Verteilungsmuster der Lanthaniden in Fluoriten der Blei-Zink-Lagerstatte Bleiberg in Osterreich Peter Brdtter, Karl-Heinz Jacob, P. Moller und U. Rosick Zusammenfassung Mit Hilfe der zerstorungsfreien Neutronenaktivierungsanalyse wurden in faziell unterschiedlichen Fluoritproben aus dem Wettersteinkalk der Pb/Zn-Lagerstatte Bleiberg 11 Elemente aus der Gruppe der Seltenen Erden quantitativ bestimmt. Die aus den analytischen Ergebnissen aufgestellten Verteilungsmuster werden im Rahmen eines Modells interpretiert, das eine submarin-exhala-tiv-sedimentare Genese des Fluorits beinhaltet. Beim Vergleich der SE-Verteilungsmuster von marinen Sedimenten mit dem des Bleiberger Fluorits wird eine Typenanalogie mit angenaherter Kongruenz festgestellt, welche die modellmafiigen Vorstellungen unter-stutzt. Die Blei-Zink-Lagerstatte Bleiberg-Kreuth zahlt zu den wirtschaftlich wichtigsten und auch bekanntesten Vererzungen, die in den triassischen Sedimenten der Kalkalpen auftreten. Demzufolge sind bisher zahlreiche mineralogische, geologische und lagerstattenkundliche Untersuchungen durchgefvihrt worden, deren gemeinsames Ziel es war, Aussagen iiber die Genese dieser Lagerstatten zu treffen. Besonders hervo-rzuheben sind hierbei die Arbeiten, die aufgrund ihrer sedimentologischen und gefiige^ kundlichen Ergebnisse eine bereits zwei Jahrzehnte andauernde Diskussion um diesen Lagerstattentyp anregten. Obwohl bereits eine Vielzahl von geowissenschaftlichen Informationen als Ergebnis einer umfassenden Untersuchungsarbeit zur Verfiigung steht, besteht unter den Beteiligten keinesfalls Einstimmigkeit in der Beweis-fiihrung der genetischen Deutung kalkalpiner Lagerstatten. In Berlin haben sich das Institut fiir Lagerstattenforschung an der Technischen Universitat und das Hahn-Meitner-Institut fiir Kernfor-schung, Sektor Kernchemie, zusammengefunden, um in groBerem Umfang mittels spurenanalytischer Untersuchungen nach geochemischen Zusam-menhangen bei der Entstehung fluoritfiihrender Lagerstatten zu suchen. In diesem Zusammenhang interessierten uns die in kalkalpinen Pb/Zn-Lagerstatten als paragenetisches Begleitmineral auftretenden FluBspate. Es hat bisher nicht an Versuchen gefehlt, Fluorite als Indikatormineral bei genetischen Fragestellungen zu verwenden. Von Huber-Schaus-berger und Schroll (1965, 1967) wurden bereits umfangreiche spu-renanalytische Untersuchungen an FluBspaten verschiedener Herkunft — darunter auch Fluorit aus Bleiberg-Kreuth — durchgefiihrt. Dabei zeigte sich aber, daB besonders in den Fluoriten aus Kalken die Konzentration der Seltenen Erden auch nach chemischer Voranreicherung unterhalb der Nachweisempfindlichkeit der spektralanalytischen Methode lag (< 20 ppm). Fiir unsere Untersuchungen wurden aus dem Grubenbereich ANTONI Fluoritproben ausgewahlt, die sich faziell in zwei verschiedene Typen unterscheiden lassen: A. grobspatige Fluorite, die mit derber Schalenblende verwachsen im Marz 1969 im Abbau »Hechl« unterhalb des Leopold-Erbstollen anstanden. B. mm-groBe Fluoritkristalle aus Kliiften des Wettersteinkalkes im sog. »Dreierlager«, 5. Lauf, Marz 1969. Diese Proben wurden mit Hilfe der Neutronenaktivierungsanalyse auf ihren SE-Gehalt untersucht. Die Neutronenaktivierungsanalyse in Verbindung mit Ge(Li)-Halblei-terdioden zur hochauflosenden Gammaspektrometrie gestattet heute, die meisten SE-Elemente zerstorungsfrei, d. h. ohne Anwendung chemischer Anreicherungs- oder Trennverfahren, mit hoher Empfindlichkeit zu be-stimmen. Die Nachweisempfindlichkeit hangt dabei in erster Linie von der FluBdichte der Neutronenquelle ab und war im vorliegenden Fall mit 5,1. 10" n/cm2 s (5 OW-Kanal des BER I) ausreichend groB, um im Blei-berger Fluorit 11 Elemente der SE-Gruppe quantitativ zu erfassen, wobei der Analysenfehler im allgemeinen bei ± 10 °/o lag. Auf die Bestimmung von Pr, Ho, Tm wurde verzichtet, weil die Entfaltung von Linieninterfe-renzen nicht einwandfrei war. 11 Elemente sind aber ausreichend, um Details im Verteilungsmuster der Seltenen Erden im FluBspat erkennen zu lassen. Fiir die Wahl der Seltenen Erden als geochemischer Indikator sind prinzipiell die folgenden Gesichtspunkte von Bedeutung: 1. Wegen der Ahnlichkeit der lonenradien der 3-wertigen Ionen dieser Gruppe mit dem des Kalziums wird ihr diadocher Einbau in das FluB-spatgitter begiinstigt. 2. Aufgrund der ahnlichen chemischen und kristallchemischen Eigen-schaften tritt die Gruppe der Seltenen Erden im allgemeinen koharent auf. Aus diesem Grund sind relative quantitative Aussagen aus dem Verteilungsmuster leichter moglich als bei anderen Spurenelementen. In Fig. 1 sind die Verteilungsmuster der beiden phanomenologisch unterschiedenen Fluoritarten im einfach lcgarithmischen MaBstab dar-gestellt. Die SE-Gehalte im CaF2 sind dabei auf die als primordial an-gesehene Haufigkeitsverteilung in Chondriten normiert und iiber den Ionenradius (nach Ahrens) aufgetragen, ohne daB damit schon Aussagen prajudiziert werden sollen. Die Art der Normierung ist auch bei Vertei-lungsmustern aus postmagmatischen Prozessen iiblich und bietet den Vor-teil, daB aus der Zick-Zackverteilung der Absolutwerte, wie sie der La Ce Ca I I Nd Sm'EuGd i 1.10 ■ i i Tb Dy Er Yb Lu —I—L- "T" 1.00 0.90 o lonen radius CA] Fig. 1 Oddo-Harkin'schen Regel entspricht, eine geglattete Kurve wird, die Abweichungen von der Koharenz des Auftretens leichter erkennen laBt. Das Verteilungsmuster des Fluorits aus dem Derberz laBt deutlich eine Differenzierung zwischen den Cer- und Yttererden erkennen. Will man aus dem Verteilungsmuster Rtickschliisse auf die Zusammen-setzung der Losung am Kristallisationsort ziehen, soi setzt dies die Kenntnis voraus, ob und in welchem AusmaB die SE gegeniiber dem Ca bei der Mineralabscheidung fraktioniert wurden. Es ist also die Kenntnis des Mitfallungskoeffizienten notwendig, der aber nur aus einer vollstan-digen Stoffbilanz fiir den KristallisationsprozeB zu erhalten ist. Unsere dazu laufenden Untersuchungen an definierten Kristallisations-abfolgen von hydrothermal gebildetem Fluorit aus dem Wolsendorfer Revier weisen bisher darauf hin, daB die Mitfallungskoeffizienten fiir die Folge Nd bis Lu — mit Ausnahme von Eu — in erster Naherung gleich sind. Uber La und Ce lassen sich noch keine Aussagen machen (P. B r a t -ter et al. im Druck). Diese Gleichheit ist deswegen interessant, weil dadurch der Festkorper quasi eine Photographie der Losungszusammen-setzung der SE zum Zeitpunkt der Kristallisation darstellt. Eine Ubertra-gung auf Bleiberg muB zunachst spekulativ bleiben, da die Moglichkeit der Uberpriifbarkeit aussteht. Bei Annahme von zumindest der Ahnlichkeit der Mitfallungskoeffizienten laBt sich aber aus dem ermittelten Verteilungsmuster der SE im CaF2 eine modellmaBige Vorstellung iiber die Entstehung der Losungszusammensetzung am Mineralisationsort entwik-keln, wenn folgende Annahmen einbezogen werden: 1. Die Lagerstatte entstand durch submarine hydrothermal-exhalative Stoffzufuhr. SE; Gehalt (ppm I 2. Die in ein Flachmeer miindende Hydrotherme war eine relativ abgekiihlte Losung mit geringem Ca-Gehalt und damit verbunden geringer Konzentration an Seltenen Erden, d. h. urspriinglich vorhandenes Ca wurde im Verlauf der Temperaturerniedrigung mit den SE vorher ab-geschieden. Diese fluorhaltige hydrothermale Restlosung reagiert mit den rezenten Kalksedimenten des triassischen Flachmeeres und aus der resultierenden Losung kristallisiert CaF, aus. Das Ca/SE-Verhaltnis dieser Losung wird damit hauptsachlich vom gelosten Ca-haltigen Sediment bestimmt und als Folge ist im CaF., ein Verteilungsmuster der Seltenen Erden zu erwarten, das dem Typ nach dem des gelosten Sediments analog ist. Ein Vergleich der SE-Verteilungsmuster von Tonen (L. H a s k i n , and T. R. W i 1 d e -man, 1965), Kalkstein (L. H a s k i n et al., 1966) und rezenten Kar-bonat-Sedimenten (M. A. G e h 1, and L. H a s k i n , 1962) mit dem zur Diskussion stehenden des CaF, aus Bleiberg zeigt, daB eine dem Modeli entsprechende Typenanalogie mit angenaherter Kongruenz vorliegt (Fig. 2). Das spricht fiir die Entstehung dieses CaF., im marinen Milieu. In scheinbarem Widerspruch zu diesen Uberlegungen steht zunachst das SE-Verteilungsmuster des Fluorits aus den Kluftfiillungen (Fig. 1, Kurve B). Hier ist die Kongruenz der Verteilungsmuster nur noch fiir die jenseits des Nd liegenden Elemente erfullt, wahrend die Gehalte an La und Ce deutlich niedriger liegen. Diese Abweichungen sind wahr-scheinlich dadurch bedingt, daB in diesem Fall1 vor oder wahrend der Kristallisation eine teilweise und selektive Fixierung von La und Ce aus der Losung in einem anderen Mineral — moglicherweise in einem La-Ce-Mineral — stattgefunden hat. Eine andere denkbare Interpretation ware, daB eine Fraktionierung der Seltenen Erden in Losung erfolgte, ohne daB dabei selektive SE-Minerale beteiligt sind. Diese Erklarung muB aber ausscheiden, weil eine solche Fraktionierung eine Nd-Anomalie aus-schlieBt. Die erste Interpretation wird gestiitzt durch unsere experimentellen Untersuchungen der Kristallisationskinetik am Wolsendorfer FluBspat. Aus diesen geht hervor, daB solche selektive SE-Mineral!e im Verlauf der Mineralabscheidung eine Rolle spielen konnen. Allerdings lag hier der umgekehrte Fall vor, namlich, daB La und Ce (zusammen mit U) von einem gewissen Zeitpunkt an in die Losung mobilisiert worden sind. Das zeigt aber auch, daB die iibliche Trennung der Seltenen Erden in eine Cer- und Yttererdengruppe beim Fluorit kritisch und nur vorsichtig angewandt werden solite. In Anbetracht der komplexen Vorgange, die bei der submarin-hydrothermalen Lagerstattenbildung ablaufen, kann die vorliegende Interpretation der analytischen Ergebnisse nur ein Mosaikstein in deren Deu-tung sein. Die Annahme eines marin-sedimentaren Vorganges wird aber durch die Sr-Analysen an paragenetischen Begleitmineralien derselben Lagerstatte von Cardich-Loarte und S c h r o 11 gestiitzt. Wir hoffen, daB wir durch unsere laufenden experimentellen Untersuchungen in der angestrebten Richtung die modellmaBigen Betrachtungen auf eine sichere Basis stellen konnen. Literaturverzeichnis Bratter, P., Jacob, K. H., Moller, P. und Rosi ck, U., im Druck, Fraktionierung der Seltenen Erden bei der Kristallisation von naturlichem CaF2: Chemie Ingenieur Technik. G e h 1, M. A., and Haskin, L. 1962, The rare-earth distribution in sediments: J. Geophys. Res. 67, 2537—2541. Haskin, L. and Wildeman, T. R 1965, Rare-earth elements in ocean sediments: J. Geophys. Res. 70, 2905—2910. Haskin, L., Wildeman, T. R., Frey, F. A., Collins, K. A., K e e d y, C. R., and Haskin, M. A. 1966, Rare earth in Sediments: J. Geophys. Res. 71, 6091—6105. Huber-Schausberger, I. 1965, Beitrag zur Geochemie der FluBspate: Diss. Universitat Wien. Huber-Schausberger, I. und S c h r o 11, E. 1967, UV-Lumineszenz und Seltenerdgehalte: Geochimica et Cosmochimica Acta, Vol. 31, 1333—1341. Distribution Pattern of Lanthanides in Fluorites from the Pb-Zn Deposit Bleiberg in Austria Peter Bratter, Karl-Heinz Jacob, P. Moller, and U. Rosick SUMM ARY The abundance of 11 rare earth elements in CaF2 specimens from the Wetterstein limestone of the Pb-Zn deposit Bleiberg has been determined by nondestructive neutron activation analysis and high resolution y-ray spectrometry. Characteristic lanthanide patterns are obtained by normalizing the analytical results against the corresponding chondritic abundances. This patterns may provide information on a fractionation within the rare-earth group during the process of formation, and are compared with new results from fluorites and rocks of different genetic history, and simi-larities have been found with sedimentary fluorites and rocks. The investigations may contribute to the interpretation of the mode of formation of alpine limestone-ore deposits. DISCUSSION Kostelka: Es ergibt sich aus dem Vortrag, wenn ich ihn richtig ver-standen habe, da!3 die Menge an FluBspat ein gewisses MaB auch fiir die Temperatur der Losungen ergibt. Dali das Auftreten von FluBspat in einem gewissen Sinne die Temperatur der Losungen widerspiegelt. Brdtter: Eine Aussage iiber die Temperatur bei der Entstehung der Lagerstatte konnte moglicherweise aus den gemessenen Verteilungs-mustern der Seltenen Erden im Fluorit abgeleitet werden. Ohne die Kenntnis der Temperaturabhangigkeit der Verteilungskoeffizienten der S. E. ist das aber nicht moglich. Kostelka: Darf ich Ihnen den Grund meiner Frage an einer kurzen Zeichnung klarmachen. Wenn man in einer Kurve hier die FluBspatkon-zentration und hier in Kilometer die Entfernungen von der Bleiberger Lagerstatte auftragen \viirde, das wiirde ungefahr 10 km, und das ware die FluBspatkonzentration in Prozent, dann wtirde die Kurve, ganz roh ge-sprechen, ungefahr folgendermassen aussehen. Wir haben in einem ganz engen Bereich, aus dem Ihre Probe A und B stammen, dieses Maximum an FluBspat, und es ware jetzt sehr interessant festzustellen, wie sich der Gehalt an seltenen Erden im Ost-Westverlauf der Lagerstatte verandert oder nicht. Und das weitere, auf das ich nur hinweisen mochte, daB wir unsere maximale Erzanreicherungen in einem anderen Bereich haben, der westlich des Gebietes mit dem Maximum an FluBspat liegt. Es geht also das Hauptverbreitungsgebiet des FluBspates in keiner Weise parallel mit der Hauptkonzentration an Metallsulfiden. Brdtter: Aus den vorliegenden Untersuchungen, die nur einen Bereich der 10 km ausgedehnten Vererzungszone betreffen, kann noch keine Aussage gemacht werden, ob der FluBspat ein Indikator fiir die Erzanreiche-rung sein kann. Unsere Messungen enthalten keine qualitativen Angaben iiber das FluBspatvorkommen. Wir waren zunachst nur an der Bestimmung des Gehaltes der Seltenen Erden im FluBspat interessiert, um iiber deren Verteilungsmuster erste genetische Fragestellungen diskutieren zu konnen. Schroll: Der zweite analysierte FluBspat gehort zweifellos einer jiin-geren Generation an. Das spielt eine ganz groBe Role, denn wir finden bei anderen Gangartmineralen in Bleiberg Veranderungen in den Element-verhaltnissen, z. B. im Calcit (Ca/Sr), Baryt (Ba/Sr) etc. Man miiBte die Unterschiede in FluBspatgenerationen festzustellen versuchen; denn in der jiingsten Generation wird zweifellos die starkste Differenzierung der Sel-tenen Erden zu finden sein. Ich mochte auch anregen, nachzusehen, ob nicht andere Gangarten, die koexistent vorkomrnen und als Seltenerdwirte verdachtig sind, wie Calcit oder Schwerspat, einen EinfluB auf die Seltenerdverteilung ausiiben konnen. Bei diesen Untersuchungen solite man auf jene FluBspatgeneration achten, die schichtig auftritt. In dieser Lagerstatte spielt die Abhangigkeit vom Nebengestein auch eine gewisse Rolle. Es ist nicht ganz gleichgiiltig, ob der FluBspat im reinen Wettersteinkalk oder in den griinen Mergel-einlagerungen vorkommt, die an sich wieder reicher an Seltenen Erden sind. Der geochemische Beweis, daB es sich tatsachlich um einen sedimen-taren FluBspat handelt, ist bisher noch nicht gefiihrt worden. Das Ergebnis deckt sich mit den Befunden, die von mir iiber den Strontiumhaushalt der Gangartminerale in Bleiberg vorgetragen worden sind.