D l e --- Heinrich Costa Lebensbild D i e Herzogin von Angouleme -»B-- Ein Lebensbild Heinrich Costa. Stilles Dulden und Entsagen War ihr hart verhängtes LooS; Schmerz und Leid wie sie zu tragen Wohl erhaben ist'S und groß. Laibach 1832, Druck von Ignag ». Lleinmayr L Fedor Vamberg. L Widmung Gefühlvolle weibliche Herzen! Euch ist die gegenwärtige einfache Schilderung eines Lebens geweiht, welches so zu sagen von der Wiege bis zur Bahre eine Kette von Lei¬ den, Entsagungen und stiller Duldung darstellt. Ihr könnt mit Stolz auf dieses schmerzenreiche Leben Hinwei¬ sen, und sagen: Ein tugendhaftes Weib ist in Leiden stark und groß. — Und wenn Kummer und Sorgen Euch drücken, sei die Königstochter, die in Pracht und Schim¬ mer zu Glück und Freude geboren, durch mehr als sech¬ zig Jahre die schwere Bürde eines trauervollen Lebens in christlicher Ergebung trug, Euer Vorbild. — Da sie fern von dem Palaste ihrer Väter, wo ihre rosenumwundene Wiege stand, ihr dornenreiches Leben beschloß, und in Illyrien, in ihrem selbst gewählten Grabe bei ihren Theuern ruht, so scheint es ein Act der Pietät, ja der Pflicht zu sein, daß ein Illyrier einen Cypressenzweig auf ihren Sarg lege. Historische Daten, Original - Urkun¬ den und die eigene Wahrnehmung gaben die Momente zur gegenwärtigen Biographie; wiewohl jedoch das Schick- sal der Verewigten mit den Geschicken Frankreichs seit 1789 eng verbunden war, so geschieht von diesen hier gleichwohl nur insofern Erwähnung, als es zum Ver¬ ständnisse unumgänglich nothwendig ist; diejenigen freund¬ lichen Leserinnen aber, welche mit den besten Werken über die Geschichte von Frankreich seit der Revolution vertraut sind, mögen entschuldigen, wenn sie bekannte Stellen hier wieder finden. Vie Aeltern -er Herrogi» von Angouleme. ^nter der Regierung einer mannhaften hohen Frau, nämlich der großen Kaiserin MariaTheresia, wurde Oesterreich durch geistige Entwickelung, Aufblühen des Ackerbaues, der Gewerbe und des Handels, und durch einen geregelten, activen Staats¬ haushalt, somit durch seine Finanzen stark und mächtig. Deßhalb trachtete der staatskluge französische Minister, Duc de Choi- seul, eine Verbindung seines, im Innern bereits morschen König¬ reichs mit der lebensfrischen österr. Monarchie durch Vermäh¬ lung des Dauphins Ludwig, damals Herzogs von Berry, mit Marie Antoinette, Erzherzogin von Oesterreich, zu ermitteln, welcher Absicht die Kaiserin-Mutter, M a r i a T h e r esia, und ihr Staatskanzler, Fürst Kaunitz, in Aussicht auf die mannigfaltigen Vortheile, welche hierdurch dem eigenen Reiche zu¬ gehen würden, freundlich entgegen kamen. Man war auch aller¬ dings berechtigt, auf die Verbindung der beiden mächtigen Reiche durch Vermählung jener blühenden Zweige zweier alten Fürsten¬ stämme, für die beiderseitigen Staaten, und insbesondere für das Brautpaar, die schönsten Hoffnungen zu gründen; denn der sechszehnjährige Prinz Ludwig war aufrichtig fromm, duldsam und von wohlwollender Weisheit, mit sittlich-religiösem Sinne erfüllt. Seine Herzensgüte hatte man mit jener Heinrich IV. verglichen; er konnte über Unglückliche weinen, und suchte sie unerkannt in Hütten und Dachkammern auf, um ihnen zu helfen; in ihm wohnten die Tugenden seines Vaters, des ausgezeich- l neten Dauphins, vorhin Herzogs von Bourgogne, und der Sinn für stille Häuslichkeit seiner Mutter, M a r i e J o se p h i ne^ Tochter F r i e d r i ch A u g u st' s, Königs von Polen und Chur¬ fürsten von Sachsen. — Der kaum vierzehnjährigen Erzherzogin- Braut aber gab ihre Mutter folgenden Geleitsbrief an ihren Bräutigam mit: »Ihre Gemahlin, lieber Dauphin! trennt sich eben von mir. So wie sie stets meine Wonne gewesen, so wird sie Ihr Glück machen. Dazu habe ich sie erzogen, denn ich sah lange vorher, daß sie die Gefährtin Ihres Lebens werden würde. Ich habe ihr Liebe zu ihren Pflichten gegen Sie eingeflößt, die zärtlichste Anhänglichkeit an Ihre Person, die größte Aufmerk samkeit für Alles, was Sie glücklich machen und Ihnen gefallen kann. Vor Allem habe ich ihr Demuth gegen Gott empfohlen, indem ich überzeugt bin, daß man nie das Glück der uns anver¬ trauten Völker machen wird, wenn man es an Ergebenheit gegen den fehlen läßt, der die Scepter der Könige zerbricht und die .Throne zermalmt, wie es in seinem Rathschlusse beschlossen ist." Die ganze Bevölkerung von Wien trauerte über die Abreise der Erzherzogin, denn Hof und Volk bildeten gleichsam eine Familie, und Alles liebte die liebenswürdige und schöne Kaisers- tochtcr. Die Feste, welche man dem fürstlichen Brautpaare in Frankreich von der Gränze bis Paris und zu Versailles, wo die Vermählung am U». Mai 1770 Statt fand, bereitete, waren überaus glänzend und von verschwenderischer Pracht. DaS leicht aufregbare französische Volk aber äußerte seinen Unwillen, als sich am letzten Festtage zu Paris ein Unglück ereignete, welches Itl.'t Menschen das Leben kostete, und wobei 1200 Menschen, zwischen mehr und weniger, beschädigt wurden. Man sah dieses als ein böses Vorzeichen an, und dem fürstlichen Brautpaare ging das Unglück so sehr zu Herzen, daß es sein Einkommen eines ganzen Jahres den Verunglückten widmete; die Fürstin Braut weinte Mitleidsthräncn über sie. Die fliehende Zeit, die Lustbarkeiten des Hofes und das jugendliche Alter verwischten jedoch bald die Erinnerung an jenes unglücklich« Ereigniß. 3 Der Lod Ludwig XV. rief den kaum zwanzigjährigen, vom besten Willen erfüllten, aber in Regierungsangelegenheiten völlig unerfahrenen Dauphin als L udwi g XVI. auf den .Thron, den er 1774 mit dem ahnungsvollen Ausrufe bestieg: »O Gott, soll ich das Unglück haben, regieren zu müssen!« Marie Antoinette sah die Gefahren des Thrones nicht; sie gewahrte nicht, daß, während sie fortfuhr, sich mildthätig und freigebig zu bezeugen, die Verleumdung ihre Sitten und ihren Charakter anzutasten sich zum Geschäfte machte, wozu sie durch ihren Hang zu wechselnden Moden und Lustbarkeiten, und durch das Abstreifen der strengen französischen Hofetiquette freilich wohl zum Lheil den Anlaß gab. Die Geburt und Kindheit der Herzogin von Angoutt!ine. Ludwig und Marie Antoinette waren gegenseitig die liebevollsten und zärtlichsten Gatten; sie waren in ihrer Liebe selig, und es fehlte ihnen und insbesondere der lebensfrohen, auf dem „schönsten Throne der Welt,« wie ihn der Herzog von Choiseul nannte, in Glück und Wonne schwelgenden Königin nichts, als ein Kind, und sehnsuchtsvoll harrte ganz Frankreich auf die Geburt eines Thronerben. Die Zeit wurde am 19. Dec. 1778 erfüllt, und die Königin sank vor Freuden in Ohnmacht, weil sie meinte, einem Sohne das Dasein gegeben zu haben; denn die im Augenblicke der Geburt gegenwärtig gewesene Prin¬ zessin Lamballe sagte ihr: II siulio e nsto Der Zustand der Königin war eine Zeitlang bedenklich, als sie sich aber er holte, war der König der Erste, welcher ihr verkündete, daß sie Mutter einer Tochter sei. Die Königin sprach: »So ist es mir wie meiner Mutter ergangen, welche sich bei meiner Geburt einen Sohn statt einer Tochter wünschte, und Sie haben Ihre Wette verloren.« Der König, welcher mit der Kaiserin Marie Theresia gewettet hatte, daß ihm seine Gemahlin einen Sohn gebären würde, entgegnete mit folgenden Versen von Meta- stasio: Io peislei: lixlia psom' m'Iia eomlsnnato; M «'«> ver ob'ä voi «omiKlis, l'utto il moncio tm Aisctgtznsw, 3 Der König hatte über das Kind, womit ihn seine Gattin beschenkt hatte, eine außerordentliche Freude; mit demselben im Arme ging er im Zimmer umher, zeigte es den Anwesenden und rief ein Mal um's andere Mal: »Welch ein Glück, Vater-zu sein! Sehen Sie hier meine kleine Tochter! Sieht sie mir nicht ähnlich? Während des Wochenbettes der Königin besuchte der König Mutter und Kind jede Stunde, ja, er lief selbst aus dem Minister- rathe mit den Worten dahin: »Ich komme gleich wieder; ich gehe auf einen Augenblick weg, um die Königin zu besuchen." Die Neugeborne wurde, auf ausdrückliches Verlangen ihrer Mutter, gegen die Sitte des französischen Hofes, noch am Tage ihrer Geburt in die christliche Gemeinde eingeführt und vom Cardinal Rohan getauft; Taufpathen waren der König von Spanien Carl IH. und Maria Theresia, Kaiserin von Oesterreich. Sie erhielt die Namen: MarieThereseChar- lotte, und ihr Vater, der König, legte ihr den Titel: Mrstum« Kopist«, Mio st« jssrsnoe, bei. Der König sowohl als die Königin ließen bei der Geburt der Prinzessin in Paris und Versailles große Summen an die Armen vertheilen, und die Stadt Paris bezeugte ihre Freude durch Feuerwerke, Beleuchtung, Freudenschüsse, durch Brunnen, aus denen Wein floß, und durch Austheilung von Fleisch und Brot. Nach der Genesung der Königin aus dvm Wochenbette steuerte sie IVO arme Mädchen aus, wovon jedes 712 Livres mit dem Bedeuten erhielt, daß jene Braut, welche ihr erstes Kind selbst stillen würde, noch eine Summe Geldes erhalten sollte. Die Königin wollte durchaus jene süße Muttcrpflicht auch ihrer¬ seits erfüllen, man ließ es ihr jedoch nicht zu. Der Vermäh¬ lung der ausgesteuerten IVO Mädchen wohnten der König und die Königin bei. Freude und Entzücken umgaben die Wiege der jungen, könig¬ lichen Prinzessin; der Hofstaat beeiferte sich, der Prinzessin und ihren Aeltern Huldigungen darzubringen und dem hoffnungsvollen Fürstenkinde eine rosenreiche Zukunft zu prognosticiren. Ach, wie 6 seht, hatten sie sich getäuscht! Denn von der Kindheit bis in's Greisenalter waren nur Dornen, die bald mehr, bald weniger verwundende Stacheln hatten, auf ihren freudenleeren Pfad ge¬ streut. Die kleine Marie Therese bewies frühzeitig einen scharfen, durchdringenden Verstand, einen kräftigen Willen, einen regen Eifer zur Ausbildung des Geistes, und das zarteste Mitgefühl und Mit¬ leid. Alle diese Eigenschaften gewannen ihr die Herzen der Men¬ schen, und sie war schon in frühester Jugend um eine treffende Antwort nie verlegen. Als der Kaiser von Rußland, Paul I., der unter dem Namen eines (kvinto ün iVorcl Frankreich besuchte, Paris verließ, und von der vierjährigen Prinzessin, die er in seine Arme schloß und küßte, mit den Worten Abschied nahm: »Leben Sie wohl; ich werde Sie nie wieder sehen!» entgegnete die liebenswürdige Marie Therese: »Doch, doch, Herr Graf! ich werde zu Ihnen kommen.« Und es geschah in der Folge wirklich, aber unter höchst bedauerlichen Verhältnissen. Die außerordentlichen Geistesgaben der Prinzessin berech¬ tigten zu den schönsten Hoffnungen bei deren zweckmäßiger Aus¬ bildung; diese wurde der Prinzessin von Oiiöineno, als Gou¬ vernante der »Kinder von Frankreich,« anvertraut. Als aber die Königin am 22. October 1781 eines Kronprinzen genas, über¬ gab sie diesen der genannten Prinzessin mit den Worten: »Ma¬ dame, ich brauche Ihnen nicht dieses Kind zu empfehlen, an dessen Wohl das ganze Königreich Antheil nimmt. Es könnte keinen besseren Händen anvertraut werden; damit Sie aber desto ungestörter für dasselbe sorgen können, so bin ich gesonnen, die Erziehung meiner Tochter selbst zu übernehmen.« Es wurde gleichwohl die Herzogin von P o li g n a c als Gouvernante der königlichen Prinzessin ernannt, und als die Polignac Frank¬ reich verließ, trat die Marquise von Tourzel an ihre Stelle, die Frau von Ma kau und ihre beiden Töchter aber waren Unter- gonvernanten, und für die verschiedenen Fächer waren Lehrer bestellt. Allein, die Prinzessin erhielt zunächst von ihrer liebe- 7 vollen Mutter, dann von ihrer Tante, der ausgezeichneten Prin¬ zessin Elisabeth, vorzüglich aber in der Schule des Lebens jene tief eingeprägten Lehren, die ihr bis zum letzten Lebens¬ hauche als Leitfaden dienten. Die Königin ließ bis zum Augen¬ blicke ihres gräßlichen Todes die Erziehung ihrer Tochter ihr Hauptgeschäft, ihre heilige Mutterpflicht sein. Sie war nicht blind für die Fehler ihres gleichwohl zärtlich geliebten Kindes, dagegen aber auch bei Strafen und Belohnungen eben so flreng, als gerecht, und nie launenhaft; daher sie auch von der Tochter innigst geliebt und verehrt wurde. An jedem Morgen gegen zehn Uhr mußte die Prinzessin von einer Untergouvernante zur könig¬ lichen Mutter gebracht werden, und vor dieser die Lectioncn aus den verschiedenen Lehrgegenständen hersagen. Das Benehmen der Königin gegen ihre Tochter war wohlwollend, aber ernst; das Gespräch mit ihr stets belehrend und in religiöser Richtung ; die Prinzessin aber nahm die Lehren der Mutter mit anhaltender Bereitwilligkeit auf. Die Königin fühlte sich überaus glücklich, bei der Erziehung ihrer zärtlich geliebten Kinder persönlich Mit¬ wirken zu können, in welcher Beziehung sie, zum großen Aerger- niffe der steifen Hofdamen, die Fesseln der Etiquette, durch welche die meisten königlichen Mütter sich eingeengt sehen, als unna- lürlich und unerträglich abstreifte. Es ward ihr zum Bedürfnisse, die Augenblicke, die sie den Hofceremonien abgewinnen konnte, der Erziehung ihrer Kinder und insbesondere der Tochter zu widmen. Der König blieb diesen lobenswertsten Bestrebungen der Königin nicht fremd, wie der nachfolgende Zug beweiset. Am Gründonnerstag vor Ostern I7W empfing die Prinzessin Marie Therese zum ersten Mal das steil. Abendmahl in der Kirche 8t. Ovrmnin I Xnxmini«. Die Königin führte ihre Tochter vor dieser heil. Handlung zum Könige und sagte zu ihr: »Wirf Dich, meine Tochter, zu den Füßen Deines Vaters und bitte ihn um seinen Segen.« Die Tochter kniete nieder, der Baler aber segnete sie und sprach: »Meine Tochter, Du ver¬ langst meinen Segen? Ich gebe ihn Dir vom ganzen Herzen, indem ich zugleich den Himmel bitte, er wolle Dir die Wichtigkeit der Handlung, die Du vor hast, recht anschaulich machen. Die Unschuld und Reinigkeit Deines Herzens muß Gnade vor Gott finden; Deine Gebete müssen erhört werden. Rufe ihn an für Deine Mutter und für mich. Bitte zu ihm, daß er mir die nöthige Kraft verleihe, das Glück derjenigen zu fördern, über die er mich gesetzt hat, und die ich auch als meine Kinder zu betrachten verbunden bin. Flehe zu ihm um die Erhaltung dieses Königreichs und der reinen christlichen Lehre, und vergiß nie, liebe Tochter, daß sie die Quelle alles Glückes und der einzige Trost in Widerwärtigkeiten ist. Bilde Dir nicht ein, über Wider¬ wärtigkeiten erhaben zu sein. Wie oft hast Du nicht schon, so jung Du bist, Deinen Vater betrübt gesehen! Wer kann wissen, meine Tochter, was die Vorsehung über Dich verhängt hat, ob Du auswärts versorgt werden, oder in diesem Königreiche bleiben wirst. Wohin die Hand des Höchsten Dich führt, so bedenke, daß Du verbunden bist, durch Dein Beispiel zu lehren; thue so viel Gutes, als Du kannst. Vor Allem aber, mein Kind, unterstütze die Nothleidenden so viel Du vermagst. Gott hat uns nur deß- halb in dem Range geboren werden lassen, worin wir uns be¬ finden, um die Wohlfahrt der Niedrigen zu befördern und ihre Leiden zu mildern. Tritt nun mit Freude zum Tisch des Herrn, wo Du erwartet wirst; präge Dir die Ermahnung eines Dich auf das Zärtlichste liebenden Vaters recht in Dein Herz, und Gott erbarme sich Deiner.» Diese Worte, welche die edelsten, religiösen Gesinnungen eines zärtlichen Vaters aussprechen, mußten auf das gefühlvolle, jugendliche Herz der liebenden Tochter einen tiefen Eindruck machen; dieß beweiset die gute Anwendung der weisen Lehren, welche sie enthalten, und an welche die unglückliche Tochter des unglücklichsten Königs in den mannigfaltigen Leiden und Wider¬ wärtigkeiten ihres Lebens oft, sehr oft zurück gedacht haben mag. Die Tochter eines Hofbedienten, welcher seine treue Anhäng¬ lichkeit an die königliche Familie in der Revolution mit seinem 9 Leben büßen mußte, war die Gespielin der Prinzessin Marie Therese, und wurde mit gleicher Sorgfalt mit derselben erzogen. Die Königin und die Prinzessin liebten Ernestine, so hieß das Mädchen, ungemein, und waren beim Ausbruche der Revolution am >0. August 1792 um das Schicksal des im königl. Familien¬ kreise lebenden und erzogenen Kindes eben so besorgt, als in der Folge hoch erfreut, nachdem sie im Kerkerthurme Ernestin en's glückliche Rettung erfuhren. Marie Antoinette sprach noch vor ihrem grauenvollen Tode durch das Fallbeil, den innigen Wunsch aus, daß Ernestine dereinst mit ihrer Prinzessin- Tochter wieder vereinigt werden möchte, und als diese die Be¬ freiung aus dem Tempelgefängnisse erlangt hatte und Frankreich verließ, erbat sie sich von den damaligen Machthabern in Paris die Bewilligung, Ernestinen mitnehmen zu dürfen. Dieß beweist, wie sehr die Prinzessin Marie Therese den Wunsch der Mutter ehrte und ihre Jugendfreundin, wenn auch von niederer Herkunft, liebte. Die Nevolution. Lauft eines Jahrhunderts war unter den Borfahren Ludwig XVl der Werfall der Finanzen, der Kriegszucht und der Sitten in Frankreich auf den höchsten Grad gestiegen, und die hierdurch entstandene Zügellosigkeit eines äußerst bewegli¬ chen Volkes wuchs nach und nach vom Schneeballen zur furchtbaren Lawine, welche Ludwig nicht aufzuhalten vermochte, und die sich bis auf unsere Tage in periodischen Absätzen über Städte, Berge und Thäler des schönen Reiches verheerend dahin wälzte. „koiir Io« sott Bernadotte gesagt haben, „il sunt uns mrüii ch; ltzr eck un r>aiit ch; ve>Iotir.-z." Ludwig XVl, der den Wahlspruch hatte: »Die Könige, sind nur dehhalb auf Erden, um durch ihre Regie¬ rung die Völker glücklich, und durch ihr Beispiel tugendhaft zu machen," hätte allerdings ein ruhiges, friedliches Volk glücklich regieren können; es fehlte ihm jedoch die Kraft, ein empörtes und unzufriedenes zu beruhigen und zufrieden zu stellen, es zu zähmen. Er ließ sich von einer Hofpartei lei¬ ten, die ihn zu Maßregeln trieb, welche das Uebcl nur noch großer machten, den Unwillen des Volkes auf den König selbst lenkten, und die Revolution hervorriefen. Am 12. Juli 1789 zu Mittag ertönte in Paris von allen Thürmen die Sturmglocke; eine allgemeine Volksbewaff¬ nung und Empörung brach aus, die königlichen Garden fielen 11 die ersten vom Könige ab, und am 14. desselben Monats zerstörte das Volk das alte Staatsgefängniß, die Bastille, ermordete den Gouverneur derselben, setzte die Gefangenen in Freiheit und führte sie im Triumphe in Paris umher. Tags darauf ward die Scene nach Versailles versetzt, wo sich der Hof befand, und wo die Königin mit dem Dauphin am Arme und ihrer Tochter an der Hand sich dem aufgeregten Volke zeigte, um es zu beruhigen; am 17. Juli aber mußte der bereits persönlich bedrohte König seine geängstigte Familie zu Versailles verlassen, und begleitet von einer, mit Spießen, Keulen, Dunggabeln und andern Mordinstrumenten bewaffne¬ ten Volksmasse von Versailles nach Paris sich begeben, von wo er, nachdem man ihn genöthigt hatte, die dreifarbige Cocarde an seinen Hut zu stecken, und damit gleichsam den Aufstand gut zu heißen, erschöpft und niedergedrückt zu seiner Familie nach Versailles zurückkehrte. Marie Therese war kaum zehn Jahre alt, als das Trauerspiel begann, in welchem sie durch mehr als sechzig Jahre eine so ergreifende Rolle mitspielen mußte. Am 6. October 1789 sahen die Königin Marie Antoinette und ihre unschuldigen Kinder der furchtbaren Hydra der Revolution zu Versailles in das gräßliche Antlitz, als nämlich die wuthentbrannte Pariser Canaille den König dort aufsuchte. Schon am 5. October deS Mor¬ gens liefen liederliche Dirnen und pöbelhafte Weiber, welchen sich Männer, auch in Frauenkleidern, zugesellken, in Paris umher, und schrien nach Leibeskräften um Brot, da bei den Bäckern der volkreichsten Stadtviertel keines zu bekommen war, während es hieß, daß man in Versailles lustige und kostbare Bankette halte. Jener bunte und wüthende Volkshaufe stürmte das Rathhaus von Paris; 890 Gewehre und andere Waffen nebst 3 Kanone» wurden daselbst genommen, und nun ertönte das Geschrei durch die Gassen: »Auf, nach Versailles! nach Versailles!'' Ein abentheuerlicher Zug von abschreckenden Weibern, zerlumpten Vagabunden, hungrigen Proletariern, 12 und manchen wohlhabenden Pariser Bürgern, machte sich, mit Gewehren, Piken und anderen Mordinstrumenten bewaffnet, dahin aus den Weg. Ein wüthendes Geschrei, Sturmgeläute und Gewehrschüsse verbreiteten Schrecken und Entsetzen rings umher. In Versailles angelangt, stürmten die Weiber in die dort tagende Nationalversammlung, und nöthigten den Prä¬ sidenten, eine Deputation an den König abzusenden, und 12 der unternehmendsten Megären schlossen sich ihr an. Sie tra¬ ten barsch beim Monarchen ein, verließen ihn jedoch erweicht und gerührt durch seine Herzensgute, und riefen unaufhörlich: »Es lebe der König! Es lebe die Königin!» Dieß empörte die vor dem königlichen Schlosse harrende Menge, welche in die lautesten und wüthendsten Drohungen und abscheulichsten Schimpfworte gegen die Königin ausbrach; man verlangte den Kopf der Königin und sang die ausgelassensten und revo¬ lutionärsten Gaffenlieder. Mittlerweile begann am Waffcnplatze der Kampf mit den Leibwachen; Schüsse fallen, und bald ist der Kampfplatz vor dem Schlosse, wo die königlichen Garden aufgestellt waren, sich jedoch zurückziehen mußten. Der König wollte, daß die Königin mit ihren schreckerfüllten Kindern ent¬ fliehe, allein sie erwiderte: »Nichts kann mich bewegen, den König in diesem Augenblicke zu verlassen.» Mit einbrechender Nacht wurde es ruhiger in der Nähe des Schlosses, und gegen eilf Uhr Nachts kam Lafayette mit seiner Armee von Paris nach Versailles. Schon um fünf Uhr des andern Morgens fanden wieder zahlreiche Haufen der Aufrührer, Männer und Weiber, sich vor dem königlichen Schlosse ein; sie dringen durch den Hof der Prinzen in das Schloß, machen die Wachposten nieder, und die königliche Familie, namentlich aber die Köni¬ gin , ist in größter Gefahr. Als man diese darauf aufmerksam macht und sic wiederholt beschwört, zu entfliehen, entgegnet sie: »Niemals, niemals werde ich mich von meinem Gemal und von meinen Kindern trennen.» Schon hatten sich die Meuterer des größten Theils des Schlosses bemächtigt, als 13 der General Lafayette an der Spitze seiner Grenadiere daher kam, und der königlichen Familie und ihrer bedrängten Leib¬ wache das Leben rettete; diese brachte dem General ein stürmi¬ sches Lebehoch, der Hof aber gerührt seinen Dank dar; die Prinzessin Marie Therese und die Prinzessin Elisabeth umarmten ihn sogar im überströmenden Dankgefühle. Die Gefahr war jedoch noch keineswegs vorüber, denn als sich die Königin am Fenster blicken ließ, schoß man nach ihr. Das Volk aber verlangte sie am Balkon zu sehen, und als sie abermals daselbst, und zwar mit den Kindern erschien, schrie der Pöbel: »Weg mit den Kindern, die Königin allein, keine Kinder.» Die Königin trat mit den Kindern ab und kam sogleich allein wieder auf den Balkon; die königliche Familie zitterte für die Königin, das Gesindel vor dem Schlosse aber jauchzte ihr zu: »Es lebe die Königin!» So wandelbar war das Volk, und es hätte nur einer kräftigen Hand bedurft, um es zum Guten zu lenken. Das Ungewitter, welches sich in Versailles entladen sollte, zog weiter, und die Rebellen schrien: »Der König komme mit uns nach Paris, dieß ist das einzige Mittel, uns Brot zu ver¬ schaffen.» Der König folgte diesem Rufe mit seiner geängstigten Familie, und das Volk rief wieder: »Es lebe der König!» Schon um eilf Uhr begann die Fahrt unter dem Donner der Kanonen. — Welch' eine Fahrt! Dem Zuge voran gingen einige Rebellen, in deren Mitte man auf hohen Stangen die blutigen Köpfe zweier ermordeten Leibgardisten trug; dann folgte ein Theil der Armee Lafayette's, und unmittelbar vordem Wagen der königlichen Familie taumelten die von Paris gekommenen liederlichen und pöbelhaften Weiber; anderes Weibervolk, mit Spießen bewaff¬ net , umgab den königlichen Wagen und sang die ausgelassensten, namentlich die Königin beschimpfenden Lieder, unter unsittlichen, das Schamgefühl verletzenden Geberden. Dem Wagen der Maje¬ stäten folgten Leibgardisten, Dragoner, Nationalgarden, Alles bunt durcheinander. Häufige Schüsse und ein wüthendes Geschrei 14 vollendeten das Schauerliche des gräßlichen Schauspiels, wel¬ ches zwar den König und die Königin keinen Augenblick aus der Fassung brachte, die zarten königlichen Kinder aber aller¬ dings mit Angst und Schrecken erfüllen mußte. Nach sieben langen Stunden gelangte der Zug endlich nach Paris; man führte den König und die Königin und ihre ermü¬ deten , hungernden und geängstigten Kinder auf das Rathhaus. Auf dem Wege dahin fiel ein Schuß nach dem königlichen Wagen. Nach einer langen Rede des Maires auf dem Rathhause ent¬ ließ das ruhiger gewordene Bolk die königliche Familie in die Tuilerien, in deren Garten sich des andern Morgens eine Masse Menschen einfand, die ungestüm bald den König, bald die Königin, bald die Prinzessin Marie Therese, bald den Dauphin zu sehen verlangte, und als sie sich sehen ließen, sie wie zum Spott freundlich begrüßte. Es traten nun einige Lage scheinbar der Ruhe ein, allein am 19. October erhob sich ein neuer Sturm und umbrauste die Tuilerien. Die Gefahr für den König und seine Familie stieg von Lag zu Tag; sie konnten den Beleidigungen, wenn sie sich öffentlich sehen ließen, nicht mehr entgehen. Der König mußte am 4. Februar 1790 in der Nationalversammlung die Consti¬ tution genehmigen, und dieselbe am 14. Juli desselben Jahres am Marsfelde feierlich beschwören. Es ward ihm untersagt, sich über 29 Meilen von der Hauptstadt zu entfernen, und als er am 12. April 1791 mit seiner Familie nach St. Cloud sich begeben wollte, wurden sie vor den Tuilerien von einer uner¬ meßlichen Menge Volkes und von der Nationalgarde selbst mit dem Geschrei aufgehalten: »Laßt sie nicht fort! sic dürfen nicht fort!» Sieben Viertelstunden, während welchen Lafayette die Menge zu beschwichtigen suchte, mußten der König, die Königin, ihre angsterfüllten Kinder und die Prinzessin Elisa¬ beth unter Fluchen, Schimpfen und Schreien der Menge in ihren Wägen dastehen, und endlich vom Volke verlacht und ver¬ höhnt, in das Schloß zurückkehren. 16 Die immer gefährlicher und unerträglicher werdende Lage brachte den König zu dem Entschlüsse, mit seiner Familie geheim zu entfliehen. Die Nacht vom 19. auf den 20. Juni 1791 war bereits dazu festgesetzt, allein die Gouvernante der könig¬ lichen Kinder, Frau von Tourzel, welche nicht zurückbleiben wollte, bewirkte bedauerlicher Weise einen Aufschub von 24 Stunden. In der Nacht also vom 20. auf den 21. genannten Monats um eilf Uhr schlichen sämmtliche Glieder der königlichen Familie verkleidet aus dem Schlosse; man bestieg unansehnliche gemiethete Wägen, und fuhr glücklich an den Barrieren vor¬ über. In Bondy wurden zwei, zur Reise bequem eingerichtete Kutschen bestiegen, drei als Bediente verkleidete Leibgardisten setzten sich auf den Kutschbock. Die Reise ging glücklich und ohne Aufenthalt bis nach Sainte Mennehould, allwo der Post¬ meister Drouet den König, der unvorsichtiger Weise zum Wagenschlag hinaussah, erkannte. Er läßt zwar die königliche Familie weiter ziehen, eilt ihr jedoch zu Pferd nach, und holt sie in Barennes ein, wo er und einige seiner Gefährten mit gespannten Gewehren in dem Augenblicke, als der König fort¬ fahren wollte, zu seinem Wagen trat und rief: »Sie werden nicht abreisen; hören Sie, hören Sie die Sturmglocken, sie verkündigen Ihnen, daß man dem Verräthec auf der Spur ist!» Man nöthigte die königliche Familie auszusteigen und sich zum Procurator der Gemeinde zu begeben; der König trägt den Dauphin dahin auf dem Arme und führt an der andern Hand seine Tochter. Er läßt sich vergebens herab, den Pro curator zu bitten, ihn und seine Familie, die ihm theurer als sein Leben ist, zu retten, sie weiter ziehen zu lassen; vergebens wirft sich die Königin, umgeben von ihren Kindern, dem Pro¬ curator zu Füßen, und vergebens bittet sie dessen Gattin um Vermittlung; diese weint mit der Königin und ihren Kindern, wagt es aber nicht, sich für sie zu verwenden. Man hieß die unglückliche konigl. Familie in den Wagen steigen, die drei Leib¬ gardisten wurden gebunden und geknebelt und auf den Bock 16 des Wagens gesetzt, und so wurde die Rückfahrt nach Paris angetreten; Nationalgardisten und Bauern, mit Sensen und Mistgabeln bewaffnet, bildeten die Bedeckung, und unter Hohn und Triumphgeschrei setzt sich der Zug Schritt für Schritt in Bewegung. Auf der ganzen Route erfuhr die bemitleidenswür¬ dige königliche Familie die schmählichsten Beschimpfungen; vor ihren Augen wurde der Graf Dampierre, der sich dem Könige nahen wollte, um ihm die Hand zu küssen, niederge- ftoßen und durch Mistgabelstiche und Sensenhiebe der Massen zerfleischt, daß das Blut den königlichen Wagen bespritzte. Für den König selbst und seine Familie wäre vom wüthenden Bolke das Schlimmste zu befürchten gewesen, wenn nicht vier von der Nationalversammlung abgesandte, volksthümliche Deputirte dem Zuge entgegen gekommen wären. In der Nähe von Paris mußte die königliche Familie gleichwohl wieder abscheuliche Schmähungen und Schimpfreden vernehmen, in Paris selbst aber, wo der Zug um 7 Uhr des Abends ankam, beobachtete die unzählige Menge, die in den Gästen, an den Fenstern, ja sogar auf den Dächern und Bäumen harrte, eine mysteriöse Stille, die nur vom mehrmaligen Rufe unterbrochen wurde: »Tod demjenigen, der vor dem Könige das Haupt entblößt?' Weder die Militärwachen, noch die Nationalgarden präsentirten vor dem Könige das Gewehr. Der Einzug der von Angst, Kummer und Erschöpfung ganz hinfälligen, mit Staub bedeck¬ ten königlichen Familie bot ein jämmerliches Schauspiel dar, und manches Auge wurde naß; manche theilnehmende Seele ließ den Seufzer vernehmen: ^Ach, es ist der Anblick der Kin¬ der, welcher uns das Herz zerreißt." Auf dem Ludwigsplatze stürzte ein wüthender Bolkshaufen auf den königlichen Wagen hin; die Königin rief: »Um Gotteswillen! drängen Sie uns doch nicht so sehr; sehen Sie denn nicht, daß meine Kinder keine Luft mehr haben und beinahe ersticken; ich bitte Sie, zie¬ hen Sie sich aus Liebe für meine Kinder zurück." Es geschah, man hörte aber auch der Königin gleichzeitig die Worte zurufen: 17 »Wir werden Dich noch ganz anders ersticken." Den Zug beschloß ein mit Baumreisern geschmückter Triumphwagen, auf welchem diejenigen saßen, die den König zu Varennes gefangen genommen hatten; eine Armee von Pikenträgern zu Fuß und zu Pferd umgab ihn, und ein unbändiges Freudengeschrei, wel¬ ches die Herzen der königlichen Familie tief verwundete, wir¬ belte durch die Lüfte. Die königliche Familie wurde in die Tui- lerien zurückgebracht, und darauf das Schloßthor verschlossen. Das Volk ging seiner Wege; was aber die königl. Familie beim Wiederbetreten ihrer Appartements empfand, malt keine Feder. Nunmehr konnte sich die unglückliche königliche Familie nicht einmal im eigenen Hause frei bewegen, und war auch da, sobald sie sich nur am Fenster zeigte, vor den gröbsten Belei¬ digungen und kränkendsten Insulten nicht sicher; sie wurde sogar an heiligen Orten und während des Gottesdienstes nicht geschont. Die Tuilerien waren jetzt mit unzähligen Wachen umstellt, und selbst im Innern, in den Gängen und Gemächern, ja sogar an den Schornsteinen und auf den Dächern hatte man solche an¬ bracht; alle Lhüren, bis auf eine, wurden vermauert, und im Garten, der für Jedermann verschlossen blieb, waren Zelte für ein ganzes Bataillon Nationalgarde, welches die Wache hatte, aufgestellt, und somit war die königliche Familie in ihrem eigenen Schlosse im vollen Sinne des Wortes förmlich gefan¬ gen; sie hatte bei Tag und Nacht keine Ruhe mehr, und von Tag zu Tag verschlimmerte sich ihre Lage, vermehrten sich die Zeichen der sie bedrohenden Gefahren; sie durchwachten manche Nacht, in einem Zimmer versammelt, in Angst und Furcht har¬ rend, welche neuen Schrecken der nächste Augenblick oder der anbrechende Lag mit sich bringen werde. Ein neuer Lag des Schreckens brach ein, welchen die Pari¬ ser Demagogen herbei führten, um den König zur Bestätigung der beiden Beschlüsse der Nationalversammlung, — daß nämlich die Priester, welche auf die Constitution nicht schwören woll¬ ten, des Landes verwiesen und 20.000 Mann Militär zur Dis- r 18 Position der Nationalversammlung nach Paris gezogen werden sollen, zu zwingen und ihn vielleicht auch zur Abdankung zu dränge». Eine unzählbare Menge von Männern und Weibern der verworfensten Art zog am 2N. Juni 1792 mit Geschrei und Gejolle, mit Lanzen, Stachelstöcken, Flinten, Keulen, Heugabeln, Säbeln, Beilen, Pistolen und Sensen bewaffnet, durch die Straße von Paris und drang mit Gewalt in das bewachte und versperrte königl. Schloß ein. Die königl. Familie befand sich, wie gewöhn¬ lich in Augenblicken der Gefahr, in einem Zimmer beisammen, als die ersten Beilhiebe gegen die Thüre fielen, welche zu den königl. Gemächern führte. Der König eilte, sich den Rebellen zu zeigen, die Königin aber blieb bei den zitternden Kindern, welche ihre Mutter auf ihren Knien und weinend baten, sie nicht zu verlassen, und nicht dem Könige zu folgen, was die Köni¬ gin durchaus thun wollte. Bald kündigte ein furchtbares und immer gräßlicher werdendes Geschrei des wüthenden Pöbels an, daß er sich den Gemächern der Königin nähere; sie ging ihm mit ihren Kindern und einigen Getreuen in den Saal des Staats- rathes entgegen, und trat mit ihren Kindern hinter den Sitzungs¬ tisch des Staatsrathes; an ihrer Rechten hatte sie den Dauphin, und zur Linken die Prinzessin Marie Therese; die armen Kinder zitterten vor Angst und Furcht. Vor ihnen standen ein Paar Hofdamen und einige getreue Diener, und eine doppelte Reihe Nationalgarden hatte sich zur Bertheidigung der königl. Familie vor den Lisch hingestellt; eine andere, vier Mann hohe Reihe Gardisten stand an den äußersten Enden und so wurde dem Eindringen der Rebellen entgegengesehen, welche bald mit Keulen und Aexten die Lhür einschluge», und mit Drohungen, Schimpfworten und Verwünschungen gegen die Königin, herein sielen. Sie setzten der Königin, dann dem Dauphin eine rothe Freiheitsmühe auf, und legten verschiedene Gegenstände vor die Königin auf den Tisch hin, als: ein Beil und ein Bündel Ruthen mit der Aufschrift: „Für Antoinette,» einen kleinen Galgen, woran eine Puppe an einem Stricke mit 19 der Aufschrift hing: »An die Laterne mit Marie Antoinette!» Auf einem Brette lag ein Ochsenherz befestigt mit den Worten: »Herz Ludwig XVI.;» auf einem zweiten waren zwei Ochsen¬ horner genagelt mit satyrischen Inschriften u. s. w. Die Feder versagt den Dienst, um die Schimpfworte nieder zu schreiben, welche vorzüglich die pöbelhaften Weiber der tief verletzten Köni¬ gin in's Gesicht schleuderte. Der Königin entschlüpften einige Thränen, der Dauphin aber und die gefühlvolle Marie Therese weinten laut, wobei selbst die entarteten Weiber der Canaille menschlicher wurden, Reue bezeugten, um Verzeihung baten, die ausgestellten Dinge hinweg schafften und riefen: »Hoch lebe die Königin! Hoch lebe der Dauphin!» Endlich nach vier langen Stunden, welche dieser Tumult gedauert hatte, zog sich das Volk, zum Theil unzufrieden mit sich und seinen Führern, aus dem Schlosse zurück. Die königliche Familie athmete nun frei auf, und als der König zu ihr kam, stürzte ihm die Königin zu Füßen; er zog sie und seine Schwester an sein Herz, die beiden schuldlosen Kinder schlangen ihre Aerm- chen um diese himmlische Gruppe, und sie ließen vereint ihre Thränen fließen, während die anwesenden getreuen Diener auf ihren Knien lagen und laut schluchzten. Welch' eine Scene! des gewandten Pinsels eines großen Meisters würdig. Ein Tag des Schreckens war unter Gottes Schuh glücklich wieder überstanden; aber die Scenen dieses Tages waren nur das Vorspiel des Drama's, welches bald darauf, am 19. August desselben Jahres, folgte. Der König erfuhr, daß der Aufstands- Ausschuß für den 9. August den entscheidenden Schlag wegen Absetzung des Königs, festgesetzt hatte, und er, nämlich der König, wollte deßhalb noch einen Fluchtversuch wagen, allein sein.Wankelmuth ließ es nicht zur Ausführung kommen; er begnügte sich damit, die Tuilerien in Vertheidigungsstand zu setzen. Am i>. August herrschte in den Mauern von Paris eine unheimliche Stille. Der König und die Königin, die Mini¬ ster und Hofbeamten waren nach dem Soup« im Cabinete 2-- 20 des Staatsrathes versammelt, wo sie eine beunruhigende Nach¬ richt nach der andern über die Absichten und das .Treiben der Rebellen erhielten. Zur Mitternachtsstunde ertönte der Generalmarsch von 45V Tambours, und das gräßliche Sturm¬ geläute aller Glocken der Stadt erfüllte die'Bewohner der Tuilerien mit Angst, Furcht und Entsetzen. Um fünf Uhr des Morgens befahl die Königin, ihre Kinder zu wecken und sie in den Saal zu bringen, und nun sahen der König und die Königin die Rebellen in zahlloser Menge und mit Mord- geschrei den Tuilerien sich nahen. Ein Mitglied des Bürgcrra thes trat in den Saal des Staatsrathes und verkündigte, daß man die Absetzung des Königs verlange; ein Zweiter stellte der armen, geängstigten Königsfamilie vor, daß der Saal der Nationalversammlung für sie der einzige Rettungs¬ ort sei, wohin sie sich daher flüchtete; auf dem Wege dahin aber ward dieselbe vom aufgeregten Pöbel auf die niedrigste Weise beschimpft; man schrie: „Wir wollen keinen Tyrannen mehr! Bringt sie um!» u. dgl. Der König trat mit seinen Angehörigen in den Saal der Nationalversammlung und sprach: »Meine Herren! Ich komme hierher, um Frankreich ein großes Verbrechen zu erspa¬ ren. Ich habe geglaubt, daß ich nebst meiner Familie nir¬ gends sicherer sein könne, als mitten unter den Stellvertre¬ tern der Nation, und es ist meine Absicht, den ganzen Tag über hier zu bleiben.» Der König setzte sich mit seiner Fami¬ lie auf die Ministerbänke, man wies ihn jedoch vor die Schran¬ ken, und befahl ihm endlich, sich mit den Seinigen in die, mit einem eisernen Gitter versehene Loge eines Zeitungsschrei¬ bers zu begeben. Sie gingen dahin. In diesem engen, fin¬ stern und vergitterten Gefängnisse trat ihnen auf weißer Wand in großen schwarzen Lettern das Wort: »Tod» entgegen. Draußen aber wüthete die Rebellion: man hörte Kanonendonner und Klein¬ gewehrfeuer; die Kugeln zerschmetterten die Fensterscheiben des Parlamentssaales und das entzügelte Volk drang mit Gewalt in 21 das Gebaudc der Nationalversammlung. Die Gefahr für die königl. Familie stieg auch hier mit jedem 'Augenblicke; die Königin und ihre angsterfüllten Kinder vergossen Thränen. Jetzt ertönte unten im Freien das Jubelgeschrei: »Sieg! Sieg!» Bor der Nationalversammlung erschien eine Deputation des Bürgerra- thes, welche ihr verkündigte, daß die Revolution gesiegt habe. Eine den Saal erfüllende Stentorstimme verlangte, daß der König, als der Urheber des Blutbades dieses Tages, bestraft werde; eine andere schlug vor, daß ein National - Convent errichtet, das Oberhaupt der vollziehenden Gewalt, also der König, suspcndirt, und sofort mit seiner Familie in den Palast Luxemburg gebracht werde. Alles dieses und zahllose Verwün¬ schungen , Schmähworte und Drohungen mußte die unglückliche kö'nigl. Familie mit anhören; sechzehn Stunden saß sie ununter¬ brochen in der engen Loge auf der Folterbank. Himbeeressig mit Wasser und etwas Obst war das einzige, was man ihr in dieser langen Zeit der tödtenden Oual darreichte. Der König ging mit stoischem Gleichmuthc dem grausamen Geschicke ent¬ gegen, der Dauphin aber war, während man ihn seines Erbes entsetzte, auf dem Schooße seiner trauererfüllten Mutter ein¬ geschlafen, an welche sich ihre Prinzessin-Tochter erschöpft und ermüdet lehnte; — kann es ein ergreifenderes Bild geben? Um I Uhr Nachts wurde die unglückliche Königsfamilie mit der Prinzessin Lam balle, Frau von Tourzel und fünf Edelleuten, von einem Detachement der Nationalgarde aus der Loge des Saales der Nationalversammlung in die, zu ihrem Nachtlager bestimmten vier Zimmer abgeführt; in kei¬ nem dieser Zimmer aber stand eine Bettstätte, sondern sic mußten sich auf die dahin gebrachten, und auf den glatten Boden gelegten Matratzen hinstrecken. Um 9 Uhr des näch¬ sten Morgens wurde die kö'nigl. Familie abermals in jene enge Loge der Nationalversammlung geführt, wo sie wieder durch mehrere lange Stunden auf dem martervollen Pranger saß und jeden Augenblick den Lod erwartete, weßhalb der König alle 22 Getreuen, die ihm und seiner Fannlie freiwillig, dahin gefolgt waren, entließ; sie trennten sich unter heißen Thränen, auf „nie Wiedersehen." — Nach einem heißen Tage wurde die unglückliche königliche Familie spät in der Nacht von der Loge des Parlamentssaales wieder in ihre Schlafzimmer gebracht, und auf dieselbe herzlose Weise verfuhr man noch durch zwei Tage und Nächte mit ihr, während welchen sie die Debatten der Nationalversammlung und den Beschluß vernehmen mußte, daß die Bemitleidenswerthen dem Bürgerrathe in sichere Acr Währung übergeben und in das Gefängniß des Tempels ein¬ geschloffen werden sollen. Minie Therese im Tempel ^in altgothisches, mit hohen Mauern und Thürmen versehenes Gebäude, der Tempel genannt, weil es einst den Tempelherren gehörte, empfing die königliche Familie am 13. August 1792, um 7 Uhr des Abends, wohin sie in zwei Wägen aus dem Hause der Nationalversammlung auf weiten Umwegen gebracht wurde. Marie Therese war damals im vierzehnten Jahre, folglich in einem Alter, welches an die reinsten und heitersten Freuden des Lebens Anspruch zu machen berechtiget ist; sie aber, die Mackellose, mußte in den schmählichen Kerker wandern. Der Pöbel jauchzte den Weg entlang und schrie: »Nieder mit dem Tyrannen! Nieder mit ihm!« — Der königlichen Familie folgten freiwillig in's Gefängniß: die Prinzessin Lamballe, die Marquise Tourzel, noch einige Hofdamen, dann die Herren Hue und Chamilly und drei Bediente. Sieben massive Thuren, mit Ungeheuern Riegeln versehen, schlossen sich knarrend hinter ihnen zu. Der Thurm des Tempels, welcher zum Kerker der königl. Familie bestimmt wurde, hatte vier Stockwerke; das erste bestand aus einem Vorzimmer, aus einem zweiten Zimmer und aus einem Cabinct. Dieses Stockwerk nahmen die Wachen ein. Im zweiten, beinahe ähnlichen Stockwerke wohnte die Königin mit ihren Kindern und der Prinzessin Elisabeth, des Königs Schwester, welcher man anfänglich eine Küche als Schlafgemach angewiesen hatte. Der König, mit den Herren Hue und Cha¬ milly, wurde in das dritte Stockwerk gebracht; das vierte 24 Stockwerk blieb verschlossen. Als die königl. Familie in den Tempel trat, entfielen Lhränen den schönen Augen der Königin; ein Mitglied des Bürgerrathes aber donnerte ihr zu: »Das Volk verlangt nicht Lhränen, Madame, sondern Blut!" Nun trat die herzlose und grausame Behandlung der königl. Familie in ein neues Stadium, und nahm an Barbarei von Lag zu Lag, bis zum entsetzlichen Königsmorde zu. Man ließ die Gefangenen im Tempel am Nothwendigsten, selbst an reiner Wäsche und Kleidung, Mangel leiden; denn sie waren ohne Vorräthe, und lediglich in den Anzügen, in welchen sie sich in die National¬ versammlung geflüchtet hatten, eingekerkert worden. Das ihnen dargereichte Essen war schlecht, ja meistens ungenießbar, und der Wein derselbe, den die Wachmannschaft trank. Da der Tempel vordem unbewohnt war, mußten einige Herstellungen in dem¬ selben Statt finden, wobei die Arbeiter Schmählieder auf die königl. Familie in deren Angesicht sangen. An die Mauern wurden Guillotinen, Laternenpfähle und Galgen, mit daran hängenden Bildnissen der königl. Familie, gezeichnet; ja, man war grau¬ sam genug, vor ihren Fenstern deren Köpfe zu verlangen. Am 18. August wurden alle Getreuen, welche der königl. Familie aus Liebe und Anhänglichkeit in den Kerker gefolgt waren, von ihnen getrennt, wobei die Königin, die Prinzessinnen und der Dauphin in lautes Weinen ausbrachen; sie trennten sich mit dem herzbrechenden Gefühle, daß es auf ewig geschehe. Nun¬ mehr blieb die königl. Familie allein unter fremden, gegen sie feindlich gesinnten, hartherzigen Menschen, von denen sie die kränkendste Behandlung erfahren mußte. Sie ließen sie bei Tag und Nacht nicht aus den Augen, und selbst wann die königl. Familie schlief, standen 4 Mann Wache in jedem Zimmer. Wenn die königl. Familie den Thurm verließ, um auf dem kleinen Gras¬ platze des Tempelgebäudes frische Luft zu schöpfen, wurden die eisernen Gangthüren nie früher geöffnet, als bis die armen Ge¬ fangenen dicht davor standen, und ihnen das Getöse der zurück¬ geschobenen Riegel und das Knarren der Schlösser und Angeln 23 recht in's Ohr schallen konnte. Draußen am Grasplatze mußten sie sich allerlei Kränkungen und Beschimpfungen gefallen lassen, — die liebevollen Aeltern ertrugen sie jedoch mit Geduld, um nur den Kindern eine Stunde Bewegung in freier Luft zu verschaffen. Der König und die Königin vertraten im Gefängnisse ganz allein'die Hofmeister-Stellen bei ihren Kindern, die Prinzessin Elisabeth aber unterrichtete ihre, auch in der erdrückenden Atmosphäre des Kerkers lieblich empor knospende Nichte im Zeichnen und Sticken, welches ihnen zur Kürzung der furchtbar langen Tage der Gefangenschaft diente; man nahm ihnen jedoch endlich Alles, was zu ihrer Beschäftigung und Zerstreuung dienen und ihre bejammernSwerthe Lage einigermaßen erleichtern konnte, als: Bleistifte, Stricknadeln, Mester, Schccrcn u. dgl. weßhalb die Prinzessin Elisabeth, als sie die schadhaften Kleider ihres Bruders verbesserte, den Faden mit den Zähnen zerreißen mußte. Liebe und Treue finden den Weg auch in den Kerker, und so war es dem getreuen Kammerdiener Ludwig XVI., Clery, gelungen, die Bewilligung zu erlangen, in den Tempel einge¬ lassen zu werden, um dort seinem geliebten Könige und seiner Familie zu dienen. Er eilte am 26. August 1792 dahin; sein Erscheinen erzeugte bei der ganzen königl. Familie Rührung und stille Freude; der Edle blieb bis zur Hinrichtung des unglücklichen Königs bei demselben im Gefängnisse. Es war am 3. September desselben Jahres, als ein unge¬ stümer Lärm immer mehr und mehr dem Tempel sich näherte, und ein gräuliches Schauspiel den furchterfüllten Gefangenen sich darstellte: 6 blutbefleckte Kerle brachten nämlich das abgehauene Haupt der schönen Prinzessin Lam balle in das Gefängniß. Ent- setzen-ergriff die königl. Familie; sie brach in lautes Weinen und Wehklagen aus. Die Königin sank ohnmächtig nieder; welchen Ein¬ druck aber dieser Anblick auf ihre Tochter, die junge Prinzessin Marie Therese, für ihr ganzes Leben machen mußte, wird Jeder fühlen, dem ein Herz im Busen schlägt. 26 Bis zum 29. September Hütte die viel geprüfte königl. Familie wenigstens den Trost, daß sie vereint war, und vereint ihre Leiden tragen konnte; an diesem Lage aber entrissen die grarn samen Rebellen den König seiner Gattin und seinen unschuldigen Kindern; der Schmerz wollte die Unglücklichen tödten. Dieß rührte sogar die Liegerherzen ihrer Peiniger, und sie gestatteten- daher der königl. Familie, das Frühstück, das Mittags- und Abend¬ mahl, unter strenger Bewachung, vereint einzunehmen, wobei ihnen aber auf das schärfste untersagt war, ein leises, vertrau¬ liches Wort mit einander zu sprechen. Unter dieser neuen Be¬ schränkung und strengen Bewachung sah die Familie wenigstens ihren geliebten König und Vater täglich; ihre Zusammenkunft war stets ein Moment der wehmüthigen Freude, und eine Thränen- perle entfiel dabei dem schönen Auge der königl. Tochter, als sie die Hand des Vaters zärtlich an ihre Lippen drückte. Aber auch dieses stille Glück sollte ihr nicht lange mehr gewährt sein. Am II. December 1792, um 5 Uhr des Morgens, erweckte das Gewirbel des Generalmarsches die königl. Familie; in den Garten des Tempels rückte Cavallerie und Geschütz ein, und um II Uhr holte man den König ab, um ihn zum ersten Male vor die Schranken des Conventes zum Verhör zu führen. Welch ein entsetzlicher Moment! — Der König sah von diesem Augenblicke an seine Familie bis zum Vorabende seiner Hinrichtung nicht wieder; sie wußte nicht, was mit ihm geschah, und nur am Neujahrstage brachte ihr ein mitleidiger Municipal-Beamte die Neujahrswünsche des Königs; sie bestanden darin: — daß der Himmel ihren allseitigen Leiden ein Ende machen möchte. Am 20. Jänner 1793 verkündeten die tour« das Todesurtheil Ludwig XVI. unter den Kerkerfcnstern der königl. Familie. Die Posaune des Weltgerichtes hätte sie nicht erschüt¬ ternder ergreifen können! — Um sieben Uhr des Abends, an demselben Lage, erhielt die königl. Familie durch ein Decrct des Conventes die Bewilligung, sich zum Könige verfügen zu können, und sie eilte sehnsuchtsvoll dahin. Es ist der Sprache nicht möglich, 27 die ergreifende Scene dieses Wiedersehens zu zeichnen, auf das jugendliche Gemüth der Prinzessin Marie Therese aber mußte sie einen, ihr ganzes Leben hindurch unauslöschbaren Eindruck machen. Der unglückliche König schloß Alle in seine Arme, und drückte sie mit Inbrunst an sein liebendes Vaterherz ; sie hingen, laut weinend, an einander, und der Schmerz ertödtete das Wort auf der Zunge. Endlich brach der König das Schweigen, indem er an seine Kinder religiöse Lehren und Ermahnungen richtete, und ihnen dringend empfahl, seinen Feinden zu verzeihen; er segnete seine armen, unschuldigen Kinder; er preßte sie, seine Gattin und seine Schwester nochmals mit Inbrunst an sein mackelloses Herz, und hieß sie der Nothwendigkeit folgen und gehen. Sic wollten die Nacht über bei ihm bleiben, der König gab es jedoch nicht zu und versprach, am nächsten Morgen mit dem Frühesten sie wieder zu sehen. Dieser höchst tragische Auftritt hatte sieben volle Viertelstunden gedauert; so martervoll er aber war, so ent¬ floh der bejammernswerthen Familie die Zeit doch viel zn schnell. Der nächste Morgen eines schmerzcnvollen Tages kam nach einer, in Thränen durchwachten Nacht, und die verzweifelnde Königs¬ familie harrte mit Sehnsucht auf den Augenblick, welcher sie nochmals, und ach! zum letzten Male in die Arme des theuern Gatten, Vaters und Bruders, hätte führen sollen; plötzlich aber verkündigte ihnen ein diabolisches Freudengeschrei des ver¬ wilderten Volkes, daß das Opfer vollbracht, — der Königsmord bereits begangen worden war. — Der König wollte sich und seinen innigstgeliebten Angehörigen die herzzerreißenden Schmerzen eines nochmaligen Abschiedes ersparen, und sie deßhalb nicht mehr sehen. Die königl. Familie zerfloß in Thränen, die Königin be¬ gehrte Lrauerkleider für sich und ihre Unglücksgefährten; Marie Therese aber, die tief betrübte Tochter des ermordeten Königs, war von nun an bis zu ihrem Lebensende nur im Trauergewande zu sehen, welches ihre innere Stimmung ausdrückte. Im tiefinnigsten Schmerz und Herzeleide verlebten nun die Zurückgebliebenen ihre kummervollen Tage im Gefängnisse; das 28 Andenken an den Hingeopferten beschäftigte sie immer und immer und ausschließlich, bis ein Fußleiden der Prinzessin Marie Therese, welches sich mehr und mehr verschlimmerte und über einen Monat anhielt, die Aufmerksamkeit und Theilnahme auf sich zog. Nunmehr genoß die kö'nigl. Familie in ihrem Gefängnisse etwas mehr Freiheit und eine humanere Behandlung von Seite gefühlvollerer Municipalwachcn, für welche die Prinzessin Marie Therese in ihren Memoiren den Segen des Himmels anfleht; bald aber wurden wieder strengere Maßregeln gegen sie gehand¬ habt, und die Gewitterwolken zogen sich wieder zu neuen Stürmen zusammen. Sie mußten sich zu wiederholten Malen, mitten in der Nacht, nachdem sie bereits zu Bette gegangen waren, einer allgemeinen Visitation unterziehen, die sich bis auf die Matratzen erstreckte, und wobei man ihnen Alles, was sie hatten, der Prin¬ zessin Marie Therese sogar ein geweihtes Jesusherz und ein Gebet für Frankreich wcgnahm. Am 3. Juli 1793 traf die Unglücklichen ein neuer, furcht¬ barer Schlag, denn man entriß der unglücklichen Königin, im Auf¬ trage des Conventes, ihren Sohn, den Dauphin, um ihn in das sicherste Zimmer des Thurmes und allein cinzusperren. Die Königin widersetzte sich wie eine Löwin, der man ihre Jungen rauben will; der Dauphin klammerte sich krampfhaft und wei¬ nend an seine Mutter, und die Prinzessinnen baten, angstvoll zitternd und in Jammertönen, um Schonung; die Municipalen drohten aber, den Dauphin und seine Schwester, die Prinzessin, zu tödten, wofern der Erstere nicht augenblicklich ausgeliefert würde. Und so mußte es denn, nach einer Stunde des beharr¬ lichsten Widerstandes, unter heißen Lhränen geschehen. Die königl. Frauen selbst wurden nun ihrerseits Tag und Nacht unter Schloß und Riegel gehalten; sie hatten Niemanden mehr zu ihrer Be¬ dienung; die Prinzessinnen machten selbst die Betten, kehrten ihre Stube aus und bedienten die leidende Königin. Die Nach¬ richten, welche sie von den Mißhandlungen, die der Dauphin 29 von seinem Wächter, dem Schuster Simon, erleiden mußte, erhielten, verwundeten ihre Herzen und vermehrten unendlich ihre Trübsal. Am 2. August 1793, um 2 Uhr nach Mitternacht, wur¬ den die königlichen Frauen abermals geweckt, um der Köni¬ gin den Beschluß des Conventes zu verkünden, daß sie in das Gefa'ngniß der Conciergerie gebracht werden müsse. Neuer Kummer, neues Leid! An Widerstand war nicht zu denken, und so trennten sie sich denn unter heißen Thronen, nachdem es der Prinzessin-Tochter und der Prinzessin Elisabeth nicht gestattet wurde, der Königin in ihr neues, hartes Gefängniß zu folgen. — Sic sahen einander nie wieder! — Die Prinzessin Marie Therese hatte nun nur noch den einzigen Trost, ihre Tante, die Prinzessin Elisabeth, bei sich zu haben, welche Mutterstelle bei ihr vertrat, und welcher sie die Königin bei ihrem Scheiden inbrünstig an's Herz gelegt hatte, während sie der trostlosen Tochter die letzten Lehren und Ermahnungen des schuldlos Hingerichteten Vaters in's Gedächt- niß zurückrief. Die liebevolle Tochter flehte unaufhörlich, aber vergebens, um Wiedervereinigung mit ihrer Mutter, deren Schick¬ sal ihr verschwiegen wurde. Seit man die Königin hinweggeführt hatte, vernahmen die Prinzessinnen nichts mehr von ihr, wohl aber hörten sie mit Schauder und Entsetzen, wie der Schuster Simon den Dau¬ phin, das zarte Kind, die abscheulichsten Lieder, die Carma- gnole und Marseillaise singen, und fürchterliche Flüche gegen Gott, gegen die königliche Familie und die Aristokratie lehrte. Am 21. September um 1 Uhr in der Nacht wurde den beiden Prinzessinnen angekündigt, daß sie hinfür nur ein Zim¬ mer zu bewohnen habe» werden, dann, daß sie sich auf das Nothwendigste der Lebensbedürfnisse beschränken müßten, und daß außer dem Holz- und Wasserträger Niemand in ihr Zim¬ mer kommen dürfe; man fügte die Bemerkung bei, daß in der französischen Republik die Gleichheit das erste Gesetz sev, 30 die Gefangenen in den andern Kerkern aber Niemanden zur Bedienung hätten, die Prinzessinnen folglich sich dasselbe ge¬ fallen lassen müßten. Am 8. Oktober kamen einige Mitglieder des Conventes in den Kerker der beiden Prinzessinnen, und befahlen der Prin¬ zessin Marie Therese, ihnen zu folgen; sie umarmte ihre Tante und gehorchte. Die vierzehnjährige Prinzessin sah sich nun zum ersten Male allein unter Männern, und zwar unter welchen Männern, — unter solchen, von denen sie das Aergste zu befürch¬ ten hatte. Sie empfahl sich dem Schutze des Himmels, und folgte mit bang klopfendem Herzen Man führte sie an dem Zimmer ihres Bruders vorüber; die Geschwister fielen einan¬ der beim Wiedersehen weinend in die Arme, sie wurden jedoch gleich wieder getrennt, und man hieß die Prinzessin in ein Gemach treten, wo sie ein Verhör, unter andern über viele, das jungfräuliche Zartgefühl im höchsten Grade verletzende Fra¬ gen bestehen mußte, worüber sie bittere Thränen vergoß; sie faßte aber gleichwohl den Muth, ihren Peinigern das unver¬ schämte, rücksichtslose Betragen als eine Infamie vorzuhalten. Drei lange Stunden währte das Verhör, in welchem die Com Mission eigentlich nichts von allem dem erfuhr, was sie erfah¬ ren wollte, den» die Prinzessin gedachte der Lehre ihrer Aeltern, daß es besser sey zu sterben, als einen Andern, wer er auch immer sey, in Gefahr zu bringen. Man brachte nun die Prin¬ zessin, welche abermals vergebens bat, mit ihrer Mutter ver¬ einigt zu werden, in ihr früheres Gefängniß zu ihrer Tante zurück, der sie weinend in die Arme siel, die man aber sogleich von ihr losriß, um sie gleichfalls zu einem ähnlichen Verhöre zu schleppen, aus welchem sie nach einer Stunde wieder zurück¬ kehrte. Wenige Lage nach jenen Verhören hörten die Prin¬ zessinnen vor ihrem Kerkerfenster das Todesurtheil der Königin Marie Antoinette verkündigen; sie schracken zusammen, aber sie erfuhren und ahneten nicht, daß die einst allgemein angebetete Marie Antoinette am 16. October 1703, acht 31 Monate nach ihrem Gemal, auf demselben Blutgerüste ihr Leben wirklich verblutet habe. Sie lebten daher zwischen Furcht und Hoffnung in angstvoller Ungewißheit. Erst anderthalb Jahre nach vollbrachter That erhielt die unglückliche Tochter die niederschmetternde Kunde vom schauderhaften Tode ihrer innigstgeliebten, tief beweinten Mutter. Marie Therese beklagt sich sehr in ihren Memoiren über die Härte, mit welcher sie und ihre Tante nunmehr behandelt wurden; die gemeinsten Schergen dutzten sie, sie wurden dreimal des Tages haarscharf visitirt, wobei die Muni- cipalen die lästerlichsten und abscheulichsten Reden und Flüche ausstießen; man nahm ihnen endlich Alles, was ihre Lage einigermaßen hätte erträglicher machen können: man versagte ihnen das Holz zur Heizung ihres Gefängnisses und entzog ihnen sogar das Kerzenlicht, weßhalb sie sich schlafen legen mußten, wenn es in ihrem Kerker finster wurde, und das war sehr früh der Fall, da das Kerkerfensier nicht nur mit einem sehr dicke» Eisengitter, sondern auch mit Klappläden, durch welche das Tageslicht nur spärlich hinein zu dringen vermochte, versehen war, damit man die Eingckerkerten von Außen nicht sehen konnte. Am 9. März 1794 Abends, als die Prinzessinnen eben zu Bette gehen wollten, wurde die Prinzessin Elisabeth von Municipalen wieder abgeholt und hinweg geführt; sie umarmte ahnungsvoll ihre, in Lhränen zerfließende Nichte und empfahl ihr, ruhig zu bleiben, bis sie wieder kommen würde. Einer der Municipalen aber raunte ihr zu: „Nein, Burgerin, Du wirst nicht wieder kommen, nimm nur Deine Habseligkei¬ ten und gehe mit?' — »»Nun denn,"" sagte die Prinzessin Eli¬ sabeth zu ihrer Nichte, »»dann bleibt Dir noch eine Stühe: Gott! — Bete für mich."" Sie ging, und kam nicht wie der, sondern wurde am 40. Mai 1794, in ihrem dreißigsten Jahre, von den blutgierigen Unmenschen guillotinirt. Die arme Prinzessin Marie Therese sah sich nun im zartesten Alter, 32 und in der größten Gefahr, in welcher sich ein so junges Mäd¬ chen befinden kann, ihres schützenden Engels beraubt; Gebet und Religion waren ihr einziger Schutz, ihre einzige Tröstung. In ihren Memoiren kömmt die nachfolgende, die Prinzessin Elisabeth betreffende, aber beide Prinzessinnen überaus ehrende Stelle vor: »Seit ihrem fünfzehnten Jahre hatte sic (näm¬ lich die Prinzessin Elisabeth) sich Gottergeben, und nur an das Heil ihrer Seele gedacht. Seit dem Jahre 1790, als ich fähiger wurde, sie zu würdigen, habe ich an ihr nichts Anderes gesehen, als Religion, Liebe zu Gott, Abscheu vor der Sünde, Sanftmuth, Frömmigkeit, Sittsamkeit und große Anhänglich¬ keit an ihre Familie, indem sie niemals den König und die Köni¬ gin verlassen wollte. Ich kann die Güte nie genug rühmen, die sie für mich hatte, und die nur mit ihrem Leben endete. Sie betrachtete mich als ihre Tochter und sorgte auch für mich, und ich werde sie stets als eine zweite Mutter verehren; ich habe ihr alle kindlichen Gefühle gewidmet. Man sagte, daß wir uns sehr ähnlich sähen; ich fühle, daß ich etwas von ihrem Charak¬ ter habe; möchte ich doch alle ihre Lugenden besitzen und sie der¬ einst nebst meinem Vater und meiner Mutter im Reiche Gottes wieder finden, wo sie, wie ich nicht zweifle, den Lohn für einen Lod genießen, der ihnen so verdienstlich gewesen ist." Die verwais'te Königstochter saß nun mit ihrem namen¬ losen Schmerz und herzzerreißenden Jammer allein im veröde¬ ten Gefängnisse. Ihre Mutter und ihre Tante hatten ihr empfohlen, daß, wenn sie ihr entrissen würden, sie um eine Frau bitten solle, die bei ihr im Kerker zu bleiben hätte, damit sie nicht allein unter Männern sey. Die arme, ver¬ lassene Prinzessin brachte diese Bitte vor, man antwortete ihr aber mit Hohn, daß sie keine Kammerfrau bedürfe, denn sie habe ja nicht nöthig, sich vor den Mauern zu putzen. Sie wurde übrigens nunmehr etwas glimpflicher behandelt, sie durfte nach Belieben ihr Zimmer Heizen, man gab ihr Bücher, es war ihr gestattet, auf die Plattform des Gefäng- 33 nißthurmes zu gehen, und ihren Bruder, der in einem Neben¬ zimmer gefangen gehalten wurde, zu besuchen; die Gefängniß- Aufsehcr aber, die sie zu ihm und von ihm zurück geleiteten, waren nur bisweilen freundlich und human, meistens betrunken und roh. Man nannte sic durchweg »Tochter Capet's," weil man ihren unglücklichen Vater seit seiner Thronentsetzung, um ihn noch mehr zu erniedrigen, Ludwig Cap et hieß. Von der Plattform des Gefängnißthurmes aus konnte sie die Tuilerien, wo ihre Wiege stand, und sie die einzigen frohen Tage ihres Lebens, nämlich ihre Kinderzeit verlebte, sehen; was mußte sie bei deren Anblick fühlen! Am 9. Juni 1795 beweinte Marie Therese den Tod ihres, im eigentlichen Sinne des Wortes im Kerker verkümmerten Bruders, Ludwig XVII. Sie sah mit blutendem Herzen ihn wie eine Pflanze, der es an Licht und Luft gebricht, an Geist und Körper dahin welken; in den letzten Monaten sei¬ nes Lebens aber durfte sie ihn nicht mehr besuchen, ja es war ihr nicht einmal gegönnt, seine Leiche mit ihren Thrä- nen zu benetzen. — Wenn wir auf alle Leiden und Entsa¬ gungen Hinblicken, welche die unerforschliche Vorsehung der engelsreinen und unschuldigen Prinzessin Marie Therese in so zartem Alter aufcrlegt hatte, so müssen wir die Kraft und Seelengröße bewundern, womit sie ihr schweres Kreuz in christli¬ cher Demnth und Ergebung zu tragen vermochte; ihr erhabe¬ nes Beispiel ist vollkommen geeignet, bei Leiden und Wider¬ wärtigkeiten des Lebens zur aufopfernden Geduld und Aus- harrung zu ermahnen und anzueifern. 3 Mm'ie Theresen's Defrciunss aus dem Tempel. » -Vie Waise des Tempels« schien von der Revolution im Kerker vergessen worden zu sein; die Stadt Orleans aber legte am neun¬ ten Tage nach dem Lode des Dauphins für die Freilassung der unglücklichen Tochter Ludwig XVt. bei dem Convente durch Abgeordnete ein Wort ein. Die Deputaten sagten: „Wer möchte die Verwaiste nöthigen, ferner an einem Orte zu leben, der noch vom Blute ihrer Angehörigen dampft.» Ein Gleiches that Nantes, und Charette, der Hauptanführer der Vendtze, verlangte im Namen derselben, und als Bedingung der Beruhigung jener Pro¬ vinz, daß Marie Therese ihren noch lebenden Verwandten wieder gegeben werde. Diese und ähnliche Remonstrationen veranlaßten den Con¬ vent, welcher die Prinzessin fortwährend unter der hartherzigen Behandlung des Pariser Municipalrathes schmachten ließ, eine Deputation in den Tempel abzuschicken, um sich nach ihr zu erkundigen. Die Deputation entschuldigte bei der Prinzessin, daß der National - Convent erst erfahren hätte, wie strenge und unwürdig sie behandelt werde, weßhalb er die Abgeordne¬ ten beauftragt habe, sich davon durch den Augenschein zu überzeugen und ihre Wünsche entgegen zu nehmen. Die Prin¬ zessin, welche überhaupt aus Grundsatz und Kränkung über ihre unwürdige Behandlung ein beharrliches Schweigen beobachtete, antwortete auch jetzt auf jene Anrede nicht. Einer der Depu¬ taten fragte sie hierauf, ob sie mit ihrem Bette zufrieden sei; 35 sie antwortete ganz kurz: »Ja.« »»Und mit der Leibwäsche?«« fragte man sie weiters. Die Prinzessin entgegnete: „Es sind schon viele Wochen, daß ich keine erhielt." Die Deputirten überzeugten sich nun davon, sowie von der Beschaffenheit der Geräthschaften des Gefängnisses der Prinzessin, und sie fanden in einem Eck¬ schranke desselben einige Bücher, namentlich: »Die Nachfolge Christi, von Thomas von Kempis," und andere Gebet- und Erbauungsbücher. Der Deputirte H a r m a n d machte der Prin¬ zessin die Bemerkung, daß jene Bücher wenig geeignet seyen, ihr in ihrer Einsamkeit eine angenehme Zerstreuung zu gewäh¬ ren, der sie doch so sehr bedürftig sey, und er fragte sie, ob sie nicht eine unterhaltendere Lecture zu erhalten wünsche? Die kaum sechzehnjährige Prinzessin entgegnete aber: »Nein, mein Herr, gerade diese Bücher sind die einzigen, die sich zu meiner Lage schicken.» — Die Deputirten verließen sie voll Achtung und Ver¬ ehrung, und befahlen vorläufig, der stillen Dulderin eine bessere Kost zu reichen, zugleich aber erstatteten sie an den Convent einen ausführlichen Bericht über Alles, was sie gesehen, gehört, und verfügt hatten, worauf Treilhard am 30. Juni 1795 im Namen der allgemeinen Sicherheitscommission den Antrag stellte, die Prinzessin Marie Therese Charlotte von Frankreich gegen die Deputirten B a n c a l, L a m a r qu e , O ui- nette und Camus, dann gegen den Kriegsminister Beur- non ville, welche insgesammt Dumouriez an die Oester¬ reicher ausgeliefert hatte, als sie ihn im Namen des blutgieri¬ gen Convents gefangen nehmen wollten, und endlich gegen den, durch den Berrath an der geflüchteten Königsfamilie berüchtig¬ te» und in österreichische Gefangenschaft gerathenen Postmeister und Conventsmitglied Drouet auswechseln zu lassen. Der Convertt, welcher nunmehr, nach dem Lode Robespierre's, Marat's und anderer Blutmenschen, aus Männern bestand, die des Blutvergießens und der Gräuel satt waren, genehmigte jenen Vorschlag und beauftragte den General Pichegru, deß- halb mit dem österreichischen General Grafen Clairfait, in s* 36 dessen Händen sich jene fünf Geißeln befanden, in Unterhand¬ lung zu treten, welche sich aber bis zum Ende des Jahres 1795 verzog. Mittlerweile gestattete der Convent dem Mitleide, sich der Prinzessin zu nähern; die Marquise von Tourzel, Frau von Bethune C ha rost, von Mackau, die ehemalige Gou¬ vernante der Prinzessin, und Frau von Laurent, ihre ehema¬ lige Amme, welche sämmtlich den Gefahren der Revolution, dem Kerker und Schaffote mühsam entgangen waren, besuchten sie; insbesondere bezeugte die Frau von Tourzel der Herzo¬ gin von Angouleme stets eine treue Ergebenheit, weshalb sie nachmals Ludwig XVtll. bei ihrer Rückkehr nach Frankreich, zur Herzogin erhob. Die Frau von CH ante renne wurde der Prinzessin als Gesellschafterin beigegeben. Man gestattete der Prinzessin auch, in Begleitung der Aufseher des Gefängnisses in den Garten des Tempels zu gehen, in welchem sie nun mit dem treuen Gefährten ihrer langen und harten Gefangenschaft, nämlich mit dem Hunde ihres Vaters, den er ihr bei seinem Gange zum Blutgerüste zurück ließ, zu sehen war. Hue, der ehemalige Kammerdiener L udwigXV l., hatte sich ein, in jenen Garten gehendes Fenster gemiethet, und sang der unglücklichen Königstochter in Liedern Tröstung zu, wie einst der getreue Sänger Blondel seinem geliebten Herrn, Richard Löwen¬ herz, vor dem Kerkerthurme von Dürenftein. Hue brachte ihr hierdurch und durch Zeichen von ihrem Oheim L u dw ig XVIls. Kunde, die sie erwidern durfte, weil ihre Wächter es nicht zu gewahren schienen; Charette ließ ihr auf demselben Wege die Versicherungen der Treue und die Wünsche seines Heeres zukommen. Am 18. December 1795, als am Vorabende des siebzehnten Geburtstages der Prinzessin Marie Therese, durften ihr ihre getreuen Freunde eine Serenade darbringen, und noch in derselben Nacht wurde sie nach mehr als dreijähriger, qualvoller Gefangenschaft aus dem schauerlichen Kerker des Tempels erlöst, in welchem sie folgende Worte als Ausdruck ihrer Leiden und Empfindungen, und in 37 Ermanglung des Schreibgeräthes, mit einer Nadel an die Wand des Kerkers und im Steinfrics des Fensters desselben eingegra¬ ben, zurü'ckließ: „Es lebe meine gute Mutter, die ich so herzlich liebe, und von welcher ich leider gar steine Nachricht erhalten kann. — Charlotte ist die unglücklichste Person von der Welt; man gibt ihr keine Nachricht von ihren Aeltern, will sie durchaus nicht zu ihrer Mutter thun, ob sie gleich zu tau¬ send Malen darum gebeten hat. — Ach, Vater! wache über mich oben im Himmel! — Gott! vergib denen, die meinen Vater tödteten?' Marie Therese verließ den Kerker, um in die Verban¬ nung zu gehen. Der damalige Minister des Innern von Frank¬ reich, Benesech, führte die Prinzessin aus dem Tempel in das Hotel der Minister, von wo sie Lags darauf der Wagen des Ministers durch abgelegene Gaffen bis vor das Thor St. Martin brachte. Hier erwartete sie ein Reisewagcn mit Post¬ pferden, den sie sofort bestieg, und der pfeilschnell mit ihr dahin¬ rollte; so schnell aber auch der Wagen sich bewegte, so schien es der Prinzessin doch zu langsam, denn sie hörte hinter sich das Fallbeil dröhnen, und sehnte sich mit ihren, der Wuth der Revo¬ lutionstieger entgangenen Ihrigen vereinigt zu werden. Es begleiteten sie: der Commiffär des Tempelgefängnisses G a u m ai n, der von der Prinzessin selbst dazu erwählt wurde, dann der Gefängnißwächter Car au und Frau von Soucy, die Toch¬ ter ihrer ehemaligen Gouvernannte von Mackau. Hue, der ehemalige Kammerdiener des Königs, dann der Prinzessin Kam¬ merfrau, ein Koch und ein Kochgehilfe folgten der Prinzessin Lags darauf. Der Name Sophie sollte das Jncognito der Prinzessin verhüllen, allein ihre Aehnlichkeit mit ihrer verstorbenen Mutter Marie Antoinette verrieth sie allenthalben, jedoch ohne Gefahr; denn Flugschriften und Journale hatten bereits die öffentliche Meinung für die unschuldige Dulderin gestimmt, und das Volk war ruhiger, gemäßigter und mitleidiger geworden, 38 es war der gegenseitigen Verfolgungen, des Blutvergießens und der Schlachtopfer satt. Die Reise ging zunächst nach Basel, wo am 25. Decem¬ ber die Auswechslung der Prinzessin gegen die früher genann¬ ten Gefangenen durch Herrn Backer an den Prinzen von G a v re Statt fand. Dieser begleitete nun die Prinzessin nach Wien. Die ganze kaiserliche Fanulie eilte ihr entgegen; der Kaiser nahm sie in die Hofburg auf, wo sie als ein Glied der kaiserlichen Familie angesehen und als eine Erzherzogin von Oesterreich behandelt wurde. Ungeachtet der langen Haft und der vielen physischen und moralischen Leiden, hatte sich die Schönheit der Prinzessin mit allen Reizen der Jugend entwickelt; der frische Teint, der schlanke Wuchs, die feinen und maje¬ stätischen Züge, das schöne Haar und die blauen Augen, aus denen die Wehmuth der Erinnerung an die überstandenen Leiden und erlittenen schmerzlichen Verluste sprach, fesselten alle Blicke, und manches Auge weihte der vielgeprüften stillen Dulderin eine Mitleidszähre. Ihr ungekünsteltes, gefälliges und einneh¬ mendes Benehmen, und die Vorstellung von den Leiden, welche die Prinzessin in der Blütenzeit ihres Lebens erfahren mußte, gewannen ihr alle Herzen; sie bewies, daß sie mitten unter Cannibalen die guten Lehren ihrer Aeltern im tugendhaften Her¬ zen treu bewahrt hatte. Das damalige Einkommen der Königs¬ tochter bestand in den Zinsen von 400.000 fl., welche ihr die Erzherzogin Christine von Oesterreich, Gemalin des Herzogs Albert von Sachsen-Leschen, testamentarisch hinterlassen hatte. Wiedervereinigung mit der Inmilie und Ver- mälung mit dem Herzoge von Angouleme. Älls die Prinzessin Marie Therese nach Wien kam, befand sich ihr Ohm Ludwig XVIII, der sich nach dem Tode ihres Vaters Regent von Frankreich, und nach Ableben ihres Bru¬ ders, des Dauphins, König von Frankreich und Navara nannte, zu Mitau in Curland. Es eröffnete sich nun zwischen Oheim und Nichte ein herzlicher, eifriger Briefwechsel, welcher zunächst die eheliche Verbindung der Prinzessin mit I^ouis Antoine sie tiunlho», Duo (s'XiiA uulö IUU, ältestem Sohn des G rafen von Artois, nachmaligem König Carl X., zum Gegenstände hatte. Kaiser Kranz beabsichtigte eine Verbin¬ dung der Prinzessin mit dem Erzherzog Carl, sie aber zog es vor, sich mit ihrem Vetter, dem Herzoge von Angoulome zu vermählen, wie es der Wunsch ihres verstorbenen Vaters, und auch Ludwig XVIII. war. Ludwig XVIII wünschte diese Verbindung vorzüglich aus dem Grunde, um die Prinzessin dermaleinst in glücklicheren Tagen nach Frankreich, wo sie so viel gelitten hatte, im Triumph zurück zu führen, und sie und das fran¬ zösische .Volk versöhnt wieder zu vereinen. Die Prinzessin willigte ohne Bedenken ein, und ging deßhalb im Sommer nach Mitau, wo sie am 5. Zuni eintraf. Ludwig XVIII. war ihr entgegen gefahren, und als sie seinen Wagen von der Ferne erblickte, ließ sie sich nicht halten, sondern sprang aus ihrer Kutsche, 40 um dem Oheim, dem Bruder ihres viel beweinten Vaters, ent¬ gegen zu eilen. Wer beschreibt den schmerzlich-süßen Augenblick des ersten Wiedersehens! Die Prinzessin sank zu Ludwig's Füßen und umklammerte seine Knie, als wäre es ihr eigener, tief betrauerter, unvergeßlicher Vater, an dem sie Frankreich's Schuld abzubitten hätte; ihre Seele sprach in Thränen ihre Gefühle aus, und L udwig, selbst in Thränen zerfließend, hatte Mühe, sich zu fassen und die Wiedergesundene aufzurichten, um sie in seine Arme, an sein Herz zu drücken. Die Prinzessin fand endlich Worte, um ihrem gepreßten Herzen Luft zu machen, und sie sprach: „O wie glücklich bin ich, mich wieder mit Ihnen ver¬ einigt zu sehen; sehen Sie in mir ihr Kind, wachen Sie über mich, seien Sie mein Vater!" Auch der Herzog von A n g o ul e m e war seiner Cousine und bestimmten Braut entgegen gefahren, und war bei ihrem Anblicke nicht minder ergriffen. Ludwig stellte die Verlobten einander vor, und sie fuhren mitsammen nach Mitau, wo der liebenswürdigen und geliebten Prinzessin Jedermann mit herzlicher Freude und.Lheilnahme entgegen kam. Aber unter denen, die sie in Mitau empfingen, war auch der AbbtzHeinrich Essex, Edgeworth von Firmont, der Ludwig XVI. in seinen letzten Augenblicken die Tröstungen der Religion darbrachte, und denselben auf dem Gange zum Blutgerüste mit seinem Arme unterstützt hatte; er war es, der, als das Fallbeil den Lebensfaden des Königs durchschnitt, diesem zurief: „Sohn des heiligen Ludwigs, steige zum Himmel empor!" Als die Prinzessin den Abb6 erblickte, füllten sich ihre Augen mit Thränen; sie war einer Ohnmacht nahe, und wünschte mit ihm allein zu sein; er schien ihr ein Bote des Himmels, der ihr die letzten Grüße und Segnungen ihres hingemordeten Vaters überbrachte. „Lassen Sie mich an Ihrem Busen ausweinen," sagte sie zu ihm, „der Erguß dieser Thränen in Ihrer Gegen¬ wart wird mir das Herz erleichtern." Edgeworth mußte ihr in einer langen Unterredung alle herzzerreißenden Details der letzten Augenblicke ihres unglücklichen Vaters mittheilen, bei deren 41 Erzählung der guten, gefühlvollen Tochter das Herz brechen wollte. Der Abbe versicherte, daß das edle Gemüth der Prin¬ zessin nicht mit einer Sylbe eine Verwünschung oder Rache über die, von den Franzosen an ihren geliebten Aeltern und Ver- wandten begangenen Mordthaten geäußert, sondern vielmehr ihren und ihrer Aeltern grimmigen Feinden der Gottheit gleich verziehen, und ein so edles und großmüthiges Herz bewiesen habe, als es sich nur in einer Menschenbrust denken läßt. Am 10. Juli 1799 vermählte der Abbo E d g ew o rth im Schlosse zu Mitau die Prinzessin Marie Therese Char¬ lotte, legitime aber verbannte Erbin des Thrones von Frank¬ reich, mit dem gleichfalls verbannten Prinzen Louis Antoine von Bourbon, Herzog von A n g o ul v me. Der Kaiser von Rußland unterzeichnete den Ehevcrtrag, und befahl die Hinter¬ legung eines Eremplarcs desselben im Archive des russischen Senates. Die Neuvermählten blieben mit Ludwig XV1I1, der die Herzogin seine Antigone nannte, vereinigt, und theilten sein Schicksal bis zu seinem Tode. Sie blieben zunächst in Mitau, und zwar bis 1801 , bis ihnen nämlich Paul I. von Rußland, wegen der damals eingetretenen politischen Verhält¬ nisse, den ferneren Aufenthalt in seinen Staaten untersagen mußte, worauf sie sich nach Warschau unter königl. preußischen Schutz begaben, wo sie ziemlich ruhige, jedoch freudenleere Tage verlebten, aber nur bis zum Jahre 1805 verweilen konnten; denn es zwangen sie die fortschreitenden Siege N a p o l e on's und die Besorgnisse des Berliner Hofes, abermals nach Rußland, nach Mitau, zu wandern. Hier starb am 22. Mai 1807 der edle E d g ew o rth an der fürchterlichen Seuche, die er sich durch die Pflege der damit behafteten, dahin gebrachten fran¬ zösischen Kriegsgefangenen zuzog. Die Herzogin von A n g o u - l v m e war seine getreue Pflegerin in dieser gefahrvollen Krank¬ heit, und sie beweinte aus ganzem Herzen den Verlust ihres frommen Freundes und Seelenarztes. Ludwig XVIll, der Herzog und die Herzogin von Angouleme wurden bei ihrer 42 Rückkehr nach Rußland vom Kaiser Alexander I. auf das Zuvorkommendste und Freundschaftlichste ausgenommen; allein die Siege Napoleons und der Tilsiter Friede nöthigte die Bourbons 1807 das feste Land zu verlassen und nach England zu gehen, wo sich der Graf von Artois (Carl X.) schon seit 1796, meistens in Edinburgh aufhielt. Die gesammte bourbon'sche Familie wohnte nun auf dem, von Ludwig XVIII angekauften, einsamen Landgute H artwell in Buckinghamshire bei London, in stiller Abgeschiedenheit beisammen, und zwar die Herzogin von Angouleme unter dem Namen einer Mar¬ quise von M e ill e raye, des Augenblicks harrend, welcher sie wieder nach Frankreich führen würde. Die Herzogin von Angouleme erschien auch am eng¬ lischen Hofe, und zwar das erste Mal am 4. Juni 1811, als sie nämlich vom Prinz - Regenten zur Geburtsfeier Georg's III. eingeladen wurde; der ganze Hof nahm sie damals und jederzeit mit der innigsten Theilnahme und mit jener Auszeichnung auf, die ihr überhaupt allenthalben in der Verbannung, wo sie sich immer hin begab, zu Theil wurde. Rückkehr nach Frankreich ^kTls die verbündeten Machte 1814 in Frankreich eingedrungen waren, eilte der Herzog von Angoulömezu Wellington, die Herzogin aber blieb bis zur Entscheidung des großen Kam¬ pfes mit ihrem Oheim Ludwig XVIII in Hartwellhouse. Der Herzog von Angoulöme sah am 12. März 1814 zu Bordeaux zuerst die Lilien des Hauses Bourbon aufpflanzen, die Herzogin aber machte am 23. April mit ihrem Oheim L u d- wig XVIII auf einer prächtigen Jacht, welche die Wimpeln aller verbündeten Mächte trug, und von ü Linienschiffen, meh¬ reren Fregatten und anderen Fahrzeugen begleitet war, unter fortwährendem Donner der Kanonen die Ueberfahrt von Dover nach Calais, und betrat hier den väterlichen Boden wieder. Ein vielstimmiger Jubel des Volkes empfing die Rückkehrenden, und als sie landeten, drückte Ludwig XVIII die Herzogin an sein Herz und sprach: „Ich erhalte die Krone meiner Ahnen wieder; wäre sie von Rosen, so würde ich sie auf Dein Haupt setzen, da sie aber von Dornen ist, so steht es mir zu, mir damit die Stirne zu bedecken?' Von Calais bis Compitzgne, wo viele Marschälle und De¬ putationen Ludwig XVIII. ihre Huldigung darbrachten, und von Compiögne bis Paris begleitete sie der Jubel des Volkes; die Stadt Paris erschöpfte sich in Freudenbezeugungen. Lud¬ wig hielt mit der Herzogin von Angoulöme am 3. Mai in Paris den Einzug. Das Volk jubelte und schien außer sich 44 vor Freude, als sich der König am Balkon der Tuilerien zeigte und seine Arme gegen dasselbe ausbreitete. Was muß die tief fühlende Prinzessin bei dem Anblicke der Stadt, in welcher sie so viel gelitten und ihr Theuerstes, ihre geliebten Aeltern am Blutgerüste verloren hatte, empfunden haben? Ihre kaum vernarbten Wunden mußten beim Wieder¬ betreten der Tuilerien, in denen sie als Kind so selig, und dann, ach! so unaussprechlich unglücklich war, schmerzlich wieder auf¬ brechen und bluten. Ihr erstes Geschäft bei der Rückkehr in ihre gleichwohl immer geliebte Vaterstadt war, die theucrn Ueber- reste ihrer Aeltern aufzusuchen, um über ihnen zu weinen und zu beten; sie weihte sich ganz dem Andenken ihrer unvergeßli¬ chen Hingeopferten und den Armen, denen sie ihr Vermögen widmete. Ihre fromme Seele kannte keinen Haß und keine Rache; sie war jetzt und immer der Worte eingedenk, welche ihr Vater vor seinem Martertode in seinem, im Tempel geschrie¬ benen Testamente vom 20. Jänner 1793 an seinen Bruder Ludwig XVIII. richtete: »Weniger durch die Gewalt der Waffen, als durch die Versicherung einer weisen Freiheit und guter Gesetze wirst Du meinem Sohne sein, durch die Aufrührer usurpirtes Erbtheil wieder geben. Vergiß nie, daß es mit meinem Blute gefärbt ist, und daß Dir dieses Blut Gnade und Verzeihung zuruft! Dein Bruder bittet Dich darum, und Dein König befiehlt es?' Es schien nunmehr die Dynastie der Bourbonen in Frankreich wieder befestigt und der Kreislauf der Staatsumwäl¬ zung in jenem vielgeprüften Reiche geschlossen zu sein; aber am I. März 1815 erschien der gewaltige Heros, den die alliirten Mächte nach der Insel Elba verwiesen hatten, plötzlich wieder in Frankreich. Sein Erscheinen riß das Heer und die Nation hin, und am 20. desselben Monats sah sich Ludwig XVIII. genöthigt, bei Nacht und Nebel aus Paris zu fliehen. Der Herzog und die Herzogin von Angoulöme befanden sich damals auf ihrer berühmt gewordenen Rundreise im südlichen Frankreich, 45 wo sie allenthalben mit größtem Enthusiasmus ausgenommen wurden; sie waren eben (am 9. Marz) zu Bordeaux, als sie die Nachricht von der Landung Napoleon's erhielten, und der Herzog, vom Könige zum General - Lieutenant des Königreichs ernannt, eilte nach Toulon, um sich an die Spitze der Armee zu stellen. Er ließ die Herzogin zu Bordeaux zurück, sie der Treue der Bevölkerung anempfehlend; die Herzogin aber, die man bis zu diesem Augenblicke bloß für eine stille Dulderin hielt, bewies hier Muth und Entschlossenheit. Stadt und Volk von Bordeaux waren der Herzogin ergeben, nicht so jedoch die Trup¬ pen. Sie ließ sie daher, und zwar das 3. Linien-Regiment und ein Bataillon des 62., in der Caserne antreten, begab sich dahin, ging zweimal durch die Reihen, wo man sie schweigend und mit finsterer Miene empfing; dann trat sie in die Mitte des Quar- rö's, befahl den Officieren, zu ihr zu treten, und redete sie so an: „Die Nationalgarde ist entschlossen, die Stadt gegen eine Handvoll Aufrührer zu vertheidigen. Dieß ist der Augenblick, zu beweisen, daß Ihnen Eide heilig sind. Ich berufe Sie, um selbst über die Gesinnungen eines Jeden zu urtheilen. Ich will, daß man freimüthig spreche, Ich fordere es. Sind Sie geneigt, die Nationalgarde zu unterstützen?» Keine Antwort. „Sie erinnern sich also nicht mehr des Eides, den Sie vor weni¬ gen Tagen in meine Hand wiederholten? Gibt es noch Einige, die sich daran erinnern, und der Sache des Königs getreu blei¬ ben, so mögen sie aus den Gliedern treten und sich laut melden.» Man sah einige Degen schwingen. „Ihr seid gering an Zahl,» fuhr Madame fort, „allein das thut nichts; man weiß wenig¬ stens, auf wen man rechnen kann.» Jetzt erhoben Einige die Stimme, und versicherten, daß sie gegen Madame persönlich nichts unternähmen. „Auf mich kommt hier gar nichts an,» erwiderte die Herzogin, „sondern auf den Dienst des Königs; wollt Ihr ihm dienen?» Als die Soldaten „Nein!» antwor¬ teten, fragte sie, ob sie wenigstens Ordnung in der Stadt erhal¬ ten und verhindern wollten, daß die Sicherheit der National- 46 garden gefährdet werde? Nach dieser harten Probe ging die Königstochter in das Fort Lrompette, mitten durch die düstern Gewölbe, und redete die dort liegenden und für Napoleon gerüsteten Krieger, im Namen der Ehre, und ohne ihr trotzi¬ ges Stillschweigen zu beachten, an. »Ich habe/' schloß sie, »nie aufgehört, das Wohl des Vaterlandes zu wünschen, denn ich bin Französin — aber ihr seid nicht Franzosen. Geht, entfernt Euch." Den Napoleonischen Generälen sagte sie scheidend: »Sie, meine Herren, müssen mir für die Sicherheit dieser Stadt und ihrer Einwohner haften. Halten sie ihre Truppen in Ordnung und schützen Sie die Stadt gegen Aufrührer." — »»Wir schwö¬ ren es Ew. königl. Hoheit!"" — »Keinen Eid; gehorchen Sie dem letzten Befehl, den Ihnen die Tochter Ihres Königs crtheilt." Als die Herzogin sah, daß alle ihre Bemühungen fruchtlos seien, die Truppen und die Stadt dem Könige zu erhalten, schiffte sie sich am 2. April bei Ankunft des General-Lieutenants Clan- zel auf einem englischen Kutter nach England ein, und ging nach Gent zu ihrem Oheim und König Ludwig XVIII.; ihr muthvolles Benehmen zu Bordeaux aber, riß selbst den Kaiser Napoleon zur Bewunderung und zum Aussprüche hin, sie sei der einzige Mann in der Familie Bourbon. Die Capitulation von Paris am 3. Juli eröffnete Lud¬ wig XVIII. die abermalige Rückkehr auf den Thron von Frankreich, und er zog am 8. Juli 1815, um 3 Uhr Nach¬ mittags, unter Wellington's Schutz in Paris wieder ein, mit ihm die Herzogin von Angoulllme. Und das Volk jubelte wieder. — Die Herzogin theilte fortan das Loos ihres Oheims und Königs, sie hatten aber vom Anbeginn an nur wenige und einzelne heitere Tage; denn ein geheimer Bund, das sogenannte diiootour^ —wie viele Liberale offen zugeben, und der Verfasser des „68 d^rnior« hvönkmont 5 mit der Herzogin nach Bordeaux; als aber in den mittäglichen Provinzen von Frankreich bedenkliche Unruhen ausgebrochen waren, und der politische und religiöse Fanatismus dort 1815 und 1816 die Protestanten verfolgte und mordete, sandte Ludwig XVHI den Herzog von Angoulöme dahin, dem es gelang, die Ruhe wieder herzustellen. Die Herzogin war ihrem Gemal auch dahin gefolgt, und stand ihm mit ihrem erfahrungsreichen Rathe zur Seite; man sagt, und vielleicht nicht mit Unrecht, daß er diesen stets gern befolgt, und daß sie auch auf ihren königl. Ohm einen mächtigen Einfluß geübt habe. Die Vermälung des jüngern Bruders des Herzogs von Angoulöme, nämlich des Herzogs von Berry, am 17. Juni 1816 mit Caroline Ferdinanda Louise, Tochter des nachmaligen Königs Franz I. beider Sicilien, brachte Freude in's Haus Bourbon, und wiewohl die trauervolle Jugend der Herzogin von Angoulöme und die sie fortwährend beunruhigenden Ereignisse ihrem Gemüthe einen ernsten Charakter aufgedrückt hatte, sie daher mit der heitern, lebensfrohen Herzogin von Berry nicht zu sym- pathisiren vermochte, so nahm sie nichts desto weniger an den Leiden und Freuden derselben den innigsten Antheil. 48 Der Schöpfer hatte der Herzogin von Angoulvme das süße Glück der Mutterfreuden versagt, sie war aber hoch erfreut, als die Herzogin von Berry Mutter wurde, und insbesondere, als diese am 20. September 1820 einem Prinzen, nämlich dem Herzog von Bordeaux (Oiouflanno, der von Gott gegebene), das Leben gab. Als aber der Herzogin von Berry schnell nach einander zwei Kinder starben, und vol¬ lends, als eine frevelhafte Hand ihrem Gatten, dem Herzog von Berry, am 13. Februar 1820, des Abends, zur großen Bestürzung der französischen Nation, das Leben nahm, da war die theilnahmsvolle Herzogin von A n g o u l o, m e in tiefster Seele betrübt. In einem Schreiben vom 7. März >820 an eine hohe Verwandte, als Erwiederung auf ein Beileidsschreiben, spricht sie sich folgendermaßen aus: „Ich wurde durch das Schreiben, welches mir E. k. H. mittelst der Herzogin von Orleans zukommen ließen, sehr gerührt. Wie gut sind Sie, in welcher höchst gefühlvollen Weise drücken Sie Ihren Abscheu gegen das begangene Verbrechen aus, und wie sehr theilen Sie unseren großen Schmerz. Empfangen Sie die -Versicherung unserer allseitigen innigsten Dankbarkeit." „Unsere Gesundheit ist, so weit cs die Umstände erlauben, gut, selbst auch jene des Königs, ungeachtet der erfüllten, traurigen Verpflichtung, seinem Neffen die Augen zugedrückt zu haben. — Mein Gatte ist ebenfalls sehr betrübt; er verlor einen Freund und Bruder; sie liebten einander, ungeachtet der Verschiedenheit der Charaktere, zärtlich." „Wir waren in dem Augenblicke der schrecklichen Lhat nicht gegenwärtig, wohl aber meine Schwägerin; sie bewies sich sehr muthig und Gott ergeben; sie hat Alles gesehen. Sie war schon in den Wagen gestiegen, aber beim Schrei ihres Mannes sprang sie wieder herab, warf sich auf ihn, verband ihn selbst, und ver¬ ließ ihn, trotz seiner und unserer Bitten, bis an sein Ende nicht. Der Herzog hat wunderbarer Weise noch sieben Stunden nach sei¬ ner Verwundung, welche tödtlich war, gelebt; der Himmel hatte 49 ihm die Gnade gewährt, durch sein Leiden denselben zu verdienen, und durch seine fromme christliche Geduld die Umgebung zu erbauen. Er beklagte sich mit keiner Sylbe, sondern bat für sich um die Gnade Gottes, für seinen Mörder um jene des Königs. Diese furchtbare Nacht wird nie aus meinem Gedächtnisse schwinden. Seine Gattin half, sich selbst vergessend, dem Chirurgen und ermu- thigte ihren Gemal bei den schmerzhaften Operationen. Ich be¬ greife sehr wohl, daß sie ihn nicht verlassen wollte, aber ich be¬ fürchte , daß ihr dieses und der große Schmerz übel bekommen möchte, da sie guter Hoffnung ist. Ihre liebenswürdige kleine Toch¬ ter ist ihr einziger Trost; man ließ sie in jener schrecklichen Nacht kommen und sie empfing den Segen ihres Vaters. Armes Kind, so jung, so unglücklich! Sie ist meine Tochter, da sie meine Pathe war. Der Herzog litt viel, behielt aber die Gegenwart des Geistes bis zum letzten Augenblicke und starb sanft, ohne Convulsionen. Ich führte die Gemalin des Verstorbenen und seine Tochter nach Hause; wir verließen sie wenig den Tag über, aber sie konnte sich in ihrer Wohnung im Elisöe wo sie mit ihm so glücklich war, nicht mehr sehen, deßhalb führte ich sie Abends nach St. Cloud; sie hat dort 8—10 Tage ziemlich ruhig zugebracht und wir be¬ suchten sie täglich. Ich konnte nicht bei ihr bleiben, da ich meine betrübte Familie nicht allein lassen durfte; die Herzogin von Orleans vertrat mich daher und blieb mehrere Tage bei ihr. Nachdem der Leichnam ihres Gatten nach St. Denis gebracht wurde, wünschte sie hieher zurück zu kehren, und mit ihrer Tochter bei uns in den Luilerien zu wohnen. Wir bringen einen Theil des Tages und alle Abende dort zu. Sie befindet sich ziemlich wohl, und beweist eine große Charakterstärke, viel Muth und Resignation; sie weint häufig, was sehr natürlich ist, und ihr wohl thut. Sie nimmt übrigens auf ihren Zustand alle mögliche Rücksicht, und ich hoffe, daß sie ihn zum Guten austragen werde, was für sie und uns eine große Freude wäre. Das Verbrechen steht noch vereinzelt da, weil der Mörder nicht reden will, und keinen Mitschuldigen nennt. Er sagt, er habe 4 ZO schon seit 4 Zähren den Entschluß gefaßt und ihn ganz allein ausgeführt; ich glaube jedoch nicht, daß er keine Mitschuldigen hätte. Er ist ein Mann aus dem Volke, ohne Grundsätze, und der nur solche schlechte Bücher las, wie sie in Frankreich und in anderen Ländern leider nur zu sehr verbreitet sind, und welche zu allen Verbrechen führen." „Der Verblichene war Ihnen sehr ergeben. Sie haben ihn gekannt; er besaß ein vortreffliches Herz, und war ein guter Vater und Gatte. Möge er dort oben bitten, daß ich mit denjenigen vereinigt werde, die ich mein ganzes Leben beweine, und deren Bitten und Lugenden, wie ich hoffe, bereits die himmlische Krone erlangt haben, und neue Verbrechen von meinem Vaterlande abwenden werden. Uebrigens muß ich mitten unter so vielen Leiden und Gräueln Frankreich die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sich die Nation in diesem Falle zum größten Lheil aufrecht benahm; der Schrecken und das Entsetzen waren allgemein, und der aufrichtigste und lebhafteste Schmerz zeigte sich allenthalben; die Zahl der Schlechten ist gering, und es wäre, wie ich meine, leicht, sie ungeachtet ihrer Kühnheit und Verwegenheit, die sie zu Allem fähig macht, zu unterdrücken." Wiewohl es außer Zweifel gestellt wurde, daß Louvel, der Mörder des Herzogs von Berry, die Vernichtung des Hauses Bourbon zunächst durch die Ermordung des Herzogs schon lange bei sich beschlossen, und bei diesem gräulichen Ver¬ brechen keine Mitschuldigen oder Teilnehmer hatte, so wußte nichts desto weniger der leidenschaftliche Parteihaß der Ultra's diese Gelegenheit geschickt zu benutzen, um den damaligen Pre¬ mierminister und Liebling Ludwig XVIU, nämlich den Gra¬ fen von Decazes, der Mitschuld an der Ermordung des Her¬ zogs von Berry durch Begünstigung liberaler Ideen, insbe- dere bei der Herzogin von Angouleme zu verdächtigen, und Ludwig XVUk konnte ihren Lhränen und Beschwörungen nicht widerstehen, und enthob seinen Liebling und Minister, indem er ihn gleichzeitig zum Herzog und Botschafter am groß- öl britannischen Hofe ernannte. Nach den bitteren Erfahrungen, welche die Herzogin von Angouleme gemacht und nach den Schrecknissen, die sie erlebt hatte, ist ihre Furcht vor den Folgen eines nur einigermaßen freisinnigen Regierungssystems allerdings sehr gerechtfertigt. Wir ersehen übrigens hieraus, welche Macht die Norme des Hauses Bourbon über Ludwig XVIII. aus¬ zuüben vermochte. Solche unwiderstehliche Stimmen sind es, welche gar oft das Schicksal nicht nur einzelner Menschen, son¬ dern auch ganzer Familien und Völker lenken. Der Geist des französischen Volkes schien nach jenem erschütternden Fürstenmorde von allen revolutionären Ideen gene¬ sen zu seyn, und Ludwig XVIII. beschloß im April 1823 ein Heer von IOV.VOV Mann unter dem Befehle des Herzogs von Angouleme, zur Herstellung der legitimen Ordnung in Spanien, dahin in's Feld zu senden. Dieser Feldzug war ein Triumph Ludwig XVIII., und der Generalissimus, Herzog von Angouleme, erwarb sich und mittelbar seinem Stamme, durch Heldenmuth und Milde das Vertrauen und die treue An¬ hänglichkeit des damaligen französischen Heeres. Die Herzogin von Angouleme hatte daran, und namentlich ander Sie¬ gerglorie ihres Gemals, wie jederzeit, ihren Antheil. Die chronische Krankheit des Königs wurde bereits im August 1824 sichtbar tödtlich, was die Herzogin, da sie ihn wie einen Vater liebte und verehrte, in große Trauer versetzte, und als am 16. September desselben Jahres die Auflösung Ludwig XVIII. erfolgte, da wurde sie vom größten Schmerz mächtig ergriffen. — „1i6 koi est moi't, vive le Hoi!" Mit dieser alther¬ kömmlichen Formel wurde Carl X. als König von Frankreich proclamirt, und sein Sohn, der Herzog von Angouleme, nahm den Titel Dauphin, dessen Gemalin aber den Titel Dauphine an. Man sagt, und wohl mit Grund, daß die Herzogin von Angouleme auch auf C a rl X. einen mächtigen Einfluß geübt habe, und es wird zunächst der düstere Geist, welcher am fran¬ zösischen Hofe herrschte, und den die, mit einem heitern Tem- 4* 32 peramente begabte Herzogin von Berry vergebens zu verban¬ nen suchte, der Herzogin von Angouleme zugeschrieben; war es jedoch verwunderlich, daß die Herzogin von Angouleme bei so schmerzlichen Erinnerungen nicht froh und munter sein konnte, und zwar namentlich in jener Stadt, die ihr so viel Leid zugefügt hatte, wo ihre Lieben, ihr Vater, ihre Mutter, ihre Tante, ihr Bruder und unzählige Freunde ihres Hauses als unschuldige Opfer der Revolution fielen? Sie sah stets die furchtbaren Gestalten und Gesichter jener Schreckenszeit vor sich, und Freudenfeste und Lustbarkeiten konnten den Nachklang des damaligen Revolutionsungethüms in ihren Ohren nicht über- täuben. Auch mochte die »Seherin des Tempels" die heranna¬ henden Gewitterwolken, die ihrem Hause abermals drohten, geahnt, und mit ihrem durch zahllose Leiden geschärften inneren Auge vorausgesehen haben. Ca rlX. Regierung trafzwar manche zweckmäßige Einrichtung, und der König handelte durchweg in der guten Meinung, daß er seine Regentenpflicht erfülle; allein die gereizte Presse verdächtigte und tadelte Alles, was die Regie¬ rung that, es mag nun tadelnswerth gewesen sein, oder nicht, und so wurde Carl X. auf der einen Seite von der maßlosen Opposition der periodischen Presse, und auf der andern Seite von der ultra-reactionären Partei zu außerordentlichen Maßre¬ geln und zu den verhängnißvollen Ordonnanzen vom 26. Juli 1830 gedrängt, durch welche er die Auflösung der Deputirten- kammer, die Zusammenberufung einer neuen Kammer, die Ver¬ änderung des Wahlgesetzes, die Suspension der periodischen Presse u. s.w. decretirte. Der Herzog und die Herzogin von Angou- leme hatten von diesen Ordonnanzen keine Kenntniß, denn sie befanden sich bereits seit Anfang Juli im Bade Vichy in der Bourgogne, und hatten keine Ahnung, daß in Paris Dinge vor¬ gehen, in deren Folge sie jene Stadt nicht wieder sehen würden. Abermalige Verbannung- A^m 27., 28. und 29. Juli 1839 entbrannte in Pans ein bluti¬ ger Barrikadenkampf. König Carl und sein Hof befanden sich in St. Cloud, der Herzog und die Herzogin von Angou¬ leme aber, wie gesagt, in einem Bade der Bourgogne. Carl hielt die Sache anfänglich nicht für so ernsthaft, und meinte vielmehr, daß der Sturm nur ein Sommerungewitter sei, auf welches ein um so heiterer Lag folgen werde; am 30. Juli Nachmittags aber erfuhr er die wahre Sachlage und den Sieg der Pariser Bürger über die Soldaten; er mußte daher von nun an dem Drange der Umstände weichen. Der Herzog von Angouleme eilte, sobald er von den Vorfällen in Paris Kunde erhalten hatte, zum Könige nach St. Cloud, welcher sich am 31. Juli um 3 Uhr des Morgens mit der Herzogin von Berry und ihren Kindern von da nach Lrianon begab. Der Herzog von Angouleme folgte ihnen Nachmittags mit den Truppen nach und sie verfügten sich sodann vereint nach Rambouillet, wo die Herzogin von Angouleme verkleidet von Dijon her eintras. Von hier aus versuchte Carl X. mit der provisorischen Regierung zu Paris zu unterhandeln, und hier unterzeichnete er mit seinem Sohne, dem Herzoge von Angoulöme, die Lhronentsagungsurkunde zu Gunsten seines Enkels, des Herzogs von Bordeaux, mit welcher die Herzo¬ gin von Angoulvme keineswegs einverstanden war, und welche ganz einfach, unbeachtet und erfolglos in das Staatsarchiv von 34 Frankreich hinterlegt wurde. Carl X. folgte dem Gebote der Nothwendigkeit, und brach am 3. August um 10 Uhr Abends mit seiner Familie und von mehreren Lausend Mann Militär aller Waffengattungen freiwillig begleitet, von Rambouillet nach Cherbourg auf, indem er erklärte, er wolle lieber sein Vaterland abermals verlassen, als zum Bürgerkriege Anlaß geben. Die Herzogin von Angoulöme war tief ergriffen, denn sie sah den Umfang des Mißgeschickes, welches ihre alten Wunden wieder schmerzlich aufriß, vollkommen ein. In Dreux entließ Carl seine Fußgarde nach Ablieferung der Fahnen, und behielt nur noch 8VOReiter und 2 Kanonen zu seiner Bedeckung; in Valognes übernahm er von den ihm treu gefolgten 8 Schwa¬ dronen Leibwache die Fahnen mit den Worten: »Ich nehme Eure Fahnen zurück! Sie sind ohne Mackel. Mein Enkel wird sie Euch wiedergeben.« Am 16. August fuhr Carl X. mit seiner Familie durch die Stadt Cherbourg nach dem dortigen Hafen, wo er mit dem Herzog und der Herzogin von Angou- löme, der Herzogin von Berry und ihren beiden Kin¬ dern, dann mit seinem Gefolge, worunter sechzig Personen von Stand, das Packetboot »Britain" und das Segelschiff »Charles Caroll" bestieg. Die entlassene Leibwache stand wäh¬ rend der Einschiffung am Ufer in Reihe und Glied, und ruhig sah das Volk die betrübte Königsfamilie abermals den väterli¬ chen Boden verlassen. Die englische Regierung stellte es dem verbannten Könige frei, in England zu landen, wo es ihm beliebe; er stieg sofort am 23. August im Hafen von Poole an's Land, und begab sich mit seinen Angehörigen am 24. nach Ludworthcastle in Dorsetshire, dann aber nach dem schon bei seiner ersten Verbannung bewohnten alten Königsschlosse Holy¬ rood in Edinburgh. Als die königliche Familie auf der Rhede von Leith ankam, wurde sie achtungsvoll ausgenommen. Carl X. nahm den Namen eines Grafen von Ponthieu, der Herzog und die Herzogin von A n g o ul o m e aber jenen eines Grafen und der Gräfin von M a r n e s an. 36 Die Herzogin von Berry wurde von den Carlisten in Frankreich aufgefordert, dortselbst mit ihrem Söhne zu erschei¬ nen, und die Rechte desselben zu vindiciren; die Herzogin von Angouleme war den Absichten der Herzogin von Berry nicht fremd, Carl X. wagte jedoch nicht, sie zu unterstützen. Die Herzogin von Berry verließ gleichwohl im Juni 1831 England, und ging nach Frankreich, welches Wagniß sie als Staatsgefangene auf der Citadelle von Blaye hart büßen mußte. Ihre Kinder blieben seit ihrer Abreise von Holyrood, und in Folge ihrer Wiedervermälung mit dem sicilianischen Grafen Hector Luchesi-Palli, zweitem Sohne des neapolitani¬ schen Fürsten von Campo-Franco, Viceko'nigs von Sici- lien, bei Carl X. zurück, und die Herzogin von Angou- löme übernahm deren Erziehung, insbesondere jene der Prin¬ zessin Louise. C a rl X. verließ Edinburgh mit seinen Ange¬ hörigen am 17. September 1832, um sich in Oesterreich eine Freistatt zu suchen; der Lord-Oberrichter und die Magistratsper¬ sonen von Edinburgh begaben sich nach Holyrood, um das Bedauern über diesen Entschluß auszusprechen, welches auch in zahlreichen Adressen ausgedrückt wurde; die Edinburger Blät¬ ter aber sagten: »Personen aller Classen wetteiferten, um der verbannten Kö'nigsfamilie jeden Beweis von Hochachtung dar¬ zubringen. Das Benehmen dieser Familie ist Hochachtungs¬ werth gewesen. Die äußeren Formen der Religion streng beob¬ achtend, haben sie durch ihre Handlungen bewiesen, daß sie auch von dem Geiste derselben durchdrungen sind. Wohlthä- tigkeit übten sie im Stillen. Diese Eigenschaften, verbunden mit einem liebreichen Wesen, mit Herzensgüte und Einfachheit, haben ihnen die Herzen Aller gewonnen?' Dieß bezog sich wohl zunächst auf die engelsgute Herzogin von Angoulöme, welche schon am 9. September 1832 mit ihrer Nichte, der Prinzessin Louise, die den Namen eines Fräuleins von Rosny ange¬ nommen hatte, von Edinburg über London nach Rotterdam, und von hier über Frankfurt a. M. und Nürnberg nach Wien 36 abgereist war, wo sie am 6. October eintraf, und als eine hohe Verwandte des kaiserlichen Hauses mit Auszeichnung aus¬ genommen wurde. Won Wien begaben sich die beiden Fürstinnen am 25. October nach Prag, wo mittlerweile auch Carl X., der Herzog von Angouleme und der Herzog von Bor¬ deaux, als Graf von Chambord, mit Gefolge eingetrof¬ fen waren; das gejammte Gefolge bestand damals aus fünfzig Personen. Kaiser Franz I. bewies dem alten vertriebenen Könige die theilnehmendste Bruderliebe, und der ganzen Kö'nigs- familie die zuvorkommendste Gastfreiheit; er wies ihr die alte Königsburg, den Hradschin als Wohnsitz an und befahl, daß dem Könige und der Herzogin von Angoulöme königliche Ehren erwiesen werden sollen; eine Ehrenwache zeichnete daher den altfranzösischen Hof aus, dem der hohe Adel Böhmens die Honneurs machte. Die fromme Herzogin von Angou¬ leme theilte hier ihre Zeit in Gebet und Erziehung der »Kin¬ der von Frankreich," nämlich ihres Neffen Heinrich, des sittsamen Herzogs von Bordeaux, und ihrer Nichte, der feurigen, lebhaften Louise Marie Therese d'Artois. Nach einem beinahe vierjährigen, höchst zurückgezogenen Aufenthalte in Prag, unter stetem Harren, daß sich Carl's Trostwort und Hoffnung: ,,1'out llans eo monflo et en cliunAsra aussiverwirklichen werde, sah sich die könig¬ lich französische Familie im Mai 1836 bemüßigt, Prag und den Hradschin wegen den Vorbereitungen zur Krönung Kaiser Ferdinand I. zu verlassen. Die Herzogin von Angou- leme war bereits am 14. April 1836 mit Mademoiselle, ihrer Nichte, nach Wien gefahren, wo sie bei Hofe die freundschaft¬ lichste Aufnahme und in der kaiserlichen Burg ihre Wohnung fanden; sie kehrten jedoch schon zu Anfang Mai nach Prag zurück und gingen dann nach Carlsbad, welches die Herzogin von Angouläme seit ihrem Aufenthalte in Prag alljährlich mit ihrem Gemal zu besuchen pflegte. Hierauf verfügten sich die beiden Fürstinnen nach Linz, wo sie den König, dann den 37 Herzog von Angoulöme und den Herzog von Bordeaux trafen. Der König wollte seinen Wohnsitz in einem milden Clima ausschlagen, ohne die österreichische Monarchie zu ver¬ lassen; er war jedoch unschlüssig, ob er Laibach oder Görz zu seinem Aufenthalte erwählen sollte. Nachdem in Laibach eben die Cholera mit Heftigkeit ausgebrochen war, entschied sich Carl X. für Görz und machte sich im August 1836 aus dem Badeorte Töplitz in Böhmen dahin auf den Weg, wo bereits im April für die königliche Familie und den Hofstaat Wohnungen gemiethet worden waren. Die Reise ging sehr langsam, weil in Triest und in der Umgegend von Görz eben¬ falls die Cholera ausgebrochen war, und weil man sie aus¬ toben lassen wollte, ehe die königliche Familie dahin gelangt. Diese hatte kaum Budweis erreicht, als der Herzog von Bor¬ deaux von einer gefährlichen, entzündlichen Krankheit befallen wurde und man sich folglich genöthiget sah, dort Halt zu machen. Die Unterkunft im Gasthause zu Budweis war für die königliche Familie und ihr Gefolge viel zu enge, daher beeilte sich der Herzog von Blacas, des Hauses getreuer und dienstfertiger Freund, einen geeigneteren Aufenthaltsort für seinen königlichen Herrn und seine Familie ausfindig zn machen, und es gelang ihm, die Herrschaft und das schöne Schloß Kirchberg am Walde nächst Krems und St. Pölten in Unterösterreich vom Grafen d'Orsay käuflich an sich zu bringen, die er seinem Könige und Herrn zur Disposition stellte, wohin sich sonach die hohen Herrschaften mit ihrem Gefolge begaben, und von wo sie erst im October die Reife nach Görz fortsetzten. Der Herzog und die Herzogin von Angoulvme, mit ihrer. Nichte Louise Marie, Gräfin Rosny, Mademoi¬ selle von Frankreich, kamen bereits am 7. October, Carl X. mit dem Herzog von Bordeaux aber erst am 21. desselben Monats nach Görz; diese beiden schlugen im Schlosse Gra¬ fenberg, jene im Palaste des Grafen Strassoldo-Billa- 88 nuooa ihre Residenz auf. Die Bewohner von Görz empfin¬ gen die verbannte königliche Familie mit innigster Theilnahme und bezeugten ihr die aufrichtigste Hochachtung; sie freuten sich, den König und seine Angehörigen zu sehen, was täglich in der Kirche geschehen konnte. Aber bald nach der Ankunft der Fami¬ lie in Görz, traf die Herzogin von Angoulöme ein großes Leid; C a rlX. nämlich wurde am 4. November, eben an seinem Namensfeste, von jener Krankheit plötzlich überfallen, welcher er in Laibach ausweichen wollte, und in der Nacht vom 5. auf den 6. November verschied derselbe in den Armen des Her¬ zogs und der Herzogin von Angouleme, indem er ster¬ bend seine Familie ermahnte: „Seid einig.» Der Schmerz der Herzogin über den Tod ihres Schwiegervaters und Königs war groß, sie war abermals von tiefer, sichtbarer Trauer erfüllt. Ach, ihr Leben war ein steter Trauergottesdienst. Da Carl X. sein Thronrecht wieder zurück genommen hatte, nahm der Dauphin, Herzog von Angouleme, nach dem Tode seines Vaters seinem Hofe gegenüber als L udwi g XIX. den Titel Majestät an; er und die Herzogin empfingen jedoch nur im Innern ihres Palastes königliche Ehren. Der Herzog von Bordeaux, welcher sich bis zu dieser Katastrophe bei Carl X. befand, zog nun zu seinem Oheim und seiner Tante in den Palast Strassoldo, wo vorhin bereits seine Schwester, die Prinzessin Louise Marie sich befand. Nun hatte die Herzogin von Angoulöme die Sorge für die Erziehung der Kinder der Herzogin von Berry, welche in nichts vernach¬ lässigt wurde, ganz und gar übernommen. Der Bischof von Hermopolis, M. D. Frayssin o u s, vormals Groß-Almosenier des Königs, als Verfasser des Werkes : „OskmiH« »Mein liebes Kind," sagte sie zu ihr, »wir müssen uns trennen; hören Sie nicht, was in meiner Brust vorgeht? Geben Sie sich keiner Täuschung hin, das ist Todesröcheln." Die am Bette kniende Madame de S a i n t e - P r e u v e konnte sich der Lhränen nicht enthalten. — »Was benetzt denn meine Hände?" fragte die Gräfin. — Hingerissen von der Gluth ihrer Fieberphantasien begann sie nun inbrünstig zu beten, Lita¬ neien zu improvisiren, und öfters folgende Worte zu sprechen: »Heilige Patriarchen, heilige Engel! beschützet meinen Neffen 72 rettet Frankreich!»-„Mein Gott,» sagte sie ferners, „empfange meine Seele in deiner Barmherzigkeit, so unwür¬ dig derselben ich auch bin! Erhöre das Flehen deiner demüthi- gen Magd an der Schwelle der Ewigkeit!» Trotz der Schrecknisse dieser Nacht, trotz des fortwähren¬ den Röchelns wollte sie am Morgen das Bett verlassen, um für ihre Mutter beten zu gehen; es gelang, sie zurück zu halten, als man ihr sagte, Se. Eminenz der Monsignor Nuntius habe die heilige Messe für Marie Antoinette abgehaltcn. „Sagen sie ihm, wie sehr, wie innig ich ihm verpflichtet bin.» Herr Abbe Tröbuquet schlug ihr nun vor, dem Drange ihres Herzens nachzugeben und das heil. Viaticum zu empfangen; sie war ganz glücklich bei diesem Vorschläge; Ruhe ging ein in ihre Seele, die sich zu Gott mit jener hohen Fröm¬ migkeit erhob, von der ihr Leben stets durchdrungen war. — Am Abende kam der erste Leibarzt Sr. Majestät des Kaisers, Hr. Or.Seeburger, um sich mit Or. Thövenot zu bera- then, die Diagnose und Therapie, um das Leben der Kranken zu retten, festzustellen. Beide erkannten das Uebel für eine acut verlaufende Rippenfell- und Lungenentzündung, deren hoher Grad fast jede Hoffnung auf Heilung ausschloß. Nichts desto weni¬ ger gaben gewisse, in der Nacht und am nächsten Morgen sich zeigende Phänomene Anlaß, noch an die Möglichkeit einer Wie- dergenesung zu glauben. Die Frau Gräfin von Marne benützte diese unerwartete Besserung, um sich auf ein Sopha zu legen und in ihren Ar¬ beitssalon an ihren Schreibtisch bringen zu lassen, dessen Fächer sie öffnete, um ihre Papiere in Ordnung zu bringen. Mit voll¬ kommen klarem Bewußtsein befragte sie mich über alle Angele¬ genheiten der Colonie, mit deren Leitung sie mich betraut hatte, verlangte die detaillirteste Auskunft über die Verhältnisse der untergeordnetsten Personen, und gab Herrn von Sa inte Preuve, ihrem Secretär, einige, ihren Dienst insbesondere angehende Anordnungen. Sie verlangte hierauf, daß ich ihr 73 die zahlreichen an sie eingelaufenen Briefe lesen sollte, rubricirte sie selbst, und gab mir genau an, wie ich jeden derselben zu beantworten hätte. »Jetzt/' sagte sie, »will ich Charles von Saint- Maure sehen; seine Gegenwart erinnert mich an seine herr¬ liche Mutter, die ich so sehr geliebt habe, und deren Liebe zu mir sie einem furchtbaren Tode zugeführt hatte. Dann werden Sie Stanislaus von Bl a c a s rufen; ich habe ihm einige Mittheilungen für ihn und seinen Bruder zu machen. Gerne möchte ich auch Herrn von Billette sprechen, er ist aber taub, ich müßte meine Stimme zu sehr anstrengen, und hierzu ist meine Brust zu schwach; es thut mir sehr leid, denn er ist meinem Neffen überaus zugethan. Später werden Sie die gute Madame de Cha bann es hereinführen, sie soll Nachricht über mein Befinden an Madame de Rouge schicken, die ganz trostlos darüber sein wird, in einem Augenblicke von Frohsdorf abgcreist zu sein, in welchem ich krank wurde; sie soll auch an Caroline von Choiseul schreiben, daß sie ihren jetzt so leidenden Vater ja nicht verlasse, um etwa mir zu Hilfe zu kommen; ihm schuldet sie vor allem Andern Pflege und Trost. Schreiben Sie auch der Herzogin von Levis: ihr liebens¬ würdiges Schreiben und ihr Wunsch, mich zu sehen, hätten mich ungemein gerührt-es hätte mich ungemein gefreut, sie wieder zu sehen, aber ich sei nun gar so alt und krank — — <—Gottes Wille geschehe! Ich werde um so mehr mit Hrn. v. Levis sprechen-." Ich führte die Personen, die sic mir- genannt hatte, herein, und sie verweilten einige Minuten bei der Kranken. »Jetzt rufen sie," sagte sie, »Herrn Charlet, er soll mir alle seine Papiere vorlegen, ich muß diese Arbeit mit ihm zu Ende bringen, so lange ich noch die Kraft dazu habe, es ist mir sehr viel daran gelegen." Es handelte sich nämlich um ein Berzeichniß bedeutender Unterstützungen, welche sie an Noth- leidende vertheilen lassen wollte. So war auch ihre letzte Thä- 74 tigkeit jenen Wohlthätigkeitsacten gewidmet, durch welche die Noch so vieler Unglücklichen gemildert worden war. vr. Theo enot beschwor sie, sich ganz ruhig zu ver¬ halten ; er fürchtete die Rückkehr jener Anfälle, die uns gestern, so sehr erschreckt hatten. In der That wich die Ruhe bald einem äußerst heftigen Fieberanfalle; in der Nacht wurden auch die Gehirnorganc ergriffen. Fortan war ihr Leben nur mehr eine ununterbrochene Reihe von Gebeten. „Mein Gott," rief sie, »vergib mir meine Sünden, steh' deiner demüthigen Magd in dem Momente bei, der über ihr ewiges Leben entscheiden soll." Die Herren Doctoren Thev enot und Seeburger brachten die Nacht bei ihr zu, und boten alle Hilfsmittel der Wissenschaft, aber leider ohne Erfolg auf; die Kräfte sanken, die Bewegungen wurden gelähmt. So oft jedoch der Herr- Graf von Chambord das Wort an sie richtete, raffte sie ihr Bewußtsein von Neuem auf. Dieser theuern Stimme entgeg¬ nete sie jederzeit mit den Tönen mütterlicher Zärtlichkeit- »Adieu, ich bin zu Ende!" das waren ihre letzten Worte. Hingeneigt über das Schmerzensbett befeuchtete Madame de Sainte-Preuv e die vertrockneten Lippen der erlauchten Kranken; sie erkannte ihre Wünsche an der leisesten Bewegung und stand ihr in den schweren Momenten der Todesangst mit dem umsichtigen und zärtlichen Eifer einer barmherzigen Schwe¬ ster bei, welche ihre sterbende Mutter pflegt. Herr Abb« Tröbuquet sprach die für Sterbende vorgeschriebenen Gebete; einige Male folgte die Agonisirende auf's Eifrigste denselben, bald aber wurde das röchelnde Athmen schwächer. Der Graf und die Gräfin von Chambord, die ganze Colonie, lagen hin¬ gesunken in heißen Gebeten aus den Knien.-Eine plötzliche tiefe Stille erfaßte mit eisigem Erstarren unsere Herze».- — Ober dem Haupte der Sterbenden hing ein Gemälde, den tröstenden Eng.l darstellend, der Ludwig XVI. die Herrlich¬ keit der Himmelsglorie zeigt; der würdige Priester erhob den Arm und das Crucisix gegen jenes Gemälde, den Gedanken an 73 die große Sühnung auf dem Calvarienberge, die schmerzliche Erinnerung an den 21. Jänner und das Bildniß gegenwärti¬ gen Opfers, der im Exil sterbenden Tugendhaften vereinigend. Unsere Seelen begriffen die seinige, unsere Herzen sprachen mit dem seinigen: »Tochter des heil. Ludwig und Ludwig XVI, steige empor zum Himmel!» Maria Theresia ist nicht mehr!-sie ist hinüber gegangen, Gutes thuend, und ohne Ostentation, ohne Mur¬ ren alle Leiden ertragend.-Die irdische Größe drückte sie mit schwerer Wucht, Gott hat ihre Stelle im Jenseits bezeichnet; sein Wille geschehe! Die würdigste Leichenrede dieser Fürstin ist ihr Testament, in welchem sie ihre geheimsten Gedanken niederschrieb. In fol¬ genden Zeilen geben wir dessen wesentlichste Verfügungen wie¬ der: »Im Namen der heil. Dreieinigkeit, des Vaters, des Sohnes und des heil. Geistes. — Ich unterwerfe mich in Allem und Jedem dem Willen der Vorsehung; ich fürchte den Tod nicht; wenn auch meine Verdienste nur wenige sind, so vertraue ich doch gänzlich der Barmherzigkeit Gottes und bitte ihn, mir die Zeit und die Gnade zu gewähren, die letzten heil. Sacramente der Kirche in heißer Frömmigkeit zu empfan¬ gen. — Ich sterbe in der römisch - katholischen apostolischen Religion, in der ich so gläubig gelebt habe, als es mir nur- möglich war, und welcher ich alle Tröstungen meines Lebens verdanke. — Nach dem Borbilde meiner Aeltern vergebe ich aus ganzer Seele und ohne Ausnahme allen Jenen, die mir geschadet und die mich beleidiget haben; aufrichtig flehe ich zu Gott, er möge seine Barmherzigkeit auf sie erstrecken, sowie auf mich; ich rufe ihn an, er möge mir Vergebung meiner Sünden gewähren. — Ich danke allen Franzosen, die mir und den Meinigen anhänglich geblieben sind, für die Beweise der Ergebenheit, die sie für uns an den Lag legten, für die Leiden und Kümmernisse, welche sie unserthalben erduldeten. — Ich bete zu Gott, er möge seinen Segen ausgießen über 76 Frankreich, das ich immer, selbst inmitten meiner bittersten Betrübniste, geliebt habe. — Ich danke dem Kaiser von Oester¬ reich für das mir und den Meinigen in seinen Staaten gewährte Asyl. Dankbar empfinde ich die Beweise der Theilnahme und Freundschaft, die ich von der kaiserl. Familie, besonders in sehr schmerzlichen Verhältnissen erhalten habe. Ebenso aner¬ kenne ich gerührten Herzens die Empfindungen, welche eine große Anzahl österreichischer Unterthanen, insbesondere die Be¬ wohner von Görz für mich an den Lag gelegt haben.- Da ich meinen Neffen Heinrich und meine Nichte Louise stets als meine Kinder betrachtet habe, so gebe ich ihnen mei¬ nen mütterlichen Segen. Sie haben das Glück gehabt, in unserer heiligen Religion erzogen zu werden, mögen sie ihr auch allezeit getreu bleiben; mögen sie allezeit die würdigen Abkömmlinge des heil. Ludwig sein! Möge mein Neffe seine glücklichen Begabungen der Erfüllung der großen Pflicht wei¬ hen können, welche seine Stellung ihm auferlegt! Möge er sich nie vom Pfade der Mäßigung, Gerechtigkeit und Wahr¬ heit entfernen. Ich setze meinen Neffen, Heinrich Grafen von C h a m b o rd, zu meinem Universalerben ein. — Ich will, daß meine irdische Hülle zu Görz in der Gruft der Franziska¬ ner, zwischen der Leiche meines Gatten und jener seines Vaters bestattet werde. Man soll keinen feierlichen Trauergottesdienst für mich abhalten, sondern nur Messen für mein Seelenheil lesen?' (Folgen Bestimmungen über Remunerationen alter Diener, Legate zu Gunsten der Armen und freundschaftliche Vermächtnisse.) Es ist bemerkenswerth, daß die Herzogin von Angou- lome um die Zeit ihres Namensfestes, und bei Anwesenheit der sie zu beglückwünschen gekommenen Franzosen erkrankte und starb, was auch bei ihrem Schwiegervater Carl X. der Fall war; sie starb drei Tage nach dem Gedächtnißtage des Martertodes ihrer Mutter. Die Herzogin verschied nach dem Leichenbeschaubefunde des k. k. Bezirksarztes von Wiener-Neu¬ stadt, Dr. Carl Eben stall er, an der Lungen- und Rip- 77 penfell - Entzündung. Sie wurde nach ihrem Willen gleich nach dem Erlöschen in einen bleiernen Sarg gelegt, und derselbe in einem politirten eichenen, dann mit diesem in einem kupfernen Sarge verschlossen, welcher mit einem großen Kreuze und einer königlichen Krone geziert ist, und folgende In¬ schrift hat: VInrio l'hßroso sto IVnnoo Nllo Du koi Koni« XVI Kt sie la Koino Nnrio Antoinette; Veuve du Comte tle lVIsine«, Cüs Vine ste Charles X kni kle lstranee. Xee le XIX keeembrs KDCCKXXVIII Norte le XIX Oetohre N0CCCKI. Da die Herzogin die Eröffnung ihres Leichnams unter¬ sagt hatte, und dieser folglich nicht wie gewöhnlich einbalsa- mirt werden konnte, so mußte der Balsam der Leiche ein- und diese im Sarge damit übergossen werden. Weil sich die Herzogin in ihrem Testamente jedes Auf¬ sehen erregende Todtengepränge bei ihrem Ableben verbat, so wurde lediglich in dem Zimmer des Schlosses Frohsdorf, in welchem der Katafalk mit der Leiche stand, ein Altar errichtet, und daselbst die Todtenmeffe gelesen; am 25. October aber fand in der Pfarrkirche das feierliche Requiem Statt, welchem viele hohe Personen und Landleute beiwohnten. Tags darauf, um 2 Uhr Nachmittags, wurde die Leiche eingesegnet und dann nach Görz abgeführt. An der Gränze des Dorfes Lanzcn- kirchen,. bis wohin die Angehörigen der Verstorbenen und über¬ haupt alle Bewohner von Frohsdorf, dann viele Honoratioren und eine unzählige Menge Volkes den Leichenwagen begleite¬ ten, sprach der Graf von Montbel zu den Trauernden: „Im Namen Derjenigen, die Euch so sehr liebte, sage ich Euch . '78 ihr letztes Lebewohl!" Alles zerfloß in Lhränen, insbesondere die Leute des kleinen Hofes zu Frohsdorf, dann das Bolk, welches laut die Klage vernehmen ließ: „Wir haben unsere Mutter und Wohlthäterin verloren." — Bon den vielen Wohl- thaten, welche die Herzogin dort der Kirche und den Armen erwies, legte der würdige Pfarrer von Lanzenkirchen, Ignaz Löffler, in einer populären und rührenden Leichenrede, bei welcher kein Auge trocken blieb, ein offenes Bekenntniß ab. Da die Herzogin mit dem ausgesprochenen Verlangen in den ewigen Frieden ging, daß ihre Hülle in derselben Gruft, in welcher die irdischen Ueberreste ihres Gatten und seines Vaters ruhen, beigesetzt werde, welcher Wunsch dem Herzoge von Bordeaux heilig war, so entsandte er sogleich den Grafen Eduard Monti von Frohsdorf nach Görz, um die An¬ stalten zur Beisetzung des Leichnams der Herzogin in der Gruft zu Castagnoviza zu treffen. Castagnoviza ist ein Franziskaner-Kloster auf einem, an der Stadt Görz im Osten gelegenen, von Weinreben und Kastanien üppig bewachsenen Hügel mit einer entzückenden Aussicht. In der königl. Gruft der Kirche dieses Klosters ruhten bereits Carl X., der Herzog von Angouleme und deren treuer Diener, der Herzog von Blacas; zu ihnen gesellte sich nun zum langen, langen Schlafe nach der qualvollen Pilgerreise eines schmerzenreichen Lebens, die verstoßene Tochter Frankreichs. — Am 28. October 1851, um 10 Uhr des Morgens, wurden die Herzogin von Berry, die Herzogin von Parma, die Herzogin von Bordeaux und die Hofdamen durch den Grafen Monti in die, an den Wänden, Altären und Betstühlen schwarz behangene Kloster¬ kirche zu Castagnoviza eingeführt, wo sie der 1'. Guardian an der Kirchenschwelle empfing, und ihnen die für sie bestimmten Chöre anwies; um 11 Uhr fand sich auch die Gräfin Mont- moulin, Gemalin des Sohnes des DonCarlos von Spa¬ nien, dort ein. Um halb 12 Uhr kam der von sechs Postpferden gezogene Leichenwagen, welchem sechs Gensd'armen vorritten 79 und einige Trauerwägen folgten, bei der Kirche 8t. Antonia veeekio zu Görz an. wo ihn der Fürst-Erzbischof von Görz mit seinem Capitel und zahlreicher weltlicher und Ordensgeist¬ lichkeit erwartete; die Leiche wurde bis dahin von Frohsdorf aus vom Beichtvater und Almosenier der königl. Familie, Träbuquet, begleitet. Und nun begann der Leichenzug in folgender Ordnung: Die Pfründner der Wohlthätigkeits-Anstalt. Die Taubstummen. Die barmherzigen Brüder. Die Franziskaner. Die Capuziner. Der Clerus der Stadt. Das Capitel der Metropolitan-Kirche. Der Erzbischof. Der Leichenwagen, von sechs Postpferden gezogen, welchen 24 Bürger mit Fackeln, worauf die Wappen der Verstorbenen geheftet waren, umgaben. Der Graf von CH am bord, im Trauermantel, an seiner Seite die zwei Jnfanten von Spanien, Söhne des Don Carlos. Der Herzog von Levis, im Trauermantel. Der Graf Montbel, im Trauermantel. Der Graf Luchesi Palli, Gemal der Herzogin von Berr y. Der Marschall Marmont, Herzog von Ragusa, ge¬ wesener Gouverneur der illyrischen Provinzen. Der Marquis von V ill e tte und der Marquis von Saint- Maure. Der Graf Stanislaus v. Blacas und der Graf Eduard Monti. Einige Franzosen vom Gefolge. Der Feldmarschall-Lieutenant Graf Wimpfen, Civil- und Militär-Gouverneur des Küstenlandes. Der Baron Franz Buffa, Kreispräsident. 80 Der Oberste der Garnison. Herr Ri c c a b o n a, Landesgerichts - Präsident. Der Bürgermeister von Görz, Dx Carl Dolliac. Mit einem Worte, alle Civil- und Militär-Autoritäten und eine Menge Volkes. Der Clerus sang Psalmen, mit Begleitung der Posaunen der Bürgerchor-Musik. Als der Leichen¬ wagen am Gipfel des Hügels anlangte, hoben 12 in Trauer gekleidete und dazu bestimmte Männer den Sarg, und trugen ihn in die Kirche, stellten ihn auf das vorbereitete Lrauer- gerüste, um welches 24 Fackeln brannten, und rückwärts saßen auf vier schwarzbedeckten Stühlen vier Diener der Ver¬ storbenen, jeder mit einer Fackel in der Hand. Der Graf von CH am bord und die Jnfanten nahmen im Presbyterium Platz. Die vorzüglichsten Personen des französischen Hofes nah¬ men die ersten Bänke ein. Hinter ihnen befanden sich links die Autoritäten und rechts die Damen von Görz. Der Fürst-Erzbischof von Görz, Franz L'av. Luschin, hielt, unter Assistenz des Probstes und der Canonici der Cathe- drale, das Lraueramt und Requiem; die Exequien schloffen die Lrauerfeierlichkeit, und es wurde der Sarg mit den theuern Ueberresten der Herzogin von A n g o ul e m e in die königl. Gruft gesenkt, und zwischen die Särge Carl X. und des Herzogs von Angouleme gelegt. Tags darauf, um 6 Uhr des Morgens, kam der Herzog von Bordeaux mit seiner erhabenen Gemalin, mit dem Herzog von Levis, mit dem Marschall Marmont, dem Marquis von Billette, der Marquise Saint-Maure und mit dem Grafen Monti abermals nach Castagnoviza, um einer Trauermesse beizuwohnen, worauf sich der Herzog von Bordeaux, in Begleitung des Herzogs von Levis und des königl. Beichtvaters Trebuquet, in die Gruft begab, die Särge seiner lieben Hingeschiedenen mit geweihtem Wasser besprengte und sprach: »lieqniem ueternum clona ei« Do¬ mine, et Inx pevpeknn Ineent ei«." Hierauf wurde die Gruft vermauert, und von Außen ein Leichenstein in die Wand 81 eingelassen, welcher die auf dem Sarge befindliche Inschrift trägt. Ueber den Act der Bestattung und der Uebernahme der fürst¬ lichen Leiche wurde ein krooös-vorbgl und eine Uebernahms- urkunde ausgefertigt, welche im Anhänge folgen. Die in Frohsdorf Statt gefundenen rührenden Scenen des Weinens und Wehklagens der Armen, welche die verstor¬ bene Herzogin unterstützt hatte, wiederholten sich in Görz, und dasselbe war auch in Venedig der Fall, wo der Tod der verehrungswürdigen Herzogin allgemein beklagt, und aus Dank¬ barkeit für die vielen, von rhr gespendeten Wohlthaten am 6. November 1851 in der Pfarrkirche St. Stephan ein Traueramt gehalten wurde, bei welchem sich Diejenigen, welche von ihr Wohlthaten genossen und sie verehrten und liebten, zahlreich einfanden, um der Hingeschiedenen die ewige Ruhe vom All¬ mächtigen zu erflehen. Der Hintritt der Verklärten fand nah und fern die größte Lheilnahme; schon am Tage nach ihrem Erlöschen kamen die Erzherzoge Franz Carl und Maximilian von Oesterreich nach Frohsdorf; in Eisenach hatte die Herzogin von Orleans, wie das Journal üo« Debüts berichtete, am 28. October 1851 in der katholischen Capelle für die Verstorbene eine Seelenmesse lesen lassen, und mit ihren beiden Söhnen dem Trauergottes¬ dienste beigewohnt; in Clermont hat man die verwandtschaft¬ lichen Rücksichten, welche die ältere Linie beim Tode Ludwig Philipp's beobachtete, durch ein von dem Herzog von Nemours verfaßtes Beileidschreiben und durch die Absendung des Fürsten von Montmorency nach Frohsdorf erwiedert. Die verwandten Höfe verordneten Hoftrauer; die Legitimisten in Paris zogen auf drei Monate Trauer an, mehrere Adressen drückten das Beileid aus, und alle französischen und viele andere Journale berichteten und bedauerten den Lod der from¬ men Dulderin, welche den Kelch des Unglücks und der Leiden mit christlicher Ergebung bis zur Neige geleert hatte. So z. B. sprach die Pariser »zVsseinbleo nationale» vom 23. October 1851 6 82 folgende elegische Worte aus, die als Epilog hier ihren Nach¬ klang finden mögen: „Mit gebrochenem Herzen, mit dem Ge¬ fühle tiefen Schmerzes theilen wir eine äußerst betrübte Nach¬ richt mit. Frankreich, Europa, die Gesellschaft, die Religion haben einen unersetzlichen Verlust erlitten; die Tochter Lud¬ wig XVI., diese bewunderungswürdige Heilige, die Tochter eines Märtyrers und selbst Märtyrin länger als er, hat ihre Seele in die Hände Gottes übergeben, eine Seele, welche Gott gebildet hatte, um die Stärke Vieler, das Beispiel Aller zu sein: Marie Therese von Frankreich ist ent¬ schlafen ! Nie rief der Herr ein edleres Herz zu sich; nie ver¬ lor Frankreich ein Herz, das heißer für dieses Land schlug. Die Entschlafene starb im Frieden Gottes, aber sie starb, ohne Frankreich wieder gesehen zu haben.» Anhang Die nachfolgenden beiden Urkunden, und zwar : procös- vei'hsl über die Bestattung und Uebergabe des Leichnams der Herzogin von Angoulome an das Kloster der I>. Fran¬ ziskaner zu Castagnoviza bei Görz, und k: Ucbernahmsurkunde des genannten Convents, werden als historische Documente hier angeschloffen. Xusourd'bui, vinxt-liuit octobre, inil tmit cent einguanle-un, ä une beure spres Midi, nou«, «oussigme: Ouillaume Isidore, Oomte de Nontdel, ancien ministre secretaire d'etat, ayant ete designe par Nonsieur le Oomte air le Oomte de Oliambord, declarnns avoir recu le corps de Nadame la 0«mlesse de Narnes, gue nous avons vii d,^,oser par .Nr. Io Laron ?bevenot son medecin ordinaire, da ns mi cercueil de plomb, on il a ete enlonre d'sra- niates et de substance« conservatrices. Oe cercueil, recouvert d'une caisse en okens verni, a ete renkerme dan« un troisieme en cuivre, orne d'une xrands croix et d'une couronne royale «urmontant l'inscription suivanke: 84 Moris ?kers86 äe krsnoe, kille äu koi Doui« XVI et äe M»rie Xn tu inet te, Veuve äu Oomte 6« Murne« kil« sine c!e Oburle« X koi äe krunce; Xee le 19 Decembre 1778, Aorte le 19 Ootobre 1831. Xpres toute« les priere« et ceremonie« äe l'eglise, Is leve e äu corp« s ste fsite pur Ar. le eure äs Dunrenlriroben, »««iste cle plusieur« eeelesiusticiue« et reli§ieux, en notrv prvsence et celi« äe plusieur« per«onne8 notsbles. De cercueil g ete trunsporte 8ur un cbur funebre et Is äimuncbe, vinxt-six ootobre, ä äeux beure8 upre« iniäi, il e8t purti äe krob«äorf pour Dorice , sccompu« ne pur nou8 , Ie8 personne« äesixnve« oi-äessu«, et I«8 vulet« äe obumbre äe I'suxuste ävkunte, M«. putnot, Delievre, Ion korä, et Dervux. Xou« »von« «uivi proce«- 8ioneIIeinent s pieä, uvec le clirxe et nno noinbreu8e popnlution, jn«c>u' uux Iimit68 äu villsxe. Xrrive« su punt äe la 8ebvvsrnu, nou8 svon« oräonne su convoi äe s'urreter. Du, prenunt con»e le« bsbitsnt« äs krobsäork, et äe ls colonie frunysiss eploree non« svon« prononce 6S8 psrole«: „Xu nom äe cellv, qui vou8 s tunt uiins«, p) vo»8 uäresse 8on äernier aäieu!" Xous S0MIN68 slors monte« äun« les voitures äe äeuil, et le convoi funebre u marcbe nuit et Mir, MMi' su lieu äe ss äe«tinstion, oü il est srrive su^ourä'bui, vin§t - buit octobre, s onnv beure« et äeinie. kn vue äe la ville äe Dorice, les Oomte« 8tsni«ls« äe Discs« et käousrä äe Monti «ont venu«, e«corte« ä'un äetsobsment äe csvslerie commsnäv pur le cspitsine äs Lrumsti, nou« porter le« oräre« äe Aon«ieur le Domts äe Dbsmborä. 8. X. le ?rince urcbevecius äs Dorice , »««iste äe «on cbapitre metropolitsin, et ä'un nombreux clerxe «'e«t svsnce » Is rencontre äu cercueil, «ur leMsl il g pro non es le« priere« et le« böneäiction« äe l'v^Iise. ?srvenu nn pieä äe In monlMne äe Dg«tnxnovir!», le convoi s vts reyu et «uivi pur Monsieur le Oomte äe Obsinborä, Monsieur le Oomte äe Montmolin, et l'Infsnt Don kernsnä, secompsxne« äe MM. le Duc äe Devi«, le msrvcksl Duc äe ksAUse, le Kenersl Oomte äs Wim- plfen, le« xentils-bomme« äe lu msison ä« Asäsme Is Duckesse äe 8S 8err^, 6e Usdsme Is Vuvlresse de ksrme, cin ospitsine de oerele, de 1'etst-ms^or de Is pisce, de« sutorite« loosle«, et de« lislntsnts; plu- «ieur« d'entre vux esoortsient le olisr funebre vetu« de deuil et tensnt cle« torolies lunersires: il« ont voulu transporter ensuite eux meme« ie cereueil dsn« I'exlise , et le plsoer «ur l'estrsde disposee s vet esset. Xpres la messe, oeledree par le krincg srolceveque, et le« slisou- tes solennelle«, le eeroueil s ete desoendu dsns le csvesu sepulersl, et place entre eeux de Uonsieur le Oomts de Usrnes, et du koi Oliarles X, un peu su dessus, sur une estrsdo soiidement etsbiio s vet esset sou« Is direetion de Aonsieur le Oomte de Nonti. Ltsnt desoendu« sou« Is voute du tombesu, pour oonstster 1'identite et Is Position du ceroueii , nou« svon« s«it Is remise du eorp« de tilsdsine is Oomtesse de Asrne« s Llonsieur krsnyois Osston Vuv de l.evis, eksrxe psr Alonsieur le Oomte deOIismbord de dirixeris insison, en presenoe du re verend pereOIiisro, Zsrdien de« reliKieccx frsnoiscsins, du pereVeeerins, viesire du meine ordre, de issonsieur I'sidie Ireiiu^uvt, de Ml. le Llsrcpii« de 8sinte Nsure, le Rsrqui« de Viiiette, le« Oomte« 8tsni«ls« de LIsvss et Ldousrd de Aonti, de 8sinte ?reuve, «eeretsire psrlioulier de l'suxuste dekunte, le Lsron Olisrlet, «eeretsire de« com- msndements; tou« ont spposv leur «ixnsturo su present sete. On s ferme de nouvesu psr un mur I'issue «outerrsine du sepulore: Is pierre tumulsire cpii en reoouvrv 1'ouverture -superieure dsn« Is nef de I'exlise s ete replsove. Ln toi de quoi nou« svon« redile le present sete en doudle niinnte lune d'elles devsnt etre Isis«e6 sux revvrends peres krsnoisesin«. ksit a Oorioe, su Mir et lieure oi-de«sus, et ont siKnes spre« lecture. llik Ouo do IH«. Asr^uis de 8sinte Nsure Nontsurie. I>'Xbl>e ssrebuquet. I>e Lsron Olisrlet. 8t. de LIscs.s. 8sinto?reuve. Nontbel. lllsrcxuis de Viiiette. Oomte L. de Alonti. 86 S V t «I 8 reeeptioni« exu^iarun» principi« kemiuae Mariae Hieresiae Oarolinae, liliae Innloviei XVI., Oalliae kexis et Mariae Xntoniae , Xrvbiduci««ae Xustrise, nstae 19. Decembri« 1778, et mortuse 19. Octobri« 1881. II«v die vizesima octava Odobri«, millesimo octinxentesimo quin- cluaxesimo primo, bora tertia pomeridiana, no« kater Olaru« Vsseotti, relixio«us Ordinis Orsnoiscanorum, Oonventu« Oastaxnaviciensi« prope Ooritism xusrdianu« , et ?ater Dartbolomaeus Vecorina, eMSdem Ordi- ni« et Oonventuz Vicarius, praesentibus bisce te«tsmur, aocepisse sb illustrissimo doniino Francisco Oastone dne« de Devi«, praesentibus illustrissimis domini« eonute deMontbel, comite 8tsni«Iso de Llacas, coniits Lduardo de Monti, marci »ion e de 8ainte Maure , marebione de Videt, barone Obarlet, «eoretario mandatorum dekunctae, et domino de 8amte ?reuve, secretario particulari custodiendas exuvias principi« leminav Vlariae Iberesiae Oarolinae, liliae buiioviei XVI. Oalliae kexi«, et Mariae Xntoniae Xrolnducissae Xu« tria e. Lae exuvise die vizesima ootava praekati mensis Octobri« ductse in Lccle«iam nostri Oonventu«, oomitsnte Olvro cum «aeculari, tum reoulari, et Oapikulo Lcclesise Metropolitanse Ooritiensi«, saera« Innetione« porazente eel?i««imo, illu8tri««imo ao reverendi««imo domino kranoison Xavm'io Inisebin, prineipo srobi-episoopn, inümo 8tatu« eon«iliario, Ornes ordini« 8. Oeopoldi in«i^nito, «ieut oomprobat pro- oe««u« verbsli« in nostro areliivo »««ervstus, knerunt el, et tum nostro, Ium Oonvenlu« nomine no« oblizamus ad relixioso custodiendum deposilum nobi« eommissum. Ooritiao praelati« die, anno, et bora, taeta praeleotione «ub- «eripsiinu«. ?. Olaru« Vasoolti, lüonrentus Ouardisuus. ?. Lartbolomaeu« Veeerina, Louvcutus Viearius. Druckfehler Berichtigung. Seite 4 vorletzte Zeile » statt «. „ 17 Zeile 18—19: angebracht statt: anbracht. „ 19 „ 7: schlenderten statt: schlenderte. „ 37 „ 20: den statt ihren. „ 44 „ 1 und 5: auf den statt: am. „ 47 „ 31: hatten statt: hatte. „ 61 „ 19: Lngoulöme statt: Lnguolvme. „ SO „ 30—31: insbesondere statt: insbedere. Von dem Verfasser dieser Biographie sind erschienen, und durch lKi»r»L v. «L» I iitoi in Laibach, sowie durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Tod, Leichenbegängnis und Ruhestätte weiland Sr. Majestät Carl X., Königs von Frankreich und Navarra. Mit einem Trauermarsche. Der Verfasser dieser kleinen historischen Denkschrift wurde mit der großen goldenen Medaille Carl X. ausgezeichnet. Reise - Erinnerungen ans Kram. Mit 5 lithogr. Ansichten. Dieses, dem durchlauchtigsten Erzherzog Johann von Oesterreich gewidmete Reisehandbuch wurde von vielen Journalen als „ein will¬ kommener Wegweiser durch ein höchst interessantes und merkwürdiges, aber viel zu wenig gekanntes Land" anempfohlen; die „Blätter für Kunst, Literatur, Geschichte re.," von I)r. Schmidel, nannte die „Reise-Erinnerungen die beste Schilderung, die in Inner-Oesterreich über einen guten Theil dieses Ländergebietes in neuester Zeit in's Leben trat." Der Freihafen von Triest, Oesterreich's Haupt-Stapelplatz für den überseeischen Welthandel. Mit dem Plane der Stadt und des Freihafens von Triest. Viele competente Stimme», wie z. B. Hr. M. Koch, dann der ausgezeichnete Statistiker Ritter Adrian Balbi, und der gelehrte Historiograph, Regierungsrath und Viee - Director des k. k- gehei¬ men Haus- Hof- und Staats-Archives, Hr. Joseph Chmel, sprachen sich über dieses historisch-statistisch-topographische Werk sehr vortheilhaft aus. Das österreichische Hanstrhandelsrecht. Ist vorzüglich wegen der, in der Einleitung enthaltenen Geschichte des beweglichen Kleinhandels interessant und wichtig. Ein Slick auf unsere Staats smanzen. Die, bei der Reviston des österreichischen Zolltarifs leitenden Grundsätze, vom praktischen Standpunkte aus betrachtet. Zur Finanzfrage. - Mehrere Journale besprachen die publicistischen Leistungen des Verfassers auf sehr ehrende Weise: die „Oesterreichische Korrespon¬ denz" vom 24. Juni 1881 z. B. sagt vom Verfasser obiger Schriften: „Wir erkennen in ihm ein beachtenswerthes und vaterländisch gesinn¬ tes Talent, welches sich mit Geschick die Behandlung publicistischer Zeitfragen zur Ausgabe gemacht hat."