Izvirni znanstveni članek UDK 1 Veber F.:165.82 Veber über die Tatsachen, Wahrheit und Erkenntnis ANDREJ ULE Univerza v Ljubljani Filozofska fakulteta Aškerčeva 2 SI-1000 Ljubljana andrej.ule@guest.arnes.si POVZETEK VEBER O DEJSTVIH, RESNICI IN SPOZNANJU Omejim se bom na zgodnje obdobje Vebrovega filozofiranja (od l. 1920-25), kije še pod močnim vplivom Meinonga. Veber določi spoznanje kot pristno resnično mišljenje, natančneje kot pristno mišljenje istinitostnega dejstva. Resnična misel je tista, katerih vsebina je istinito dejstvo. Torej Rp = Dp (resnična propozicija p = dejstvo je, da p), kar je okrepljena verzija R-stavka (Rp čče p). To vodi Vebra (in Meinonga) v iskanje nujne značilnosti resnične misli na sami trditvi. Veber je iskal to značilnost v prepričanju", ki je razvidno (evidentno) zaradi internalnih razlogov. Vendar Veber ni mogel najti dokaza za to, da avtonomna evidentnost misli zares nujno implicira resničnost (nepsihološko faktičnost misli). Zato v "Problemih sodobne filozofije" (1923) meni, da lahko resničnost avtonomno evi-dentne trditve lahko le predpostavimo. Veber hoče stati na sredi med dogma-tizmom in radikalnim skepticizmom. Ta pozicija se dovolj razumna, vendar je Veber verjetno zaradi svojega približevanja religiji še dalje iskal zanesljivo merilo resnice, ki bi se kazalo v samem doživljaju prepričanja. Ključne besede: Veber, Meinong, dejstvo, resnica, evidenca, stvarnost KURZFAßUNG Ich beschränke mich auf die frühere Periode der Philosophie Vebers (von 19201925), die noch unter dem starken Einfluß von Meinong. Veber bestimmt die Erkenntnis als der "echte" (pristno) und wahre Gedanke, genauer, als der echte Gedanke über die faktische (istinito) Tatsache. Der wahre Gedanke ist der Gedanke, dessen Inhalt die faktische Tatsache ist. Das gibt uns die Gleichheit Wp = Tp (wahre Proposition p = die Tatsache, daßp), was stärker als der übliche W-Satz (Wp gdwp) ist. Das führt Veber (und Meinong) zur Suche nach einer notwendigen Kennzeichnung der Wahrheit in dem Urteil selbst. Veber sucht diese Kennzeichnung im Urteil, das wegen der internalen Gründe evident ist. Veber konnte aber keinen Beweis dafür finden, daß die autonome Evidenz des Gedankens seine Wahrheit (seine nichtpsychologische Faktizität) notwendig impliziert. Darum sagt er in den "Problemi sodobne filozofije" (1923), daß man die Wahrheit des autonom evidenten Gedankens nur voraussetzen kann. Veber wollte damit zwischen dem 45 radikalen Skeptizismus und dem Dogmatismus stehen. Diese Position ist rational, doch Veber hat wahrscheinlich wegen seiner Annäherung an die Religion noch weiter nach einer zuverlässigen Kennzeichnung der Wahrheit des Urteils gesucht, die am Urteilserlebnis selbst gezeigt werden konnte. Schlüsselwörter: Veber, Meinong, Tatsache, Wahrheit, Evidenz, Wirklichkeit Veber über die Erkenntnis im Sistem Ich beschränke mich vor allem auf die Philosophie des frühen Vebers (von 192023), die noch unter dem starken Einfluß Meinongs steht, doch Veber hat dort schon einige wichtige eigene Gedanken entwickelt. Ich begrenze mich also auf seine "Sistem filozofije" (1921), "Problemi sodobne filozofije" (Die Probleme der gegenwärtigen Philosophie)(1923a) und "Znanost in vera" (Wissenschaft und Glauben)(1923b). Seine grundlegende, doch noch einführende Bestimmung der Erkenntnis in dieser Periode war: die Erkenntnis ist die ersichtliche (evidente) Behauptung einer wirklichen (istinito) Tatsache (Veber, 1921, S. 3, 223, 1923a, S. 36). Die Tatsache entspricht dem gegenständlichen Korrelat eines Gedankens, also dem Objektiv Meinongs. Der Hauptpunkt dieser Bestimmung liegt in der "ersichtlichen Behauptung". Solche Behauptung (manchmal auch "Urteil" genannt) ermöglicht die adäquate Erfassung des Gegenstandes bzw. einer Tatsache. Veber meinte im Sistem, daß die Ersichtlichkeit eine besondere Qualität der Oberzeugung (prepričanje) ist, die dem Gedanke beigefügt ist. Die Ersichtlichkeitist die Kennzeichnung der "autonomen" Überzeugung. Im Problemi hat er die Ersichtlichkeit gleichfalls mit der maximalen Überzeugung eines Gedankens identifiziert (Veber, 1923a, S. 44). Das war eine von seinen Neuheiten im Bezug auf Meinong, für den die Evidenz ein besonderes Erlebnis am Urteil war. Die Überzeugung wurde dann bei Veber auch mit der "Echtheit" (pristnost) des Gedankens gleichgesetzt. Die Echtheit des Gedankens unterscheidet eine Behauptung von bloßer Annahme. So bekommt man die dreifache Gleichheit: Ersichtlichkeit = Echtheit = (maximale) Überzeugung. Veber versteht die Wahrheit primär als die "Wirklichkeit" (istinitost) der Tatsache und erst sekundär als die Qualität des Urteils (als die Übereinstimmung des Urteils mit der wirklichen Tatsache), also ähnlich wie Meinong. Meinong spricht sogar von der "Wahrheit der Tatsache". Wahre Objektive sind solche, die, sofern sie Erfassungsobjektive sind, tatsächlich sind (Meinong, 1910, S. 93-5, 1972, S. 39-40). Darum hat Veber den Terminus "istinitost" als gleichbedeutend mit der Faktizität (Tatsächlichkeit) angenommen, obwohl er im damaligen Sloweinschen eigentlich die Wahrheit bedeutet hat. Die Wirklichkeit der Tatsache ist ihre maksimale Quantität, nämlich maximale Möglichkeit. Auf der Urteilsseite der Erkenntnis entspricht der Quantität der Tatsache die Stufe der Gewißheit (izvestnost) des Urteils, wobei die maximale Gewißheit eben ihrer ersichtlichen Wahrheit entspricht. Veber hilft sich bei der Bestimmung der ersichtlichen Urteile mit dem Begriff der autonomen Urteile, genauer, der autonom erworbenen Urteile. Im Sistem gibt er einige Beispiele davon. Autonome Urteile sind erstens die unmittelbaren apriorischen Urteile, wie z. B. 2x2 = 4, ich denke, das Rot ist vom Grün verschieden, die Summe der Winkel im Dreieck ist 1800 usw., die "nur psychologisch" aus "gesamten" Gedanken herauskommen, dann aber auch bestimmte induktive Wahrheiten, wie z. B., Körper fallen zum Boden, Wärme erweitert die Metalle und die logischen Konsequenzen solcher Urteile, die aus bestimmten "notwendigen psychologischen Grundlagen" herauskommen. Wenn ein Urteil aus den nebensächlichen psychologischen Gründe folgt, wie z. B., aus 46 bestimmter emotionalen Eigenheit des Subjekts, der Sugestión oder der Autorität, dann ist es nicht autonom entstanden und kann im Prinzip nicht ersichtlich werden (Veber, 1921, S. 213). Erkenntnisse sind darum gedanklich-autonome Urteile (Behauptungen). Damit kann man nach Veber eine objektive Erfassung der Evidenz geben, nämlich als die autonome Ersichtlichkeit, die sich auf keinen "Gefühlen" oder "Empfindungen" der Evidenz baut. Das ein bestimmter Gedanke aus seinen "psychologischen" Gründen herauskommt, kann man nach Veber objektiv festellen, wenn man ihn nur genau genug betrachtet (Veber, 1921, S. 219). Ich muß hier noch bemerken, daß Veber auch autonome Annahmen kennt und sie auch als Erkenntnisse betrachtet, aber sie sind (objektive) Erkenntnisse der Möglichkeit der Objektive und nicht die Erkenntnisse ihrer Wirklichkeit (Tatsächlichkeit). Veber hat diese Theorie als die Lösung des erkenntnistheoretischen Problems der Objektivität der Erkenntnisse betrachtet und hat sie der Meinongschen Lösung kontrastiert. Er glaubte, daß seine Lösung entschieden besser ist, denn sie sei objektiv, Meinongs aber noch immer subjektiv. Meinong hat nach Veber nämlich noch immer eine subjektive Auffassung der Evidenz angenommen und konnte darum mit der Bestimmung: Erkenntnis = evidenter echter Urteil, nicht zur Bestimmung der objektiven Erkenntnis kommen. Meinongs Unterscheidung zwischen dem "penetrativen" und "kontemplativen" Erfassen einer Tatsache kann das nicht leisten. Man kann damit vielleicht zur inhaltlichen Vorstellung eines Objektivs als eines Faktischen, nicht aber zur objektiven Faktizität des Objektivs gelangen (Veber, 1921, S. 221-2). Veber glaubte, daß er damit autonome Behauptungen mit den "transzendenten" und nicht nur (wie Meinong) mit "gegenständlichen" Faktizitäten verbunden hat. So kommt Veber im Sistem zur folgenden Bestimmung der Erkenntnis: "Erkenntnise sind ersichtliche Behauptungen bzw. ersichtliche Annahmen. Ersichtliche Behauptungen bzw. ersichtliche Annahmen sind jene Behauptungen und jene Annahmen, deren maximale bzw. größere oder kleinere Quantität im Gedankenakt ("Uberzeugung") schon psychologisch nur aus den bestimmten Gesamtgedanken selbst, oder aber mindestens aus ihren notwendigen psychologischen Grundlagen herauskommt. Nur jene Tatsächlichkeiten bzw. Möglichkeiten, die die Inhalte nur solcher, d. h. autonomer Behauptungen bzw. Annahmen darstellen, sind keine gegenständlichen, sondern zugleich transzendente, d.h. zugleich objektive Tatsächlichkeiten bzw. Möglichkeiten im strengen erkenntnistheoretischen Sinn" (Veber, 1921, S. 223). Ich glaube, daß eine solche Lösung des erkenntnistheoretischen Problems ungenügend ist, und auch Veber hat das schnell entdeckt. Ich werde die Frage, ob Veber wirklich besser als Meinong die Lösung "anvisiert" hat (und ob nicht beide Denker sich viel näher waren als das junger Veber damals geglaubt hat) beiseite lassen und mich auf Veber selbst (siehe dazu Žalec, 1998, 2002). Es gibt mindestens zwei offene Fragen der Veberschen Erkenntnistheorie. Erstens geht es um die Frage, wie man beweisen kann, daß die autonom gewißen Urteile und nur sie die "transzendente" Wahrheit treffen. Veber hat das im Sistem nie getan. Er ist bei den feierlichen Feststellungen über die Autonomie der Urteile geblieben. Veber spricht zwar kurz von der "petitio principi" aller bisherigen Erkenntnistheorie, hat das aber nicht genauer erklärt (Veber, 1921, 222). Aus seiner Bemerkung ist nicht klar ersichtlich, ob er damit auch seine eigene Theorie getroffen hat oder nicht. Ich vermute, daß Veber da an die versteckte Voraussetzung der objektiven Wirklichkeit bzw. objektiven Möglichkeit im Begriff der Evidenz oder der Erfahrung gedacht hat. Er glaubte vielleicht, daß er ohne einen solchen logischen Zirkel auskommt und zwar darum, weil sein Begriff des autonomen Urteils die objektiven und nicht nur die gegenständlichen Tatsächlichkeiten beinhaltet. Doch dann kann man nicht einsehen, 47 warum und wie genau die autonomen Urteile Erkenntnisse darstellen, nämlich Erkenntnisse im Sinne der evidenten Auffassung der objektiv bestehenden Tatsachen. Man sieht nicht, wie man das ohne einen logischen Zirkel "begründen" kann. Oder hat Veber vielleicht einfach gedacht, daß man keine Erkenntnistheorie, auch seine eigene nicht, ohne petitio principi aufbauen kann, und hat das den Lesern als eine "Entschuldigung" für das Loch in seinem System angeboten?. Zweitens stellt sich erneut die Frage der Objektivität der Ersichtlichkeit (der Evidenz). Wie kann man die Autonomie eines Urteils objektiv feststellen? Veber bezieht sich auf "hinreichend genaue Betrachtung" unserer Urteile, aber das ist wohl eher eine subjektive denn eine objektive Kennzeichnung der Autonomie der Urteile. Im "Problemi sodobne filozofije" (1923a) hat Veber schon einige Veränderungen in seine Erkenntnistheorie eingeführt. Auch hier bestimmt er zuerst die Erkenntnis als die besondere Art des Denkens, nämlich als eine Art des echten Denkens. Echte Gedanken sind Gedanken mit Überzeugung und unterscheiden sich entschieden von Annahmen als den unechten Gedanken. Der Unterschied zwischen den echten und den unechten Gedanken ist qualitativ, nicht graduell. Er führt dann die bekannten mein-ongianischen inhaltlichen Unterschiede ein: positive und negative Gedanken, Gedanken über das Sein (Dasein) (nahajalne misli), Sosein (takovostne misli), mehr oder wenig mögliche Gedanken ("grössere" oder "kleinere" Gedanken) mit dem Maximum in den "gewissen" Gedanken) und den Unterschied zwischen den nichtschlußartigen (samo-misli) und den schlußartigen Gedanken (somisli) (Veber, 1923a, S. 34). Parallel dazu laufen auch die gegenständlichen Unterschiede in den korrelativen Tatsachen. Der Unterschied zwischen der Erkenntnis und dem Irrtum ist von allen inhaltlichen Unterschieden unabhängig. Nach Veber hat Meinong das übersehen. Veber hat scharf die sog. Evidenztheorie der Erkenntnis verworfen, die die Erkenntnis zwar auch als evidenter oder durchsichtiger Gedanke versteht, doch sie versteht die Evidenz als einen realen Teil des Gedankens. Evidenz wird damit praktisch mit der Stärke der Überzeugung gleichgesetzt, was die Erkenntnis in ein subjektives Erlebnis verändert. Man kann nicht von den Graden oder Stufen der Evidenz reden, jedoch davon, daß uns evident scheint, daß etwas mehr oder wenig gewiß bzw. mehr oder wenig notwendig ist (Veber, 1923a, S. 40). Wenn jemand von etwas überzeugt ist, dann ist ihm auch dessen Wahrheit bewußt. Wenn jemand also etwas als evident gewiß auffaßt, dann ist ihm auch dessen "vollständige" Wahrheit bewußt. Es gilt auch umgekehrt, wenn jemand von etwas überzeugt ist, dann ist ihm das auch evident (bzw., wenn jemand etwas mehr oder wenig überzeugt ist, dann ist ihm das auch im selben Sinne mehr oder wenig evident) (Veber, 1923, S. 43). Es folgt daraus diese Gleichung: Evidenz = (maximale) Überzeugung, doch Veber hat es noch durch die Gleichung Evidenz = Echtheit des Gedankens erweitert (Veber, 1923a, S. 44). Es ist nun eine offene Frage, wie man noch behaupten kann, daß die Evidenz kein realer Teil des Urteils, genauer des Urteilsaktes ist. Kann Veber wirklich dem Subjektivismus in der Auffassung der Erkenntnis entfliehen? Man weiß nicht, wie die Evidenz als ein "objektiver" Moment des Gedankensinhaltes mit der Überzeugung, die ein "subjektiver" Moment des Gedankenaktes ist, zusammenstimmt. Veber formulierte weiter das sog. psychologische Gravitationsgesetz, wonach jedes nichtechte Erlebnis zum entsprechenden echten Erlebnis gravitiert (Veber, 1923a, S. 49). Es gibt viele Faktoren, die diese Tendenz verwirklichen. Sie können rein psychologisch oder nicht-psychologisch sein. Im ersten Fall handelt sich um kausale Gründe des Überganges eines nicht-echten Erlebnisses (z. B. eines Gedankens) in das entsprechende echte Erlebnis, die dem psychologischen Subjekt eigen sind (Emotionen, Wiederholong des Erlebnisses, Haluzination, Sugestion, Autoritätsglaube), im zweiten 48 Fall um die nicht-psychologische Faktizität des zugehörigen intentionalen Gegenstandes des Erlebnisses. Veber sagt hier, daß es nicht um die Frage geht, ob und wann man etwas erkennt, sondern um die Frage, was einen Gedanken als Erkenntnis kennzeichnet (Veber, 1923a, S. 59). Die Gedanken, die mittels der nicht-psychologischen Faktoren echt geworden sind, entsprechen wohl den "autonomen" Gedanken aus dem Sistem, obwohl Veber da seine Terminologie fast umgekehrt hat (die "autonomen" Überzeugungen, die im Sistem aus den "rein psychologischen Gründen" herauskommen, kommen im Problemi dagegen aus bestimmten "nicht-psychologisch-faktischen" Gründe heraus, und die "heteronomen" Überzeugengen, die im Sistem aus den sekundaren, "nicht-gedanklichen" Gründen herauskommen, kommen im Problemi aus den "internen psychologischen Gründen" heraus). Veber hat im Sistem auch nicht mehr Beispiele des "autonomen" Urteilens angegeben. Er sagt sogar, daß man nur annehmen kann, ob in einem bestimmten Fall die Echtheit des Gedankens aus der nicht-psychologischen Faktizität ihres Gegenstandes oder vielleicht aus den rein psychologischen Faktoren an uns selbst herauskommt (Veber, 1923a, S. 60). Veber glaubt, daß er damit die Ideen des extremen Skeptizismus und des extremen Dogmatismus verworfen hat, also daß er den "mittleren Weg" dazwischen geht. Er kennt die volle Berechtigung des begrifflichen Unterschiedes zwischen der strengen Erkenntnis und dem Irrtum an, doch er ist sich der Tatsache voll bewußt, daß in allen einzelnen Fällen das, was man heute für wahr hält, später aber für falsch oder umgekehrt halten kann. Veber glaubt, daß diese Auffassung im vollen Einvernehmen mit dem wahren wissenschaftlichen Denken und mit der geschichtlichen Entwicklung aller Wissenschaften ist (ibid.). Alle Wissenschaften entwickeln sich aus dem unvollendeten Zustand in der Richtung der größeren Vollendung, obwohl sie nie die vollständige Vollendung erreichen können. Die Hauptaufgabe jeder Wissenschaft nach Veber ist, daß sie den "nur psychologischen Grund" der zugehörigen "wissenschaftlichen" Behauptungen eliminiert, obwohl man solche Gründe nie vollständig eliminieren kann. Diesen Gedanken kann ich nur zustimmen. Sie sind z. B. dem popperschen Fallibilismus ähnlich. Im seinem Werk aus dem selben Jahr "Znanost in vera" (Wissenschaft und Glaube) (1923b) hat Veber seine Gedanken von der Unerreichbarkeit der realen Gegenständlichkeit noch erweitert. Er spricht von der Transzendenz der Gegenstände, die nie durch den Inhalt der Urteile gegeben ist, doch man muß sie postulieren. Die Transzendenz der Gegenstände liegt "über" dem Universum aller Gegenstände, die uns prinzipiell inhaltlich unbekannt bleibt. Wir wissen nicht davon, doch wir müssen sie voraussetzen, denn sonst können wir nicht zwischen Erkenntnis und Irrtum unterscheiden (Veber, 1923b, S. 163). Veber hat geschrieben, daß er nicht weiß, was diese Transzendenz ist und welches Verhältnis sie mit allem Gegegenständlichen verbindet, d.h. mit allem inhaltlich bekannten oder mindestens gedanklich erreichbaren. Doch hat er zum Unterschied vom Sistem eine Art der Korrespondeztheorie der Wahrheit angenommen, nämlich: "Die Richtigkeit des echten Vorstellens und Denkens gründet endlich auf der beschriebenen objektiven Übereinstimmung zwischen der nur psychologisch hinweisenden Tendenz der Vorstellungs- und der Gedankensechtheit einerseits und dem zugehörigen Objekt jenes Vorstellens und Denkens selbst andererseits, seine Unrichtigkeit aber aus der beschriebenen Unstimmigkeit zwischen denselben Faktoren" (Veber, 1923a, S. 76). Aber wie kann man diese "Übereinstimmung" im Denken finden? Offensichtlich geht diese Übereinstimmung über die bloße gegenständliche Wirklichkeit hinaus. Veber hat weiter die fünf Postulaten des richtigen Urteilens angegeben, die er in seiner "Ethik" eben aus dem J. 1923 noch auf die sieben Postulate erweitert hat. (das J. 1923 war offensichtlich ein des fruchtbarsten im Vebers philosophischen Leben) (Veber, 49 1923, S. 453-476). Sie reden über die Möglichkeit der materiell oder der formal wahren, der äußeren und inneren Wahrheit, der größeren und der kleineren Wahrheit der Urteile. Ich trete nicht in die Diskussion dieser Postulate ein, will aber nur bemerken, daß man hier mehr und mehr sieht, wie wichtig wurden für Veber die Fragen der "materialen", also der objektiven Wahrheit. Die materiale Wahrheit hat den Vorzug vor der formalen Wahrheit, denn wenn die materiale Wahrheit im Konflikt mit einer formal richtigen, doch material falschen Gedanke kommt, muß man für die erste entscheiden. Veber bestimm auch die materiale Wahrheit als die Eigenschaft der Urteile (der Behauptungen) und nicht der Tatsachen. Die Wirklichkeit der Tatsache und die Wahrheit der Behauptung, die uns diese Tatsache vorstellt, sind jedoch korrelativ (siehe dazu Žalec, 2002, S. 37, 2004, 250-1). Vom Gegenstand zur Transzendenz Veber hat zwar auch im Sistem zwischen den transzendenten und gegenständlichen Wirklichkeiten (und Möglichkeiten) unterschieden, doch er hat dort geglaubt, daß autonome Behauptungen die transzendenten Wirklichkeiten (und Möglichkeiten) notwendig erfassen. In allen unseren echten Urteilen, d. h. den Urteilen mit der Überzeugung, präsentiert man bestimmte gegenständliche Wirklichkeiten (und Möglichkeiten), denn wir sind dort davon überzeugt, daß unsere Gegenstände wirklich sind, also, wir sind überzeugt, daß unsere Urteile wahr sind. Doch unsere Urteile können falsch sein, z. B. in den Halluzinationen (Veber, 1921, S. 222). Darum muß man noch die transzendenten Wirklichkeiten (und Möglichkeiten) nebst den gegenständlichen annehmen. Die Kritik Vebers an Meinong, daß er diesen Unterschied nicht kennt, stimmt nicht, wie Bojan Žalec festgestellt hat (Žalec, 1998, S. 167). Meinong hat nämlich zwischen den modalen Momenten, die nur den wirklichen Objektiva zugehören und dem bloßen Bestehen oder dem depotenzierten Bestehen (oder der Pseudoexistenz) der Objektiva) unterschieden (Findley, 1963, S. 102-3, Meinong, 1978, S. 133), die allen Objektiva zugehören. Vebers Unterscheidung zwischen den bloßen gegenständlichen und transzendenten Wirklichkeiten und Möglichkeiten scheint wirklich nur eine Variante der angegebenen Unterscheidung Meinongs zu sein. Doch weder Meinong noch Veber (im Sistem) haben zirkelsfrei gezeigt und bewiesen, daß man die transzendenten Objektiva in den evidenten Urteilen und nur darin mit Gewißheit treffen kann. Zu Meinongs-Vebers Auffassung der Erkenntnis muß man generell sagen, daß eine inhärente Schwierigkeit schon darin liegt, daß danach zu jedem Gedanken, (jedem, Urteil, jeder Behauptung) ein bestimmtes Objektiv oder eine bestimmte Tatsache als der intentionale Gegenstand zugehört. Man unterscheidet dann positive und negative Objektiva, dazu noch wirkliche (tatsächliche) und unwirkliche, pseudoexistente (nur ideal bestehende) Objektiva. Damit verschiebt sich die Grundeingenschaft der Erkenntnis, nämlich ihre Wahrheit, Tatsächlichkeit aus der Eigenschaft des Urteils (des Erfassens) in die bestimmten Eigenschaften der Objektiva. Das ist auch mit der besonderen Auffassung der Wahrheit verbunden, wonach die Wahrheit eigentlich in den Objektiva gründet, sie ist also den Tatsachen mehr oder wenig gleichgesetzt. Ein wahrer Gedanke ist der, dessen Inhalt wirkliche (oder sogar "wahre") Tatsache ist. Man kann diese Idee als eine Variante der Identitätstheorie der Wahrheit betrachten, wonach Wp = Tp (wahre Proposition p = die Tatsache, daß p) und nicht nur Wp gdw p gilt. Das ist die verstärkte Form der Wahrheitsätze (T-sentences), die nicht nur die Äquivalenz, sondern die Identität des wahren Satzes (Gedankens) mit der zugehörigen Tatsache postuliert. Aber was sind dann falsche Urteile? Was sind ihre gegenständliche Korrelate? (locus classicus: Analyse des falschen Satzes" bei Platon Sophistes!) Aus der "klas- 50 sischen" Wahrheitsäquivalenz Wp gdw p (und aus der Bivalenz der Wahrheitswerte) sieht man, daß Fp gdw non p (wenn man Fp als Wp bestimmt). p ist falsch genau dann, wenn es nicht der Fall ist, daß p. Das Problem hier ist, daß die Identitätstheorie der Wahrheit fast notwendig zu der Identifizierung der virtuellen Objektiva für die falschen Urteile mit den negativen Tatsachen führt, nämlich, wenn man die formale Analogie zwischen der Identitätsbestimmung der Wahrheit Wp = Tp und der Äquivalenzbestimmung Tp gdw p auch für die Negationen und Falscheiten durchführen will. Es scheint sehr verführerisch nah dazu, daß man "es ist nicht der Fall, daß p" als "es ist der Fall, daß nicht p" bzw. als "es ist der Fall, daß nicht-p" versteht. Dann kann man schnell zur Idee der "negativen" Tatsache des nicht-p und damit zur Idee, daß den falschen Gedanken die entsprechenden negativen Tatsachen (negativen Objektiva) entsprechen, kommen. Das stimmt auch mit der Feststellung, daß dann W~p gdw nicht p. Es scheint, als ob man dann die Identität Fp = Tnicht-p gilt. Doch das ist falsch. Man hat damit zu schnell die Abwesenheit der Tatsache, daß p mit der Tatsache, daß nicht-p identifiziert. Wenn man dazu die Erkenntnis noch als die evidente Auffassung einer Tatsache bestimmt, dann wären die Erkenntnisse auch die evidenten Auffassungen der Falschheiten, denn auch sie fassen evident einige Tatsachen auf. Die zweite Schwierigkeit in der gegebenen Identität liegt darin, daß die Theorie Meinongs die virtuelle Existenz (Außersein) von Objektiva annimmt, die die intentionalen Gegenstände der falschen Urteilen sind. Dann fragt man, was "entspricht" eigentlich den falschen Urteilen: außerseinde Objektiva oder die entsprechenden negativen Tatsachen. Die Frage, was den falschen (und negativen) Sätzen in der Wirklichkeit "entspricht", ist darum offen, speziell für die Vertreter der Identitätstheorie der Wahrheit. Meinong und Veber unterscheiden zwar die negativen Objektiva, die den negativen Urteilen intentional "entsprechen" von den irrealen oder pseudoexistenten Objektiva, die den falschen Urteilen entsprechen, aber das stimmt nicht gut mit der Idee zusammen, daß man die Wahrheit mit der Tatsächlichkeit, und die Falschheit mit der Untatsächlichkeit der Objektiva identifiziert. Meinong spricht nur von gewisser "Koinzidenz" der Untatsächlichkeit mit der Tatsächlichkeit des Gegenteiles, aber nicht von ihrer Identität (Meinong, 1972, S. 94.). Meinong spricht davon, daß jeder Möglichkeit ihr Gegenteil, oder genauer die entsprechende Möglichkeit seines Gegenteiles entspricht (Meinong, 1972, S. 93-97). Die Tatsächlichkeit eines Objektivs entspricht also der Untatsächlichkeit seines Gegenteiles, die Untatsächlichkeit eines Objektivs aber der Tatsächlichkeit seines Gegenteiles. Ähnlich spricht Veber von "der Entsprechung der Modalitäten" (Veber, 1921, S. 193), wonach jeder Stufe der Möglichkeit (z. B., 1, %, Vi, 0) einer "positiven" Tatsache (a ist, a ist b) notwendig die entsprechende Stufe der umgekehrten Möglichkeit (0, V, %, 1) der "negativen" Tatsache (a ist nicht, a ist nicht b) entpricht. Also, die Untatsächlichkeit eines Objektivs (z. B. a ist b) entspricht der Tatsächlichkeit des Gegenteiles (a ist nicht b). Wenn man das stringent durchführen will, dann muß man irgendwie von dem Identitätshema Wp = Tp abgehen. Ich sehe keine schöne oder einfache Lösung dieser Schwierigkeiten. Natürlich findet man bei Veber keine Diskussionen dieser Art und darum mußte er seine Lösungen woanders finden. Ich habe schon oben gesagt, daß die allgemeine erkenntnistheoretische These Vebers in dem "Problemi sodobne filozofije" ziemlich rational und annehmbar ist, nämlich, daß wir immer nur annehmen und nie gewiß wissen, ob unsere Gedanken wirklich wahr sind, und daß man zwischen dem radikalen Skeptizismus und dem Dogmatismus gehen muß. Veber war dennoch nie vollständig damit zufrieden, er wollte mindestens beweisen, daß wir manchmal die faktischen Tatsachen auch treffen und sie wirklich erkennen können. Wie ich oben gesagt habe, hat 51 Veber schon im Buch "Znanost in vera" die transzendente Wirklichkeit unserer intentionalen Gegenstände eingeführt, die uns zwar vollständig unbekannt bleibt, doch uns die wirkliche Gegenständlichkeit unserer Vorstellungen und damit die Wahrheit der Gedanken und Urteile ermöglicht (Veber, 1923b, S. 163). Er benennt diese "unbekannte Seite" der Gegenstände schlicht die "Transzendenz". Wir wissen nicht, was diese Transzendenz selbst ist, was ihr Verhältnis zu allem Gegenständlichen (d. h. zu allem inhaltlich bekannten oder mindestens inhaltlich zugänglichen), doch wir müssen sie voraussetzen, wenn unser Begriff der Erkenntnis legitim sein soll (ibid.). Veber glaubt aber auch, daß das religiöse Gefühl im Stande ist, diese Transzendenz als sein Objekt zu nehmen. Das religiöse Gefühl richtet sich zwar auf die Transzendenz, doch es hat sie nicht zu ihrem Inhalt, der sich aussprechen oder beschreiben läßt. Natürlich haben verschiedene Konfessionen und Metaphysiken die Transzendenz auch zu ihrem Inhalt, sie reden viel darüber. Das alles ist nach Veber zwar sehr menschlich, doch uneigentlich und mißglückt, denn man versucht damit etwas prinzipiell Unbeschreibbares mittels irgendeiner Analogien mit der menschlichen Welt darzustellen (Veber, 1923a, S. 166). Andererseits gibt Veber der Transzendenz den höchsten Wert der Heiligkeit. Dadurch hat das religiöse Streben nach der Transzendenz dennoch eine, wenn nicht inhaltliche, so doch "werthaltlige" Bestimmung. Erst durch diesen Wert bekommt auch der ganze empirische Kosmos seinen Wert. Veber vervollständigt dann seinen "mittleren Weg" zwischen dem radialen Skeptizismus und dem Dogmatismus durch den mittleren Weg zwischen dem religiösen Skeptizismus und dem religiösen Dogmatismus (Veber, 1923b, S. 192). Das religiöse Gefühl stellt für Veber also das Komplement der Erkenntnis (bes. der wissenschaftlichen Erkenntnis) dar. Es richtet unsere wissenschaftlichen Ambitionen nach etwas, was uns die wirkliche und nicht nur die inhaltliche Gegenständlichkeit ermöglicht (Veber, 1923b, S. 203). Veber spricht weiter im Buch, daß auch die Kunst etwas ähnliches tut; auch jede echte Kunst stellt bestimmte Gegenstände nach ihrer Art dar und zwar stellt sie sie in einem solchen Licht dar, daß wir uns durch die Erfassung dieser Gegenstände in etwas ganz Anderes "versetzen", das wir auch nicht mehr inhaltlich erfassen können, doch dieses Andere steht in einem obligatorischen Verbund eben mit der Hauptseite jedes echten Geistesproduktes. Ohne dieser Seite würde das Geistesprodukt nur eine leere Kopie oder ein dilettantisches Werk bleiben (Veber, 1923a, S. 230). Wie uns die weitere philosophische Entwicklung Vebers zeigt, war Veber auch mit diesen Gedanken nicht zufrieden. Er suchte und strebte konstant nach etwas mehr "Greifbarem", das die transzendente Wirklichkeit "trifft", und er hat es mehr und mehr eben in der Religion und einer besonderer Art des Sinnes, nämlich in dem Wirklichkeitssinn gefunden. Obwohl er die Transzendenz oder die Wirklichkeit (stvarnost) zuerst fast unbestimmt gelassen hat, hat er sie später mehr und mehr im Sinne der Religion, also Gottes gefasst. Einige Kritiker meinen, daß dieser Prozeß den in den inneren seelischen Dualitäten Vebers gründet, nämlich in seinem Schwanken zwischen einer mehr libertären, agnostischen Stellungnahme und der tief religiösen, sogar mystischen Stellungnahme zur Welt und Religion (Urbančič, 1972). Janžekovič aber glaubt, daß die Bewegung Vebers von einer puren Transzendenz der Wirklichkeit über alles Gegenständliche zum Gott in der Logik seines philosophischen Systems gründet, nämlich in der Suche nach etwas, was uns das Treffen der wirklichen Gegenstände ermöglicht und uns nicht nur die inhaltlich bestimmte Gegenständlichkeit gibt (Janžekovič, 2002, S. 152, 159). Es ist interessant, daß Veber sogar in seinem letzten Werk "Vprašanje stvarnosti" (Wirklichkeitsfrage) (1939) den fallibilistischen Aspekt seiner Erkenntnistheorie erhaltet hat, nämlich die Lehre, daß vielleicht viele unsere Gedanken falsch sein können; "In einzelnen Fragen können wir uns 'irren' und solche können sehr viele Fälle sein. Es ist 52 aber von vornherein unmöglich, daß jeder unser Gedanke und das sogar prinzipiell, falsch, irrig sein könnte. Es ist genug, daß wir die Tatsache des Verstandes annehmen, und schon müssen wir wenigstens die Möglichkeit der richtigen, wahren und damit solchen Gedanken anerkennen, die schon selbst auch für die Welt der objektiven Tatsachen garantieren." (Veber, 1939, S. 315). Aber, wie schon Janžekovič festgestellt hat, wir müssen doch wenigstens einige tatsächlich wahre Gedanke kennen, denn wenn man nur die Möglichkeit der wahren Gedanken anerkennt, doch wenn man nie sicher wissen kann, welcher Gedanke ist wahr, dann bedeutet das den Skeptizismus (Janžekovič, 2002b, S. 254). Das ist wahr, obwohl Janžekovičs Kritik der Erkenntnistheorie Vebers manchmal doch unberechtigt ist, z. B. daß die Gegenstandstheorie keine Irrtümer zulasse, daß z. B. die Behauptungen "Perpetum mobile ist wirklich", "Perpetum mobile ist möglich" und "Perpetum mobile ist unwirklich" alle wahr sind, denn jeder Behauptung entspricht doch ihr eigener intentionaler Gegenstand (ein bestimmtes Objektiv). Wir haben nur die drei verschiedenen Tatsachen vor uns, denn jede hat ihre eigene quantitative Komponente (Janžekovič, 2002b, S. 244-5). Das ist nicht korrekt. Es ist zwar wahr, daß jede der drei angegebenen Behauptungen einen bestimmten Sachverhalt ausdrückt, der irgendwie "besteht", doch sie sind darum noch nicht wirklich oder faktisch. Nur die dritte Behauptung drückt eine wirkliche Tatsache und darum ist sie wahr, beide anderen aber falsch sind (vgl. Žalec, 2002, S. 184-5). Žalec hat meiner Meinung nach korrekt auch auf die inneren Ähnlichkeiten zwischen der thomistischen Erkenntnistheorie und der Gegenstandstheorie Meinongs und Vebers hingewiesen, darum teilen sie auch viele gemeinsamen Stärke und Schwächen. Allgemein gesehen, kann man sagen, daß beim späterem Veber die göttliche Transzendenz und dann auch der Wirklichkeitssinn nicht die Kluft zwischen den rein gegenständlichen Wirklichkeiten und den transzendenten Wirklichkeiten überbrücken können. Veber hat schon im "Znanost und vera" unaufmerksam die zwei Arten der Transzendenz, nämlich die erkenntnistheoretische Transzendenz der Gegenstände und die überweltliche Transzendenz, miteinander vermengt. Er schreibt darin, daß man für alle Gegenstände des autonomen Denkens und Vorstellens ihre besondere transzendente "Seite" postulieren muß, die prinzipiell nicht mehr inhaltlich gegeben ist, und die uns ermöglicht, daß jene Gegenstände auch als die Objekte des autonomen Denkens und Vorstellens auftreten können. Eben diese Seite der Gegenstände nennt er die "Transzendenz" (Veber, 1923b, S. 162-3). Doch dann spricht er weiter ohne jede Vermittlung davon, daß die Transzendenz "eben dieses 'über' dem gesamten Universum stehende Phänomen sei, das uns prinzipiell inhaltlich unbekannt ist und worüber man nichts weißt und prinzipiell nichts wissen kann, daß man jedoch notwendig voraussetzten muß, wenn die allgemeinmenschliche Unterscheidung zwischen 'Erkenntnis' und 'Irrtum' mindestens begrifflich gerechtfertigt sein soll" (ibid., S. 163). Diese Identifikation der prinzipiell unbekannten, transzendenten Seite an den potentiellen Gegenständen der Erkenntnis und der überweltlichen Transzendenz des unbekannten "Phänomens" ist unbegründet, eigentlich sie ist eine rein metaphysische Vorstellung. Doch Veber brauchte sie vielleicht dafür, um mittels des religiösen Gefühls das "Treffen" der Transzendenz irgendwie herbeizuführen. Man kann vom eigenartigen "Monismus" der Transzendenz beim frühen Veber reden. Ohne dieses "Monismus" der Transzendenz wäre ihm das viel schwierigere Problem des gesicherten Treffens der mannigfaltigen Wirklichkeiten der realen Gegenstände geblieben. Veber hat diesen Monismus später, im "Vprašanje stvarnosti" (1939) zwar im Pluralismus der Wirklichkeiten aufgehoben, doch er hat mit der Einführung des besonderen "Wirklichkeitssinnes" die Frage des Treffens eher umgegangen als gelöst. 53 Gibt es Objektiva und Tatsachen? Veber/Meinong zwischen Brentano und Wittgenstein Ahnlich wie Meinong die Objektiva als die gegenständlichen Korrelate der Urteile (der Gedanken) und die Tatsachen als wirkliche Objektiva unterscheidet (bei Veber handelt sich um den Unterschied zwischen den bloßen Tatsachen und der Wirklichkeit (istinitosti) als den wirklichen Tatsachen), unterscheiden auch manche andere Autoren zwischen allgemeineren Sachverhalten und Tatsachen, wobei Tatsachen die "bestehenden" Sachverhalte und Sachverhalte "mögliche" Tatsachen sind. Viele Leute beziehen sich auf den frühen Wittgenstein oder Russell. Peter Simons hat in seinem Buch über die Philosophie und Logik in Mitteleuropa explizit den Wittgenstein des Tractatus mit Meinong verglichen (Simons, 1992, S. 322-4, 334). Seine Hauptidee ist, daß Sachverhalte eine Art "Schatten der Tatsachen" darstellen, sie besitzen also eine "schattenartige" Existenz. Nach Simons Interpretation des Tractatus soll der Sachverhalt ein elementarer Komplex sein (das heißt, ein Komplex, der keine anderen propositionellen Teile in sich hat). Das Bestehen des Sachverhaltes ist die "positive", das Nichtbestehen aber die "negative" Tatsache. Es stimmt, das vieles im Tractatus für diese Interpretation spricht, doch ich glaube, sie ist doch "zu kurz gegriffen" und verführt uns zu verschiedenen Modalontologien der Sachverhalte und Tatsachen, z. B. auch in Simons' eigenem Versuch einer Mereologie der Sachverhalte nach Brentano (Simons, 1992, Kap. 14). Wittgenstein spricht wirklich manchmal im Tractatus so, als ob die Sachverhalte "etwas" sind, was besteht oder nicht besteht. Er spricht vom "Bestehen" und "Nichtbestehen" der Sachverhalte (Tr, 2.06, 2.62, 2.11 usw.), sogar von den "bestehenden" (und damit implizit, auch von den "nichtbestehenden") Sachverhalten (Tr. 2.04, 2.05), doch die Vorstellung, daß es wirklich die Gesamtheit der nichtbestehenden Sachverhalte gibt, so wie die Welt die Gesamtheit aller bestehender Sachverhalte (der Tatsachen) gibt, ist nicht richtig. Erstens sind Sachverhalte (und dem ähnlich auch die komplexen Sachlagen) keine Sachen (Gegenstände), die man benennen kann, dazu sind auch das Bestehen und Nichtbestehen keine Praedikate von Etwas, sondern sie sind nur der verbalisierte Existenz- und der verbalisierte negierte Existenzquantor. Diese "beziehen" sich aber auf Praedikate (Funktionen), nicht auf die Gegenstände (Sachen). Darum kann man streng genommen nicht von "bestehenden" und auch nicht von "nichtbestehenden" Sachverhalten reden (wenn das Wittgenstein im "Tractatus" einmal oder zweimal tut, dann war das vielleicht sein Fehler). Man kann höchstens vom "Bestehen" oder "Nichtbestehen" der Sachverhalte reden, doch das sind Ausdrücke, die einfach die Elementarsätze paraphrasieren. Der Ausdruck "das Bestehen vom Sachverhalt [a R b ]" z. B. kann man genauer als "es ist so, daß a R b" oder einfach als a R b "beschreiben". Wittgenstein kennt in den Tagebüchern auch die eigenartige Analyse solcher Ausdrücke, die die Rede von Sachverhalten eliminiert. Wenn man diese Analyse annimmt, dann kann man sagen: Das Bestehen vom Sachverhalt [a R b ] = das Bestehen von a und das Bestehen von b und a R b (wenn man "das Bestehen von [a R b]" als F[a R b] versteht und das nach der allgemeinen Regel F[a R b] = Fa . Fb . [a R b] aus den Tagebüchern (Tgb, 5. 9. 14) macht). Man kann das auch "russellianisch" machen: E!(a R b) = (3x, y)(x = a . y = b . x R y) (das kennt auch Wittgenstein, denn er schreibt manchmal, daß Fa = (3x)(x = a . Fx) (Tgb, 13. 7. 16, 2. 12. 16, Tr. 5.441). Also scheint alle Rede von Sachverhalten, Tatsachen usw. nur eine noch nicht analysierte "Pseudorede" von wahren (oder falschen) Sätzen zu sein. Man darf sie nicht ontologisch fassen. Auch die These 2.01 im Tractatus, "Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen (Sachen, Dingen)" und die ähnlichen Sätzen von Sachverhalten darf man nicht "realistisch" als die Beschreibung von komplexen Objekten oder 54 Objektiven auffassen, sondern als die Pseudorede, die eigentlich über die sinnvollen (Elementar)sätze spricht, z. B. davon, daß ein sinnvoller Elementarsatz als eine Namensrelation auftritt, und dabei die Tatsache, daß die Namen in einer solchen Relation auftreten, davon spricht, daß entsprechende Gegenstände in einer bestimmten Relation zueinander stehen. Man kann also sagen, daß es nach Wittgenstein strenggenommen keine Sachverhalte und Tatsachen gibt, die unabhängig von den entsprechenden Sätzen, die sie beschreiben, stehen. Tatsachen sind keine bestehenden Entitäten und nichtbestehende Sachverhalte sind keine möglichen Entitäten, die man benennen kann. Man kann fragen, was bedeutet dann die erste These im Tractatus: Die Welt ist alles, was der Fall ist, und was die nächste These 1.11: Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge. Aber schon in der These 1.13 sagt Wittgenstein genauer: Die Tatsachen im logischen Raum sind die Welt. Das Bestehen und das Nichtbestehen der Sachverhalte läuft also im logischen Raum, nicht in irgendeiner Realität. Tatsachen sind keine Entitäten, die soz. Stück per Stück die Welt zusammenbauen. Man muß das also korrekt verstehen und es nicht "naiv" pseudorealistisch nehmen. Ich möchte hier noch bemerken, das entgegen zu der "brentanianischen" Interpretation Peter Simons, die Sachverhalte als komplexen Dinge darstellt, die irgendeine spezielle Mereologie ermöglichen, auch Brentano keine Sachverhalte oder Tatsachen als intentionalen Korrelate der Urteile angenommen hat. In den Zusätzen zur "Psychologie vom empirischen Standpunkt", die aus dem Nachlaß ausgewählt wurden, betrachtet er Sachverhalte und Tatsache als virtuelle Wirklichkeiten, die uns die Sprache hinzaubert und die mit der richtigen Interpretation (Analyse) aus der Sprache verschwinden. Es bleibt nur die übliche Rede von Sachen (Brentano, 1925, S. 234-5). Ähnlich spricht Brentano in der "Kategorienlehre" darüber, daß das Seiende im Sinne des Wahren oder des Falschen uneigentlich ist im Verhältnis zum eigentlichen Seienden oder Nichtseienden. Die vermeintlich wirkliche Sache "Das Kleinersein von 2 im Vergleiche zu 3" oder die vermeintlich "unmögliche" Sache "Die Unmöglichkeit seines Größerseins als 2" sind nur sprachlichen Paraphrasen der wahren bzw. der falschen Urteile, z. B. des Urteils, daß ein 3, das kleiner wäre als 2, unmöglich (Brentano, 1933, 13). Dem ähnlich kann man z. B. sagen, "Daß ein Ceaesar gelebt hat, ist sicher", aber man würde irren, wenn man glaubte, daß der Satz, der hier als scheinbarer Subjekt steht, einen Gegenstand bezeichne. Brentano spricht, daß viele in dem Irrtum befangen, daß dem so sei, und dies hat sie dazu geführt, von Wahrheiten zu sprechen, die außerhalb des Verstandes bestünden und ebenso notwendig und ewig seien wie Gott (ibid., S. 19). Man muß bewußt sein, daß es um sprachliche Fiktionen geht und man immer die entsprechenden Rückübersetzungen vornehmen kann (z. B. statt vom evigen Bestand der Unmöglichkeit eines runden Viereck muß man den negativen Urteil, welches ein rundes Viereck apodiktisch verwirft, reden). Solche sprachliche Fiktionen können uns aber manchmal viele praktische Dienste leisten, sie vereinfachen unsere Rede (ibid., S. 20). Das ist sehr nah zu Wittgenstein. Auch für ihn wäre z. B. die Tatsache bzw. der Sachverhalt, daß es Rosen gibt die Paraphrase des Satzes "Es gibt Rosen" (Die Rosen bestehen). Den Sachverhalten kann man ihr Sein oder Wahrheit zuschreiben. Wir können z. B. sagen "Daß es die Rosen gibt, ist wahr" oder "Es ist so, daß es Rosen gibt". Man kann auf die Frage "Gibt es die Rosen?" antworten, "Ja, es ist wahr" oder "Es ist so". Analog dazu kann man auf die Frage "Gibt es Geister?" mit "Nein, es gibt sie nicht" oder "Es ist nicht wahr, daß es Geister gibt". Sachverhalte sind für Brentano ens rationis, doch nicht intentionale Gegenstände. Im Fall des Satzes "Es gibt Rosen" ist der intentionale Gegenstand das Urteil im Geiste des Urteilenden, doch nicht der Sachverhalt, daß es die Rosen gibt. Der Sachverhalt ist 55 nur eine sprachliche Fiktion, die scheinbar dem Satz entspricht. Nach Brentano existieren wirklich in unserem Fall nur der Mensch, der das angegebene Urteil denkt und die Rosen, nicht aber das Urteil selbst und der Sachverhalt. Also muß man sagen, das derjenige, der die Rosen anerkennt, ist der wahrhaft anerkennende (Brentano, 1925, S. 234). Ähnlich sagt man im Fall der Zentauern "Es gibt keine Zentauern" und ganz genau "Jeder einen Zentauern Anerkennende, ist ein falschlich Anerkennender" (Brenatano, 1925, 235). Dabei sind die Ausdrücke "jeder einen Zentauern Anerkennende" und "der etwas falschlich Anerkennende" die zwei Namen für dieselbe Sache. Für mich ist nicht so sehr die nominalistische Ontologie Brentanos wichtig als seine flüchtige Idee, daß man Sachverhalte (und Tatsachen) vielleicht als Momente der Rede auffassen kann. So z. B. tritt der Sachverhalt, daß die Rosen in der Vase sind, rational als ein unausgesprochener "Teil" des Gespräches auf: Die Frage: Sind die Rosen in der Vase? Die Antwort: "Ja, es ist so" oder "Nein, es ist nicht so". Natürlich kann man diesen Teil "explizieren", z. B. damit, daß man sagt "Es handelt sich darum, ob die Rosen in der Vase sind". Die Phrase "..., ob die Rosen in der Vase sind" zeigt die vermeintliche schattenhafte, modale Natur der Sachverhalte, weist jedoch zugleich klar auf ihre "rein sprachliche" Natur hin. Ich glaube, daß diese Auffassung der Sachverhalte und der Tatsachen rational ist und viele Schwierigkeiten der Philosophie Meinongs oder Vebers lösen kann. Man braucht auch nicht mehr die Identitätstheorie der Wahrheit. Literatur Brentano, F. 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