Beilage zur Laibacher Zeitung. ^U 8. Siebenter Jahrgang. 2R Februar R8V3. Gedenke. ^m raschen Fluge eilen die Gedanken, Mit Blitzesschnelle dnrch die weite Welt, Sie kennen Zwang nicht, kennen keine Schranken, Und leine Macht, die ihre Schwinge hält. Sie eilen flüchtig über Thal und Hligcl, Und tragen Liebe, Freundschaft, Fluch und Haß Dahin auf ihrem unsichtbaren Flllgel, Und manche Wimper wird von Thränen naß. Hast Du nicht oft ein ruhelos Empfinden, Als trieb eS heimlich Dich von Ort zu Ort? Es sind Gedanken, welche Dir verkiinden: Aus weiter Ferne klingt ein grüßend Wort! Es ist ein Mahnen, das Dir rnft: „Gedenke!" Vergiß nicht das, was trenlich an Dir hängt, Daß sich kein Herz um Deinetwillen kränke, Wcil es aus Deinem Herzen ward verdrängt! Und gibts der treuen Herzen denn so viele, Daß einst Geliebtes man so leicht vergißt? Wie mancher Mensch steht trauervoll am Ziele, Wcil er vergaß und nun so einsam ist. Verlorene Liebe. Eine Geschichte von Eduard Höfer. ^35s war ein wunderbar stiller Augustabend, so still, wie er dort zu Lande nur selten gefunden wird; der Himmel hatte sich grau bezogen, als ob es regnen wollte, und von Zeit zu Zeit zog lin leises Wehen von Westen her über die Dünen lind durch ihre halbdürren, schwankenden Gräser gegen die See zu. Aber eS war so schwach und kehrte auch nur so selten wieder, daß eS auf die Bewegung der Wellen gar keinen Einfluß hatte; nach wie vor legten sie sich müde und langsam auf den weichen Sand des Strandes, als hätten sie draußen genug getanzt und gespielt und dürften endlich gleichfalls ruhen. Der Tag war auch völlig zu Ende, die Sonne bereits untergegangen, die Strandvögel und Möuen hatten ihre Nester aufgesucht, und die Fischerböte, welche auf den Abcnd-zug hinausgelaufen und vor kurzem noch sichtbar gewesen, waren mit ihren kleinen Masten und braunen Segeln jetzt auch schon hinter der dort drüben scharf hervorspringenden Landspitze verschwunden. Die Scc zcigle sich einsam und verlassen, l'.nd ebenso vcrlcisscn und öde erschien der Strand. Da war kein Laut zu vernehmen, da war nichts Lebendes zu sehn. Denn selbst von den Häusern deS nahen, in seinen Garten« und Straßenbäumen versteckten Fischerdorfes kam keinerlei Geräusch herüber, da ihre Bewohner bei den täg» lichen Abendbeschäftigungen weilten, oder auch schon ihr Lager aufgesucht haben mochten, um spater zur Rückkehr der Böte desto muuterer bei der Hand zu sein. So hätte man glauben mögen, denn ringsumher war, wie bemerkt, Nichts als Dämmerung und Stille. Allein man täuschte sich; es weilte dennoch Jemand am Strande, und zwar war eS eine Frau, die in einer kleinen Höhlung der Dünen auf dem Sande saß, im Nucken dinch die höher ansteigenden Hügel selbst gegen daö leise Ziehen deS Windes geschützt, und vor sich die weite, graue, sanftbewegte Fläche der See. Sie hatte den Arm auf das Knie gestützt, den mit einem kleinen dunklen Tuch umbundenen Kopf in die Hand gelegt, uud dazu summte sie leise, leise die Weise eineö Wiegenliedes vor sich hin. Auf ihrem Schooße lag auch ein kleines .Kind und schlummerte süß unter der sorg» sam übergedeckten Schürze der Mutter. Und so saß daö Weib da, verborgen und einsam; die Lippen summten immer« fort dieselbe einförmige Weise, aber sie regten sich dabei niemals, uud die großen Augen sandten ernst und unver» wandt alle Blicke in die stets tiefer und tiefer dämmernde Ferne, uud nicht einer von ihnen ficl jemals auf daö Kind oder die Umgebung. Wer sie so dort plötzlich erblickte, wo kein Laut und keine Bewegung sonst von einem lebenden Wesen sprach, der durfte wohl mit Necht erschrecken und stutzen, wie es der Mann zu thun schien, der eben von der andeln Seite her die Höhe der Düne erstiegen hatte, nun die regungslose Gestalt unter sich erblickte und in solcher Nähe auch be» summendeu Gesang vernahm. Er blieb überrascht stehen, beugte sich, um die Einsame bcffer erkennen zu können, weit vorüber und sagte dann mit verwundert klingender Stimme.» „Aber — seid Ihr das, Frau?" Sie zuckte sichtbar zusammen, warf den Kopf mit einer raschen Bewegung zu dem Fragcr herum und schaute ihn verwirrt an. Und erst nach einer Pause, während welcher ihre Gedanken aus der weiten Ferne in die nächste Umge» buiig zurückgekehrt sein mochten, versetzte sie gefaßt: »Ja, ja, Herr, ich bin'S freilich. Aber kommt Ihr jetzt schon aus dem Hanse zurück?" Er stieg die kleine Höhle vollends herab und war mit ! ein Paar Schritte» an ihrer Seite. „Um Alles in der Welt," sprach er, nachdem sein rascher Vlick die Umgebung und Aussicht gemustert hatte, „was treibt Ihr denn hier noch so spät und allein? Und daö Kind habt Ihr auch bei Euch?" setzte er kopfschüttelnd hinzu; «dem solltet Ihr doch seine Ruhe und sein Vett gönnen. Es muß sich hier ja erkalten." — Die Frau schüttelte gleichfalls den Kopf, und ein leises Lächeln glitt über ihr schönes, aber von der Sonne verbranntes und mageres Gesicht. „Unsereins erkältet sich nicht leicht, Herr," entgegnete sie; „der Abend ist ja auch 5 still und warm. Allein zu Hause mag ich das Würmchen nicht laffen," fuhr sie fort. „Ich würde mich drum ängstigen und könnte keine Minute ruhig sein." „Weßhalb bleibt Ihr aber nicht zu Hause und ruhet dort aus — denn Ihr habt, glaub' ich, freilich schwere Arbeit," gab der Mann zur Antwort und ließ seine Blicke von der Frau wiederholt zu der unendlich einsame» und melancholischen Aussicht vor ihnen hinüberschweifen. „Das scheint mir ein Platz und ein Anblick, um daö frohe und leichteste Herz schiver zn machen, und ich meine, in Eurem Stübchen oder am hellen Herde in der Küche lasse es stch behaglicher ausruhen, heiterer denken und träumen als hier." — Sie mochte von den letzten Worten wenig oder Nichts gehört haben, denn sie erwiederte mit leisem Kopfneigen nur: „Ja, Herr, bei mir ist das was Anderes. Ich kenne den Plüh schon lange und saß hier hundert und hundert Mal. Mich macht er nicht traurig; mein Herz ist auch sonst nicht fröhlich und leicht. Dagegen laßt sich Nichts thun." «Schon gut," wandte er nach einer Weile ein, „damit mag es bei Euch freilich ein ander Ding sein, da Ihr in dieser Gegend wohl daheim. Doch, daß Ihr hier so oft si^ — warum daö?" — Sie erhob ihre Augen mit einem festen Vlick zu den seinen. „Das wird man Euch schon ge< sagt haben, Herr," sagte sie kurz und scharf. — Er drehte den Kopf verneinend hin und her. „Wie n.>äre das möglich, liebe Frau?" entgegnetc er. „Ich bin seit wenigen Tagen hier und kenne von den Einheimischen nur den alten Bootsmann, der nicht spricht, selbst wenn ich fragen möchte. Habt doch Vertrauen zu mir," fuhr er fort; „ich bin nicht neugierig, sondern voll Theilnahme. Ihr seid eine junge, wackere Frau, habt das hübsche Kind, das eigene Haus und auch zu leben — und doch seid Ihr nicht munter, wie es stch für solche Zustände ziemt, sondern still und ernst. Ihr geht allein und haltet Euch abseils. Muß ich da nicht thcil-nehmen, mich wundern, fragen? — Aber Ihr seid hier ein seltsam Volk, voller Kalte und Mißtrauen gege» jeden Fremden. Und es will Euch doch Niemand was zu Leide thun; im Gegentheil, mancher winde gern ein Mal rathen, trösten, helfen — denn es gibt auch anderwärts freundliche Herzen! — aber Ihr wollt ja nicht." , Er lehnte neben der Frau am Sande des Hügels und hatte das Alles zwar gedampft, aber im herzlichen, eindring- lichen Tone gesprochen, während die Frau wieder ihre erste Stellung eingenommen und ihren Vlick unverrückt und nachdenklich auf der See hatte ruhen lassen. Auch da er nun schwieg, blieb sie noch eine ganze Weile ohne Bewegung, bis sie endlich den Kopf erhob und die Arme um das Kind legte. „So ist es nicht, Herr," erwiederte sie dann ernst; „eö ist mit uns nicht anders, als mit der ganzen Menschheit. Was man im Kopf und Gemüth hat, sagt man nicht Jedermann — er würd' es doch nicht «erstehen, und was fragt er im Ernst auch darnach? Da muß man sich erst lange kennen — hier so gut wie überall, denke ich. Und dann, Herr, sprach sie nach einer Pause ebenso ruhig weiter — „Jedermann treibt's, wie es bei ihm daheim Mode ist. Wenn Ihr länger hier wäret, würdet Ihr manche Frau zu« weilen an der See sitzen sehen, so lange ihr Mann draußen ist — die Eine früh, die Andere spät, wie sie Zeit und Lust hat. Und so sitze ich zur Abendzeit, weil es nicht anders passen will." Der Fremde sah gedankenvoll i» die See hinaus. „Euer Mann ist auch da draußen?" fragte er endlich. — Sie hatte den Kopf wieder in die Hand gelegt und, da das Kind stch rührte, auch ein Paar Takte des Wiegenliedes vor sich hin gesummt. „Ja, Herr," versetzte sie nun auf seine Frage. — „Schon lange, Frau? — „Ja, Herr, schon lange. Er ist zweiter Steuermann auf dem neuen Wallsischfänger unter Kapitä» Aalborg, und als er fortging, »rar meine Kleine noch nicht geboren; es sind im Herbst drei Jahre." — „Aber es geht ihm gut, Frau?" — „Vor'm Jahr war Schiff und Volk wohlauf, sagte mir der Rheder. Seitdem hörten wir Nichts von ihnen. Es ist auch so weit und Schiffe kommen nicht viel daher, die Vriefe mitbringen könnten." — „Und in all der Zeit habt Ihr hier gesessen, Frau?" — So oft ich konnte und wcnn das Wetter nicht gar zu bös war — ja, Herr," antwortete sie einfach und ohne ihre Stellung zu andern. Nach einer Weile richtete sich der Mann auf. „Es wird Zeit," sprach er. «Mein Koffer muß noch ausgepackt werden. Kommt Ihr mit nach Hause?" — „Nein, Herr," entgegnete sie, „ich bleibe noch, aber für Euch ist's recht; denn es ist kein Platz für die Stadthcrren, und es thut auch sonst kein gut, daß Ihr hier so lange bleibt," setzte sie leiser hinzu. „Es schickt sich nicht.« — „Wie meint Ihr das?" fragte er verwundert. — „Eö gibt böse Zungen, Herr," erwiederte sie gedämpft. «DaS Feuerzeug steht auf dem Herde, rechter Hand, und auch die Lampe." Nach einigen Augenblicke» sagte er kurz: „<8ute Nacht, Frau Wirthin!" und ging ohne ein weiteres Wort an den Dünen entlang, dem Dorfe zu, von dessen erstem Hause ihm ei» einzelnes, einsames Licht im langen, zitternden Strahl durch Laub und Gezweig des Gärtchens freundlich entgegen schimmerte. Erst nach einer ziemlichen Strecke blieb cr stchcn und schaute sich nach dem verlassenen Platze um. Allein er konnte die Frau nicht mehr erblicken, und indem er leise den Kopf schüttelte und ein mitleidiges.- „Das arme Weib!" vor sich hinmurmelte, wandte er sich langsam ab und war im nächsten Äugenblick schou im Dorfe und bei seiner nahe gelegenen Wohnung. (Fortsetzung folgt.) Ans der Chronik des Schlaffes Neichenburg. In jener südlichsten Ecke von Steicrmark, welche von Krain und Croatien eingeschlossen ist, schaut das Schloß Reichenbnrg von schroffer Felskoppe stolz hernieder und spiegelt seine weiße steinerne Stirne in den dunkelgrünen Wellen der Saue. Das klingt beinahe wie der Eingang zu einem Ritterroman, aber gewiß auch ist der Charakter jener Gegend der einer schivermnthigen Wildheit, und oft, wenn ich einsam aus den Fenstern des Rcichcnburger Schlosses hinausblickte, war es mir, als stimmte diese Landschaft mit dem düsteren, unglücksschwangeren Wesen der Geschichte aller slavischen Völker so ganz überein. Der Burgherr auf Nei» chenburg hatte mich, den er im nahen Tüfferbade bei Cilli wußte, freundlichst zu sich geladen. DaS gute Tüfferbad, oder wie cö stch lieber nennen hört, „Römerbad", hatte mir nichts geholfen, so oft ich auch die alte, im Hofe der Anstalt eingemauerte Steinplatte betrachtete, worauf der Dank eines alten Römers für die Heilkraft dieser Thermen einge-graben war. Der Mann hatte gewiß kein Nervenleiden. An südländischen Schönheiten fehlte eö da nicht. Kroatien, Ungarn, die Walachei senden hicher häufig die-schönsten schwarzen Frauenaugen. Vor allen Damen fiel mir die Gattin eineS wulachischeu Bojaren auf — marmorblaß das Antlitz, blauschwarz das Haar. Ihre ganze Erscheinung war von einer so schwungvollen Anmuth gehoben, daß ihr voller und dabei schlanker Körper sich von dem Gesetze der Schwere halbwegs zu emancipiren schien. Ihr Gehen war, wenn ich recht sah, mehr ein Gleiten zu nennen. Ich konnte jedoch diese Verführerin kaum durch zwei Tage beobachten, da sie in so kurzer Zeit nach meiner Ankunft abreiste. Einige Wochen darauf war ich auf Reichenburg, dessen Chronik manches Romantische bietet. Zwei Vrüder, in deren Stamm daö Schloß fich forterbte, entbrannten in Liebe für eine und dieselbe Dame. Der altere von ihnen — der Schloßherr — durfte sie heimführen. Einst lehnte er mit ihr in einem Fenster der Burg, aber unten im Gebüsche stand sei» Bruder mit einer Kugel« büchse im Arm, und schoß seinen glücklichen Nebenbuhler in den Kopf, daß er neben seiner Braut todt niederstürzte; aber auch der Mörder ward getödtet, und zwar von den Getreuen seines Bruders. Die Todtenschädel Beider wurden in einer Nische, zunächst dem Hochaltar in der Burgkapelle, beigesetzt, und um ihre Versöhnung mit einander im Tode sym» bolisch auszudrücken, kehrte man sie mit den Gesichtern gegen einander, aber des andern Morgens fand man sie jedesmal von einander abgewendet. Ich selbst s^h sie und auch die Wunde im Schädel dcö einen, welche offenbar von cinrr Vüchseiikugcl herrührte; aber damals geschah das Wunder nicht mehr, vielmehr hatte man einen geheimen Gang hinter dem Altar entdeckt, durch welchen, wahrscheinlich im Einverstandnisse mit einem frühern Besitzer, die Veranstalter des Spukes in die Kapelle eindringen konnten. Nun aber zu einer Szene aus der neuen Chronik von Reichenburg. Die Zeit meines Abschiedes war herangi« , kommen und, um ihn gemüthlich zu markiren, ein Ausflug ! nach dem benachbarten Nann, hart an der kroatischen Grenze liegend, beschlossen worden. Dort sprachen wir dem Weine zu, wie Leute, die nicht von gestern sind, und tranken wie alte Helden in die Runde ! bis in die sinkende Nacht. Als wir nach Ncichcnburg zurückkamen , empfahl ich mich bei meinem edlen Gastherrn, da ich schon vor Tagesanbruch abreisen wollte. In meinem Zimmer angelangt, erinnerte ich mich, daß ich meine Noten auf dem Elaviere im Speisesaale liegen hatte, die lrollte ich nun holen. Oft, wenn ich in diesem Saale allein war und die brennende Kerze zu den schönen Bildern seiner Wände — meist Frauen und Herren deutscher Fürstenhäuser — emporhob, berührten mich die Schauer der Vorzeit, aber heute war ich in einer Stimmnng der allerverwegensten Sorglosigkeit, ja, ich wä're nicht übel aufgelegt gewesen, wie Wolfdietrich in der deutschen Sage, mit den Geistern zu fechten, so viel ihrer auch fein mochten, denn die steierischen und kroatischen Weine haben das Eigene, daß man gerne mit Geistern ka'inpft, wcnn man sie getrunken hat. Ich öffnete die Thüre des Saales mit einer gewissen Hast, so daß das Licht in meiner Ha»d verlosch. Nun griff ich nach meinen» Feueret»!, aber in demselben Augenblicke rauschte etwas im Saale und da sah ich — es war eine wolkenrciche Herbflnacht — vom Fenster her eine schattenhafte Gestalt grgen mich eilen — die, wie in seidene Gewander gelleidet, heran« rauschte. Unwillkürlich machte ich eine Bewegung, welche jedem Rapierscchter geläufig ist, nämlich die des sogenannten Netirirens, aber vergebens — ich fühlte mich plötzlich nm« halst und mit dem Ausrufe: „O Davorin!" an ein weibliches Herz gedrückt. Nun durchflog ich mit der Geschwin» digkeit Mohameds, als er die sieben Himmel durchraste, meine Lebensgeschichte, und endigte mit dem Bewußtsein, daß ich noch niemals als Davorin Pseudonym aufgetreten war. Ich war also offenbar das Opfer eines Mißverständnisses. Die Dame sehte ihre Freundlichkeit trotz meiner Verblüffung in derselben Tonart fort und lispelte eine Menge sehr weich und süß klingender Redensarten, jedoch in einer mir vollkommen unbekannten Sprache. Ich setzte dem Sturme von Zärtlichkeit, der an mich hcranbraustc, die Geduld und Alisdauer eines wahrhaft männlichen Charakters cuta/gen. Endlich hielt die Dame mit deu Beweisen ihrer Herablassung eiu wenig inne, und es fiel mir auf, daß sie in der Modulation ihres OrgancS auö ^-Mll nach l^-Nur überging, nämlich aus der Tonart der Liebe in die eines lustigen Spottes. Von allem, was sie sprach, behielt ich jedoch nur das Wort: „Mammalig'," welches sie mehrmals wiederholte. Es war auch sehr natürlich, das; ihr so ei« bleierner Nittcr, wie ich ihn damals vorstellte, langweilig und lächerlich erscheinen mußte. — Da flog die Thüre hinter mir cmf, die Dame stieß einen Schrei aus — um kurz zu sein, es war offenbar der echte Davorin eingetreten, und zwar ebenfalls obne Licht, aber höchst wahrscheinlich in einer minder unschuldigen Absicht als ich, wenigstens schien mir sein leises Auftreten in der Chaussure der Vorsicht, nämlich i» Strümpfen, sehr verdächtig. Ich entfernte mich nun mit Napi-dität, wobei ich in der Finsterniß einen rnccroo (deutsch Fuchs) machte, nämlich eine glänzende Carambole mit dem echten Davorin. — I» derselben Nacht reiste ich ab. Einige Jahre nach diesem Abenteuer waren verflossen, als ich eines Tages zu Wicn im Casö Daum saß, mit Politik und Chokolade beschäftigt. Als sich die Thüre öffnet, sehe ich unwillkürlich hin, und erblicke zwei sehr kontrastirende Gestalten, deren eine wahrhaft elektrisch aus mich wirkte. Es waten zwei Herren — der eine groß, blond, blühend, der andere untelsetzt, todtenblaß und schwarzhaarig. Der erstere war der Burgherr von Reichenburg, den andern kannte ich nicht. Der Burgherr — eine höchst liebenswürdige Persönlichkeit — stieß einen Schrei der Ueberraschung aus, streckte mir die Handc entgegen, und machte mich rasch mit seinem Begleiter bekannt, welcher niemand geringerer war, als der glücklichste Mann auf Erden, nämlich der Besitzer jener wunderschönen Frau des Tüfferbadcö, der Bojar so und so. Als der erste Sturm der Mittheilungen vorüber war, verabredeten wir uns, Abends ein gemeinschaftliches Souper beim römischen Kaiser zu nehmen, und so geschah es auch. Als wir beim zweiten Glase waren, kamen wir auf Neichenburg zu sprechen, und ich erwähnte jenes Mysteriums, welches mir dort begegnet war, und um dessen Lösung ich den Guts» Herrn ersuchte. Nun erzählte ich die von mir erlebte Anek« dotc. Da der Vojar gleich Anfangs bei meinem Vortrage in die Worte: sehr interessant! höchst interessant! ausge« brechen war, so wendete ich mich aus Dankbarkeit für so unverdienten Applaus bei meiner Darstellung hauptsachlich an ihn, und beachtete wenig ein gewisses Gekrabbcl, welches ich an meinen Beinen unter dem Tische empfand; als mein Blick jedoch ein Mal auf den Burgherrn siel, konnte mir sein Aügengezwinker nicht mehr entgehen, aber die Anekdote war heraus, und ich bemerkte leider zu spät, wie ich es schon tausend Mal bemerkt halte, daß der griechische Weise Periander mit seinem Spruche: „Jegliches vorbedacht" für mich umsonst auf der Welt war. Nun trat eine höchst peinliche Pause ei". Der Bojar verhüllte zu meinem Schrecken mit beiden Handen sein Gesicht, der Burgherr schien auf Nadeln und Wachholdergc-strauch zu sitzen, nnd ich wünschte mir nichts sehnlicher alö eine Versenkung unter meinem Stuhle, durch welche ich, wenn «uch mit Hinterlassung von Kolophoniumgeruch, abfahren könnte. Endlich raffte sich der Bojar auf, trocknete seine Tbranen, welche reichlich flössen, und redete mich mit einer Stimme, die nach Festigkeit rang, folgendermaßen au: „Mein Herr, nehmen Sie meinen Dank, meinen unvergänglichsten Dank. Ibre Erzählung hat mich zwar tief verwundet, aber auch für alle Zeiten getröstet. Ich habe bis« der bloß dem Schmerze um meine Frau gelebt, denn die Dame, von welcher Sie statt des Buben Davorin umarmt wurden, ist nun todt, und war mein schönes aber nichts-würdiges Weib." Der Bojar schüttelte mir hier nicht nur auf das herzlichste die Haud, sondern umarmte mich auch und empfahl sich, indem er uns für morgen seine Gesellschaft zusl'gte. Als er beim Fortgehen sehr freundlich und aufgeheitert lächelte, halte ich den Muth, ihn zu fragen, was denn das Wort »Mammalig'" bedeute: er willfahrte auf das bereitwilligste, nnd nun wußte ich es, sage