine Leiche und die Klageweiber begannen ihr Geheul. Tags zuvor hatte der P. Obere den Sterbenskranken besucht. Während er mit ihm in der Hütte sprach, meldete sich auch ein Schilluk zum Krankenbesuche an. Wie sieht so ein Krankenbesuch hier aus? Zunächst stellte er sich vor: „Ich bin gekommen, ich, der Nyawelo." — „Ah, du bist gekommen?" ist der Gegengruß des Kranken. „Du bist also gerade am Sterben?" fährt der Besucher fort. — „Ja, ich bin schwer krank, mit mir geht's zu Ende", erwidert ruhig der andere. Ein „Ah!" von seiten des Krankenbesuchers, das nach Umständen alles bedeuten kann, dann eine Panse und mit einem „Ich gehe", empfiehlt er sich, um nicht weiter zu stören. Am gleichen Tage besuchte ich eine alte aussätzige Frau. Hände und Füße sind unförmliche, verwesende Stuinmel. — „Dein Körper ist sehr krank", sagte ich unter anderm. „Freilich; bin ich nicht eine Sterbende?" antwortet sie. „Fürchtest du den Tod?" — „Warum soll ich ihn fürchten, er ist ja etwas Gutes!" Nun ja, gedankenlos wie fie gelebt haben, sterben sie auch, diese armen Wilden. Redet man einem gesunden Manne von dem Tode, dann bemerkt er nur: „Hui! Aber unterdessen will ich noch meinen kwen (Mus) essen und mogo (Bier) trinken, das hört sich dann auf." Das sind die Schrecken des Todes für unserer Schwarzen; von der Tragweite des letzten großen „Und dann?" haben sie keine Vorstellung. Beten wir für die armen blinden Schilluk! Ein Begräbnis bei den Sdiillub. Von P. 3otef Engerer. Auf einem meiner Rundgänge in den Außenposten betrat ich eines frühen Morgens ein Dorf. Der Platz inmitten desselben war ziemlich menschenleer, die Einwohner saßen noch in ihren Hütten um ein Kohlenfeuer herum, denn die Nacht war nach den Begriffen der Tropenkinder bitter kalt und die aufgehende Sonne noch zu schwach, in ihnen das Gefühl angenehmer Wärme hervorzurufen. Darum empfand keiner Lust, die wohligwarme Hüttenluft zu verlassen, ehe die Sonne höhergestiegen wäre. Nur einzelne zu Skeletten abgemagerte, äußerst dürftig bekleidete Greise saßen vor ihren Hütten auf der Sonnenseite an einem vom Winde geschützten Plätzchen und waren um jeden Strahl der mitleidigen Sonne froh. Sie hatten ja keine Seele mehr ans Erden, die warme Teilnahme für sie fühlte. Niemand sorgte für Feuer in der Hütte, an dem sie ihre starren Glieder durchwärmen konnten. Bei diesem Anblick überkommt nun auch den Europäer ein Kältegefühl, obwohl er sonst die Morgenfrische für die angenehmsten Stunden des Tages hält. Es überläuft ihn kalt, wenn er sieht, wie herzlos jene sind, die noch in der Finsternis und im Todesschatten sitzen, nämlich im dunkelsten, gefühllosesten Heidentum. Dieses Gefühl der Öde und Kälte steigert sich, wenn er weitergeht und sich der Hütte einer guten, alten Frau nähert, die heute nacht gestorben ist. Ich hatte sie in ihrer letzten Krankheit öfter besucht; darum machte mich gleich ein benachbarter Alter, als ich mich heute wieder zu ihr begeben wollte, darauf aufmerksam, daß ich sie nicht mehr lebend antreffen werde. Er bemerkt nur kurz: „Dano alay yino“, das heißt „der Mensch ist von hinnen gegangen, abgeschieden, gestorben." Es klingt hart und befremdend, daß die Frau, die doch im ganzen Dorf bekannt und beliebt war, nicht beim Namen genannt wird. Ist es Ehrfurcht vor der Majestät des Todes oder Geringschätzung eines Wesens, das eben keine Bedeutung mehr für die Welt hat? Jedenfalls nimmt sich diese Totenmeldung kalt und herzlos aus. Wenn die Schilluk vom König oder einem Großen des Landes reden, drücken sie sich häufig mit der Umschreibung aus: „der Mensch, der Jemand"; sie wagen nicht, den Namen, nicht einmal seine Stellung zu nennen; das tun sie aus Ehrfurcht. Es ist aber auch Landessitte, daß selbst die gewöhnlichen Menschenkinder nicht mit Namen genannt werden, nämlich kurz nach Eintritt in dieses Leben, das heißt einige Monate nach der Geburt, wo sie überhaupt noch keinen Namen bekommen haben, wie auch kurz vor dem Austritt aus dem Leben, das heißt von der Zeit an, da der Tod mit Sicherheit zu erwarten ist. In diesen Fällen heißt man ihn einfach „dano“; „ein (menschliches) Wesen, jemand", als hielte man es nicht der Mühe wert, den Namen der Person zu nennen, mit der man noch nichts oder nichts mehr zu schaffen hat. Als ich dann auf die Hütte der bezeichneten Toten zugehe, sehe ich zwei Männer rüstig an der Arbeit, der Verstorbenen das Grab zu bereiten. Das ist hierzulande keine so leichte Arbeit wie in Europa, denn die Erde ist steinhart, die Werkzeuge sind klein und einfach. Doch entwickeln die Totengräber dabei eine Rührigkeit, wie man es bei den Schilluk sonst nicht zu sehen gewohnt ist. Dieses Volk hat nämlich eine eigentümliche, nicht geringe Scheu vor Toten; es will den Leichnam so schnell als möglich aus der Mitte der Lebenden geschafft wissen. In der Nacht um 2 Uhr war die arme Frau gestorben; gleich bei Tagesanbruch beginnt man das Grab aufzuhacken. Sobald dieses fertig ist, muß die Leiche darin geborgen werden. Den Totengräbern wird wohl eine schöne Vergeltung in Aussicht stehen, sonst würden sie der Frau diesen letzten Dienst nicht leisten. Während ich mit ihnen redete, erfuhr ich, daß sie weitschichtige Verwandte der toten Frau seien. Sie versicherten mir aber zu wiederholten Malen, daß sie allein unter allen Verwandten der Frau sich bereit erklärt hätten, natürlich aus reiner Nächstenliebe und aufopfernder Selbstlosigkeit, ein Werk zu übernehmen, dem selbst die nächsten Anverwandten sich entziehen, wo sie nur können. Das Grab wird hart neben der Hütte der Toten aufgeworfen; es soll mannstief werden. Zu unterst am Grunde wird das im übrigen wie bei uns geformte Grab seitwärts zu einer Höhle erweitert, die so laug und breit ist, daß der Leichnam knapp darin Platz hat.*) Bei dieser Grabarbeit vergeht nun eine geraume Zeit; die Sonne steigt schon hoch und lockt die Leute aus ihren Behausungen heraus. Innerhalb des Hofes, der die Hütte umgibt, haben sich etliche Frauen angesammelt, nähere Verwandte der Betrauerten. Sie kauern rings an der Innenwand des Hofraumes am Boden, mit sichtlichen Zeichen der Trauer in Mienen und Gebärden, hie und da auch abwechselnd laut weinend; außerhalb des Hofes haben sich etwa 20—30 andere Frauenspersonen niedergelassen, die als ehemalige Freundinnen ihr „herzlichstes" Beileid bezeugen. Sie unterhalten sich aber ganz vergnügt, rauchen und scherzen, streiten und plaudern, im allgemeinen zwar mit gedämpfter Stimme; bisweilen aber vergessen sie sich so weit, daß sie in lautes Gelächter ausbrechen oder in ihr gewohntes Gezänke hineingeraten. Niemand stoßt sich daran; es verträgt sich ganz wohl mit ihrer Rolle als Leidtragende. Man wird unwillkürlich an Theaterspielerinnen erinnert, die hinter den Kulissen sich ungestört belustigen, bis die Rolle sie trifft, in der sie herzerschütternde Klagen auszustoßen haben. Während einige Frauen mit der Zurichtung der Leiche innerhalb der Hütte beschäftigt sind, werden zwei große Kübel mit Wasser vor die Öffnung des Grabes gestellt und eine geschlachtete Henne, in eine kleine Matte gehüllt, neben das Grab hingelegt. Dann erscheint eine alte Hexenmeisterin mit einer niedrigen Pauke, legt sie auf den Boden, setzt sich umständlich und gewichtig .davor nieder und beginnt mit gut gespielter Amtsmiene einen traurig-düsteren Takt auf ihrem Instrument zu schlagen. Dazu benutzt sie einen biegsamen Zweig, den sie am nächstbesten Baum abgerissen hat. Bald darauf treten zwei andere, aber jüngere Hexen vor dem Grabe auf, Lanzen in den Händen, und tanzen langsam und feierlich am Grabe hin und her, wobei sie unermüdlich aus voller Kehle Grablieder schreien, die Ahnen der zu Begrabenden preisen und ihre Lanzen graziös schwingen, nicht wie die Krieger es tun, *) Die Völkerkunde bezeichnet diese Grabforni als Nischengrab. Es ist charakteristisch sür den dritten Kulturkreis und findet sich auch bei andern Stämmen des Sudan. Die Schriftl. sondern etwa wie ein Kapellmeister, wenn er bei einer Aufführung in hohe Begeisterung gerät. Mehrere Frauen mit kräftigen Lungen schreien — denn fingen kann man es nicht heißen — ihrerseits im Innern des Hofes ihren eigenen Text, wie in Ekstase, in die Welt hinaus. Von Zeit zu Zeit wird das zu einer Art Wechselgesang. Im Hose der Hütte ist bereits ein Schaf geschlachtet worden, wobei das Blut des Tieres in die Erde einbringen mußte. Es ist das eigentliche Totenopfer, das den Geistern der Ahnen dargebracht wird. Keinem, auch dem ärmsten Schilluk nicht wird dies vorenthalten. Von den Schläfen, des Opfertieres wird ein dreieckiges Stück Fell ausgeschnitten und in die Hütte zur Toten gebracht, damit es vor bösem Blick schütze. Das Schaf wird dann abgezogen, ausgeweidet und das Eßbare davon zum Totenschmaus für die Begräbnisteilnehmer zubereitet. Endlich wird die Leiche selbst von vier Frauen aus der Hütte herausgebracht. Die Tote ist vollständig in ein weißes Tuch eingehüllt und fest darin eingeschnürt, nur die Füße stehen hervor. Ohne dieses. Leichentuch will kein Schilluk begraben werden; die Verwandten sorgen um jeden Preis dafür. Das dunkelblaue Kleid sodann, das die Verstorbene in ihren gesunden Tagen getragen, wird von zwei Frauen, die an der Seite der Leiche einherschreiten, wie ein Vorhang so gehalten, daß ja kein Blick von den Anwesenden den Leichnam treffe. So wird dieser bei dem Ausgang hinausgetragen, der dem Grabe gegenüber liegt. Einige Frauen schließen sich der Leiche an, Kuhschellen in den Händen. Nun bewegt sich der kleine Trauerzug mehrmals um die Hütte herum, wobei sie in der Nähe des Grabes immer umkehren. Zuletzt macht er an demselben halt. Kaum hat der Zug den Hof verlassen, da erhebt die Menge der Klageweiber ein markdurchdringendes Jammergeschrei; Kuhschellen werden mit aller Macht geläutet; die Hexentrommel tönt dumpf dazwischen, während eine andere Abteilung von Frauen aus allen Kräften Totenlieder heulen. Jede sucht den Lärm der übrigen zu übertönen. So geht es weiter, bis der Leichenzug am Grabe anlangt; dann wird es etwas ruhiger. Während das am Grabe vor sich geht, halten etwa ein Dutzend Burschen und Männer, welche die Tote ehren wollen, für sich einen Umzug auf dem Dorfplatz, den der Kranz der Hüttenreihen in weitem Kreis umgibt. Stumm, doch raschen Schrittes, als ging's zum blutigen Kampf, umziehen und durchqueren sie mehrmals die Fläche, halten von Zeit zu Zeit in gewissen Abständen wie auf ein Kommando an und vollführen Scheingefechte mit einem eingebildeten Feinde in der Richtung gegen das Grab hin. Dieses Kampsspiel nimmt einen wilderen Charakter an, wenn die Krieger nahe ans Grab herantreten, während die Leiche noch unter bedeutendem Lärm herumgetragen wird. zurück, recken sich wie siegesbewußt empor, als wollten sie die. Wirkung ihres Wurfes mitansehen. Dann erwarten sie die Antwort des Gegners, reißen den Schild auf und ab, hin und her, machen tolle Kreuz- und Quersprünge, treten einige Schritte zurück, springen vor, stampfen mit den Füßen in wilder Kampfbegier den Boden, in einem fort die Lanzen vorstoßend; baun recken sie wieder ihre hohe, schlanke Gestalt, worauf sie erhobenen Hauptes, mit blitzenden Augen und fieberhaftem Zucken der Arme und Füße die Erschlagenen hinsinken Der Missionär beim Besuch einer Außenschule. Sie machen plötzlich vor dem Grabe halt, als j ob sie unversehens auf einen Feind gestoßen 1 wären, nehmen eine stramme, straffe Haltung an, holen mit ihren Lanzen zum Wurfe aus, halten sie aber am Ende des Schaftes zurück, fassen sie wieder in der Mitte des Schaftes und drehen sie unter wilden Gebärden rasch in den erhobenen Händen, so daß das lange Blatt der Lanze in der Sonne unheimlich glitzert. Auf einmal ducken sie sich hinter dem Schild, wie um sich vor feindlichen Geschossen zu decken; dabei lassen sie Speere und Lanzen klirrend auf den Schild schlagen. Im Augenblick schnellen sie wütend auf, erheben wieder drohend ihre Lanzen, schlendern sie, halten sie sehen. Der Feind ist bezwungen, ihre Kampfeslust gestillt. Befriedigt ziehen sie sich zurück, um von neuem den Umzug wie vorhin zu beginnen. Unterdessen haben die Totengräber das Fell, das der Verstorbenen im Leben als Rock und in den Tagen der Krankheit als Ruhestätte diente, mit einer Lanze in zwei Hälften geschnitten, den einen Teil auf den Boden der Seitenhöhle im Grabe ausgebreitet, den andern Teil ant Rande des Grabes hingelegt. Endlich wird die Leiche selbst herangebracht, immer sorgfältig von dem blauen Tuchvorhange verhüllt. (Schluß folgt.)