ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) erhalten: 2001-03-24 UDK 930.85:719 003.349(497.4/.5-14) DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND AUS DER SICHT DER K.K. ZENTRALKOMMISSION FÜR KUNST- UND HISTORISCHE DENKMALE IN WIEN Brigitta MADER A-1050 Wien, Kriehubergasse 25/11 ÜBERSICHT An Hand von Archivmaterial aus dem Österreichischen Staatsarchiv (Haus-, Hof-und Staatsarchiv: Nachlaß Franz Ferdinand; Österreichisches Staatsarchiv: Kriegsarchiv, Militärkanzlei Franz Ferdinand, Allgemeines Verwaltungsarchiv-Denkmalamt; Archiv des Bundesdenkmalamtes) und dem Archiv von Schloß Artstetten wird hier zum ersten Mal die Rolle der k.k. Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst-und historischen Denkmale für die Erhaltung der glagolitischen Denkmale im Bereich des ehemaligen österreichischen Küstenlandes dargestellt. Die diesbezüglichen Interventionen der Zentralkommission betrafen zum einen die so bedeutenden glagolitischen epigraphischen Denkmale, wie die Tafel von Baska (Insel Krk) oder jene von Valun (Insel Cres), erstreckten sich zum anderen aber auch auf zahlreiche glagolitische Kritzelinschriften (Graffiti) in mittelalterlichen Fresken, die im Zuge der baulichen Sicherung von Kirchen entweder wieder freigelegt oder renoviert wurden. Mit der Bewahrung glagolitischer Denkmale leistete die Zentralkommission einen überaus wertvollen Beitrag zur Erforschung des glagolitischen Schrifttums. Schlüsselwörter: glagolitisches Schrifttum, Denkmalschutz, Österreichisches Küstenland 121 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 I MONUMENTI GLAGOLITICI NEL LITORALE AUSTRIACO ALLA LUCE DELLA I. R. COMMISSIONE CENTRALE PER I BENI CULTURALI A VIENNA SINTESI In base al materiale archivistico proveniente dagli archivi statali di Vienna (Haus-, Hof- und Staatsarchiv: Nachlaß Franz Ferdinand; Österreichisches Staatsarchiv: Kriegsarchiv, Militärkanzlei Franz Ferdinand, Allgemeines Verwaltungsarchiv-Denkmalamt; Archiv des Bundesdenkmalamtes) e dall' Archivio privato del Castello di Artstetten viene per la prima volta elaborato il ruolo della i.r. Com-missione centrale per i beni culturali a Vienna nella tutela dei monumenti glagolitici nel Litorale austriaco. Gli interventi della Commissione centrale consistono in interventi diretti - tra gli esempi piú famosi figurano le lastre di Besca (Veglia) e di Vallone (Cherso) - ma anche in quelli indiretti, cioe interventi di manutenzione e restauro di chiese. Grazie a questi recuperi architettonici furono scoperti e restaurati anche numerosi affreschi medievali ed in questo modo salvati tantissimi graffiti glagolitici rivelatesi testimoninanze di gran valore per le ricerche sulla lingua e letteratura glagolitica. Parole chiave: glagolitico, tutela dei beni culturali, Litorale austriaco Die 1872 aus der mit Allerhöchster Entschließung vom 31. Dezember 1850 begründeten k.k.Centralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale hervorgegangene k.k. Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst-und historischen Denkmale, die 1911 durch ein neues auf Veranlassung des Protektors Erzherzog Franz Ferdinand ausgearbeitetes Statut zur k.k. Zentralkommission für Denkmalpflege mit einem Staatsdenkmalamt, einem Kunsthistorischen Institut und vor allem Berufsbeamten anstelle der bisherigen ehrenamtlichen Konservatoren wurde (Semetkowski, 1959, 545-547; MZK, 1911, 323328), befaßte sich auch mit der Erhaltung glagolitischer Denkmäler. 122 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 Bild 1: F. Rzihas Bericht über die "Crekvina" in Castua (Kastav) an die Zentralkommission (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 10). Sl. 1: Poročilo o "Crekvini" v Kastvu F. Rzihe (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 10). 123 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 Bild 2: Glagolitisches Alphabet aus dem Besitz von A. Gnirs (AAMI. 40, Gnirs-Arhiv konservatora, razni privatni spisi 1914-1915). Sl. 2: Glagolska abeceda, ki je bila v lasti A. Gnirsa (AAMI. 40, Gnirs-Arhiv konservatora, razni privatni spisi 1914-1915). 124 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 Ein Umstand, der zwar in der glagolitischen Forschung weitgehend unberücksichtigt bzw. überhaupt unbekannt geblieben ist, aber umso bemerkenswerter erscheint, als die Zentralkommission ungeachtet der zum politischen Gegenstand gewordenen Problematik um die Gewährung der slawischen Liturgie, die in Dalmatien, Istrien und auf den Inseln des Quarnero, zwar seit jeher eng mit dem glagolitischen Schrifttum verbunden war, aber nun als Ausdruck nationalistischer, gegen die Habsburgermonarchie gerichteten Tendenzen angesehen wurde,1 sehr wohl politische und kulturellen Belange zu trennen wußte, und sich daher auch für die Bewahrung der glagolitischen Denkmäler einsetzte. Diese Einstellung bringt auch Anton Klodic Ritter von Sabladoski, der von 1875 bis 1884 als Konservator der Zentralkommission für das Küstenland tätig war, in seiner ausführlichen Darstellung der Slavischen Sprache und Literatur in Istrien für den Band Küstenland der von Kronprinz Rudolf initiierten Österreichischen Monarchie in Wort und Bild, zum Ausdruck, in der er eingehend über Herkunft, Verbreitung, Entwicklung Bild 3: Kirche San Rocco in Draguch (Draguc): glagolitische Inschrift zur Entstehung der Fresken im Kircheninneren (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 11). Sl. 3: Cerkev sv. Roka v Dragucu: glagolski napis o slikarju in o datiranju fresk v notranjosti cerkve (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 11). 1 Einen guten Überblick zu dieser Problematik bietet : Vitezic, 1985, 332-398. 125 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 und Gebrauch des glagolitischen Schrifttums im kirchlichen wie weltlichen Bereich in Istrien und dem Quarnero berichtet, aber auch eine Überblick über die ältesten und bedeutendsten Denkmäler in diesem Raum gibt (Klodic, 1891, 231-249). So erwähnt er zwei glagolitische Missale aus den Jahren 1706 und 1741 im Besitz der Kirche von Castua (Kastav) (Klodic, 1891, 237), jenem oberhalb von Fiume (Rijeka) gelegenen mittelalterlichen Städtchen, worauf sich die frühesten in den Archivbeständen der Zentralkommission vorhandenen Aufzeichnungen über das Vorkommen glagolitischer Inschriften beziehen. Franz Ritter von Rziha berichtete nämlich am 8. Oktober 1890 der Zentralkommission, daß er wenige Tage zuvor Gelegenheit gehabt hatte, "die bei Fiume gelegene istrianische Stadt Castua" zu besichtigen, wobei er in den Ruinen "einer Kirche" auf eine "verfallene Türe" aufmerksam wurde, "deren Sturz indess sehr gut erhalten" war und "ganz eigentümliche Zeichen...eingeritzt"2 hatte. Zur Illustration fügte er seinem Bericht einen Lageplan und eine genaue Skizze des 1,5 m langen und 0,20 m starken Türsturzes mit der darauf in glagolitischen Buchstaben eingemeißelten Jahreszahl 1537, die sich auf die Errichtung des Nordeinganges der Stadtmauer von Castua bezieht (Fucic, 1982a, 207), an die der unvollendet gebliebene Bau der im XVIII. Jhdt. von den Jesuiten errichteten und in der Folge als "Crekvina" bezeichnete Kirche, unmittelbar anschließt. Rziha, der als Prof. für Eisenbahn- und Tunnelbau an der technischen Hochschule in Wien und Erfinder einer neuen Tunnelbaumethode hervortrat und als Mitglied der Zentralkommission vor allem seinen Interessen am Bauhüttenwesen nachging (ÖBL, 1988, 375), interpretierte jedoch die glagoltische Inschrift ihrer "eigentümlichen Stylistik" wegen, die er "dieseits der Alpen nirgends", wohl aber "Anklänge an diese Formen in Venedig und überhaupt Italien" gefunden zu haben glaubte, als vier "an die orientalische Manier" erinnernden Steinmetzzeichen (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 10. Alte Registratur 1177 CC/1890), die, wie er in seinem in den Mitteilungen der Zentralkommission veröffentlichten Bericht ausführt "in den romanischen Schlüssel" passen (MZK, 1890, 267, Anm. 207). Der Altertumsforscher und Philologe Anton Gnirs, seit 1902 als Konservator der Zentralkommission für die Bezirke Pisino, Pola und Rovigno (Pazin, Pula, Rovinj) tätig und 1912 zum kunsthistorischen Landeskonservator für das gesamte Küstenland ernannt, erkannte hingegen sofort den "bilinguen" Charakter einer "gelegentlich der Verputzreparaturen" an der Nordwand des Langhauses der Dreifaltigkeitskirche in Cerovglie (Cerovlje) 1911 zu Tage getretenen Inschrift und vermerkte in seinem Bericht über den Abschluß der renovierungsarbeiten, daß die Tafel mit der "Bauinschrift (glagolica u. latein) ... die das Baudatum 1588 trägt...vom Verputz gereinigt u. an Ort u. Stelle belassen" wurde (ABDA. 6071/1911; MZK, 1911, 617), 2 Sämtliche in diesem Aufsatz vorkommende Zitate werden sowohl in Orthographie als auch Satzstellung in unveränderter Form wiedergegeben. 126 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 Bild 4: Kirche San Rocco in Draguch (Draguc): Fresko mit zahlreichen Graffiti im Inneren der Kirche (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 11). Sl. 4: Cerkev sv. Roka v Dragucu: Freska v cerkvi z različnimi grafiti (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 11). 127 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 wo sie sich auch heute noch befindet und durch ihre runde Form mit zentralem Loch als ehemaliger Mahlstein einer Handmühle besonders auffällt. "Sämtliche Wandflächen des Innenraumes der Kirche tragen Freskenschmuck aus der Zeit der Mitte des XVI. Jh. An der Wandfläche des Einganges ist das Corpus domini dargestellt, unterhalb eine auf die Ausschmückung der Kirche bezugnehmende Inschrift (Glagolitisch)", schrieb Gnirs am 1. November 1913 an die Zentralkommission, nachdem er am Vortage die Kirche San Rocco in Draguch (Draguc) besucht und festgestellt hatte, daß der "Bauzustand des Kirchleins... demnächst die Vornahme einer Restaurierung" verlangen würde (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 11. 6164/1913). Renovierungsbedürftig erschienen Gnirs aber auch die Fresken, "über deren Entstehung eine," wie er vermerkte, "oberhalb des Eingangs gemalte glagolitische Inschrift weitere Daten gibt", und ausführte: "Als Maler der Bilder wird ein Meister Anton von Padua angegeben, der im September 1529 die Fresken wohl in mancher Anlehnung an die Fresekn des Vinzcenz von Castua (1450) in Vermo (S.Maria delle lastre) fertigstellte" (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 11. 5911/1913). Die Fresken, die mit Ausnahme jener an der Rückwand der Kirche freilagen und sich "auf gesundem Mörtelgrund" befanden, hatte allerdings "durch rohe Uebermalungen und Beschmieren mit Farben, wie durch Einkratzen von Namen" sehr gelitten (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 11. 6164/1913). Gnirs unterbreitete daher der Zentralkommission einen detailliertes Restaurierungsprogramm, in dem er das "Ausfüllen der rohen Sgraffiti des XIX. Jhs. und neutrales Tönen der ausgekitteten Risse" vorschlug, jedoch ausdrücklich anordnete, neben den "Sgraffiti des XVI.-XVII.Jh...alle eingeritzten glagolitischen Schriftzeichen " unverändert zu belassen (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 11. 6164/1913). Als im Spätherbst des Jahres 1912 die Absicht des Franziskaner-Konvents in San Martino di Cherso (Martinscica auf Cres) bekannt wurde, den bereits im Zustand einer Ruine befindlichen mittelalterlichen Klosterkomplex samt der dazugehörigen Kirche Santa Maria in Viar (Bijar) bei Ossero (Osor) an ein privates Unternehmen zu verkaufen, sprach sich Gnirs entschieden gegen eine mögliche Nutzung des Kirchenobjektes zu profanen Zwecken aus und schlug der Zentralkommission vor, dem Verkauf nur unter der Bedingung, daß der Fortbestand der Kirche gesichert wäre, zuzustimmen. (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 27. 6131/1912; MZK, 1913, 167). Die Zentralkommission erklärte sich einverstanden und beauftragte die k.k. Statthalterei in Triest, sich zur Einleitung diesbezüglicher Schritte mit dem zuständigen bischöflichen Ordinariat (Veglia, Krk) und dem k.k. Bezirkshauptmann in Lussin-piccolo (Mali Losinj) in Verbindung zu setzen (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 27. 7944 u. 2577/1913). Da die Klosterkirche von "größerem lokalhistorischen Wert" war, beschloß die Zentralkommission deren Renovierung und beauftragte Gnirs, deren Zustand zu erheben und ein umfassendes Restaurierungsprogramm auszuarbeiten. In seinem Bericht über den bereits vom Einsturz bedrohten Bau erwähnte Gnirs zwei in 128 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 die Fassade eingelassene "glagolitische Inschriftentafeln" und gab außerdem die auf dem Türsturz des unmittelbar an die Kirche angrenzenden Klosterganges eingemeißelte Jahreszahl 1633 eigenhändig in "glagolitischen Ziffern" wieder (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 27. 5429/1913). Dabei ist zu bemerken, daß Gnirs die letzte Ziffer, die heute einwandfrei als "v" mit dem Zahlenwert "3" zu lesen ist, als "7" bzw. "z" (zivjeti) interpretierte. Seine Umzeichnung des fraglichen Buchstabens entspricht jedoch nicht ganz der glagolitischen Form, sondern ist vielmehr einem "l" (ljude) ähnlich, dessen Zahlenwert von "50" allerdings an der Einerstelle nicht in Frage kommen kann. Gnirs scheint sich daher für "z" entschieden zu haben. In Anbetracht der überaus präzisen Wiedergabe der ersten drei glagolitischen Zeichen, ist anzunehmen, daß die Lesbarkeit dieser kurzen Inschrift durch den damals allgemein schlechten Erhaltungszustand des Klosterkomplexes entsprechend beeinträchtigt war. _i_* Bild 5: Klosterruine und Kirche St. Maria in Viar (Bijar) bei Ossero (Osor) vor der Renovierung (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 27). Sl. 5: Samostan in cerkev sv. Marije v Bijarju pri Osorju pred obnovitvijo (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 27). 129 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 Dank der im Jahre 1914 durchgeführten Restaurierungsarbeiten, die "die Neuherstellung des gesamten Dachwerkes, für die Kirche und die Sakristei" sowie die "Sicherung und Eindeckung des Torganges an der Nordseite der Kirche" und die "Neuherstellung der Fensterschlüsse" umfaßten (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 27. 5164/1914.), konnte sowohl die Klosterkirche selbst als auch die drei erwähnten glagolitischen Inschriften gerettet werden. Gnirs hatte jedoch auch mit einem so berühmten Denkmal des glagolitischen Schrifttums, wie der Bascanska ploca aus dem XI. Jhdt. zu tun. Bereits im Winter des Jahres 1902 hatte sich Stefano Petris, damals in seiner Eigenschaft als Korrespondent der Zentralkommission, nach Jurandvor auf der Insel Veglia (Krk) begeben, um im Auftrage der Zentralkommission die sachgemäße Aufbewahrung der Tafel von Baska zu überprüfen. Petris berichtete darüber der Zentralkommission am 30. 12. 1902: "Die Sache des Altslavischen Inschriftstein von Zvonimir ist solche. Der Stein liegt in der Kirche (drinnen) von Santa Lucia di Besca (Dorf Jurandvor), für Moment stützt sich auf der Wand. S.B.G. der Bischof von Veglia,3 welcher auch, Abbate di Santa Lucia ist, wird den Inschriftstein mit einem hölzernen Rahmen bewahren, so dass der Stein ein Schmuck der Kirche sein wird. Der Rahmen wurde schon bestellt. S.B.G. der Bischof von Veglia, ein Bewunderer des Altslaventhums, und Führer der Sinode durch welche die glagolitische Liturgie gegen den Willen der Bevölkerung der alten Diocese von Ossero einführte, selbstverständlich möchte um keinen Preis den Inschriftstein einem Museum abgeben" (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 9. 7/1903; MZK, 1903, 6). 11 Jahre später berichtete Gnirs über den Zustand der glagolitischen Inschriftenplatte, die er am 16. 12. 1913 in der Kirche der Hlg. Lucia in Jurandvor "neuerdings an Ort und Stelle" untersucht hatte. "Die Inschrift wird von einer alten Chorschrankenplatte (Pluteus 1.96 m lang, 0.98 m hoch, 0.08 m dick) getragen, die an ihrem rechten Rand angebrochen ist. Die Platte wurde vor einigen Jahren in einen eisernen Rahmen recht primitiv gefasst und der Raum zwischen Rahmen und Platte mit Ziegelstücken und Mörtel recht unzweckmäßig ausgefüllt. Die Oberfläche der Steinplatte ist bis auf frühere Abwitterungen gesund, doch mit einem grünen Schimmel in einer dünnen Schicht stellenweise überzogen. Die derzeitige Aufstellung der Inschrift auf zwei, in die östliche Längswand der Seitenkapelle eingelassene Steinkonsolen ist recht mangelhaft und unsicher, sodass ein Herabfallen der Platte nicht ausgeschlossen ist". 3 Bischof von Veglia (Krk) war damals Anton Mahnic, der im selben Jahr in Veglia (Krk) die Altslawische Akademie (Staroslavenska Akademija) zur Pflege und Förderung des glagolitischen Schrifttums gründete. Mahnic wurde 1911 von der Zentralkommission zum Mitglied des Denkmalrates ernannt und erklärte sich aus diesem Anlaß in seinem Dankschreiben vom 12. 12. 1911 bereit, "für die Denkmalpflege im Sinne der Satuten das Möglichste beizutragen" (HHStA. NL FF. MK FF, Kunst 1910-1912. f. 742). 130 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 Bild 6: Klosterruine und Kirche St. Maria in Viar (Bijar): glagolitische Jahreszahl in eigenhändiger Aufzeichnung von A.Gnirs (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 27). Sl. 6: Samostan in cerkev sv. Marije v Bijarju: datum z glagolskimi črkami, prostoročna skica A. Gnirsa (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 27). Gnirs empfahl daher einerseits die "Fassung der Inschriftenplatte in einer Rahmenschließe aus Bronce" und andererseits die "gesicherte Aufstellung ... auf einem am jetzigen Aufstellungsplatz zu errichteten Sockelwerk", da "die von der Z.K. [Zentralkommission] gewünschte Uebertragung in die Sakristei" aus Mangel eines derartigen Zubaues nicht vorgenommen werden konnte (AAMI. 27, Abschrift vom 18. 12. 1913). Während Gnirs für die Konservierung sämtlicher "in und bei der Kirche befindlichen Steindenkmale Sorge tragen" sollte, veranlaßte die Zentralkommission gleichzeitig mit der Restaurierung der zur Inneneinrichtung gehörenden Altartafeln mit Darstellungen der Legende der Heiligen Lucia aus einer venezianischen Schule der ersten Hälfte des XV. Jhdts., auch die Trockenlegung der Kirche sowie Verputzausbesserungen und stimmte Gnirs' Anraten, das aus großen Steinplatten bestehenden Bodenpflaster im Kircheninneren zu erhalten zu (AAMI. 28, Abschriften der Briefe Gnirs' an das bischöfl. Ordinariat Veglia und die k. k. Küstenländische Statthalterei in Triest vom 6. 10. 1913; MZK, 1912, 182; MZK XII/2. III.F. 1913. 165f.). Besorgnis um die entsprechende Aufbewahrung der Baščanska ploča äußerte 1913 auch der berühmte Slavist und Erforscher des Altkirchenslawischen, Vatroslav Jagic, in einem Brief an die Zentralkommission, in dessen Mittelpunkt jedoch die gleichfalls zu den ältestesten Beispielen glagolitischer Epigrafik zählende Valunska ploča stand (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 24. 5695/1913). Im Frühjahr des Jahres 1907 hatte Konservator Josef (Giovanni) Petris aus Cherso in der Nähe des Dörfchens Vallon (Valun) an der Ostseite der Insel Cherso (Cres) die Friedhofskirche San Marco besucht, um den in einem Stützpfeiler des Daches der Vorhalle eingemauerten Inschriftenstein zu besichtigen, auf den im selben V' 131 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 Jahr Vinko Premuda und Timotej Jerkovic aufmerksam gemacht hatten (Fucic, 1982b, 1). Da es aufgrund der extremen Position weder möglich war, einen Abklatsch zur Entzifferung des dreizeiligen glagolitisch lateinischen Textes anzufertigen noch die unbeschadete Erhaltung des Steins garantiert werden konnte, ordnete Petris dessen Entfernung und Deponierung im Rathaus von Cherso an (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 24. 2422/1907). Die einheimische Bevölkerung aber widersetzte sich dem Abtransport des Inschriftensteines und stimmte lediglich dessen Übertragung in die Sakristei der Pfarrkirche von Vallon (Hlg. Maria), wo er schließlich in die Wand eingemauert wurde, zu (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 24. 2422/1907; MZK, 1913, 176). Der in der Folge angefertigte Abklatsch wurde Milan Resetar, Professor für slawische Philologie an der Universität Wien, zur Entzifferung übergeben. Resetar konnte jedoch der schlechten Qualität wegen "mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Behelfe die glagolitische Inschrift von Vallon nicht entziffern ", und teilte der Zentralkommission mit, daß selbst "Prof. Jagic, der beste Kenner der glagolitischen Schrift, dem ich sie zur Prüfung ebenfalls übergab,...nicht im Stande" war, "sie zu lesen" (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 24. 3159/1912). Die erste Interpretation der glagolitischen Zeile des zweischriftlichen epigrafischen Textes publizierte 1912 Vinko Premuda (Premuda, 1912, 70f.). Bild 7: Klosterruine und Kirche St. Maria in Viar (Bijar) bei Ossero (Osor) nach der Renovierung (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 27). Sl. 7: Samostan in cerkev sv. Marije v Bijarju pri Osorju po obnovitvi (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 27). 132 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 Bild 8: Brief von V. Jagic an die Zentralkommission mit der Entzifferung der glagolitischen Bauinschrift am Glockenturm der Pfarrkirche von Predloka (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 12). Sl. 8: Pismo V. Jagica Centralni komisiji z dešifriranim glagolskim napisom z zvonika župnijske cerkve v Predloki (ÖStA. AVA. DMA. KU, 12). 133 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 Mit der Bitte um Entzifferung eines Abklatsches hatte sich die Zentralkommission bereits 1902 an Vatroslav Jagic gewandt. Damals handelte es sich um die am Glockenturm der Pfarrkirche des Hlg. Johannes (Sv. Ivan) in Predloka, auch Lonke genannt, angebrachte Bauinschrift aus 1641, die der Pfarrer Josef Sancin der Zentralkommission in Form eines Abklatsches übermittelt hatte (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 12. 800/1902), und deren Entzifferung, wie Jagic anmerkte, "keine Schwierigkeiten für Kenner bietet" (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 12. 991/1902). Gleiches galt auch für jene glagolitischen Zeilen, die zur Erinnerung an das Entstehungsjahr (1466) und die damals in Predloka im Amt stehenden Geistlichen sowie den ausführenden Steinmetzmeister in die Front der in derselben Kirche befindlichen Steinkustodie4 eingemeißelt worden waren, und deren Transkription und Übersetzung Jagic der Zentralkommission gleichzeitig mit der Entzifferung des Abklatsches der Turminschrift übermittelte, die er später gemeinsam mit einer zeichnerischen Darstellung in seiner 1911 im Rahmen der Enzyklopädie für slawische Philologie in Petersburg erschienenen Abhandlung über die glagolitische Schrift veröffentlichte (Jagic, 1911, 228 mit Abb.). Die Tatsache, daß man sich bereits vor rund 100 Jahren der lokal- wie allgemein kulturhistorischen Bedeutung und Erhaltungswürdigkeit glagolitischer Denkmäler durchaus bewußt war, bezeugt auch ein Schreiben des Pfarrers von Barbana (Barban) aus dem Jahre 1900 an die Bezirkshauptmannschaft in Pola, worin er um den Besuch des Konservators bittet, da er die Restaurierung der San Antonio Kapelle für notwendig erachtete. In seiner Beschreibung des Zustands der Kapelle, die er ihrer Bauweise und Eindeckungsart mit Steinplatten zufolge für "ziemlich alt" (assai vecchia) hielt, führte er nämlich an den Innenwänden nicht nur "alte Malereien ...von künstlerischem Wert" (pitture antiche ...di pregio artistico), sondern auch "glagolitische Inschriften" (iscrizioni glagolite) an (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 2. 1926/1900). Auf die Existenz dieser Inschriften in "glagolitischen Buchstaben" wies zwei Jahre später auch Konservator Johann (Giovanni) Righetti in seinem Bericht über spätgotische Denkmäler in Istrien hin (MZK, 1902, Spalte195). Und heute zählt die dem Hlg. Antonius dem Großen (oder Eremiten) geweihte Kapelle zu jenen kirchlichen Bauten Istriens, die gerade wegen ihres überaus reichen Vorkommens an glagolitischen Graffiti besonders bekannt und berühmt sind.5 Auch der Reichstagsabgeordnete Fürst Auersperg, in dessen Eigentum sich die, wie Korrespondent Carl L. Moser im Juni 1909 meldete, (ABDA. 2869/1909), äußerst baufällige, ehemalige Klosterkirche Santa Madonna Beata Vergine in Cepich am See befand, rechtfertigte sich gegenüber der Zentralkommission, die ihn diesbezüglich um Stellungnahme bat, nicht nur dahingehend, daß sich die Kirche, als er in deren Besitz eintrat bereits "in ruinenhaftem Zustande befunden" hatte, als Heumagazin in Ver- 4 Eine Abbildung der Kustodie bringt Fucic, 1982a, 291. 5 Aus Barbana stammen Kritzelinschriften aus dem XV. und XVI. Jh. aber auch Ritzzeichnungen in den gotischen Fresken aus dem Beginn des XV. Jhdts. (Fucic, 1982a, 33-41). 134 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 wendung stand, und "dementsprechend verwahrlost gewesen" war, sondern vor allem auch damit, daß deren Restaurierung einem Neubau gleichgekommen wäre und ihm unter diesen Umständen nichts anderes übrig blieb, "als wenigstens die noch vorhandenen Grabsteine und eine Steintafel, welche über die Geschichte der Kirche berichtete, vor der Zerstörung zu bewahren und dieselbe in die Kapelle des Schlosses Bellay zu überführen", wo sie "im Inneren derselben eingemauert" wurde (ABDA. 4294/1909). Zu den genannten Grabsteinen gehört auch jene Marmorgrabplatte des Fürsten Martin Mojsjevic, des Herrn von Kozljak (Cosiliacco) in Ostistrien, aus dem Jahre 1492, die an den Rändern und über dem Familienwappen Inschriften in glagolitischen Lettern trägt und sich seither in der Schloßkapelle von Belaj befindet (Fucic, 1982a, 71 u. Abb. 97). Im Jahre 1911 erwähnte Korrespondent Moser "an der Südwand" der Friedhofskapelle von Colmo (Hum) ebenfalls eine "glagolithische (sic!) Inschrift", die seiner Meinung nach "aus nationalem Hasse gänzlich unleserlich gemacht" gemacht worden war (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 10. 2925/1911).6 Einen weiteren Hinweis auf die Existenz glagolitischer Graffiti verdanken wir dem Bericht des Triestiner Architekten und Oberbauingenieurs Cornelio Budinich über die Wandmalereien im Inneren der Friedhofskirche von Bottonega (Butoniga), die anläßlich "des Abfallens eines Theiles des Verputzes...zum Vorschein gekommen waren" (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 20. Vermo. 4959/1909). Budinich, der "die Tünchschichten mit besonderen Messern mit großer Mühe und Geduld" während mehrerer Besuche entfernte, konnte nämlich feststellen, "daß alle Wände" der Kirche "ursprünglich mit freskoartigen Malereien bedeckt waren", die aufgrund der "Verschiedenheiten im künstlerischen Werte der einzelnen Bilder" vermuten ließen, "daß nicht alle Bilder genau aus der selben Zeit und noch weniger von derselben Hand stammen." Da Budinich jedoch über den Zeitpunkt der Übertünchung "nichts Genaues feststellen" konnte, aber sicher war, daß "einige auf den Malereien in alter Zeit mit einem Nagel eingeritzte Inschriften auch darüber einige Auskunft" geben würden, bat er den Pfarrer von Gherdoselo, Simon Frulic, "drei solcher mit glagolitischen Schriftzeichen geschriebenen Inschriften" zu lesen und ins Lateinische zu übertragen. Frulic übersetzte "wie folgend ... 1.) 1576 die 9 Junii 2.) 1524 mense maio die 10. quando hoc scripsi ego don Martinus M .. h.....3.) in nomine"7 (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 9. 5503/1909). Budinich zog daraus den Schluß, daß die Malereien im Jahre 1524 noch nicht übertüncht waren (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 9. 4960/1909). Die Friedhofskirche wurde in den folgenden Jahren einer gründlichen Renovierung 6 Vgl. Fucic, 1982a, 192-199, der allerdings nur die Graffiti an der Nordwand und am Triumphbogen sowie in der Apis anführt. 7 Vgl. Fucic, 1982a, 111, der nur zwei Graffiti nennt: 1524 kada to und: 1676, ijuna dan 19. 135 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 Bild 9: Kirchlein des Hlg. Antonius in Gimino (Zminj): Zustand der Fresken im Inneren vor der Renovierung (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 12). Sl. 9: Cerkvica sv. Antona v Zminju: freske v notranjosti v stanju pred obnovitvijo (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 12). 136 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 unterzogen, im Zuge derer auch das Dach erneuert und damit die die Erhaltung der Fresken und Graffiti sichergestellt wurde (ÖStA. AVA. DMA. KÜ, 9. 7234/1913). Durch die bauliche Sicherung und Wiederherstellung von in ihrem Fortbestand gefährdeten Kirchen wurden nicht nur in Bottonega sondern auch auf dem gesamten Territorium Istriens zahlreiche, bereits übertünchte mittelalterliche Fresken wiederentdeckt bzw. noch bestehende durch Restaurierung vor dem Verfall bewahrt, und auf diese Weise der Nachwelt ein reicher Bestand an philologisch wie historisch aufschlußreichen glagolitischen Graffiti erhalten. Dank derartiger Interventionen durch die Zentralkommission konnten vor allem die für die Geschichte und Verbreitung des glagolitischen Schrifttums so bedeutenden Wandmalereien der Kirchen St. Maria na lastre bei Vermo (Sv.Marija na Skrilinah bei Beram) und Sta. Maria Assunta in Muggia Vecchia bei Triest,8 aber auch der Pfarrkirche und der Kirche der Hlg. Maria am Ortsplatz in Gallignana (Sv. Marija na placu in Gracisce), St. Katarina Kirche in Lindaro (Sv. Katarina in Lindar), der Kirche San Giovanni in Mandelebotte (Bacva), der Sta. Catarina Kirche in San Vicenti (Sv. Katarina in Savicenta), sowie der Kirche San Antonio Abbate in Visignano (Sv. Antun opat in Visnjan) und schließlich in der Trinitaskapelle und der Kirche S. Antonio Abbate in Gimino (Sveta Trojstva und Sv. Antun opat in Zminj) sowie der Klosterkirche San Francesco in Pola (Sv. Franje in Pula) gerettet werden. Im Falle der Kirchen des Heiligen Antonius in Gimino und des Hlg. Franziskus in Pola ist deren Erhaltung und somit indirekt auch die Bewahrung der dort befindlichen Graffiti der persönlichen Initiative von Erzherzog - Thronfolger Franz Ferdinand zu verdanken. Er machte nämlich nicht nur seinen Einfluß bezüglich der Wiedergewinnung der als Bettenmagazin der k.u.k. Heeresverwaltung dienenden San Francesco Kirche in Pola für Kultzwecke geltend (Mader, 2000, 101-104), sondern rettete 1911 auch die San Antonio Abbate Kirche in Gimino, die damals als "Gärraum und landwirtschaftlicher Depotraum" in Verwendung stand, vor dem sicheren Verfall. Da wegen der akuten Gefährdung der Fresken im Kircheninneren Eile geboten war, erwarb Franz Ferdinand, um Verzögerungen durch bürokratische Umständlichkeiten zu vermeiden, die Kirche kurzerhand auf eigene Kosten und zögerte auch nicht, die Auslagen für die dringend notwendigen Restaurierungsarbeiten an Dach, Fußboden und Nordwand der Kirche zur Gänze zu übernehmen, aber auch zur Sanierung der Fresken, die mit Ausnahme der Eingangswand sämtliche Gewölbedecken und Wandflächen bedeckten, finanziell beizutragen (Mader, 2000, 79, 83). Als Anton Gnirs während des Ersten Weltkrieges zusätzlich mit der konservatorischen Betreuung von Kärnten und Krain beauftragt wurde und vor allem für die Sicherung und Bergung der durch die kriegerischen Ereignisse unmittelbar bedrohten ode innerhalb des militärischen Operationsgebietes gelegenen Denkmale vor zusorgen 8 Vgl. Mader, 1988, 212-218, Abb. 2-4 u. dieselbe 1993. 69-73. Tav. II-IV. 137 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND 121-142 Bild 10: Glagolitische Glockeninschriften aus Brest und Castua (Kastav) (Gnirs, 1917, Alte und neue Kirchenglocken. Abb. 26, 120). Sl. 10: Glagolski napisi na zvonikih v Brestu in v Kastvu (Gnirs, 1917, Alte und neue Kirchenglocken. Abb. 26, 120). hatte (Mader, 2000, 37) gehörte auch die Aufnahme und Inventarisierung sämtlicher in seinem Konservatorenbezirk befindlichen alten Kirchenglocken, die infolge des kriegsbedingten Rohstoffmangels zur Deckung des Metallbedarfes abgenommen und der Einschmelzung zugeführt werden sollten, zu seinen Aufgaben. So entstand ein umfangreicher Katalog, in dem sämtliche wertvolle Glocken aus dem Küstenland und den angrenzenden Krongebieten noch vor ihrer Abgabe zur Metallverwertung aufgenommen wurden, um sie auf diese Weise "wenigstens in Bild wie in der Beschreibung der Nachwelt zu erhalten" (Gnirs, 1917, Vorwort). Gnirs führt darin auch zwei Glocken mit glagolitischen Inschriften an. Die eine stammt aus der Pfarrkirche der Hlg. Dreifaltigkeit in Brest, wurde 1541 gegossen und "trägt", wie Gnirs in seiner mit einer zeichnerischen Darstellung und Fotografie illustrierten Beschreibung anmerkte, "in schönen glagolitischen Charakteren die Legende und Datierung" (Gnirs, 1917, 29. u. Abb. 26, 27). Die andere, ebenfalls auf das XVI. Jhdt. zurückgehende Glocke aus der Kirche des Hlg. Viktor auf dem Kalvarienberg von Castua (Kastav), "trägt oberhalb des Schlagkranzes die Evangelistennamen in erhabenen Buchstaben" in "Altslavischer Schrift in glagolitischen 3 cm hohen Charakteren", und zählt zu den wenigen Kirchenglocken, die nicht eingeschmolzen wurden (Gnirs, 1917, 84, Abb. 120).9 9 Gnirs zufolge wurde die Glocke der Gemeinde Castua wieder übergeben. Fucic, hingegen, führt die Glocke, für deren Entstehung er das Jahr 1679 angibt, als verschollen an (Fucic, 1982a, 210). 138 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 »jlW. ■ ^xru NPH IUI H fllU]i+l ■ bMi IU [fl I H JJ3 ' 1* I lYi a P -tfHJt-ViiU Wi'if JJÜiii ApIP ■ ¿f|.|IIH IJUitif -r>F>LAjiTiiiJii(fiLtam ■ ) ' H r-ft.3if (JUH - F43F(hi' ff izlili H [TTIiii F * tJrfi-Crfi LH i K ■ S liSDJ]Ji * 1(11 ■ rtaafDJifB * CKUJ3 - T * 3 4 ^rhlDBOD.ftP ■ t,JA,ttkf,- WS » 8 ■ [)II3I"1 iAJ'I iflltt'.X ■ Bild 11: Glagolitische Inschrift am Türsturz der Frankapanfestung in Buccari (Ba-kar) in der Wiedergabe von Erzherzog Ludwig Salvator (Ludwig Salvator, 1871, 32). Sl. 11: Glagolski napis nad stranskim vhodom v grad Frankopanov v Bakarju na sliki iz dela nadvojvode Ludwiga Salvatorja (Ludwig Salvator, 1871, 32). Zum Unterschied von heute gehörte das Wissen um die Existenz des glagolitische Schrifttum noch vor einem knappen Jahrhundert offenbar auch außerhalb denkmalschützerischen, vor allem aber nichtslawischen bzw. nichtslawistischen Kreisen durchaus zum geistigen Allgemeingut. Dies geht nichtzuletzt aus dem Werk des österreichischen Erzherzogs und Gelehrten Ludwig Salvator "Der Golf von Buccari und Porto Re" (1871) hervor, in dem der Autor die glagolitische Inschrift am Türsturz des Seiteneinganges der mittelalterlichen Frankapanfestung in Buccari (Bakar) bereits wenige Jahre nach deren erster wissenschaftlichen Veröffentlichung durch Ivan Kukuljevic Sakcinski ganz selbstverständlich in glagolitischen und lateinischen Lettern sowie in deutscher Übersetzung wiedergibt (Ludwig Salvator, 1871, 32f.). Kukuljevic Sakcinski' Publikation lag die Abschrift von Jambresic zugrunde (Kukuljevic Sakcinski, 1863, 235), die jedoch nicht mit der von Ludwig Salvator angeführten Lesart übereinstimmt. Ludwig Salvator verwendete nämlich eine vollständigere Version der Inschrift, die sich abgesehen von einem einzigen abweichenden Buchstaben exakt mit derselben Lesart deckt, die 4 Jahre später auch der Literat und Philologe Adolf Tkalcevic - Veber in seiner Abhandlung über Bakar anführt (Tkalcevic, 1875, 599).10 10 Tkalcevic-Veber nennt Ludwig Salvators Werk, das er als "wunderbar, wunderschön" bezeichnet, nicht als Quelle, erwähnt aber sehr wohl dessen Beschreibung des Schloßinneren: "nutrinju je gradsku potanko opisao nadvojvoda toskanski Ljudevit Salvator u prekrasnom djelu: Der Golf von Buccari und Porto Re" (Tkalcevic, 1875, 599). Da Ludwig Salvator zur Vorbereitung seiner Werke stets mit Gelehrten und gebildeten Ortskundigen in Kontakt stand, ist nicht auszuschließen, daß er die später in seinem Buch veröffentlichte Version der glagolitischen Inschrift an der Festung in Bakar von Tkalcevic, der nicht nur in Wien Slawistik studiert hatte, sondern auch aus Bakar gebürtig war, übernommen hatte. 139 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ..., 121-142 GLAGOLSKI SPOMENIKI NA AVSTRIJSKI OBALI V LUČI CESARSKO-KRALJEVE CENTRALNE KOMISIJE ZA KULTURO NA DUNAJU Brigitta MADER A-1050 Dunaj, Kriehubergasse 25/11 POVZETEK Leta 1850 ustanovljena cesarsko-kraljeva Centralna komisija za raziskovanje in ohranjevanje zgodovinskih in umetnostnih spomenikov (k.k. Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale) se je med drugim ukvarjala tudi z glagolskimi spomeniki. Kljub tako imenovanemu "problemu glagolice " glede uporabe slovanskega jezika in glagolice v bogoslužju, katero so v slabi luči pojmovali kot izraz slovanskega nacionalizma proti habsburški monarhiji, je Centralna komisijia zelo vestno razločevala politične zadeve od kulture in je zato zagovarjala ohranjevanje glagolskih spomenikov. Posebno pozornost je glagolskim spomenikom posvečal Anton Gnirs, ki je za Centralno komisijo delal od leta 1899 in ki si je leta 1912 pridobil naziv regijskega konservatorja za celotno Avstrijsko primorje. Poleg tega, da je Gnirs raziskoval glagolske grafite in epigrafe, katere je bilo vredno ohranjevati, izredno strokovno, je v svojem katalogu o zvonovih iz leta 1917 poročal tudi o glagolskih napisih na zvonovih (Brest, Kastav). Poleg posegov s strani Centralne komisije, namenjenih ohranjevanju in zaščiti samih glagolskih spomenikov (plošče v Baški in v Valunu, napisi v Cerovljah, Cepiču, Kastvu, Osorju in Predloki, kjer se je Centralna komisija za dešifriranje napisov posluževala celo pomoči priznanih slavistov, kot sta bila Vatroslav Jagič in Milan Rešetar), so zelo pomembni tudi tisti primeri, kjer so se glagolski spomeniki (običajno grafiti) ohranili na posreden način - preko restavratorskih del, ki so jih izvedli na cerkvah in freskah (Beram, Stare Milje, Zminj). Z razliko od današnjih dni so pred dobrim stoletjem glagolico dokaj dobro poznali tudi v neslovanskih in neslavističnih krogih, kar je zelo nazorno prikazano v delu avstrijskega nadvojvode in strokovnjaka Ludwiga Salvatorja - Der Golf von Buccari und Porto Re (1871). V tem delu avtor navaja glagolski napis, ki se nahaja nad stranskimi vrati srednjeveškega gradu Frankopanov v Bakarju, tako v glagolski kot v latinski pisavi ter dodaja tudi nemški prevod, in sicer le nekaj let po objavi prve znanstvene publikacije o istem napisu Ivana Kukuljeviča-Sakcinskega (1863). Ključne besede: glagolica, spomeniško varstvo, Avstrijsko Primorje 140 ACTA HISTRIAE • 9 • 2001 • 1 (XI.) Brigitta MADER: DIE GLAGOLITISCHEN DENKMÄLER IM ÖSTERREICHISCHEN KÜSTENLAND ., 121-142 QUELLEN UND BIBLIOGRAFIE ABDA - Archiv Bundesdenkmalamt Wien. Zentralkommission-Küstenland Denkmale, Topographische Akten 1883-1916. ÖStA. AVA. DMA. KÜ - Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA). Allgemeines Verwaltungsarchiv (AVA) - Unterricht. Denkmalamt Küstenland (DMA. KÜ) 2, 9, 10, 11, 12, 20, 24, 27. HHStA. NL FF. MK FF - Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStA). Nachlaß Franz Ferdinand (NL FF). Militärkanzlei Franz Ferdinand (MK FF), Kunst 19101912. 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