kiLsoäna in univekÄlelns knjirnios v i.jud!jimi 10. Mder's Mrmsche Kibliothek füv öre Jugsnö! Pwspect! Nie cNerlagstzandluirg Älsred HSlder, K. K. Kof- und Zlniversitäts-Zünch Händler. Sigismund «Freiherr v. Herberstein, Neuberg ttnd Gntcnhng in seinem 60. Lebensjahre. Nach einem gleichzeitigen Portriit. Sigismund Freiherr von Herberstein. Ein Hmeiltii^er Itaatsmam lieb 16. Jakrkmnäerts. Aon Dr. Lar! I. Schober. Mit Porträt. Wien, 1878. Alfred Hölder, k. k. Hof- und Unioersitäts-Guchhiindler, Rotenturmstraße iS. J 111256 J n H cr l' L. Seite I. Herbersteini Ingcnä; seine Fekäzüge n ni! äer Änsnng seiner elipso matislben Tkiiitigbeit. Herbersteins Faniilie; seine Kindeijahre und erste Erziehung; er bezieht die Universität zu Wien; die Universitäten seiner Zeit; er wird Baccalaureus an der artistischen Fakultät; seine Vorliebe für das Studium der lateinischen Klassiker; die Humanisten und sein Verhältnis zu denselben. — Die während des Mittelalters gemachten Versuche zur Herstellung einer starken Ostmacht durch Verbindung der deutschen Alpenländer mit den böhmischen und ungarischen Ländern werden durch die Habs¬ burger wieder ausgenommen; Friedrichs Bemühun¬ gen um die ungarische Krone. Maximilians Feld¬ zug nach Ungarn und der jagellonisch-habsburgische Erbvertrag; das Hans Habsburg eine Weltmacht und seine Feinde; Herberstein zeichnet sich im Kriege gegen Venedig aus, wird zum Ritter geschlagen und in kaiserliche Dienste ausgenommen. — Herber¬ stein wird in den Reichshofrat berufen; kleinere diplo¬ matische Sendungen; er geht als Gesandter nach Dänemark <. 1 IV Seite 2. Erste Keife nacs, Polen nnä Kusskanä (1516—1518). Wichtigkeit dieser Gesandtschafts; alle hiezu verord¬ neten entziehen sich derselben, Herberstein tritt die Reise allein an; Schwierigkeit des Unternehmens; freundliche Aufnahme des Gesandten in Polen; beschwerliche Reise bis Nowgorod; die Post in Russland; Gefahren der Reise im Früh¬ jahre; ein Bote des Zaren führt die Gesandtschaft bis Moskau; Herbersteins erste Begegnung mit einem fürstlichen Gesandten; Moskau; Herbersteins Verpflegung durch den Zaren; die erste Audienz; eine fürstliche Mittagstafel; Unterhandlungen wegen Polens; Herberstein wird reich beschenkt entlassen; die Rückreise über Smolensk; Aufenthalt in Wilna; die Auerochsen in dem Tiergarten bei Troki; Auerochsenjagd; Herberstein vor Olmütz angefallen; Ankunft in Wien; er wird in Innsbruck vom Kaiser und der kaiserlichen Familie mit Auszeichnung empfangen und belohnt. 16 Z. Keife »ach Ungarn. MllUmikinns Doch Herberstein führt die Verhandlungen in Ungarn nach dem Tode des Königs Wladislaw; die ersten „Kutschen" als ungarisches Fuhrwerk. Herberstein von den Ständen Steiermarks zu ihrem Vertreter am kaiserlichen Hofe erwählt; sitzt zu Gericht über den Herzog von Württemberg; schlichtet Streitigkeiten in Salzburg; wird nach Wels berufen; Maximilians Tod 38 tl. Herberstein nacki dein Tode Ma.rimilinns (bis 1326). Allgemeine Gährung in sEuropa um diese Zeit; die Verhältnisse der österreichischen Erblünder, die Opposition in Niederöstecreich, besonders in Wien (Michael Eizinger, Johann von Puchheim, Dr. Siebenbürger); . Ausschusstag der Erdländer zu Bruck a. d. M. — Herberstein geht mit der Ge¬ sandtschaft der Erblünder nach Spanien zum Könige v Seite Karli die Reise durch Italien; Gefahren zur See; Pest in Barcelona; Siebenbürger beleidigt den König in der ersten Audienz; Herberstein führt des¬ halb in der Abschiedsaudienz das Wort; Beschwerden der Rückreise. — Siebenbürger sacht in Niederöster¬ reich die Opposition von neuem an; Herberstein wird verleumdet; Karl tritt an Ferdinand die deutschen Erbläuder ab; die Freundschaft mit den Jagellonen durch eine Doppelheirat befestigt; die Erbländer huldigen Ferdinand; Herbersteins Thätigkeit hiebei; er begleitet Ferdinand nach Brüssel; erhält vom Kaiser als besondere Auszeichnung eine ungewöhn¬ liche Wappenvermehrung und Helmzier; wird nach kleineren diplomatischen Sendungen nach Wiener- Neustadt berufen als Beisitzer des Gerichtshofes, welcher über die Häupter der niederösterreichischen Opposition Recht sprechen sollte; diese werden zum Tode verurteilt. 41 8. Zweite Keife nack> Doke» »Nll Kttfskmnt (1826—1827). Die Veranlassung der Reise; ungnädiger Empfang der Gesandtschaft in Polen; Herbersteins Geistes¬ gegenwart; beschwerliche Reise durch Russland; Feindseligkeit der Russen gegen die Gesandten; Herberstein erzwingt durch seine Entschlossenheit eine bessere Behandlung; Ankunft in Moskau; häufige Trinkgelage der Russen; sociale Stellung der russi¬ schen Frauen; die Verhandlungen wegen Polens; ein Kirchenfest; Hasenjagden; Bärenhetzen; Falken¬ jagden; Herberstein rettet durch seine Entschlossen¬ heit einen jungen Menschen; Geschenke des Zaren an die Gesandten; Gefahren der Rückreise; Herber¬ steins kluges Gebühren in Polen; Ankunft in Prag; Ferdinand als König von Böhmen gekrönt; stattet dem Herberstein in feierlicher Weise öffentlich drei¬ fachen Dank ab; Herberstein erkrankt. 52 VI Seite 6. Die Verbnktaisst in Ungarn »ml Krrbsrstrias Aicbsamkuit bis zum Jahre 1Z4l. Johann Zapolya macht nach dem Tode Ludwigs dem Könige Ferdinand die Krone Ungarns streitig, wird jedoch besiegt; Herberstein geht nach Polen, um eine Unterstützung Zapolyas von dieser Seite hintanzuhalten; seine Thätigkeit auf dem Landtage zu Petrikau; er entgeht auf dem Rückwege nur durch Zufall einer großen Gefahr. — Zapolya mit polnischer Hilfe wieder in Ungarn; ruft Soliman zu Hilfe; Solimans Zug bis vor Wen; Rüstungen in Österreich, besonders in Wien, gegen die Türken; Belagerung Wiens. — Herberstein leitet die Ver¬ handlungen mit Polen, durch dessen Vermittlung ein Waffenstillstand mit Ungarn abgeschlossen wird. — Herberstein für seine Mühen in den Freiherrn- stand erhoben; seine vielseitige Thätigkeit; er ist Zeuge der Unterwerfung des Herzogs Ulrich von Württem¬ berg zu Kaadcn; viele Reisen nach Ungarn wegen der unzufriedenen Adelspattei. — Soliman zieht wieder gegen die deutschen Grenzen, wird vor Güns aufgehalten, verheert Steiermark; Herberstein kämpft im steierischen Aufgebote gegen die Türken; Friede zu Großwardcin; heftige Parteikämpfe in Ungarn rufen Herberstein wiederholt dorthin; Zapolya stirbt 04 7. Kerberstcins Ehatigheit in Ungarn nack, äem Toile Johann Inpolgas. Die Partei Zapolyas wählt dessen Sohn Johann Sigismund zum Könige; Herberstein vergeblich nach Ofen gesandt, um die Kroninsignien zu verlangen; der kaiserliche Feldherr Roggendorf wird von den Ungarn und Türken bei Ofen geschlagen; Gefahr eines neuen Türkeneinfalles in Österreich; die Pest. — Herbersteins Reise zum Sultan nach Ofen wegen eines Waffenstillstandes; der Empfang im türkischen VII Seite Lager; ein Gastmahl bei Rustem Pascha; zwei Audienzen beim Sultan; Rückreise nach Graz durch verpestete Gegenden; Herberstein erhält das Ver¬ sprechen, dass ihn der König in Zukunft mit beschwerlichen Diensten verschonen werde .... 73 8. Kerkerstcins kcßte -Lebensjahrs. Reise nach Bathor; Herberstein und andere verhan¬ deln mit Martinuzzi wegen der Rückgabe Sieben¬ bürgens; Vertrag mit Isabella; Herbersteins Plan einer Verlobung Johann Sigismunds mit Johanna von Österreich ; die ungarischen Kroninsignien werden nach Wien gebracht. — Tnrkenkricg; Siebenbürgen geht wieder verloren; lange Dauer der türkischen Herrschaft in Ungarn. — Herbersteins Berichte über Ungarn; ungarische Tracht; Prachtliebe und Reich¬ tum der Magnaten, Mangel an wahrem Patriotis¬ mus. — Herbersteins Unterhandlungen mit Polen und gefährliche Reise dorthin wegen der Vermählung des polnischen Erbprinzen mit Elisabet und später mit Katharina von Österreich; seine letzte Reise. — Er behält alle Ämter zu Hause bei; wird durch Er¬ teilung vieler Würden geehrt; stirbt in Wien; sein Grabmal bei den Michaelern. 82 9. 8<1>kus«. Herberstein als Staatsmann; Mannigfaltigkeit seiner Geschäfte. — Herberstein als Schriftsteller: Rsrnm Llosoovitaruin eowiusntarii; seine übrigen Werke. — Herberstein als Mensch .. 90 l. Herkerstcins Jugend; seine Feldzüge und der Anfang seiner diplomatischen Thätigkeit. Der Anfang des 16. Jahrhunderts ist für die Geschichte Österreichs eine der folgenreichsten Perioden. Es löste sich nämlich damals von dem, Europa und Amerika beherrschenden, glorreichen Stamme der Habs¬ burger ein selbständiger Zweig ab, unter dessen Herrschaft die habsburgischen Erbländer, die Länder der böhmischen und der ungarischen Krone vereinigt wurden als ein selbständiges Bollwerk gegen die Osmanen und als Brücke für das Eindringen westeuropäischer Kultur nach Ost-Europa. Dieser zuerst nur lose Länderverband wurde im Laufe der Jahrhunderte immer kräftiger, bis er durch die pragmatische Sanktion des Kaisers Karl VI. zu einem unlöslichen Ganzen erwuchs — zu der gegenwärtigen österreichisch-ungarischen Monarchie. Es sind demnach die Anfänge dieser Monarchie in der oben erwähnten Zeit zu suchen. In den Kämpfen mm und Verhandlungen, welche damals wegen der Begründung dieser Länderver- Schobcr, von Herberstein. 1 2 bindung geführt wurden, begegnen wir auf Schritt und Tritt dem Namen des Mannes, dessen Lebenslauf wir hier zu schildern unternehmen, und der mit Recht die Beachtung eines jeden Österreichers verdient. Sigismund von Herberstein wurde am 23. August 1486 zu Wippach am Karste geboren, wo sein Vater damals Pfleger, d. h. Verwalter und Gerichtsherr dieses kaiserlichen Gutes war. Seine Familie war nicht reich, auch hatte sie uoch nicht den freiherrlichen Rang bekommen und führte den Namen „von Herberstein" nach dem Stammsitze derselben, einer bei Stubenberg an der Feistritz in Steiermark gelegenen Burg. Ed selbst war der dritte von 4 Söhnen und besaß 5 Schwestern, deren eine die Mutter des berühmten Heerführers Hans Katzianer wurde. Welcher Geist in der Familie herrschte, das kann man aus der Liebe ersehen, mit welcher Sigismund in seinen Schriften von allen seinen Geschwistern spricht, vorzüglich von seinem ältesten Bruder Georg, welcher die Erziehung Sigismunds mit väterlicher Sorgfalt ge¬ leitet hatte. Von der körperlichen und geistigen Tüchtigkeit, die allen Familiengliedern anerzogen wurde, zeugen auch die Thaten aller Söhne, welche stets bewiesen, dass Herz und Hand bei ihnen an der rechten Stelle sei. So wurde z. B. der schon erwähnte Georg von Herberstein, einer der tüchtigsten Feldherrn Maximilians, der Schutz seines Landes, besonders in den Bauernaufständen der Jahre 1514—47, die er niederwarf, ohne jedoch mit Grausam¬ keit gegen die Bauern zu wüthen, wie es sonst so häufig geschah, so dass er mit vollem Rechte den Namen „Vater des Vaterlandes" verdient, welchen ihin eine Haus-Chronik o beilegt. Dasselbe werden wir auch in der Geschichte Sigismunds bewiesen finden. Dieser war in seiner ersten Jugend so schwach und krank, dass man, wie er sagt, „an menschlicher Hilfe ver¬ zweifelte und nur aus Gott und seine Heiligen noch hoffte", weshalb man seinen Bruder Hans mit ihm nach Loretto, dein noch gegenwärtig berühmten und vielbesuchten Wallfahrtsorte in der Nähe von Ancona, sandte. Zurück¬ gekommen von der Reise, besuchte er die Schule zu Wippach, wurde jedoch schon bald, in seinem 8. Jahre, nach Lonsbach geschickt, wo er das „Windische", wie die Sprache der Slovenen genannt wird, erlernte. Dieses sollte ihm später von ungeheuerem Nutzen werden, trotz¬ dem er damals von seinen Altersgenossen „Windischer Kodroltz, Sclaf (der Slave)" geschimpft wurde. Ein Jahr später kam er „umb lernung und zücht" (um unter¬ richtet und erzogen zu werden) zu Herrn Wilhelm Weltzer, Domprobst zu Gurk, dessen Mutter eine Herbersteinerin war, und der eine Art Erziehungsanstalt für adelige Knaben in seinem Hause errichtet hatte. Hier erlernte er die Anfänge des alleruotwendigsten, nämlich vom Lesen, Schreiben, Rechnen, der Religion und der lateinischen Sprache. Die weitere Fortbildung, welche damals für die Universität notwendig war, und welche vornehmlich im fertigen Sprechen des Lateinischen bestand, empfieng Sigismund in Wien an einer öffentlichen Schule. Schon im Jahre 1499, also im 13. Lebensjahre, wurde er an der Universität zu Wien immatriculiert. Dieses sein jugendliches Alter darf uns nicht Wunder nehmen, weil damals die Universität, vornehmlich die philosophische oder, 1* 4 wie sie damals hieß, „die artistische" Fakultät, größtentheils Disciplinen umfasste, welche heutzutage den Gymnasien zugewieseu sind. Auch darf man sich die Universität jener Zeit nicht gleich der gegenwärtigen denken. Der Name „Universität" (Gesammtheit), der sich heut¬ zutage auf die Gesammtheit der Wissenschaften bezieht, welche an diesen Lehranstalten ihre Pflegestätte finden, bedeutete damals die Gesammtheit der Lehrer und Schüler (nnivsr- sitg.8 iNLAmtmoimw sb solrolnrinm), weil diese in Folge von Privilegien eine nach außen streng abgegrenzte Körper¬ schaft bildete, welche sich selbst regierte, deren Mitglieder nicht der Landes- oder Stadtbehörde, sondern nur dem Universitätsgerichte verantwortlich waren, und welche auch äußerlich durch die Tracht und Lebensweise sich von dem Bürger schied. Es trugen nämlich die Scholaren (Schüler) und die Lehrer die geistliche Tracht, und die ersteren wohnten in eigenen, unter der Oberaufsicht der Fakultäts¬ dekane stehenden Konvikten, welche Bursen hießen, woraus später der Name „Bursche" als Bezeichnung für Uni¬ versitätsstudenten entstand. Auch der Zweck, warum man die Universitäten besuchte, war ein anderer als gegen¬ wärtig; man suchte daselbst nicht die nötigen Kenntnisse zur Erlangung eines Amtes im Staate oder in der Kirche, sondern pflegte die Wissenschaften aus bloßem Wissensdrange. Es ist deshalb auch begreiflich, dass ritterbürtige Knaben und Jünglinge, denen das Waffen¬ handwerk als das einzig dem Edlen geziemende erschien, die Universität gar nicht besuchten oder wenigstens sich um keinen akademischen Grad bewarben. Es waren nämlich in den Würden, welche die Universität verlieh, Abstufungen. 5 Der erste Grad, welchen der Scholar nach mehreren in den sogenannten Disputationen (Streitreden über ein bestimmtes Thema) und in einer strengen Prüfung ab¬ gelegten Proben seiner wissenschaftlichen Ausbildung er¬ langte, war das Baccalaureat. Als Baccalaureus übte er sich nun im Vortrage unter den Augen des Lehrers, wiederholte mit den jüngeren Schülern u. a. m. sich so auf den zweiten Grad vorbereitend, auf das Licential. Dieser Grad wurde dem Baccalaureus nach einer vor allen Doktoren abgelegten Prüfung in der Hauptkirche des Universitätsortes, in Wien in der Stefans- kirche, öffentlich durch den Kanzler (den Vorsteher) der Universität unter großem Gepränge verliehen und gab dem damit Bekleideten die Erlaubnis (liosntin) an allen Universitäten zu lesen, selbständig zu lehren und zu disputieren. Der höchste Grad war daun die in öffentlicher „Promotion" verliehene Doktor- oder Magister- Würde. Es zeugt nun von dem strebsamen, nach Höherem gerichteten Sinne Herbersteins, dass er schon 1502 zum Baccalaureus an der artistischen Fakultät erhoben wurde, weshalb er von seinen jungen Stand esgenvssen zum Schimpfe: „Doktor, Student oder Schreiber" geheißen wurde. Mit besonderem Interesse wandte er sich dem Studium der lateinischen Klassiker zu, und erwarb sich jene geschmack¬ volle Fertigkeit im Gebrauche dieser Sprache, welche wir in seinen Schriften vorfinden. Ja er setzte das Studium der Alten auch nach feinem Abgänge von der Universität fort, wie er es seinem Lehrer Ratzenperger versprochen hatte, und las „wenigstens eine Stunde täglich" in den 6 Klassikern. Ein schönes Zeugnis für seine Liebe zu den Wissenschaften und für sein edles dankbares Herz sind die Worte, welche er als gereifter Mann von sich selbst schreibt, er habe sich trotz des Spottes, der ihm deshalb zuteil wurde „dsr lubsin und Kunst uiostt sutsluAou, sondern die Aelisstb, der unAsstunASn; Ist naiv Tu Austsu koinwen; der eviA 6lot delon weinen Vuber nnd Eins Nsistsr, die wiest duTN AS^nderb (gefordert) nnd wir dus treuliesten Zeweinb und mitZstsiit stusten". Durch diese seine Studien erhob er sich weit über den geistigen Horizont der größten Anzahl seiner Standesgenossen, und erwarb sich jene edle Freiheit der Anschauungen, welche wir in jener Zeit bei diesen nicht häufig antreffen. Ein deutliches Beispiel hievon gibt seine Äußerung über den Ursprung seiner Familie, den er nach den Wappenbildern der ein¬ zelnen Familienzweige (eine weiße Schleife, an welcher man den Pflng auf den Acker und wieder zurttckführt, und ein gelber Roßkümmel im roten Felde) auf einfache Bauersleute znrückführt, mit den Worten schließend: „über solche meine Auslegung darf sich niemand beschweren. Denn wenn mein Vater oder auch ich mit dem Ackerbau und Pflng gearbeitet und uns ernährt hätten, so wollte ich dasselbe wahrlich auch nicht verschweigen. Ich wollte auch lieber der erste geadelt worden sein, als daß ich sollte meinen edlen Vorfahren unähnlich befunden werden." Auch trat er in freundschaftliche Beziehungen zu den Humanisten seiner Zeit, was die große Anzahl der ihn preisenden Gedichte beweist. Er wurde somit ein echter 7 Repräsentant der zwei Hauptrichtungen seiner Epoche: es hatte sich in ihm deutsche Ritterlichkeit und Tapferkeit vereint mit dem freien Sinne und dem für Schönes und Edles empfänglichen Geiste der Griechen und Römer. Das ist nämlich das Charakteristikon dieser Über¬ gangsperiode aus dem Mittelalter in die neue Zeit. Es bestanden noch die alten Formen des Mittelalters, doch überall versuchte man sie mit neuem Geiste auszusüllen, einem Geiste, der aus den Schriften und der Kunst der Römer und Griechen herüberwehte. Seit dem 14. Jahr¬ hunderte, seit in Italien Dante das Studium der latei¬ nischen und Petrarca mit Boccacio das Studium der griechischen Klassiker angeregt hatte, seit man angefangen, nicht bloß die grammatikalischen Farmen, sondern auch den Geist der Klassiker zu studieren, war ein neuer, erfrischender Hauch in die Gemüter gezogen, der die Anschauungen Europas immer freier gestaltete, sie immer mehr von den Engherzigkeiten des Mittelalters lvslöste. Die großartigen Entdeckungen des 1b. Jahrhundertes trugen dann auch dazu bei, dass der geistige Horizont der Völker sich er¬ weiterte, und dass die Ideen der Humanisten, d. h. der¬ jenigen Männer, welche das Studium der Alten in dem angedeuteten Sinne betrieben, immer tiefer in das Volk drangen, so den Weg bahnend jenen großen Umwälzungen, welche die Neuzeit brachte. An Gelegenheit, seinen ritterlichen Sinn zu beweisen, konnte es Herberstein nicht mangeln zu einer Zeit, in welcher seine Herrn, die habsburgischen Fürsten, in ihrem Be¬ mühen nach Vermehrung ihrer Hausmacht überall auf Feinde und Hindernisse stießen. Besonders waren es die 8 Verhältnisse in Ungarn und in Italien, welche ihn in das Kriegsgetümmel hineinzogen. Es war nämlich das Streben aller großen Regenten in den Ländern, welche gegenwärtig die österreichisch-ungarische Monarchie bilden, hier an der Grenze des deutschen und slavischen Stammes ein großes Reich zu schaffen, welches die äußersten Aus¬ läufer dieser Stämme mit dem magyarischen vereinigend, eine Art Brücke bilden sollte zwischen Mittel- und Ost- Europa, über welche alle Segnungen der abendländischen Kultur ihren Weg nach dem Ostön Europas finden konnten. Das versuchten schon die Premysliden von Böhmen aus, indem Ottokar II. zu seinem Reiche die baben¬ bergische Erbschaft (Nieder- und Oberösterreich, Steiermark, Kram) und Kärnten hinzufügte, worauf schon sein Sohn Wenzel II. die polnische und ungarische Krone sich auf das Haupt setzte. Doch waren die Premysliden zu schwach, diese große Aufgabe durchzuführen; auch den Luxemburgern gelang es nicht vollständig. Von diesen erbten jedoch die Habsburger mit dem Ansprüche aus die erwähnten Länder zugleich die große civilisatorische Aufgabe und lösten diese auch, freilich erst nach jahrhundertelangen Kämpfen. In der Zeit Herbersteins beginnen diese Kämpfe. Böhmen und Ungarn hatten nach dem Tode des Ladislaus Posthnmus nationale Könige gewählt, und zwar ersteres Georg von Podiebrad und letzteres Mathias CorvinuS. Dieser letztere folgte auch dem oben erwähnten allge¬ meinen Zuge und verfolgte nun den Plan, von Ungarn aus die große „Ostmacht" in Mitteleuropa zu begründen und zwar mit so bedeutendem Erfolge, dass er im Jahre 1490 nebst Ungarn auch Mähren, Schlesien und Nieder- 9 Österreich besaß. Um wenigstens für die Zukunft den Habsburgern den Weg zur Wiedererlangung aller dieser Länder zu sichern, hatte der Kaiser Friedrich III. (der Bater Maximilians) mit dem Könige Mathias einen Erbvertrag 1463 abgeschlossen, den Maximilian nach dem Tode des ungarischen Königs (1490) zur Geltung bringen wollte. Jedoch die ungarischen Großen, welche einen kräftigen König nicht wünschten, sondern einen, den sie, nach dem Ausspruche des Wojwoden Stefan Bäthory, „immer beim Schopfe halten konnten", wählten den schwachen Wladislaw, König von Böhmen, welcher daselbst nach dem Tode Georgs von Podiebrad war auf den Thron erhoben worden. So schien nun der Anfang eines neuen Krystallisationsprocesses sich zu bilden, dessen Mittel¬ punkt Böhmen werden sollte. Maximilian musste nach einem kurze» siegreichen Feldzugs in Ungarn wegen einer Meuterei seiner eigenen Truppen, die ihm jeden Dienst verweigerten, bis der rückständige Sold gezahlt sei, sich nach Österreich zurückziehen und sich mit der Summe von 100-000 fl. für den Kaiser und mit einem neuen Erbvertrage für den Fall, dass der männliche Stamm der böhmischen Jagellonen aussterben sollte, begnügen (7. November 1491). Da um diese Zeit auch die bisher unter mehrere Linien geteilte habsburgische Hausmacht in der Hand Maximilians vereinigt wurde, so war hiedurch ein starker Mittelpunkt für diese künftigen Erwerbungen geschaffen. Aber die Pläne Maximilians giengen noch weiter. Er hatte schon durch die Heirat mit der Erbprinzessin von Burgund, Maria, das industriellste und reichste Land Mitteleuropas 10 seinem Hause verschafft, und nun eröffnete er demselben durch die Vermählung seines Sohnes Philipp mit Johanna, der Erbprinzessiu von Aragonien und Castilien, (1496) auch die Anwartschaft auf Spanien, jenes Land, welchem gerade damals Columbus die fabelhaften Schätze der neuen Welt erschlossen, dessen Zukunft deshalb von dem glänzendsten Lichte äußerer und innerer Macht umflossen erschien. Er selbst heiratete Blanca Maria, die Erbin von Mailand, so dass nun das Haus Habsburg als die weltbeherrschende Macht der Zukunft dastand, welche auch durch den alt¬ ehrwürdigen Titel und die damals noch nicht verschwundene Macht des deutschen Königs und römischen Kaisers die würdige Krönung erhielt. Aber eben dieses riesige An¬ wachsen eines Hauses erweckte demselben auch überall Feinde und Neider. Der mächtigste unter diesen war Frankreich, welches sich von allen Seiten von der habs¬ burgischen Macht eingeschlosseu und bedroht sah, und sich deshalb auch überall derselben feindlich gegenüberstellte. Der heftigste Kampf entbrannte in Italien, wo die Zer¬ würfnisse zwischen den einzelnen einheimischen Mächten und das Bestreben, keine einzelne, besonders keine fremde allzu mächtig werden zu lassen, zu beständigen Zwistigkeiten Anlass gab. In diesen letzten Kämpfen verdiente sich nun Herberstein seine Sporen. Zwar war er schon 1506, von seinem Bruder Georg mit fünf Pferden ausgerüstet (d. h. mit fünf bewaffneten Knechten), ins Feld gezogen, als Maximilian in Ungarn eingefallen war, um die schon sich regenden Machinationen gegen den habsburgisch- jagellonischen Erbvertrag zn hintertreiben. Jedoch der kurze Feldzug gab ihm keine Gelegenheit sich auszuzeichnen. Diese sollte ihm in vollem Maße zu teil werden in dem Kriege gegen Venedig. Diese stolze Republik hatte im Jahre 1507, als Maximilian einen Krieg gegen sie eröffnete, Gör; und Portenau (Pordenone) besetzt, Triest und Fiume erobert. Als der Kaiser nun sich mit dem französischen Könige Ludwig XII. und dem Papste gegen dieselbe zu Cambray verbündete, wurden die Venetianer von allen Seiten angegriffen, und die österreichischen Heerführer erobern die 1507 verlorenen Städte und Herrschaften wieder zurück. Der Krieg ist jedoch hiermit noch nicht beendigt, sondern zieht sich bis in das Jahr 1512, während welcher Zeit die Orte in Friaul und Istrien zweimal ihren Herrn wechseln, bis endlich die überhandnehmende Macht Frankreichs den Kaiser zwingt, sich mit dessen Feinden, darunter auch den Venetianern, in der sogenannten heiligen Liga zu verbünden. In allen diesen Kämpfen bewährte sich der mit Edelsinn gepaarte Heldenmut Herbersteins. Trotz seiner Jugend wurden ihm wichtige Aufträge erteilt, die er alle mit einer solchen Umsicht und Unerschrockenheit ausführte, dass er 1509 vom Kaiser in seine Dienste (in oostorbsin xrastorinin) genommen wurde. Aber auch seine Hu¬ manität bestand im Kriegsgetümmel die Probe. So hatte er unter anderem einst die Stadt Alben genommen, deren Einwohner sich alle in eine Kirche bei einem Barfüßer- Kloster flüchteten. Die ihm beigegebenen Kroaten fragten, ob sie die Kirche mit Gewalt nehmen sollten, da man so viele Gefangene machen könne. Er aber verbot es, „da mau das Haus Gottes uicht antasten solle'5 „Gott hat 12 es mir später vergolten", setzt er bei, „dem sei Lob und Ehr und Dank." Von seinem Heldenmute gibt besonders die Verteidigung seiner Familienfeste Mährenfels (einst eine mächtige Burg bei Lupoglavo in Istrien, am süd¬ westlichen Abhange des Tschitschenbodens), die er mit Hilfe der Bürger gegen einen weit überlegenen Feind behauptete, ein beredtes Zeugnis. Sein Name bekam anch bald einen so guten Klang bei dem kaiserlichen Heere, dass der Kommandant von Mitterburg (oder Pisino), als diese Stadt von den Venetianern hart bedrängt wurde, und weder die Einwohner noch die kroatischen Soldaten mehr gehorchen wollten, dem ihm zu Hilfe geschickten Herberstein, trotz dessen Jugend, das Kommando über¬ geben wollte. Bescheidenen Sinnes nahm Herberstein diese Würde nicht an, sondern „handelte neben ihm", stellte auch wirklich die Ordnung in der Stadt her und vertrieb die Feinde. Die steiermärkischen Stände ehrten ihren Landsmann nun damit, dass sie ihm das Kriegs" zahlmeister-Amt übertrugen, wozu noch im Jahre 1514 die Auszeichnung kam, dass er, der 28 Jahre alte Mann, das Recht bekam, „den Strehtfan" (die Kriegsfahne) zu tragen, ein Recht, welches er während seines ganzen Lebens behielt nnd auf seine Familie vererbte; dass er diese seltene Auszeichnung verdiente, bewies er durch Entsatz der hartbedrängten Festung Maran in Friaul (das heutige Marano am Tagliamento, westlich von Aquileja), die Maximilian nicht im Stiche lassen wollte, „und wenn deshalb ein Land zu versetzen wäre". Deshalb wurde er auch gleich nach Beendi¬ gung des Feldzuges vom Kaiser uach Innsbruck berufen, 13 wo er bei einem großen Siegesfeste zum Ritter ge¬ schlagen und mit 300 fl. Gehalt (eine für jene Zeit be¬ deutende Summe) in kaiserliche Dienste aufgenommen wurde. Hiermit endet jedoch feine Laufbahn als Krieger; sein Charakter, sein Talent, sowie seine Bildung wiesen ihn nach einer anderen Richtung hin, in welcher er seinem Herrscherhause und seinem Vater¬ lande hervorragende Dienste leisten sollte, so dass sein Name für immer mit dem Ausbaue des eigentlichen Österreichs ehrenvoll verbunden bleibt. Es war die diplomatische Richtung, in welcher er sich als der geschulteste Unterhändler, der treueste Unterthan und wärmste Patriot bewährte, während sie ihm zugleich Gelegenheit gab, sich Erfahrungen zu sammeln, die ihn zu einem bahnbrechenden Schriftsteller auf dem Felde der historischen Geographie, der Kulturgeschichte von Ost-Europa, zu einem „zweiten Entdecker Russlands" machten. Seine Schriften fanden eine Verbreitung, wie wenige Werke seiner Zeitgenossen und trugen seinen Namen über sein Jahrhundert und sein Vaterland weit hinaus. Er beginnt diese seine staatsmännische Laufbahn damit, dass er bald nach seinem Ritterschläge vom Kaiser Maximilian in den Reichshofrat berufen wird, nebst dem Reichs-Kammergerichte das erste Gericht Deutschlands, welches Maximilian für die reichs- und erbländischen Angelegenheiten errichtet hatte. Schon im Jahre 1515 wird er jedoch zu Gesandtschaften verwendet an den Erz¬ bischof von Salzburg, nach Ulm, Eichstädt u. s. w., bei denen sich seine Umsicht so bewährt, dass er im nächsten 14 Jahre mit einer ebenso heiklen als gefahrvollen Mission nach Dänemark betraut wird. Der König von Dänemark Christian II., dem die Geschichte wegen des Stockholmer Blutbades*) den Bei¬ namen „der Grausame" beilegte, hatte eine Enkelin Maximilians geheiratet, behandelte sie jedoch sehr schlecht, trennte sie von allen ihren Freundinnen und ließ sogar drei von diesen, welche sich über sein Benehmen tadelnd aussprachen, hilflos über die Grenze schaffen, ohne sich darum zu kümmern, wie sie wieder ihre Heimat erreichen sollten. Diesen gewaltthätigen Mann sollte nun Herberstein in seiner Hauptstadt aufsuchen und ihm im Namen des Kaisers Vorstellungen wegen der Behandlung seiner Gemahlin machen. Es gehörte wol kein geringer Mut hiezu, abgesehen von den Gefahren der weiten Reise in einer Zeit, wo Wegelagerung und Raub zu den alltäglichen Vorfällen gehörten, so dass Herberstein selbst in seinem Berichte darüber sein Erstaunen ausdrückt, dass er auf dem ganzen Wege nicht „angeritten" und beraubt worden sei. Geradezu bewunderungswürdig ist die Art und Weise, in welcher er dem Könige entgegentritt. Dieser empfängt ihn unfreundlich, und doch sagt ihm Herberstein trocken ins Gesicht, „dass er ungeschickt, unredlich und unehrlich gehandelt", ohne dass der König es wagt, dem biederen, offenen Manne mit Heftigkeit zu antworten, oder sich *) Er hatte sich Schwedens mit Gewalt bemächtigt, seine Gegner durch eine scheinbare Versöhnung getäuscht und nach Stockholm geladen, wo er sie wortbrüchig gefangen nehmen und vor seinen Augen hinrichten ließ. 15 gar an ihm zu vergreifen. Wol schützte ihn das Völker¬ recht, welches den Gesandten zu einer unverletzlichen Person macht. Doch die Stockholmer Morde beweisen, wie wenig sich der König sonsi an das Recht kehrte, und die Behandlung seiner Gemahlin spricht auch dafür, dass nicht blos die Furcht vor der Rache Maximilians, dessen Bedrängnisse auch in Dänemark nur zu gut bekannt waren, Herberstein schützte. Es war eben die Macht seines eigenen edlen Charakters, die wir auch später oft noch zu bewundern haben werden, welche den seines Unrechtes bewussten König entwaffnete. Ja er beschenkte sogar seinen geradesinnigen Tadler bei der Abreise mit einem schön gezäumten Pferde. Sein Benehmen gegen seine Gemahlin änderte er freilich nicht, und spottete nur der Vorstellungen ihrer Verwandten, bis er endlich wegen seiner Grausamkeit aus seinem eigenen Reiche vertrieben, bei ihrem Bruder, dem nachmaligen Kaiser Karl V., als Flüchtling Hilfe suchen muss. Er beschlieft sein Leben in harter Gefangenschaft, in welche er fällt, als er später Norwegen wieder zu erobern versucht. Herberstein war von Dänemark nach Tirol zum Kaiser geritten, und hatte durch den Bericht über seine Thätigkeit das Vertrauen desselben in so hohem Maße gewonnen, dass er ihm nun auch andere, die wichtigsten Interessen der habsburgischen Dynastie betreffende Geschäfte anvertraute, nämlich eine Gesandtschaft nach Polen und Russland, welche den Beginn der eigentlichen diplomatischen Thätigkeit Herber¬ steins und zugleich auch die Grundlage seines schrift¬ stellerischen Ruhmes bildet. 16 2. Erste Krise nach Polen und Russland (1316-1518). Um die Wichtigkeit dieser Gesandtschaft Herbersteins zu begreifen, müssen wir etwas weiter ausholen. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts war Russland für Europa ein fast gänzlich unbekanntes Land nicht nur in geo¬ graphischer sondern auch in historischer und kulturhistorischer Beziehung. Man betrachtete es mit derselben aber¬ gläubischen Neugierde, mit welcher etwa die Griechen zur Zeit Herodots nach demselben hinsahen, als dieser große Geschichtsschreiber ihnen vom Hörensagen die Geschichte von den „Schwarzmäntlern", den sich in Wölfe ver¬ wandelnden Neurern, dem Lande, in dessen Luft unzählige Federn hernmfliegen u. d. m. erzählte. Dazu hatte sich im Mittelalter noch der Schrecken des tatarischen Namens gesellt, weil von hier aus des Tschingischan Scharen, „die Söhne des Teufels", ihren durch Braud und Mord bezeichneten Weg bis in das Herz Europas gefunden und hier nach ihrer Vertreibung aus Mitteleuropa auch ihren bleibenden Sitz aufgeschlagen hatten. Die sogenannte „goldene Horde" beherrschte von Kaptschak aus ganz Russland, welches in eine Menge kleiner Fürstentümer zerfiel, deren Fürsten zwar alle von dem germanischen Geschlechte Nuriks abstammten, aber weder dem Familienoberhanpte, dem Großfürsten von Moskau, gehorchten, noch sich unter einander friedlich vertrugen, so dass einem jeden7'fremden Eroberer das 17 Land offen stand. Es ist nun begreiflich, dass das christ¬ liche Abendland von diesem Reiche keine Noti; nahm. Die ganze Sachlage aber änderte sich mit einem Schlage, als mit Iwan III. (>462—1505), dem Grausamen oder Großen (welche Beinamen er beide mit Recht er¬ hielt), ein Herrscher auftrat, der mit persönlichem Mut nud Kraft auch die nötige Klugheit und die weitgehendste Rücksichtslosigkeit verband, wenn es sich darum handelte, einen inneren oder äußeren Feind unschädlich zu machen. Dieser besiegt die goldene Horde des Kaptschaks, macht sich alles Land bis zum kaspischen See zinsbar, vernichtet aber auch mit grausamer Strenge alle Gewalten im Innern, welche sich der Vereinigung des ganzen Reiches und seiner unumschränkten Macht widersetzen. Die Teil¬ fürstentümer werden bezwungen oder unterwerfen sich freiwillig, und die große Hansastadt Nowgorod, welche bis dahin, von deutschen Bürgern beherrscht, eine starke Republik gebildet, wird bezwuugen und auf barbarische Weise entvölkert, indem viele der angesehensten Kaufleute hingerichtet nnd eingekerkert, und 8000 Bürger in andere Städte verpflanzt werden. Auf diese Weise war nun Russland ein mächtiger Stäat im Osten geworden und ein Nachbar, mit dem man im Westen rechnen musste. Zuerst war es der Papst, der in seinem Bestreben, die Türken abzuwehren, welche damals schon Konstantinopel genommen hatten und das christliche Abendland sowie seine Kultur bedrohten, sich an Iwan wandte und ihm die Hand einer griechischen Prinzessin, der Erbin des von den Türken zerstörten paläologischen Kaisertums, antrug. Iwan nahm dieselbe Schober, von Herberstein. Z 18 an und mit ihr auch den doppelten Adler der Griechen als Wappen, hiermit seinen Anspruch auf den griechischen Kaiserthron bekundend. So war der erste Schritt zur Einführung Russlands in die Verhältnisse des Abend¬ landes geschehen. Derselbe führte bald zu weiterer An¬ näherung. Mit der griechischen Prinzessin waren auch abendländische Handwerker und Gelehrte nach Russland gekommen, und Iwan sah bald ein, dass er durch Ver¬ breitung der abendländischen Kultur seinem Reiche die beste Stütze gegen alle Feinde geben könne. Er zog deshalb vorzüglich deutsche Bergleute, Landwirte, Künstler und andere mehr in sein Reich, um die Schätze des Bodens, welche die Russen brach liegen ließen, zu heben. So wandte er sich auch im Jahre 1489 in einer eigenen Gesandtschaft an den Kaiser Friedrich III., ihn nm Lente dieser Art ersuchend, und schloss 1490 mit Maxi¬ milian den ersten urkundlich vorhandenen Vertrag zwischen Österreich und Russland, in welchem er sich verpflichtete, dessen Bemühungen um den ungarischen Thron, die wir früher geschildert haben, zu fördern. Die Spitze dieses Vertrages richtete sich gegen Polen, welches damals mit der Österreich feindlichen Partei in Ungarn in freundschaft¬ lichen Beziehungen stand. Es bestand nämlich ein alter Streit um Ungarn zwischen den beiden Häusern der Habsburger und der Jagellonen. Schon nach dem Tode Albrecht II., des ersten Habsburgers, welcher die unga¬ rische Krone trug, wurde sein nachgeborener Sohn Ladislaus durch den polnischen König Wladislaw verdrängt und konnte erst nach dem Tode des letzteren, der in der Schlacht bei Varna tapfer kämpfend fiel, zum Throne gelangen. 19 Auch jetzt nach dem Tode des Königs Mathias wandten sich die Angen der habsburgfeindlichen Partei trotz den Erbverträgen des verstorbenen Königs nach einem Ja¬ gekonen, Wladiölaw von Böhmen. Das Haupt dieser Partei war Stefan Zapolya, ein herrschsüchtiger Mann, der vorzüglich mit Hilfe des niederen Adels die Königs¬ macht immer mehr zu beschränken trachtete, und daher auch einen schwachen König, den er nach Belieben lenken konnte, dem thatkräftigen Maximilian vorzog. Indem Wladislaw gewählt wurde und sich auch gegen Maximilian (wie schon früher erzählt wurde) behauptete, trat auch Polen, wo ein Bruder Wladislaws regierte, in feindlichen Gegensatz zu den Habsburgern. Andererseits war es aber auch der natürliche Feind Russlands. So lange letzteres durch den Druck der mongolischen Herrschaft geschwächt war, hatte sich Polen auf dessen Kosten erweitert. Als nun Iwan den Kamps gegen diesen Druck begann, fühlte der polnische König Kasimir die ihm von daher drohende Gefahr und verband sich sogar mit der goldenen Horde gegen Iwan. Zwar wurde dann ein Friede geschlossen, aber die Ansprüche Russlands auf die ihm von Polen entrissenen Lünderteile blieben der feststehende Grund weiterer Zerwürfnisse, die selbst durch eine Heirat des polnischen Königs Alexander mit einer Tochter Iwans nicht beigelegt werden konnten, sondern zu fortwährenden Kriegen führten. Daher war Russland ein natürlicher Bundesgenosse der Habsburger gegen Polen. Die Verhältnisse hatten nun in der Zeit, in welcher wir jetzt mit unserer Lebensbeschreibung stehen, eine teil¬ weise Änderung erfahren. Stefan Zapolya war im Jahre 2* 20 14W gestorben; sein Sohn Johann Zapolya halte aber den hochstrebenden Sinn seines Vaters geerbt. Als dem Haupte der mächtigsten und reichsten Familie im Lande, deren Besitz in der letzten Zeit noch durch die Familien- gnter der Hunyady'schen Königsfamilie in Folge einer Heirat vermehrt worden war, schien ihm nichts unerreich¬ bar. Selbst znr Königskrone versuchte er sich den Weg zu bahnen, indem er die älteste Tochter des Königs heiratete, welche damals, weil der König keine Söhne besaß, die mutmaßliche Erbin des Reiches war. Zugleich beherrschte er den Reichstag durch seine Partei, so dass sein Wille allmächtig ward, und der König seine eigene Macht zu einem Schatten herabsiuken sah. Als deshalb Maxi¬ milian, wie schon, früher erzählt, einen Zug nach Ungarn unternahm, schloss Wladislaw nut ihm einen geheimen Vertrag, in welchem er die Hand seiner Tochter Anna Ferdinand, einem Enkel Maximilians, dem Sohne Philipp des Schonen und Johanna der Wahnsinnigen, versprach. Seit dieser Zeit blieb er dem Freundschaftsbündnisse mit Maximilian treu. Ja es wurde Maximilian seine einzige Stütze gegen die Übergriffe ZapolyaS, dessen Partei sogar eines Mordanschlages gegen den König beschuldigt wurde und sich als Herr im Lande geberdete. Daher versuchte Wladislaw sich immer enger an Maximilian anznschließen, und derselbe bewirkte auch eine Annähe¬ rung zwischen Polen, wo Wladislaws Bruder, Sigis¬ mund, auf dem Throne saß, und dem habsburgischen Herrscher. Aus einer Zusammenkunft der drei Herrschte in Wien (1515) wurde eine dreifache Heirat, als Be¬ siegelung des neuen Freundschaftsbündnisses, beschlossen. 21 Die jüngere Tochter Wladislaws, Anna, sollte einen der Enkel Maximilians, Karl oder Ferdinand, heiraten; im Falle diese Heirat zu nichts würde, sollte sie Maximilian selbst ihre Hand reichen-, Ludwig, der Sohn Wladislaws, und deshalb Kronerbe von Böhmen und Ungarn, wurde mit der Schwester Karls und Ferdinands, Maria, ver¬ lobt; und endlich sollte Sigismund eine andere Enkelin Maximilians, Bona von Mailand, zur Gemahlin nehmen. Zu diesem politischen Freundschaftsbunde hatte nicht wenig die persönliche Zuneigung beigetragen, welche Sigismund und Maximilian zu einander gefasst hatten, und welche Maximilian zu der Äußerung hinriss, „er wolle mit dem Könige, wohin der wollte, zum Himmel oder zur Hölle fahren". Es ist nun selbstverständlich, dass diese veränderte Stellung Polens und Maximilians auch ihren Rückschlag auf das Verhältnis zwischen Polen und Russland äußern musste, da der Kaiser naturgemäß wünschen musste, dass unter seinen Verbündeten Eintracht herrsche, und dass nicht Polens Einfluss auf Ungarn, der ihm jetzt eine Sicherstellung der Ansprüche seines Hauses auf die Krone des heiligen Stefan bot, durch den Krieg mit einem anderen seiner Freunde aufgehoben werde. Es war nämlich der Krieg zwischen Russland und Polen gerade damals wieder heftig entbrannt. Die Polen waren besiegt worden, und Russland hatte sich des Fürstentums Smolensk bemächtigt. Und so sollte nun eine kaiserliche Gesandtschaft nach Moskau gehen, um bei dem Czaren Wassily Iwanowitsch einen Frieden mit Polen zu vermitteln. Zugleich sollte diese Gesandtschaft auf ihrem Wege über Polen bei dem Könige Sigismund die verabredete Heirat — 22 — mit Bona betreiben, was natürlich gleichbedeutend war mit einem förmlichen, unheilbaren Bruche desselben mit den Zapolyas, da er sich dieser Heirat wegen von seiner ersten Gemahlin, einer Schwester Johann Zapolyas, scheiden lassen musste. Aus dem Gesagten ist nun die große Wichtigkeit dieser Gesandtschaft einzusehen — es hiengen die Lieblingspläne Maximilians, die künftige Größe des österreichisch-habsburgischen Hauses, die Verwirklichung der Idee Österreichs, aufs innigste mit dem Erfolge derselben zusammen, so dass durch ein Misslingen der Unterhand¬ lungen die Hindernisse, welche sich der Erreichung aller dieser Ziele entgegenstellten, bedeutend vermehrt worden wären. Zum Leiter der Gesandtschaft wurde vom Kaiser der Bischof von Laibach, Christof Räuber, bestimmt, dem unser Herberstein als Unterstützer in den diplomatischen Verhandlungen beigegeben wurde. Jedoch die Gefahren der Reise, die Schwierigkeiten der Aufgabe waren so groß, dass der Bischof den Antrag des Kaisers anzunehmen zauderte, und Peter Mraxt, Pfleger zu Günß, mit den: Amte betraut wurde. Aber als auch dieser durch ander¬ weitige Geschäfte au der Abreise verhindert war, wurde endlich Herberstein allein dazu abgefertigt, am l 4. Dezember 15l6, und hat auch allein alle Gefahren getragen, alle Geschäfte verrichtet. Peter Mraxi starb nämlich schon im Beginne der Reise zu Zuaiin, uud alle anderen, welche an seine Stelle ernannt wurden, entzogen sich unter Vor¬ wänden dem Auftrage, Ivie Herberstein in einer Übersicht seines Lebens selbst sagt: „Lisin init vsroränstsr Ustsr Llrnxi ist slls ivll xn iin irlloinsn, Asstordsn, Herr Veit Ltrsin an sein 8tnät (an seiner Statt) — 23 vsrorcknst, erkrankt, cinw ^risärlost Ltrussg-ur krnna auost vit, tmüs LÜckiw vsrriolit.'st Es ist aber auch begreiflich, dass ein jeder vor dem Unternehmen znrnckschreckte, wenn man die Schwierigkeiten erwägt, mit denen die Reise verknüpft war. Schon die große Entfernung Moskaus von Wien musste in einer Zeit, wo der Reisende die ganze Reise meistens reitend zurücklegen musste, das Unternehmen als höchst schwierig erscheinen lassen. Dazu kam noch, dass die Wege damals im allgemeinen schlecht waren, und dass man überhaupt nicht wusste, wie sie in Russland beschaffen seien — in einem Lande, über welches die abenteuerlichsten und schrecklichsten Gerüchte im Umlauf waren. Auch darf mau nicht vergessen, dass die Gesandtschaft im Dezember, also mitten im Winter, abgefertigt wurde, so dass der Reisende mit der Kälte, dem Schnee und im nächsten. Frühjahre, wenn er nach Russland kam (denn so lange musste die Reise wenigstens dauern), mit dem Eis¬ gänge auf den Flüssen, den Überschwemmungen u. a. m. zu kämpfen halte. Die letztere Gefahr war besonderS- von Bedeutung, weil Brücken in jener Zeit eine Selten¬ heit waren, und die in Russland etwa vorhandenen in dem Kriege gegen Polen, dessen Schauplatz längs des von der Gesandtschaft eiuzuschlagenden Weges lag, jeden¬ falls abgebrochen worden waren. Wenn man nun die Gefahren hiuzurechnet, welche dem Reisenden von räuberi¬ schen Überfällen selbst in Deutschland drohten, die Schwierig¬ keit für einen Deutschen, sich mit den Russen zu verständigen, die Abneigung, welche bei allen unkultivierten, von Fremden wenig ausgesuchten Völkern gegen Ausländer herrscht, und 24 zuletzt noch die Schwierigkeit, mit dem siegreichen Zaren einen Frieden zu Gunsten des geschlagene» Polens zu verhandeln, so muss man sowohl über den Mnt Herber¬ steins staunen, der dort, wo alle zurücktraten, unverzagt im Dienste seines Herrn sich den augenscheinlichsten Gefahren unterzog, als auch über die körperliche Kraft, welche ihn alle diese Strapazen ertragen ließ. Noch mehr Bewunderung erregt aber die Ausdauer nnd die Klugheit, mit welcher er alle Hindernisse überwand. Der einzige Vorteil, welchen er vor den anderen zur Gesandtschaft bestimmten Männern besaß, war die Kenntnis der wendischen Sprache, weil ihm diese wegen ihrer Verwandtschaft mit dein Russischen den Verkehr mit den Eingebornen erleichterte. Die Reise gieng von Rastadt über Ulm nach Augs¬ burg, wo er mit Peter Mraxi, seinem Neffen Hans von Thurm und zum Kreutz und Georg Raumschüßel zusammen¬ traf. Dieser letztere sollte ihm den Weg nach. Polen weisen, von wo derselbe gerade zurückgekommen war. Auch schloss sich ihnen hier der Gesandte des Zaren an, welcher eben von Maximilian nach Hause zurückkehrte, ein Gesandter der Herzogin von Mailand, welcher die Heirat der Prinzessin Bona mit Sigismund von Polen abschließen sollte, und der Sekretär des Königs Sigis¬ mund, der berühmte Humanist Johann Flachsbinder, nach seiner Vaterstadt Danzig gewöhnlich Dantiscus genannt, welcher der treueste Freund HerbersteinS wurde und spater dessen Ruhm in einer großen Anzahl von lateinischen Gedichten verkündete. Noch war diese große Gesellschaft nicht weit von den habsburgischen Ländern entfernt, als Peter Mraxi, wie schon erwähnt, in Znaim starb, und 25 Herberstein gezwungen wurde, die Leitung der Gesandt¬ schaft und alle Geschäfte allein zu übernehmen. Zwar ernannte der Kaiser nach einander zwei Männer an Mraxis Stelle, doch der erste wurde krank (?), nnd der zweite entzog sich unter anderen Borwänden dem Auftrage. Am 5. Februar kam nun Herberstein nach Krakau, traf aber hier den König nicht an und setzte oeshalb auf einem Schlitten den Weg bis Wilna an das Hoflager desselben fort. Als Beispiel für den Wert, welchen damals das Geld besaß, ist die Zahlung bemerkenswert, welche der Fuhrmann für die 21tägige Fahrt (auf welcher er auch für das Essen und die Unterkunft der Reisenden zu sorgen hatte) erhielt — nämlich 8 fl. „rheinisch". In Wilna wurde Herberstein miss feierlichste und freundlichste empfangen; königliche Diener holten ihn schon mehrere Meilen vor der Stadt in einem kostbaren Schlitten ab, und ein fürstlich eingerichtetes Haus wurde ihm zur Verfügung gestellt. Auch der König war sehr gnädig, und als Ergebniß der Verhandlungen mit ihm konnte Herbersteina dem Kaiser die feierliche Zusage der Heirat mit Bona mitteilen, welche Verbindung auch bald darauf' wirklich stattfand. Nach einem achttägigen Aufenthalt setzte er seine Reise unter den größten Beschwerden und Ge¬ fahren fort; so musste er z. B. bei Drissa auf eiuem schmalen Streifen Eises über die. von beiden Seiten schon völlig offene und angeschwollene Düna hinübergehen, an einer Stelle, wo nicht lange vorher 600 Mann Russen mit dem Eise eingebrochen und ertrunken waren. Auch verließ ihn jetzt schon sein bisheriger Führer Raumschüßel, so dass seine Begleitung nur auf den russischen Gesandten 26 sich beschränkte, da auch die anderen früheren Reisegeuossen in Polen zurückgeblieben waren. Die Gegend wurde immer unsicherer, weil der Weg zwischen den feindlichen Heeren hindurchführte, so dass die Reisenden gezwungen wurden, oft große Umwege zu machen; es war nämlich der Kampf zwischen Polen und Rnssland trotz der angekündigten Gesandtschaft Herbersteins nicht eingestellt worden. Endlich erreichte er am Palmsonntage den 4. April Nowgorod. Hier musste er einige Zeit bleiben, bis über seine Ankunft nach Moskau berichtet wurde. Diese Zeit benützte er, um sich in der merkwürdigen Skadt nmznsehen und Nachrichten über die Gegend und das Volk emzuziehen. Die Stadt selbst war freilich nur mehr ein Schatten jener reichen und berühmten Hansastadt, aus welcher der Eroberer Iwan im Jahre 1477 mehr als dreißig Wagen voll Gold, Silber und Edelsteinen als Bente wegführen konnte. Doch war der ganze Reichtum der Bürgerschaft noch nicht geschwunden und wurde immer vermehrt durch ihren einträglichen Handel, weil Nowgorod auch jetzt noch der Haupthandelsplatz Russlands war, in welchem Kauf¬ leute aus Lithaueu, Polen, Schweden, Dänemark und Deutschland znsammenkamen. Die letzteren hatten sogar ihre Geschäftsführer dort, auch waren daselbst noch viele Deutsche ansässig. Herberstein wurde mit großer Auszeichnung behandelt, besonders von den deutschen Kaufleuten, die sich seinen Reiseschlitten zum Andenken an den kühnen Landsmann ausbaten und denselben in einer Kirche auf¬ hängten. Die eigentlichen Russen fand er durch den Despotismus des Zaren in eine gewisse Dumpfheit des Geistes versunken. Er wird nicht müde diesen Despotismus 27 zu schildern. Der Zar war der unumschränkte Gebieter über Gut nnd Blut seiner Unterthanen. Sein Lille wurde öffentlich als Gottes Wille anerkannt, nnd niemand, selbst nicht seine Ratgeber, wagte es einer anderen Meinung zu sein als der Fürst. Deshalb war auch alle Thatkraft erlahmt, und man bekam auf alle Kragen die gleichbleibende Antwort: „Gott nnd der Großfürst wissen es." Als endlich von Moskau die Bewilligung zur Fort¬ setzung der Reise eintraf, ließ Herberstein auf den Rat des Statthalters seine Leute und Pferde in Nowgorod zurück nnd ritt die ganze Strecke bis Moskau auf Postpferden. Es war nämlich in Russland für den fürstlichen Dienst eine Art Post eingerichtet. Der Reisende musste eigenen Sattel nnd Zaum haben; kam er nun auf eine Station, so wurden ihm dreifach oder vierfach so viel Pferde vor¬ geführt als er brauchte, unter denen er sich die nötige Anzahl auswählte. Auf diese wurden die Zäume und Sättel des Reisenden gelegt, der dann mit seinem Gefolge so schnell, als er wollte, bis zur nächsten Station reiten konnte; fiel auf dem Wege ein Pferd oder wurde es müde, so nahm man aus dem ersten besten Hanse ein neues, oder befahl irgend einem begegnenden Reiter, der nicht im fürstlichen Dienste ritt, abzusteigen nnd sein Pferd herzngebeu. Auf diese Weise kam Herberstein verhältnismäßig schnell zum Flusse Twerca, auf welchem er sich cinschisfte. Der Eisgang war jedoch so stark, dass sie nur mit Mühe, weit weg von ihrem EinschiffungS- vrte, das Ufer wieder erreichen konnten und sich zu Fuß durch Moräste den Weg suchten mussten, bis sie zufällig 28 ein Bauernhaus trafen, wo sie einige kleine, elende Pferde zur Benützung vorfanden, die sie weiter brachten. Endlich bei einem Kloster traf Herberstein auf den ihm vom Zaren entgegengeschickten Boten, der nun ihre Verpflegung über¬ nahm , dieselbe freilich oft auf eine Art eintreibend, über die sich Herberstein nicht genug Wundern konnte. So schreibt dieser z. B. von seinem Verfahren in dem oben erwähnten Kloster: „Er schaffte mit den Mönchen, wie mit anderen ge¬ meinen Leuten; wenn sie das nicht allsogleich thaten, was er verlangte, so zeigte er ihnen drohend die Peitsche, worauf¬ hin alles gleich geschah." In dieser Weise wurde Herber¬ stein bis Moskau geleitet. Unmittelbar vor der Stadt kam ihm ein fürstlicher Gesandter entgegen, um ihn im Namen des Zaren zu begrüßen. Nach orientalischer Sitte verlangte derselbe, dass Herberstein vom Pferde steige und stehend die Botschaft vernehme. Dieser glaubte hie¬ durch seinem Herrn, dem Kaiser, etwas an der Ehre zu vergeben, wenn er als sein Stellvertreter diesem Akte der Huldigung sich unterziehe und schützte deshalb zuerst Müdigkeit vor. Endlich verstand er sich dazu, jedoch nur unter der Bedingung, dass auch der russische Gesandte vom Pferde steige. Und als dieses nach langem Unter¬ handeln zugestanden wurde, gebrauchte er den Kunstgriff sich langsam herabznlassen, nm nicht zuerst die Erde zu berühren. Am 18. April zog endlich nach einer viermonatlichen gefahrvollen Reise die kaiserliche Gesandtschaft, begleitet von einem großen Gefolge von russischen Edelleuten und Dienern, in Moskau ein; ans der Länge der Reise schloss Herberstein, dass er sich nun am äußersten Ende Europas 29 oder gar schon in Asien befinde. Die Stadt selbst liegt nach seiner Beschreibung in einer nicht übermäßig fruchtbaren Gegend, hat auch viel von der großen Kälte des Winters und der ebenso großen Hitze des Sommers zu leiden. Die Kälte, sagt er, sei oft so groß, dass der Boden weit¬ klaffende Nisse bekomme, und der Speichel gefriere, bevor er zur Erde gelangt. Der Reichtum der Umgebung Moskaus bestaub in Getreide und Gemüse, dagegen fand er nirgends süße Kirschen und Nüsse, auch alle anderen Banm- früchte waren sauer. Ebenso entbehrte sie jeder Wildgattnng außer Hasen. Die Stadt war groß, erschien aber von der Ferne größer, als sie wirklich war, weil ausgedehnte Gärten und Höfe, ja sogar Wiesen und Äcker die einzelnen Häuser trennten. Diese selbst waren fast alle aus Holz gebaut, nur einige wenige Paläste, Kirchen und Klöster hatten Steinmauern. Wälle und Graben, wie die deutschen Städte jener Zeit, besaß Moskau nicht; als Schutzwehr diente die umfließende Moskwa, und an der Stelle, wo diese sich von der Stadt entfernte, wurden die Straßen gegen Abend mit Balken versperrt, bei welchen Soldaten Wache hielten. Die Straßen waren sehr kotig und unrein, so dass an größeren Plätzen und in den Hauptverkehrs¬ adern höhere hölzerne Trottoirs für die Fußgeher angelegt werden mussten. Die Bnrg der Stadt, der noch jetzt berühmte Kreml, war aus Ziegelsteinen gebaut, von Mauern und Gräben umgeben und so groß, dass nebst dem sehr weiten nud prächtigen, von einem Italiener aus Stein aufgeführten Hause des Fürsten noch die hölzernen Häuser des Metropoliten, sowie der Mitglieder der fürstlichen Familie und vieler anderer Vornehmen in 30 derselben Platz fanden. Ebenso umfasste sie auch eine große Menge von fast durchwegs hölzernen Kirchen, so dass sie die Ausdehnung einer eigenen Stadt gewann. Jenseits der Moskwa schloss sich eine Art von Vor¬ stadt an das eigentliche Moskau an, über deren Entstehung Herberstein die interessante Notiz gibt, sie sei von dem Großfürsten Wassilis für seine Genossen gebaut worden. Es sei nämlich den Russen verboten, Meth oder Bier außer an wenigen Tagen im Jahre zu trinken. Dieses Gebot habe der Großfürst für seine Genossen aufgehoben; damit sie aber den anderen Unterthemen kein Ärgernis gäben, hätten sie außerhalb der Stadt wohnen müssen. — Herberstein wurde in dem Hause eines Fürsten Repolofskh einquartiert, welches für ihn eigens hergerichtet wurde, und zugleich wurde ihm ein Beamter zngewiesen, der für seine Bedürfnisse sorgen sollte. Er erhielt für sich und sein Gefolge täglich ein großes Stück Rindfleisch, ein Stück Speck, ein lebendiges Schaf, einen lebenden und einen toten Hasen, sechs lebende Hühner, Gemüse, Gerste, einmal in der Woche Salz, Pfeffer und Safran; dazu kamen noch Fische, aber, entsprechend der Jahreszeit, gefroren, nur große Störe waren getrocknet; erst als er sich lebende um sein Geld kaufte, schickte man ihm auch solche. Als Getränke wurde ihr» geliefert täglich „ein Kandelein" Branntwein, dreierlei Arten von Meth und zweierlei Bier. Auch hier begann Herberstein, wie auf seiner ganzen Reise, allsogleich mit Nachforschungen über Land und Leute, so dass er hiedurch Verdacht erweckte, und einige Edel¬ leute in sein Haus geschickt wurden, dem Namen nach 31 zu seiner Bedienung, in Wirklichkeit aber um ihn zu bewachen. Endlich wnrde er am 21. April zur Audienz ab¬ geholt. Viele vornehme Russen kamen deshalb zu Pfepde vor seine Wohnung. Die Pferde waren wie überhaupt in Russland klein, ohne Hufeisen, sehr leicht gezäumt und gesattelt, und der Reiter saß mit aufgezogenen Beinen auf denselben, so dass der an die geharnischten Pferde und Ritter gewohnte Herberstein leicht spottend bemerkte, sie könnten wol keinen etwas stärkeren Stoß nut der stanze anShalten. Zum Antreiben der Pferde diente meistens eine an dem kleinen Finger der rechten Hand hängende Peitsche, selten der Sporn. Als sich Herberstein dieser Schar anschloss, fassten mehrere Stallbediente die Zügel seines Pferdes und führten dasselbe. So bewegte sich der Zug gegen den Kreml, immer mehr durch Neugierige anwachsend z alle Kaufläden der Stadt waren geschlossen, nnd man musste das Volk mit Gewalt anseinandertreiben, um Raum für die Gesandten zu schaffen. In der Nähe des Palastes angelangt sollte nun Herberstein eine Strecke vor der Treppe desselben absteigen, aber er trieb sein Pferd trotz der Stalllente vorwärts, „damit meinem Herrn auch eine besondere Ehre zu teil werde" , wie er sagt. Zwei fürstliche Reiter empfiengen ihn nun, gaben ihm die Hand, umarmten ihn und führten ihn dnrch mehrere mit Hofleuten gefüllte Zimmer. Im ersten Zimmer waren die sogenannten Bojarenkinder d. h. Söhne ärmerer Edelleute, welche am Hose auf Kosten des Zaren auferzogen und dann zu allerlei Geschäften, besonders als Offiziere, Berwaltungsbeamte und Gesandte verwendet 32 wurden. Im zweiten Zimmer standen die vornehmen Edelleute, in Seide und Goldstofs gekleidet; im dritten die kaiserlichen Prinzen und die höchsten Würdenträger des Staates, kenntlich an ihren reich mit Edelsteinen und Perlen besetzten Mützen. Keiner von allen den Anwesenden sprach beim Vorübergehen Herbersteins ein Wort der Begrüßung, alle schlossen sich jedoch dem Zuge an. So begleitet trat endlich Herberstein , von drei Hof¬ beamten geführt, in das Audienzzimmer des Zaren, der auf einem reichgeschnitzten Throne, umgeben von seinen nächsten Verwandten und vornehmen Hoflenten ihn erwartete. — Über dem Throne Hieng das Bild eines Heiligen, neben demselben lag rechts die reichgeschmückte Mütze des Fürsten, links ein langer von zwei ineinander geschlungenen Schlangen gekrönter Stab, der Herrscherstab „Possoch". Auch war in der Nähe ein Waschbecken und ein Handtuch bereit, damit sich der Zar, sobald er sich bei Berührung eines andersgläubigen Gesandten verunreinigt hatte, abwaschen konnte. Den Gesandten wurde bedeutet, sich neben eine kleine, mit Teppichen bedeckte Bank vor dem Throne zu stellen. Nun sprach Herberstein einige Worte der Be¬ grüßung ; als er hiebei den Namen Maximilians aussprach, stand der Zar auf, trat neben die kleine Bank und sprach: „Ist unser Bruder Maximilian, erwählter römischer Kaiser und höchster König, gesund?" Auf die Antwort, dass ihn Herberstein bei seiner Abreise ganz gesund verlassen habe, setzte er sich wieder und hörte weiter zu. Nach der Be¬ grüßungsrede und einigen höflichen Anfragen über Herber- steins Gesundheit und Reise, trug dieser seine Botschaft vor, welche der Dolmetsch, je zwei, höchstens drei Worte 33 auf einmal wiedergebend, übersetzte. Ans einen Wink der Hofbeamten, die in Russland bei Gesandtschaften üblichen Geschenke zu überreichen, erklärte Herberstein, bei ihm sei dergleichen nicht mehr Sitte. Darauf wurde er zur Mittagstafel geladen. Alle diese Vorgänge beschreibt Herberstein selbst äußerst anschaulich in seinen Schriften. Bei der Mittags¬ tafel aß der Fürst mit seinen nächsten Verwandten und den höchsten Würdenträgern an einem Tische. Für Herber¬ stein und seine Begleitung war eine eigene lange Tafel gedeckt, an welcher er mit anderen russischen Adeligen speiste. Auf diesen Tafeln.waren alles Tischgeschirr und alle Gerätschaften von Gold. Vor Beginn des Mahles wurde Branntwein herumgereicht, und der Fürst schickte dem kaiserlichen Gesandten durch den Dolmetsch drei längliche Schnitten Brotes, worauf erst die Speisen von kostbar gekleideten Dienern hereingetragen wurden, und zwar vor allem einige gebratene Schwane, von denen man mehrere vor den Fürsten stellte. Dieser versuchte, welche die mürbsten seien, und nur diese wurden draußen zerschnitten; je zwei Flügel und zwei Schenkel wurden in kleinere Schüsselchen gelegt, die man vor die ange¬ sehensten Gäste hinstellte. Der Fürst aß von seinen Schüsseln nur einen Bissen und schickte das andere immer demjenigen Gaste, den er am meisten ehren wollte. So thaten auch die Übrigen. Da nun alle Herberstein aus¬ zeichneten und er jedem durch Aufstehen danken musste, so wurde er nach seinem Geständnisse „ganz müd und machtlos in den Knieen". Die Tafel wahne nämlich vier bis fünf Stunden. Zum Beschlüsse desselben trank der Schober, von Herberstein. I 34 Zar auf das Wol des Kaisers, worauf alle Anwesenden ihre Triukgeschirre leeren mussten. Mit einer Hand- bewegnug ward nun Herberstein entlassen und in derselben Weise, wie mau ihn hergebracht hatte, wieder nach Hause geleitet. Einer Fortsetzung des Gelages in seiner Wohnung, welche den Zweck hatte ihn „anzutrinken", das heißt betrunken zu machen, wich er durch Vorschützung eines Unwolseins ans. Wenige Tage später fiengen die Unterhandlungen wegen Polens an. Doch führten sie zu keinem Resultate. Der König von Polen weigerte sich zuerst, Gesandte nach Moskau zu schicken, und nur der Überredungskraft Herber¬ steins, der sich durch seine Kenntnisse und sein Benehmen in die höchste Gunst beim Zaren gesetzt hatte, gelang es, diesen, trotzdem er über den Wankelmut und Stolz der Polen empört war, doch zum Wiederanknüpfen der Verhandlungen zu bewegen. Endlich kamen die polnischen Gesandten doch an, stellten aber trotz eines von ihrer Seite unglücklichen Feldzuges die Forderung, dass Smo¬ lensk an Polen abgetreten werde. An dieser Maßlosig¬ keit scheiterten die Bemühungen Herbersteins; es wurden vom Zaren alle weiteren Unterhandlungen mit Polen abgebrochen. Herberstein hatte sich jedoch hiebei das vollste Zutrauen des Zaren gewonnen, der nun seinerseits bemüht war, ihm den Aufenthalt in Moskau so angenehm als möglich zu machen durch Feste und Vergnügen mannig¬ facher Art. Endlich, am 2k. November, wurde er nach einem fast achtmonatlichen Aufenthalte reich beschenkt nach Hause entlassen. Er bekam eine große Anzahl von Zobel- und 35 Hermelinfellen, russische Jagdhunde, seltene Landesprodukte und einen Reiseschlitten mit herrlichen Pelzdecken, dem ein sehr großes und starkes Pferd aus dem Stalle des Zaren vorgespannt war. Auch wurde er mit Lebens¬ mitteln für die Reise reichlich versehen, und 200 Soldaten und Diener wurden ihm bis zur Grenze als Begleitung mitgegeben. Die größte Auszeichnung für ihn war jedoch das ihm verehrte Ehrenkleid, ein langer Pelz aus Gold¬ stoff mit großen silbernen Blumen gestickt, bis über die Kniee mit kostbaren Knöpfen zusammengehalten, durchaus mit Zobel gefüttert und mit einem breiten Kragen aus demselben Pelzwerke versehen. Herberstein legte so großen Wert auf dieses Kleid, dass er sich darin abbilden und diesen Holzschnitt den von ihm verfassten Nachrichten über sein Leben beifügen ließ. Die Rückreise nach Wilna gieng diesmal aus dem kürzeren Wege über Smolensk, eine große, ans hölzernen Häusern bestehende Stadt, deren Burg als uneinnehmbare Festung angesehen wurde, da sie durch Gräben und eine aus dicken, spitzen Pfählen bestehende Mauer geschützt war. In Wilna traf er den polnischen König zwar nicht an, wurde aber von dem Bischöfe gastfreundlich ausgenommen und ruhte hier einige Zeit aus, seine früher in Nowgorod zurückgelassenen Leute erwartend. Bei dieser Gelegen¬ heit besuchte er auch das Schloss Troki (nordwestlich von Wilna), nm den dem Woiwoden Gregor Radziwil gehörigen Tiergarten zu besichtigen, in welchem sich Auer¬ ochsen befanden, welche schon damals eine naturgeschicht¬ liche Merkwürdigkeit waren. Er wurde zwar zuerst nicht besonders freundlich empfangen, doch gelang es ihm, die 3* 36 merkwürdigen Tiere zu sehen, ja er bekam später sogar vom polnischen Könige einige Häute derselben geschenkt, welche er mit nach Hause brachte und in seinem Hause in Wien öffentlich zur Schau ausstellte. Sie erregten solche Bewunderung, dass sie selbst in einem damals entstandenen lateinischen Lobgedichte auf Herberstein Er¬ wähnung finden. Bei Beschreibung der Tiere erzählt unser Reisender auch, dass der Vater des damals regie¬ renden Königs Sigismund, ein dicker Herr, mit noch zwei anderen dicken Edelleuten Platz zum Sitzen zwischen den Hörnern eines Auerochsen gefunden habe. Auch schildert er eine Jagd auf diese Ungetüme, wie sie damals üblich war. Für eine solche wurde nämlich ein Ort gewählt, auf welchem dicke Bäume, ohne Unter¬ holz, in größeren Abständen auseinanderstanden. Hinter den Bäumen decken sich die Jäger gegen den Angriff des Auerochsen, welcher durch Hunde gegen diese Stelle getrieben wird. Sobald er einen Jäger erblickt, stürzt er auf denselben zu, und nun muss es der Jäger versuchen, hinter dem schützenden Baume hervor, das Tier mit dem Speere zu durchbohren. Wenn seine Versuche misslingen, und er das durch den Kampf immer wütender gewordene Ungeheuer von sich ablenken will, um auszuruhen, wirft er ihm einen roten Hut zu, gegen welchen nun dasselbe mit Hörnern und Füßen wütet. Die anderen Jäger, welche dann das Tier gegen sich locken wollen, brauchen bloß: „lu, lu, lu!" zu rufen. Über Bielsk, wo er von dem Kanzler von Litthauen, Nikolaus Radziwil, köstlich bewirtet und mit 20 Dukaten beschenkt wurde, „damit er sich aus denselben einen Ring 37 "Zum Andenken machen lasse", gelangte er am 25. Januar 1518 nach Krakau, wurde vam Könige sehr wol aus¬ genommen und verblieb daselbst bis zum 6. Februar. An diesem Tage endlich trat er die Heimreise nach Wien an, die wegen ungeheurer Schneemassen sich sehr beschwerlich gestaltete. Bor Olmiitz hatte er hiebei sein letztes Abenteuer zu bestehen, welches aber leicht von höchst unangenehmen Folgen hätte sein können und auch als Beweis für die Gefährlichkeit des Reisens in jener Zeit gelten kann. Ein betrunkener mährischer Edelmann, Nikolaus Tschaplitz von Altendorf, stellte sich nämlich den Reisenden mit zweien seiner Leute bewaffnet und drohend in den Weg. Herberstein wich ans, um Streit zu ver¬ meiden. Als aber Tschaplitz nun Herbersteins Leute von hinten angrisf, setzten sich diese zur Wehr; im Gemenge wurde der betrunkene Ritter vom Pferde geworfen und einer seiner Knechte verwundet. Herberstein eilte nach Olmiitz, um dort bei der Obrigkeit den Borfall anzuzei¬ gen; aber Tschaplitz kam ihm zuvor, indem er ihn eines Überfalles beschuldigte, so dass sich Herberstein lang¬ wierigen und unangenehmen Untersuchungen ausgesetzt sah. Auch nach Beilegung der Sache hielt er sich für die Fortsetzung seiner Reise nicht sicher und entlehnte deshalb von der Olmützer Gemeinde einen Wagen mit Schützen als Geleite, was ihm nur mit vieler Mühe bewilligt wurde. Auch bekleidete er sich und seine Gefährten mit Harnischen. Am 20. Februar kam er endlich in Wien an, 14 Monate nach Beginn seiner Reise. Den Kaiser traf er aber hier nicht an, sondern musste sich zu ihm nach Innsbruck begeben. Hier wurde er mit großer 38 Auszeichnung empfangen, und der Kaiser konnte sich nicht satt hören an den Erzählungen der Erlebnisse Herber¬ steins und an seinen Schilderungen der Zustände Russ¬ lands; er hörte ihm oft abends „über die gewöhnliche Zeit zu, bis der Schlaf mit Gewalt kam". Auch der gelehrte erste Minister des Kaisers, Matthäus Lang, damals Bischof von Gurk, seit 1519 Erzbischof von Salz¬ burg, hatte es sich als besondere Gnade erbeten, bei diesen Unterhaltungen anwesend sein zu dürfen. Der Kaiser geizte auch nicht mit öffentlicher Anerkennung der Ver¬ dienste Herbersteins und gab ihm die Pflege Klamm bei Schottwieu, am Fuße des Semmering, als Belohnung derselben. Einen Beweis für die Hochachtung, in welcher Herberstein bei der kaiserlichen Familie stand, gibt auch das Schreiben des Kaisers Karl V., der bei Gelegenheit der zweiten Sendung Herbersteins nach Russland, von welcher wir später berichten wollen, ausdrücklich sagt: „dass niemand sich mehr ausgezeichnet habe als er, ja dass ihm nicht einmal jemand gleichkomme." 3. Reise nach Ungarn. Maximilians Tod. Hochgeehrt und belohnt begab sich Herberstein von Innsbruck nach Wien, nm hier von den Strapazen der Reise etwas auszuruhen. Doch sollte diese Ruhe nicht lange dauern, denn der Kaiser hatte ihm bereits einen anderen wichtigen Auftrag mitgegeben. Es war nämlich unterdessen der König Wladislaw von Ungarn und Böhmen gestorben, und sein minderjähriger Sohn Ludwig ihm in 39 beiden Reichen nachgefolgt. Die Vormundschaft über ihn führte Kaiser Maximilian und der König von Polen. Nun wollte die den Habsburgern feindliche Partei es durchsetzen, dass Johann Zapolya während der Minder¬ jährigkeit des Königs zum Statthalter in Ungarn ernannt werde, was natürlich Maximilian nicht zugeben durfte, weil sonst im Falle des erbelosen Ablebens des jungen Königs seine Feinde alle Macht in Händen gehabt hätten, so dass er seine wolberechtigten Ansprüche nicht hätte durchsetzen können. Es wurde deshalb eine eigene Ge¬ sandtschaft, bestehend aus Veit Strein von Schwarzenau, Ulrich Beneker und unserem Herberstein, nach Ungarn geschickt, wo gerade damals ein „Rakusch" oder Reichstag abgehalten wurde. Jeder Gesandte hatte bestimmte In¬ struktionen zu Verhandlungen mit gewissen Personen, nur alle feindlichen Absichten zunichte zu machen. Diese Ver¬ handlungen waren umso schwieriger, als sich ein neuer Gegner im Papste eingestellt hatte, welcher einen ganz von sich abhängigen Statthalter durchsetzen wollte, und in seinem Gesandten, dem Dominikanermönche Nikolaus, einen ebenso geschäftskundigen als schlauen Unterhändler besaß. Dieser wusste sogar Herberstein zu täuschen, so dass dieser glaubte, „Gott selbst hätte ihm den geschickt". Als er ihn jedoch durchblickte, trat er demselben mit solcher Unerschrockenheit und Offenheit entgegen, dass man wol ihm es znschreiben muss, wenn alles zum Vorteile der Habsburger geordnet wurde. Die Größe dieses seines Verdienstes um das Kaiserhaus tritt noch mehr zu Tage, wenn man bedenkt, dass der damals kaum geahnte Fall eines kinderlosen Absterbens des Königs schon 7 Jahre 40 später eintraf. Interessant ist in dem Berichte über diese seine Sendung die Erwähnung der ersten Art von Kutschen als ungarischer leichter Fuhrwerke, die er „Kotschien oder Kotzschi-Wagen" nennt (seiner Angabe nach von einem 10 Meilen westlich von Ofen gelegenen Dorfe Kotsch so genannt). Sie boten nur Platz für 4 Personeu, waren ganz aus Holz, ohne irgend ein Stück Eisen gefertigt, und wurden von 3 nebeneiuandergespannten Pferden gezogen. Unterdessen wollten anch die Stände des engeren Vaterlandes des nun berühmten Staatsmannes ihm ihr Vertrauen bezeigen und erwählten ihn zu ihrem Vertreter am kaiserlichen Hofe, welche Stellung er auch annahm, nachdem ein eigener Befehl des Kaisers ihm die Bei¬ behaltung seiner Stelle im kaiserlichen Dienste angeordnet hatte. Er wurde auch fortwährend in Staatsgeschäfteu verwendet, so in Augsburg, wo er dem letzten Reichstage Maximilians beiwohnte und als Richter in dem Gerichts¬ höfe saß, welcher den tyrannischen Herzog Ulrich von Würtemberg wegen Ermordung eines seiner Hofjunker in die Reichsacht erklärte. Dann hatte er in Salzburg Frieden zu stiften zwischen dem Erzbischöfe und den Unterthemen. Zuletzt wurde er nach Wels, wo damals gerade der Hof weilte, berufen, um seinen Rat bei Abfertigung einer Gesandt¬ schaft nach Polen zu geben. Hier traf sein treneš Herz ein herber Verlust. Der Kaiser, welcher schon in Inns¬ bruck sich unwol befunden hatte, erkrankte hier und starb innerhalb einer Woche (den 12. Jannar 1519). In ihm verlor Herberstein seinen Wolthäter, den Würdiger 41 seiner Verdienste und einen stets gnädigen Herrn. Wenn man Herbersteins Treue und Anhänglichkeit an seinen Gebieter hinzurechnet, so wird man seinen Worten glauben: „Am 16. Januar habe ich, Gott weiß, mit beschwertem Leib (er war nämlich schon lange kränklich), aber mit noch beschwerterem und bekümmertem Herzen und Gemüt, den trefflichen Kaiser auf meinen Achseln geholfen in die Kirche tragen." Die Trauer Herbersteins um Maximilian teilte damals ganz Deutschland, besonders die Bevölkerung der Erblande. 4. Herberstem «ach den, Tode Maximilians (bsts 1526). Es gührte damals überall in Deutschland, religiöse und politische Zwistigkeiten trennten das Volk, Luthers Name wurde schon von Mund zu Mund genannt; durch die neuen Entdeckungen in Amerika, Asien und Afrika wurde der Gesichtskreis der europäischen Menschheit auf einmal ins Unabsehbare erweitert, und ein völliger Umsturz aller bisherigen Verhältnisse in Europa bereitete sich durch die Veränderung der Weltlage der einzelnen Länder vor. Die alten Handelsrepubliken und Handelsstädte am Mittel¬ meere und in Mitteleuropa zitterten vor dem Verluste ihres Handels, während die Länder im Westen des Erd¬ teils, welche bisher eine untergeordnete Rolle gespielt hatten, nun von Tag zu Tag an Wichtigkeit gewannen. Dazu kam noch in Deutschland die Bewerbung des französischen Königs um die Kaiserkrone gegenüber dem 42 Habsburger Karl I. von Spanien, dem ältesten Enkel Maximilians, während von Osten her der Türke seine verheerenden Wogen immer näher gegen die deutschen Grenzen wälzte. So sah man überall nur mit Besorgnis in die Zukunft. In den österreichischen Erbländern ge¬ sellte sich noch ein anderer Streit hinzu, der mit seinen Wurzeln bis in die ersten Regierungsjahre Maximilians zurückreicht. Es waren nämlich die Länder durch die Forderungen der Regierung schon früher rttcksichtlich der Geldleistungen schwer belastet worden. In Innsbruck auf dem Ausschusstage der österreichischen Erb- lande (einer Versammlung von Abgeordneten der ein¬ zelnen Länder, welche in Maximilians Zeit zusammenzu- treten begannen —der erste Beginn einer Ver¬ einigung der sonst ganz von einander ge¬ trennten Länder), der ein Jahr vor dem Tode des Kaisers gehalten wurde, gerieten schon die Regierung und die Abgeordneten in unangenehme Reibungen, als von den Ständen zu einem Zuge nach Tunis ein großes Opfer an Geld und Mannschaft verlangt wurde. Sie wollten wol ihr Land verteidigen, aber nicht ihre Soldaten so weit wegschicken, so dass unterdessen ihr eigenes Vaterland schutzlos gewesen wäre; sie verlangten eine gute Regierung, eine unparteiische Gerichtsbarkeit, Schutz gegen Willkür und Bestechlichkeit der kaiserlichen Beamten u. a. m. Die Wiener wünsch¬ ten insbesondere Schutz vor den Großhändlern aus Augs¬ burg, Nürnberg, Gent, Köln u. s. w., welche trotz der früheren Privilegien der Stadt durch schlechte Ware, Betrug beim Verkaufe und ihr großes Kapital, welches eine jede Konkurrenz von Seite des kleinen Kaufmanns 43 unmöglich machte, den Handel Wiens schädigten. Ebenso klagten sie über Eingriffe der kaiserlichen Regierungs- beamten in die Freiheiten der Stadt. Der Kaiser ver¬ sprach zwar Abhilfe, aber starb, bevor er seine Pläne znr Beruhigung der Länder durchgeführt hatte. In seinem letzten Willen bestimmte er, dass die bisherigen Räte die Leitung der RegiernngSgeschüfte bis zur Ankunft des Erb¬ prinzen aus Spanien fortführen sollten. Kaum war die Nachricht von seinem Ableben in die Länder und Städte gedrungen, als die Opposition sich überall gegen die alte Regierung zu regen begann. Be¬ sonders in Niederösterreich und Wien giengen die Wellen hoch. Hier stand an der Spitze Michael Eizinger, Johann von Pnchheim, und in Wien besonders der Reichsanwalt und gewesene Stadtrichter Dr. Martin Capinis, auch Siebenbürger genannt. Es setzte arge und stürmische Scenen im Gemeinderate, bis endlich die Opposition siegte; auch der Landtag schloss sich dieser Bewegung an, auf ein durch die Unzufriedenen vom eingeschüchterten Bürgermeister Wiens erzwungenes, in ihrem Sinne ge¬ haltenes Gutachten. Die alten Räte wurden für abgesetzt erklärt und eine neue Regierung von 16 Mitgliedern gewählt. Ähnliche Kämpfe spielten sich auch in den anderen Erbländern ab, nur mit dem Unterschiede, dass alle außer Niederösterreich einer gemeinsamen obersten Regierung, wie sie der Kaiser gewünscht hatte, und welche ein Band für dieselben bilden sollte, nicht abgeneigt waren und nur Abstellung der Missbräuche verlangten, während Niederösterreich für eine selbständige, in ihren Rechten von den Ständen beschränkte Provinzialregierung eintrat. 44 Es wurde ein Ausschusstag der Erbläuder zu Bruck a. d. Mur gehalten und beschlossen, eine Gesandtschaft an Karl I. von Spanien, als den nächsten Erben Maximilians und wahrscheinlichen künftigen deutschen Kaiser, zn schicken, nm ihm ihre Beschwerden vorzulegen und ihn znm. baldigen Antritte seines Erbes einzuladen. Unter befand sich Siebenbürger, und als Vertreter .marks Herberstein, welcher auch an dem Ausschusstage teil¬ genommen und hier, nach seinen Äußerungen zu urteilen, viel zu der Versöhnung der nicht österreichischen Abgeord¬ neten beigetragen hatte. Die Delegierten versammelten sich zn Villach und traten von hier ihre Resse nach Spanien an. Sie wählten den Weg über Venedig, wo sie von dem Dogen Poredano mit vieler Auszeichnung empfangen wurden und die Kunstschätze, sowie alle anderen Merkwürdigkeiten der damals noch ans dem Höhepunkte ihres Glanzes stehenden Königin des mittelländischen Meeres und Beherrscherin des gesammten mitteleuropäischen Handels unter Beglei¬ tung eines ihnen zngewiesenen Beamten der Republik besichtigen durften. Dann fuhren sie, überall ehrenvoll ausgenommen und beschenkt, über Padua, Rovigo, Ferrara, Bologna und Florenz und Rom, wo sie dem Papste vor¬ gestellt wurden, nach Neapel, welches schon spanisches Gebiet war, da es die Spanier im Jahre 1504 erobert und seither behalten hatten. Der daselbst regierende Vicekönig gab ihnen zu Ehren großartige Feste, unter anderem auch ein Turnier, („ein wälisch Gesteche" nennt es Herberstein), bei welchem eine die Deutschen ver¬ blüffende Pracht in Kleidern und Rüstungen zur Schau 45 gestellt wurde. Doch schlug der Aufenthalt in Neapel ihrer Gesundheit nicht gut an; einer von der Gesandt¬ schaft starb, und zwei mussten krankheitshalber zurückbleiben, sowie auch viele von den Dienern starben oder zn schwach waren, die.. Reise fortzusetzeu. Am l. September schifften ^ebenen endlich ein, vom Vicekönig reich mit'N. ^Mitteln und Vorräten aller Art versehen. Die Reise gieng anfangs glücklich von statten, ausgenom¬ men, dass sie einmal nur mit Mühe Seeräubern ent¬ kamen. An der sardinischen Küste überfiel sie aber ein Sturm, der die Schiffsmaften brach, so dass sie nur mit Not deu Hafen von Cagliari erreichen konnten. Nachdem die Schäden ausgebessert waren, schifften sie sich wieder ein; doch es schien ein Unstern über ihnen zu walten. Ein heftiger Sturm warf das Schiff nämlich in der Nacht an die Küste von Minorka. „Da war," schreibt Herber¬ stein, „keine Hoffnung mehr auf irgend eine menschliche Hilfe und Rettung, sondern wenn Gott nicht wunderbar half, so mussten wir zugrunde gehen. Deshalb ver¬ weigerten auch alle Schiffsleute den Gehorsam und wollten nicht arbeiten, sondern ein jeglicher bereitete sich auf den Augenblick vor, wo das Schiff versinken würde, suchte sich ein Holz zu 'verschaffen, auf dem er schwimmend sich retten könnte, oder betete und machte Gelübde, jammerte und klagte. Das währte einige Stunden." Endlich wurden sie durch die Entschlossenheit eines spanischen Hauptmannes, der mit Hilfe des Steuermannes das Schiff glücklich von dem Felsen brachte, gerettet. Doch brauchten sie noch 14 Tage, bevor sie in Barcelona landen konnten, da Stürme sie zweimal knapp vor dem 46 Hafen nmzukehren und in Jviza Schutz zu suchen zwangen. Am 3. November endlich liefen sie in dem Hafen von Barcelona ein, nachdem sie „alles ausgestanden, was schier einem Menschen an Gefahren begegnen kann". Es war nämlich auch zweimal Feuer auf dem Schiffe aus¬ gekommen, „weil die deutschen Köche nicht mit kleinem Feuer kochen können". Hiemit waren aber noch nicht alle Gefahren zu Ende. In Barcelona herrschte nämlich damals eine ansteckende Krankheit, die viele Menschen dahiuraffte, oder, wie Herberstein sagt: „zu Barcelona starbs etwas." Auch der König Karl hatte deshalb die Stadt verlassen und erwartete die Gesandten in dem gesunden und hochgelegenen Städtchen Molino del M. Dahin mussten sich die Gesandten begeben. Nun hatte überall auf der Reise Herberstein das Wort geführt, hier aber verlangte und erhielt Dr. Siebenbürger, als der gelehrteste der Gesandtschaft, das Wort, weil die An¬ sprache lateinisch gehalten werden musste. Das war nicht ohne Einfluss auf die Folgen der Unterredung. Denn erstens war Siebenbürger in seinem ganzen Benehmen etwas ungeschlacht und beleidigte dadurch den an spanische Etiquette gewohnten König. Dann gieng er aber auch in seiner Rede weiter, als die Instruktionen des Brücker Ausschusstages es ihm gestatteten, indem er nämlich nur die Meinung der Niederösterreicher zum Ausdruck brachte. Ja er riet sogar dem König im Beisein der spanischen Großen das ererbte Reich mit seinem Bruder Ferdinand zn teilen, indem er demselben die deutschen Lande über¬ gebe, sprach überhaupt so, dass nach dem Ausdrucke Herbersteins „alle ein Grauen empfanden". Über dieses 47 sein Auftreten waren der König sowol, wie die anderen Abgeordneten empört, und insbesondere die Steirer ent¬ schuldigten sich deshalb beim Kanzler. Als sie nun in der Abschiedsaudienz empfangen wurden, baten alle den Herber¬ stein „um Gottes willen", er möge in ihrem Namen reden, was er auch deutsch und lateinisch that. Der König gab ihnen den Bescheid, die Stände sollten bis zum Ein¬ treffen einer von ihm abgeordneten Kommission, an deren Spitze Erzherzog Ferdinand stehen sollte, nichts an dem Bestehenden ändern. Am 19. Dezember traten die Gesandten die Rück¬ reise an, welche von manchen Unannehmlichkeiten begleitet war. Zuerst verfolgte sie der Kapitän des Schiffes, mit welchem sie nach Barcelona gereist waren, in zwei Städten, welche sie berührten, mit Klagen um Schaden¬ ersatz für einige Ballen Ware, welche er bei dem Sturme auf ihreu Rat aus dem Schiffe geworfen, so dass sie nur das kluge Auftreten Herbersteins vor weiterem Auf¬ enthalte bewahrte. Dieser berief sich nämlich auf ihre Borrechte als kaiserliche Gesandte und verlangte, dass die Klage vor ihrem ordentlichen Richter anhängig gemacht werde. Auch Dr. Siebenbürger verursachte einen unan¬ genehmen Auftritt, als er am Weihnachtstage trotz des Widerratens mit Sporen in die Kirche gieng, wo ihm dieselben von Gassenbuben abgerissen wurden. Über Perpignan, Narbonne, Montpellier und Besanyon kamen sie nun an den Mont Genövre, über welchen sie von Bauern auf kleinen Schlitten ins Piemontesische hinabgeführt wurden, von wo sie dann über Turin, Mailand, Verona (welches Herberstein noch „Bern" nennt) und Vicenza nach —- 48 Villach reisten. Am 4. Februar hatten sie ihre Reise, welche fast ein Jahr gedauert hatte, glücklich beendet. Als die Abgeordneten in ihrer Heimat die Antwort des Königs verkündet hatten, leisteten alle Länder den von demselben verlangten Hnldignngseid in die Hände der hingesandten kaiserlichen Kommissäre, nur die Wiener blieben in Opposition. Es hatte nämlich Siebenbürger den Worten Karls die Wendung gegeben, als billige dieser alles geschehene. Als daher bald darauf nach der, am 24. Juni 1520 erfolgten Wahl Karls znm deutschen Kaiser die kaiserlichen Kommissäre den Landtag nach Klosterneuburg beriefen, um den HuldigungSeid zu empfan¬ gen, verweigerten ihn die Wiener Deputierten. Auch protestierten sie hier gegen Herberstein, der als kaiserlicher Kommissär fungierte, ohne dass die Gründe bekannt sind, warum sie es thaten. Herberstein verlangte in einem Briefe an den Magistrat von Wien Genugthuung; doch feine Verleumder wurden bald von einem schrecklichen Gerichte betroffen, ohne dass er selbst hätte persönlich eingreifen müssen. Wahrscheinlich war diese Gehässigkeit gegen ihn daher entstanden, weil er sich den extremen Schritten der Opposition nicht anschließen wollte, sondern, unbeschadet des Vorteiles seines Landes, seinem neuen Herrn dieselbe Anhänglichkeit und Treue bezeugte, welche er dessen Großvater entgegengebracht hatte. Es war dieses auch von Karl anerkannt worden, welcher deshalb Herberstein schon in Barcelona sehr lieb gewonnen und durch sein Vertrauen ausgezeichnet hatte. Unterdessen dauerte der Streit zwischen den alten und den neuen Regenten in Österreich fort. Es wurden 49 langdauernde Verhandlungen am kaiserlichen Hoflager gepflogen, bis endlich Karl selbst die Entscheidung in die Hand nahm und „eine wahre und ansehnliche Regierung" unter dem Namen „Hofrat" einsetzen zu wollen erklärte, zu welcher alle fünf Erbländer ihre Vertreter wählen sollten. Inzwischen war jedoch bei Karl der Entschluss gereift, den von ihm verfolgten Plan einer habsburgischen Weltmonarchie aufzugeben, weil die eigentümlichen Ver¬ hältnisse der östlichen Länder des habsburgischen Reiches, vorzüglich die mmer näher heranrückende Türkengefahr, die Gründung eines selbständigen Staates im Osten von Deutschland verlangte. Es sollte deshalb sein Bruder Ferdinand die deutschen Erbländer übernehmen, und durch die schon 1515 beschlossene Wechselheirat Ferdinands Mit Anna, einer Schwester Ludwigs von Ungarn und Böhmen einerseits, und Ludwigs mit Ferdinands Schwester anderer¬ seits sollte ein fester Bund dieser Reiche zustande kommen als mächtiger Wall gegen die Türken, welche nicht nur den Bestand der habsburgischen Macht, sondern aller christ¬ lichen Kultur bedrohten. Deshalb wurde auf dem Reichs¬ tage zu Worms, welcher durch das Erscheinen Luthers vor demselben berühmt geworden ist, vorläufig die Teilung der Verwaltung der spanischen und deutschen Länder aus¬ gesprochen und am 26. Mai desselben Jahres die Vermählung Ferdinands mit Anna in Linz vollzogen. Durch den Brüsseler Vertrag vom 7. Februar 1522 giengen dann später die deutschen Besitzungen der Habs¬ burger rechtlich in den Besitz Ferdinands über, doch wurde dieser Vertrag erst am 15. Februar 1525 öffentlich bekannt gemacht, so dass Ferdinands Regierungsjahre in Schober, von Herberstein. 4 50 Österreich von diesem Datum an gerechnet werden. Hiemit wurde diejenige Linie des habsburgischen Stammes be¬ gründet, die gegenwärtig noch den Thron Österreichs inne hat. Wahrend dieser Vorgänge war Herberstein, hoch¬ geehrt von Karl und Ferdinand, in ihrem Interesse in Ungarn thätig gewesen und hatte auch der Vermählung in Linz beigewohnt, von wo er sich nach Graz begab, um die Huldigung dieses Landes vollziehen zu helfen. Die Stände Steiermarks, welche wohl fühlten, dass die nieder¬ österreichische Opposition zu weit gegangen war, übertrugen hiebei Herberstein die Rechtfertigung ihres Verhaltens seit dem Tode Maximilians, welche er in 24 Stunden ver¬ fassen musste. In dieser kurzen Zeit schrieb er eine ausführliche lateinische Darstellung aller Verhältnisse, die dem Erzherzoge vorgelegt wurde und ihren Zweck voll¬ kommen erreichte. Inzwischen hatten auch die niederösterreichischen Stände eine Deputation an Ferdinand gesandt mit der Erklärung, dass sie den durch kaiserliches Mandat vom 24. Februar l.521 eingesetzten Hofrat als gemeinsame oberste Behörde anerkennen wollten, mit der Bitte jedoch, es möge die von ihnen selbst nach dem Tode Maximilians für Nieder¬ österreich gewählte Regierung beibehalten und diesem Erzherzogtums der erste Rang unter den Erbländern zu¬ erkannt werden. Der Erzherzog antwortete, er habe jetzt keine Zeit zur Untersuchung ihrer Beschwerden, da er nach Worms reisen müsse, und setzte seine Gemahlin Anna als Regentin der Erbländer ein. Die von den Ständen gewählten Regenten mussten jedoch die Ver¬ waltung niederlegen. Herberstein, dessen Treue und 51. Geschicklichkeit der neue Herrscher unterdessen noch mehr kennen gelernt, begleitete ihn auf der Reise und kam so auch nach Brüssel, wo am Andreastage Kaiser Karl das Fest des höchsten burgundischen Ordens, des goldenen Vließes, mit großer Pracht begieng. Hier erhielt er vom Kaiser die ungewöhnliche Auszeichnung, das erzherzoglich öster¬ reichische und königlich castilische Wappen (Karl war nämlich von mütterlicher Seite her König von Castilien) dem seinigen einverleiben zu dürfen, und das Recht, die Bildnisse des römischen Kaisers, des Königs von Spanien und des Zars von Russland als Helmverzierung zu gebrauchen, und zwar, wie Herberstein sagt: „zum Gedächtnisse der geleisteten Dienste und zur Anspornung der Nachkommen, sich solchen Diensten zu ergeben, durch welche man den Adel und Erhöhung seines Geschlechtes erwirbt, nicht aber ihre Zeit zu Hause im Nichtsthun zu vergeuden." Diese gnädige Stimmung des Kaisers benutzte er aber auch, um für sein Vaterland, Steiermark, die Bestätigung und Bewilligung mehrerer Freiheiten zu erlangen. Von Brüssel aus wurde Herberstein in verschiedenen diplomatischen Sendungen nach Nürnberg, wo er Ferdinand beim Reichstage vertrat, dann nach Würtemberg, Prag und Nördlingen beordert, bis er endlich im Juli 1522 nach Wiener-Neustadt berufen wurde, um hier Sitz und Stimme in einem Richterkollegium zu nehmen, welches über die Häupter der niederösterreichischen Opposition urteilen sollte. Es waren diese nämlich jetzt von Ferdinand zur Verantwortung ihres Benehmens gezogen worden, „weil sie sich gegen die kaiserliche Landesordnung auf¬ rührerisch benommen, die Gemeinden zum Ungehorsam 4* 52 aufgestachelt, kaiserliches Gut an sich gezogen und dem Kaiser vorenthalten, Amtsleute in Eid genommen, des Münzrechtes und Zeughauses in Wien sich bemustert und über Leben und Tod ohne Berechtigung gerichtet hätten." Der Prozess wurde unter dem Vorsitze des Erzherzogs Ferdinand auf öffentlichem Platze geführt, und die der Unparteilichkeit wegen aus Nichtösterreichern bestehende Kommission verurteilte zwei Männer vom Adel nebst sechs Bürgerlichen um Tode durch das Schwert. Nach Verkündigung des Urteils wartete der Erzherzog einen Augenblick, ob die Verurteilten um Gnade bitten würden; als dies nicht geschah, ließ er sie gefangen nehmen; Michael von Einzing, Hans von Puchheim, Siebenbürger und drei andere Bürger wurden auf dem Hauptplatze von Neustadt hingerichtet, die zwei übrigen in Wien bei der Spinnerin am Kreuz. Die nächsten drei Jahre verbrachte Herberstein auf mannigfachen Reisen, besonders nach Ungarn, wo er vorzüglich bemüht war, das gelockerte Band der Freund¬ schaft zwischen Ferdinand und seinem Schwager Ludwig fester zu knüpfen, was ihm nach „vielem Reisen und großer Arbeit" endlich gelang. 5. Zweite Reise nach Polen nnd Russland (1526-27). Das Jahr 1526 brachte Herberstein eine noch be¬ schwerlichere und gefährlichere Arbeit. Auf die Nachricht von der Wahl Karls zum deutschen Kaiser hatte der Zar Wassilis Iwanowitsch, der die alten 53 freundschaftlichen Beziehungen, welche er mit Maximilian angeknüpft, auch mit dessen Nachfolger pflegen wollte, Gesandte an den Kaiser geschickt, um Fortsetzung des guten Verhältnisses und um Erneuerung des ehemals ^mit Maximilian gegen Polen geschlossenen Bündnisses bittend. Es standen nämlich noch immer Russland und Polen einander feindlich mit den Waffen gegenüber. Auf ein solches Bündnis nun konnte der Kaiser nicht eingehen aus den bei Gelegenheit der ersten russischen Reise Her¬ bersteins auseinandergesetzten Gründen. Aber destomehr lag es in seinem Interesse, einen dauernden Frieden zwischen den beiden kämpfenden Teilen zu fördern. Er versuchte deshalb durch den Grafen Nugarolis und Herber¬ stein den König Ludwig von Ungarn zu bewegen, dass dieser seinen Schwager, den König Sigismund von Polen, welcher bisher aus Stolz in keine Unterhandlungen hatte eintreten wollen, friedfertiger stimme. Die Gesandtschaft entledigte sich dieses Auftrages mit so großem Erfolge, dass der Erzherzog Ferdinand Herberstein in einem eigenen Schreiben mit den größten Lobsprüchen überhäufte. Zugleich wurden die beiden Leiter derselben nun auch dazu bestimmt, nach Polen und Russland zu reisen, um den Frieden zustande zu bringen und zwar Nugarolis als Vertreter des Kaisers Karl, Herberstein im Namen Ferdinands; die Seele der Gesandtschaft war jedoch Herberstein. Er erhielt die Vollmacht in allen Fällen, wo die ihm mit¬ gegebenen Instruktionen nicht hinreichten, nach eigenem Ermessen zu handeln, nur sollte er bei Gelegenheit über den Gang der Unterhandlungen berichten. Zugleich wurde ihm aufgetragen, sorgfältig auf alles zu achten, was ihnen 54 Merkwürdiges auf der Reise begegne, vorzüglich auf die Religion, die Sitten und Gebräuche rc. der Russen. Die Gesandten traten die Reise am 12. Januar 1526 von Wien an. In ihrer Begleitung befanden sich auch zwei Neffen Herbersteius und der schon früher er¬ wähnte Christof Ramschüssel. Auch schloss sich ihnen die vom Kaiser zurückkehrende russische Gesandtschaft an. Die Reise gieng zuerst über Mähren und Schlesien nach Polen. Hier jedoch schien es, als sollten alle ihre Bemühungen gleich beim Beginne scheitern. Der König war nämlich misstrauisch geworden, vorzüglich weil die russischen Gesandten init den deutschen ge¬ meinsam reisten. Er stellte sich, als habe er von der Gesandtschaft gar keine Kenntnis, ließ sie an der Grenze nicht empfangen und verköstigte sie auch nicht, wie es damals völkerrechtlicher Brauch war. Ja selbst als sie sich bei ihm aumeldeten, wartete er nicht auf sie, sondern ließ ihnen sagen, er reise"jetzt nach Krakau, und dorthin möchten sie nachkommen. Aber auch hier waren bei ihrer Ankunft keine Anstalten zum Empfange getroffen, und erst nach sechs Tagen wurden sie zur Audienz zugelassen. Bei derselben entlud sich der ganze Zorn des Königs über sie. Er fuhr sie an, „wer ihren Herrn gebeten habe, für ihn Frieden zu stiften; Polen werde sich selbst Ruhe zu verschaffen wissen; auch begreife er nicht, was ihr Herr mit den Moskowitern, die doch nicht seine Nachbarn seien, zu thun habe, dass er sich ihretwegen solche Mühe gebe". Auf diese Anrede hin schien alle Unterhandlung vergebens, als Herberstein in einer würdevollen, offenen Rede den Zweck und die Absichten ihrer Reise dem Könige 55 — auseinandersetzte und sich sogar erbot, ihm seine In¬ struktionen zu zeigen, damit er sich von der Lauterkeit der Absichten seiner Herrn überzeuge. Der ehrliche, offene Ton stimmte den König um; er gibt seine Zustimmung zu den Unterhandlungen, verschafft den Reisenden alle möglichen Erleichterungen zur Reise und schickt jedem 50 Gulden zur Begleichung der Gasthausrechunng, da sie, wie schon oben erwähnt, eigentlich von ihm hätten ver¬ pflegt werden sollen. Am 14. Febrnar setzten sie ihre Reise zu Schlitten fort; bei Lublin überfiel sie aber ein fürchterlicher Schneesturm, so dass sie nicht weiter fahren konnten und die Nacht auf offenem Felde zubringen mussten ohne einen anderen Schutz als die umgekehrten Schlitten, unter denen sie zusammengekauert säßen. Der weitere Weg führte sie über Brest, Minsk und Mohilew nach Smolensk. Über Wilna konnten sie „der großen Wildnis halber" nicht fahren. Kaum dass sie die russische Grenze überschritten, trafen sie einen Boten des Zars, der ihnen zum Empfange und zur Begleitung entgegen¬ geschickt worden war. Dieser gehörte jedoch wahrscheinlich jener Partei an, welche die Annäherung Russlands an den Westen mit scheelen Augen ansah, war auch sehr hochmütig, so dass er die Reisenden nur vornehm kalt bewillkommte. Er bewirtete sie zwar bei sich, wies ihnen aber kein Nachtquartier an, so dass sie die Nacht im Schnee unter freiem Himmel zubringen mussten. Den Tag darauf, am Palmsonntag, lud er nur seine Glaubens¬ und Stammesgenossen, die Russen, zu sich; da be¬ fahl Herberstein seinen Leuten aufzubrechen, weil es schien, als sollten sie wieder unter freiem Himmel über- 56 nachten. Auch verordnete er, dass feine vorausreitenden Diener, wenn die ihnen angewiesene Herberge nicht passend sei, weiter reiten sollten, bis sie eine bequemere fänden. Bei diesem Befehle verharrte er auch trotz dem Drohen und Bitten der Russen, indem er die kurze Antwort gab: „er sei gewohnt unter Dächern zu wohnen, und ihres Herrn Befehl sei es sicherlich nicht, dass man sie so be¬ handle". Er fuhr auch wirklich auf eigene Faust nach Smolensk. Hier wurde die Gesandtschaft mit Auszeichnung empfangen und bewirtet; auch wurde ihre Ankunft dem Zaren allsogleich durch vorausgeschickte Boten gemeldet. Übrigens hatten sie noch durch die Missgunst der Russen genug zu leiden, bevor sie Moskau erreichten. So z. B. erzählt Herberstein, seien sie an dem Flüss¬ chen Wopetz, das sehr angeschwollen war, zu einer halbzerfallenen Brücke gekommen, bei welcher er mit den Anstalten zum Hinüberschaffen der Fuhrwerke vollauf zu thun hatte. Plötzlich rutscht das Pferd des Grasen Nugarolis mit den Hinterfüßen vom Ufer in den Fluss, der Graf fällt ins Wasser, bleibt jedoch in den Steig¬ bügeln hangen, so dass ihn das Pferd aus der Tiefe herauszieht; gleich darauf fällt er aber aus den Bügeln, glücklicherweise zwar in ein seichtes Wasser, jedoch sein kurzer spanischer Mantel wickelt sich ihm um Arme und Kopf, weshalb er sich nicht helfen kann. Dabei standen zwei Russen in der nächsten Nähe, ohne sich nur zu rühren, so dass er ohne die Hilfe der beiden Neffen Herbersteius, deren einer selbst hiebei in Lebensgefahr kam, ertrunken wäre. Auf das Schelten Herbersteius über ihre Teilnahmslosigkeit gaben die Russen nur lakonisch 57 zur Antwort: „Einem gebührt zu arbeiten, dem andern nicht." Ein zweitesmal wieder musste die Gesandtschaft durch die Schuld eines russischen Beamten eine ganze Nacht in einem Walde, unter freiem Himmel bei strömen¬ dem Regen ohne Nahrung zubringen. Ja derselbe Beamte wollte am nächsten Tage, als die von ihm zu liefernden Lebensmittel noch nicht da waren, Herberstein hindern, um eigenes Geld in einem Bauernhause Brot und andere Nahrung zu kaufen, weil es gegen den Befehl des Zaren fei, der angeordnet habe, die Gesandten auf seine Kosten zu verpflegen. Als nun Herberstein in vollem Zorn ihm mit Gewalt und Anklage in Moskau drohte, weil er wol wisse, dass sie die den Gesandten vom Zaren zugedachten Sachen verkauften und nichts herstellten, da gab er nach, und sie wurden in ein nahes Kloster geführt, welches in Folge der Überschwemmung wie eine Insel aus dem Wasser ragte, so dass man nur mit Hilfe von Kähnen hinzukommen konnte. In Folge derselben Überschwemmung war auch die weitere Reise sehr gefährlich, da die meisten Brücken weggerissen oder so beschädigt waren, dass die Pferde kaum hinüber kommen konnten. Endlich kamen die Gesandten am 26. April 1526 in Moskau an, wurden feierlich empfangen und unter großem Volkszulaufe in die für sie bestimmten Häuser geleitet, welche reichlich mit allen Bequemlichkeiten versehen wurden. Auch für die Verpflegung sorgten eigene Diener des Zars, die täglich nachfragen mussten, ob etwas mangle, oder ob sie sich etwas wünschten. Nach zwei Tagen wurden sie zur Audienz vorgelafsen unter denselben Förmlichkeiten, — 58 wie bei der ersten Reise. Auch die Mittagstafel, zu der Herberstein und Nugarolis eingeladen wurden, war im allgemeinen so wie die schon früher beschriebene. Nur dem nachfolgenden Gelage in seiner Wohnung konnte sich Herber¬ stein nicht entziehen, sowie er auch tüchtig mittrinken musste, weil man einen Trinkspruch nach dem anderen ausbrachte. Dabei herrschte die Sitte, dass derjenige, welcher auf das Wol eines anderen trinken wollte, sich mitten im Zimmer aufstellte und'seine Wünsche vorbrachte, mit den Worten schließend, es möge in den Feinden so viel Blut bleiben, als er Wein in seinem Trinkbecher lassen werde. Dann trank er denselben auf einen Zug aus und stürzte ihn aus seinem Kopfe um. Diese Gelage wiederholten sich täglich, und Herberstein erzählt, er habe nnr dadurch los- kommen können, dass er sich entweder betrunken stellte, oder am Tische scheinbar einschlief. Bei keiner dieser Tafeln, so wie überhaupt bei keiner Gesellschaft, ja selten sogar in der Kirche waren Frauen anwesend. Diese waren nach orientalischer Sitte im Hause eingesperrt; nur an gewissen Festtagen durften sie Ausflüge ins Freie machen, wobei Schaukeln ihre Hauptsreude war. Merk¬ würdig war auch die Sitte, dass, nach Herbersteins Ver¬ sicherung, kein Russe von einen: Tiere aß, welches von einer Frau getötet worden war, weshalb man oft ärmere Frauen, die keine Diener hielten, vor der Thüre mit Hühnern oder Tauben stehen sah, indem sie ans einen Mann warteten, der ihnen die Tiere abstäche. Die Verhandlungen wegen Polen begannen nun allsogleich und nahmen bald durch Herbersteins Geschick einen günstigen Verlauf, obzwar es keineswegs leicht war. 59 den bisher siegreichen Zar zu einem Nachgeben zu be¬ wegen, da er ja nach dem Ergebnisse des Krieges hoffen durfte, auch in der Zukunft sein Reich auf Kosten Polens erweitern zu können. Auch die Polen wollten anfangs ihre Forderungen gar nicht ermäßigen, so dass der Zar den polnischen Gesandten alle ihm überbrachten Ge¬ schenke zurückschickte und andere noch dazu als Zeichen, dass sie abreisen könnten, und er nicht weiter verhandeln wolle. Doch Herberstein vermittelte hier wieder mit äußer¬ ster Gewandtheit, so dass endlich ein fünfjähriger Waffen¬ stillstand geschlossen wurde. Die Zeit der diplomatischen Verhandlungen benutzte Herberstein, um fleißig Erkundigungen einzuziehen über Land und Leute, was ihn später befähigte, sein klassisches Werk über Russland zu schreiben und durch dieses zum erstenmale eine genauere und sichere Nachricht über dieses Fabelland nach West-Europa gelangen zn lassen. Mit dem größten Interesse besichtigte er Klöster und Kirchen und nahm auch Anteil an dem Gottesdienste. So beschreibt er zum Beispiel ein Kirchenfest am Tage Mariä-Himmelfahrt. Die große Kirche war reich geschmückt, der Fürst und sein ganzer Hof nahmen teil an der Feier. Rechts von der Eingangsthüre stand der Zar an der Wand auf seinen Possoch gestützt, den Kalpak in der Hand; seine Räte und Herberstein waren an den Säulen der Kirche verteilt, denn es gab in derselben keine Stühle. Der Patriarch (ein Mann mit so rotem Gesichte, dass er vor einer kirchlichen Feier sich durch Schwefeldämpfe bleich machte, damit er „nicht mehr der Pflege des Bauches als dem Fasten, Wachen und Beten ergeben zu sein 60 scheine"), umgeben von seiner Geistlichkeit, sprach zuerst einige Gebete, worauf ein Umzug um die Kirche gehalten wurde, in welchem man das Brot zur Kommunion, den offenen Kelch, Bilder der Heiligen u. s. w. unter Ge¬ sängen Herumtrug. Das Volk lag unterdessen auf der Erde hingestreckt, schlug mit der Stirne den Boden und rief: „Gott erbarme Dich!" Erst nach dem Um¬ zuge folgte die Messe in der Landessprache. Auch Vergnügungen wurden den Gesandten vom Zaren im Überflüsse geboten, bei denen Herberstein die Eigentümlichkeiten russischer Sitten studieren konnte. Be¬ sonders boten Jagden solche Gelegenheiten. Am meisten beliebt waren Hasenjagden. Für eine solche wurde ein ganzer Bezirk mit Netzen umspannt und das Wild durch ver¬ schieden gekleidete Treiber aufgescheucht. Der Zar selbst nahm Anteil an der Jagd und so auch die Vornehmsten des Hofes, alle prächtig gekleidet, stnit Messern. Dolchen, Streitäxten, Streitkeulen oder Bogen und Pfeil bewaffnet. Das Zeichen zur Jagd gab der Zar, welchen Befehl ein Jäger im Galopp zu den anderen brachte. Nun begann mit Geschrei das Treiben. Zeigte sich ein Hase, so wurden 2—5 Hunde hinter ihm losgelassen, die ihn fangen mussten. Berittene Jäger verhinderten das Aus¬ kommen der Hasen. Wollte sich lange kein Wild zeigen, so wurden auf ein Zeichen des Fürsten in einem Sacke mitgebrachte Hasen losgelassen, welche „wie im Traume herauskamen und unter den Hunden wie Böcklein oder Lämmer in der Herde herumsprangen". Das Bestreben jedes Jägers und sein Stolz bestand darin, dass seine Hunde die meisten Hasen erhaschten. Daher durfte dort, wo der 61 Zar und die Gesandten standen, niemand anderer als diese jagen. Gefährlicher waren die Bärenhetzen, bei denen viele Menschen verwundet wurden. Diese Tiere wurden nämlich in eigenen Zwingern gepflegt, und Bauern, nur mit einem Knüttel bewaffnet, mussten zum Vergnügen der Zuschauer mit ihnen ringen. Die Verwundeten wurden dann auf fürstliche Kosten geheilt. Auch Falken¬ jagden auf Schwäne, Kraniche n. s. w. wurden oft ab- gehalten: nach jeder Jagd folgte dann ein Mahl unter Zelten, wobei der Fürst eigenhändig die Süßigkeiten, Zucker¬ bäckereien, Mandeln, Nüsse und noch anderes verteilte. Die Entlassung der Gäste erfolgte lakonisch durch die Worte: „jetzt gehet!" Bevor die Gesandtschaft sich zur Abreise rüstete, hatte Herberstein noch eine peinliche Angelegenheit zu ordnen. Er hatte in Krakau einen jungen Menschen, Erasmus Bethmann, einen Sohn reicher Eltern, auf Bitten der letzteren mit¬ genommen. Dieser ergab sich jedoch dem Trunke und begierig solche Unzukömmlichkeiten, dass ihn Herberstein in Eisen legen ließ. Nun beschloss Bethmann zu fliehen, kaufte im geheimen Pferde und überredete einen Diener Herbersteins und drei Russen, mit ihm nach Asow zu den Tataren zu flüchten. Sie wurden verfolgt und gefangen genommen. Während sie nämlich nachts beim Feuer lagen, schlichen sich die Verfolger, die schwächer an Zahl waren als die Flüchtlinge, auf dem Bauche zu den in der Nähe weidenden Pferden und trieben sie immer weiter. Wie nun Bethmann und seine Begleiter einer nach dem andern kamen, um die Pferde zurückzutreiben, wurden sie überwältigt und gefangen. Bethmann ver- 63 suchte noch auf eine andere Art sich Herbersteins Arm zu entwinden, indem er zur russischen Kirche übertreten wollte; doch Herberstein vereitelte all sein Bemühen und brachte dm jungen Leichtsinnigen seinen Eltern nach Hause. Endlich nahmen die Gesandten Abschied vom Zaren. Auch diesmal erhielt Herberstein ein prächtiges Ehren¬ kleid, jeder der Gesandten 80 Zobelfelle, 200 Hermelin¬ felle und 1500 Felle Grauwerk. Aber die Freude über diese Geschenke wurde durch die ihnen hiebei mitgeteilte Nachricht getrübt, dass die Türken bis ins Herz von Ungarn vorgedrungen wären. Am 11. November traten die Gesandten die Rück¬ reise an, hatten jedoch auch diesmal von Kälte und Schnee¬ stürmen sehr viel zu leiden, so dass Herberstein vor Grodno seine erfrorene Nase nur dadurch rettete, dass er sie auf den Rat des russischen Wirtes gleich stark mit Schnee rieb; mehreren Personen von seinem Gefolge erfroren Hände und Füße, wieder andere wurden krank. Auf dem Wege hatten sie in Wilna auch die Nachricht erhalten, der junge König Ludwig von Ungarn sei von den Türken bei Mohacs geschlagen worden und selbst im Kampfe gefallen. Diese Nachricht eröffnete Herberstein eine ganze Welt von Plänen; jetzt musste nämlich, weil Ludwig keine Kinder hinterlassen hatte, der Vertrag Wladislaws und Maximilians wegen der Nachfolge der Habsburger in Kraft treten, und Ferdinand als König von Böhmen und Ungarn nachfolgen. Der gewiegte Staatsmann verbarg sich aber nicht die Schwierigkeiten, die das in Ungarn verursachen würde, wo die Partei Zapolyas zu mächtig 63 — war. In Böhmen standen die Sachen zwar günstiger, doch gab es auch hier eine, freilich schwache Partei, die den König von Polen als einen Jagellonen gerne auf dem Thron gesehen hätte. Als Herberstein am 12. Januar in Krakau ankam, sieng er allsogleich zu Gunsten seines Herrn an vorzuarbeiten, nm alle entstehenden Hindernisse im Vorhinein zu entfernen. Das gelang auch vollkommen, so dass er in Prag, wo er am 24. Oktober anlangte, Ferdinand nicht blos das günstige Ergebnis der russischen Reise, sondern auch die Bereitwilligkeit Polens zur Unter¬ stützung seiner Ansprüche melden konnte. Hier in Prag war er nun auch anwesend bei der Ausrufung Ferdinands zum böhmischen Könige; denn diesen Teil des Wladis- lawschen Vertrages hatten die böhmischen Stände schon eingelöst, indem sie Ferdinand am 23. Oktober 1526 zum Könige gewählt hatten und ihn am 24. Februar 1527 mit seiner Gemahlin zu Prag krönten. Und seit dieser Zeit blieb die böhmische Krone auf dem Haupte der Habsburger bis auf die Gegenwart. Es war das ein großer Gewinn für unser Kaisergeschlechl; denn zu Böhmen gehörte damals auch Mähren und ganz Schlesien (welches gegenwärtig zwischen Österreich und Preußen geteilt ist), und Prag war eine der reichsten und schönsten Städte Deutschlands. Bezeichnend in dieser Hinsicht sind die Worte des russischen Gesandten, der Herberstein nach Prag begleitet hatte und zu diesem sich über die Stadt folgendermaßen äußerte: „Das ist nicht eine Burg, das ist nicht eine Stadt, das ist ein Königreich, und es ist etwas Großes, ein solches Königreich ohne Blutvergießen zu erhalten." 64 Nach so vielen Strapazen begannen aber die Kräfte Herberstein den Dienst zu versagen, so dass er um einen Urlaub zur Herstellung seiner Gesundheit bitten musste. Der König Ferdinand bewilligte ihm denselben bereit¬ willigst ; bevor er ihn aber entließ, stattete er ihm öffent¬ lich in feierlicher Weise dreifachen Dank ab: erstens für Beendigung der Friedensverhandluugen in Moskau, zweitens für seine Wirksamkeit in Polen und endlich für sein Anerbieten, trotz seiner Kränklichkeit gleich wieder eine Reise nach Polen anzutreten. — Zu dieser hatte sich nämlich Herberstein, als sie notwendig schien, gleich bereit erklärt; doch hatte er schon so vorgearbeitet, dass sich eine Gesandtschaft als überflüssig erwies. Nun verließen ihn seine Kräfte wirklich, und er musste in Wien vier Wochen liegen bleiben, bis er sich vollständig erholen konnte. 6. Die Verhältnisse in Ungarn nnd Herberstein^ Wirksamkeit bis zum Jahre 1ö4l. Unterdessen waren aber gefahrdrohende Wolken über König Ferdinand in Ungarn heraufgezogen. Die Partei Zapolyas benützte nämlich den plötzlichen Tod Ludwigs, um in den hiedurch entstandenen Wirren die ehrgeizigen Pläne ihres Hauptes durchzuführen. Ohne Rücksicht auf den Erbvertrag des Jahres 1515 wählten sie Zapolya auf dem Reichstage zu Stuhlweißenburg am 10. November 1526 zum Könige; dagegen riefen auf Andringen der Königin-Witwe ihre Anhänger den Erzherzog Ferdinand zum Könige aus. Kaiser Karl versuchte zu vermitteln, 65 doch alle seine Vorschläge wurden wieder verworfen, ja Zapolya schloss sogar mit dem Erbfeinde der Habsburger, Frankreich, ein Bündnis gegen Karl und Ferdinand, in welches Frankreich um so ehereinwilligte, als es schon seit dem Regierungsantritte Karls mit diesem im Kampfe mn Mailand und Burgund stand. Überhaupt ist dieses Reich zu jeder Schädigung der Habsburger bereit, seit diese durch Erwerbung der spanischen Monarchie, zu welcher damals in Europa die Niederlande (das heutige Belgien und Holland), Mailand und Neapel, in Amerika die neu¬ entdeckten unermesslichen Länder in Mittel- und Süd¬ amerika gehörten, Frankreich von allen Seiten mit ihrem Besitze umschlossen, so dass es nach keiner Richtung hin auf Erweiterung seiner Macht denken konnte, ohne auf die Habsburger zu stoßen. Zu diesem natürlichen Feinde Karls und Ferdinands nahm nun Zapolya seine Zuflucht; noch gefährlicher war aber der zweite Bundesgenosse, den er sich suchte, nämlich der Türke. Auch mit diesem wurde ohne Rücksicht auf die Gefahr, welche hiedurch dem Christentum und der christlichen Kultur des gejamm¬ ten Abendlandes drohte, ein Bund geschlossen. Bevor jedoch noch Zapolya vollkommen gerüstet-war, ließ schon Ferdinand, Ende Juli 1527, ein Heer von 2UOOO Mann in Ungarn einrücken, welches Raab, Pressburg, Neutra, Komorn, Gran rc. unterwarf und Zapolya zur Flucht aus Siebenbürgen zwang. Ferdinand wurde zu Stuhl¬ weißenburg am 3. November zum Könige von Ungarn gekrönt. Das Glück war ihm auch weiterhin günstig — auch Siebenbürgen fiel von Zapolya ab, der nun nur mehr in Ober-Ungarn eine Stütze fand. Weil es aber Schober, von Herberstein. g 66 vorauszusehen war, dass die mit Zapolya verbündeten Türken nicht lange mehr mit einem Einfalle in Ungarn zögern würden, so ließ Ferdinand den Prätendenten auch in Oberuugarn angreifen, und bei Szina, unweit Kaschau, errang Johann Katzianer, Herbersteins Schwestersohn, einen vollständigen Sieg über denselben, der Zapolya zur Flucht nach Polen zwang. Es kam nun alles darauf an, dass der König von Polen ihn nicht ynterstütze, weil sonst Ferdinand von zwei Seiten, im Süden durch die Türken, im Norden von Zapolya wäre angegriffen worden. Eine Gesandtschaft gieng deshalb nach Polen ab, in welcher wiederum Herberstein die eigentliche Führung der Geschäfte hatte. Zu Petrikau (Pivtrkvw, südwestlich von Warschau), wo ein Reichstag gehalten wurde, trafen die kaiserlichen Gesandten und die des Woiwoden Zapolya („Janusch Weyda" von Herberstein genannt) zusammen. Die polnischen Edlen neigten sich vielfach dem Zapolya zn, weil er früher als Ferdinand Ungarn in Besitz gehabt habe, indem sie erklärten: „selten überkäme man ein Reich durch Gerechtigkeit"; aber Herberstein gewann doch die Oberhand beim Könige, so dass dieser seine Unter¬ stützung dem Woiwoden versagte.' Dass dieser Erfolg nur ein Verdienst Herbersteins war, ersieht inan daraus, dass seine Mitgesandten sogar eifersüchtig wurden auf seine geheimen Unterhandlungen mit dem Könige, bis dieser endlich erklärte, Herberstein habe geheime Instruktio¬ nen vom Kaiser, nach denen er unterhandle. — Ans der Rückreise entgieng Herberstein nur durch Zufall dem Tode. Der früher erwähnte Nikolaus Tschaplitz, welcher seine Rache an Herberstein bisher nicht hatte kühlen können, 67 lauerte ihm nämlich auf, um ihn zu misshandeln. Aber der Gesandte hatte zufällig den längeren Weg eingeschla¬ gen, so dass der Raubritter umsonst auf dem gewöhn¬ lichen kürzeren ihn erwartete. „Da hat mich gewisslich mein Engel geführt," ruft Herberstein hiebei ans. Zapolya hatte indessen bei den polnischen Großen Unterstützung gefunden, hatte ein neues Heer von 4000 Mann gesammelt und war mit diesem in Oberungarn eingefallen. Kurz vorher hatten auch seine Anhänger bei SaroS-Patak über Ferdinands Truppen gesiegt, so dass nun seine Partei neuerdings in Oberungarn, Kroatien und Siebenbürgen die Oberhand gewann- Das westliche Ungarn hielten Ferdinands Truppen besetzt — doch nicht für lauge. Denn schon war der Sultan Soliman im Anzuge. Am 20. Juli l528 empficng dieser ans den Feldern bei Mohacs, wo noch kurz vorher das Blut des Königs und seines Volkes im Kampfe gegen die Türken geflossen war, die Huldigung und den Handkuss Zapolhas, der somit sein Vaterland dem Ehrgeize und dem Hasse opferte. Hier wurde auch dem Sultan die von Zapolhas Partei¬ genossen aufgefangene ungarische Krone eiugehändigt. Und nun gieng es im steten Siegesläufe, unter Morden und Sengen gegen Ofen. Am 9. September musste die Festung kapitulieren, und Zapolya wurde hier von: Sultan auf den Thron der Arpaden gesetzt. Die ungarischen Großen, darunter selbst Bischöfe und der Erzbischof von Gran huldigten dem Sultan in dessen Lager mit einem Handkusse, ja sie dienten ihm sogar als Wegweiser nach Österreich. Alle festen Plätze auf diesem Wege, 5 * 68 mit Ausnahme von Pressburg, ergeben sich den Türken, und am 2/. September lagerte Soliman bei Simmering vor Wien. Von hier aus streiften seine Truppen aller- wärts hin längs der Donau bis an die Enns, und südlich bis zur steierischen Grenze, plünderten und verbrannten Dörfer und Städte, töteten die Einwohner und schleppten eine solche Menge derselben als Gefangene fort, dass Niederösterreich fast zwei Dritteile seiner Bevölkerung verlor. Dasselbe Schicksal stand Deutschland bevor, wenn Wien fiel. Ferdinand hatte deshalb schon 1527 die Stände Niederösterreichs zusammenbernfen, um ihnen die Größe der Gefahr auseinanderzusetzen; aber die kostbarste Zeit gieng hiebei mit nutzlosem Gerede verloren, jeder glaubte die Bedrängnis des Erzherzogs zu seinem Vorteile anS- bcnten zu sollen, und als endlich beschlossen wurde, ein Hilfskorps an der Grenze aufzustellen, blieb doch die Ausführung weit hinter dem Beschlüsse zurück. Dasselbe war der Fall in Deutschland. Hier lähmten wieder die religiösen Spaltungen die Kraft des Kaisers, und die Reichstage giengen resultatlos auseinander. Deshalb konnte auch Ferdinand den Vorstoß der Türken gegen Wien nicht aufhalten. Desto mehr Mühe war auf Be¬ festigung dieser Stadt verwendet worden. Man hatte sogar, um Geld herbeizuschaffen, einen Teil des Kirchen - schatzes bei St. Stefan verkauft. Die umliegenden Ort¬ schaften mussten bei den Festungsbauten nnthelfen, und als die Türken nahten, wurden alle Vorstädte niedergerissen, damit der Feind sich nicht hinter den Häusern schützen könne. Trotz aller Mühe war jedoch Wien in keinen 69 besonders guten Verteidigungsstand gesetzt; denn die Mauern waren kaum 6 Fuß dick und nur 2—3 Klafter hoch, so dass sie leicht mit Leitern erstiegen werden konnten. Nur die Hauptthore waren stärker geschützt, am meisten das alte Kärntnerthor. Zur Verteidigung wurden alle waffenfähigen Bewohner der Stadt und der Vorstädte aufgeboten, zu denen sich dis aus Ungarn zurück¬ weichenden Truppen, 20.000 Mann Fußvolk und 2000 Reiter an der Zahl, gesellten. Der Hof übersiedelte wenige Tage vor dem Eintreffen der Türken nach Linz. Diesem Beispiele folgten die meisten reichen Stadträte, von denen nur drei beim Bürgermeister blieben. Der Oberbefehl wurde dem Führer der Reichstruppen, welche zum Entsätze heranzogen, dem Pfalzgrafen Friedrich vom Rhein übertragen; neben ihm kommandierte in der Stadt der greise und erfahrene Niklas von Salm. Das türkische Belagerungsheer schloss nun mit 16 Lagern von Simmering bis Nussdorf die Stadt ein; das Hauptlager SolimanS mit seinem kostbaren Zelte stand bei Ebersdorf. Dreimal forderte der Sultan die Stadt zur Übergabe auf; doch umsonst. Da ließ er sie beschießen und die Wälle stürmen; doch auch dieses vergeblich. — Endlich, am 14. Oktober, wurde der Hauptangriff mit aller Macht gegen das Kärntnerthor unternommen, um welches herum die Mauern stark zerschossen waren. Schon stand ein Janitschare auf dem Walle und Pflanzte den Rossschweif auf, als sich zwei Soldaten ihm entgegen warfen, ihn in den Graben stürzten und mit ihren Leibern die Bresche schützten, bis Hilfe kam. So wurde auch dieser Angriff abgeschlagen, und nun gab Soliman den Befehl zum 70 Aufbruche, nachdem er früher noch 2000 christliche Ge¬ fangene niedermetzeln nnd Bauern und Priester in das Feuer der brennenden Zelte hatte hineinwerfen lassen. Die österreichischen Heere zogen ihm nach Ungarn nach und errangen hier einige Vorteile; aber die non Roggen¬ dorf im Oktober l 530 unternommene Belagerung Ofens, wo Zapvlya eingeschlossen war, misslang, und der nahende Winter, Mangel nnd Krankheiten im Heere zwangen die Österreicher znm Rückzüge. In dieser Zeit des Schreckens und der allgemeinen Wirren, wo es sich nm den Bestand der neuen habs¬ burgischen Linie und hiemit um das künftige Österreich handelte, war Herberstein unablässig thntig. Es lag nämlich dem Könige Ferdinand alles daran, sich Polens zu versichern, damit Zapolya hier keinen Rückhalt finde. Aber die Sache war insoferne etwas schwierig, als der König von Polen schon bei der böhmischen Königswahl ursprünglich sich selbst nm die Krone beworben hatte, nnd auch mit dem durch Herberstein vermittelten russischen Friedensvertrage nachträglich unzufrieden geworden war, abgesehen davon, dass er durch seine erste Gemahlin ein Schwager Zapolyas war, und dass letzterer eine starke Partei am polnischen Hofe besaß. Es war nun natürlich, dass mau zu diesen Unterhandlungen den ebenso treuen als geschickten Herberstein wählte, auch schon deshalb, weil er die Verhandlungen mit Polen seit jeher geleitet hatte. Doch vergeblich reist der kaum von einer Todes- kcankheit genesene Gesandte dreimal nach Polen. Je größere Fortschritte Soliman macht, desto höher steigt der Einfluss der ungarischen Partei am polnischen Hofe, 71 desto mehr zieht sich der König von Österreich zurück. Ja Herberstein selbst wird von Meuchelmord bedroht; ans der königlichen Burg wird einmal ein schwerer Stein nach ihm geworfen, dem er nur durch glücklichen Zu¬ fall ausweicht. Als aber die Türken von Wien ab¬ ziehen und die österreichischen Heere wieder in Ungarn einfallen, da übernimmt endlich Sigismund von Polen die Vermittlung zwischen Ferdinand und Zapolya. In den langwierigen Verhandlungen hierüber ist es nun wieder Herberstein, der seinen Herrn vertritt. Es wird eine Zusammenkunft der Gesandten in Breslau vorge- schlagen, doch die Abgeordneten Johanns kommen nicht dahin. Auf einer zweiten Zusammenkunft in Posen wird auch nichts erzielt, weil die ungarischen Gesandten einen Brief Solimans vorzeigen, worin dieser erklärt, es nicht zu¬ lassen zu wollen, dass dem Zapolya auch nur eine Hand¬ breit von Ungarn genommen werde. Erst im Jahre 1531 langten endlich von Ungarn Vcuschläge zu einem Waffen¬ stillstände ein, der auch in Blindeuburg (Vissegrad au der Donau, zwischen Gran und Waitzen) unter Vermittlung Herbersteins abgeschlossen wurde; über einige strittige Punkte sollte der König von Polen als Schiedsrichter entscheiden, so dass Herberstein noch einmal nach Polen reisen musste, bis endlich alles geschlichtet ward. Ferdinand musste dem Zapolya Ost-Ungarn und Siebenbürgen als selbständigen Besitz zugestehen. Während dieser Ver¬ handlungen war jedoch ein engerer Anschluss Polens au Ferdinand erfolgt, zu dessen Kräftigung eine Heirat zwischen dein Sohne des polnischen Königs und der ältesten Tochter Ferdinands schon bei der Zusammenkunft in Posen ver- 72 abredet worden war. Für so viele Mühen und so viele Erfolge wurde nun Herberstein dadurch belohnt, dass er im Jahre 1531 für sich und seine Familie den Freiherrn- titel bekam. Noch mehr aber als dieser ehrte ihn das Ver¬ trauen seines Herrn; kein öffentliches oder irgendwie wichtiges Geschäft kam mehr ohne ihn zustande, so dass er sich fortwährend auf der Reise befand. Man muss nur seinen stählernen Körper bewundern, der alle diese Strapazen ertrug, da ihm zum Ausruhen oft nur drei bis vier Tage gegönnt waren. Dabei war er auch am Hofe thätig; er war Mitglied der Kommission zur Be¬ stimmung der Staats- und Hofausgaben für Böhmen, Beisitzer des Kriegsrates, Präsident der österreichischen Kammer u. a. m. Im Jahre 1534 war er als vorzüglichster diplomatischer Unterhändler in dieser Angelegenheit Zeuge der Unter¬ werfung des Herzogs Ulrich von Würtemberg zu Kaaden. Dieser tyrannische Herzog war nämlich wegen eines Mordes geächtet und sein Land eingezogen worden. In dem Brüsseler- Verträge 1522 hatte der Kaiser Karl seinem Bruder- Ferdinand Würtemberg als Lehen verliehen, und Herberstein war schon von Brüssel aus zur Besitznahme des Landes hin- gereist. Herzog Ulrich sand jedoch Unterstützung beu den protestantischen Fürsten Deutschlands; Landgraf Philipp von Hessen siel mit einem Heere von 20.000 Mann in Würtemberg ein, und da sich die vorzüglichsten Plätze ergaben, führte er den Herzog Ulrich zurück in das Land. Dieser offene Landfriedcnsbrnch war mit Hilfe Frankreichs geschehen, welches, wie schon oben erwähnt, alle Feinde 73 des Kaisers unterstützte, trotzdem es erst unlängst einen Frieden mit Karl geschlossen hatte. Nun war aber Karl in Deutschland mit der Unterdrückung des Protestantismus beschäftigt; die Küsten des Mittelmeeres wurden von Seeräubern geplündert, die Türken drangen wieder in Ungarn vor, so dass er nicht auch noch einen neuen Krieg mit Frankreich anfangen konnte; deshalb gieng Ferdinand den Vertrag zu Kaaden ein, demzufolge Ulrich für sich und seine Nachkommen Würtemberg als österreichisches Lehen erhielt mit dem Vorbehalte des Rück¬ falles an Österreich beim Aussterben seiner Linie. Die meiste Anstrengung kosteten aber Herberstein wiederum die Verhältnisse in Ungarn. Es wurden hier nämlich seit dem Waffenstillstände des Jahres 1531 Ver¬ handlungen gepflogen und Zusammenkünfte gehalten, zu denen er stets hin- und Herreisen musste. Doch alles war umsonst, da Soliman die Zerwürfnisse unter den Adels¬ parteien Ungarns nährte. Endlich kam es zu neuem Kriege, und im Juli 1532 brach der Sultan mit 215.000 Mann gegen die deutsche Grenze auf. Der Schrecken in Österreich war groß; noch waren die Wunden nach dem ersten Türkeneinfalle nicht verheilt, und schon drohte wieder Raub, Mord, Brand und alle Gräuel eines neuen Türkenkrieges. Auch in Wien rüstete man sich wieder. Der Rest der Kirchenschütze wurde veräußert und die neugebanten Häuser in den Vorstädten wieder nieder- gerissen. Auch hier war unser Herberstein unablässig thätig und hatte „viel Arbeit jederzeit, in und außer der Stadt". Jedoch die Befürchtung war glücklicherweise unnütz gewesen; denn eine kleine Festung in Süd-Ungarn 74 Guns, widerstand unter Führung des tapferen Niklas Jurischitz mit nur 700 Mann 12 Sturmen der Feinde, bis endlich Soliman den Rückzug über Steiermark antrat. Denn es hatte dieser Widerstand der kleinen Schar es Karl ermöglicht, rasch sich mit den Protestanten in Deutsch¬ land zu versöhnen, und eine Neichsarmee von 80.000 Mann bis vor Wiener-Neustadt zu bringen; auch hatte die spanische und italienische Flotte im Mittelmeere glücklich gegen die türkische gekämpft. Den Unmut über seinen Rückzug ließ nun Soliman ans Steiermark aus. Graz und Marburg widerstanden zwar, doch die offenen und kleineren Orte wurden überall durch Streifkorps verwüstet und ver¬ brannt, die Einwohner erschlagen oder gefangen fortgeschleppt. Sobald Herberstein davon vernimmt, stellt er augen¬ blicklich seine Waffen dem Vaterlande zur Verfügung und kämpft tapfer mit, bis der letzte Türke Steiermark verlassen hat. Endlich gab Soliman Ferdinands Frie¬ densvorschlägen Gehör. Es kam zuerst ein Waffenstill¬ stand mit den Türken, dann ein Friede mit Zapolya zustande (zu Großwardein 1538), demzufolge Karl und Ferdinand ihn als König von Ungarn anerkannten und ihm Siebenbürgen überließen. Slavonien und Kroatien verblieb Ferdinand; in Ungarn sollte jeder das behalten, was er gerade besaß. Nach dem Tode Zapolyas sollte aber Ungarn mit allen seinen Nebenläudern an Ferdinand zurückfallen, selbst wenn Zapolha einen Sohn hinterließe. Ungeachtet dieses Vergleiches nahmen jedoch die Unruhen in Ungarn stets zu; die einzelnen Parteien befehdeten einander aufs heftigste, veranstalteten eigen¬ mächtig Versammlungen, und die Partei Zapolyas ver- letzte den Waffenstillstand unaufhörlich. Da hatte nun Herberstein, um die Parteien zu überwachen und Streitig¬ keiten zn schlichten, hin- und herzureisen, nach Ungarn und nach Polen, dessen König als Bürge des Friedens¬ vertrages zu Großwardein auch seine Mitwirkung zur genaueren Durchführung desselben leihen sollte, statt dessen jedoch seine Tochter Isabella mit Zapolya vermählt hatte. Mitten unter allen diesen Verhandlungen und Partei¬ streitigkeiten starb Johann Zapolya am 22. Juli 1540. 7- Hcrstcrsteins Thötiglrcit in Ungarn nach dein Tode Johann JapolgaN. Die österreichische Partei hatte gehofft, mit dem Tode Johann Zapolyas werde Ruhe und Frieden in Ungarn einziehen, und der Türke hiedurch für immer von Ungarn und von den Grenzen der österreichischen Erblande ferne¬ gehalten werden, weil nun Ferdinands Nachfolge unzweifel¬ haft feststand, und die vereinigte österreichische und unga¬ rische Macht hinreichend schien, die Türken erfolgreich abzuwehren. Dieses lag jedoch weder in den Plänen der Partei Zapolyas, welche lieber ihr Vaterland den Türken öffnen als ihre Macht einbüßen wollte, noch in denen Solimans, welchem die Streitigkeiten in Ungarn stets willkommenen Vorwand zum bewaffneten Eingreifen in dieselben boten. Nun hatte Zapolya auf seinem Toten¬ bette, ungeachtet des Vertrages mit Ferdinand, seinen erst 14 Tage alten Sohn, Johann Sigismund, seiner Partei zum Könige empfohlen, nnd diesen ließen daher seine Vormünder, der Bischof Martinuzzi und Petr Petrovich, 76 zu Rakos (ein Ort in der Nähe von Pest, wo die Volks¬ versammlungen gehalten wurden, weswegen diese selbst auch „Rakosch" genannt werden) vor dem versammelten Volke als solchen ausrusen. Soliman nahm sich gleichfalls seiner an und erklärte ihn für den rechtmäßigen König von Ungarn, ließ auch allsogleich seine Truppen in das Land einfallen, um es zu besetzen. Unterdessen verlangte Ferdinand von Zapolyas Witwe, Isabella, einer Tochter Sigismunds von Polen, die Herausgabe Siebenbürgens und Ost-Ungarns, sowie der königlichen Insignien, wie eS der Vertrag von Großwardein bestimmt hatte. Diese verweigerte jedoch alles und schloss sich mit ihren Räten, ihrem Kinde und den Kroninsignien in Ofen ein, so dass Ferdinand zur Belagerung dieser Festung schreiten musste. Der Besitz der Stadt hatte aber auch eine weitere Be¬ deutung. Isabella wollte dieselbe nämlich den Türken überlassen, denen hiedurch der Weg nach Wien wieder offen gestanden wäre. Deshalb wurde auch Herberstein mit dem Grafen Picus von Mirandola an Isabella nb- gesandt mit voller Macht „auf alle ehrliche und ziemliche Weise zu handeln", um Ofen der Christenheit zu retten. Doch die Partei Zapolyas verweigerte jede Unterhandlung, so dass die Gesandten, ohne nur gehört zu werden, nach Wien zurückkehren mussten. Auch die zweimalige Belagerung Ofens führte zu keinem Resultate, da die Türken zum Entsätze heran¬ rückten. Der kaiserliche Befehlshaber Roggendorf wurde genötigt, das Heer über die Donau zurückzuführen, denn große Schwärme ungarischer Reiterei im Vereine mit den Türken drohten ihn zu umzingeln. In der Nacht des 77 21. Augusts sollte der Übergang bewerkstelligt werden; aber da brach alles Unglück, welches ein Heer im Rückzüge treffen kann, über die deutsche Armee herein. Ein heftiger Sturm riss mehreremal die Schiffbrücken weg, und die hilflosen Truppen wurden nun von der Besatzung und von der türkischen Macht zugleich überfallen und ganz aufgerieben. Alles Geschütz sammt Munition und der ganze Proviant, sowie eine Menge Schiffe und Schiffs¬ material fiel im Lager und in Pest den Feinden in die Hände. Am 26. August lagerte Soliman selbst mit seinem Heere in Alt-Ofen, besetzte Ofen, behielt es auch in seiner Hand und machte es zur Hauptstadt der türki¬ schen Herrschaft in Ungarn. Nun dachte alles zwischen Pest und Wien an die Flucht, denn es konnte Soliman nicht mehr aufgehalten werden, wenn er sich gegen Österreich wenden wollte. Zugleich hatte aber ein noch weit furchtbarerer Feind Einzug gehalten in Ungarn und Österreich, nämlich die Pest, welche so wütete, dass sie in Wien allein 40.000 Menschen hinraffte. Da entschloss sich Ferdinand, den Sultan um Frieden, oder wenn für diesen zuviel gefordert würde, wenigstens um einen längeren Waffen¬ stillstand zu bitten. Für diese wichtige und gefahrvolle Sendung wurde wiederum Herberstein ausersehen, dessen Geschick, Trene und Unerschrockenheit die fürstliche Familie in den bedeutendsten und schwierigsten Verhandlungen kennen gelernt hatte. Der König Ferdinand berief ihn am 28. Augnst zu sich nach Wiener-Neustadt und bat ihn die Reise zu unternehmen. Schon ans letzterem Umstande ist zu ersehen, wie gefahrvoll dieses Geschäft '4', 78 war. Nicht bloß dass der Weg durch verpestete Gegenden führte, es musste jeder Gesandte noch auf Demütigungen, ja sogar auf Misshandlungen von Seite des übermütigen, rohen Siegers gefasst sein. Doch Herberstein kannte nur den Vorteil seines Herrn und nahm an. Die Wahl eines Begleiters wurde ihm freigestellt, und er bestimmte als solchen einen Grafen Nikolaus von Salm. Von Segenswünschen und Befürchtungen des Hofes und seiner Freunde begleitet, machte er sich am 2. Septem¬ ber auf den Weg und fuhr zu Schiffe in fünf Tagen bis in die Gegend des türkischen Hauptquartiers vor Ofen. Bevor die Gesandten ans Land stiegen, kam zu ihnen ein türkischer Dragoman (Dolmetscher), der Sohn eines Wiener Krämers, nm ihnen beim Verkehre mit den Türken zu dienen. Abends desselben Tages wurde ihnen noch ein Tschausch Pascha mit vielen Soldaten bis an die Dünau entgegengeschickt, der sie zu Pferde in das Lager brachte und ihnen ein großes mit Teppichen auS- geschmücktes Zelt zur Wohnung anwies; hier mussten sie jedoch ihr Nachtmahl aus dem vom Schiffe mitgebrachten Vorräte halten, da der Oberbefehlshaber, Rustem Pascha, sich entschuldigte, er habe nicht genau den Tag ihrer Ankunft gewusst und deshalb auch nichts vorbereitet. Arn nächsten Tage machten sie ihre Aufwartung bei Rustem, immer vom Dolmetsch begleitet, der zuerst vor dem Pascha niederknieete, dann sich aber auf seine gekreuzten Füße neben sie setzte. Als sie den Zweck ihrer Reise mit¬ geteilt hatten, mussten sie noch zu Mehemed Pascha, dem Sieger über Roggendorf, um ihm ihre Verehrung dar¬ zubringen und um seine Verwendung zu bitten. Beiden 7!) Paschas wurden hiebei kostbare Geschenke übergeben. Am 8. September wurden die Gesanden plötzlich vor den Sultan beschieden. Ihr Weg führte durch das ganze Heerlager zwischen zwei Reihen türkischer, in voller Ausrüstung stehender Reiter, welche von den Gesandten auf des Dolmetschers An¬ weisung durch Neigen des Kopfes begrüßt wurden, was sie höflich erwiderten. Vor einem schönen Zelte, etwa zwei Büchsenschuss weit von dem Zelte des Sultan mussten sie absteigen und warten. Nach einiger Zeit wurden sie in ein Zelt geführt, welches an das des Sultans angrenzte. Hier fanden sie Rnstem Pascha, Mehemed Pascha und Mehemed Bey, die obersten Würdenträger des Heeres, auf niedrigen Stühlen sitzend. Das Zelt selbst hatte zwei Ausgänge. An der nach außen führenden Thüre saß aus einem viereckigen Teppiche der Kanzler, an der zweiten, welche in das Zelt des Sultans sich öffnete, standen zwei türkische Rechtsgelehrte. Als die Gesandten eintraten, erhoben sich alle zu ihrer Begrüßung; dann wurden ihnen Stühle, den Paschas gegenüber, hingestellt, auf denen sie Platz nahmen. Während sie sich nun mit Hilfe des Dolmetschers mit den Paschas unterredeten, wurde ein niedriger, weißgedeckter Tisch hereingebracht, ans den man eine weiße „Zinnplatte" mit länglichen Brödchen stellte. Jedem der Paschas und der Gesandten wurde dann eine, „nicht weiße aber saubere" Serviette über den Schoß gebreitet, und zwischen sie dann eine irdene grüne Schüssel gesetzt, in welcher sich kleine Stücke Fleisch befanden. In diese griff nun nach tür¬ kischer Sitte ein jeder mit den Fingern und aß, was er mochte. So wurden acht oder neun Gerichte herein- 80 gebracht und verzehrt; auch der Kanzler und die beiden Rechtsgelehrten wurden auf gleiche Weise bewirtet. Nach der Mahlzeit wurden die Gesandten endlich über den Platz vor den Zelten, durch Gruppen von Janitscharen hindurch zu dem Zelte des Sultans geführt. Dieses bestand aus zwei Abteilungen. In der ersten waren die Diener des Sultans und hinter einem Vorhänge seine Frauen, in der zweiten der Sultan selbst. Dieser saß auf einem goldschimmernden Divan („eine Art von Bett¬ statt", wie Herberstein meint), vor ihm standen Rustem und Mehemed Pascha, zu beiden Seiten zwei Hofbediente mit langen silbernen Stäben. Die beiden Paschas führten nun einen der Gesandten nach dem anderen bei den Armen zu dem Sultan, dessen rechte, auf dein Knie liegende Hand die Deutschen küssen mussten. Als sie wieder ans ihren Plätzen standen, fragte der Sultan: „Was sagen diese, was wollen sie?" — worauf Herberstein sein Begehren vortrug, nachdem er zuerst die mitgebrachten Geschenke, die vor dem Zelte so standen, dass sie der Sultan sehen konnte, aufgezählt hatte. Als er geendet, fragte Soliman: „Haben sie nichts mehr zu sagen?" worauf er sie mit den Worten entließ: „Lasssiegehen." Daraufhinver¬ beugten sich die Gesandten und entfernten sich. Am nächsten Tage mussten sie nun mit Rustem Pascha unterhandeln. Da ihre Anträge annehmbar er¬ schienen, erhielten sie darauf vom Sultan jeder zwei tür¬ kische Röcke und fünf Stücke Seidenzeng sowie jeder 5000 Aspern; auch ihr Gefolge wurde mit Seidenzeug beschenkt. In dem neuen Gewände erschienen sie darauf wieder vor dem Sultan unter demselben Ceremoniel wie früher, 81 nur dass sie lange warten mussten, bevor derselbe gespeist hatte. Hiebei staunte Herberstein vorzüglich über die Menge goldener Schüsseln, aus denen das Essen dem Sultan in sein Zelt getragen wurde. Beim Handküsse geschah es nun Herberstein, dass er sich wegen furchtbarer Schmerzen im Rückgrate nicht bis zur Hand des Sultans bücken konnte. Da rief er dem Rustem, welcher ein geborener Slovene oder Kroate war, „windisch" zu, er möge ihm Helsen. Doch dieser rührte sich nicht. Der Sultan aber verstand seine Worte und Hob selbst die Hand so hoch, dass sie Herberstein mit dem Munde berühren konnte. Übrigens erhielten sie auch bei dieser Audienz keine ent¬ scheidende Antwort. Damit sie sich aber einen Begriff über die Macht der Türken bilden könnten, wurden sie im ganzen Heerlager herumgeführt und ihnen Schiffe, Geschütze und die fast unermessliche Truppenmenge ge¬ zeigt, wobei Rustem sich mit Herberstein „windisch" unterhielt. Am 11. September endlich ließ sie Rustem zu sich holen, nahm zwei in Goldstoff eingenähte Schreiben, druckte diese zuerst an seinen Mund, dann an seinen Turban und sprach zum Grafen Salm: „Gib diesen Brief niemand anders als Deinem Herrn." Damit waren die Unter¬ handlungen beendet. Die Gesandten rüsteten sich zur Abfahrt, mussten aber zuerst noch eine Menge Leute mit Geld beteilen, welche sich an sie nm einen Bakschisch (Trinkgeld) drängten. Am 12. September traten sie den Rückweg an, zuerst zu Schiffe bis Pressburg, von da zu Wagen nach Graz, wo Ferdinand weilte. Die ganze Gegend, durch die sie fuhren, war von der Pest entvöl- Schober, von Herberstein. ß , 82 kert; ost mussten sie in Häusern übernachten, die mit Kranken und Sterbenden angefüllt waren, nnd nur wie durch ein Wunder entgiengen sie der Ansteckung. Der Zweck der Gesandtschaft war erreicht; der Snltan hatte in einen Waffenstillstand eingewilligt, und die Erblande, sowie West-Ungarn waren von der drohen¬ den Gefahr befreit. Wol durfte Herberstein mit Stolz auf diesen Erfolg blicken, welcher einzig und allein ihm zu verdanken war; doch die viele» Anstrengungen und unaufhörlichen Reisen hatten andererseits seine Gesundheit so zerrüttet, auch war er bereits so alt geworden, dass er mit Recht im Jahre 1'542 die Bitte stellen durfte, man möge ihn für die Zukunft von ferneren beschwerlichen Diensten entheben. In den ehrenvollsten Ausdrücken des Dankes für seine bisherigen aufopfernden Dienste wurde ihm auch dieses Versprechen von Ferdinand gegeben. 8. Herliersteins letzte Lebensjahre. Trotz des gegebenen Versprechens Ferdinands ver¬ flossen die letzten Lebensjahre Herbersteins nicht in Muße und Ruhe. Der Gefahren, welche damals dem habs¬ burgischen Hanse drohten, gab es zu viele, und seine Thätigkeit war so schwer zu entbehren, dass er bis zum Jahre 1553 fortwährend mit Geschäften überhäuft wurde. Jedes Jahr bringt ihm ein neues Amt, ein neues Ge¬ schäft; er muss im Kriegsrate, in der Kammer, als kaiser¬ licher Kommissär in dem niederösterreichischen'Landtage 83 unausgesetzt thätig sein, ja selbst beschwerlichen Reisen muss er sich unterziehen im Interesse seines Fürsten, nach Ungarn sowol wie nach Polen. In Ungarn war nämlich der Krieg bald wieder losgebrochen, und erst im Jahre 1547 ein fünfjähriger Waffenstillstand mit Soliman abgeschlossen worden, wofür sich Ferdinand zu einein jährlichen Tribnte von 30.O00 Dukaten verstehen musste. Doch führte auch dieses zu keinem definitiven Frieden, und schon im Jahre 1551 wurde deshalb Herberstein eine neue wichtige Mission übertragen, infolge derer er eine mühevolle Reise durch Ungarn bis über die Theiß nach Bathor, einer Besitzung des Grafen Andreas Bathory, unternehmen musste. Soliman hatte nach der Besetzung Ofens im Jahre 154 l Isabella Zapolya mit ihrem Sohne und dessen Vormündern nach Siebenbürgen geschickt, welches Land nebst dem östlich von der Theiß gelegenen Teile von Ungarn er dem jungen Johann Sigismund Zapolya als eigenes Fürstentum überließ. Nun war aber das Be¬ mühen der Pforte daraus gerichtet, auch diese Länder einzuziehen, so dass der Pauliner Mönch Georg Marti- nuzzi, Bischof von Großwardein und erster Vormund des jungen Fürsten, mit dem kaiserlichen Feldhanptmann Niklas von Salm in Unterhandlungen trat, um dem Plane der Türken znvorzukommen. ' Freilich leiteten ihn hiebei auch niedrigere Beweggründe, als die Sorge für seinen Mündel. Er konnte sich nämlich weder mit der Königin-Mutter, noch mit seinem Mitvormunde, Petr Petrovich, vertragen, da er zu ehrgeizig war, um jemandem einen Einfluss auf die Regierungsgeschäfte zn gestatten. Auch traute die 6* 84 Pforte dem herrschsüchtigen Manne nicht recht, so dass er nicht hoffen konnte, bei einer Besetzung des Landes durch die Türken irgend welche einflussreiche Stellung zu er¬ halten. Deshalb schlug er dem Kaiser vor, er wolle auf den, von dem verstorbenen Johann Zapolya geschlossenen Vertrag wieder zurückgehen, wenn der Kaiser den jungen Sohn Zapolyas mit einem Fiirstentume entschädige und zum Herzog erhebe. Zur endgiltigen Festsetzung dieses Vertrages wurden nun Thomas Nadasdy, Graf zu Fagarasz, und Graf Andreas Bathory nebst Herberstein abgesandt. Die Verhandlungen zogen sich jedoch in die Länge, bis eine, unter Castaldos Oberbefehl auf Martinuzzis Vor¬ schlag gegen Siebenbürgen abgesandte, ansehnliche Heeres- macht die Königin Isabella zwang, Siebenbürgen heraus¬ zugeben, wofür sie ihr Heiratsgut zurückbezahlt bekam, und für ihren Sohn Johann Sigismund die Herzogtümer Ratibor und Oppeln (in Schlesien) nebst dem ganzen großen Familienbesitze der Zapolyas in Ungarn. Zur Befestigung dieser Freundschaft sollte nach dem von Herberstein ausgearbeiteten Plane Johann Sigismund die Hand der jüngsten Tochter Ferdinands, Johanna, erhalten. Und wirklich führte Herberstein diesen Plan auch durch, so dass die Verlobung zustande kam. Die siebenbürgischen Stände huldigten nun dem Könige Ferdi¬ nand in Klausenburg, worauf Isabella den kaiserlichen Kommissären die Krone des heiligen Stefan sammt dem Scepter und den anderen Insignien überantwortete. „Also ist dieselbe," setzt Herberstein hinzu, „jetzt am L. September 1551 wieder nach Wien zu ihrem rechten, früher damit gekrönten Könige Ferdinand gebracht worden." 85 Keineswegs war aber hiedurch schon der Streit um Siebenbürgen entschieden. Soliman ließ nämlich allsogleich seine Heere in Ungarn einrücken; die kaiserlichen Truppen unter Castaldo und dem inzwischen zum Kardinale erhobenen Martinuzzi widerstanden jedoch den Türken, bis endlich die Treulosigkeit Martiuuzzis und die Unvorsichtigkeit Castaldos den Verlust des Banates nach sich zog. Martinuzzi hatte nämlich in seinem ungemessenen Ehrgeize unterdessen mit den Türken unterhandelt, um sich selbst auf den Thron Siebenbürgens zu schwingen, da er einsah, dass der Kaiser nie dazu seine Einwillignng geben würde. Zwar ließ ihn deshalb Castaldo, dem der Plan verraten wurde, in seinem Schlosse Alvinz ermorden, jedoch Temes- var gieng darüber verloren, bald auch andere Festungen. Ein kaiserliches Heer unter Erasmus Teuffel wurde ge¬ schlagen, letzterer nebst 400t) Manu gefangen, und erst Erlau hielt das Vordringen der Türken in Ober-Ungarn auf. Die kaiserlichen Truppen in Siebenbürgen waren inzwischen wegen verwahrloster Zucht und Ausbleibens des Soldes von selbst auseinander gelaufen, so dass es Isabella leicht wurde, mit Hilfe ihres Anhanges wieder znrückzukehren rind als Regentin bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes das Land in Besitz zu nehmen. Um sich gegen den Kaiser zu schützen, verband sie sich mit den Türken, die Verlobung ihres Sohnes mit Johanna wurde aufgelöst und somit der Plan Herbersteius zu Nichte ge¬ macht. Der Kaiser hatte Siebenbürgen und Nieder-Uugarn wieder verloren, und erst im Jahre 1562 kam der acht¬ jährige Friede mit der Pforte zustande, demgemäß jeder der kriegführenden Teile das behalten sollte, was er besaß, 86 wofür Ferdinand jedoch einen Tribut von 30.000 Dukaten versprechen musste. Übrigens hörten auch mit diesem Friedensschlüsse die Kriege gegen die Türken nicht auf. Diese Gefahr blieb beständig an den Grenzen Österreichs, ja bis gegen Wien drangen die Türken noch einmal vor, bis erst am Ende des 17. und am Anfänge des 18. Jahrhundertes Ungarn von ihnen gesäubert wnrde, und ihre Angriffe auf Öster¬ reich aufhörten. Den einhalbjährigen Aufenthalt, welchen Herberstein der oberwähnten Verhandlungen wegen bis znr Übergabe der Kroninsignien in Ungarn nehmen musste, benützte er zum Einziehen von Erkundigungen über das Land und seine Bewohner, deren Resultate er in seiner deutschen Lebens¬ beschreibung niederlegte. So schildert er die vielen heißen Quellen Ungarns, den Fischreichtum der Theiß, die Sprache der Bevölkerung, ihre Verteilung im Lande, erwähnt die berühmtesten Männer seiner Zeit n. ä. m. Die Tracht der Ungarn beschreibt er so, wie sie sich jetzt noch als Nationaltracht erhalteü hat. Eine naive Erklärung gibt er über die Sitte, dass die ungarischen Hosen am unteren Ende nicht zusammengenäht sind. Er sagt: „Ich habe gefunden, dass sie barfuß gehen; sobald nur ein noch so kleiner Regen kommt, streifen sie die Hosen hinauf. Und wiewol sie viel Häute bei ihnen haben, deren man auch eine große Menge ins Ausland ausfübrt, so sind doch Schuhe bei ihnen nicht zu bekommen oder sehr teuer." — „Die Adeligen hatten früher," so erzählt er, „kurze Schaftstiefeln mit kleinen Sporen getragen. Nun aber tragen sie etwas, was man weder Schuh noch Stiefel 87 nennen kann; diese Fußbekleidung ist mit Eisen beschlagen, geht wenig über die Knöchel und trägt unter den Fersen ein? Kugel von Tuch, so dass sie auf den Zehen gehen müssen, hiednrch aber auch größer erscheinen; daran sind lange und breite schwere Sporen befestigt, die zu gar nichts nutz sind; denn wenn einer im Gefechte vom Pferde gefallen ist, so muss er Sporen und Schuhe von sich werfen, oder er wird gleich gefangen, da er sich nicht bewegen kann." Es erinnert ihn das an die frittieren Rüstungen in Deutschland, zu welchen auch lange Stiefeln mit übermäßigen Spitzen und schweren Sporen gehörten; man sei aber in Deutschland bald hievon abgekommen, da sie auf der Flucht hinderlich waren, und einige Ritter sich die Zehen abhieben, als sie bei einer solchen Gelegen¬ heit sich durch einen Schwerthieb von den lästigen Spitzen befreien wollten. Die Prachtliebe und der Reichtum der Magnaten nötigt ihm Bewunderung ab; jedoch er be¬ dauert auch den Mangel ihres Patriotismus, dass jeder nur für sich glänzen oder eigennützige Zwecke erreichen wolle und nicht an das gemeinsame Wohl des Vaterlandes denke, und prophezeit ihnen ein schlechtes Ende. So schreibt er auch an anderer Stelle: „Ach Gott, was für ein großes Wesen und Pomp, oder wenn man die Wahrheit sagen dürfte, was für eine große Hoffart habe ich damals (d. h. im Jahre 1518, als er kaiser¬ licher Kommissar bei dem ungarischen Landtage war) in Ungarn gesehen, am meisten aber von den Bischöfen, wiewol auch andere weltliche Große sich derart benahmen. Wie sie mit großer Anzahl Pferde gerüstet und „hussarisch" mit Silber und Gold verziert da eingeritten sind! Wie 88 ihre Trompeten zu den Mahlzeiten in allen Gassen gehört worden sind! Wie großmächrige Bankette und Mahlzeiten sie gehalten. Mit wie großen Haufen von Dienern sie stets anSritten und ausgiengen! Ihr König hat hiebei oft nicht gehabt, was er brauchte. Wenn die fremden Bot¬ schafter mit einer kleinen Gabe (wie es damals Sitte war) verabschiedet werden sollten, hat man das Geld erst von Wucherern anfbringeu müssen. Es sahen die Verhältnisse so aus, als sollte das Reich nicht lange währen." Leider hatte der biedere Mann, wie wir schon gesehen haben, Recht. Noch mehr als in Ungarn wurde Herbersteins diplo¬ matische Geschicklichkeit in den Verhandlungen mit Polen in Anspruch genommen. Es sollte nämlich die längst verabredete Heirat zwischen dem Erbprinzen von Polen und Elisabet, der ältesten Tochter Ferdinands, endgiltig bestimmt und vollzogen werden. Unter großen Schwierig¬ keiten und Gefahren, welche durch die ausgetretenen Ge¬ wässer und ansteckenden Krankheiten verursacht wurden, brachte er die Angelegenheit zum glücklichen Ende, führte auch die Braut als Hofmeister und Brautführer zu ihrem Verlobten nach Polen, sowie später auch den Brautschatz, nämlich 100.000 ungarische Goldgulden. Doch die junge Königin starb schon nach acht Jahren, und als nun ihr Gemahl eine andere Frau gegen den Willen seiner Mutter, seiner Räte und seiner Unterthanen nahm, da schien es, als sollten die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und Polen in Brüche gehen. Durch Herber¬ steins Vermittlung wurde jedoch wiederum eine Versöhnung zwischen Sigismund und Ferdinand angebahnt; ja er entwarf sogar, als einige Zeit darauf auch die zweite 89 Gemahlin Sigismunds starb, einen Plan welcher zeigt, wie viel sein Einfluss und sein Wort in den Fragen der innersten Familienpolitik Ferdinands galt. Es sollte nämlich Ferdinands jüngere Tochter, Katharina, den König von Polen heiraten. Wirklich führte er diesen Plan auch geschickt durch und geleitete als Hofmeister die Prin¬ zessin nach Polen, im Zahre 1553. Dieses war seine letzte Reise. Seit dem Jahre 1553 wurde er in keiner auswär¬ tigen Mission mehr verwendet. Zu Hause hatte er jedoch trotz seines hohen Alters alle seine Ämter beibehalten und wurde von Ferdinand täglich in allen wichtigen Angelegen¬ heiten als Ratgeber benützt. Auch neue Auszeichnungen wurden ihm zu teil. Jin Jahre 1556 erhielt er nämlich für sich und sein Haus erblich die Würde eines Obersten Erbkämmerers von Österreich und Obersten Erb- Truchsessen von Kärnten. Die Zeit, welche ihm seine Amtsgeschäfte übrig ließen, benützte er zu schriftstellerischen Arbeiten, vorzüglich zur deutschen Bearbeitung seines Werkes über Russland, welches damals schon seinen Namen weit über die Grenzen Deutschlands getragen hatte. Die letzten Lebensjahre verbrachte er zu Wien, hoch geehrt von seinem Fürsten und der Bevölkerung. Er überlebte sogar noch den Kaiser Ferdinand, den er am 29. Juli „mit großen Schmerzen und Schwachheit" zum Grabe begleitete. Zwei Jahre darauf, am 22. März 1566, starb er selbst und wurde bei den Michaelern bei¬ gesetzt. Erzherzog Karl von Steiermark, ein Sohn Ferdi¬ nands, ließ ihm über seinem Grabe folgende Inschrift setzen: 90 ,.I)en 28. Asrtii iia 1866 4sbr starb äsr VoblAkbobrLS Herr Herr LiZismuiicl Rrexbsrr sa Herberstein, M^xerZ nnät OutsabaA, Obrist Lrbcarllrer uriä Obrist Rrbtruobsäss in Lbärnten, Röwisob La^s. A^t. Rat nnät Rresiäent äsr ül. Oe. Oaminsr. Von Lsrbsrstaiu blerr ZiAmvnä Hier liext, iveiobein Rob LN aller 8tvn