Beilage zur Laibacher Zeitung. ^R3^ Vierter Jahrgang 3R März R860. Im Mtärz. O l H/eut', am crstcn Frcudcntag, i Den der Lenz uns neu gcschcnkct, l Hab' ich zn dem stillen Hag ! Festlich meinen Schritt gclcnkct. Ueber mir im zarten Blan Tirilirten Lcrchcnliedcr, Tropften tönend wie ein Than In mein lechzend Herz hernieder. ! Ans des Waldes Blättcrstrcu Hebt ihr Haupt die Anemone, ^ Mit dem Auge, blan und treu, Fleht sic schüchtern: „Mich verschone!" Ja, es soll nicht Hand, nicht Fuß, Deine jungen Träume stören; Trinke froh der Liifte Gruß, Lausche still des Waldes Chören.' FUHl' ich heut doch fromme Ruh' i Sich nm all' mein Wesen breiten, l Und so will ich, rein wie du, > Sonder Frevel fiirder schreiten. Und ciu Frevel wär's fürwahr, ! Wenn ich dieses Leben knickte, j Das derselbe Lenz gebar, Der mich heut so tief erquickte! " i Wein und Wahrheit. ! (Gerichtlich bestätigte Thatsache aus dem südlichen Frankreich.) ^»il der Küste der französischen Bretagne, ungefähr zwei ! Meilen von der Stadt St. Malo, liegt ein See- und Fischer- ! dorf, genannt Nocher-Fendü. Darin wohnen manche Men« ^ schen nnd Familien, und unter diesen auch Pierre Dupont n,it seiner Mutter, seiner Frau und seinem Kinde. Er ist halb Fischer, halb Vancr, und was er dem Lande nicht abgewinnen kann, trotzt er dem Wasser ab, wem, gutes Wetter ihm eine Fahrt von einigen Meilen ins Meer hinein zum Fischsaug rathsam erscheinen läßt. So dienten ihn, zwei Elemente und er diente ihnen wieder, besonders dem flüssigen. Das heißt, er trank zwar nicht Seewasser, wohl aber Wein, wenn er einen guten Fang in der Stadt St. Malo ! absetzte. Er war reich, hatte aber eine sehr wirthschaftlich, Frau, wie es deren in Frankreich besonders viele gibt, und so auch natürlich mehrere silberne Messer, Gabeln und Löffcl und dergleichen Herrlichkeiten der Schatzkammer jeder braven Hausfrau, die dein Nothwendigen etwas zum Nützlichen und Schönen abzusparen versteht. Eiucs Abends kam er mit der größten und tiefsten Ladung Fische an, die durchaus nicht in der Nachbarschaft alle abgesetzt werden konnten. Es galt also die Fische in St. Malo zu Geld zu machen. Jeanette, die niedliche Hausfrau, machte ein trauriges Gesicht zu diesem Geschäfte. Er war ja im.ncr erst spat um Mitternacht oder gar am nächsten Morgen konfus im ^?ovfe und mit bedeutenden Vrüchru in seiner Rechnung, — Jeanette führte nämlich die Kasse, wie fast alle Frauen in Frankreich, — nach Hause gekommen. Aber was half's? Der Fische waren zu vicl, und der Aussichten auf einige silberne Bereicherung der Kasse und Küche zu viele. So fuhr er denn ab mit dem alten stupiden Fischer- und Landknechte Jean Collas, dringend und zärtlich und zuletzt bciuahe tragisch crmahnt nnd beschworen, ja nicht viel über'u Durst zutrinken. Das brave Weib verbot ihm nicht einmal, überhaupt über'n Durst zu trinken. Sie gönnte es ihm, nur nicht zu viel über's zu viel, meinte sie und rief ihm und winkte ihm noch lange nach, als er schon weit fort war, ja nicht „faule Fische" aus den frischen zu machen. Das Haus liegt ganz allein, ziemlich weit vom Dorfe, an der ebenen Küste, so daß sie ihm noch lange genug nachsehen uud noch durch Zeichen dcs Nichttriukens (d. h. Zeichen des Trinkens mit bedeutendem Kopfschütteln) guten Rath geben konnte, als ihre Stimme nicht mehr zu hören war. Aber was hilft das Alles, wenn der Mann, der zu viel über'n Durst liebt, iu die Stadt kommt? Deutscher oder Franzose, Vauer oder Herr — sie sind dann allzumal Sün-der und mangeln des Gleichgewichts ihrer Schritte. Nnd Pierre's oder Peters Fische waren Geld geworden, ein guter Leinwandsack voll Fünffrankcnsiücke, d. b. französische harte Thaler. Und Pierre schlug mit der Faust dagegen uud kichert herzhaft: „Vm'Iü qui vn pl,8 »nl>!. I.ll bomiu s«,>mmu (loi't öll-e clinlcnlO) n'l'8t pn«?" („Da, ich denke, das ist nicht übel, Jeanette muß mal zufrieden damit sein, meinst Dn nicht?") Jean Collas machte eine drohende Miene, welche an sich nicht ganz verständlich war, jedenfalls aber heißen sollte, baß et der Frau den Hals umdrehen möchte, wenn sie mit ! einem solchen Cack voll Geld nicht zufrieden wäre. Dieß war nur Vorspiel zu einer anderen mimischen Vorstellung, welche darin bestand, daß er die geschlossene, in der Mitte hohlgelassene Hand an den Mund führte, daraus in vollen Zügen trank und dann laut kicherte. Herr und Knecht verfielen jetzt in eine lebhafte Diskussion über den besten Ori, wo man „guten schenke," die sich aber so verwickelte, daß man beschloß, die Streitsache ruhig erst bei einem „kleinen Glase" am ersten besten Orte zu entscheiden. So disputir- > ten sie trinkend in der „goldenen Äirn," dicht ain Markte, ! was und wo sie trinken »rollten. ^ Er schmeckte. Er wirkte. Dabei so billig! ! „^ ltl 5lMl«, .Il'lm!« ^ ,,/V von,;, U:nlln l'i^sl-l.'. 1)um! mlli^ c^'t'st lion yn!« — Also sie tranken sich schon Gesundheiten zu, nicht mehr , den Durst weg. ! Der Wein macht gesellig, und der Franzose ist's schon ! von Natur, besonders im Süden, wo Paris mit seiner Politik nicht hinreicht. So redete Pierre bald drei sehr an- > ständige Herren, die an einem andern Tische saßen, an, sie ! möchten mit trinken. > Warum nicht? aber unter der Bedingung, daß sie, die Eingeladenen, jeden Sous bezahlen dürfteu. Das war zu hart, Pierre schlug unartikulirt an seiuen strotzenden Gcld-sack und meinte, das seien seine Fische, nnn wolle er auch die Weinsauee dazn bezahlen. Der Witz war so gut, daß er den Streit sofort schlichtete. Nnd sie tranken ein Mal. Die drei „anständigen Herren," waren eben aus Algier zurückgekehrt, hatten unter der gesegneten Negierung Louis Philipps (Jean sah sich ängstlich um) die Ehre der französischen Trikolore gegen Abd>el-Kader ausbreiten helfen, und dann die Republik begrüßt (Jean schnitt Gesichter, Pierre sah plötzlich ernsthaft aus), um nun unter dem neuen Kai» serreiche — Jean hustete, als wolle er ersticken. Pierre knöpfte seinen Rock zu, als wollte er sein Herz gegen alle Politik verschließen. Die beiden sorglosen Menschen fühlten, wie sich ein Alp über ihre Herzen lagerte. Furchtbare Sagen von plötzlichen Verhaftungen, heimlichen Hinrichtungen und Cayenne verscheuchten und verschlugen mit ihren kalten, feuchten Flcdermcmsflügeln die heitern Genien im Gefolge des Bacchus, des heitern, leichten, südfranzösischen Weingottes. „Wir schicken uns in die Zeit", sagte der eine anständige Hcrr. „Wir sind doch alle hoffentlich gut kaiserlich —" »Ich handle mit Fischen" , sagte Pierre. „Und mit Verstand," fttzte I?an drohend hinzu, „und niemals mit Politik. Ich habe Prügel bekommen, als ich Louis Philipp liebte. Prügel als ich die Republik uicht an» erkennen wollte, gesessen als Republikaner, gelegen auf den Tod aus Liebe zum Präsidenten, gestanden als Vertheidiger des ucuen Kaisers, und deßhalb noch ein Mal Prügel bekommen von den Rothen. Nnd wenn sie uns jetzt ausfragen und abfallen wollen, so sage ich: fische heute, morgen pstüge ich, übermorgen wichs' ich Stiefeln, nächsten Freitag putze ich Pferde, Sonnabend Abends wasch' und rasir' ich mich, und Sonntags gehe ich zu meiner Amalie." Alle drei „anständige Herren" lachten aus vollem Halse und hatten trotz ihrer sorglosen, leichten Art und Weise nicht wenig Mühe, den bösen Geist, der wie ein Fluch auf Frankreich ruht uud bis in die engsten Familienkreise hinein Zuugen bindet und Herzen drückt, zu vertreiben. Doch mit Hilfe des goldenen Saftes der Neben gelang es ihnen, und so verschwand Flasche auf Flasche und kam ein Geheimniß Pierres nach dem andern über die Zunge, die Mutter, das Kind, die silbernen Löffel und kostbaren Küchengeräthe, der kleine Schatz, den sich die Frau gesammelt. — Ans Erkenntlichkeit theilten die „anständigen Herren" ihre Erlebnisse und Abenteuer mit, wie sie mit Arabern gckämpft, Abd-el-Kadcr gesehen und einmal beinahe geköpft worden wären. Zuletzt drangen sie auch mit aller stürmischen Gewalt der neuen Freundschaft noch darauf, etwas ganz Besonderes aufihre Rechnung zum Vesten zu geben, worauf Pierre und Jean so gerührt wurden, daß sie sich gegenseitig in die Arme und endlich unter den Tisch fielen. Die „anständigen Herren" nahmen sich der Hilflosen getreulich an, machten ihnen ein Zimmer zurecht, halfen ihnen beim Auskleiden und legten sie sorgfältig iu'Z Vett, wie zärtliche Mütter ihre kleinen Lieblinge. Wie lange sie schliefen, oder vielmehr in tiefster Ve-wußtlosigkeit schnarchten, ist uicht genau bercchuet worden. ! Kurz sie wurden noch dieselbe Nacht mit ungeheuerer An« ! strengung und durch wiederholtes derbes Schütteln und Schreien , mehrerer Gens'oarmen leidlich wach. ! „Wo sind ihre T> inlkameraden", fragte der Eine wiederholt. ^ „plait-il?« (Wie verliebt?) lallte Pierre, sich erstaunt ^ die Augen reibend und bald seinen Knecht, bald die Gens-, d'armen musternd, »^ikit-jl!" (Wie beliebt?) ! „Und ihr Geld?" schrie der andere Gensd'arm, nachdem ! er alle Taschen Beider durchsucht hatte, „und was ist aus ^ ihrem Gelde geworden?" ^ „Voi«-lu lm? Hlni,-! vnilä <^u 8<>l-icux gewartet, gab ihn aber bei diesem Regen auf und machte ^ Anstalt, sich zu Bette zu legen. Doch lärmende Stimmen ! und rohes Klopfen an der Thür schreckten sie zu der entsetzlichsten Wachsamkeit auf. Sie risi ihr Kind aus dem ! Bett, flüchtete damit hinauf zur Schwiegermutter und eilte > dann zurück, um die Thür mehr zu befestigen. Diese hatte aber de>i rohen Stößen der drei Helden draußen schon nachgegeben. Sie standen trunken und lärmend vor dem blassen, zitternden Weibe. i „Filous) Jeanette," schrie der Eine, „Wein und Branntwein , aber gut,.für die Freunde von Pierre Dupont!" „Von meinem Manne? Kennen See ihn?" „Kennen? Ob wir ihn kennen! Intime Freundschaft! ! Hat alle Fische verkauft und schläft aus in der „goldenen ! Birne." Band uns auf die Seele, seine reizende Jeanette ! zu grüßen und es uns bequem zu machen. Also vorwärts! ! Wir sind Kunden, die niemals lange warten können. Her» ! nach wollen wir mit ihrer Erlaubniß 'mal das Silberzeug i in Augenschein nehme», ob Freund Dupont auch eine korrekte ^ Liste davon gab. Ich glaube, er übertrieb ein Bischen. Jetzt ^ aber schnell Wein!« z Jeanette, halb todt vor Schrecken, behielt doch so viel ! Geistesgegenwart, zu versprechen, daß sie alle ihre Wünsche ! nach Kräften erfüllen wolle, davon zu eilen , rasch ihre Schwiegermutter, die schon in voller Angst gehorcht hatte, zn bitten, den Engländer zu wecken und dann Wein und Erfrischungen aufzutragen. Die Schwiegermutter machte dem in aller Stille erweckten Engländer bald klar, daß es hier Raub und dann Mord geben werde, um keine Anklagen zurückzulassen. Sie wolle in aller Eile den nächsten Nachbar herbeiholen, er möge die Räuber inzwischen unterhalten und hinhalten. „Ein Engländer kann kein Feigling sein!" schloß sie. Mit einer flehenden Bitte, die unbcschützte junge Mutter für ihr Kind zu erhalten, stürzte sie davon. „Feigling!" sagte der Engländer. ,,^v<'l' n ccnvnl-l!, no, «lütt non'l, c!»!« (Niemals ein Feigling, nein, das geht nicht!) So kleidete er sich an, steckte seine beiden Pistolen zu sich und stolperte bernnter. Jeanette faßte ihn beim Arm, führte ihn durch eine Hinterthür und bat ihn, von außen wieder zn klopfen und wieder um Schutz gegen den Negen zu bitten. So geschah es. Des Engländers Erscheinen — er hieß und heißt Talbot ^- erregte natürlich eben so viel Erstaunen, als Acrger und Mißtrauen bei den drei Gaunern. Er aber setzte sich kaltblütig, bat die Wirthin um eine Flasche Wein lind grüßte die drei „anständigen Herren" herablassend. „Hier ist kein Platz für Sie, Monteur l^nFlnis (Herr Engländer!)" sagte der eine Gauner mit finster-drohendem Blick, „l'ni-llonmx, U««8i0Ul'8" (Entschuldigen Sie, meine Herren), erwiderte Talbot, „die Herrin des Hauses hat allein das Necht, dieß zu sagen. Und sie hat mir Schutz und Platz und sogar eine Flasche Wein bewilligt, wie Sie sehen. Madame, Sie sehen blaß aus. Haben Sie die Güte, mit mir ein Glas zu trinken?" Sie stürzte rasch ein Glas hinunter. „Madame noch eins, bitte!" Und sie trank ein zwei' tes und warf dabei den durchdringendsten, herzerschütterndsten flehenden Blick auf ihn. „Wir haben hier Privatgeschäfte", redete ihn jetzt einer der Gauner an; „wie lange denken Sie hier zu bleiben?" „Nicht lange", erwiderte cr, die beiden Pistolen auf den Tisch legend und sich eine Zigarre ansteckend, „vielleicht eine halbe Stunde. Voll'«'«»nl«, Hlc^icui'«.'" (Ihre Gesundheit, meine Herren') Die drei „anständigen Herren" flüsterten einige Minu» ten mit einander und schienen über ihren Plan nicht sobald einig werden zu können. Endlich wurden sie still und blieben so mit zusammengesteckten, niedergebeugten Köpfen eine Zeitlang sitzen, eine Ewigkeit für die zitternde und bebende, zarte Fran und auch nicht zum Vergnügen Talbots. Die Drei erschienen wie ein zusammengekrümmt lauerndes Ungeheuer, das im nächsten Augenblicke auf seine Beute springen will. Wann werden sie nun plötzlich alle Drei zugleich aufspringen und morden? Eine entsetzliche Frage, wenn man nur eine halbe Minute ruhig auf die Antwort warten muß. Aber sie sprangen nicht alle Drei zugleich auf, sondern nur der Eine warf dem Engländer plötzlich eine Flasche an den Kopf und stürzte jich dann mit einem Meffer auf ihn, doch fiel er auch in demselben Augenblicke, in den Kopf getroffen, mit einem gellenden Schrei todt zusammen. Die beiden Andern standen einen Augenblick schnaubend, mit offenen Nüstern. „U^icüll-s", sagte der Engländer, „beten Sie wenigstens als rechtschaffene Christen ein Vatcrnnscr, ehe Sie mich nöthigen, Sie zu Ihrem Freunde hier zu legen." ! Durch diesen Hohn auf das Wüthcndste gereizt, spran- ! gen sie Beide gleichzeitig auf ihn. Des Engländers Schuß fehlte dicßmal; so wälzte cr sich im nächsten Augenblick rin-! gend mit Beiden am Boden. Jeanette stürzte hinaus und ! schrie in herzzerreißendem Jammer nm Hilfe. Talbot's Ric-! senstärke erlahmte unter den wüthenden Stichen der Gauner, ! während er sie an den Gurgeln gepackt Inelt und sie zn ersticken suchte. Doch hielt cr fest aus, bis sie das Bewußtsein verließ. Icanrtte's Geschrei hatte die Fieberhaft, mit der Dupont und sein Knecht nach Hause eilten, zuletzt wohl noch be-! schlcunigt. Beide, stürzten athcnilos herbei, und unter dem ! Geschrei- „HolÜci-ulz! c:oljU!ll6! vo!<>u>'8!" fielen sie über ^ die beiden Gauner her, die kirschbraun, mit weit hervorge-! trctencn Augen, erstickend noch immer auf Talbot losstachcn. j Der Zufall, der hier überhaupt eine bedeutende Rolle spielte, wollte, daß Dupont gerade seinen Leinwandsack mit Fünf-! frankensti"lcken, der dem einen Gauner aus der Tasche geglit-! ten war, packte und beiden damit den Hirnschädcl unbarm-z hc.zig bearbeitete, während Jean Collas mit furchtbaren ! Fäusten in Blut und Gliedern herumgriff, bis cr auf An-! weisuüg Ieancttens den Engländer herausgehoben und auf das Sopha gelegt hatte. Jetzt wollte er beide Kerle würgen ! und stand von seinem Vorhaben bloß ab, als die jeyt nach-! gekommenen Gcnsd'armcn ihn mit Gewalt von ihnen losrissen. Talbot's Wunden waren zahlreich, aber nicht lebensgefährlich. Schon nach drei Wochen erschien er, obwohl noch blaß und schwach, vor Gericht, wo eine zahlreiche Ma»e von Zuschauern il>n im't enthusiastischem Beifall empfing. Die „Gazette des Tribunaur" , die Pariser Kriminalzeitung, der wir diese Geschichte entnehmen, schließt mit dem Berichte, daß die beiden Verbrecher ^lriivcnix lui'cü» ü per-p«!uit0«, zu Zwangsarbeit auf Lebenszeit vernrtheilt wnrden. Ans anderer Quelle (einem Berichte Talbot's in einer englischen Zeitung) erfahren wir, daß sich auch Dupont anf Lebenszeit eine Strafe auferlegte; er trinkt bloß ausnahmsweise zn Hause in Gesellschaft über den Durst, nie aber in Geschäften und nie mehr, als znr Erhöhung einer heiteren Stimmung einmal rathsam, wenn auch nicht nöthig erscheinen mag. Seine heitere Stimmung ist dauernd; sie quillt ans der ängstlichen, zärtlichen Liebe für Weib und Kind, welche in der That nur durch einen sehr merkwürdigen Zufall dem durch sein Verschulden entsetzlichsten Schicksale entrissen worden waren. Kulturhistorische Dedeutung des Vlasee. Unter allen Stoffen, welche der Geist des Menschen aus den rohen Naturkörpern erzeugte, wird stets das Eisen zuerst genannt, und dessen Einfluß anf unsere sociale und wissenschaftliche Entwicklung hervorgehoben. Wohl ist es wahr, daß Eisen das mächtigste Werkzeug des Kampfes ist, mag dieser auf dem Felde der Schlachten oder der Industrie geschlagen werden. Als Telcgraphendraht vernichtet es den gewaltigen Damm, den Zeit und Raum dem Fluge des Gedankens entgegensetzten; — hier raset es auf seinen Bahnen, den Verkehr vermittelnd, von Volk zn Volk, überspringt die Flüsse, durchwühlt die Berge. — Als stolzes Schiff eilt es über die Meere und trägt die Erzengnisse, n'elche es als Maschine geschaffenen fremden Völkern. Naschen Fluges zeichnet es als Feder unser Denken auf das Papier und verbreitet als Presse das freie Wort unter Millionen. Ein anderer Stoff ist es aber, der diese gewaltigen Wirkungen vorbereitet und möglich machte, ohne welchen die Naturwissenschaften sich nie hätten entwickeln können, und welcher sich der zerstörenden Kraft des Eisens als erhaltendes Element beigesellt: „es ist das Glas." Drei Eigenschaften des Glases erheben es vorzüglich zn einem der wichtigsten Körper: „die Durchsichtigkeit, die Fähigkeit, Lichtstrahlen von ihrer Richtung abzulenken, und der Widerstand gegen nlle Arten ätzender Flüssigkeiten und Stoffe." In zweiter Neihe sind es leichte Verarbcitbaikeit, billige Herstellung, Härte, Mangel an Porosität, schlechte Wärmeleitung und elektrische Eigenschaften, welche die allgemeine Anwendung des Glases hervorriefen. Es gibt wenige physikalische Apparate, welche des Gla« ses entbehren können, als Mittel, Vorgänge in geschlossenen Räumen sichtbar zn machen. Als Barometer nnd Thermometer mißt es für uns Luftdruck und Wärme, als Nczipient der Luftpumpe zeigt es uns die Erscheinungen im leeren Naume, gläserne Modelle von Maschinen erklären uns deren Theorie, und als Elck-trisirmaschme beweist es den Zusammenhang, die Identizität von Elektrizität und Blitz n. s. s. Die ganze Lehre der Qptik findet im Glase ihren eigentlichen Träger. Als Teleskop erschließt es uns die Tiefen des Sternen-himmels, löst die Nebel dcs Raumes auf und verfolgt die Bahnen 0er Gestirne; als Mikroskop zeigt es uns die All-belebthcit der Natur, in beiden aber die Unendlichkeit der Schöpfung. Wer vermag das Licht in der Photographie zu zwingen, die Gegenstände zn kopiren und fcstznhalten? Die Glaslinsen der (^mol'll owclirn; und wieder ist es Glas, auf dessen Oberfläche das Bild dargestellt wird. Die wunderbare, verkörperlichende Wirkung der Stereo« skopc n»ird durch Gläser erzeugt, sowie auch Panoramen nnd Nebclbilder. „Ohne Glas keine Ehemie," rief ein berühmter Chemiker aus, und wir müssen ihm vollkommen beistimmen, wenn wir bedenken, daß kein anderer Stoff den Einflüssen ätzender Flüssigkeiten derart widersteht, daß sie darin gekocht werden können, und eben dadurch bieten uns Netorten und chemische Apparate einen Einblick in die geheime Werksta'lte der Natnr. Gegen die dämonische Gewalt des im Kessel eingesperrten Dampfes schützt uns der gläserne Wasscrstandszeiger und Dampfmesser; weiße nnd farbige Glaslinsen weisen von Leuckt-thürmen ans den nahenden Schiffen die Richtung zum sichern Hafen, der Telegraphendraht ist über Glasisolatoren gespannt und ein Glaspalast hat die Industrie-Erzeugnisse und die Abgeordneten aller Völker der Erde in seinen Räumen empfangen. Wie behaglich fühlen wir uns bei stürmischem Wetter hinter einer Fensterscheibe, welche uns die Ansslcht ins Freie gönnt uud das göttliche Licht durch sich hindurchströmen läßt, während sie dem abscheulichen Winde, Schnee und Negen den Eintritt «erwehrt. Ist es nicht eine der schönsten Aufgaben des Glases, als Flasche den brausenden Nein gefangen zu halten, wenn derselbe auch mit einer Kraft, welche die Dampfkraft um das Doppelte übersteigt"), seine Fesseln sprengen wiU? Wie freundlich blinkt uns dann aus dem geschliffenen Kelchglase der perlende goldene Wein entgegen? Welche Wohlthat ist den kurzsichtigen oder den schwachen Augen eine Brille, wie angenehm strahlt das Licht einer Astrallampe durch die matte Glaskugel, wie manche Feuers'-brunst wurde durch die schützenden Glas-Wände einer Laterne ! verhütet! Die Treibhäuser werden auch passend Glashäuser ^ genannt, da ohne Glas, d. h. ohne Licht in demselben keine ! Pflanze gedeihen könnte. Glasperlen und Glasschmuck dien-> ten als Hauptannäherungs-Mittel an wilde Völker und wurden früher dagegen Gold und Sklaven eingetauscht; falsche ! Glasdiamanten dienen manchen Damen in Europa noch jetzt zu letzterem Zwecke. ! Die Anzahl der durch Operngucker gestifteten Ehen ist ! Legion, nnd der Gedanke an den Spiegel allein schon müßte ! dem Glase einen Platz im Herzen jeder Leserin sichern, wenn ^ anders Damen dankbar sein können gegen Jemanden, der ihnen stets nur die Wahrheit sagt. Sogar Fäden und gewebte Zeuge aus Glas werden fa-! brizirt, und die Wahrsagerinnen auf öffentlichen Märkten ! bedienen sich hohler Glaöfigurcil (cartesianische Teufelchen), - welche in Flaschen auf und nicdersteigcn. ! Wir haben hier noch mancke Anwendung übergangen, l glauben jedoch mit dem Gesagten zur Genüge die Wichtig-! kcit des Glases für unser ganzes Leben und für die Kulturgeschichte der ganzen Menschheit dargethan zu haben. Wissenschaft, Industrie, Handel und der tägliche Verkehr haben diesem Stoffe gleiche Fortschritte, gleiche Wohlthaten zn danken, und wir können sohin denselben ohne Bedenken in Betreff seines Einflusses dem Eisen beigesellen. (Oe. V.) ") Champaancrflaschm unterliegen meist einem Druck von 12 Atmosphären, während die meisten Dampfmaschiencu nnr nut 4 Atmosphären-Druck arbeiten. Truct und Verlag von Ign. v. Kleimnayr L5 F. Bamberg in Laibach. — Verantwortlicher Ncdaclcur F. Bamberg.