Zur Geochemie des Strontiums in den Blei-Zink-Erzmineralisationen vom Typ Bleiberg-Kreuth und die Beziehung zu Erzgenese Lucio A. Cardich-Loarte und Erich Schroll 1. Problemstellung Im Rahmen einer geochemischen Studie, die sich mit der Herkunft des Stoffinhaltes der Blei-Zink-Erzlagerstatten der ostalpinen Trias beschaf-tigt, wurde die Verteilung des Strontiums in Gesteinen und Gangarten am Beispiele der Lagerstatte Bleiberg-Kreuth untersucht. Die Fragestellung geht dahin, ob man annehmen kann, daB bei einer Hypothese, die aus der Tiefe kommenden hydrothermalen Erzlosungen annimmt, neben Barium auch Strontium in vergleichbaren Mengen zugefuhrt worden sein konnte. 2. Strontium im Nebengestein Von Schroll (1967, 1971) wurde die Strontiumverteilung in drei Karnprofilen bestimmt, die von S c h u 1 z (1970) im Detail aufgenommen und beschrieben worden waren: im Bereich des GroBen Gschnierkopfes (Karwendelgebirge, Nordtirol), Rubland/Drauzug (Karnten) und Raibl/Siid-alpen (Italien). Cardich-Loarte (1970) hat zwei Profile des oberladinischen erzfuhrenden Wettersteinkalkes in der Grube Rudolfschacht und Antoni-schacht/Kreuth sowie einige Gesteinsproben von Mežica/Jugoslawien untersucht. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Der Strontiumgehalt der Gesteine wird durch Gehalte an Fossilresten, Aragonit, Anhydrit und im Bereiche der Vererzung auch durch Baryt pobitiv, durch FluBspat, Dolomit, Calcitisierung und Dolomitisierung negativ bestimmt. Trotz der starken Dolomitfiihrung und strontiumarmer Tonschiefer und Sandsteineinlagerungen erscheint die karnische Stufe strontiumreicher als die ladinischen Wettersteinkalkprofile. Aus verschiedenen Griinden besteht kein Zweifel, daB man fiir die karnische Stufe eine erhohte Salinitat des Meervvassers annehmen darf. Die Gehalte im Wettersteinkalk fallen dagegen deutlich ab, wenn auch in mergeligen Partien ahnliche Maximalwerte erreicht werden. Es fallt auch auf, daB Proben aus Mežica wesentlich tiefere Strontiumkonzentratio-nen als solche von Bleiberg-Kreuth aufweisen. 22 — Geologija 15 337 Tabelle 1. Strontiumgehalte (ppm) in Sedimentgesteinen des Ladin und Karn der Ostalpen. (Zahl der Proben in Klammern) Gewichtete Durchschnitts-Formation Strontiumgehalte werte einiger haito von Profilen Proben genaue Maximal- Karn Raibl (nur die ersten 500 m!) (39) 1340 — 3300 Karwendel (115) 345 — 1600 Rubland (56) 165 — (3080, 780) Oberes Ladin (»Erzkalk«) Lafatsch (3) — 91 110 Mežica — Wettersteinkalk (4) — 61 ± 23 — Flachengestein (10) — 117 ± 81 292 Bleiberg, Rudolfschacht (5. Lauf) (61) 144* — 748 Kreuth, Antonischacht (125) 143* — (1475, 1641) Anmerkung: Analysenmethode RF Vgl. Schroll (1967, 1970) * Unter AusschluB von Anhydriteinlagerungen (einschlieBlich dieser, aber nicht mehr als 250 ppm Sr). Tabelle 2. Strontiumgehalte (ppm) in Gangarten (Zahl der Proben in Klammern) Gangartmineral Primare Vererzung Oxydationszone Calcite Skalenoederspat (Typ Wiilfrath) (20) 125 ± 41 Kanonenspat (Typ Freiberg) (22) 109 ± 45 Hutcalcit (Typ Riidersdorf) (6) 59 ± 20 Erzcalcite vom Mežica (4) 52 ± 10 Erzcalcit von Lafatsch (2) 80 ± 130 Fluorit (9) 84 ± 21 Baryte (26) 1487 ± 494 iiberdurchschnittlich (4) 2967 — 5520 alle (30) 1711 (4) 152 Anhydrite blau (8) 1367 grau (2) 789, 1152 alle (10) 1287 ± 289 Gipse feinkristallin (3) 1600 — 2625 (0 2195) »Marienglas« (2) 500, 780 Anmerkung: Analysenmethode RF, Calcite A A 338 £ -C a 0 o CD — Cfl 1 'Z * c o "S a« "S -o .f-ž-2 (Q n 01 2 a a a S S.S1 £ S" |g|t O - 13 16«? >N »- - 9 >• oi -C C m 3 ™ N ■S ® £ - i E: a> -O £ C W O oi c ■DNO i"i!io 1 ooi ® r^ 10 m •/. J S -ffl u3 t/i tfcf cf o o* Abb. 1. Konzentrationsspannen um Mittelwerte von Strontium in Baryten verschiedener Genesis (u. a. nach Starke, 1962; Tufar, 1965; A r r h e -n i u s , 1963; Pilger/Weisse, 1964) 1 Erzgebirge 2 Thuringer Wald 3 Harz 4 Schwarzwald 5 Brixlegg 6 Dreisler 7 Semmering-Meso-zoikum 8 Grazer Palaozoikum 9 Meggen und Ram-melsberg 10 Ruhrgebiet 11 Tiefseebaryte 12 Bleiberg/Kreuth Das Profil des Erzkalkes von Rudolfschacht zeigt nach Cardich-Loarte (1971) mit Annaherung an die Oolithbank des ersten Cardita-schiefers eine Tendenz zur Zunahme sowohl an Sr als auch an Mg. Nach Eppensteiner (1965) und B a u e r (1970) waren die »Mil-chigen Flachen« und »Schwarzen Brekzien« der Edlen Lager als Sedi-mente zu deuten, die fiir die Lagunenfazies des Wettersteinkalkes typisch sind. B a u e r sieht in ihnen Wattenmeersedimente. Die von S c h u 1 z (1967) beschriebenen steilwandigen Trichter, bzw. wannen- und rinnenformigen Vertiefungen konnten nach Bauer (1970) als Trockenrisse aufgefaBt werden. 3. Strontium in den Gangarten Von den calcium- und bariumhaltigen Gangartmineralen sind nur die Calcite, Anhydrite, Gipse und Baryte bemerkenswerte Wirtminerale fiir das Strontium. Der FluBspat nimmt dieses Element nur in unterdurch-schnittlichem MaBe in sein Gitter auf, wie aus Tabelle 2 zu ersehen ist. Der Strontiumgehalt der Erzcalcite entspricht groBenordnungsmaBig jeweils dem des Nebengesteines. DemgemaB erweisen sich die Strontium-konzentrationen in den Erzcalciten von Bleiberg-Kreuth am hochsten, gefolgt von denen aus Lafatsch, wahrend solche aus Mežica auch die niedrigsten Werte ergeben haben (vgl. Tabelle 1 und 2). Die Schvvankungen der Strontiumgehalte der Erzcalcite sind lokal in Abhangigkeit vom Nebengestein und minerogenetisch bedingt. So zeigen die minerogenetisch alteren skalenoedrischen Calcite im Durchschnitt hohere Gehalte als die jungeren Kanonenspate, die in erzfreien Kacken des Wettersteinkalkes ihre Minimalvverte erreichen. Die Strontiumgehalte des weiBen Barytes der Vererzung sind im Ver-gleich zu Baryten anderer Lagerstattentypen extrem niedrig. Sie liegen sogar mit einer lokalen Ausnahme tiefer als die der Schvverspate von Meggen und Rammelsberg, die zweifellos syngenetisch gedeutet werden und nachweislich Meerwassersulfat enthalten (vgl. daz. Abb. 1). Nach den bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen ist noch kein statistisch gesicherter Unterschied zwischen dem syngenetisch gedeuteten Baryt-kristallchen des sogenannten »Bodenerzes« der Rinnen und Wannen und diagenetisch bis epigenetischen Schwerspatgenerationen zu ziehen. Baryte aus der Oxydationszone (»Hut«) sind ebenso wie die »Hut-calcite« durch auffallend niedrige Strontiumgehalte ausgezeichnet (Vgl. Tabelle 2). 4. Strontiummineralisationen In Bleiberg-Kreuth sind zwei Typen von Strontiummineralisationen nachgewiesen: a) Eine Coelestinmineralisation in der Paragenese mit Calciumsulfaten, die meist an schiefernahe »Edle Flachen«, seltener an den Carditaschie-ferbereich selbst gebunden ist. b) Eine Strontianitmineralisation im unmittelbaren Zusammenhang mit Schwerspat und Kalkspat fiihrenden Erzmineralisationen. Strontianit ist zwar schon von S c h r ol 1 (1960) erstmalig beschrieben vvorden. Der Umfang der Mineralisation wurde jedoch erst bei der Stron- tiumanalyse von Schwerspaten offenbar, deren scheinbarer Gehalt von maximal 4,4 % durch Salzsaureextraktion reduzierbar ist. Alle bekannten Strontiummineralisationen sind minerogenetisch spate Bildungen. Absatze syngenetischen Coelestins sind zwar bisher nicht nach-gewiesen, es liegt aber die Annahme nahe, daB die Strontiumanreicherung schon sedimentar vorgegeben sein konnte. Die Vorstellung, daB in den Flachengesteinen Wattenmeersedimente enthalten waren, lieBe es nicht unwahrscheinlich erscheinen, daB im Bereiche der »Edlen Flachen« auch lokal salinare Ausscheidungen, wie zum Beispiel gipsfiihrende Kalk-Do-lomit-Schlamme oder Kalk-Aragonit-Schlicke u. dgl. vorgelegen haben mogen. Eine friihdiagenetische Bildung von Coelestin ware bei Instabil-werden von Aragonit nicht auszuschlieBen. 5. SchluBfolgerungen Zur Annahme einer Strontiumzufuhr durch aszendente Erzlosungen liegt kein triftiger Grund vor. Der Strontiumhaushalt der Gangarten der Erzmineralisation diirfte zur Ganze oder in entscheidendem AusmaB vom Sediment her bestimmt gewesen sein. Aus Schwefelisotopenuntersuchungen an einigen Baryt- und An-hydritproben, die durch das dankenswerte Entgegenkommen von Prof. Wedepohl (Gottingen) ausgefiihrt worden sind, geht hervor, daB der Sulfatschwefel durchhaus dem Meerwassersulfatschwefel der ladinisch-karnischen Stufe entsprechen konnte, keinesfalls aber mehr dem des Skyth. Die Bildung der diagenetischen bis epigenetischen Erzmineralisatio-nen ist zweifellos durch Porenwasser mariner Herkunft erfolgt. Unter Beriicksichtigung bisher bekannter Verteilungskoeffizienten fiir Stron-tium (Losung-Calcit, resp. Anhydrit)* solite der Gehalt an Strontium in diesen Porenwassern nicht allzu hoch (ca. 1—2 ppm Sr) anzusetzen sein. Das Vorkommen von Baryt scheint auf die Ausbildung einer la-gunaren Fazies beschrankt zu sein, die durch eine rhythmische Folge von Mergel- und Dolomitbanken, Vorkommen von blauem Anhydrit und Coelestin und reichlich FluBspat ausgezeichnet ist. Literatur B a u e r, F. K. 1970, Zur Fazies und Tektonik des Nordstammes der Ostkarawanken von der Petzen bis zum Obir. Jb. Geol. B. A., Bd. 1X3, 189—246. Wien. Cardich-Loarte, L. A. 1971, Beitrag zur Geochemie des Strontiums in der Blei-Zink-Lagerstatte Bleiberg/Kreuth. Unveroffentl. Diss. Univ. Wien, 1971, 1—238. Wien. Eppensteiner, W. 1965, Die schwarzen Brekzien der Bleiberger Fazies. Mitt. Ges. Geol. Bergbaustudenten 14—15. Psd. Wien. S c h r o 11, E. 1960, Der Strontianit von Bleiberg. Carinthia II, Mitt. d. naturvviss. Vereines f. Karnten, 70, 30—42, Klagenfurt. Schroll, E. 1967, Uber den Wert geochemischer Analysen zur strati-graphischen und lithologischen Untersuchungen von Sedimentgesteinen am * Nach einem freundlicherweise von Doz. U s d o w s k i (Gottingen) zur Einsicht tiberlassenen Manuskript. Beispiel ausgewahlter Profile der ostalpinen Trias. Geologicky Sbornik 18/2, 315—330. Bratislava. Schroll, E. 1971, Beitrag zur Geochemie des Bariums in karbonatischen Gesteinen und klastischen Sedimenten der ostalpinen Trias. Tschermaks Min. Petr., Mitt., 15, 258—278. Wien. Schulz, O. 1967, Die synsedimentare Mineralparagenese im oberen Wet-tersteinkalk der Pb-Zn Lagerstatte Bleiberg-Kreuth/Krtn. Tschermaks Min. Petr. Mitt. 231—289. Wien. Schulz, O. 1970, Vergleichende petrographische Untersuchungen an karnischen Sedimenten der Julischen Alpen, Gailtaler Alpen und des Kar-wendels. Verh. Geol. Bundesanstalt, 165—229. Wien. The Geochemistry of Strontium in the Lead-Zinc Ore Minerals of the Bleiberg-Kreuth Type and its Relation to the Ore Genesis Lucio A. Cardich-Loarte, and Erich Schroll SUMMARY The sedimentary series and the strontium-containing gangue minerals, such as calcite, barite, fluorite, anhydrite and gypsum, are investigated. The evaluation of the data shows that there is no reason to suppose a supply of strontium by ore solutions. Perhaps the occurrence of anhydrite, and strontium minerals may be deviated from gypsum-containing carbonate mud. The evidence of the marine origin of strontium is supported by isotopic analyses of sulfate-sulfur. DISCUSSION Tufar: Ich mochte nicht direkt auf den Typ Bleiberg-Kreuth zu sprechen kommen, sondern auf die Pb-Zn-Barytlagerstatten des Grazer Palaozoikums und da fragen: Wiirden Sie mir zustimmen, daB die nie-drigen Strontiumgehalte dieser Baryte einen Vergleich mit dem Typ Meggen zulassen, also fiir eine syngenetische, somit voralpidische Genese dieser Lagerstatten sprechen? Schroll: Die Strontiumgehalte der Baryte aus beiden Lagerstatten-typen sind ausgesprochen niedrig und vergleichbar. Ich bin davon iiber-zeugt: Wenn man die Sulfatschwefelisotopen analysiert, wird man eine Bestatigung fiir die marine Herkunft des Sulfatschwefels in den Lagerstatten des Grazer Palaozoikums finden. Rainer: Man findet in Bleiberg Sr-Anreicherungen in Form von Coelestin vornehmlich in Bereichen tuffverdachtiger griiner Mergel. Kann daraus geschlossen werden, da B diese Sr-Anreicherung mit einer vulka-nischen Tatigkeit im Zusammenhang stehen kann? Schroll: Nein. Der Strontiumgehalt des Meerwassers ware ausreichend. Die Coelestinanreicherung ist zwar hauptsachlich an das Dreierlager gebunden, d. h. ziemlich nahe dem ersten Raibler Schiefer. Wie das Profil zeigt, konnen wir daraus schlieBen, daB die Intensitat salinarer Aus-scheidungen bei der Sedimentation der »Edlen Flachen« mit Annaherung an das Karn zugenommen hat. Man wird allerdings sedimentpetrogra-phisch die Reste von primaren Gipsausscheidungen noch sicherstellen und auch die Isofopenzusammensetzung des Strontiums priifen miissen.