Alpine Gewässer & eDNA 2021 BROSCHÜRE FÜR DIE BREITE ÖFFENTLICHKEIT Eco-AlpsWater Innovative ökologische Bewertungs- und Wasserbewirtschaftungsstrategien für den Schutz von Ökosystemleistungen in alpinen Seen und Flüssen EDITORS Tina Elersek & Nico Salmaso AUTHORS TEXT by Katarina Novak, Aleksandra Krivograd Klemenčič, Nataša Dolinar, Tadeja Šter, Maša Zupančič, Tina Eleršek, Rainer Kurmayer, Hans Rund, Ute Mischke. A part of text was modified from text published in ŽIT, LXXII, October, 2021 REVIEW by Hans Rund PHOTOS by archieve of Environment Agency of Slovenia & National Institute of biology (Maša Zupančič, Tina Eleršek) ILLUSTRATIONEN by Mateja Pivk (artinfoto.si) DRAWINGS by Mateja Pivk (artinfoto.si) SCHEMATIC FIGURES by Tine Eleršek DESIGN Tina Elersek PUBLISHED BY National Institute of Biology Copyright © National Institute of Biology 2021 Electronic edition Ljubljana, 2021 INFO tina.elersek@nib.si Kataložni zapis o publikaciji (CIP) pripravili v Narodni in univerzitetni knjižnici v Ljubljani COBISS.SI-ID 85093379 ISBN 978-961-7144-06-2 (PDF) 1 Inhalte Einführung und EAW-Untersuchungsgebiete .............................................................................. 3 Menschlicher Einfluss auf Gewässerökosysteme ........................................................................ 6 Bewertung des ökologischen Zustands mit traditionellen Methoden ........................................ 7 Was bedeutet ökologischer Status? ........................................................................................ 7 Phytobenthos ........................................................................................................................... 9 Phytoplankton ........................................................................................................................ 10 Fische ...................................................................................................................................... 11 Ökologischer Status und Umwelt-DNA Analysen....................................................................... 12 Bibliothek und Druckerei des Molekularlabors .......................................................................... 14 Die Zukunft der Gewässerzustandsbewertung .......................................................................... 16 Alle Eingriffe in die Umwelt, spiegeln sich in der Gesundheit unserer Gewässer wider. 2 Einführung und EAW-Untersuchungsgebiete Binnengewässer machen nur wenige Prozent der weltweiten Wasservorkommen aus, aber ihre Rolle auf unserem Planeten ist von unschätzbarem Wert. Diese Gewässer sind eine der wertvollsten natürlichen Ressourcen der Erde, jedoch sind sie gleichzeitig durch menschliche Aktivitäten stark bedroht. Viele Oberflächengewässer sind von Verschmutzung und einer Verschlechterung der Ökosystemfunktionen betroffen. Qualitativ hochwertige und saubere Wasserressourcen sind in erster Linie für die Trinkwasserversorgung von entscheidender Bedeutung, aber auch für die Hygiene und die Gesundheitsversorgung, die Landwirtschaft, die Industrie, die Freizeitgestaltung, den Tourismus sowie für andere Ökosystemleistungen. Die Grundlage für eine effektive Bewirtschaftung der Wasserressourcen ist die regelmäßige Überprüfung des Wasserzustands, die es uns ermöglicht, Veränderungen in der Umwelt zu erkennen. Durch das Monitoring von Taxa-Vorkommen und verschiedenen biologischen Indikatoren, können wir eine Verschlechterung der Situation rechtzeitig erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Die Website von Eco-AlpsWater bietet eine Vielzahl an Bild- und Videomaterialien: https://www.alpine- space.org/eco-alpswater Kurzes Projekt Video: https://www.youtube.com/watch?v=VIKk9LVRqho Das Monitoring des ökologischen Zustands von Gewässern kann mit traditionellen und/oder modernen Methoden erfolgen. Neue Methoden müssen jedoch erst entwickelt und optimiert werden, und es muss ein gründlicher Vergleich der Ergebnisse beider Ansätze durchgeführt werden. Genau darum geht es im Projekt Eco-AlpsWater (EAW), in dem ein Konsortium, von 12 Partnern aus den Alpenländern, an den neuesten wissenschaftlichen Ansätzen arbeitet. Sie testeten sie in Pilotgebieten und verknüpften diese neuen Erkenntnisse und Erfahrungen dann mit Entscheidungsträgern und Wassermanagern. Das Hauptziel dieses europäischen Projekts ist die Verbesserung traditioneller Ansätze zum Monitoring des ökologischen Zustands von Gewässern durch den Einsatz fortschrittlicher DNA-Sequenzierungstechniken der nächsten Generation (Metabarcoding). Bei dem neuen Ansatz wird die DNA, die in mikroskopisch kleinen Bakterien, Algen und anderen Mikroorganismen enthalten ist oder von größeren Wasserpflanzen und -tieren, einschließlich Fischen, freigesetzt wird (Umwelt-DNA, eDNA), mit Hilfe der Hochdurchsatz-Sequenzierungsanalyse analysiert. Diese neuartigen Techniken ermöglichen eine schnelle und kostengünstige Identifizierung von Arten und eine intelligente Datenverarbeitung, Datenspeicherung und Informationsabfrage von Big Data). 3 EAW Seen: Bled, Bourget, Garda, Lugano, Mondsee and Starnberg. EAW Flüsse: Adige, Drome, Soča, Steyr and Wertach. 4 Die, für das Projekt am bedeutendsten, Seen in Österreich, Frankreich, Italien, Deutschland, Slowenien und der Schweiz wurden in monatlichen Abständen beprobt, so dass schließlich über 180 Proben zur Analyse zur Verfügung standen. Diese Seen sind hinsichtlich ihrer Größe und biochemischen Merkmale sehr unterschiedlich. Daher wurden die neuen molekularen Methoden auch an 150 Proben aus weiteren Gewässern in den Alpenregionen Österreichs, Frankreichs, Italiens, Deutschlands, Sloweniens und der Schweiz getestet, so dass insgesamt über 330 Proben analysiert wurden. 5 Menschlicher Einfluss auf Gewässerökosysteme Der Mensch hat durch seine Lebensweise und seine Eingriffe in die Umwelt einen erheblichen Einfluss auf die Wasserqualität, die natürlichen Prozesse sowie die Struktur und Form von fließenden und stehenden Gewässern. Der Einfluss des Menschen kann die aquatische Umwelt so stark verändern, dass die ursprünglich vorhandenen Organismen nicht mehr in der Lage sind, sich an die neuen Bedingungen anzupassen. Dieser Prozess führt zu einer Veränderung der natürlichen Artenzusammensetzung, einheimische Arten werden weniger oder verschwinden ganz, und neue, potenziell invasive Arten füllen diese Lücken mit potenziell negativen Folgen für das Ökosystem und die damit verbundenen Ökosystemleistungen. Ein Ökosystem besteht aus Organismen und der physischen Umwelt, mit der diese Organismen verbunden sind. Das aquatische Ökosystem umfasst Organismen, die im oder auf dem Wasser leben, und ihre Umgebung - Wasser, Sediment, Uferzone. Beispiele für Binnengewässer- Ökosysteme sind Bäche, Flüsse, Teiche, Seen und Feuchtgebiete. Beispiele für menschliche Eingriffe in die aquatische Umwelt: intensive Nutzung, Belastung mit Nährstoffen und organischen Stoffen durch Abwassereinleitungen, Reinigung von Oberflächen, Entwässerung oder der Bau von Mauern und Barrieren. Der Mensch hat seit jeher Gewässer und Uferzonen genutzt. Mit der Entwicklung der Landwirtschaft und der Verstädterung haben wir Feuchtgebiete und Überschwemmungsgebiete trockengelegt und zum Schutz vor Überschwemmungen Flüsse begradigt, Dämme gebaut und sie vielerorts mit Flutmauern umgeben. Durch die intensive Nutzung des Raums verändern wir oft die charakteristischen Uferzonen von Flüssen und Seen. Außerdem verändern wir die Wasserchemie, z. B. führt die Eutrophierung zu Algenblüten, die die biologische Antwort auf die Nährstoffüberlastung durch Landwirtschaft und Abwässer sind. 6 Bewertung des ökologischen Zustands mit traditionellen Methoden Was bedeutet ökologischer Status? Um den Zustand der Gewässer zu verbessern und/oder zu erhalten, ist es notwendig, ihren Zustand zu kennen und regelmäßig zu Monitoren. Zu diesem Zweck führen auch die Alpenländer gemäß den auf nationaler (CH-WPO) oder europäischer Ebene (WRRL) erlassenen Vorschriften eine Gewässerüberwachung durch und bewerten den ökologischen Zustand der Gewässer. Dieser sagt aus, in welchem Zustand sich die aquatischen Ökosysteme und die mit ihnen verbundenen Organismen wie Mikroalgen, Pflanzen und Tiere befinden. Einige Arten sind wichtige Indikatoren für die Bestimmung des Zustands von Gewässern; daher ist eine genaue und objektive Bestimmung notwendig. Neben den biologischen werden auch chemische und hydrologische Aspekte berücksichtigt, um den ökologischen Zustand so genau wie möglich zu beurteilen. Das EAW-Projekt konzentrierte sich jedoch nur auf die biologischen Aspekte. ECOLOGICAL STATE Sehr gut Gut Mäßig Unbefriedigend Schlecht Zustand und Zustand und Zustand und Zustand und Zustand und Lebensgemein- Lebensgemein- Lebensgemein- Lebensgemein- Lebensgemeinschaften schaften weichen schaften weichen schaften weichen schaften weichen weichen stark von den nicht oder nur sehr gering von den mäßig von den erheblich von den natürlichen Gegeben- gering von den natürlichen Gegeben- natürlichen Gegeben- natürlichen Gegeben- heiten (ohne natürlichen Gegeben- heiten (ohne heiten (ohne heiten (ohne menschlichen Einfluss) heiten (ohne mensch- menschlichen menschlichen menschlichen ab. lichen Einfluss) ab. Einfluss) ab. Einfluss) ab. Einfluss) ab. WRRL Ziele wurden erreicht. WRRL Ziele wurden nicht erreicht, Maßnahmen zur Verbesserung des ökologischen Status sind notwendig. Der ökologische Zustand wird durch eine fünfstufige Farbskala dargestellt, und die normative Beschreibung jeder Klasse ist der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) entnommen. 7 Eine Farbskala, die von sehr gut (blau) bis schlecht (rot) reicht, wird zur Darstellung des ökologischen Zustands verwendet. In ganz Europa haben sich alle Wasserbewirtschafter auf das gleiche Ziel geeinigt, nämlich alle Wasserkörper in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand zu halten. Ein Vergleich des Ist-Zustandes mit dem erwarteten natürlichen Zustand gibt Aufschluss darüber, wie stark die Abweichung durch menschliche Aktivitäten geworden ist. Gewässer unterscheiden sich voneinander (z. B. in Bezug auf Fließeigenschaften, Sedimenttransport, Lichteinfall, Tiefe oder Nährstoffkonzentrationen), und jeder Gewässertyp hat seine eigene charakteristische Zusammensetzung von Pflanzen- und Tierarten. Seen und Flüsse werden in verschiedene Gewässertypen eingeteilt. So weisen beispielsweise alpine Seen andere Merkmale auf als Flachlandseen und werden mit anderen Indikatoren und Nährstoffgrenzen bewertet. Jedes biologische Qualitätselement reagiert unterschiedlich auf Belastungen und Veränderungen im aquatischen Ökosystem, so dass sie als Indikator dienen können. Im Rahmen des EAW Projekt wurden Phytobenthos, Phytoplankton und Fische für die Analyse ausgewählt. Das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Organismen ist ein guter Indikator für den ökologischen Zustand eines bestimmten Lebensraums; diese Organismen werden als Indikatororganismen oder Bioindikatoren bezeichnet. Sie benötigen spezifische Bedingungen für ihr Wachstum und ihre Vermehrung und reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen, was bedeutet, dass sie bei einer Verschlechterung des Lebensraums nicht mehr vorkommen oder sich ihr Vorkommen verändert. Um den Zustand eines Sees oder Flusses genau zu bestimmen, werden mehrere biologische Qualitätselemente berücksichtigt, von denen einige im Folgenden beschrieben werden. 8 Phytobenthos Phytobenthos sind Mikroalgen (z. B. Grünalgen, Euglenophyten, Rotalgen, Gelbalgen oder Kieselalgen) und Cyanobakterien, die an das Substrat (Steine, Makrophyten, Wurzeln, Holz und Pflanzenreste) gebunden sind. Im Rahmen des EAW-Projekts konzentrierten wir uns hauptsächlich auf die phytobenthische Gemeinschaft der Kieselalgen, die eine äußere Zellschicht aus Kieselerde besitzen. . Der Algen-Biofilm auf Steinen, die in Flüssen oder Seen gesammelt werden, wird mit einer Bürste in ein Gefäß geschabt. Im Labor wird die organische Substanz in den Zellen mit Säure entfernt, so dass nur kieselhaltige Frusteln (Schalen) übrigbleiben. Die gereinigte Probe wird dann auf einen Objektträger gegeben und mit einem Lichtmikroskop auf das Vorhandensein und die Häufigkeit von Kieselalgenarten untersucht. Die verschiedenen Kieselalgenarten lassen sich anhand der Form und Struktur der Frusteln unterscheiden. Aufgrund der allgemeinen Verbreitung von Kieselalgen und ihrer schnellen Reaktion auf Veränderungen in der Umwelt sind sie ein guter Indikator für die Wasserqualität. Auf der Grundlage der in der Probe gefundenen Indikatorarten und ihrer Häufigkeit berechnen wir den trophischen und saprobiellen Index sowie den ökologischen Status für die Nährstoff- (trophische) und organische (saprobielle) Belastung. 9 Phytoplankton Das Phytoplankton ist eine große und sehr artenreiche Gruppe von schwebenden Mikroalgen und Cyanobakterien. Allen gemeinsam ist das grüne Pigment Chlorophyll a für die Primärproduktion, das als Indikator für ihre Biomasse verwendet werden kann. Obwohl einige von ihnen mit Hilfe von Geißeln schwimmen oder ihre Position in einer bestimmten Wassertiefe durch Gasbläschen regulieren können, werden sie hauptsächlich von den Strömungen der Wassermassen transportiert und verdriftet. Daher ist das Phytoplankton vor allem in langsam fließenden und stehenden Gewässern wichtig, kann dort jedoch giftige Algenblüten verursachen. Vor der Probenahme wird mit einer speziellen Scheibe die Tiefe bestimmt, in der noch genügend Licht zum Gedeihen vorhanden ist, und damit die Tiefe, bis zu der die Proben genommen werden (beginnend an der Wasseroberfläche). Die traditionelle Methode ist sehr zeitaufwändig, und die Biologen müssen viele morphologische Merkmale kennen, um die verschiedenen Arten zu bestimmen. Planktonnetzproben enthalten zwar ein Konzentrat lebender Zellen, eignen sich aber nicht zum Zählen, da das Netz bei größeren Zellen selektiv ist. Phytoplanktonproben werden entlang eines Tiefengradienten mit einem integrierenden Wasserschöpfer gesammelt. Die Probe wird konserviert, mit einem Lugol-Fixiermittel angefärbt und bis zur Analyse aufbewahrt. Unter dem Lichtmikroskop werden die Zellen der Phytoplanktonarten gezählt und das Zellvolumen jeder Art im Bereich von 2 µm3 bis 50000 µm3 erfasst. Anhand des Zellbiovolumens und der Abundanz kann das gesamte Phytoplanktonbiovolumen in der Probe bestimmt werden. Anhand der Artenzusammensetzung, der Abundanz, des Gesamtzellbiovolumens, der Chlorophyll-a-Konzentration und der Indikatorwerte der einzelnen Arten berechnen wir den multimetrischen Index des Phytoplanktons und den ökologischen Zustand, der hauptsächlich mit der Nährstoffbelastung der Seen zusammenhängt (trophischer Zustand). 10 Fische Fische sind oft das letzte Glied in der Nahrungskette von Gewässern und damit ein Indikator für den Zustand des gesamten aquatischen Ökosystems. Aufgrund ihrer längeren Lebensdauer reagieren sie empfindlich auf langfristige Veränderungen in der Umwelt. Fische spiegeln den Zustand des Fließgewässers flussaufwärts und flussabwärts sowie den Zustand der Zubringer wider, da sie sich aufgrund von Wanderungsmustern und der Nutzung verschiedener Lebensräume während verschiedener Lebensperioden oder Tagesabschnitte aktiv bewegen. Daher reagieren sie besonders empfindlich auf hydromorphologische Veränderungen. Die Beprobung erfolgt durch Elektrofischerei in Flüssen und Seen und durch den Einsatz von Kiemennetzen mit unterschiedlichen Maschenweiten in den pelagialen und litoralen Zonen der Seen. Die Elektrofischerei wird von geschulten Fischern durchgeführt, die elektrische Impulse einsetzen, um die Fische vorübergehend zu betäuben und aus dem Wasser zu holen. Die Fische werden dann gezählt, die Arten bestimmt und ihre Länge und ihr Gewicht gemessen. Nach den Messungen werden die betäubten Fische in ein Becken mit Wasser gegeben, wo sie sich erholen können, bevor sie in einem ruhigen Gebiet in der Nähe des Ufers eines Flusses oder Sees ausgesetzt werden. Kiemennetze werden eingesetzt, um Fischarten zu fangen, die aufgrund ihrer Vorlieben für pelagische oder benthische Lebensräume mit der Elektrobefischung nicht gefangen werden können. Leider ist dies eine sehr invasive Methode, und die meisten Fische, die mit Netzen gefangen werden, verenden. Fische spiegeln den Zustand des Fließgewässers flussaufwärts und flussabwärts sowie den Zustand der Zubringer wider. Sie reagieren besonders empfindlich auf hydromorphologische Veränderungen. Basierend auf der beprobten Fläche, der Anzahl und den Daten zu Länge und Gewicht der Fische berechnen wir die Abundanz der Arten und die Biomasse pro Hektar Fließgewässer oder See. Durch die Messung der Länge erhalten wir einen Einblick in die Alterszusammensetzung und damit in den Reproduktionserfolg der Fischarten. Auf der Grundlage der gesammelten Daten berechnen wir die entsprechenden Indizes und den ökologischen Zustand für die allgemeine Verschlechterung der Gewässer. 11 Ökologischer Status und Umwelt-DNA Analysen Alle Organismen im Wasser hinterlassen ihre genetischen Spuren, die wichtige Informationen über den ökologischen Zustand der Umwelt enthalten. Die Forscher arbeiten daran, diese Spuren durch Sequenzierung der Umwelt-DNA (freie DNA und DNA in Mikroorganismen) zu erfassen. Die DNA (Desoxyribonukleinsäure) ist der Träger der genetischen Information in allen Lebewesen. eDNA (Umwelt-DNA) ist das gesamte genetische Material, das in einer Umgebung zu finden ist. Alle Analysen beginnen mit einer Probenahme. Für molekulare Analysen benötigen wir eine Wasserprobe oder einen Biofilm (eine Ansammlung von Mikroorganismen, die an einem festen Substrat haften, z. B. Phytobenthos), aus dem wir Umwelt-DNA isolieren. In der aquatischen Umwelt gibt es viele Organismen, von Viren und Bakterien über Pflanzen und Wassertiere bis hin zu gelegentlichen Besuchern - Menschen oder deren Haustiere. Alle diese Organismen hinterlassen ihre DNA-Moleküle in der Umwelt. Unter dem Begriff "Umwelt-DNA" (eDNA) verstehen wir das gesamte Erbgut aller Organismen, die in der beprobten Umwelt vorhanden sind (oder waren). Dieses genetische Material kann direkt aus den Zellen von Mikroorganismen stammen, die zusammen mit Wasser beprobt werden (z. B. mikroskopisch kleine Algen oder Bakterien). Bei größeren Organismen (z. B. Fischen oder Menschen) wird es durch Körpersekrete, abgestorbene Haut, Haare und dergleichen in die Umwelt übertragen und kann in Form freier DNA-Moleküle mehrere Tage oder sogar Wochen in der aquatischen Umwelt verbleiben. Wenn die DNA jedoch in den Sedimenten am Grund von Gewässern eingeschlossen ist, kann sie dort über Jahre oder Jahrzehnte, in manchen Fällen sogar Jahrtausende, verbleiben, was die Tür für paläoökologische Forschungen öffnet. Die aus der Wasserprobe gewonnene Umwelt-DNA liefert eine Reihe von Antworten auf ökologische Fragen; man muss nur wissen, wie man sie lesen kann. Die DNA ist eine lange Kette von Nukleotiden; symbolisiert durch die einzelnen Buchstaben A, T, G und C, die für vier verschiedene Stickstoffbasen (Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin) stehen. Das genetische 12 Alphabet besteht also aus nur vier Buchstaben, die alles Leben auf unserem Planeten kodieren. Wenn ein einzelnes Nukleotid ein einzelner Buchstabe ist, sind die einzelnen Codons (Sätze von drei Nukleotiden) Wörter, und jedes Gen ist ein eigener Satz. Jeder Organismus trägt ein Buch in sich, das Genom - seine gesamte genetische Aufzeichnung. Dieses Gleichnis aus dem Buch "Genom" des Autors Matt Ridley soll uns helfen, das Erbgut und die molekularen Methoden zu verstehen. Wenn wir das gesamte Genom eines jeden Organismus lesen würden, könnten wir seine Identität erkennen: Art, Unterart, manchmal auch geografische Herkunft oder andere Merkmale. Das Ablesen des gesamten Genoms (bekannt als Genomik) ist jedoch zeitaufwändig und führt vor allem zu riesigen Datenmengen. In jeder Probe sind viele verschiedene Arten von Organismen zu erwarten. Wollte man die gesamten Genome aller in jeder Probe vorhandenen Organismen ablesen, wäre die Verarbeitung und Speicherung einer so großen Datenmenge eine große Herausforderung. Wir sind nicht daran interessiert, den ökologischen Status aller Organismen im Wasser zu bestimmen, sondern nur ausgewählter Gruppen von Organismen. Anstatt ein Buch von Anfang bis Ende zu lesen, lesen wir nur einen kurzen Abschnitt der für jede Art einzigartig ist. Außerdem sind wir nicht daran interessiert, den ökologischen Status aller Organismen im Wasser zu bestimmen, sondern nur ausgewählter Gruppen von Organismen. Anstatt ein Buch von Anfang bis Ende zu lesen, lesen wir nur einen kurzen Abschnitt davon - einen, der für jede Art einzigartig ist. Für jede Gruppe von Organismen wurde ein bestimmter Bereich des genetischen Datensatzes ausgewählt, anhand dessen wir die einzelnen Arten voneinander unterscheiden können. Bei Bakterien ist dies zum Beispiel ein Teil des 16S rRNA-Gens, das das Transkript für die kleine Ribosomen-Untereinheit trägt. Die Nukleotidsequenz in dieser Region muss zwischen den verschiedenen Arten so variabel sein, dass eine Unterscheidung möglich ist, und gleichzeitig innerhalb einer Art so erhalten bleiben, dass alle ihre Vertreter als ein und dieselbe Art identifiziert werden können. Für solche Regionen hat sich der Begriff Barcode eingebürgert, weshalb der Prozess des Ablesens der Nukleotidsequenz ausgewählter DNA-Abschnitte auch als Barcoding bezeichnet wird. 13 Bibliothek und Druckerei des Molekularlabors Es handelt sich nicht um eine klassische Bibliothek, in der wir Bücher ausleihen, sondern um eine Laborbibliothek, in der wir nach bestimmten Sätzen suchen und sie dann "vervielfältigen" oder "ausdrucken". Sobald wir die passende Region für die Organismen, die uns interessieren, ausgewählt haben, müssen wir diesen DNA-Abschnitt in möglichst viele Kopien vervielfältigen. In einer Probe, die die vollständigen genetischen Aufzeichnungen aller anwesenden Organismen enthält, stellt unser ausgewählter Abschnitt nämlich einen vernachlässigbar kleinen Anteil in der Vielzahl von Millionen und Abermillionen von Nukleotiden dar, so dass er nicht separat analysiert werden kann. Stellen Sie sich vor, Sie müssten in einem Stapel dicker Bücher in jedem von ihnen ohne den Befehl "Suchen" einen bestimmten Satz finden, die Unterschiede in diesen Sätzen zwischen den einzelnen Büchern ermitteln und aus Ihren Beobachtungen einen Bericht zusammenstellen. Das klingt nach einer langen und mühsamen Aufgabe. Teile der Bibliothek und Druckerei des Molekularlabors. Die Forscher verwenden ein molekulares Werkzeug, das die Befehle "Suchen", "Kopieren" und "Einfügen" kombiniert - dies wird Polymerase-Kettenreaktion (PCR) genannt und kann in ein bis zwei Stunden Milliarden von Kopien aus einigen wenigen Kopien der von uns gesuchten DNA-Region erstellen. Dabei werden die gleichen Bedingungen nachgeahmt, die bei der Vervielfältigung der DNA in einer lebenden Zelle herrschen. Die Schlüsselrolle spielen dabei kurze Fragmente der Nukleotidsequenz, die die Rolle der "Suchfunktion" übernehmen. Da sie so konzipiert sind, dass sie mit den ersten und letzten Buchstaben des gesuchten Satzes übereinstimmen, lesen sie im gesamten Buch nur den ausgewählten Teil und ignorieren alle anderen unnötigen Informationen. Der andere wichtige Akteur bei der Vervielfältigung ist das Enzym Polymerase, das die Funktionen des "Kopierens" und "Einfügens" ausführt, genau wie es in den Zellen Ihres Körpers geschieht. Der einzige Unterschied besteht darin, dass in lebenden Zellen bei der Teilung das gesamte Erbgut verdoppelt wird, während bei einer Laborreaktion 14 nur ein ausgewählter Bereich vervielfältigt wird. Nach einer solchen Amplifikationsreaktion stellt die von uns untersuchte DNA-Region den größten Teil der Probe dar, während die übrige DNA nur einen vernachlässigbaren Anteil ausmacht. Vervielfältigung von ausgewählten (gelb) DNA Regionen. Statt eines dicken Buches, voller für uns nutzloser Informationen, haben wir nun einen Ordner voller identischer Kopien des Satzes, der uns interessiert. Wir müssen nur noch diesen Satz - den von uns gewählten Abschnitt der DNA - in einem Prozess lesen, der DNA-Sequenzierung genannt wird. Nach der DNA-Sequenzierung haben wir eine riesige Anzahl solcher Buchstaben vor uns, aus denen sich die Sequenzen der einzelnen Arten zusammensetzen. Da uns aber - wie in einer Fremdsprache - die Buchstabenfolge allein nichts sagt, brauchen wir ein Wörterbuch. Hier kommt die Geschichte der Referenzbibliothek ins Spiel: umfangreiche biologische Datenbanken, in denen die Nukleotidsequenzen vieler Arten von Organismen gespeichert sind, die im Rahmen von Forschungsprojekten durch DNA-Sequenzierung gewonnen wurden. Die Übersetzung einer Nukleotidsequenz in Listen von Organismenarten erfolgt mit Hilfe verschiedener Algorithmen, so als würden Sie ein Fremdwort in einem Online-Wörterbuch in einen Browser eingeben, der Ihnen seine Bedeutung in einer für Sie verständlichen Form zurückgibt. Wenn dies für alle gelesenen Nukleotidsequenzen geschieht, ist das Ergebnis eine Liste aller identifizierten Arten von Organismen, die in der Probe vorhanden sind. Es gibt jedoch immer noch viele Arten von Organismen, die noch keinen eigenen Eintrag in Referenzbibliotheken haben; wir kennen ihren genetischen Datensatz nicht. Dies gilt vor allem für mikroskopische Organismen, deren Kultivierung und Identifizierung im Labor sehr schwierig oder unmöglich ist. Solche Unzulänglichkeiten in Referenzbibliotheken erschweren die bioinformatische Verarbeitung von Barcoding-Ergebnissen erheblich. 15 Die Zukunft der Gewässerzustandsbewertung Das größte Potenzial des so genannten molekularen Monitorings liegt in der Zeitersparnis, der höheren Empfindlichkeit der Methoden, dem Nachweis von Arten, ohne sie zu schädigen (z. B. Fische), und der Möglichkeit die Kosten für Monitoring zu senken. Wir können uns vorstellen, was für ein Aufwand es ist, ein vollständiges Fischmonitoring durchzuführen, indem man Netze in allen Tiefen der Seen auslegt, verglichen mit dem Filtern von ein paar Litern Wasser. Die DNA-Sequenzierungstechnologie entwickelt sich rasch weiter, und die Kosten für das Verfahren sinken. Im Vergleich zur zeitaufwändigen Bestimmung von Indikatorarten anhand morphologischer Kriterien sind molekulare Methoden sehr leistungsfähig und ermöglichen die parallele Analyse vieler Proben in kurzer Zeit. Darüber hinaus könnten sie auch den Nachweis seltener Arten ermöglichen, die mit herkömmlichen Methoden nur schwer oder gar nicht zu ermitteln sind. Indikatorarten finden sich in allen biologischen Qualitätselementen, die zur Bestimmung des ökologischen Zustands von Gewässern nach der traditionellen Methode herangezogen werden: Phytoplankton, Phytobenthos und Makrophyten, benthische Wirbellose und Fische. Das aquatische Ökosystem ist weitaus komplexer, als es mit den traditionellen Methoden derzeit erfasst werden kann. Natürlich ist die Einbeziehung neuer DNA-gestützter Methoden in die Monitoringpraxis nicht ohne weiteres möglich. Das Monitoring des ökologischen Zustands basiert auf langen Zeitreihen von Daten, für deren Vergleich es entscheidend ist, dass sie mit der gleichen Methodik erhoben 16 wurden. Darüber hinaus wird für jeden Gewässertyp ein Referenzzustand definiert, bei dem keine oder nur sehr geringe menschliche Einflüsse zu beobachten sind, und der als Ausgangspunkt für die Qualitätsbestimmung dient. Der Übergang zum molekularen Monitoring erfordert daher Zeit, um eine erfolgreiche Einführung in das routinemäßige Biomonitoring zu gewährleisten. Zunächst müssen die Zuverlässigkeit dieser Methoden und die Vergleichbarkeit ihrer Ergebnisse mit den Ergebnissen herkömmlicher Methoden systematisch bewertet, die bestehenden biologischen Indizes und Referenzbedingungen angepasst und die Probenahmeverfahren nach der aseptischen Feld- und Laborbehandlung von Biofilm- und Wasserproben auf die Anforderungen der molekularen Analysen abgestimmt werden. Zahlreiche Forschungsprojekte und Netzwerke wissenschaftlicher Einrichtungen in der ganzen Welt befassen sich mit diesen Fragen, und einige Länder haben bereits damit begonnen, die DNA-Barcoding Methoden in ihr Programm zur ökologischen Zustandsbewertung von Gewässern aufzunehmen. Das erste europäische Land, das diesen Schritt unternommen hat, war das Vereinigte Königreich; vor einigen Jahren kündigte es den Beginn des molekularen Monitorings einer Gruppe von Kieselalgen an, die zu den wichtigsten Bioindikatoren in der aquatischen Umwelt gehören. Die Einführung derartiger Änderungen erfordert jedoch Vorsicht und Voraussicht, denn die bereits erwähnten Unklarheiten sind der Schlüssel zur schrittweisen Einführung neuer Methoden, die in erster Linie den bisherigen Ansatz ergänzen und nicht vollständig ersetzen sollen. Das molekulare Monitoring ist noch nicht in allen Alpenländern etabliert, aber es gibt bereits Forschungsarbeiten, die zeigen, dass es sehr sinnvoll ist, das traditionelle und das molekulare Monitoring eine Zeit lang parallel durchzuführen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich dabei um neue Instrumente handelt, aber das Hauptziel bleibt: Unsere Wasserressourcen zu schützen und auch in Zukunft sauberes Wasser für die gesamte Bevölkerung bereitzustellen 17 Treten Sie unserem EAW Alpine Network bei: https://www.alpine-space.org/projects/eco-alpswater/en/project-results/eaw-alpine- network und verfolgen Sie unsere EAW-Aktivitäten weiter! Diese Broschüre wurde im Rahmen des Projekts Eco-AlpsWater erstellt, das teilweise von der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert wird (Unterstützung durch die EU: 1.447.666,54 €). Das Projekt wurde im Rahmen des INTERREG-Programms für transnationale Zusammenarbeit im Alpenraum für den Zeitraum 2014-2020 durchgeführt. 18