Nr. 4. April 1898. i.Mshvgang. mam ki--°Mg°gch°n •»■ Den geehrten Lesern zur gefälligen Beachtung! Der „Ziern 5er Neger" erscheint als illustrierte Monatschrift am Schlüsse jeden Monates nnd kostet jährlich 1 fl. 50 fr. ö. W. — 3 Mark mit Post-versendnng. Wir richten an unsere Freunde die innige Bitte, aus Liebe zum göttlichen Herzen Jesu und zu den armen Negern von Centralafrika diese Zeitschrift in ihrem Bekanntenkreise verbreiten und uns Abonnenten werben zu »vollen. Zur Bestellung des „Stern der Neger" wende man sich an den ?. Rector des Missionshauses der „Söhne des hl st. Herzeus Jesu" in M üh land bei Brixen (Tirol). Allcnfallsige Abonnenten in Brixen können sich zur Entrichtung des Abonnements an A. Weger's Buchhandlung wenden. Neu hinzutretende Abonnenten erhalten die bereits erschienenen Nummern nachgesandt. Korrespondent 6er Grpeöition. Herzliches „Vergelt's Gott" Sr. Hochw. H. L. Brunner, Coop, in Hippach bei Zell für eingegangene Spende von 5 fl ; ebenso betn unbekannten Wohlthäter, welcher ein Almosen in der f.b. Kanzlei hinterlegt hat, wie auch allen übrigen, besonders in Meran, Algund und Ahrweiler a Rh. — Messstipendien werden vom Misfionshause dankbar angenommen (und es wird darum gebeten) mit der Versicherung gewissenhafter und prompter Persolvierung. — Zu allerletzt möchte der Bibliothekar es jenen Hochwürdigen Herren, die eine überfüllte Bücherkammer haben, zu wissen thun, dass es mit jener des Missionshauses nicht gut steht und besonders Werke für Ascetik, Dogmatik, Moral und Kan. Recht (von Cmus. Ep. S. Aichner) nothwendig und erwünscht wären. Gebete um die Bekehrung der Khamitcn von Gentral-Afrrka zu erlangen. Beten wir für die unglücklichen Negervölker Central-Afrikas, damit Gott, der alles vermag, von ihren Herzen einmal den Fluch Cham's hinwegnehme und ihnen jenen Segen verleihe, den man nur im Nameu Jesu Christi, unseres Herrn und Gottes erlangen kann. Gebet. O Herr Jesus Christus, alleiniger Erlöser des ganzen Menschengeschlechtes, der Du bereits herrschest von einem Meere zum andern und vom Flusse bis zu den Grenzen des Erdkreises, öffne erbarmungsvoll Dein heiligstes Herz auch den unglücklichsten Seelen von Central-Afrika, welche noch in der Finsternis und im Todesschatten sitzen, auf dass durch die Fürbitte der gütigen Jungfrau Maria, Deiner unbefleckten Mutter, und ihres glorreichen Gemahls, des heiligen Josef, die Negervölker ihre Götzen verlassen, vor Dir sich niederwerfen und Deiner Kirche zugesellt werden. Der Du lebst und regierest von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Organ des Uij'fionshauses der „Höhne des hssl. Herzens Jesu". Erscheint am Ende jeden Monats. Wr. 4. April 1898. I. Jahrgang. Inhalt: Gebet für die Bekehrung der Neger von Lentral-Afrika. — Erinnerungen an den Aufenthalt der hl. Familie in Ägypten. — Gruß an die Maienkönigin (Gedicht). — Ave Maria (Gedicht). — Missionshaus der Söhne des hlst. kjerzens Jesu in Brixen. — Assuan. — Lebensschicksale des Negerknaben Akl Aaffara. — Sudan: Der Vormarsch der anglo-ägyptischen Armee. — Der Aberglaube im Nilthale. — Über Blutrache im Sudan. Irirnimingtit im den Anftnthnlt btt hl. Jmnilic in Igpbti. Von P. Kotier Geyer, F. 8. C. (Fortsetzung.) Mj&gn den (Sorten, in welchem sich der „Marienbaum" und die „Marien-quelle" befinden, knüpft sich eine fromme Überlieferung. Noch heute WMK heißt dieser Garten bei den Arabern „Balsamgarten". Früher W&ji&w- wuchs nämlich hier der Balsamstrauch. Nach einigen soll dieser Strauch zu gleicher Zeit wie die hl. Familie aus Jericho nach Ägypten gekommen sein; nach anderen ist der Strauch ans dem Wasser entstanden, in dem Maria den göttlichen Knaben gebadet und dessen Leinen gewaschen; wieder andere lassen den Balsamstranch ans den Thränen oder dem Schweiße des göttlichen Kindes aufsprossen ; endlich heißt es, der Strauch sei zwar schon früher vorhanden gewesen, habe aber erst Balsam hervorgebracht, nachdem er mit Wasser ans der heiligen Quelle getränkt worden war. Wie es mit diesen lieblichen Legenden sich auch verhalte, gewiss ist, dass der Glaube allgemein war, der Balsam könne ohne das Wasser der Marienquelle nicht gedeihen. Selbst die mohammedanischen Schrikt- 7 74 Erinnerungen an den Aufenthalt der hl. Familie in Ägypten. steiler berichten, dass der Chalif Almalek Alkamel in der Nähe des Balsamgartens einen Strauch pflanzte, dass derselbe aber nicht gedieh, bis er von seinem Vater-Adel die Erlaubnis erhielt, denselben mit Wasser der Marienquelle zu tränken. Das Gleiche begegnete dem Juden Jbu Koreita, der nicht an die Kraft jenes Quellwassers glauben wollte. Ja, Pilger früherer Jahrhunderte berichten, dass der Balsam in Matarieh nur gedeihe, wenn er von christlichen Gärtnern behandelt werde. So fand denn auch ein Pilger im Jahre 1336 vier Süddeutsche und einen Ritter aus Erfurt, Gefangene, als Gärtner im Balsamgarten vor. Es war auch ein Christ, der den Balsam bereitete und reinigte auf eine kunstvolle, nur ihm bekannte Weise. Die Ausdehnung des Balsamgartens war verschieden in verschiedenen Zeiten. Die erste Ernte dieses gesuchten Productes gehörte dem Sultan, der alljährlich einen Theil als Geschenk an seine mächtigsten Nachbarn, den Großkhan von China, den Negus von Abyssinien, den Großherrn der Tartaren, den Großtürken sandte. Von den muselmännischen Fürsten wurden Balsampflanzen nach Arabien übertragen, wo sie noch heute wachsen, während sie in Ägypten verschwanden. Um 1610 gab es im Garten des Viceköuigs noch eine Balsampflanzung von sieben Fuß Ausdehnung; dieser Garten gieng im Jahre 1615 durch eine Überschwemmung des Nil zugrunde. Heute ist der Balsamstrauch unbekannt in Ägypten. Die Beziehungen, welche die fromme Überlieferung zwischen der Einführung und dem Gedeihen des Balsamstrauches in Ägypten und der heiligen Familie anführt, sind nicht ohne mystische Bedeutung. Die Kirche, die legitime Erklärerin der Bibel, legte der hl. Jungfrau die Worte der göttlichen Weisheit in den Mund: „Gleichwie Zimmet und wohlriechender Balsam gab ich Duft, und wie köstliche Myrrhe spendete ich lieblichen Geruch." Ist der Balsam von Matarieh nicht die Figur oder die Verwirklichung dieses Ausspruches? Gleich der heiligenden Gnade Christi fließt der Balsam aus den Wunden, die Menschenhand dem Baume, der ihn erzeugt, beibringt, und bewahrt unseren Körper vor Verwesung. War der Balsam von Matarieh . in den Absichten Gottes nicht ein liebliches Sinnbild, welches Ägypten und den Nationen verkündete, dass Christus, die Quelle aller Gnade, sie zu besuchen kam? Lange Zeit wurde der Balsam von Matarieh ausschließlich zum heiligen Chrisam gebraucht, der bei der Spendung der hl. Taufe und hl. Firmung erforderlich war; daher sagten die Muselmannen, dass man ohne den Balsam der Sonnenquelle kein vollständiger Christ werden könnte. Bevor wir von diesem Garten scheiden, müssen wir noch einiges nachholen über den christlichen Cultus vergangener Zeiten. Bei der Verehrung der Christen für diesen Ort ist es selbstverständlich, dass hier frühzeitig ein christliches heilig* thum stand. Neben der Marieuquelle befand sich eine bei den Kopten sehr verehrte Kirche. Das Weihefest dieser der Mutter go ties geweihten Kirche wurde von den Kopten in ganz Ägypten am 8. des kopt. Monats Paoni (14. Juni) alljährlich gefeiert. Diese Kirche verschwand wahrscheinlich, wie die meisten anderen christlichen Denkmäler, in einer der großen Christenverfolgungen im Jahre 720 oder um das Jahr 1000. Nachdem der Garten Eigenthum des Pascha von Kairo geworden war, wurde die Kirche durch einen Saal ersetzt, worin die koptischen und lateinischen Priester zuweilen die hl. Messe feierten. Dieser Saal war ein Quadratbau, zehn Schritte von der Sakieh entfernt. Im Fußboden befand sich ein längliches gemauertes Bassin, in der einen Seitenwand war eine Nische ausgehöhlt, in welcher eine Lampe brannte, ein steinerner Tisch davor diente als Altar. Nach der Überlieferung hatte Maria im Wasser des Bassin die Leinen Jesu gewaschen, ließ den göttlichen Knaben auf dem Stein- Erinnerungen an den Aufenthalt der hl. Familie in Ägypten. 75 tische ruhen und betete an der Stelle der Nische. Um 1597 war dieses einfache Oratorium Eigenthum der Franciscaner. Diese bekleideten Nische und Bassin mit Marmor aus dem Almosen frommer Kaufleute aus Venedig und erlangten, dass der Ort mit Ablässen bereichert wurde. Im Kataloge der Ablässe für die heiligen Orte des Orient findet sich ein Ablass von sieben Jahren und sieben Qaadragenen für jene, welche an der Marienguelle in Matarieh ein Vaterunser mit Ave Maria beteten. Im Jahre 1660 ließ Ibrahim Pascha aus Christenhass den steinernen Altar entfernen und verwandelte den Saal in ein muselmännisches Oratorium. @3 wurde den Christen der Eintritt verboten, das Verbot blieb aber nur kurze Zeit in Geltung. Im letzten Jahrhundert wurde auch dieses letzte Andenken an die christliche Kirche vernichtet. Jedoch fahren die schismatischen Kopten von Kairo und Umgegend bis heute fort, am 8. ihres Monats Paoni das Kirchweihfest von Matarieh zu feiern, das sie nur mehr unter dem Namen „Balsamfest" kennen. An der Vigil des Festes versammeln sie sich im Dorfe Mostorod, drei Kilometer westlich von Matarieh, jenseits des Jsmailieh-Kanales, wo 2—300 Kopten wohnen. In der dortigen Kirche, die einst durch ein wunderthätiges Muttergottesbild berühmt war, bringen sie die Nacht zu, wohnen am Morgen der hl. Messe bei und begeben sich dann zum Balsamgarten, wo sie den ganzen Tag gleich anderen Spaziergängern ruhen ohne irgend eine religiöse Ceremonie. So blieb der Balsamgarten über ein Jahrhundert ohne Oratorium und christliches Zeichen. Der Pilger verrichtete seine Andacht unter dem Marienbaume Seit einigen Jahren besteht nun dort wieder ein kleines christliches Gotteshaus und zwar im naheliegenden Garten, den die Jesuiten, welche in Kairo ein Colleg besitzen, erwarben. Durch eine Thüre nahe der Marienquelle gelangen wir in den Garten, wo man jene Pflanzen findet, deren Duft, Schönheit, Größe nach der Sprache der Kirche und der Schrift gleichsam ein Bild der Vollkommenheiten Marias sind, als da sind der Palmbaum, die Terebinte, der Rosenstrauch, der Olivenbaum u. s. w. Altügyptische, verstümmelte Statuen in Porphyr und Kalkstein erinnern an die Götzenbilder, die bei der Ankunft Christi zerbrachen. Am Fuße des künstlichen Felsens, der die Kapelle trägt, befindet sich eine hübsche Lourdesgrotte. Von hier steigen wir die Treppe empor zur zierlichen Marienkapelle, welche mit dem Zeichen der Erlösung und dem Bilde unserer Frau vom Siege geschmückt ist. Im Innern der Kapelle geben die Ex-Voto Zeugnis vom frommen Sinne der Gläubigen und von den Gnaden, die durch die Fürbitte Marias erlangt wurden. Das Gemälde des Altars stellt die heilige Familie dar, die sich unter dem Baume niederlässt; Maria sitzt unter dem mächtigen Baume, der Knabe Jesus auf ihrem Schoße zeigt ihr freudestrahlend die Quelle, die er soeben in der Nähe entspringen ließ und aus welcher der hl. Josef eben Wasser zu schöpfen im Begriffe steht. Es ist ein wirklich liebliches Bild. In der Kapelle wird oft das heilige Opfer gefeiert, dem die Christen von Matarieh beiwohnen können. So war es unserer Zeit vorbehalten, in Matarieh wieder ein christliches Heiligthum erstehen zu sehen. Leider waren bisher alle Anstrengungen vergeblich, den Marienbaum zu erwerben und in den Jesuitengarten einzubeziehen. Der Vicekönig Ismail-Pascha hatte im Jahre 1869 der Kaiserin Eugenie von Frankreich den Marienbaum geschenkt, als sie zur Eröffnung des Suezcanals nach Ägypten kam. Da aber kein Act über die Annahme des kostbaren Geschenkes seitens der Kaiserin besteht, so blieb das Anerbieten ohne rechtsgiltige Wirkung, und der Balsamgarten mit dem Marienbaume und der Marienquelle bleibt nach wie vor in muselmännischen Händen. (Fortsetzung folgt.) Grus; an öie Aaienkömgm. Der Mai, Maria, will dich grüßen; © blies von deinem Throne; Und segne uns zu deinen Füßen Mit deinen! lieben Sohne. So oft das Morgenroth erscheinet 3m Purpurkleid', o Süße: Mir allesammt mit ihm vereinet Auch senden dir viel' Grüße. So oft die frohen vögelein Besingen deine Güte; ® senke deine Augen teilt Herab; dein Kind behüte! Und wenn die vielen Blumlein blinken 3« tausend Farben schön, Und wenn ihr Lob die Frühlingfinken Dir senden in die Höhn: (D Mutter mein, dann möcht' ich preisen Dich laut mit allen Zungen; So wie des Engels holde Meisen Linst an dein Vhr gedrungen; Und möcht' mit deinem holden Sohne vereinigen mich allzeiten, _ Lobpreisen dich aus deinem Throne 3n alle Ewigkeiten. J1’. Bernhard Zorn, Ri S. c. 'S tu- Leuchte kfiinmel — lächle Erde Und lobsingt ihr vögelein, Ladet nah und fern ihr Glocken Alle Menschenseelen ein; Alles von dem Licht der Sonne Bis zum kleinsten Tröpfchen Tan — Tine sich im Mort der Wonne: Ave Maria! Wollt ihr auf des Lebens Meere Segeln fort mit frohem Sinn, Stenern der Gefahren Fluten, Blicket zu Maria hin ; Denn als Mutter wird sie bringen Unser Fleh'n zu Gottes Thron; Wenn im schönen Mai wir singen: Ave Maria! Maria. / Schweigt ihr Wünsche, still ihr Klagen ( Und ihr Thränen haltet , ein, > Sollt in diesem Freuden-Monat Allesammt vergessen sein; i Sollt wie Nebelhauch verschwinden, - vor dein Bild der Jungfrau rein; Tins nur will ich froh verkünden: Ave Maria! / Mutter wende deine Blicke Auch den armen Negern zu, > Welche fern im kfeidenlande Irren ohne Trost und Ruh! 1 Dass sie mögen dich erkennen, < Lieben und dir dienen treu — I Und dich freudig Mutter nennen; i Ave Maria! F. Heinrich SenbFev, 5. b. h. H. lilliniiül)uns brr Wöhiir brs |il|t. Uryrns Zrjn in Miren. Freunden und Wohlthätern bieten wir anbei ein dem unser Missionshaus für Central-Afrika seinen H Unseren geehrten Lesern, ck 1? Bild des Ortes, an HM Anfang nahm. MMD Die Stadt Brixen, die als Bischofsstadt der geistliche Mittelpunkt einer ausgedehnten, Dentschtirol und Vorarlberg umfassenden Diöcese ist, übt eine geheimnisvolle Anziehungskraft aus. Man kann unwillkürlich mit einem ihrer Bewunderer fragen: Ist es die Romantik einer tausendjährigen Geschichte, die unseren Geist umfängt, sind es die malerischen Gassen und Winkel, die Aug und Herz so heimisch grüßen, sind es die laueren Lüfte und die glänzendere Sonne des Südens, das tiefe Blau des Himmels, das helle Grün der schön geformten Berge und die silbernen Wellen des rasch dahineilenden Eisack, ist es die Atmosphäre stillen, heiligen Friedens und aufrichtiger Frömmigkeit, die uns hier umweht — oder ist es der Gesammteindruck aller dieser einzelnen Momente, der bewirkt, dass Brixen so allgemein anheimelt? Brixen ist die erste Etappe nach dem Süden. Noch bei Franzensfeste nm-rauschen uns die rauhen Winde, die am Brenner ihre Heimat haben, und der ernste Charakter der Landschaft erinnert noch den Norden: aber schon bei Bahrn umfängt uns andere Luft, ein anderes Bild; es glänzt uns der warme, .sonnige Süden entgegen. In einer der schönsten Lagen der Bischofstadt befindet sich unser Besitz, am Fuße einer langgestreckten Bergkette, ant Saume ansteigender Fichtenwälder, in der Mitte grüner Wiesen und Obstgärten. Wald und Wiesen stellen den Norden dar, die gewaltigen Kronen der Edelkastanien kündigen den Süden an. Von den 78 Assuan. Gebäuden, welche sichtbar sind, ist nur das eine bewohnt. Damit das Missionshaus zu einer seiner Bestimmung entsprechenden Leistungsfähigkeit gelange, ist ein den Bedürfnissen angepasster Neubau durchaus nothwendig, und dies um so schleuniger, als demnächst das Scholasticat neben dem bereits bestehenden Noviziat eingerichtet werden muss. Wir bitten also unsere Freunde und Gönner innig um ihre Beihilfe zum Neubau. Über Zweck und Wesen unserer Congregation haben wir bereits in unserer ersten Nummer kurz berichtet. Die Bedingungen zum Eintritte in unser Institut finden sich regelmäßig auf der 3. Seite des Umschlages. Möge Gott dem Missionshause viele Berufene, Priestercandidaten und Brüder, zuführen zur Ehre des göttlichen Herzens Jesu und zum Heile der armen Neger in Centralafrika! Milli. ir bringen unseren Lesern auf Seite 93 eine Ansicht unserer Mission von Assuan. Im Jahre 1847 begab sich der apostolische Pro vicar k. Max Ryllo S. J. von Alexandrien nach dem Sudan und passierte im October desselben Jahres mit seinen Mitarbeitern die Stadt Assuan. Nach 50 Jahren, am 15. August 1897, benedicierte der a p o stolische Vicar Hochwürdig st er Herr Anton Roveggio F. S. C. die neue, der unbefleckten Empfängnis geweihte Kirche dieser jüngsten Station und zugleich gegenwärtigen Residenz des Bischofs. Das schöne Gotteshaus ist 15 Meter lang, 9 Meter breit und 13 Meter hoch, mit Presbyterium, Singchor, hübschen Altären und bemalten Glasfenstern. Auf der rechten Seite der Kirche erhebt sich die bequeme Wohnung für den Bischof und die Missionäre, auf der linken die Knabenschule. Hinter diesen Gebäuden liegt an der Hauptstraße das Wohnhaus der Schwestern nebst Anbauten und Schulräumen. Schließlich vervollständigen das Ganze noch fünf Häuschen, als Wohnung für katholische Neger. Am Eingänge zur Mission erblicken wir den Doppeladler, ein Zeichen, dass hier Se. Apostolische Majestät unser Kaiser Schutzherr ist. Als solcher hat denn auch Se. Majestät auf Empfehlung des apostolischen Vicars den Baumeister Herrn J o h a n n B o n a v i a, der für die Mission bereits in Heluan eine schöne Pfarrkirche ausgeführt hatte, mit dem goldenen Verdienstkreuze ausgezeichnet. Der k. k. Gesandte und bevollmächtigte Minister Herr Baron von Heidler-Egeregg hatte bereits am 27. November v. I. dem Herrn Baumeister die verdiente kaiserliche Auszeichnung überreicht. Über die Missionsthätigkeit in Assuan im Jahre 1897 ist bereits etwas weniges in Nr. 2 Seite 39 dieser Zeitschrift berichtet worden. Weitere Angaben darüber werden folgen. Für heute bieten wir unseren Lesern auf Seite 89 das Bild des Hochwürdigsten Herrn Bischofes Anton Roveggio, F. S. C. apostolischen Vicars, umgeben vom Ordens- und Missionspersonal, sowie den Negern seiner Residenz. Möge Gott den Hochwürdigsten Herrn Bischof und all die ©einigen recht gesund und rüstig erhalten, ihre apostolischen Arbeiten und Mühen mit seinem Segen begleiten, aber auch recht viele Wohlthäter erwecken, welche dieser kleinen Schar wüthiger Apostel die Mittel verschaffen zu immer ausgedehnteren Unternehmungen zur Ehre des göttlichen Herzens Jesu und zum Heile der so hilfsbedürftigen Neger Jnnerafrika's! silii'iiöldiidisiilf ilks IcjtrkiittlKii Atz KW«. Ges ir a, 10. April 1898. AKLKMnter belt Negerknaben, welche am 8. Deeember des verflossenen Jahres, *3em 8efle der unbefleckten Empfängnis, auf der Negercolonie Gesira die hl. Firmung empfingen, befindet sich einer, namens Akl Kassara. SslISEi, Derselbe ist den Lesern dieser Zeitschrift nicht ganz unbekannt, da wir bereits in der ersten Nummer dieses Jahrgangs bei Beschreibung des genannten Festes Gelegenheit hatten, über denselben einige biographische Angaben zu machen. Trotzdem scheint es mir nicht unpassend, hier eine ausführlichere Lebensbeschreibung über den nämlichen Neger folgen zu lassen. Die Art und Weise wie er aus der ©datieret in unsere Negercolonie gelangte, lässt erkennen, mit welcher Art von Schwierigkeiten letztere bei Erziehung der Neger hier in Ägypten zu kämpfen hat. Die Lebensgeschichte des Knaben verdient wohl auch deshalb einiges Interesse, weil sie dazu dient, den geehrten Leser mit dessen Heimatlande. einem sehr entlegenen, naturgeschichtlich interessanten Theile unseres apostolischen Vicariates näher bekannt zu machen. Um die Heimat Akl Kassaras und seine Lebensschicksale von der frühesten Jugend an kennen zu lernen, müssen wir uns in ein Gebiet Mittelafrikas, in das Gebiet der Lnrneger, versetzen. Dieses Land liegt auf der nordwestlichen Seite des Albert-Nyanzasees. Im Norden grenzt es an das Gebiet der Madi-neger, im Süden und Westen haben die Maoggu- und Manbuttuneger ihre Wohnsitze. Das Land wird von Süden nach Norden von den „Blauen Bergen" durchzogen, ist infolge der tropischen Regen, welche fast das ganze Jahr hindurch andauern, wasserreich und bildet das Quellgebiet des Uelle, des größten Nebenflusses des Kongostromes. Die Hauptbeschäftigung der Lurneger besteht in Jagd, Ackerbau und Viehzucht. Sie haben gleich den Negern am weißen Nil einen großen Reichthum an Ochsen, Kühen, Ziegen und Schafen und nähren sich hauptsächlich von Fleisch, Mais und Milch. Der Pflanzenwuchs zeichnet sich durch üppige Fülle und Mannigfaltigkeit ans. Unter den Baumpflanzen, welche im Lande der Lurneger vorherrschen, erwähnen wir besonders den Kautschuk- und Affenbrotbanm, ferner eine Bananenart, aus deren Frucht man einen starken, berauschenden Wein mit Champagnergeschmack bereitet. Nicht minder wichtig für den Haushalt der Eingebornen ist die Ölpalme, welche ihnen Öl liefert, das sowohl zur Bereitung der Speisen, als auch zur Salbung des Körpers verwendet wird. Das Land hat einen reichen Wildstand; in seinen dichten Waldungen hausen Wildthiere aller Art, wie Löwen, Elephanten, Büffel, Hyänen, Hirsche, Antilopen, Gazellen und allerlei Affenarten. Der nahe See ist reich an Krokodilen und Flusspferden; letztere werden von den Eingebornen harpuniert, den Wildthieren ans dem Lande hingegen wird mit Lanzen, Schlingen oder Fallgräben nachgestellt. Die Kleidung der Lurneger ist sehr einfach. Die Männer kleiden sich in Ziegensellen, welche von den Armen bis an die Kniee herabeichen; die Frauen hingegen stellen sich aus dem Baste des Dattclbaumes ein Gewand her, welches den ganzen Körper bedeckt. Was die politischen Verhältnisse des Landes betrifft, so wurde es nebst den nördlich angrenzenden Gebieten am weißen Nil von dem Engländer Gordon Pascha int Jahre 1875 dem Scepter des ägyptischen Vicekönigs unterworfen und gehörte bis zu der im Jahre 1885 erfolgten Eroberung des Sudan durch die Mahdisten zur ägyptischen Äguatorialprovinz. Am Ufer des Albert-Nyanzasees bestanden mehrere Militärstationen, deren Besatzung zum größten Theil aus Negersoldaten sich zusammensetzte, welche im Sudan geworben waren. 80 Lcbensschicksale des Negerknabcn Akl Sahara. — Me Lage der Lurneger war, so lange sie unter ägyptischer Oberherrschaft standen, eine sehr missliche. Zuerst ruhte die Verwaltung des Landes in mohammedanischen Händen. Die Negersoldaten machten, um sich mit Lebensmitteln zu versehen, von Zeit zu Zeit Ausfälle-Razzien in die Umgegend, vorzüglich in das Gebiet der Lurneger, wobei sie in ihre Dörfer eindrangen und nicht bloß Lebensmittel, sondern auch Kinder mit sich wegschleppten, die sie dann gelegentlich als Sclaven an den Meistbietenden verkauften. So bildeten diese Militärstationen, welche zur Aufrechthaltung der Ordnung und zum Schutze der Eingebornen dienen sollten, aus Mangel einer guten Verwaltung den Schrecken des Landes. Emin Pascha (nach seinem Familiennamen Dr. Schnitzler aus Reiste), dem seit der Besetzung Ägyptens durch die Engländer die Verwaltung der Äqnatorialprovinz übertragen worden war, bot zwar alles auf, um den Razzien ein Ende zu machen und geordnetere Verhältnisse anzubahnen. Die berüchtigsten unter den mohammedanischen Übelthätern entfernte er aus der Verwaltung. Trotzdem wurde die Lage der Provinz in der Folge noch kritischer. Es brach eine Hungersnoth aus und fast zu gleicher Zeit stand der Mahdi auf und bemächtigte sich mit seinen Truppen aller nördlichen Provinzen des Sudan. Rach der Einnahme von Chartnm war die Äquatorialprovinz von Ägypten gänzlich abgeschlossen. Emin Pascha war nicht imstande, die Löhnung seinen Beamten und Soldaten weiterhin auszuzahlen, infolgedessen die Unzufriedenheit und Disciplinlosigkeit unter ihnen ihren Gipfelpunkt erreichte. Die Razzien wurden von Tag zu Tag häufiger, und jede Garnison suchte sich soviel als möglich durch Erbeutung von Vieh, Getreide und Sclaven zu bereichern. Dies alles beleuchtet am besten eine Stelle aus einem Briefe, welchen Emin Pascha aus Lado unter dem 22. Juli 1882 an den österreichischen Consul Hansal in Chartuni richtete und worin er die damaligen Zustände der Äquatorialprovinz mit folgenden Worten charakterisiert: . . . „In Schambö hatte ich böse Nachrichten. Drei Tage nach meiner Abreise von dort nach Chartum hatte der Stationschef beliebt, eine Razzia gegen die Atot (Negerstamm am weißen Nil) zu arrangieren und hatte sich mit dreiundzwanzig Soldaten wirklich einer guten Anzahl von Rindern bemächtigt. Auf dem Rückmärsche und bei einer Rast fielen jedoch die Atot über die Räuber her und schlugen sie bis auf zwei, die entkamen, todt. Alle Gewehre und die Munition blieben in den Händen der Sieger. Es ist, als ob die Leute den Teufel im Leibe hätten; wo immer sie einen Ochsen sehen, zuckt es ihnen in den Fingern, und da man mich zu gut kennt, um dergleichen Escapaden zu wagen, wenn ich hier bin, so benutzt man eiligst den Moment, wo ich ihnen den Rücken gedreht habe. Da es mir in Schambö gelungen ist, die Chefs der Atot zu beschwichtigen und die Waffen sämmtlich zurückzuerlangen, so hat die Sache weiter nichts zu bedeuten, als dass ich um einige gute alte Soldaten ärmer bin. Auch im Südosten ist eine ganz ähnliche, nur bedeutendere Razzia mit gerade so bösem Ausgange in meiner Abwesenheit gemacht worden, und obgleich ich mir alle Mühe geben werde, dürfte es kaum möglich sein, von dort die Waffen zurückzuerlangen." So lagen die Dinge, als Akl Kassara in Fandoro, einem in geringer Entfernung vom Albert-Nyanzasce gelegenen Dorfe geboren wurde. Der Knabe hat seine Eltern nicht gekannt, weiß uns nicht einmal deren Namen anzugeben. Das wenige, was uns über das Schicksal seiner Eltern bekannt ist, verdanken wir den Mittheilungen mehrerer Negersoldaten, welche in Mahagi, einer am nördlichen Ufer des Sees gelegenen Garnison mehrere Jahre hindurch stationiert waren. Demgemäß war Akl Kassara noch ein kleiner Knabe, als die Negersoldaten genannter Militärstation eine Razzia nach Fandoro unternahmen. Sein Vater, der sich zur Wehr setzte, wurde von den Mordbrennern gelobtet; der Knabe jedoch Lebensschicksale des Negerknaben All Snffarn. 81 wurde mit seiner Mutter ergriffen, nach Mahagi gebracht und dort bis auf weiteres gefangen gehalten. Der Mutter gelang es, durch die Flucht ihre Freiheit wieder zu erlangen, und All Kassara, der damals ungefähr vier Jahre zählte, blieb in den Händen des Negersoldaten Mordschan Hamad, der ihn seiner Frau Hadscha Hana, einer fanatischen Mohammedanerin, zur Verpflegung überließ. Doch sollen die Schicksale Akt Kassaras bald eine neue, ganz ungeahnte Wendung nehmen. Der Gouverneur Emin Pascha sah sich nämlich angesichts der schwierigen, hoffnungslosen Lage seiner Provinz gezwungen, mit seinen Truppen den Rückweg nach Ägypten anzutreten. Der directe Weg auf der Nilseite über Chartum o « iO w 2 3 « o 82 Lebeiieschicksale des Negerknabcn All Mnfjara. war wegen der Eroberung des Sudan durch die Horden des Mahdi versperrt; so blieb nichts anders übrig, als in südöstlicher Richtung nach der Küste hin, über Zanzibar zurückzureisen. Er Perhieß allen seinen Beamten und Soldaten, dass ihnen nach ihrer Ankunft in Ägypten ihre rückständige Löhnung ansgezahlt würde; so sand sein Reiseplan allgemein Billigung, und bald stand die ganze Mannschaft mit ihren Familien zur Abreise bereit. Der Weg führte zunächst der östlichen Küste des Albert-Nyanzasees entlang nach Uganda, wo die Karawane während eines mehrmonatlicheu Aufenthaltes von den Strapazen der Reise ausruhte und sich mit Lebensmitteln für die Weiterreise versah. Von da wurde die Reise durch das deutsch-ostafrikanische Schutzgebiet bis zur Küste fortgesetzt. Der ungeheuere Marsch vom Albert-Nyanzasee bis nach Zanzibar dauerte acht Monate. Die Strapazen der Reise waren aus Mangel an geeigneten Transportmitteln äußerst groß; jede Familie musste, so gut es eben gierig, ihre Lebensmittel und das Gepäck selbst mitschleppen. Viele mussten schon in Uganda vor Müdigkeit auf die Weiterreise verzichten und nahmen daselbst einen ständigen Aufenthalt, ja manche ließen auf der Reise ihr Leben. Hadscha Haua, die den Negerknaben Akl Kassara meist auf ihren Armen trug, wurde zuweilen ihrer Last überdrüsfig und ließ sich in ihrem Unwillen und Zorn dazu hinreißen, den wehrlosen Knaben in grausamer Weise zu misshandeln. Der freundliche Leser wird sich noch folgender Einzelheiten erinnern, welche wir bereits in der ersten Nummer dieses Jahrganges niitgetheilt haben und die uns durch die übereinstimmenden Aussagen von zwei Augenzeugen verbürgt find. Eines Tages hielt sie den halbnackten Knaben über ein Feuer, wobei sich sein Unterkörper mit schmerzlichen Brandwunden bedeckte. Ein anderesmal wollte sie sich seiner für immer entledigen und ihn auf dem Wege den Hyänen zur Speise liegen lassen und hätte diesen frevelhaften Entschluss auch ausgeführt, wenn sie nicht durch den Commandanten der Soldatentruppe daran gehindert worden wäre. Dieser forderte sie unter Androhung der Todesstrafe dazu auf, für das Leben des Knaben Sorge zu tragen und gab ihr für die Verpflegung von Zeit zu Zeit eine entsprechende Entschädigung. In Zanzibar angelangt, bestieg die Karawane zwei Dampfer, welche die ägyptische Regierung ausgeschickt hatte, um alle Soldaten, welche unter Emin Pascha in der Äquatorialprovinz gedient hatten, von Zanzibar nach Ägypten zu befördern. So stieg auch Hadscha Haua mit Akl Kassara an Bord. Die Reisenden kamen nach einer Seereise von ungefähr vierzehn Tagen in Suez an und reisten ohne Verzug weiter nach Kairo. Hier, wurden die Negersoldaten mit ihren Familien, ein buntes Gemisch von Männern, Frauen und Kindern, in einer Kaserne in Gesira untergebracht, welche gerade damals durch den Abzug der Soldaten nach Oberügypten unbewohnt war. Da in Ägypten, dank der englisch ägyptischen Convention, welche am 4. August 1877 in Alexandrien zustande kam, die ©datieret gesetzlich verboten ist, so wurde nicht bloß den Sclaven, sondern auch den Waisenkindern und allen denjenigen, für bereit freiheitswidrige Behandlung man zu fürchten hatte, von dem Sclavereiamte in Kairo ein Freiheitsbrief ausgestellt. Von einem Freiheitsbriefe für Akl Kassara hat man bis jetzt keine Spur entdecken können; es ist daher anzunehmen, dass Hadscha Haua entweder denselben vernichtet, oder dass sie, was das wahrscheinlichste ist, den Knaben schon damals als ihren Sohn ausgegeben habe. Für die Zeit ihres Aufenthaltes in der Kaserne, welcher mehrere Wochen dauerte, wurden die Soldaten mit ihren Familien auf Kosten der Regierung unterhalten. Als sie endlich ihre Löhnung erhalten hatten, zerstreuten sich die einzelnen Familien in die in der Umgegend von Kairo gelegenen Negerdörfer. Manche Neger und Negerinnen suchten sich Arbeit und Verdienst in der Stadt. Hadscha Haua wählte sich mit dem Negersoldaten Mordschan Hamad Lebeiisschicksale des Negerknabcn Akl Kassara. 83 unb dem Knaben Akl Kassara ein neues Heim in dem Negerdorfe Eschesch, welches in unmittelbarer Nähe der Ackerbaucolonie Gesira gelegen ist. Dieses Dorf besteht aus ungefähr hundert Wohnungen, welche sämmtlich aus Lehm und ungebrannten Ziegeln gebaut sind. Dasselbe ist ziemlich reich an Ziegen und Schafen, welche täglich zusammen auf die Weide getrieben werden. Da Akl Kassara wegen seines zarten Alters und seines schwächlichen Körperbaues zur Arbeit untauglich war, so hütete er den Tag über mit einem erwachsenen Neger die Herde auf den in der Nähe des Dorfes gelegenen Weideplätzen. Diese Beschäftigung war ihm ganz angemessen und erwünscht; doch hatte er, wie er selbst erzählt, auch zu jener Zeit von seiten seiner Gebieterin manche Misshandlungen auszustehen; seine Nahrung war dazu eine sehr dürftige. Die geringste Klage zog ihm noch härtere Züchtigungen zu. So war er bald seines Aufenthaltes in jenem Negerdorfe müde und trug sich fortwährend mit dem Gedanken herum, heimlich zu entfliehen und sich, wenn möglich, ein besseres Unterkommen zu verschaffen. Oft sah er von den Weideplätzen aus die Negerknaben unserer Colonie, wie sie unter Aufsicht eines Bruders spazieren giengen. So oft er ihre bessere Kleidung und ihre fröhlichen Gesichter betrachtete, mag in ihm der Wunsch aufgestiegen sein, in ihrer Mitte zu weilen und an ihren gemeinschaftlichen Erholungen theilzunehmen. Eines Tages — es war au einem Sonntagmorgen — konnte er der Versuchung zur Flucht nicht länger widerstehen. Ohne von jemanden bemerkt zu werden, schlich er sich von der Herde weg durch die Pflanzungen der Colonie dem Hause der Missionäre zu, ließ sich zum Obern führen und bat dringend um Aufnahme. Über seine Eltern befragt, antwortete er, sein Vater sei im Kriege gelobtet worden, seine Mutter jedoch im Sudan zurückgeblieben; ob sie noch lebe, wisse er nicht. Der Obere beschloss daher, dass der Knabe bis auf weiteres auf der Colonie verbleibe. Kaum hatte indes Hadscha Haua die Flucht und den Verbleib des Knaben erfahren, als sie mit einigen Negern ihres Dorfes der Colonie zueilte und den Akl Kassara, den sie als ihren Sohn ausgab, zurückverlangte. Dieser sträubte sich mit aller Gewalt dagegen, die Colonie zu verlassen und bestand darauf, dass Hadscha Haua nicht seine Mutter sei. Das gleiche behauptete ein anderer Negerknabe ini Alter von zehn Jahren, welcher aus der Äquatorialprovinz stammte und zugleich mit Akl Kassara die Reise über Zanzibar nach Ägypten gemacht hatte. Überdies ließ die Physiognomie und Körperfarbe Akl Kassaras, der kohlschwarz ist, es unerklärlich erscheinen, wie Hadscha Haua, welche eine braungelbe Hautfarbe besitzt, dessen Mutter sein könne. Daher wurde die Rückgabe des Knaben verweigert und Hadscha Haua kehrte unter heftigen Ansbrüchen des Zornes und unter drohenden Geberden in ihr Negerdorf zurück. Dennoch schien es, dass ihr Unwillen sich in der Folge gelegt habe, und dass sie mit der Erziehung des Knaben im Missionshause einverstanden sei. Denn ein volles Jahr verstrich, ohne dass sie denselben je reclamierte. Akt Kassara fühlte sich unter unsern Negerknaben sehr zufrieden, beobachtete die Hausordnung wie alle andern, lernte auch die gewöhnlichen christlichen Gebete und die Anfangsgründe des Katechismus. Dann zog er sich ein Halsübel zu, infolgedessen er mehrere Tage das Bett hüten musste. Alsbald erschien Hadscha Haua und bat dringend, den Knaben mit sich nehmen zu dürfen, und versicherte, dass sie denselben nach seiner Genesung sofort nach der Colonie zurückbringen werde. Diesmal wurde ihrer Bitte Folge geleistet, umsomehr, als der Knabe selbst in der Hoffnung, bald von seiner Krankheit befreit zu werden, darin einwilligte. Akl Kassara genas in der That schon nach einigen Tagen; doch Hadscha Haua schien ihr kurz vorher gegebenes Versprechen bereits vergessen zu haben. Aus Furcht er möchte ihr ein anderesmal entfliehen, ließ sie ihn nicht mehr mit der Herde auf die Weide 84 Lebensschicksale dcs Negerknabcn Akl Kassara. gehen, sondern behielt ihn so viel als möglich unter ihren Augen. Als dann einmal Akl Kassara sie dringend bat, ihn doch in das Missionshaus zurückkehren zu lassen, gab sie ihm nicht bloß einen starken Verweis, sondern schloss ihn auf mehrere Tage in ihre Wohnung ein. Während dieser Zeit brachte sie dem Knaben die ihrem Stamme, dem Bornustamme, eigenen Abzeichen bei, indem sie ihm aus Stirne und Wangen mittelst eines Messers drei einander parallellaufende Linien in der Haut einschlitzte. Es ist dies eine Sitte, die, so absonderlich und unvernünftig sie auch sein mag, nicht bloß im Sudan, sondern auch von vielen Negern in Ägypten beobachtet wird. Endlich glaubte Hadscha Haua, den Knaben, der sich mit seiner Lage äußerlich zufrieden zeigte, aus seiner Gefangenschaft entlassen zu können. Doch kaum sah sich dieser auf freiem Fuße gesetzt, als er schon wieder in der Richtung unserer Negeranstalt Reißaus, nahm. §ier glücklich angelangt, sah er sich bald von unseren Negerknaben umringt, die ihn alle freudig begrüßten und ihm zu seiner Rückkehr in die Mission Glück wünschten. Denn sein Zustand erregte allgemeines Mitleid. Die noch offenen blutigen Einschnitte auf Stirne und Wangen, sein abgemagertes Gesicht und das Kleid, das ihm in Fetzen vom Leibe herabhieng, ließen klar erkennen, dass er bei seiner Gebieterin schlimme Tage verlebt haben musste. Hadscha Haua ließ auch diesmal nicht lange auf sich warten. Sie begab sich zum Obern der Colonie, doch alle ihre Versuche, den Knaben zurückzuerlaugen, waren erfolglos. Aufs höchste erbittert, versicherte sie vor ihrem Weggange, es werde ihr doch gelingen, ihn auf polizeilichem Wege zurückzuerhalten, denn sie könne durch Zeugen beweisen, dass sie in Wirklichkeit seine Mutter sei. Sie begab sich in der That schon am folgenden Tage auf das zuständige Polizeiamt in Kairo und erhob unter Weinen und Schluchzen bittere Klage darüber, dass Akl Kassara, ihr eigener Sohn, den sie unter vielen Sorgen und Beschwerden groß gezogen, ihr von den Missionären in Gesira auf so schnöde Weise entrissen worden sei. Zugleich waren mit ihr noch vier Neger erschienen, welche unter eidlicher Versicherung Hadscha Haua als die wirkliche Mutter des Knaben erklärten. Der Chef des Polizeiamtes erstattete hierüber dem Obern der Colonie sofort schriftlichen Bericht und sendete gleichzeitig einen Polizeidiener ab, der den Knaben selbst über seine Abkunft befragen und gegebenenfalls seine Auslieferung an Hadscha Haua veranlassen sollte. Glücklicherweise war es auch uns inzwischen gelungen, mehrere Gegenzeugen auszubringen, welche im Vereine mit Akl Kassara die boshaften Ränke und schändlichen Betrügereien ans Licht brachten und eine der Wahrheit und dem Rechte entsprechende Entscheidung herbeiführten. Die falschen Zeugen wurden mit Gefängnisstrafe belegt, der Knabe aber auf seine dringende Bitte hin unserer Mission zur Erziehung übergeben. Akl Kassara ist nun schon seit zwei Jahren ein Christ und führt den Namen Ludwig Otto. Durch seine treue Anhänglichkeit an die Mission gibt er allen zu verstehen, dass er das Glück, zu schätzen weiß, das er ihr zu verdanken hat; seine Befreiung aus der Sclaverei und sein erbauliches Betragen ist jedoch nicht minder trostreich für den Missionär, dessen Beruf es ja ist, den Neger aus seinem leiblichen und geistigen Elende zu befreien und ihn zu einem menschenwürdigen Dasein zu erheben. P. Josef Miller, F. S. C., Apostolischer Missionär. Suhln. "gTormarfct? 6er arrgto-ägyptischen Armee. Bgjet der fast fortdauernden Fühlung zwischen den beiden feindlichen Heeren konnte unmöglich ein baldiger Zusammenstoß hermieden werden. Dass WnZjJy} es bei einem solchen von Seite der Auglo-Ägypter auf Schendi ab-gezielt sein würde» konnte sich der Emir Mahmud nicht verhehlen, weshalb er auch diesen starkbefestigten Ort verließ und mit dem größten Theile seines Heeres den Atbara hinaufzog in der Absicht, den Anglo-Ägyptern den Glauben beizubringen, als ob er sich nach Berber wenden wolle, und sie so von Schendi wegzulocken. Bei El Hilgi am Atbara vereinigte er sich mit Osman Digma und verschanzie sein Heer. Während er nun eine Retourschwenkung der auglo-ägyptischen Armee vermuthete und sich sonst allerlei Plänen hingab, war der Feind anderer Ansicht und eroberte ihm sein befestigtes Schendi. Am 26. März nämlich schifften drei Kanonenboote unter dem Commandant Keppel mit aller Gelassenheit das 15. ägyptische Bataillon, welches Major Hick-inann befehligte, ans und zwar dem Forte gegenüber, das auch nach glänzendem Anstürme mit dem Bajonnet genommen wurde. Seine Besatzung bestand aus ungefähr 2000 Derwischen, von welchen bei der Einnahme 160, meist Baggara, getödtet und 645 gefangen wurden; die übrigen zerstreuten sich fliehend in die Wüste. Nach kurzer Rast wurde sogleich von den Anglo-Ägyptern die Abbrechung der Festungsmanern und die Zerstörung der Ortschaft vorgenommen, um so für-alle Fälle den Derwischen keinen festen Halt mehr zu lassen. Schendi war nach Omdnrman die zweite Stütze der Macht Abdullahs und vielleicht in einer Beziehung noch wichtiger als erstere; nun ist sie geschleift und bis nach Chartunr-Omdurman ist kein solcher Meilenstein mehr anzutreffen; den Weg wird man aber trotzdem noch finden! Jetzt galt es, die lästigen Nachbarn int Osten, Mahmud und Osman Digma nämlich, los zu werden. Diese selbst, trotz des befestigten Lagers, standen nach der Einnahme Schendis keineswegs sehr gut; vom Nlle abgeschnitten Hütten sie sich nur in einer krummen Abschwenkung nach Chartum zurückziehen können; aber der Sirdar begann schon jetzt ihnen seine Aufmerksamkeit zu schenken. Am 30. Mürz rückte General Hunter mit einer Abtheilung von Cavallerie, Feldartillerie, 4 Maxims und dem 2. ägyptischen Bataillon nach El Hilgi ans, um dessen Lage und das Terrain zu erforschen, was wiederholt auch in den folgenden Tagen vorgenommen wurde, und infolge dessen man auch das Lager des Heeres nach Abadar verlegte. Am 4. April brachen wirklich die Derwische bei der Annäherung der ägyptischen Truppen aus der Berschanzung hervor. Ihre Cavallerie wollte die ägyptische Infanterie umgehen und ihr in die Seite fallen, wurde aber bald von der feindlichen ins Lager zurückgedrängt. Das ägyptische Bataillon hatte 2000 Mann Fußvolk der Derwische gegenüber, weshalb es unter beständigem Feuer langsam zurückbog; es hatte einen Verlust von 6 Todten und 11 Verwundeten, während er auf Seite der Derwische 200 Mann betrug. Nun wurde das Lager der anglo-ägyptischen Armee in Umdabyeh, 8 Meilen weiter im Osten aufgeschlagen, denn der Sirdar H. Kitchener hatte den Angriff auf El Hilgi beschlossen. Mit mehreren Brigaden, welche aus 6 Bataillonen ägyptischer, 4 Bataillonen englischer Infanterie, 1 ägyptischen Cavallerie-Abtheilung, 2 Artillerie-Batterien und 4 Maximgeschützen zusammengesetzt waren, wurde Donnerstag, den 7. April, abends von Umdabyeh aufgebrochen und nach einiger 86 Sudan: Der Vormarsch der anglomgyptischen Armee. Rast um 1 Uhr nachts weitermarschiert, so dass man Freitag morgens um 5 Uhr vor dem Lager der Derwische anlangte. Um 6flg Uhr eröffnete die Artillerie ein einstündiges Feuer auf El Hilgi in der Entfernung von 400 m, um so den Truppen einigermaßen den Weg zu bahnen. Um 7V2 Uhr rückten dann nach kurzer feuriger Ansprache seitens der Generäle Hunter und Gatacre 2 Jnfanteriecolonnen vor, welche von zwei Seiten auf die Derwische einstürmen sollten. Im linken Flügel, welchen die Engländer unter General Gatacre bildeten, waren vorzüglich die Regimenter Cameron Highlander, Lincolnshire, Jeaforth Highlander und Warwick Shire vertreten. Der rechte Flügel unter General Hunter bestand aus ägyptischen Truppen, besonders aus den Negerbrigaden der Oberste Macdonald und Maxwell. Die ersten beim Sturme waren die Cameron Highlander; als sie den Hügel, welcher das Lager der Derwische beherrscht, erstiegen hatten, begannen diese ein heftiges Klein- und Artilleriefeuer, aber jetzt gelangte auch die Spitze des rechten Flügels, das 9. Negerregiment, auf die Anhöhe und nun gieng es im Sturmschritte unter heftigem Kugelregen auf die Zeriba los, hinter welcher in einiger Entfernung in ihren Verschanzungen sich die Feinde postirt hielten. Die Zeriba wurde durchbrochen und ein heißer Kampf um die Verschanzungen begann. Die zwei Generäle führten persönlich ihre Truppen, und hier war es, wo man den meisten Widerstand fand. Kaltblütig und tapfer kämpften die Derwische und hätten wohl noch mehr Verlust dem Feinde beigebracht, wenn sie nicht zu hoch gezielt hätten; eine Viertelstunde dauerte der Kampf, dann aber griff die Artillerie mit den Maxims ein, und die Infanterie, besonders das 9. Negerbataillon, warf die Derwische über den Fluss zurück oder versprengte sie in die Wüste. Das Lager des Emir Mahmud war also erobert, dieser selbst, ein schöner noch nicht dreißigjähriger Mann, gefangen, während Osman Digma es für gut befunden hatte, vor der Schlacht zu fliehen, vielleicht um seinen Ruhm als des Unbesiegbaren nicht zu verlieren. Über 4000 Gefangene, 10 Kanonen und viele andere Beute fielen in die Hände der Sieger, während den Kampfplatz 3000 todte Derwische deckten. Aber auch der Sieg kostete, den die Engländer hatten, 10 Todte und 90 Verwundete, die Ägypter 51 Todte und 319 Verwundete, wobei auch das Officierscorps hart mitgenommen worden war. Nachdem man die Todten begraben und die Verwundeten, so gut es eben gieng, für den Transport hergerichtet hatte, wurden die Soldaten in ihre früheren Quartiere zurückgeschickt. Der Sirdar hielt am 13. April an der Spitze der Brigade Macdonald mit seinen Generälen einen feierlichen Einzug in Berber. Straßen und Häuser waren auf das herrlickste geschmückt und man kann dies als einen Ausdruck der Dankbarkeit der Bevölkerung ansehen, die nach so hartem und langem Drucke wieder frei aufathmet; denn die Baggara führten ein grausames Regiment andern gegenüber, selbst unter den Soldaten, wovon ihr Lager mehrere Spuren aufwies. Mit den militärischen Operationen wird gewartet, bis der Nil seine Höhe erreicht hat, um die Boote über die Klippen hinwegzutragen, also bis August ungefähr. Möchte uns die zweite Hälfte des Jahres die so sehr ersehnte Eröffnung des Sudan und unserer geliebten Mission wirklich bringen! P. Josef Münch, F. S. C., Apostolischer Missionär. Der Aberglaube im llillhlr. Von P. $. Geyer, F. S. C. (Fortsetzung). a die Schilderung einen Einblick in das heuchlerische Treiben des Mahdi gibt, |pl setzen wir sie hieher. — Es war im Fastenmonat Ramadan, in welchem Uebertretnng des Fastengebotes mit dem Tode bestraft wurde. Von Mittag bis gegen Mitternacht wimmelte es in der Moschee, welche nur ein großer viereckiger, mit Dornen umzäunter Raum war, von Menschen. Nach Tausenden und Tausenden bewegten sich in derselben die Fogara. Man sah nur einen Wald von Lanzen, welche aneinanderschlagend ein furchterregendes Geklirre erzeugten. Alle erwarteten begierig den Mahdi, welcher zum Mittagsgebete erscheinen musste. Obwohl sie ahn schon hundertmal gesehen, kämpften sie unter sich, um in die Nähe der Stelle, an der er betete, zu gelangen. Ein furchtbares Gebrumme entstand, ähnlich einem fernen Donnerrollen. Wo war und was that der Mahdi indessen? Nach Angabe der Augenzeugen lag er in diesem Augenblicke in seiner Hütte auf einem schönen Teppich ausgestreckt, auf mit Goldbrokat überzogenen Kissen, auf denen einst die Paschas von Chartum geruht; er war bekleidet mit einem kurzen, nur bis etwa unter die Brust reichenden fast durchsichtigen Leinenhemd, blendend weißen Pluderhosen, einem leichten, weißen Überwurf, und trug auf dem rasierten Haupte eine takia (Calotte) aus Seide gestickt. Um ihn befanden sich gegen dreißig Weiber, deren einige ihm mit schönen, leichten Straußenfedern geräuschlos Wind zufächelten, während andere ihn auf eine im Sudan eigene und sehr beliebte Art die Füße und Arme massierten, ohne ihn ans seinem Halbschlummer zu stören. Indes schrieen und tobten außerhalb des Gehöftes Hunderte von Glaubensstreitern, welche seinen Segen erflehten und nur seine Stimme zu vernehmen wünschten, wenn sie ihn auch nicht sehen konnten. Die am Eingänge wohnenden Eunuchen trieben die Menge mit der Nilpferdpeitsche fort, doch sie bewegte sich nicht von der Stelle, bis ein Eunuche zum Mahdi gieng, um den so heiß ersehnten Segen zu erbitten. Ohne den Mahdi in seiner Ruhe zu stören, ertheilte die Om-el-Mumenin (Mutter der Gläubigen) oder erste Frau den erbetenen Segen. Der Eunuche kehrte zurück und versicherte die Menge, dass der Mahdi eben in tiefste Betrachtung versunken sei, und dass er ihnen gnädigst seinen Segen ertheilt habe. Frohlockend entfernten sich die Glaubensstreiter, schrieen aus voller Kehle und stellten sich dann in die Reihe der zum Gebete Geordneten, wo man sie gierig mit den Händen berührte, um des Segens des Mahdi theilhaftig zu werden. — Endlich gab Ascha, die bevorzugte Frau, dem in Dusel versunkenen Mahdi leise ein Zeichen, dass es Zeit zu den Waschungen sei, da die Stunde des Mittagsgebetes bereits vorüber sei. Mit Hilfe der Frauen erhob sich der Mahdi schwerfällig und langsam, er legte die rothen Schuhe an und zog sich zu den Waschungen zurück, während ihm die nothwendigen Gefäße nachgetragen wurden. Als er in seine Hütte zurückkehrte, stel das Frauenvolk wie wahnsinnig über die Stellen her, die sein Fuß berührt hatte, und sammelte die von ihm betretene Erde unter förmlichen Kämpfen. Dieser durch den Fuß des Mahdi geheiligten Erde wurden heilsame Wirkungen zugeschrieben; man vertheilte sie unter die frommen Verehrer. Von dem Wasser, das der Mahdi bei seinen Waschungen benützte, gieng kein Tropfen verloren, sondern alles wurde gewissenhaft aufbewahrt und als Heil- und Präservativmittel getrunken. Nachdem der Mahdi seine Waschungen vollendet hatte, kam sein Sohn Boschra und zeigte dem Vater einen goldenen Ring, den ihm die Mutter Ascha geschenkt hatte. Boschra bat um die Erlaubnis, den Ring 88 Der Aberglaube im Nilthale. tragen zu dürfen. Der Mahdi, welcher zwei fremde Besucherinnen bemerkte, sagte zu seinem Sohne: „Mein Sohn, dergleichen Schmuck tragen die Türken, welche die Welt lieben; wir dürfen solchen eitlen Tand nicht besitzen, wir suchen die Freuden der anderen Welt. Gib den Ring deiner Mutter zurück." Der schlaue Junge verstand wohl die Weisung des Vaters, er entfernte sich ganz zufrieden. Alsdann bekleidete Ascha den Mahdi mit der Djubba oder dem Kleide der Derwische, mit Gürtel und Turban. In diesem frommen Anzuge machte er sich auf den Weg zur Moschee. Als er aus seinem Hofe heraustrat, stand schon seine Leibwache bereit, um die heranströmende Menge zurückzuhalten, bis er zur Stelle des Gebetes gelaugte. Mit brausendem, furchtbarem Jubelgeschrei wurde er von der Menge empfangen. Nach dem Gebete hielt er geistliche Vorträge, empfahl Liebe zur Armut, Losschälung von Hab und Gut und Anhänglichkeit an ihn und zog sich dann wieder in seine Hütte zurück. So genoss der Mahdi in abscheulicher Heuchelei mit vollen Zügen die Freuden seiner Siege und seiner angeblich göttlichen Sendung. — Eine solche Art von Verehrung kann nicht mehr als Aberglaube, sondern nur als blinder wahnsinniger Fanatismus bezeichnet werden. Nicht geringe ist die Verehrung und das Vertrauen gegen die Wely's nach ihrem Tode. Diese führen den Titel Sch ei k, Imam, Nebi, Mar, Sid(Herr), bei Frauen sette (Herrin). Über den Gräbern der berühmten Heiligen werden Moscheen, über jenen der gewöhnlichen kleine viereckige Gebäude mit weißbetünchter Kuppel errichtet.-Von der Kuppelform haben sie den Namen „G.obba" (Kuppel), sonst heißen sie auch Mazür (Wallfahrtsort) und Makün (Standort). Fast bei jedem Dorfe, vielfach auch mitten aus den Fluren ragt die Grabkuppel irgend eines heiligen Scheits oder heiligen Beschützers empor, sv dass sie eine stehende Staffage der Nillandschaft bilden. Auch im Sudan sind diese Grabkuppeln nicht wenig zahlreich. Manche Ortschaften verdanken einem Heiligen ihre Entstehung und ihren Namen, z. B. Abu-Haras am blauen Nil, Abu-Hamed an der großen Nilbiegung u. s. w. Früher war es Sitte, dass die Karawanen bei dem Eintritt in die Wüste ihr überflüssiges Gepäck (Sattel, Schläuche, Gefäße) am Grabe des Scheck Hamed ließen in der Meinung, es bei der Rückkehr wieder zu finden; da kam es nicht selten vor, dass Diebe das Depot stahlen, die abergläubischen Leute trösteten sich mit dem Glauben, dass der Scheck dessen bedurft habe, und ihm wurde natürlich leicht verziehen. Die Grabhügel bilden das Ziel Vieler. An gewissen Tagen finden sich dort die Nachbarn ein, um zu beten, gute Werke zu verrichten und in besonderen Anliegen Bitten vorzubringen, z. B. um Erlangung von Gesundheit, Nachkommenschaft, gute Ernte, reichen Viehstand u. s. w. Man glaubt, der Segnungen der heiligen Todten theilhaft und mit Rücksicht auf ihre Verdienste leichter von Gott erhört zu werden. An diesen Gräbern werden ebenso wie an Pfählen und Bäumen Fetzen und Lumpen aufgehangen im Glauben, dadurch Krankenheilung u. s. w. bezwecken zu können. Es mag das an die Sitte der alten Ägypter erinnern, die Bilder und Tempel ihrer Götter zu schmücken und zu zieren zur Erlangung einer Gunst. Manche lassen Brot oder auch Geld für Arme und Wanderer bei der Gobba zurück; andere geloben, ein Schaf, eine Ziege u. s. w. zu opfern, um Gesundheit, Nachkommenschaft u. s. w. zu erlangen. Das gelobte Thier wird gekennzeichnet, indem man ihm z. B. das rechte Ohrläppchen schlitzt. Um sich den Segen Gottes zu sichern, gelobt ein Fellach zuweilen ein Kalb und verspricht, dasselbe zu opfern, sobald es fett geworden ist. Das also gelobte Thier gilt dann als gottgeweiht und darf auf den Feldern aller, selbst im grünen Weizen weiden. Wenn die Bitte erhört ist, so erfüllt man das Gelübde, schlachtet das versprochene Thier am Grabe des Heiligen D H* y , 1-rSgi « _ fSE:- ^ e= 3 Vs <-! ft, O S3_^ € «p ■ ©s ? J3 cr ST-Ä© c» S' n' S" "S? 3 S- ^ 3^" . = S. «I 3 3 1 s &Ö0 3 S E S~ ST„ 3 S' 3 « «2! ^3 -^cS-gš Is 3 $Š 3 e ° g =1 AAZ 35 &ssg E Z 5 « « <=r^ 3 S== s CZ- 3 o; © 3,7?’ s2- o rt o £T r- n- S. s ■ »e g TJP $5 s?3 3 ^00 3 ~ tŠB J=5_^ Msgr. Anton Roveggio, Apostolischer vicar von Lentralafrika, mit dem Ordens- und Negerpersonal der Stadt Assuan. (Seite 78.) 9Ö Der Aberglaube im Nilthale- kannte der gute Junge in jenem Unfälle sofort eine Strafe für seine Nachlässigkeit; er brachte sein Thier nach Hause und eilte geradeaus zum Muled, um sich durch Nachholung des Versäumten vor weiterem Unglück zu bewahren. Diese Feste, welche mehrere Wochen dauern, sind übrigens gleich allen anderen mohammedanischen Festen zugleich religiöser und weltlicher Natur, indem beim Grabmale ein großer Markt stattfindet, wobei sich öffentliche Tänzer, Musikanten, Gaukler, Fechter u. s. to. jprobucieren. Die ganze Nacht hindurch herrscht ein betäubender Höllenlärm und nicht selten überschreiten die Unterhaltungen die Schranken der Schicklichkeit und Sittlichkeit. Unter den Heiligen genießen die einen in bestimmten Anliegen besonderes Vertrauen, andere sind specielle Schutzpatrone. So haben die Kameeltreiber ihren Patron Scheik Abd-el-Kader und rufen ihn beim Antritt der Wüstenreise, beim Passieren von gefährlichen Stellen in eigenartigen Gesängen an. Häufig in der stillen Nacht mischt sich der melancholische Abd-el-Kader-Gesang des müden Kameel-burschen in das hässliche Geheul der Hyänen. Die Ruderknechte haben ihren Abn-Seid, der südlich von der Insel Abba bei der heutigen Fuhrt Abu-Seid mit einer großen Armee über den weißen Nil gezogen sein und das dortige Volk besiegt haben soll. Über die Macht seines Schutzes wird viel erzählt. Die Eseltreiber, Handwerker aller Art haben ihren besonderen Schutzpatron. Sogar die Psyllen oder Schlangenderwische mancher Gegenden haben ihren Scheik Mar an, dessen Aufenthaltsort jedoch wie der mancher anderer Patrone unbekannt ist. Zur Kategorie der Menschen, denen abergläubische Furcht und Verehrung gezollt wird, gehören auch die Derwische. Die Derwische bilden verschiedene Orden und diese zerfallen durch ihren mystisch-ascetischen und theilweise geheimnisvollen Charakter in ebensoviele Secten. Über ihren Ursprung bestehen verschiedene Angaben. Die einen leiten sich von den drei ersten Chalifen her, andere nennen berühmte Heilige als ihre Begründer. In Ägypten sind die bekanntesten Derwischorden: El-Rifaijah mit den beiden Hauptzweigen El-Saadieh und El-Jlwanieh; ferner El-Kaderieh, El-Bayumieh, El-Ahmedieh u. s. to., deren jede wieder mehrere Unterabtheilungen zählt. Äußerlich unterscheiden sich diese Orden und Sectendurch die Farbe des Turbans, der Fahnen u. s. w. Die beste Gelegenheit, eine Übersicht über die Zahl der Derwische in Ägypten, ihre einzelnen Orden und Secten und ihre äußern Unterschiedlichkeiten äu gewinnen, bietet sich in Kairo bei Gelegenheit der Abreise des Mahmal oder heiligen Teppiches, den Ägypten alljährlich nach der Kaaba in Mekka sendet. Bei diesem osficiellen Aufzuge des Islam sieht man wohl eine Stunde lang fast alle Orden und Secten der Derwische mit ihren Schecks, Fahnen, Abzeichen, Jnstru-menien, Gesticulationen rc. in Procession vorbeiziehen: eine wahre Schaustellung von religiösem Fanatismus, geistloser Frömmelei, wahnwitzer und erzwungener Affectierung von Gottesverehrung, die wirklich Mitleid erregt. Was die Lehren, Regeln und Ceremonien der einzelnen Secten betrifft, so ist ^ es sehr schwierig, sie genau kennen zu lernen, da viele derselben nur Eingeweihten mitgetheilt werden. Im allgemeinen gipfeln ihre Vorstellungen darin, dass die Gottheit im Weltall und im Nichts aufgelöst gedacht und die Auflösung des menschlichen Geistes ebenfalls im All und Nichts als der höchste Grad von Gottesverehrung angesehen wird, welche eines Tages den Zweck und das Ende der menschlichen Existenz bildet. Da Welt und Menschheit bestimmt sind, sich in der Gottheit aufzulösen, soll der Mensch zu Lebzeiten dahin streben, indem er die Hindernisse der Körperlichkeit zu überwinden sucht und zwar stufenweise durch Fasten, Äbtödtung, Gebet und immer tiefere Versenkung seiner selbst in die Gottheit. Diese Anschauungen kommen zur praktischen Geltung in der wirklich sonder- Der Aberglaube im Nilthale. til baren Art und Weise, womit die Derwische Gebet und Gottesverehrung üben. Durch Drohen und Heulen, begleitet von absonderlichen Gesticulationen, suchen sie sich in einen gewissen Grad religiösen Wahnsinnes und geistiger und körperlicher Entkräftung und Vernichtung zu versetzen und so einen Vorgeschmack der künftigen völligen Auflösung zu bekommen. Jeden Freitag nach dem Mittagsgebete kann man in Kairo die tanzenden und heulenden Derwische sehen, erstere in der Moschee El-Akbar, letztere in der Moschee Kasr-el-Ain. Jene schwingen sich bei den Tönen der Musik auf glattem Boden, die Arme nach oben streckend, den Kopf seitwärts neigend, mit zunehmender Schnelligkeit so lange im kleinsten Kreise herum, bis die ganze Gesellschaft einem durcheinanderwirbelnden Knäuel wahnsinniger Menschen gleicht. Der Anblick besonders der letzteren, nämlich der heulenden Derwische, erregt Abscheu und Mitleid zugleich. In zwei Reihen mit einander zugewandtem Gesichte oder im Halbkreise um den vor der Gebetsnische hockenden Scheck aufgestellt, fortgesetzt mit Heftigkeit Kopf unv Oberkörper vor- und rückwärts schleudernd und dabei endlosemale den mohammedanischen Glaubenssatz brüllend, streben sie, von schriller und dumpfer Musik begleitet, den Zustand der Ekstase an. Alsdann drehen sie sich, einer oder mehrere oder auch alle, unter dem Lärmen der Musik und allgemeinem Gebrülle und Geheule, mit stetig wachsender Geschwindigkeit um sich selbst und zugleich um einen Kreis, wobei sie die Handflächen wagrecht hochgestreckt halten und zwar die Fläche der einen Hand nach oben, zum Zeichen, dass sie die Gaben der Gottheit empfangen, die andere Handfläche nach unten, zum Zeichen der Verachtung des Irdischen, die Augen geschlossen und den Kopf auf die Schulter geneigt zum Zeichen der gänzlichen Verachtung des Irdischen und gänzlicher Überlassung ihrer selbst in Gott. Ein Abendländer, die Derwische in diesem Zustande, im letzten Stadium frenetischer Ekstase, mit langen, fliegenden Haaren, starrem und verlornem Blick, schäumendem Munde, heiser heulend und brüllend sieht, wird den Eindruck bekommen, als hätte er eine Truppe wüthender und der Erschöpfung naher Wahnsinniger oder Besessener vor sich. Man wendet sich mit Ekel von dieser Art Gottesverehrung und wäre geneigt, die Äußerung des Einflusses eher höllischer Mächte als der Gottheit darin zu erblicken. Verschieden allerdings ist die Anschauung der Moslim, sie wohnen der Aufführung mit religiöser Scheu und Andacht bei. Eine andere Art des Gebetes und der Gottesverehrnng ist der Zikr. Derselbe hat mit der oben beschriebenen Ceremonie die Grundidee gemein, d. h. der Mensch strebt auf dem Wege gewaltsamer Ekstase nach der vollen Gotteserkenntnis und Auflösung und Vernichtung seiner selbst in der Betrachtung der Gottheit, nur kommt dieser Grundgedanke im Zikr in milderer und ich möchte sagen etwas anständigerer Form zum Ausdrucke. Diese Gebetsform, obwohl vorzugsweise zur Profession der Derwische gehörig, wird auch von anderen Moslim vielfach geübt. Da der Zikr als eine Gott besonders wohlgefällige Gebetsform gilt, wird er bei feierlichen und außerordentlichen Anlässen mit Vorzug aufgeführt, als bei religiösen Festen, Beschneidnngen, Hochzeiten, Begräbnissen, Ünglucksfällen, Krankheiten u. s. to. Derwische und religiöse Bruderschaften führen ihn gegen Bestellung geschäftsmäßig auf und leben davon. Um Genesung zu erlangen, bestellen sich reiche Kranke die Aufführung des Zikr vor ihrem Hause. — Die Beter, zwanzig, dreißig und mehr an Zahl, hocken im Halbkreise oder in mehreren Reihen hintereinander auf dem Boden, das Gesicht gegen Mekka gewendet und beginnen die Ceremonie, indem sie im Chore langsam und gedehnt die Worte «la ilah ella allall» — d. h. es gibt keinen Gott außer Gott — singen. Alsdann singt der Imam oder Vorbeter in hoher Tonart Jneantationen des göttlichen Namens, während die übrigen unter Vor- und Rückwärtsbeugen des Oberkörpers langsam und stoßweise in tiefem Ton 92 Der Aberglaube im Nilthale. die Worte «allah— allah» wiederholen, was in der Stille der Nacht — der Zikr wird meist Abends aufgeführt — dem dumpfen Geräusch einer schwer arbeitenden Locomotive nicht unähnlich ist. Nach einer kurzen Pause, während welcher der Vorbeter allein in hohen Cadeuzen singt und die andern Koranverse recitieren, beginnt dasselbe in beschleunigtem Zeitmaße. Die stoßweisen «allah— allah $ folgen sich schneller, der Ton ist höher, der Eifer größer, die Körperschwingung beschleunigter. Es folgt abermals eine Pause. Zum drittenmale beginnt das «allah — allah> in schnellsten Stößen und höchster Tonart, die Begeisterung steigt, die Worte aus tiefster Kehle hervorgestoßen, werden durch den Athem verstümmelt und schließlich hört man nur noch «hu.. .hu» (b. h. Er, Gott), bis auch diese unverständlich werden und nurmehr ein stoßweises heiseres Brüllen hörbar bleibt. Die Exaltation scheint in Raserei auszuarten, die Betenden scheinen vernichtet: da tritt plötzlich Stille ein und eilt gedehntes «la ilah ella allah», von Imam gesungen, beendigt die Ceremonie, an die sich noch einige gemeinsame Gebete und Koranrecitationen reihen. Manche Derwische, darunter vorzugsweise jene der Secten Rifaijeh und Jlwanieh haben sich durch Aufführung absonderlicher Kunststücke einen Ruf erworben. Bis vor einiger Zeit konnte man noch Productioneu sehen, wobei sie sich angeblich Nägel in die Augen und den Leib stießen, Schwerter und dicke Nadeln durch den Leib dringen ließen, große Steine auf der Brust zerschlugen, glühende Kohlen und Glas aßen, ohne sich zu verwunden oder Schmerz zu fühlen. Andere durch Zikr fana-tisierte Derwische bissen in stachelige Blätter von Agaven und Kaktus und traten auf glühende Kohlen, so dass die Luft von dem übelriechenden Dunste verbrannten Fleisches erfüllt wurde u. s. w. Eine sonderbare Production war das «doseh», das bis vor wenigen Decennien alljährlich am Geburtsfeste des Propheten in Gegenwart einer ungeheuren Menge in Kairo stattfand und wobei der Scheck der Saadieh auf einem Schimmel sitzend über die Leiber der mit dem Gesichte auf dem Boden liegenden Derwische und ähnlichen Fanatiker, welche vorher durch langes Fasten und anstrengende Zikr-Übungen halb rasend und künstlich fanatisiert worden waren, hinwegritt; wer dabei verwundet oder zum Krüppel wurde, sah dies als besondere Gnade au. Wie diese, so sieht man auch die anderen Aufführungen der Derwische heute nicht mehr, mit höchst seltenen Ausnahmen einiger Kunststücke. Hingegen gibt es noch Derwische, zumeist der Saadieh-Secte angehörig, welche vorgeben, ungestraft mit giftigen Schlangen und Scorpionen umzugehen; offenbar machen sie aber dieselben unschädlich, indem sie ihnen das Gift entziehen. Solche Derwische geben vor, gleich den alten Psyllen sich durch eine geheime Kunst gegen das Gift zu schützen und die Schlangen in Häusern entdecken und daraus vertreiben zu können. Sie besuchen zu diesem Zwecke die Ortschaften und sind in Kairo häufig gesehen. Sie sollen die Anwesenheit einer Schlange im Hause riechen und sie an sich locken können wie ein Vogelsteller die Vögel, indem sie allerhand Hokuspokus treiben. So nehmen sie eine geheimnisvolle Miene au, betasten mit einem kurzen Palmstocke die Wände, pfeifen, schnalzen mit der Zunge, spucken auf die Erde, indem sie indes verschiedene Beschwörungsformeln sprechen, z. B. „Ich beschwöre dich bei Gott, seist du oben oder unten, hinten oder vorne, komme heraus, wenn du gehorsam bist, beim Namen des Höchsten komme; wo nicht, stirb, stirb, stirb!" Oft kommt dann auch die Schlange wirklich zum Vorschein, aber ebenso häufig ist es Betrug; sie erklären, es sei keine Schlange vorhanden oder auch zeigen durch geschickte Manipulation eine Schlange, die sie selbst mitgebracht hatten. Das Volk glaubt jedoch im allgemeinen, dass sie irgend ein Mittel besitzen, um die Schlangen anzulocken. Solche moderne Psyllen finden sich häufig im Sudan und sollen dort einen Trank bereiten, der den Schlangenbiss unschädlich macht. 93 Der Aberglaube im Nilthale. Übrigens wagen auch die geschicktesten unter ihnen nicht, Schlangen bei sich zu tragen, ohne sie vorher unschädlich gemacht zu haben. — Noch viele andere Sonderbarkeiten könnten wir über die Derwische anführen; doch das Gesagte genüge. Und all dieses wahnsinnige Geheul, diese abscheulichen Gesticulationen, diese tollen, sündhaften und auch lebensgefährlichen Verletzungen durch Pferdetritte, sie sollen Gottesverehrung sein! Da scheuen sich manche Reisende nicht, diese Dinge mit Kasteiungen in christlichen Klöstern zu vergleichen! Die frommen Übungen, die freiwillig sich auferlegten Abtödtungen, die nie das durch Gesundheitsrücksichten auferlegte Maß überschreiten, haben den einen Zweck, dem Geiste und der Vernunft zum Siege über das sinnliche und widerstrebende Fleisch zu verhelfen oder ihn zu erleichtern. Was haben diese Übungen, für die Christus selbst mit seinem Ansicht unserer Mssionsstation Assuan. (Seite 78.) Beispiel und Fasten in die Wüste vvrangieng, gemein mit jenen tollen, wüsten und widerlichen Quälereien, die nur dazu dienen, Geist und Vernunft zu umnachten und zu verdüstern? Ein Blick auf die blöden, stumpfen Gesichter jener Derwische nach den Übungen zeigt, wie diese den Menschen nicht vergeistigen, sondern verthieren. lind doch stehen diese Übungen nicht etwa bei einer Secte, sondern beim ganzen Volke in Ansehen, das an den Derwischen mit Verehrung und Ehrfurcht hängt. Zahlreiche Derwische in Ägypten leben unter dem Volke als Krämer, Handwerker, Arbeiter, Fellachen und erscheinen dann bei Festen, um an den Ceremonien ihres Ordens oder Seete theilzunehmen- Andere gewinnen sich ihren Unterhalt, indem sie auf den Straßen und an heiligen Orten Wasser anbieten und verkaufen; aus Scheu oder Furcht oder and) aus Ehrfurcht mud Mitleid wird ihnen nicht selten 94 Der Aberglaube im Nilthale. auch von Notdürftigen ein Almosen gereicht. Andere endlich sind Vagabunden und leben von Almosen, das sie mit Ungestüm und zudringlicher Frechheit fordern. In zerrissenem, aus zahllosen Arten Lumpen zusammengehefteten, äußerst schmutzigem Anzüge, oft halbnackt, mit einem Stocke, an dessen Ende verschiedenfarbige Lumpen befestigt sind, ziehen sie umher, um unter unermüdlichen näselndem Gesang von Thür zu Thür, von Fenster zu Fenster zu betteln. Wegen ihrer Extravaganz und der geheimen Künste, die man ihnen zuschreibt, wie wegen ihrer Frömmelei genießen diese Derwische beim Volk eine Art scheuer Verehrung und tragen nicht wenig zur Nährung des Aberglaubens bei. Schließlich müssen den Personen, welche abergläubische Verehrung genießen, die Schwachsinnigen, Blödsinnigen, Geislesverrückten, Narren und Blinden beigezählt werden. Der Grund liegt in der Anschauung von der Entstehung und dem Wesen der Verrücktheit. Die einen schreiben sie einem Geiste oder Dschin zu, der sich des Leibes des Menschen bemächtigt, dessen geistige Functionen suspendiert oder vielmehr den Behälter, worin der Verstand eingeschlossen ist, öffnet, so dass derselbe entweichen kann. Der Unglückliche wird alsdann als ein Kind betrachtet und behandelt, dessen Vernunft noch unentwickelt ist und das infolge dessen keine Erkenntnis seiner Handlungen besitzt. Als Wohnung des Dschin hat man für eine solche Person große Rücksicht und Achtung. Daher stammt auch ihr Name «madschnün> d. h. vom Dschin besessen oder inspiriert, weshalb man gegen Verrückte im allgemeinen dieselbe Rücksicht hat wie gegen die Geister selbst. Andere erklären Entstehung und Wesen der Verrücktheit, indem sie sagen, solche Personen seien von Gott inspiriert und mit Ekstasen beglückt ähnlich wie Mohammed. Wieder andere meinen, die Verrücktheit entstehe dadurch, dass der Geist int Himmel weile, während der Körper allein unter die Menschen sich mische. Aus der besagten Anschauung erklärt sich das ehrerbietige Benehmen der Moslim genannten Personen gegenüber. Nur wenn ein Narr oder Verrückter gemeingefährlich wird, bindet man ihn und sperrt ihn ein. Solange er aber nicht offenkundig sicherheitsgefährlich ist, lässt man ihn frei, umhergehen, behandelt und betrachtet ihn mit gewisser religiöser nnd ehrfurchtsvoller Scheu. Anstatt sie durch angemessene Pflege zur normalen Geistesverfassung zurückzuführen, lässt man allen ihren Launen freien Lauf. Ein Narr und exaltierter Heiliger darf die unsinnigsten Handlungen vollführen, ohne die Verehrung, deren er sich erfreut, oder den Ruf der Heiligkeit einzubüßen, ja er gewinnt dadurch an Achtung; denn derlei Handlungen werden als Effecte der Abstraction des Geistes von weltlichen Dingen angesehen, in der Weise, dass während die Seele und geistigen Fähigkeiten in Andacht und Betrachtung der Gottheit versenkt sind, die Leidenschaften ohne Aufsicht und sich selbst überlassen bleiben. Niemand wagt, sich über einen Verrückten lustig zu machen, alle betrachten ihn mit Scheu und Ehrfurcht und bequemen sich seinen absonderlichsten Prätensionen an. Es erregt Staunen zu sehen, wie selbst Kinder ihnen mit Anstand und Ernst begegnen, ganz im Gegensatz zum Benehmen unserer Jugend in ähnlichen Fällen. Man sucht ihnen auf jede Weise behilflich zu sein, sie zu speisen, zu kleiden, man küsst ihnen die Hände, um des göttlichen Segens theilhaft zu werden. Man kann sehen, wie ein halb oder ganz nackter Verrückter sich auf der Straße oder dem Markte mitten durch die Menge einen Weg bahnt, die Leute anrempelt, sie anspuckt, während das Volk zuschaut und geduldig Beleidigungen und- Stöße über sich ergehen lässt und darin ein Unterpfand himmlischer Segnungen erblickt. Die Verrückten werden auch allgemein ahl-el-barakat „Leute des toegenS" genannt. Einen Narren beleidigen, belachen oder ihm die Achtung versagen, würde Unglück über bett Thäter und dessen Fantilie bringen. Nach dem Tode solcher Personen werden auch ihre Grabstätten für heilig gehalten. (Fortsetzung folgt.) Üb« Mitraihe im Siiiiiiii. in großes Übel im Sudan ist die sowohl bei den mohammedanischen als IM, bei den heidnischen Völkern allgemein verbreitete rohe Sitte der 93(ut* rp/1 rache. Für die Muselmanen ist in diesem Punkte zunächst der Koran maßgebend, welcher bestimmt: „Dass man geben solle Leben für Leben, Auge um Auge, Nase um Nase, Ohr um Ohr, Zahn um Zahn", und ferner, „dass man Wunde mit Wiedervergeltung bestrafe"; schließlich heißt es: „Sollte aber einer um Almosen dasselbe zurückgeben, so mag es zu seiner Versöhnung angenommen werden." Die Zahlung des Blntgeldes in klingender Münze oder in Naturalien ist allgemein gestattet und wird für vorsätzliche Verstümmelungen auch gefordert. Hierbei sind ungefähr folgende Grundsätze maßgebend. Das höchste Blutgeld verlangt natürlich eine Tödtnng oder Mord. Sehr hoch, meist fast ebenso hoch wie bei einem Morde, ist das Blutgeld für lebensgefährliche Verwundung, für dauernde Verunstaltung des Körpers, für Vernichtung einer der Sinnesthätigkeiten, wie des Gehöres, des Gesichtes u. s. w., sowie für arge Verstümmelung eines nur einmal vorhandenen Gliedes, wie der Nase. Handelt es sich um die Verletzung eines der doppelt vorhandenen Glieder, z. B. Hände, Füße u. s. to., so genügt das halbe Blutgeld. Bei Verstümmelung oder Verletzung eines zehnfach vorhandenen Gliedes, z. B. Zehen, Finger, wird nur der zehnte Theil des ganzen Blutgeldes bezahlt. Bei Frauen wird nur halb so viel bezahlt, wie bei Männern, ein unzweideutiger Beweis für den geringen Wert und die niedrige Achtung der Frau. Verwundet oder verletzt ein Freier einen Sclaven, so wird die Höhe des Blutgeldes mit dem Herrn desselben mit Rücksicht auf den Kaufpreis des Sclaven vereinbart. Wenn nun der Schuldige die Zahlung des Blutgeldes aus irgend einem Grunde verweigert oder nicht leisten kann, oder wenn dasselbe in der Erregung der Leidenschaft zurückgewiesen oder ans Hass und Stolz verschmäht wird, dann ist die Blutfehde fertig. Der Rachedurst und die Blutfehde kann dann nicht nur von Familie auf Familie und von Geschlecht ^ auf Geschlecht übergehen und sich fortpflanzen, sondern auch ganze Stämme in Mitleidenschaft ziehen. Da gibt es oft recht traurige und schreckliche Blutgeschichten, deren Schilderung düstere Streiflichter auf die ungezähmte Wildheit und rohe Blutgier selbst der mohammedanischen Bevölkerung des Sudan wirft. Bei den heidnischen Stämmen ist die Blutrache sozusagen eine nationale Einrichtung. Derselben leistet der Umstand Vorschub, dass fast nirgends ein gemeinschaftliches Oberhaupt vorhanden ist, dessen Entscheidungen bei Streitigkeiten zwischen Privaten, Familien und Ortschaften angerufen werden könnten. Jeder versucht sich selbst sein Recht zu verschaffen. Die gewöhnliche Veranlassung zu Streitigkeiten, Raufereien, Meutereien und Fehden ist der Diebstahl, dem die Neger sehr ergeben sind. Um sich gegen Diebe zu schützen, verbinden sich mehrere Familien und verpstichten sich durch eine Art Bündnis, sich gegenseitig Hilfe zu leisten. Im Gebiete der Bari-Neger am Weißen Nile besitzt der dort allgemein herrschenden Unsicherheit wegen jeder Hausvater eine Trommel, welche nicht nur das tägliche Signal zu ganz friedlichen Verrichtungen, sondern auch zur Versammlung der Verbündeten gibt. Der Raub einer Kuh oder eines Weibes setzt alles in Alarm und bringt den Krieg. Doch ist so ein Krieg bei weitem nicht so fürchterlich als bei andern wilden Völkerschaften. Es betheiligen sich bei den Dinka-Negern an diesen Rachezügen nur die unverheirateten Jünglinge und die zunächst in Mitleidenschaft gezogenen Männer. Der größere Theil bildet den Zuschauer und beschränkt sich auf die Vertheidigung. Vielfach entschuldigen sich 9ß Über Blutrache int ©libmt. auch die Männer mit Familien-Angelegenheiten und entschlagen sich der Theilnahme am Kampfe. Der Krieg selbst dauert ganz kurz, es werden nur ein paar Pfeile geschossen, und seltener kommt es zur Lanze. Sind ein paar Leute verwundet oder todt, so zieht sich der vierlierende Theil zurück, und es werden Vergleiche geschlossen. , Gewöhnlich bilden den Friedenspreis Kühe, mit denen jedes Unrecht und jede Übelthat gesühnt werden kann. Leider ist jedoch diesen Stämmen die Raufsucht so angeboren, dass sie sich zu keinem Vergleiche und zu keiner Aussöhnung herbeilassen, bevor sie nicht durch Blutvergießen ihrem Rachedurst Genüge gethan haben. Der Friede ist aber gewöhnlich von kurzer Dauer; das Rachegefühl und die Kampfeslust erwachen gar bald auf der einen oder andern Seite, und so geht es von neuem los, bis endlich die Jahreszeit die Raufenden trennt. Bei Streitigkeiten von Angehörigen ein und derselben Ortschaft geht man auch bloß mit Keulen, ohne Pfeil und Lanze, gegen einander los. Bei Beschädigungen, Verletzungen oder Diebstählen, welche von Leuten eines Nochbarstammes ausgeführt wurden, wird gegen diesen ganzen Stamm zu Felde gezogen. Die Alarmtrommel ruft die Bewohner der einzelnen Ortschaften zusammen, und alle versammeln sich im Dorfe, wo der Beleidigte, Verletzte oder Beschädigte wohnt. Spät abends wird eine allgemeine Volksversammlung gehalten, welche bis tief in die Nacht dauert, und an der'womöglich jeder Häuptling oder Dorfälteste mit seiner ganzen Mannschaft in voller Ausrüstung theilnimmt. Während die junge Mannschaft in weitem Kreise sich niedersetzt, treten die Häupter in die Mitte und legen einer nach dem andern kurz das Unrecht dar, das sie vom Feinde erlitten haben. Alsdann wird berathen, was zu thun, d. h. ob Krieg oder Frieden vorzuziehen sei. Diese Berathungen verlaufen gewöhnlich sehr stürmisch. Um ihren Ausführungen mehr Ausdruck zu verleihen, stoßen sie mit den Waffen auf den Boden, springen umher und geberden sich sehr aufgeregt; meistens dringt die Ansicht desjenigen durch, welcher am ärgsten schreit und lärmt. Es wird der Tag bestimmt, an dem ausgezogen werden soll. Der Kampf selbst ist übrigens nicht so schrecklich, wie man vermuthen möchte; meist wird Friede gemacht, nachdem einige gefallen sind. Bei den Bari-Negern und andern ist es Sitte, dass auch die Weiber ihren Männern in den Kampf folgen; sie tragen die Lebensrnittel, pflegen die Verwundeten und beklagen unter gellendem Geheule die Gefallenen. Übrigens sind die Weiber sicher, da die Landessitte es verbietet, sie zu verwunden; es wäre eine Schande, im Kampfe ein Weib zu tobten. Es werden keine Gefangene gemacht, da der Neger Pardon weder gibt noch nimmt, sondern jeder, der dem Feinde in die Hände fällt, ist des Todes. Die endlosen Feindseligkeiten und Blutfehden zwischen den einzelnen Stämmen sind Schuld daran, dass die Neger nichts von ferneren Gegenden wissen; ihre Erzählungen sind bloß Vermuthungen oder Fabeln. Sie wissen nur um die allernächsten Nachbarn, und auch dies nur, um sich zu befehden. Wären die Neger geeinigt, so wäre es gar nicht möglich, dass eine Handvoll von Arabern eine große Ortschaft überfallen, Dutzende niedermachen und ebensoviele in die ©datieret schleppen könnte. Der Mangel an Einigkeitsgefühl und Selbsterhaltungstrieb in Verbindung mit der abscheulichen Sitte der Blutfehden unter Einheimischen und Nachbarn ist eine der Hauptstützen des Sclavenraubes. Da kann nur durch die Einführung des Christenthumes Wandel geschaffen und der gegenseitigen Aufreibung der armen Neger Einhalt gethan werden. Ein Missionär, S. d. h. H. Für die Redaction: P. Laver Geyer, F. S. C. Druck von A. Weger's fb. Hofbnchdruckerei, Brixen.