H. Neelmeyer-Vukassowitsch, Bibliothek für moderne Völkerkunde. Oesterreich-Ungarn. Nach eigenen Beobachtungen geschildert II. Noelnieyer-'V^ikaflBowilKoih Leipzig. Y e v 1 n v mi Richard Bau e r 1885. % \H Oesterreich-Ungarn, Nach eigenen Beobachtung'«1!! geschildert von Leipzig, Verlag von Richard Ii n u c r. Unsere gegenwärtige Zeit mit ihrem vom Tag zu Tag rapider sich steigernden internationalen Verkehr beansprucht immer mehr von Jedem, gleichgültig welchem Berufe er angehört, nicht nur eine gründliche Kenntniss der Verhältnisse des Heimathslandes, sondern auch der übrigen Staaten des Erdballs. In der Literatur aller Länder finden wir zahlreiche Publikation über „Völkerkunde' und auch die periodische Presse liefert stets eine Fülle werthvoller Mittheilungen, — aber was der Lesewelt, besonders dein viel beschäftigten Geschäftsmann und Politiker b i s h e r fehlt: sind Werke, welche, unserer raschlebigen Zeit entsprechend, durch möglichste Hervorhebung alles Wichtigen, in populärer, durchaus praktischer Darstellungsweise ein klares Gesammtbild eines jeden einzelnen Staates auf möglichst kleinem Kaum und z u g e r i n g e m K o s t e n p r e i s 1 i e f e r n, a u s d e n e n sich jeder, selbst der Vielbeschäftigte, schnell über ein Reich derartig zu informiren vermag, d us s erdasselbenachjederRichtungsoweit kennt, wie es für seine geschäftlichen oder politischen Zwecke unbedingt erforderlich ist. Durch unsere „Bibliothek für moderne Völkerkunde" wird nun diesem thatsächlichen Mangel abgeholfen, denn wir werden darin jedes einzelne Reich in einem vollkommenen für sich abgeschlossenen Band von circa 60 Druckbogen derartig schildern, dass jeder, gleichgültig welchem Berufe er angehört, darin alles dasjenige lin d et, was er braucht, um über die gegenwärtigen Verhältnisse eines Staates vollkommen informirt zu sein. Der Herausgeber des grossen Unternehmens, Herr Heinrich Neelmeyer-Vukassowitsch, Autor von „Das Russland der Gegenwart, und Zukunft" und „die Vereinigten Staaten von Amerika" I Verlag Franz Duncker, Leipzig), Werke, denen eine sehr günstige Aufnahme in der Lesewelt und in der Presse zu theil geworden, hat sämmtliche zunächst in's Auge gefassten Länder bereist, um die dort herrschenden Verhältnisse so gründlich wie möglich durch eigene Anschauung zu studiren. — Die Bearbeitung wird ausserdem noch durch zahlreiche, vortreffliche Orginal-Beiträge und Mittheilungen von kompetente n P acbmannerri aus den zu schildernden Ländern, sowie durch ein höchst reichhaltiges, sorgfältig ausgewähltes Sannnelniaterial, welches den neuesten Publikationen der Presse entnommen wurde, — unterstütz! in unseren streng objectiv gehaltenen Schilderungen greifen wir im allgemeinen nicht auf die Vergangenheit zurück, sondern beschult igen uns, wie es auch der Titel der „Bibliothek* ausdrückt, einzig und allein mit dem gegen w ä rügen Zustand eines jeden einzelnen Reiches. Die Erscheinungsweise ist die in Lieferungen. Monatlich werden 2 Lieferungen ä 4 Druckbogen, also 8 Druckbogen Urossoctav erscheinen, so dass die Schilderung jedes einzelnen Staates schon in 5 Monaten beendet sein wird. Der Preis der Lieferung beträgt 50 Pfennig. Dieser Preis ist gewiss ein erstaunlich billiger zu nennen, wenn dl« Originalität der Bearbeitung und die jedem Hand gratis beigegebenen äusserst reichhaltigen und höchst werthvollen statistischen Tabellen über Bevölkerungszahl sowohl im allgemeinen, als wie der grösseren Städte, über verschiedene Nationalitäten und Racen, wo sie auftreten, über Ein- und Ausfuhr, über industrielle, gewerbliche und landwirthschältliche Produktion der letzten Jahre u. s. w. — berücksichtig! werden. Diese „Bibliothek für moderne Völkerkunde" sollte auf dem Arbeitstische eines Gebildeten, besonders aber eines Geschäftsmannes oder Politikers nicht fehlen, sowie in jedem Leseverein und jeder Vereinsbibliothek vorhanden sein. Der hier folgende Inhalt ist der „Plan", nach welchem jedes einzelne Reich bearbeitet wird. Inhalt. I. Die Bevölkerung. — Flächeninhalt uud Einwohnerzahl, ltacc, Nationalität, Sprache, Dialekt. — Volkscharakter — Volkstrachten. — Lehensweise, Sitten und Gebräuche. — Materielle Lage. II. Die Land- und Forstwirtschaft. — Der Klein- und Grossgruud-besitz (Ihr Verhältuiss zu einander in Bezug auf Grundbesitz — Wirth-schaftshetrieh und Fundusinstruktus, Gebäude etc.) -- Landwirtschaftliche Vereine, Ausstellung und Institutionen. — Die Agrarlohnarbeiter (Lohuverhältnisse, sociale Lage, der Agrararbcitsmarkt.) - Die Pächter und das Pachtsystem. — Die hauptsächlichsten Naturprodukte. III. Das Gewerbe, die Haus- und Fabrikindustrie und das Montanwesen. — Die Schilderungen des technischen Betriebs des Gewerbes, der Haus- und Fabrikindustrie sowie des Montanwesens. (Anzahl der Etablissements; Betriebsmittel; Leistungsfähigkeit; hervorragende Finnen und deren Etablissements.) — Genossenschaftswesen der Arbeitgeber. — Die Arbeiter (Sociale Lage; Lohnverhältuisse; Arbeltsmarkt; Genossenschaftswesen; Gewerbe- und Fabriksordnung; Unfallversicherungsgesetz.) — Grosse Arbeitsbewegungen und Strikes. — Die Produkte. IV. Der Handel und das Bankwesen. — Export und Import. Die Schilderung der Verhältnisse des Handels und die grössten Handelsstädte. — Die hervorragendsten Handelsfirmen. - Die Kloinkautieute. — Hazare, Messen, Märkte. — Die Handelsagenten und Hausirer. — Der Geldmarkt. — Die hervorragendsten Geldinstitute. — Die Börse. Die Handels- und Bankgesetzgebuug. — Die im Handel und dem Bankwesen Bediensteten (Gagen, Löhne, Sociale Lage, Arbeitsmarkt u. s. w.) — (je-üossensehaftswesen. V. Das Verkehrswesen. — Kurze geographische Beschreibung des Landes in Bezug auf das Verkehrswesen. — Landstrasseu und Chausseen (Längenausdehnung, Konstruktion, Beschaffenheit, Art der Erhaltung, Brücken). — Eisenbahnen (die verschiedenen Eisenbahugesellsehaften, Länge der Schienenstränge, Betriebsmittel, Dividenden, Depots und Werkstätten, Leistungsfähigkeit, Fahrpreise und Frachtsätze, Betriebsreglements, Fahrgeschwindigkeit; Zustand der Bahnkörper, des rollenden Materials und der Objekte; im Bau begriffene und projektirte neue Linien; grosse Eisenbahnbrücken und andere hervorragende Kunstbauten. Die Bahnbediensteten, deren Löhne, Gagen, sociale Lage, Pensions- und andere Verhältnisse.) — Die Telegraphen- und Telephonliuien (Drahtlänge, Anzahl der Apparate, Depeschenverkehr, Tarife. Das Personal, deren Gagen, Löhne, Uniformirung etc.) — Das Postwesen (Postverkehr, Porto, Jahres-budget, Art des Betriebes und Zustand der gesammteu Betriebsmittel. Die Postsparkassen. - Die Briefmarken und andere Postwerthzeichen. — Die Postbedieusteten und ihre Verhältnisse.) — Die Kanäle (Längeu-ausdehnung, Beschaffenheit, im Bau begriffene und projektirte Kanäle Kanalzölle und Jahresverkehr). Die Seeschifffahrt und Schifffahrt auf den Binnengewässern (Anzahl der Schiffe im Jahre. Die Häfen und wichtigeren Landestellen. — Die grossesten Kompagnien, welche Schifffahrt betreiben. Schiffswerften, deren Betriebsmittel und Leistungsfähigkeit. Die Passagierdampfor, ihre innere Einrichtung, Fahrpreise, Unterbringung und Verpflegung der Passagiere. Die Seeflagge.) VI. Der Staat als Gesammtkörper. Regierungsform, — Staatsgrundgesetze. — Das Staatsoberhaupt (das regierende Haus) und die Residenzen. — Die Landesfarben und das Laudeswappen. — Die ganze Staatsmaschine im Grossen. — Die Ministerien und ihre Gebäude. — Der Beamtenstand (Rangverhältnisse, Uniformirung, Gagen, Avancement- und andere Verhältnisse). — Das Parlament (Gebäude, die politischen Parteien und das parlamentarische Leben). — Die Staatstinanzen. — Die Steuern. — Die Münzen und Banknoten. - Die Zölle. VII. Das Schulwesen und die Institute für Kunst und Wissenschaft. Organisation des Schulwesens. — Schulgesetze, — Durchschnittlicher jährlicher Schulbesuch. — Wie viel Personen können Lesen und Schreiben. Die Universitäten, Kunstakademien, Museen, Konservatorien, wissenschaftliche Vereine und Akademien, Bibliotheken (Gebäude, hervorragende wissenschaftliche Sammlungen und Kunstschätze etc.) VIII. Das Gerichts-, Polizei- und Gefängnisswesen. — Das Strafgesetzbuch. — Die Orgauisation des Gerichtswesens — Art der Rechtspflege — Die Advokaten und Notare. — Die Polizei (Organisation, Uniformirung und Bewaffnung, Thätigkeit). — Das Gefängnisswesen (Die verschiedenen Strafanstalten, Behandlung, Verpflegung und Beschäftigungen der Häftlinge, Dieciplinarstrafen), IX. Die Religionen und religiösen Sekten. — Anzahl der Glaubensgenossen, der Kirchen und Bethäuser. — Höbe des Kirchen Vermögens- Die Hierarchie und der niedere Klerus. - Die hervorragendsten monumentalen Kirchenbauteu und ihre innere Ausschmückung. — Kloster. Religiöse Orden und Stiftungen. — Die religiöse Propaganda. X. Das politische Parteileben. Die verschiedenen geheimen revolutionären Parteien. Die bisher noch nicht geschilderten Logen, Vereine und Genossenschaften. Bestrebungen und Ziele. — Organisationsstatuten. — Anzahl der Mitglieder. — Fonds und Jahresbeiträge. — Gebäude und Vereinslokale. — Vereinsorgane. — Massenversammlungen und Meetings. XI. Die Presse. l>ie Tagespresse und die übrigen periodischen Schritten (Name der verschiedenen Journale, Tendenzen. — Betriebsmittel. — Auflage. — Abonnement und Iusertiouspreisc, Etablissements der grössten Blätter.) — Die „nicht" periodischen Druckschriften (Hervorragendste Publikationen der Neuzeit.) Die bedeutendsten Verlagsbuch-, Kunst- und Musikalienhandlungen und ihre Etablissements. XII. Das Sanitätswesen. Spitäler. Irrenanstalten und andere grosse Anstalten und Stiftungen für humanitäre Zwecke. — Das Klima. — Die Kurorte. — Das Armenwesen. Die Mortalität. XIII. Die Armee und Kriegsflotte. — Organisation der Streitmacht zu Land und zu Wasser. — Das Wehrgesetz. — Befestigungen. — Die Generalität, der Generalstab und das Ofiizierkorps. — Die Mannschaft — Die grossen Etablissements, Gebäude und Schulen der Kriegsver-waltung. - Die Wehrfähigkeit des Staates. XIV. Die Städte und das Städteleben. — Die Residenzen und anderen wichtigen Städte (Geographische Lage, Panorama, Einwohner und Häuserzahl,) —■ Die Municipalverwaltung. — Die Kommunalsteucrn. — Die Pflasterung, Kanalisirung, Wasserleitung, Beleuchtung, und öffentlichen Anlagen. — Die grössteu uud schönsten Strassen und Plätze. — Die Arbeiterstadttheile. — Wohnungsverhältnisse und Wohnungspreise. — Lebensmittelpreise und Volksküchen. — Botels und Restaurants. — Hervorragende Bauten und Monumente. — Theater und audere bedeutende Vergnügungsetablissements (Eintrittspreise.) — Der Schnellverkehr in den Städten (Betriebsmittel und Fahrpreise.) XV. Schlussbetrachtungen und Zukunftsperspektive. XVI. Als Beilagen, — Kurze historische Rückblicke. — Statistische Tahellen. - Quellenangabe. Angesichts dieser Reichhaltigkeit und vortrefflichen Material-gruppirung empfehlen wir daher unsere ,Bibliothek für moderne Völkerkunde* auf das Wärmste der gesummten Lesewelt, wozu wir uns unisoniehr berechtigt halten, als wir in diesem Ban.de noch bedeutende Verbesserungen in der Materialgriippirimg Indien eintreten lassen und der Stoff somit noch um vieles reichhaltiger wird. Leipzig, 1885. Franz Duncker. Verlagshandlung. I n h, a 11. I. Die Bevölkerung................. l II. Die Land- und Forstwirtschaft............ 155 III. Das Gewerbe, die Haus- und Fabrikindustrie und das Montanwesen 312 IV. Der Handel und das Bankwesen............ 459 V. Das Verkehrswesen.......... ,..... 553 VI. Der Staat als Gesammtkörper....... ..... 653 VII. Das Schulwesen und die Institute für Kunst und Wissenschaft 749 VIII. Das Gerichts-, Polizei und Gefängnisswesen ........ 6I5 IX. Die Religionen und religiösen Sekten.......... 836 X. Die politischen und revolutionären Parteien. — Die Freimaurer und die Bruderschaft ... ............. 856 XI. Die Presse.................... 896 XII. Das Sanitätswesen, Spitäler. Irrenanstalten und andere grosse Anstalten und Stiftungen für humanitäre /wecke...... 911 XIII. Die Armee und Kriegsflotte.............. 934 XIV. Die Städte und das Städteleben..... ...... 1002 XV. Schlussbetrachtungen ................ 1028 XVL Als Beilagen: Kurze historische Rückblicke. — Statistische Tabellen. — Quellenangabe............. 1035 L Die Bevölkerung. Flächeninhalt und Einwohnerzahl. — Race, Nationalität, Spracht, Volkscharahter. _ Volkstrachten. — Lebensweise, Sitten und Gebrauche. — Materielle Lage. — 11 'oh nungsvtrhältnUu. Flächeninhalt und Einwohnerzahl. Das Kaiser- und Königthum Oesterreich-Ungarn ist eines der schönsten und von der Natur reich gesegnetsten Länder der Erde. ■— Es hat einen Flächeninhalt von 622.417 □ Km. und 37.870.701 Einwohner. Davon entfallen auf die Cisleithanischen Länder: 300.189 [J Km. und 22,144.244 Einwohner a Z. „Oesterreich unter der Enns" (Niederösterreich) 19.824-17 □ Km. 2,330.621 Einw.; „Oesterreich ober der Enns" (Oberösterreich) 11.996*40 QRm. 759.620 Einw.; Salzburg 71657 [jKm. 163.570 Einw.; Steiermark 22.454 □ Km. 1,213.597 Einw.; Kärnthen 10.373-32 QKm. 348730 Einw.; Krain 9988-33 QKm. 481.243 Ein.; Küstenland 7988.6 CjKm. 656.934 Einw.; Tirol und Vorarlberg 29.326-81 □ Km. 912.549 Einw.; Böhmen 51.956 □Km. 5,560.8.19 Einw ; Mähren 22.229 □ Km. 2,153.407 Einw.; Schlesien 5147 □Km. 565.475 Einw.; Galizien 78.496 □Km. 5,958,907 Einw.; Bukowina 10.451 □Km. 571.671 Einw.; Dalmatien 12.793 QKm. 476.101 Einw. Oesterreich-Ungarn. 1 Trahsleithanische Länder 323.853 [j Km. i5,726.457 Einw. u. z. Ungarn und Siebenbürgen 280.388 Q Km. 13.801.8(85 Einw.; Fiume und Gebiet 21.580 Einw.; Kroatien und Slavonien 41.840 □Km. 1,902.992 Einw, Occupirte Länder u. z. Bosnien 44.080 [jKm. 954.437 Einw.; Herzegowina 10.774 rjKm. 187.710 Einw. Die Bewohner bestehen aus den verschiedensten Nationalitäten und Racen. Es leben in Cisleithanien 8,009.000 Deutsche, 5,181000 Czechen, 3,239.000 Polen, 2,793.000 Ruthenen, 1,141.000 Slovenen, 669.OOO Italiener und Ladiner, 563.000 Serben und Kroaten, 191.000 Rumänen und 10.000 Magyaren. — In Transleithanien 6,479.000 Ungarn, 2,423.000 Rumänen, 2,359.000 Kroaten, 1,972.000 Deutsche, 1,893.000 Slovaken, 360.000 Ruthenen, 86.000 Slovenen, 82.000 Zigeuner und 84.000 Andere. — Von den 164.000 Ausländern, welche sich in Oesterreich-Ungarn niedergelassen haben, sind drei Fünftel, nämlich 91.000 deutsche Reichsangehörige, darunter 38.000 Preussen (10.000 in Wien, 12.000 in Schlesien, 7000 in Böhmen, 3000 in Galizien u. s. w.), 24.000 Bayern (9000 in Wien, 4000 in Böhmen etc.), 14000 Sachsen (10.OOO in Böhmen). Die Hälfte dieser 91.000 deutschen Reichsangehörigen in Oesterreich-Ungarn gehört dem weiblichen Geschlecht: an. — Doch leben auch wieder zahlreiche österreichisch-ungarische Reichsangehörige im Auslände, wir finden z. B., dass in Deutschland allein etwa 73.OOO Wohnsitz genommen haben, u. z. 34.000 in Schlesien, 30.500 im Königreich Sachsen, 3700 in Berlin, 2200 in Hamburg, 2000 in den preussischen Rheinlanden. — Die Eigentümlichkeit der Nationalität und Race in Bezug auf Tracht, Sitte, Gewohnheit, Lebensweise und andere Eigenschaften hat sich bei den B e w o h n e r n Oesterreich-U n g a r n s h a u p t s ä c h 1 i c h n u r i m B a u e r n s t a n d e t halt e n. Die s e m \v o 11 e n W i r daher vorerst u n s e r g a n z e s A u g e n m e r k z u w e n d e n, wobei wir uns n u r m it denjenigen Volksstämmen Die Bewohner < lesterreieh-l'iiyain. diesen geselligen Unterhaltungen fehlt aber niemals die „Cither" oder das ,,Hackebrett". Instrumente, welche der Hochalpenbauer ganz vortrefflich spielt und auf denen er seine heiteren, wohlklingenden Landler ertönen lässt. die so recht das ganze eigentümliche Volksleben der dortigen Gegenden charak-terisiren und durch die „Strauss'schen Walzer", deren Melodien künstlerisch idealisirte und aneinander gereihte Landler sind, fast über die ganze Welt verbreitet wurden. Im grossen Ganzen haben die Hochalpenbauern zwar eine gleichartige Tracht, aber in Bezug auf Schnitt und Farbe der Kleidung, Kopfbedeckung und andere Dinge unterscheiden sie sich doch wieder vielfach, denn beinahe in jedem Thale findet man wieder eine besondere Eigenthümlichkeit im Anzüge der Männer und Frauen. Fast alle Alpenbauern haben bis an die Kniee reichende enge Leder- oder Tuchhosen, in deren Seitentasche das lange Messer steckt, dessen Griff aus „Geweih", mit Metall eingelegt, hervorsieht, weisse oder farbige Kniestrümpfe und schwere, mit Nägel beschlagene Bundschuhe. Um den Leib aber den breiten Ledergurt, auf dem gewöhnlich der Name des Besitzers gestickt ist und in welchem das Taschentuch, der nie fehlende Tabaksbeutel, sowie die kurze Tabakspfeife und andere Dinge aufbewahrt werden. Ferner den rothen, blauen oder grünen „Brustfleck* oder die gleichfarbige Weste, die kurze Jacke, welche meistens, wenn es nicht kalt ist, über eine Schulter geworfen getragen wird, einen breitkrempigen, häufig spitzen Filzhut, der meistens mit einer Auer- oder Birkhahnfeder und einem Gemsbart geschmückt ist. Im Winter benützen sie aber fast alle einen langen Schafpelz oder einen groben langen Mantel. Bei den Frauen finden wir in der Regel ein kurzes Kattunmieder, einen kurzen, ausserordentlich faltenreichen, weit über die Hüften hinaufreichenden grünen, braunen oder rothen Tuchrock, eine blauleinene Schürze. wollene lange Strümpfe, ebenso wie bei den Männern schwerbenagelte Bund- schuhe, die „Bödenhaube* oder dergleichen und überdies noch meistens einen breitkrempigen, schweren, ahnlich geformten Hut wie bei den Männern als Kopfbedeckung. — Ueberdies tragen die Frauen einen Halsschmuck in Form einer langen, mehrreihigen Kette mit grossem Schloss aus Silber. — Die Männer zieren in vielen Gegenden ihren kleinen Finger mit dem schweren, dicken, so geflüchteten „Schlagring", aus Silber oder einem weniger werthvollen Metall, der ihnen zugleich auch als Waffe dient. — Im allgemeinen lieben die Alpenbauern und ihre Frauen die bunten, hellen Farben in ihrem Anzüge als Aufputz, und wenn man sie an Festtagen in die Kirche gehen oder beim Tanze vereinigt sieht, so wird man finden, dass es wenige Hauerntrachten giebt. welche geschmackvoller und malerischer wären, als die der Bevölkerung der österreichischen Hochalpen. Erhöht wird dieser angenehme Eindruck freilich durch die schönen, kräftigen Gestalten und die regelmässigen, scharf geschnittenen Gesichtszüge der Miinner mit den hellen Falkcnaugen, eine Eigenthümlichkeit der Hochalpenbewohner. Weniger schön und anmuthig sind die Frauen, obwohl man auch unter ihnen manch hübsches Gesichtchen erblickt, aber sie haben dafür -im allgemeinen kräftige, untersetzte, beinahe grobknochige Gestalten. — Die Frauen verblühen sehr schnell, denn schon als Mädchen müssen sie in der Wirth-schaft im Haus und auf dem Acker schwer arbeiten, sind somit allen Wettereinflüssen ausgesetzt. Auch werden sie schon sehr früh angehalten, die verschiedenartigsten Lasten oft stundenweit bergauf und bergab auf steilen Gebirgswegen zu tragen. — Entweder befördern sie dann diese, wie die Männer, auf dem Rücken oder auf dem Kopfe. Ausserordentlich verunstaltet der Kropf, den man recht oft bei Männern und Frauen findet, die Hochalpenbewohner. — Häufiger und mehr entwickelt sieht man ihn jedoch bei den Frauen, ja es giebt manche T h ä 1 e r, wo es förmlich e i n e S e 11 e n h e i t ist, wenn ein Krwach.sener keinen Kropf hat. Die Ursache dieser eigenthümlich hässlichen Erscheinung liegt theils am Wasser, theils in anderen obwaltenden Einflüssen. Bei den Frauen dürfte das Tragen der Lasten auf dem Kopfe wohl auch dazu beitragen, den an und für sich vorhandenen Keim dazu noch mehr zu entwickeln. Materiell lebt der Hochalpenbauer im allgemeinen recht dürftig und frugal, und es giebt sehr viele arme Leute unter ihnen, die mit schwerer Mühe und harter Arbeit ihre tägliche Lebensexistenz der Natur abringen. — Und doch ist er stets glück Ire h und zufrieden, liebt über alles seine hohen Berge, sein e gros aartig še h öne Heimath, kann sich im r m it s c h w erem H e r z e n v o n i h r t r e n n e n und kehrt meistens selbst auch dann zu ihr zurück, wenn es ihm in einem anderen Lande der Erde gelungen, sich einVermögenzuerwerben. — 1 )iese Liebe zu seiner Heimath ist auch vollkommen begründet, denn das österreichische Hochalpenland mit seinen gewaltigen, von ewigem Schnee bedeckten Fernen, seinen saftig grünen, duftenden Almen und Matten, den herrlichen Eschen-, Buchen-und Ahorn-Waldungen, zwischen denen kristallhelle Quellen hinabrieseln und gewaltige alte Ritterburgen, theils noch erhalten, theils als Ruinen mit Epheu umrankt, weit hinaus ragen über die mit hübschen Dörfern übersäeten Thäler, — ist wahrhaft eine der herrlichsten Gegenden der ganzen Welt! — Die Hauptnahrung der Hochalpenbauern besteht aus Milchsuppe, Milchbrei, Knödel, Sterz, Sauerkraut mit Speck, Schmalznudeln, Kartoffelmus, Gersten- oder Roggenbrod. Fleisch gemessen sie im allgemeinen wenig und bei den ärmeren kommt dieses nur an besonderen Feiertagen auf den Tisch. — Doch trinken sie gerne den von ihnen gebauten Landwein, den Most oder den Wachholderbranntwein, der in dortiger Gegend vortrefflich bereitet wird. — Tief eingewurzelt ist beim Hochalpenbauer der Aberglaube. Darüber folgende Beispiele aus Tirol: »Am Sonntag Geborene sehen Geister und in die Zukunft; dies trifft besonders bei jenen zu,, die am «weissen» Sonntag zur Welt kommen. ■— Wer am Freitag geboren wurde, muss sein Lebtag viel leiden. — Wenn eine Frau während des Wochenbettes stirbt, so kommt sie sogleich in den Himmel. — Nach dem Aveläuten soll man Kinderwäsche nicht im Freien lassen, weil sonst böse Menschen und Hexen darüber Gewalt bekommen und den Kindern schaden könnten. Nicht selten erblickt das Landvolk auch den Teufel, bald als schwarzen I Iund mit feurigen Augen, bald als grüngekleideten Jäger mit rother Spielhahnfeder und Pferde- oder Ziegenfüssen. Wenn man unter dem «Aveläuten» lange absetzt, dann hocken sich Teufel auf die Glocke, wer aber einen Pfennig küsst, der giebt dem Teufel eine Ohrfeige. Der Donnerstag ist der Hexentag; abends nach dem Aveläuten fahren sie zu ihren Tänzen aus, die sie an bestimmten Plätzen halten, so tanzen z. B. Hexen auf dem Achselkopf bei Innsbruck. Hexen verwandeln sich in Katzen und darum erscheinen die Katzen bei den dortigen Landleuten als unheimliche Thiere, von denen sie gar viel böse Dinge zu erzählen wissen u. s. w." Derartiger Teufels- und I Iexcnge-geschichten giebt es unzählige. Kine Ausnahme von der früher geschilderten körperlichen Schönheit und geistigen Frische, Aufgewecktheit und Klarheit der österreichischen Alpenbewohner bilden leider die Bauern einzelner Thäler, welche schmal und tief, von hohen, steilen Bergwänden eingeengt sind, durch welche die frischen Gebirgs-winde nicht durchzustreichen vermögen, die Sonnenstrahlen nur schwer eindringen können, und die einen grossen Theil des Jahres mit dichten Nebeln und dumpfen Luftschichten angefüllt sind, während ihr Krdreich der Landwirthschaft sehr ungünstig ist und den Bewohnern nur kümmerlich, trotz all ihrem Ringen, die erforderliche Nahrung giebt. Hauptsächlich liegen diese ungesunden Gegenden am quarzigen Urgebirge und in der „Grauwackenformation", aber nicht im trocknen 11 Oesterreich-l'nga ni. Kalkgebirge. — 1 Her also, in diesen Thälern, findet man eine auffallend geistige und körperliche Verkommenheit unter den Bewohnern, wie wir es in diesem hohen Grade sehr selten wo anders wieder antreffen. Es sind die im „Volksdialekt'- so benannten „Fexen, Cretinen. Troddeln, Torken, Dapeln, Dosten, weibliche Troppen." Arme Menschen, denen man dort auf Schritt und Tritt begegnet, von denen fast jede Hütte, jede Familie ein oder ein paar aufzuweisen hat und die in den Familien schon förmlich erblich geworden sind. — Die zahlreichsten solch' armer geistigen und körperlichen Krüppel, oft wahre Auswüchse von Häuslichkeit, taubstumm, total blöde, mit stieren gläsernen Augen, langem Kropf, abgezehrtem, verwachsenem Körper, besitzt das „Paltenthal" der Ober-Steiermark, sowie das „Ennsthal", in denen kaum 12—I 5 % der männlichen B e v ö l ke r u n g m i 1 i t ä r t a u g 1 i c h si n d. — Zum Glück hat der intensive religiöse Sinn der Alpenbewohner diese bedauernswerthen Menschen mit einer gewissen Ehrfurcht umgeben; sie sehen in ihnen die strafende Hand Gottes, welche sie für die Sünden der Familie büssen lässt, und behandeln sie gut, nachsichtig und rücksichtsvoll, ja nehmen es sogar sehr übel, wenn ein Fremder sich über die armen Troddeln lustig macht, fassen es als einen ihnen selbst zugefügten Schimpf auf! — Der Getreidebauer in der Ebene ist bedächtiger, langsamer, behäbiger als der sanguinische Weinbauer und beide unterscheiden sich wieder von dem ärmlich sein Leben fristenden Waldbauer. — Der Eisenarbeiter und Bergknappe ist ernster als der im Freien auf der Bergeshöhe arbeitende i lirte oder Holzknecht; der Bewohner von Mittelsteiermark ist munter, treuherzig, jedoch weniger offen als der Obersteierer; der Kärnthner ist geistig regsamer und arbeitslustiger als der Steier-märker, während beide, sowie auch der Oberösterreicher von dem Niederösterreicher an geistiger Lebhaftigkeit übertroffen werden. — Im Niederlande nähert sich die Kleidung mehr der städtischen, vorzüglich Sonntags wird die Nationaltracht mit den unschönen Erzeugnissen eines modernisirenden Dorfschneiders vertauscht. — Die Frauen der reicheren Bauern werfen sich an Feiertagen in Seidenkleider oder binden zum mindesten Seidenschürzen oder seidene Kopftücher um und fahren mit ihren Männern in hübschen Kutschen mit modern geschirrten Pferden, ähnlich den wohlhabenden böhmischen oder mährischen Bauern, in die Kirche oder auf Besuch. Der Bewohner Welschtirols spricht italienisch und hat in seiner äusseren Erscheinung, seinen Sitten, Gewohnheiten und Charaktereigenschaften vieles mit dem Italiener gemein. — Die „Ladiner", Nachkommen der alten Römer, findet man im „Grödner-ThaD und einigen andern Gegenden Tirols in sehr kleiner Anzahl. Sie vermischen sich immer mehr mit den andern Nationalitäten und nehmen deren Sprache an, Die „Slovenen", welche im slavischen Stamme den nördlichen Zweig des südslavischen Astes bilden, berühren sich im Süden auf der ganzen Strecke vom Adriatischen Meere bis zum unteren Murlaufe mit den Kroaten, deren Sprache sich von der slovenischen nach Massgabe der südlichen Entfernung allmählig abzweigt, so dass die Mundart, wie sie im sogenannten Civilkroatien, in den Zupanen, Agram, Varasdin und Kreuz gesprochen wird, zu der slovenischen Sprache gerechnet wird, Im Westen reichen die Slovenen bis an das Adriatische Meer; wir finden sie daher in Istrien und Triest, oder sie bilden im Görzischen und im südwestlichen Kärnthen die Grenze gegen das Königreich Italien. Zwischen der kärnthnerisch-görzischen Grenze und Kormin im Görzischen überschreiten sie sogar die Reichs grenze und bilden in der P raffe'C t irr Ud ine eine massige Bucht in's Königreich Italien. — Im Osten wohnen die Slovenen über die Grenze Steiermarks hinaus, im Szalader, Eisenburger und theilweise im Veszprimer Comitat. — An der Nordgrenze berühren sich die Slovenen mit den Deutschen auf der ganzen Strecke von 16 < »estcrreieh-Unjjarn. der kärnthnerischen Grenze bei Pontafel bis St. Gotthard in Ungarn. — Als ideelle Grenze zwischen den Deutschen und Slovenen ausserhalb Ungarns denke man sich eine Linie von Villach in Kärnthen bis Radkersburg in Steiermark, diese Linie wird nahezu mit dem geographischen Breitegrade 46-6 zusammenfallen. An den Gebirgskämmen überschreiten die Slovenen diese Linie, in den Ebenen werden sie von den Deutschen zurückgedrängt. — Die Slovenen bewohnen daher an den südöstlichen Ausläufer der Alpen und am Karst einen zusammenhängenden Länderkomplex u. z. Untersteiermark, das südliche Kärnthen, das Herzogthum Kraiß ausser Gotschee, die Grafschaften Görz und Gradiska, das Gebiet von Triest, das nördliche Drittel von Istrien und schliesslich einen Streifen im westlichen Ungar n. An der Grenze und in den grösseren Städten sind einzelne fremde Ansiedelungen der benachbarten Stämme, in den Grenzstädten selbst ist im Westen die italienische, im Norden die deutsche Bevölkerung vorherrschend. — Fast durchgehends sind die Slovenen Katholiken, nur in Ungarn findet man unter ihnen vier protestantische Pfarren. Die Slovenen in den Gebirgsländern, in Oberkrain und Kärnthen, theilweise auch in Innerkrain und im Küstenlande sind grosse kräftige Gestalten von kerniger Muskulatur, breiten Schultern, wettergebräunten Gesichtern. Doch ist der Menschenschlag im Hügellande, besonders wo die Rebe gedeiht, kleiner, schmächtiger und beweglicher, aber nur selten schwächlich. — Das weibliche Geschlecht steht dem männlichen nicht nach. Die alte Nationaltracht, welche nach den einzelnen Landes theilen verschieden war, verliert sich immer mehr, sie nähert sich gewöhnlich der in den angrenzenden Gebieten. — Am meisten haben sich noch die hohen Stiefel, Lederhosen, kurzen Röcke. Sammet Westen mit dichten, dicken, oft silbernen Die Bewohner des ,,Karst und Istriens und die Deutschen in Krain. \ 7 knöpfen der Oberkrainer erhalten. — Im Küstenlande tragen die Bewohner Schuhe, Strümpfe, Kniehosen und kurze Röcke. In einigen Gegenden findet man noch selbstgefertigten Loden. "— Die Wäsche wird an vielen Orten aus Hausleihwand her. gestellt, doch kommt es jetzt schon häufig vor, dass manche diesem vortrefflichen Produkt der Hausindustrie thcuere und schlechte Baumwolhvaaren vorziehen. Zum grossen Theil sind die Häuser aus Holz, aber die wohlhabenderen Leute bauen jetzt doch schon lieber aus Stein und die alten Strohdächer verschwinden immer mehr. — Das Haus hat eine grosse Wohnstube mit Bänken längs den Wänden und einen grossen grünen Backofen, welcher zugleich zum Kochen dient. In diesem Räume drängt sich im Winter die ganze Familie zusammen; die Kammern, welche sich im Hause befinden, benützt man als Schlafräume und Autbewahrungsorte der verschiedenen I labseligkeiten. — Stall und Tennen werden immer mehr vom Wohnhause abgesondert. — Der grosse Hof wird gewöhnlich in höchst ungesunder Weise von einem Düngerhaufen erfüllt. — Ausser diesen Gebäuden giebt es in Krain noch sogenannte Harfen „Kozolec", in welchen man das Getreide, gegen den Regen geschützt, trocknet. Die Bewohner des ..Karst" und Istriens und die Deutschen in Krain. Das, was wir über die Wohnungsverhältnisse der Slovenen erzählt haben, bezieht sich aber nicht auf die Bewohner des „Karst'', des unfruchtbarsten Gebiets der ganzen Monarchie! Hier ist die Bevölkerung z u m g r ö s s t e n Theil sehr arm, weil ihnen die Nat u r fast gar nichts bietet, um ihr Fortkommen zu finden. — Da es in der Karst beinahe gar keine Bäume giebt und die Bewohner viel zu arm sind, sich dieses Baumaterial anzukaufen, so errichten sie ihre Hütten aus trocken zusammen- Oesterieich-Uiitjurn. '2 18 ()esteTreich-Ungarn. gefugten, unbehauenen Kalksteinen. Diese Hütten, mehr Steinhaufen oder Höhlen als menschliche Wohnungen, sind so viel wie möglich an solchen Punkten zwischen dem Felsenmeer errichtet, wo sie am meisten Schutz vor den Einflüssen der furchtbaren „Bora" finden. Sie sind nur sehr niedrig und zwischen den umgebenden Felsen so viel wie möglich versenkt. Kamine besitzen sie in der Regel nicht, sondern der Rauch, die inneren Räume der Hütte erfüllend, quillt durch die Fugen des Mauerwerks und der kleinen schmalen, stets der Windseite abgewendeten Eingangsthür. Die Wohnräume sind nicht gedielt, und das Inventar an Einrichtungsstücken ist das Primitivste, was man sich auf der Welt denken kann. Ebenso siebt es auch mit dem Fundusinstruktus zum Betriebe der Eandwirthschaft aus. — Die Nahrung des Karstbewohners ist ausserordentlich frugal. Ziegenkäse, Ziegenmilch und Maisgerichte bilden seine Hauptnahrung; der Fleischgenuss ist für ihn ein sehr grosser Luxusartikel, Eben so dürftig wie alle vorhin geschilderten Verhältnisse ist auch ihre Kleidung, welche von den Frauen auf höchst primitiven Webstühlen uralter Konstruktion erzeugt werden. — Da die Kleidung derartig eingerichtet sein muss, dass sie den Menschen so viel wie möglich vor den Einflüssen der Bora schützt, so finden wir beim Karstbewohner enganliegende, bis an die Knöchel herabreichende Beinkleider und „Opanken", .sandalenartige Schuhe. — Den Körper umhüllt ein langer, grauer oder dunkler kittelartiger Mantel, der mit einer Schnur oder einem Gürtel aus ähnlichem Stoff eng um dien Leib befestigt wird.— Auf den Kopf wird ein breitkrarnpiger Hut gesetzt. Die Wäsche ist in der Regel die g rÖbste, welche man sich denken kann, und der Aermere trägt nicht einmal Wäsche, sondern benützt Unterkleider aus demselben Stoff wie die Oberkleider. — In seinem Aeusseren und seinen häuslichen Verrichtungen kann man den Karstbewohner im allgemeinen recht unsauber ü I >ie Bewohner dps „Karst" und [striens und die Deutschen in Kr&in, [9 nennen, und er, sowie die Z i e g e ti h i r t e n u ni F i u m e herum und die B e w o h n er de r C a r s o g e g e n d e n * Syriens, wie z.B. von „Materia" und „Ping.uente") können in He zu g auf Armuth und Armseligkeit d e s Aussehen s w o h 1 fast a 1 s d i e ä r m sten Menschen des O e s t e r r e i c h i s c h - u n g a r i s c h e n Reiches bezeichnet werden. An Armuth übertreffen sie nur noch (1 i e Hirten des „I s o n z o t h a 1 e s " u n d die Bewohner W e n i g e r a n d e r e r Gegenden E u r 6 p a' s. Da günstige wirthschaftliche Verhältnisse eines Landstriches stets die Basis zur kulturellen Entwickelung der Bewohner bilden, und die Menschen ohne diese glinstigen Vorbedingungen auch körperlich, geistig und kulturell weit zurück bleiben gegenüber den anderen, besser situirten, so sehen wir auch, dass die armen Karstbewohner kulturell auf niederer Stufe stehen. — Sie sind zwar sehr zäh, ausdauernd und abgehärtet gegen Wettereinflüsse, aber hager, altern sehr früh, besonders die Frauen, und ihr Antlitz ist dann gerade so faltenreich und verwittert, wie die öde felsige Gegend ihrer 1 leimath. Man sieht ihnen auf den ersten Blick die Noth und Entbehrung an, der sie täglich ausgesetzt sind, und die frohe, heitere Laune der Alpenbewohner ist bei ihnen vergeblich zu suchen. Melancholisch und eintönig sind die Weisen, welche sie singen, und die Klänge, die sie der Hirtenpfeife entlocken. Die ehemals „deutschen B a u e r n k o 1 o n i e n in Krain" haben ihre Nationalität in Folge ihrer Lage mitten u nte r einer s love nischen Bevölkerung gänzlich ein g eb ü s s t. S o s i n d jetzt z. B. die a u s dem Pusterthale in Tirol stammenden „Zarzer", deren deutsche Namen noch heute ihre Abstammung verrathen, und welche noch vor einigen J a h r z e h n t e n , t r o t ž d e m s i e A11 e s 1 o v e n i s c h s p r a c h e n, »m Hause noch das Deutsche als Umgangssprache benutzten, vollkommen slovenisirt. — Unge- 20 (»csterrcich-ln^arn schwächt hat sich das deutsche \' o 1 k s t h u m nur in der „Gotschee" auf einem Fläch en räum von 16 rj Meilen und in 215, meist sehr kleinen Ortschaften erhalten. — Dieie Gotschee'er Bauern haben eine ganz eigentümliche Hauart, besonders charakteristisch ist an ihren Häusern die gewölbte Hausflur. -- An der Längsseite der Häuser befindet sich ein Gähr- und Sauerkeller für die Lieblingsspeise des \ olkes. ,,Kraut und Rüben", und ein Schweinestall. — Die Nebengebäude sind alle in ein Ganzes Vereint. Sie bestehen aus einem gemauerten Stall, einer hölzernen Scheuer mit Dreschtenne und Schuppen und aus einer Harfe, in deren Mitte der aus Holzwänden gefügte Getreidekasten sich befindet. — Längs einer Breitseite des Hauses oder der Nebengebäude läuft eine Verschalung für das als Streu benutzte Buchenlaub und Farren-kraut. Die Bewohner Böhmens, Mährens und Schlesiens. Böhmen, Mähren und Schlesien sind hauptsächlich von den „Czechoslavenbewohnt. In Mähren sind die Czechoslaven verhältnissmässigam zahlreichsten; in Böhmen, ihrem Hauptsitz, leben sie hauptsächlich im sogenannten „böhmischen Kessellande", welches eine Ausdehnung von io'/2 Quadratmeilen hat, sowie im östlichen Theil des Landes; in Schlesien bilden sie nur den fünften Theil der Bevölkerung. In früherer Zeit allmählich, in den letzten Jahren verhältnissmässig schnell, hat sich das czechoslavische Klement in Rohmen in den deutschen Sprachinseln, wie auch im grossen zusammenhängenden deutschen Sprachgebiete auszubreiten ge-wusst. Von den grösseren deutschen Städten Böhmens giebt es jetzt keine mehr, in der nicht ein Bruchtheil czechischer Bevölkerung zu finden wäre. Reiclu-nberg zählt jetzt beispiels- Weise unter seinen 27,000 Einwohnern 2500, Trautenau unter 11,000 Einwohnern 1300, Budweis unter 23,000 Einwohnern sogar 9000 Czechen. Selbst in den kleineren deutschen Städten, die an den Grenzen von Schlesien, Sachsen und Bayern gelegen sind, hat das slavische Element Einzug gehalten. Dieses Anwachsen der Slaven in deutschen Gemeinden ist auf ganz verschiedene Ursachen zurückzuführen, über die wir an einer änderen Stelle näher sprechen werden. Das c z e c h o s 1 a v i s c h e V o 1 k t h e i 11 sich in dret Stämme: den „biih mischen", „mährischen" und „ si o v a kise h e n ". — Der Sitz der Slovaken, welche ihren I halekt zur Schriftsprache erhoben haben, befindet sich hauptsächlich im „nördlichen Ungarn", doch greifen sie mit ihren Ansiedelungen auch bis in's südliche Mähren und nach Niederösterreich hinüber. Der „böhmische Stamm", welcher, wie wir soeben gesagt haben, vorherrschend in der Mitte und im Osten von Böhmen Wohnt, greift in der Gegend von Iglau und Znaim nach Mähren hinüber. Im Westen reicht er bis an den Böhmerwald. Der „mährische Stamm" bewohnt Mähren bis auf die von I deutschen besetzten Theile an der Süd-, West- und Nordgrenze und die slovakischen Theile östlich von Radhost, Na-pajedl und Kostel, ausserdem sind seine Spitzen im westlichen 1 heile der Teschner Gegend und im örtlichen Troppaucr Lande. — Die westlichen Mähren heissen ,, Iloraken" (Horäci), weil sie an den Terrassen, mit denen das böhmisch-mährische Staffelgebirge gegen den Marchfluss abfällt, leben. Die „mittleren Mähren" bewohnen die fruchtbare Ebene an der oberen March, die „1 lana", und heissen „Hanaken", während die westlicheren Ausläufer des mährischen Karpathengebirges, besonders im Flussgebiete des Becvafhisses, von den „mährischen Walachen" besetzt sind. Der „ s 1 o v a k i s c h e S t a m m " ist im südöstlichen Mähren 5*1 den Ausläufern der Karpathen angesiedelt, reicht, angrenzend ■1-1 l Oesterreich-L n^arn. an die rnährischen Brüder, auch nach Niederösterreich hinüber, hat aber, wie wir schon erwähnt haben, seinen ] lauptsitz im Nordwesten Ungarns, wo er das karpathischc Hochland bewohnt. Hier von dem mächtigen Tatra-Gebirge aus, welches durch seine Meerengen und seine thurmartig kahlen Spitzen sich auszeichnet, bis an die Ebenen Ungarns, und von den mährischen Karpathen bis zum i [ernardflusse im Osten, breiten sich die Sitze der Slovaken aus. Es ist ein armes Land, nicht nur in den gebirgigen nördlichen Komitaten, sondern auch in den niederen Landstrichen, wo mancher gute Boden sich voi findet, Denn der Ackerbau gedeiht nur kümmerlich, weil man ihm wem.; Eleiss zuwendet. In früheren Zeiten bauten die Czechoslaven Böhmens, wegen des dort herrschenden I Iolzreichthums, ihre Wohnhäuser nieist aus Holz, doch jetzt benützen sie vorwiegend Ziegeln, und das Lach wird auch mit Dachziegeln gedeckt, während man bei alten Wohnungen freilich noch eine Bedachung aus Stroh oder Schindeln findet. Eine grössere Bauernwirthschaft der Czechoslaven in „Böhmen" besteht aus einem geräumigen Wohnhaus, welches in der I lauptfront auf den Dorfplatz oder auf die Strasse geht. Anschliessend an dasselbe oder gegenüber befinden sich die Scheuern und Ställe, während ein Garten, der sich an den I lof anreiht, den Abschluss bildet. — Mehrere solche Bauernwirth-schaften umgeben den Dorfplatz, von welchem sich wieder einzelne Wege abzweigen, an denen andere Bauernwirthschaften liegen. Am Ende des Dorfes befinden sich endlich die Wohnungen der „Häusler", nämlich derjenigen, welche nicht „Vollbauer" sind. Da die Bewohner aller dieser Dörfer eine sehr entwickelte Geflügelzucht treiben, so fehlen natürlich auch nur selten Teiche, welche entweder in der Mitte des Dorfplatzes liegen oder an das Dorf angrenzen. In der Regel übernimmt der älteste Sohn, wenn er zum Die Bewohner Böhmens, Mähren* und Schlesiens. 23 Manne herangereift ist, die Wirthschaft, wobei er verpflichtet Wird; den Eltern ein „Ausgeding" zu geben. — Die Volkstrachten sind in Böhmen fast ganz verschwunden, nur in der „Pilsner"- und „Taufer"-Gegend hat sich eine eigene Tracht bis auf unsere Tage erhalten. Das Pilsher Mädchen trägt ein reichgesticktes Tuch über die Schulter, Welche das Mietler halb verdeckt, wahrend den blauen, unten huntverzierten Rock, der viele Unterröcke verbirgt, eine rothe, gelb gestreifte Schürze deckt. Auf das Haupt Stülpt sie eine weite weisse Haube; die Füsse stecken in rothen Strümpfen und niedlichen Schuhen mit grünen Maschen. — Die Pilsner Männertracht besteht bei den Unverheiratheten aus blauer Weste und aus blauem kurzen Rocke, welche beide mit einer Reihe gelber Knöpfe geziert sind, während von den Verheiratheten ein langer Rock mit Schössen getragen wird. Die gelben Lederhosen stecken in hohen, bis an die Kniee reichenden Stiefeln.. Den Kopf bedecken die ledigen Männer mit einer roth aufgeputzten Filzmütze, während die Verheiratheten einen niedrigen Filzhut mit breiter Krampe und langen Bändern aufsetzen. — Von den mährischen Trachten ist die „hanakische" die Malerischste. Die Männer haben Heinkleider aus ziegelroth gefärbtem Kalbsleder, welche an der Seite grün verschnürt shid. Eih gewöhnlich gestickter Ledergurt umgiebt den Leib, welchen eine hellgrüne, an der Brust geschlossene und mit einer Unzahl runder und weisser Knöpfe gezierte Tuchjacke unischliesst. Ueber dieselbe wird ein bis an die Knöchel reichender weisser Ueberrock aus Tuch oder ein mit fünf bis sechs kurzen Kragen versehener himmelblauer Tuchmantel angezogen. — Der runde breitkrämpige Hut ist bei ledigen Männern mit buntfarbigen Bändern geschmückt. Die W'eiber, bei denen sich das Hemd breit um den Hals kraust, hüllen sich meistens in ein grünes Wolltuch. Um den Kopf binden yie sich bunte Tücher, während unter dem farbigen kurzen Rocke bunte Strümpfe hervorblicken. 24 l »otcrreich-l'ngai n. Bei den Slovaken ist die Bekleidung entweder aus grobem Tuch oder aus 1 lanf leinw and von blauer Farbe gefertigt. — Die Weiber tragen Sonntags Tuchröcke, während die Mädchen ein Kleid ohne Aerniel, manchmal ein Oberhemd mit kurzen Aermeln von Baumwolle haben, welches bunt gestickt und lose über den Gürtel hängt; ein lockeres Leibchen und weisse Schürzen über den Röcken bilden das Oberkleid. — Bunt ist die Sonntagstracht der Slovaken im Pressburger Komitat. Ueber ein Hemd mit weiten Aermeln, welches am Halse und an den Aermeln rothe Verzierungen schmücken, wird eine nur beim 1 lalse geschlossene blaue Jacke getragen, während eine gelbe lange Masche das offene Hemd verdeckt. Die tiefblauen, oben scholl verzierten Hosen stecken in hohen Stiefeln, von denen blaue Schleifen herunterhängen. Ausserdem haben sie noch einen grossen, weissen, roth eingefassten, grün verzierten Tuchmantel und einen bunten Hut mit weisser Feder. In den fruchtbaren Gegenden Böhmens und Mährens isst man gewöhnlieh, ausser den üblichen Fleischspeisen, hauptsächlich Gänse, Enten, sowie anderes Geflügel und Mehlspeisen. Erbsen und Linsen werden vielfach genossen; „Kolatschen", „Ihichtl'n" und „Dalken" sind speeifisch böhmische Gerichte. In den ärmeren Gegenden bilden Hülsenfrüchte und Kartoffeln die Hauptnahrung; Fleisch gemessen sie in der Regel nur an Festtagen. Die Czechoslaven trinken am liebsten Bier, während Branntwein hauptsächlich nur von der ärmeren Klasse konsumirt wird. Auch gemessen sie viel Kaffee; ja, dieser vertritt bei den weniger Bemittelten sogar häufig das Mittagessen. Die Nahrung der Slovaken in den fruchtbaren Gegenden ist hauptsächlich der Mais. Dieser wird, mit Mohn und Honig, gekocht oder gebraten, gegessen; auch wird er zermahlen und daraus Brei oder Brod gemacht. Ausserdem essen sie viel Gemüse, besonders Gurken, Paradiesäpfel, rothe Rüben und Bohnen. Die Slovaken sind genügsame und zum Theil auch wohlhabende Leute, doch haben sie den gerade nicht angenehmen Ruf, sehr diebisch zu sein! — Wer kennt nicht den „slovakischen Lrahtbinder", der in ganz Europa umherstreift? — Sie sind durch und durch konservativ, hängen mit seltener Zähigkeit «m den vererbten Sitten und führen das patriarchalische Leben ihrer Vorfahren in altgewohnter Weise fort. Ihre Hütten sind meistens klein, aus Fachwerk, mit Schindeln gedeckt, von innen verziert und paarweise mit den Giebeln Sfcgen die Dorfstrasse zusammengekoppelt. — Ihr Lieblings-"istrument bildet der ,,I Hidelsack", dessen eintönige Klänge man in der Sommerzeit allüberall hört, wo sie ihre Herden Weiden, oder an Festtagen, wenn sie sich zu ihren nationalen fänzen in der Dorfschenke versammelt haben. Die Bevölkerung Galiziens und der Bukowina, „Galiziens" Bevölkerung ist sehr gemischt, "ölen und Ruthenen bilden aber das H au p tel e-111 e nt. Hoch oben im Karpathengebirge bewohnen die »^oralen", auch „Podhaler" genannt, die 27 galizischen Tatra-dorfer. Ursprünglich waren es Deutsche, wie zahlreiche E igen th ii m 1 ich k ei te n ihrer Sprache dar-duin. Mit der Zeit haben sie sich mit S lav i S eher " e v ö 1 k e r u n g vermengt und bilden nun einen deicht erkennbaren, s char f a u sg e p r äg t e n Typus.— Der Gorale ist mager, schwächlich, hat ein bräunliches, längliches Gesicht und schwarze Ilaare und sieht aus, wie der Abkömmling südlicher Klimate. — Ihre Häuser gruppiren sich ziemlich eng an einander, den Thal- und Querwegen entlang. s>e sind geräumig, nett, schindelbedeckt und mit Rauchfängen versehen. Die arme Vegetation lässt keinen Obstgarten aufkommen, Kleinholz braucht der „Gorale" nicht, daher sind die Dörfer fast laublos. Armselig ist das Feld, der spärliche Hafer und die schlechten Kartoffeln können oft. wegen des plötzlich eingetretenen Winters, nicht unter Dach gebracht werden. — Der Gorale erwirbt aus seinem geräumigen Grundstück nur einen Nebenertrag, seinen Erwerb sucht er sich als Schaf- und Kuhhirte, Käsefabrikant, Vogelfänger und Jäger, Fremdenführer und Fuhrmann. Da er ausdauernd, genügsam, unternehmend, ein vorzüglicher Rechner und Sparer ist, so bringt er es oft zu einer Wohlhabenheit. Während der bessergelegene „Podgorzaner", „Beskid-Bewohner", und der Ebenenbewohner Hunger leidet, findet er immer Geld genug, um seinen kleinen, in guter und schlechter Zeit unveränderlichen Bedürfnissen nachzukommen, — Seinen 1 laupterwerb bildet aber die Milch und Käsewirth-schaft. „Goralen", Bergbewohner, heissen überhaupt alle im weitverzweigten Beskid heimischen Landleute. Sie sind leicht kenntlich an ihrer ledernen, geschnürten Fussbekleidung, , Kierpce'4, ihren wollenen, weissen, enganpassenden Bein" klcidern, der braunen rothverbrämten „Swita", Ueberzieher, und dem schwarzen, mit Muscheln geschmückten Hut. — Aber es fehlt ihnen der schlanke Wuchs, die Behändigkeit, der Witz und Humor der „Fodhalaner". Sie sind ernst, verschlossen, charakterfest, unterscheiden sich auffallend von den reicheren Bauern der Niederung und ringen schwer um die Lebensexistenz mit dem rauhen Klima, sowie dem wenig ergiebigen Boden. Vorwiegend betreiben sie Holzindustrie. — Wie verkümmernd 1 o k a 1 e V e r h ä 11 n i s s e a u f d i e B e v ö 1 k e r u n g w i r k e n können, sehe n w i r a m besten wieder in der Umgebung v o n „P i r d n i c z n a, Gry bo w, Tylicz und Muszyna; hier giebt es einen schwächlichen, schlechtgebauten, mit Kröpfen verunstalteten Menschenschlag. — Schlecht gedeiht auch der in den „mittleren Beskid" vorgedrungene oder zurückgedrängte Ruthene in der Gegend von Krynica, Zmigrod. Bukowsko und allgrod. — Er spricht ein besonderes Idiom, ist hochgewachsen, doch schmächtig und schwach, passiver Natur, melancholisch in seinem ganzen Wesen. — Die alten Dörfer mit v\alachischer Bevölkerung der Umgegend von Mstrzyki, Luto-^iska und Tyrawa woloska sind auch mit der Zeit herunter-gekommen, desto interessanter sind aber die Be-N O h ner d e s ö s 11 i c h e n h o h e n ,,B e s k i d s", im allgemeinen erchow ynci, Gipfelmänner" genannt, welche in die grundverschiedenen Stämme der „Bojken". „Tucholsen" und .,Huzulen" *erfallcrii Der Bojko in der Umgebung von Turka und Skole ist j^'ttelgross; ein kurzer Telz ohne Aermel, „Kozuch" genannt, j det sein wichtigstes Kleidungsstück. Kr gilt als ein vorzüg-ler Viehhirt, als arbeitsam und geschäftig. Vortreftlich \er-steht er es, selbst das am wenigsten zugängliche Grundstück "^«nützen, den Obstgarten emsig zu pflegen und den Winter . mit geräuchertem Obst und „Bryndza", den Herbst mit eintrauben, welche er von Ungarn herholt, ausgebreiteten kadel zu treiben. Der „Tucholze". welcher inmitten der Landschaft des °jko wohnt und vorherrschend Viehhirte ist, kann gewisser-^ assen als Patriarch und Vorbild des Bojko betrachtet werden, Cllu er hat das meiste der alten Sitten dieser beiden Bruder-tanime beibehalten, wie z. B. die traditionelle Autorität des n nieinde\orstchers, hier .,Knerz" genannt, etc. Lin ganz anderer Mensch ist der „Huzule", der Feind und Pächter des Bojko. — Er hat eine hohe, schlanke Figur, v,11011 Lnebelbart und ist schwarzgebräunt und schwarzhaarig. ^ «einer Adlernase und seinen tiefen schwarzen Augen sieht er wie ein Südländer aus. - Er allein Vinter den Gonilen trägt j^stens Stiefel, weite, dunkelblaue Tuchbeinkleider, eine ^Ur/-e. seidengestickte „Kiptar", Wamms ohne Aermel, einen ^men oder purpurnen „Bajbarak", Ueberzieher, und einen < >estenvich-l"ngarn. runden Hut mit Pfauenfeder. Unter seinem offenen Hemd glänzt ein messingenes oder goldenes Kreuz. — Der breite, von Knöpfen hellleuchtende Gürtel birgt Pistolen und ein dolch-irtiges Messer. 1 )as 1 fuzulcnweib entfaltet in ihrer Toilette denselben Hang zum Malerischen und Pikanten. Reich verbrämt ist das 1 lemd auf der Brust, die Taille wird von einem rothen Corset .,1 Juszka", hervorgehoben, der Fuss ist mit rothen oder gelben Stiefelchen geschmückt, der Unterleib wird aber auf eine Weise bedeckt, welche mit Prüderie grade nicht viel zu thun hat, denn die Huzulin kennt keinen Unterrock. Ks werden nur zwei Schürzen zusammengebunden, aber nicht zusammengenäht, um den Unterrock zu ersetzen. — Mädchen unterscheiden sich in ihrer Kleidung nur dadurch, dass sie die weissleinene leichte Kopfbedeckung der Verhei-ratheten durch schon geflochtene Zöpfe und mannigfaches Flitterwerk in den Haaren ersetzen. Der Huzule, ein vorzüglicher Pferdezüchter, aber Verächter des Ackerbaues, ist sorglos, gastfrei, schlagfertig und händelsüchtig, dabei ein Prasser, welcher in der Stunde der Noth hilflos vor sich hin brütet. — Bei der schönen Huzulin finden wir ausserordentlich dehnbare Begriffe über weibliche Moral, während der Mann nur zu viel Toleranz in dieser Beziehung an den Tag legt. -- Betreten wir jetzt die schönen Thäler Westgaliziens, das ,,Zyw ieer, Skawaer, Dunajecer und Jasloer Thal", von denen die zwei letzteren, mit ihren schönen Rittergutspalästen, Bergruinen, einer üppigen Vegetation und malerischen, die Land: schaft belebenden Gewässern einem ungeheueren englischen Parke gleichen. Der Boden ist im allgemeinen ausgiebig, der Weizen gedeiht vortrefflich, der Frühling stellt sich gewöhnlich drei Wochen früher ein, als in den nachbarlichen Gebirgen. Hier trägt die Bevölkerung die Spuren mannigfacher Mischung und Kolonisation an sich. Tn den ergiebigen Thalern linden wir älteste, in den kleineren Querthälern spätere Absiedlungen. — Am reinsten ist der Kern der Be v ö 1 ker u ng Zwischen Sola undRaba und jenseits der Weichsel im eigentlichen Grossherzogthum Krakau e r-b k 11 e n. — Es ist ein tüchtiger, kecker, arbeitsanier Menschenschlag, kräftig gebaut, energisch und selbstbewusst in jeder Bew 'egung, welcher seit 1848 bedeutende Fortschritte in Bezug auf Wohlhabenheit und Lebensbedürfnisse gemacht hat. ■— Man findet bei ihnen schön geweisste, oft geräumige und sogar m'f- kleinstädtischem Luxus möblirte Hütten, doch mitunter sind sie auch durch Völlerei und Prozesssucht, durch unbe-^achtsam gebrauchten Credit materiell und moralisch ruinirt. Die Männer tragen meistens weisse, rothgestickte „Sukma-nas", hohe, mit einem Sammetbande geschmückte I Iüte, und nur irrj eigentlichen Krakauischen rothe, viereckige Mützen »Krakuska", deren Deckel aus abgetragenen englischen Uniformen verfertigt werden, welche der Jude um einen Spottpreis zusammenkauft, — mit Pfauenfedern, einen blauen Wams und rothblau gestreifte Beinkleider. — Die Weiber lieben grelle Farben auf Corsets, Unterrocken und Halstüchern. — Den geschorenen Kopf der Ver-heiratheten bedeckt eine Art weissen Turban mit Stickereien. Mit grellen Farben bestreicht der Krakauer Bauer auch die vielen heiligen Statuen, welche er mit bedeutendem Aufwand, insbesondere an Kreuzwegen errichtet, die aber nur zu sehr an asiatische Götzen erinnern. Obwohl der Krakauer Bauer schwer zu regieren, misstrauisch und übel Kesinht gegen den Adel und die G ross g r u n d b e-sit/.er ist, so bildet er doch selbst nur einen allzu schroffen Gegensatz zwischen dem reichen Bauer Un-d dem verkümmerten Gärtner oder Kämmerer, lässt sich von demselben beim Knie fassen um! allerlei Hochachtung erweisen, wahrt hoch- < Vsterreich-TJngarn. m ü thi g die Grenzen dieser neuen „K m e t en ar is t o-k ra t i c" u n d d ok u m e n t i r t seine uralte Abstamm u n g durch treues und doch „u n be w u sstes" Nachmachen der alten polnischen Adelssitten. —Während er den Frühling und Sommer hindurch angestrengt in der Feldwirth-Schaft arbeitet, ist er im Herbst ein Prasser, denn er liebt es, sich vornehm und freigebig zu zeigen. — Die Wintertage vergeudet er, ohne Hausindustrie ZU treiben, in Müssigäng und mancher darbt vor der neuen Ernte. — In der Stadt sich dem Studium ZU widmen, behagt ihm nicht, der Schulbesuch ist keineswegs zahlreich, trotzdem bekundet er Talent und Scharfsinn. — Im jenseits der Weichsel gelegenen Grossherzogthum Krakau erreicht der Krakowiak den höchsten durchschnittlichen Bildungsgrad, ohne aber von seinen uralten Sitten viel ein-zubüssen. — Die „Mazuren" in der Ebene zwischen „Lau und Weichsel*' leben in einer sandigen, traurig aussehenden, mit Nadelholz umsäumten Niederung. Sie sind leicht zu erkennen an der niedrigen, schmächtigen Gestalt und dem mürrischen, wenig einnehmenden Gesicht. — Ihre höchst einfache Tracht besteht aus einem leinenen Oberrock, einer platten, wollenen Mütze, leinenen Peinkleidern, blauen Weste, einem schmalen Gürtel mit dem kleinen Messer und einem FfeifenausstOpfer. Ausserdem finden wir bei Männern, Weibern und Mädchen als Hauptbekleidungstück den Pelz. Er ist weiss gegerbt, mit schwarzen Aufschlägen, an den Rändern mit farbigem Leder und selbst mit Seide gestickt. Diesen Pelz trägt man sogar mit besonderer Vorliebe im Sommer, nach aussen gekehrt bei Regenwetter. — Es beweist grenzenlose Armuth, wenn man keinen „Kozuch" kaufen kann und die Anschaffung dieses wesentlichen Kleidungsstückes bildet neben jenen der hohen, mit kleinen Hufeisen beschlagenen Stiefel den Hauptgegenstand der häuslichen Sorge und einen hochwichtigen Moment im Leben der Familie. Der „Mazure" ist ausschliesslich Ackerbauer, nur hier und aa sieht man bei ihm grüne Weideplätze, mit Leinenstücken schlechterer Gattung zum Bleichen belegt, welche die Frauen lm Winter gewebt haben. — Kr kommt dem Krakowiaken an F • - ^nergie nicht gleich, ist träge und melancholisch auch beider Arbeit, von einer Verbesserung im alt hergebrachten Wirth-schaftsbetrieb will er absolut nichts wissen und mit Misstrauen begegnet er dem Gutsbesitzer, dem Amtmann und selbst dem Geistlichen. Er hat sich in den Jahren der Revolution, wo die Bauern über den Adel herfielen, einen sehr schlechten Ruf erworben. — Die Mazurischen Hauern tragen das kleidsame polnische ^ationalkostüm wie die Städter, mit der „Confederatka" als Kopfbedeckung und der schweren Peitsche im Leibgurt. List an der Grenze des ruthenischen Stammes, •h der Gegend von Jaroslaw, wird der Menschenschlag s c h ö n e r, kul t u r fä h ig e r und zeichnet sich Unter anderem durch ein reines, jedes Provincia-■ ismus baares Polnisch aus, welches jedoch nach ''athenischer Weise singend gesprochen wird. Der südliche Nachbar des Masuren, jenseits der Linie, die ,n'in durch den mittleren Lauf des Wisloh horizontal zieht, ist v°n Pilsno und Lancut bergauf, ein durch Kolonisation im 13. Und 18. Jahrhundert entstandener Stamm, den man „Glucho uicmcy" (Taubdeutsche) nennt. Die Taubdeutschen •sPrechcn ausschliesslich polnisch und die Ueberbleibsel der Verschiedenen Muttersprachen bezeugen, dass man in der Zeit Oer Ansiedelungen jeden Fremden einen Deutschen nannte; dominirend ist hier aber eine dem „Siebcnbiirger-Sachsen" ähnliche Tracht. — Der Volksschlag zeigt grosse Mannigfaltigkeit, uenn wir finden ihn hier und da kräftig und schlank, wo anders wieder mit einem unangenehmen, schmächtigen Aeusseren. M e r k w ii r d i g erscheint, dass seit letzter Zeit, o b-wohl der Boden fruchtbar is t, ein grosser Theil dieser Leute, sowohl Reiche w i e Arme, Haus und H of verkaufen u n d n a c h A m e r i k a a u s w a n d e r n '. Die ethnographische Grenze der „R u t Ii en en'" nach Westen geht von Ulanow an der russischen Grenze über Lezajsk gegen Brzozow. Von da setzt sie sich in das Pobrad-thal iort, umschliesst jenseits des Popradtbal mehrere Dörfer, kehrt zum Popradbette zurück und betritt bei Leluchow den ungarischen Boden. Da die ruthenischen Dörfer des Südwestens durchaus unfruchtbare Gebirgsdörfer sind, und sich jenseits der bezeichneten Grenze noch zwei grössere ethnographische Inseln ruthenischer Bevölkerung befinden, so kann man daraus schl Jessen, d a s s die polnische B e V ö 1 k e r u n g in uralter Zeit die ruthenische zurückgedrängt hat. — Obwohl die Gegensätze vom Polen- und Ruthenenthum in Ostgalizien weniger merkbar sind, so treten sie doch an der uralten r u t h en i s c h - p o 1 n isc he n Grenze, in W e st g a 1 i z i e n, auch noch h e u t e r e c h t stark hervor, und der „Rusniak" zeigt in seinem Wesen, gegenüber dem benachbarten polnischen Dorfbewohner, mancbe,ursprüng] ich divergirende ethnograph ische E i g e n h e i t e n. Der Rusniak ist schlank, schmächtig, fast durchgchends schwarzäugig und schwarzhaarig, langsam, melancholisch in seinem Gebahren, gegenüber der polnischen Bevölkerung, welcher er aus dem Wege geht, verschlossen Er führt ohne Klage ein armes Leben auf dürftigem Boden und bildet eine eigenthüm-liche Erscheinung. — Die der Slowakischen ähnliche Tracht besteht aus einem schwarzen Hute mit auffallend grossen hinaufgebogenen Rändern, welcher das straff herabhängende Haar bedeckt, und einer weissen oder braunen, wollenen „Bunda" mit reichen Fransen, die als Hauptbekleidung dient. Die buntangezogenen Weiber ziehen zum Kirchgang gelbe oder rothe Stiefelchen an. Auch den Gebrauch des Wortes (lern) „nur" haben sie mit dem Slowaken gemein, werden demnach auch „Lemki" von ihren ihnen gerade nicht besonders freundlich gesinnten polnischen Nachbarn benannt. -- Heirat hen zwischen Rusniaken und polnischen Hauern gehören zur Seltenheit, dieser Umstand mag auch Ursache sein, dass besonders die westlichen Ansiedelungen, bet beschränktem Heirathsterrain, eine physisch verkommene Bevölkerung besitzen! Das rusniakische Dorf hat stattliche, hölzerne Gebäude mit hohen Schindeldächern. — Zusammengedrängt, Wirthschaft an Wirthschaft, breitet es sich die Thäler entlang aus, während das benachbarte polnische Dorf mehr zerstreut liegt, so dass jede Bauernparcelle vom Bauernhofe aus beaufsichtigt wird. Das stattlich aussehende, mit Schindeln bedachte, nie h t g e we i S Ste Ha u s , birgt aber in seinem Innern, grell kontrastirendzuseineräusseren Erscheinung, gewöhnlich hungerblasse Gesichter. — Hafer und Kartoffeln gedeihen nur auf den kahlen Bergrücken, an Aeckern fehlt es nicht, jedoch der Boden ist keineswegs fruchtbar. Die „Ruthenen" machen bei der ersten Begegnung einen melancholischen, ja fast tragischen bändruck. Sie sind dort, wo sie mit dem polnischen Volksstamm unmittelbar zu-sammenstossen, vielfach mit polnischem Blut gemischt. Nur in der üppigen „Tarnopoler Gegend" finden wir sie am ungemischtesten. Diese üppige Landschaft ist ein unabsehbares, wellenförmiges, aus schluchtartigen Thälern immer wieder zu derselben Höhe aufsteigendes Hochland und bildet ein ungeheueres Weizenmeer. Doch ist die Gegend, so weit das Auge reicht, baumlos; die Dörfer selbst suchen stille, verborgene l häler. — Es herrscht hier ein seltener Bodenreichthum, Getreide giebt es im Ueberfluss und es wird auch eine ausgebreitete Bienenzucht getrieben. — Im Ruthenen-Dorfe befinden sich die Gehöfte dicht nebeneinander. Sie stehen meist neben den Flüsschen oder Bächen, welche zu Teichanlagen Oesterreich-Ungarn. 3 i )i8terVelöh'-Urigarri. ausgearbeitet sind und primitive Mühlen bewegen. -- Die drei-kuppige ruthenische Kirche ist fast ausschliesslich aus Holz gebaut und bildet mit dem einstöckigen Glockenthurm den Mittelpunkt des Dorfes. — Originell sehen die Gehöfte aus, denn Stroh, Reissig Lehm und spärliches Holz bilden das Baumaterial. Die möglichst niedrige Hütte besteht aus geflochtenen, in Holzpfeilern eingefassten Wänden und hat nur einen geflochtenen, mit Lehm überklebten, höchst mangelhaft errichteten Rauchfang, so dass der Rauch auch in die Wohnung dringt und diese in eine Rauchhütte verwandelt. Die übrigen, oft zahlreichen Gebäude werden nach Art und Weise der Hütte selbst natürlich möglichst fahrlässig gebaut. Das Getreide ist zwar unter vier Pfählen mit beweglichem Dache unmittelbar beim Wohnhause untergebracht, am häufigsten wird es aber im Felde in einer derartig primitiven Scheune gelassen. — Die Hauptsache aller dieser ICinrichtungen aber sind die hohen Mistwälle, welche jedes Gehöft umgeben und demselben zum Schutze dienen jedoch auf dem ergiebigen Boden Podoliens fast gar keine Verwendung finden. Da es beinahe gar kein Holz giebt, so dient Stroh und getrockneter Mist als Ilrennm.Uerial. Trotz der grossen Ergiebigkeit des Bodens befindet sich aber der ruthenische Bauer, obwohl er Geistesgaben besitzt, keines w e g s i m W o h 1 s t a n d, i m G e g e n t h e i 1, denn er ist fahrlässig, trag, kulturuniahig und bis zum Fatalismus gesteigert, conservativ. — In fruchtbaren Jahren spart er nichts für die Zeit der oft eintretenden Dürre und des Misswachses. Die Schenke verzehrt seinen Ueberfluss, armselig und hungrig brütet er vor sich hin in s c h 1 e c h te n J a h r e n, wie sein westlicher Stammbruder, der Rusniak. I )as Aeussere dieser podolischen Ruthenen nähert sich den östlichen, ausser der Grenze gelegenen ruthenischen Typen. - - Er rasirt den Kopf bis auf den buschigen Scheitel, der nach kosakischer Art „oselcdec" genannt wird hast vorwiegend ist er blauäugig. Das dunkle Haar hat er nicht von Natur, sondern es ist ..künstlich" dunkel gemacht worden, denn man schmiert die hellblonden Köpfe der meist im I lemd oder sogar nackt herumlaufenden Kinder mit Fett, damit die Ilaare nach und nach dunkel werden. — Die Statur des Bauern i>t gedrängt und kräftig, der Gang jedoch nachlässig und schleppend, mit gebogenen Knieen. — Weisse, weite Beinkleider und ein kurzer, wollener Kaftan bilden die gewöhnlichen Kleidungsstücke. Zum Gang in die Stadt oder in die Kirche wird ein t )berkleid mit Aermel und Kapuze oder jener lange Schafpelz angezogen, welcher auch hier vorzüglicher Bestandtheil einer vornehmen Toilette ist. • 1 Jic Kopfbedeckung bildet ein selbstgeflochtener Strohhut oder eine hohe Pelzmütze mit blauem tuchenen Deckel und drei gleichfarbigen Seidenbändern; ausserdem trägt er noch einen ledernen Gürtel. Die Weiber und Mädchen, welche oft von einer seltenen, schnell verblühenden Schönheit sind, tragen an der Brust sowie an den Armen rothe Stickereien und zahlreiche Schnüre von Korallen und Glasperlen schmücken die Büste. Ein gewöhnlich blauer, tuchcner Kaftan oder wohl auch eine längere „Bekiessa" bedeckt den schlichten roth - bemalten Unterrock und lässt die rothen oder schwarzen unbeholfenen Stiefel ohne Absätze sehen. Die Mädchen zieren ihre zwei getheilten Flechten mit allerlei Flitterwerk; Frauen fassen den oft bildschönen Kopf in die künstlich zusammengelegte, leinene, weissse ,,Peremitka", welche, das Oval des Gesichts umschliessend, an den Nonnenkopfputz erinnert. Den yerheiratheten Weibern werden nach alter Sitte die Ilaare geschoren; des s halb ist in Galizien eine e n g a ns ch 1 i e ss e n d e Kopfbedeckung allgemein Sitte. Seit Jahrhunderten mischte sich in Galizien mit polnischem und ru t h eni sehe m B1 u t deutsches 3* 3ß (>esterreich-Unjjarii Blut. Wir erwähnten schon des deutschen Ursprungs der „Pod-halaner" und der „Taubdeutschen", deutsch ist der Ursprung der meisten Städte, besonders Westgaliziens, und dort findet man auch Dörfer mit deutschen Namen. Diese Ansiedelungen sind nun gänzlich polonisirt und die Kleinstädter sind durch das allmähliche Herunterkommen der einst blühenden Städte, sowie durch mancherlei andere Umstände in jeder Beziehung sichtlich gesunken, ohne das Gefühl der Vornehmheit gegenüber dem Bauer auch nur im Geringsten verloren zu haben. Deutsch nennt man i n G a 1 i z i e n n u r j e n e E i n w o h n e r (Katholiken oder Protestanten), welche Kaiser Josef II. t h eil w e i s e auf unkultivirten W aldflächen angesiedelt hatte und die deshalb bis zum heutigen Tage „Kolonisten" genannt werden. Dergleichen Kolonien erkennt man leicht an den geweissten, gemauerten, mit der Seitenwand gegen die Strasse gekehrten Häusern und Gehöften, aber auch sie, die protestantischen ausgenommen, haben von ihrem ursprünglichen Deutscht h u m m a n c h e s e i n g e b ü s s t u n d v e r-schmelzen sich vielfach mit d e r L a n d b e v ö 1 k e r u n g. 1 lochst günstig gestaltete sich das Schicksal der bis in das 12. Jahrhundert hinaufreichenden „armenischen E i n-w a n d e r u n g". D i e mehr al s 2400 Seelen zählenden Armenier sind heutigentags in den ergiebigsten Landstrichen grosse Grundbesitzer, denn Sparsamkeit, Unternehmungsgeist, enges Z u s a m m e n-halten unter einander, verbunden mit wechselseitiger intensiver Unterstützung, sowie reger Eifer im Betriebe des Ackerbaus Hand in Hand gehend mit dem Handel, haben sie wir t hsc haftlich auf eine hohe Stufe gebracht. Als Städter findet man sie nur in „Kuty".— Man erkennt sie auf den ersten Blick an ihrem orientalischen Typus mit der grossen Adlernase und den schwarzen Haaren. — Seit dem '7* Jahrhundert .sind sie armenisch - katholisch; ihre Sprache lebt aber nur im Kirchenritus fort, denn die Predigten in den fünf Pfarreien des armenischen Archiepi.skopates werden polnisch gehalten. In der „Bukowina", dem herrlichen Buchenländchen, leben all' die zahlreichen Völkerschaften, die hier gehaust, die jemals über diesen Boden gegangen. Kaum ein Dorf gleicht in diesem Lande ganz dem anderen an Hauart der Häuser, an Sprache, Tracht, Sitte, Typus der Bewohner. — Man findet hier Rumänen, Ruthenen, Deutsche, Juden, Magyaren, Liporaner, Slovaken, Polen. Zigeuner. Türken, sowie noch Leute anderer Nationalität. Die „Huzulen", die Nachkommen des verschollenen, räthselhaften Stammes der „Unzen", wohnen in vereinzelten Hütten inmitten des Karpathenwaldes. Sie leben mehr auf den Rücken ihrer kleinen, zähen, flinken Pferde, als in ihrer erbärmlichen I lütte, sie .sind, obwohl Bewohner der Bergwälder, im vollsten Sinne ein Reitervolk, und ihre Herden bilden ihren ganzen Schatz. Ivuthenisch ist ihre Sprache, aber ihr Typus stimmt nicht damit überein, denn sie sind kleine schwarzhaarige Menschen, mit kühn und scharf geschnittenem, gelblichem Antlitz und langen 1 laaren. Sie sehen nicht aus wie Slaven! Ihre Tracht ist ebenfalls eigenthürnlich, mit dem kurzen braunen Reiterrock, den grell-rothen, langen Beinkleidern, dem kleinen kecken Federhütchen. Um den Leib haben sie einen mächtigen Gurt, in dem gewöhnlich ein breites .Messer und eine Pistole blinkt, von dem sie leider nur zu häufig, nicht allein dem Baren gegenüber Gebrauch machen, denn sie sind zwar gutmüthig wie die Kinder, aber auch launisch, wild und jähzornig. Die Ruthenen der Ebenen verachten sie und sie nennen sich stolz „Söhne der Unzen!". — Zwischen den 1 luzulen und ihren Sprachgenossen, den „Ruthenen", in der Ebene zwischen Dniester und Pruth, isi ein grosser Unterschied. — Diese Letzteren sind ein schöner, starker Menschenschlag; hoch, breitschulterig, mit lichter Haut- :;s < »esterreicli-t'ngani. umi I [aarfarbe. Unter den Weibern befinden sich nebeti robusten, üppig gesunden Gestalten auch auffall ig graziöse mit lieblichem, feingeschnittenem Antlitz. — Bei Mannern und Frauen bildet der Schafpelz das Festkleid, die Aermeren tragen den braunen „Serdak", einen breit- und weitgeschnittenen Rock. — Die Vermählten unterscheiden sich scharf von den Ledigen in der Kopftracht, und auch beim Tanzen sondern sie sich ab. Das Weib hat ein weisses Tuch um den Kopf, das Mädchen die 1 laare frei herabfallend und einen Kranz oder eine ganz sonderbare, mit Füttern besteckte Tuchkrone ums Haupt. Diese Ruthenen der Bukowina sind ein phlegmatisches, melancholisches, zähes Volk, welche sich beharrlich nach und nach die Bukowina erobert und die ursprünglichen Bewohner, die Rumänen, immer mehr nach dem Süd e n v e r d r ä n g t haben. Dort, w o R u m ä n e n und Ruthenen zu s am m e n g r e n z e n, herrscht binnen zehn, zwanzig Jahren der Ruthe ne; der besiegte Rumäne nimmt auch noch d i e S p r a c h e d e s S i e g e r s an und verlernt dann gänzlich die Sprache der Väter! Uebrigens unterscheiden sich auch die echten Ruthenen der Bukowina ausserordentlich untereinander in Tracht und Dialekt, je nachdem sie aus Pocutien oder Podolien eingewandert sind, je nachdem sie ihren Wohnsitz im Flachlande oder im I lochlande genommen haben. Die „Rumänen" der Bukowina haben bronzeartige Hautfarbe und die magere, bewegliche Gestalt bekundet das romanische Blut; bei ihnen findet man aber denselben mannigfachen Unterschied in Tracht und Dialekt, wie bei den Ruthenen. Sie nennen sich stolz „Söhne Romas", und aus ihrer Sprache lassen sich ganze Sätze zusammenstellen, die wörtlich mit dem Lateinischen zusammenklingen. Ihr Blut ist jedoch stark gemischt mit slavischem, mongolischem und tartarischem: reine Rumänen sind in der Bukowina selten, sie halten sich ganz abseits von allen Bewohnern, denn ein eigener Stolz ist diesen Leuten angeboren und sie besitzen viel natürliche Würde, .so latige sie nüchtern sind! Ihr Nationaltanz ist die „Romana", phantastisch und figurenreich, oder „Olcandru", ein Cotillon-tanz, wie man ihn nicht graziöser und kunstvoller schaffen könnte. Ihre Gestalt ist schlank, ihr Gesicht scharf geschnitten, braun, ihre dunkeln Augen blitzen. — Die Mädchen haben ausserordentlich viel Aehnlichkeit mit denen an den Ufern der Tiber, sowohl in Gestalt und Gesichtsbildung, als wie in der Tracht. Es sind schlanke, üppig stolze und doch schmiegsame Gestalten mit schönen dunkeln, halbverschleierten, feurigen Augen; sie sind in Leinen und bunte Stickerei gekleidet und mit der blauen „Tunika" als Festtracht um die Schultern. Ein hässlicher Menschenschlag sind die „ r u m ä n i s i r t e n ongolen", kleine Menschen mit gelben Gesichtern, schiefgeschlitzten Aeuglein, fast verkümmerter Nase und auffallend O förmig gestalteten kurzen Beinen. Die „Schwabenbauern" der Bukowina tragen lange, stattliche Kaputröcke aus blauem Tuche mit silbernen Knöpfen und die Weiber mächtige geblümte Reifröcke. — Die jungen Burschen kleiden sich aber in knöpfeschimmernden Spenzer; die Mädchen mit buntem Mieder und kurzen, farbigen Röcken, unter denen die schwarzbestrumpften Waden hervorblicken. — Ausser diesen Schwaben aus Rosch bewohnen die Bukowina auch noch „Deutschböhmen14 aus Fürst eh thal oder aus einer anderen Gegend, die „Zip S er" aus Jakubeny, Pfälzer und Niederdeutsche u. s. w., ungefähr zehn verschiedene Dialekte und Trachten aus allen Gauen Deutschlands. — Auch finden wir im schönen Buchenländchen „Slovaken" im ärmlichen Linnengewand., den runden weichen Filzhut auf dem langhaarigen Haupte und die Weiber im bunten Drillich. — Obwohl der Slovake hier als Ackerbauer lebt, so gedeiht •er doch auch nicht gut, trotz des unendlich gesegneten Bodens. In „Suczawa und Kimpolung" hat sich unter den dort wohnenden „Armeniern" auch noch die armenische Tracht erhalten, ein langes, seidenes, bis auf die Knöchel herabwallendes Untergewand, über dem ein sammet- oder pelzgeschmückter Kaftan getragen wird. Beim ,, Li p p o w an e r " sehen wir hingegen die „mosko-witische" Tracht, während die Weiber grell roth geblümte Kleider anziehen. Dil1 Bewohner Ungarns, Kroatiens. Slavonieiis und Siebenbürgens, Dasselbe bunte Völkergemi sc h wie in der Bukowina finden wir auch in „Ungarn.' Die Bewohner sind Magyaren, Deutsche, welche einst aus Schwaben, Baden, dem Mittehhein und anderen Gegenden eingewandert waren, Slaven, Rumänen, Zigeuner u. s. w. — Doch alle diese Volks stamme leben auf dem platten Lande im grossen Ganzen nicht vermischt unter einander in Ortschaften, sondern jede Nationalität ist meistens in Dörfern vereinigt, welche mehr oder minder zahlreich über die „Pannonische Tiefebene" und auch über die anderen Theile Ungarns, bis zu den Grenzen Cislei-thaniens, Kroatiens und Siebenbürgens vertheilt sind. — Es tritt daher die eigentümliche Erscheinung ein, welche wohl in keinem anderen Lande der Welt so ausgeprägt hervortritt, dass der Reisende, wenn er über das platte Land fährt, z. B. zuerst in eine magyarische, eine halbe Stunde weiter in eine slavische, wieder eine Stunde weiter in eine deutsche oder walachische Ortschaft gelangt etc., welche alle für sich ein streng abgesondertes Gemeinwesen bilden und mehr oder minder zäh an ihrer althergebrachten Sprache, Sitte, Bauart und anderen Eigentümlichkeiten festhalten. Die „Magyaren" bilden das herrschende Element in Ungarn und sind an einzelnen Stellen mehr oder minder dicht über das ganze Land zerstreut. — Man unterscheidet bei ihnen Jazgier, Kumanier und Szekler. --- Sie wohnen gewöhnlich in grossen, sehr langen Ortschaften, welche den Eindruck eines ausgedehnten Lagers mit ihrer auffallend breiten, meist unge-pflasterten I Iauptstrasse machen, an welcher knapp nebeneinander zu beiden Seiten die Bauernhöfe stehen, während die Kirche und das Gemeindehaus, gleich dem Zelte der Heerführer, im Zentrum derselben gelegen sind. Diese Anlage der Ortschaften ist eine Ueberlieferung aus den althistorischen Zeiten der einstigen magyarischen Reiterstämme unter Arpad. Aus den Zelten sind mit der Zeit Hütten und stattliche Bauernhöfe geworden. Bei kleineren Ortschaften könzentriren sich beinahe alle Wohnungen in dieser 1 Iauptstrasse, bei grösseren finden wir auch noch beinahe gerade so breite Parallel- und Transversalstrassen. ■— Die Hütten sind zum grössten Theil aus gestampftem, mit kleingeschnittenem Stroh gemengten Lehm erbaut, mit Stroh gedeckt, von aussen Und innen nett und reinlich gehalten, weiss getüncht und mit Farben bemalt. Aber man findet jetzt auch schon zahlreiche, massiv gebaute, mit Ziegeln oder Schiefer gedeckte, stattliche Bauernhöfe. — Der Eingang ist meistens vom Hofe aus, der durch eine Planke mit Thor von der Strasse getrennt wird. — Lie Wirtschaftsgebäude sind an die Wohngebäude unmittelbar angebaut und die Dächer springen auf der Hofseite so weit V|>r, dass dadurch ein gedeckter Gang gebildet wird. — In einzelnen Gegenden sind die Hütten auch halb in den Boden ersenkt und ragen nur wenig mit ihren Dächern aus Schilf und Maisstengeln empor, um sie soviel wie möglich vor den Sturmwinden, welche über das „Alföld" fegen, zu schützen. — Einzelne über die Puszta zerstreute Gehöfte, nennt man „Csarda." Sie sind eben so erbaut wie die 1 lütten der Ortschaften und stehen oft weit von einander entfernt. Der magyarische Bauer ist ritterlich, kühn, tapfer, voll Stolz auf seine Nationalität und deren ruhmreiche Geschichte. Dabei liebenswürdig, atich genügsam, gastfreundlich, anhänglich und treu, wenn man ihn zu behandeln versteht; voll Geist, Humor und Poesie und selbst als Räuber noch eine Art Edelmann im Bauernkittel 1 — In seinem Gefühlsleben finden wir eine Mischung von Schwermuth und höchster Leidenschaft, die am besten in der Melodie der verschiedenen .L'sardasche" zum Ausdruck gelangt. Die Kleidung des magyarischen Bauernvolks ist einfach, aber sehr malerisch. Die Männer tragen ein weisses Leinenhemd mit sehr weiten Aermeln; eine pluderartige Hose aas Leinwand, „Gatya" genannt, unten mit weissen Fransen besetzt; bis an die Kniee reichende spitze Stiefel, ,.Cismen", mit hohen Absätzen; über diese Unterkleider eine dunkle Tuchweste und Tuchjacke, verschnürt mit vielen kleinen, dicken, runden Zinnknöpfen; im Winter oder bei besonders feierlichen Gelegenheiten auch eine enge, verschnürte Stiefelhose aus gleichem Stoflf undFarbe, wie die Jacke; bei schlechtem Wette" einen langen Mantel aus Schaffell, „Bunda", oder wenn es nicht sehr kalt ist. einen Mantel aus Hallina mit Kapuze; und auf dem Kopfe einen kleinen, runden, schwarzen Filzhut mit hocli-hinaufgeschlagener Krempe, geschmückt mit einer Feder und einem schwarzen, tief herabwallenden Bande. — Die Frauen und Mädchen lieben in ihrer Kleidung aus Leinen, Kattun oder Wolle helle Farben und tragen ähnliche Kniestiefel, wie die Männer. Diese Tracht erscheint um so hübscher, als das magyarische Bauernvolk ein schöner, schlanker Menschenschlag ist mit feingeschnittenen Gesichtszügen und dunklen feurigen Augen- Als hauptsächlichstes Nationalgericht figurirt auf ihren Tischen der ,.Gulyas", das „Capusta" (Kraut), Schweinefleisch, Kürbisse und verschiedene Mehlspeisen ; als Getränk aber der vortreffliche Landwein und der Zwetschenbranntwein. — Die magyarischen Bauernfrauen sind häufig ganz vortreffliche Köchinnen. Der magyarische Bauernstand theilt sich nach seiner Beschäftigung in drei Hauptklassen, die wie bei keinem anderen Landvolk derartig ausgesprochene Typen bilden. Diese drei Haupt k lassen, welche a ti c h sehr verschieden e s Ansehen unter der magyarischen Landbevölkerung g e n i e s s e n, sind der „Ackerbauer", der »C sik os" oder Pferdehirt, der „Gulyas" (Csardas) oder Rinderhirt, und endlich der „Kanas", Seh w einen i r t. — Wir sehen also, dass ausser dem Ackerbauer auch noch die Hirten eine ganz besondere Ausnahmestellung einnehmen, gewissennassen einen Stand für sich bilden und auch eine frhöhtere Achtung in den Augen der Landbevölkerung haben, als wie bei anderen Völkern, wo der Hirt weniger beachtet wird und mehr eine untergeordnete Rolle einnimmt. Diese eigentümliche Erscheinung wird durch die hochentwickelte, ganz eigenartig betriebene Viehzucht in den unabsehbaren Viehtriften und Haidestrecken der „Pannonischen Tiefebene", dem sogenannten „Alföld", hervorgerufen. — Iiier weiden als Ligenthum der Bauerngemeinden oder der kleineren und grösseren Grundbesitzer riesige Herden. Dem Csikos übergiebt man Pferdeherden von dreihundert bis tausend Thieren, worunter, wenn die Herden Grossgrundbesitzern gehören, auch viele edle Thiere vorkommen. Die Herde repräsentirt daher häufig einen sehr bedeutenden Werth an Kapital, und der Csikos ist folglich mehr, als irgend ein anderer Hirt, ein Vertrauensmann. I )a er mit seiner schnellfüssigen Herde, so lange es halb« Wegs die Witterung erlaubt, Jahr ein, Jahr aus, unter freiem 'bmmel, den ihm als Weide zugewiesenen Theil der Steppe durchstreift und den grössten Theil seines Lebens zu Pferde zubringt, auch die halbwilden Thiere zuerst besteigt und sie gewöhnt, den Reiter zu tragen, so ist er in den Augen des 'nagyarischen Bauernvolks, welches, gemäss ihrer althistorischen 11 (»«sterreich-Ungarri, Traditionen, nur den Reiter für einen „wirklichen Mann" ansieht, auf den Füssler aber mit gewisser Geringschätzung und Mitleid herabblickt, eine ritterliche, volkstümliche Erscheinung.— Uebrigens haben sich die „Csikos" auch überall dort, wo Sie in ihrer charakteristischen Eigentümlichkeit als Kämpfer aufgetreten sind, wie z. B. im ungarischen Revolutionskrieg, stets als kühne, tapfere Männer gezeigt und sich ganz vortrefflich bewährt. Der Csikos ist gerade so wie der magyarische Bauer im allgemeinen gekleidet, nur trägt er lange, klirrende Sporen an den „Csismen", Kniestiefeln. In der Faust hat er die kurzgestilte, schwere, lange „Peitsche" und vorn auf dem Pferde die „Wurfschlinge", eine Art Lasso, welche er mit Erstaunen erregender Kunstfertigkeit handhabt. — Er jagt wie angewachsen, so sicher, auf ungesattelten, halbwilden Pferden, denen er oft nur ein Strick durch das Maul gezogen hat, in den schärfsten Gangarten über die Puszta. So ritterlich, volkstümlich, eigenartig charakteristisch und wacker der Csikos auch erscheint, so bildet er doch wieder andererseits häufig bei seinem intensiven Hang zur individuellen Unabhängigkeit, der nicht allein durch den Nationalcharakter, sondern auch durch sein freies Leben zu Pferde auf der unabsehbaren Puszta hervorgerufen wird — ein vielfach unruhiges, gemeingefährliches Element für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, denn aus seinen Reihen geht zumeist das schon seit alten Zeiten förmlich volksthümlich gewordene Räuberwesen Ungarns hervor 1 Der „Gulyas", Rinderhirt, geniesst lange nicht das Ansehen unter der Landbevölkerung wie der Csikos. — Seine Herden, die er auf den ausgedehnten Weiden hütet, sind in der Regel sehr zahlreich. — Der Schafhirt bildet gerade so wie die anderen 1 lirten einen eigenen Typus des magyarischen Bauernvolks. Er kleidet sich in der Nationaltracht, hat aber häufig einen Hut mit grösserer, breiterer Krampe als die anderen I lirten, und ausserdem stets den langen Schäferstab. Beinahe immer führt er das auf Rädern gestellte hölzerne Schäferhaus mit sich, wie wir es ja ai'ch bei den Schäfern Russlands, Englands und anderer Nationen Sehen. Seine treuen Begleiter und Gehülfen sind die langhaarigen „Bundas'", eine Art grosser Wolfshunde, deren er uiimer mehrere bei sich hat und die ganz vortrefflich abgerichtet sind. — Dieser Schafhirt ist der gutmütigste, ruhigste und freundlichste unter allen magyarischen Hirten. Der „Kanas", Schweinehirt, welcher mit seinen halbwilden, ausserordentlich zahlreichen Schweineherden die ausgedehnten, dichten und in Bezug auf Eicheln äusserst ergiebigen Waldungen Ungarns aufsucht, steht von allen Hirten „am tiefstem' in der Achtung der Landbevölkerung, obwohl er im allgemeinen geradeso ein braver Bursche ist. wrie der Csikos, Gulyas oder Czardas, aber daran trägt sein Gewerbe die Schuld, welches von dem adelsstolzen Volke gering geschätzt wird. — Uebrigens ,st das beständige Leben in den dichten Waldungen auch nicht ohne Einfluss auf seinen Charakter, welcher in der Regel ernster, stiller, menschenscheuer als wie der der übrigen magyarischen Landbevölkerung ist. — Der Kanas bezieht viel geringeren Lohn als wie die übrigen Hirten, und nur die ärmsten, geistig am wenigsten aufgeweckten Burschen geben S1ch zu dem Geschäft eines Schweinehirten her. Von dem Waagthale bis zum Etisse des östlichen kar* pathischen Waldgebirges und an den Abhängen desselben, in ^cn Comitaten Pressburg, Neitra, Abanj, Torna, Borsod. Heves, Zernpijn, Bereg, Ugocsa, Marmaros, Szabolcs, Szatmär u. a. (Jrten findet man ziemlich viele zerstreut liegende „Deutsche Ansiedlungen". — Diese nordwestlichen Deutschen Ungarns 'eben hier meist ohne Zusammenhang untereinander oder mit andern grösseren deutschen Sprachinseln mitten zwischen Slo-vaken, Ruthenen, Rumänen und Magyaren und gehen gerade So wie ihre nordwestlichen Stammesgenossen einer aHmählichen, unvermeidlichen Aufsaugung durch das umwohnende zahlreichere fremde Volkselement entgegen. — Stärkere deutsche Volksgruppen giebt es in den Comitaten „Bereg" und Ugocsa, nächst Munkäcs, und dann im „Szatmärer Comitate". — Es sind „schwäbische (Kolonisten", welche hier im iS. Jahrhundert angesiedelt wurden. — Unter diesem Aufsaugungsprocess leiden natürlich die isolirten nordungarischen Deutschen am meisten, aber selbst in denjenigen Gebieten Ober-Ungarns, wo die Deutschen dichter wohnen, befindet sich das Deutschthum in einem sehr wenig erfreulichen Zustande; es stagnirt oder geht dem Verfall entgegen. — Die Mischung des deutschen Elements mit anderen Volksstämmen ist übrigens in diesen Theilen des Landes sehr verschieden. Auf dem Gebiete des früheren Municipiums der „16 Zipser Städte" betragen die Deutschen noch immer über 70 Procent der Bevölkerung; aber in den übrigen Comitaten Xordungarns steht ihre Ziffer beträchtlich tiefer, so z. B. im Pressburger Comitat auf circa 18, im Monter auf ungefähr 9, im Gömörer auf 4, im Zempliner auf 3 und im Unger gar nur auf ungefähr 2 Procent. - Die deutsche Bevölkerung nimmt also in Ungarn in der Richtung von Westen nach Osten ab. Die südungarischen Deutschen sind ohne Ausnahme Einwanderer aus dem 18. und 19. Jahrhundert, welche erst nach der Türkenvertreibung diese entvölkerten und verwahrlosten Gegenden besiedelten und wieder urbar machten. — Am kompaktesten wohnen diese „Schwaben" in den Comitaten Tcmes und Torontal, ferner im südwestlichen Theile des Bäcscr Comitats. Doch finden wir kleinere Inseln und vereinzelte deutsche Orte und Gemeinden auch hier in diesen Gegenden so ziemlich über das ganze Gebiet von der Donau bis zum siebenbürgischen Hochlande zerstreut, denn in jeder grösseren Ortschaft sind Deutsche ansässig. In P'olge der besonders starken Mischung der Bevölkerung Eiti Banate und in der Bacska wohnen die dortigen Deutschen in Berührung mit Magyaren, Rumänen, Serben, Bunyeväcen (Schökaczen), Griechen, Armeniern, Bulgaren und Slovaken. dieses Vötketfgfe^nisch erzeugt natürlich eigentümliche ethnographische Erscheinungen. Die deutsche Sprachinsel des Bäcskaer Comitats nähert sich donauaufwärts den ebenfalls bedeutenden deutschen Gruppen in den Comitaten „Baranya und Tolna", wo hauptsächlich in dem Winkel zwischen ,,Donau und Drau", in der s (i g e n a unten „schwäbischen Türkei" die Deutschen stärker vertreten sind. — Einzelne Ausläufer dieses grossen deutschen Eilands greifen west- und südwärts in magyarisches und sla-vonisiches Sprachgebiet, hier und da sind sie auch noch unter serbisch-kroatischem Volkselement vertreten. — Nördlich schliessen sich an die Deutschen der Baranya ihre Stämmgenossen in Tolna und östlich sowie westlich finden wir in den weiten Flächen des ungarischen Tieflandes und entlang den Ufern der Donau deutsche Ortschaften. Alle diese Orte haben ihre deutsche Bevölkerung erst im Laufe des 18. Jahrhunderts erhalten — Das Deutschthum dieser oft ganz vereinzelten Gemeinden erleidet inmitten der nicht deutschen Umgebung fortwährend empfindliche Ein-busse. — In Torontal machen die Deutschen 47, in Temes 40, in Bacs 29, in Baranya 39, in Tolnar 36, in Krassö 12 Procent der Bevölkerung aus. Die zuletzt zu erwähnende deutsche Gruppe erstreckt sich von Budapest südwestlich über das Vertesgebirge bis in den liakonyer Wald, u. z. über die Comitate Pest-Pilis-Solt, Stuhl-weissenburg, Weszprimer und Sümegh (Somogy) und hängt durch einzelne Gemeinden auch mit den zerstreuten deutschen ( Ilten im Grauer und Raaber Comitat zusammen. Auch diese Deutschen gehören grösstenteils dem „schwäbischen Stamme" an. doch sind sie mit bairi.sch-östcrreiehischen und fränkischen Klementcn gemischt. — Diese deuischen Ansiedlungen reichen (testerreich-UngRrn. zum Theil bis in frühere Jahrhunderte zurück, haben aber seit dem Ende des 17. Jahrhunderts zahlreiche Verstärkungen durch Nachwanderung erhalten. Die hier lebenden Schwaben wohnen entweder in rein deutschen Gemeinden oder mit Magyaren gemischt, deren Sprache sie meistens neben der ihren sprechen. Im Pest-Pilis-Solter Comitate bilden die Deutschen 16 (in der Hauptstadt Budapest sogar über 45 Procent), im Wesz-primer Comitate 18, im Stuhlweissenburger 16, im Graner 9, im Sumegher 8, im Raaber kaum 2 Procent der Einwohner. In einigen dieser Gegenden ist das Deutschthum ebenfalls im Rückgange. Vereinzelt liegen auch die deutsch-slovakischen Orte „Iglö, Dobschau" und das deutsch-slovakisch-magyarische „Kaschau". — Die ehedem zahlreichen Deutschen im „Saroser" Comitate sind grösstentheils unter Slovaken und Ru-thenen verschwunden. Reste dieser deutschen Bevölkerung wohnen noch in Eperies, in Bartfeld, Zeben und an anderen Orten. Die Deutschen sind somit über das Gesammtgebiet der Stefanskrone verbreitet. Sie betheiligen sich in hervorragender Weise an allen bürgerlichen Arbeiten. Interessant ist unter ihnen der „Hienze" und „Ilaidebauer" Westungarns. — Die spärliche Ergiebigkeit des dortigen Bodens, seine angeborne Beweglichkeit, die eigenthümlichen Erzeugnisse seiner Arbeit und die Nähe von Wien, Pressburg und anderen Städten macht beide zum wandernden Kleinhändler, Tagwerker, Fuhrmann und dergleichen. — Dem Wiener ist der „Vogelhändler" aus dem Heanzenland, wo der Vogelfang ein ergiebiges Geschäft bildet, eine wohlbekannte Persönlichkeit; in früherer Zeit ging der Hienze mit seinen gefiederten Sängern sogar bis nach Mailami und Turin. Und ebenso häufig sieht man in Niederösterreich den hienzischen Weinhändler, der seine leichteren Weine selbst verfrachtet, die sodann in der Mischung mit dem niederösterreichischen Landweine diesem den „süffigen" Geschmack geben. Das Wohnhaus des Hienzen besteht gewöhnlieh aus einem vorderen Gemach mit Küche, aus einer hinteren Stube mit Kammer, in Weingegenden nebenbei aus dem Presshaus und dem Stall. Vor der Thüre des Stalles ist die Düngergrube, in einiger Entfernung die Scheune, welche mit dem Wohnhaus einen rechten Winkel bildet. Hölzerne 1 läuser bestehen zwar Hie und da, werden aber mehr und mehr beseitigt, auch die Strohdächer machen den Schindel- und Ziegeldächern Platz. Einstöckige Häuser findet man in den hienzischen Ortschaften selten. Die innere Einrichtung des Hauses ist ziemlich einfach. In der Mitte des gewöhnlich gepflözten oder gedielten Wohnzimmers steht ein viereckiger Speisetisch mit Schublade, worin das Brod und Esszeug aufbewahrt wird, und an einer Wand auf Pflöcken oder einer Unterlage von Brettern die „G'wandt-ruhe". Die Ofenbank mit dem Ofenwinkel bilden die mit Vorliebe aufgesuchten Sitz- und Schlafstellen, doch giebt es ausserdem noch hochaufgerichtete Bettstellen mit einer grossen Fülle von Bettzeug! — Unter dem „Durchzuh" oder „Durzibam", der Zimmerdecke, werden „Stangeln" angebracht, um Ziscbmen und Feierkleider daran zu hängen; °berhalb des Tisches ist der „Schüssel- oder Tellerrahmen" angebracht, worauf das bessere Essgeschirr seinen Platz rmdet und worunter irdene Krüge, in der Reihe aufgehängt, s-ch befinden. Da der Hienze frugale Speisen liebt, so sind „Grundbirn" Kartoffel n , „Bohnl'n", zti gewissen Zeiten auch Sauerkraut und G'selchtes, und von Mehlspeisen der Topfenstrudel und ^ie „Zweckerln' sein Leibessen, — Er frühstückt Rahm oder Kinbrennsuppe mit Kartoffeln und isst vortreftliches weisses ^ eizenbrod, zu welchem am Vorabend vor dem Backen das »Lrhau, Sauerteig, eingerührt wird. Im Ganzen sind die Oesterreich-Ungarn. 4 I Uenzen ein nüchterner Volksstamm, der sich für gewöhnlich mit einem Trunk Wasser begnügt. Die Komassirung der kleinen Feldparcellen würde hier ebenso wohlthätig wirken, wie ehedem die Aufhebung des Zehents der Robotschuldigkeit und der ehemaligen Grundherrlichen Gerichtsbarkeit, wodurch in Ungarn erst die Anbahnung einer gedeihlichen Ackerwirthschaft ermöglicht worden ist. Die Tracht des Iiienzen besteht aus einem blauen kurzen Leibrock, ,,Janker". Das darunter getragene, in der Regel blaue „Wams", Weste, ist gerade so wie der Janker mit grossen, halbrunden Metallknöpfen besetzt, die an der Weste dicht untereinander stehen. Das Beinkleid, welches früher von Leder war, jetzt aber meistens aus Wollstoff gemacht wird, steckt bei den eigentlichen 1 Uenzen in hohen Stiefeln. Als Kopfbedeckung dient ein Filzhut mit runder Kappe und breiter Krampe. Der Haupterwerb des Iiienzen ist, wie wir schon früher ausgeführt haben. Viehzucht und Ackerbau. In den Waldgegenden betreibt der Hienze Kohlenbrennerei und in den Hügelgegenden und Niederungen, wo die Rebe gedeiht, den Weinbau. Gerne geht der Gebirgshienze zur Sommerzeit auch nach dem fruchtbaren Heideboden und hilft als Mäher oder Drescher seinem Nachbar, „Hadbauer", beim Einheimsen der Feldfrüchte. Zu diesem Zwecke wandert er oft auch weiter in's tiefere Ungarn oder nach Niederösterreich. Dadurch verdient er sich meistens fürs ganze Jahr seinen häuslichen Brod- und Mehlbedarf. Die Hienzen sind tüchtige Leute, es fehlt ihnen weder an schlagendem Mutterwitz noch an Treue, Arbeitsamkeit und Genügsamkeit, aber sie haben auch wieder ihre Schattenseiten, denn sie sind verschlagen, listig, misstrauisch, spottsüchtig, neidisch und übervortheilen gern andere Leute. — Ihre Mundart erinnert an das Altbairiscbe. Der grösste Theil der „Heidebauern", auch „Had- bauern" genannt, gehört dem schwäbischen Volksstamme an. — 1 )er I ladbauer ist kräftig gebaut. Er trägt am liebsten blaue Tuchklcider, welche aber gerade so wie bei Einern magyarischen und kroatischen Nachbarn mit Schnüren Verziert sind. Das Beinkleid steckt in ungarischen Csisehmen. * Die breite Krampe des Hutes ist auf einer Seite aufgestülpt. Die Frauen und Mädchen haben „Spenser", d. h. anliegende Jacken; die Frauen schwarze Hauben, die Mädchen schwarze Kopftücher. — Die äussere Erscheinung der Männer 'nit dem stattlichen Schnurrbart nähert sich dem magyarischen Schnitt. Doch ein paar Dörfer weisen die undeutsche Mode fioch zurück. — Die jungen Männer tragen geschorenes, die alten langes, in der Mitte gescheiteltes Hau. Auch sonst besitzt der „Hadbauer" in seiner Erscheinung manches Eigentümliche. — Er ist der Kosmopolit unter den westungarischen deutschen, fügt sich am leichtesten in die Verhältnisse und verträgt sich sehr gut mit den benachbarten Magyaren und *laven, eignet sich deren Sprache an, wodurch sein eigener deutscher Dialcct oft bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet Xyii'd, und hat den regsten Trieb zum Erwerb durch den Verkehr. Da er seinen Erwerb mit Vorliebe im Handel u. z„ „auf ^er Strasse" sucht, so benützt er den I Uenzen als 1 fülfsarbeiter 'u,f dem Felde. Er beschäftigt sich auch mit dem Weinbau l)rid führt seinen Kunden in Oesterreich den Wein selbst zu. lJa ist dann Fuhrmannschaft und Handclschaft vereint und das °chagt dem leichtlebigen I leidebauern am besten. Doch trotz-^etti ist der Heidebauer auf seinem fruchtbaren Boden ein Uchtiger Landwirth und lebt im allgemeinen in guten Verhältnissen. Das aus den Steinen des Leithagebirges massiv gebaute 'laus des Heidebauern kehrt stets die Giebelseite der Strasse 4iu- Das kleine Vorgärtchen ist mit Blumen bepflanzt, in deren chatten d ie lange Thürbank steht. Im inneren Hofe befindet 4* sich die Düngergrube. — Wohn- und Wirthschaftsräume liegen alle senkrecht von der Strasse ab in einer langen Flucht. Zu erst kommt die „Feierstube", welche nur bei Kindtaufen und festlichen Schmausen benützt wird, dann folgt die Küche und Wohnstube mit grossem Himmelbett und der behaglichen Mauerbank mit breiter Lehne. Als vor einigen Jahren die Dreschmaschinen in den Kreisen der Heidebauern bekannt wurden, vereinigten sich sehr bald die Seewinkler zu je zwei oder drei Dorfgemeinden und stellten . Dampfdreschmaschinen auf, während die deutschen und magyarischen Bauern auf der andern Sceseite sich höchstens bewegen Hessen, Handdreschmaschinen zu kaufen. — Unter den Hadebauern herrscht ein nur allzustark ausgeprägter Bauernstolz. Sie blicken mit Geringschätzung auf die jenseitigen Uferbewohner herab. Dieses Selbstbewusstsein macht sie streitlustig, ja händelsüchtig; Grenz- und Erbstreitigkeiten haben unter ihnen kein Ende. Die H e i d e b a u e r n stehen kulturell a u f v e r h ä 11-nj s s m ä s s i g günstiger Stufe, sie haben ein reges Bedürfniss zu lesen und es wird von ihnen sogar fleissig auf Zeitungen abonnirt. Ueberhaupt hat der Bauer in politischer Beziehung etwas von der grösseren Beweglichkeit der Magyar en gelernt und man findet bei diesen Deutschen des Wieselburger Comitats und des Seewinkels viel Frohsinn. Mit den Jahren haben die Deutschen des II e i d e b od e n s ihre Wohngebiete n o r d w ä r t s e r w e i t e r t, denn die Deutschen in der Schutt, dann in Pressburg und weiter gehören ethnographisch grössten-theils zu dem arbeitstüchtigen und lebensfrohen Schwabenvolke des Wieselburger Comitats. Die Schwaben im innern Ungarn zählen fast ausnahmslos zum schwäbischen Volksstamm und beschäftigen sich vorzugsweise mit Ackerbau und Viehzucht oder mit dem gewöhnlichen Handwerk. Diese Schwaben in „Baranya und Tolnau" sind ruhige, arbeitsame und ordentliche Leute, welche an Fleiss und Rührigkeit alle ihre anderssprachigen Nachbarn, auch die Magyaren, weit übertreffen, denn der Deutsche arbeitet schon mit Hacke oder Sense frühmorgens auf dem Felde, wenn der Ungar noch schläft und es kommt häufig vor, dass der Deutsche auch noch dem Ungar Getreide ausdrischt, während dieser behaglich aus der Pfeife dampft. — Der Ungar empfindet darüber aber keineswegs Gewissensbisse, im Gegentheil, sondern er tröstet sich mit dem charakteristischen magyarischen Sprichwort: „Unser Herrgott hat den Deutschen e r-Schäffen, damit er dem Magyaren diene!" 1 )anach sind natürlich auch die wirthschaftlichen Erfolge. Der Deutsche arbeitet mit Weib und Kind und kommt vorwärts, der Ungar bemüht sich nur stoss- und zeitweise, schont dabei seine Frauen, wird also mit seiner Arbeit ^ar nicht fertig oder zur Unzeit, oder er muss auch dazu fremde Hülfe beanspruchen. Um so leichter verfallt er deshalb den Wucherern und sein Gut gelangt unter den Flammer. Die Schwaben in Baranya und Tolnau sind Muster in Be-2üg auf Ordnung und Pünktlichkeit. Sie zeichnen sich aus durch Achtung und Gehorsam gegenüber den Gesetzen und besitzen viel Ehrgefühl. Den Acker- und Weinbau betreiben s,e mit Vorliebe, ebenso züchten sie vorzügliche Pferde. — Pie ursprünglichen deutschen Kolonieorte haben sich bei ihnen nicht nur erhalten und ihre Bevölkerung hat sich reichlich vermehrt, sondern es wurden na c h u n d n a c h V(->n diesen deutschen Bauern weitere Occupatio-ne n gern a cht. Fla upt sä ch 1 i ch haben diese Deutschen eine Anzahl einstiger serbischer Ortschaften besetzt, weil die dortige Bevölkerung dem kulturellen Vordringen und der Propagativkraft des deutschen Elements unterlag. Während bei den Deutschen nur eine Familie in emem 1 Iause ilaben die Serben das System der ,.1 laus- communionu. Die deutsche Einrichtung befördert unstreitig besser die Vermehrung der Bevölkerung; ausserdem wird durch die Selbstständigkeit der einzelnen Familie, diese auch zu grösserer Kraftanwendung, Arbeitsamkeit, Umsicht und Sorgfalt gezwungen, Verhältnisse, welche kulturelle Entwickelung hervorrufen; — Die Schwaben in cier Baranya verstehen häufig auch die ungarische Sprache und lieben ihr ungarisches Vaterland. Ihre Kleidung ist von der ihrer serbischen und magyarischen Nachbarn verschieden. Im Sommer tragen die Männer enge Leinenhosen, an Sonn- und Feiertagen aber blaue Tuchkleider. Mit Vorliebe bedienen sie sich im Winter und zur Regenzeit der Ilolzschuhe, welche in dem sumpfigen Boden vorzügliche Dienste leisten. — Auch die Nahrung ist bei ihnen reichlicher als bei Magyaren und Serben. Sie gemessen öfter Fleisch als diese und hauptsächlich während der schweren Sommerarbeit nehmen sie kräftige Speisen zu sich. 1 >ie nordungarischen Deutschen sind grösstenteils sächsischen und mitteldeutschen Volksstammes. Parteihader. Bürgerkriege, religiöse Verfolgung und innerer Zwiespalt untergruben ihren Wohlstand, vernichteten die sociale und politische Bedeutung ihrer Städte. Sie sanken und verfielen, mit ihnen gerieth auch das Deutschthum auf abschüssige Balm, daher konnte die Slavisirung um sich greifen, welcher zahlreiche deutsche Ortschaften unterlagen. Diese Entnationali-sirung der nordungarischen Städte hat bis heute nicht aufgehört, das Gegengewicht, welches man an einzelnen Orten der Slavisirung entgegenstellte, erweist sich als kaum wirksam, weil in Nordungarn auch die Magyaren dem slavisiren-den Einfluss unterworfen sind. — In der neuesten Zeit machen jedoch einige verständige Deutsche den Versuch, das Volksthum dieser Deutschen zu retten, zu erhalten und fortzubilden. Daher ist das nordwestliche und nördliche Ungarn heute in ethnographischer Beziehung ein Trümmerhaufen deut- sehen Volksthums; aus der slovakisch ruthenischen Masse ragen nur einzelne deutsche Orte und Sprachinseln als Reste der einst hier vorherrschenden Deutschen hervor. Hier dominirt also jetzt das „Slovakenthum", nur die Namen der Familien und Güter, die Bauart der Häuser, die Anlage der Städte, einzelne spärliche Erinnerungen und Reste in Sprache, Brauch und Gewohnheit sind deutsch; am leisten hiervon hat sich in der Stadt Kremnitz erhalten. In den Comitaten Barsch, Neitra und Thurocz, wohnen ln drei Gruppen und einigen kleineren Inseln auch Deutsche mitten unter Slovaken. Es sind die spärlichen Reste einer ehedem dichten und weitverbreiteten deutschen Bevölkerung, eines untergegangenen Volksstammes und auch das Vorhandene erscheint kaum lebensfähig. Die Hauptgruppe dieser Deutschen liegt um Kremnitz in den oberen Theilen des Barscher und Neitraer Comitats und besteht aus dem Städtchen „Krickerhäu" u. a. Orten. Die zweite Gruppe lst im nördlichsten Theile des Neitraer Comitats und die dritte und kleinste Gruppe, wo nur wenige Spuren des einstigen Deutschthums vorhanden sind, in der Thuröczer Gespannschaft. Die meisten dieser Orte waren ursprünglich ,,Häue" (Aushaue ]m Walde), also mit theilweiser Aushauung des Waldes verbundene Ansiedelungen. Diese Niederlassungen in gebirgigen, steinichten Waldungen wurden begründet, als das offene Land bereits bevölkert war. Die Deutschen, „Krickerhäuser" genannt, welche hier wohnen, heissen bei den Slovaken spottweise auch „Hauderburzen", €ln Name,, der sich von dem Handel mit Heilkräutern erklärt, denn die „Münnichwieser" zogen wie die schlesischen »»Aberauten" bis vor Kurzem noch als fahrende Heilkünstler weit im Auslande herum. — Auf solchen Hausirhandel ist der ungarische Häudörfler grösstentheils angewiesen, weil seine Heimath ein unfruchtbares, armes Gebiet ist. Auch die Stadt „Krickerhäu" besteht nur aus einzelstehenden, stock- hohen Blockhäusern, welche im Walde zerstreut liegen. Ebenso wie dieser Ort sind auch die übrigen Häudörfer erbaut, und darin lebt ein verwahrlostes Volk auf die kümmerlichste Weise. — Die Aecker sind meist auf Anhöhen angelegt, wenig ergiebig und ausserordentlich schwer zu bebauen. Die Erde mušs mm Thcil in Butten hinauf getragen werden, häufig kommt ein Wolkenbruch und schwemmt die Erde sammt Kartoffeln und allem anderen Anbau wieder fort. Die Weiber müssen den Pflug ziehen. — Den Eleischgenuss kennen sie beinahe nur dem Namen nach und selbst die Hühner und Eier ihres Hofes essen sie nicht, sondern tragen sie aus Armuth auf den Markt. Die Männer gehen während des Sommers als Hausirer ins Ausland und überlassen während dieser Zeit den Weibern die Wirthschaft. Diese Armuth, ihre Vereinzelung mitten unter fremden Yolkselementen und die Verwahrlosung, welche ihre Sprache in Schule und Kirche erfährt, haben die meisten Hau-dörfler in einen halbwilden Zustand versetzt. Trotz dem findet man bei ihnen vielfach geistige Begabung, Talent zur Selbstverwaltung, welches sich in ihrem Gemeindeleben zeigt, ausserordentlichen Eleiss, Besonnenheit und Biederkeit. Von der Entnationalisirung haben die ,,I läudörfler". wie wir bereits mehrmals ausgeführt haben, besonders aber die Münnich-wieser ausserordentlich viel zu leiden, denn seit Jahrzehnten wurden diese gezwungen, ihre Kinder in slavische Schulen zu schicken. Der Unterricht hatte aber für sie keinen Erfolg, weil nur die Männer slovakisch lernen, während die Mädchen höchstens die slavische Beichtformel und slavische Gebete, die sie nicht verstehen, erlernen. Trotzdem verkehrt der Pfarrer mit ihnen nur slavisch, betet und predigt nur slavisch. Natürlich ist die P"olge davon eine gänzliche Verwilderung in allen religiösen sittlichen Begriffen. Sie sind zwar noch immer treu, gutmüthig und grundehrlich, aber ihr ganzes Wesen macht den Eindruck eines auf der Kindheitsstufe zurückge- bliebenen Stammes. Vor städtisch gekleideten Menschen fallen sie, wenn sie etwas zu bitten haben, auf die Kniee, streicheln dem Betreffenden die Wangen, Wollen ihn küssen u. dergl. Dabei besteht unter den Münnichwiesern in geschlechtlicher Beziehung eine Ranz unglaubliche Naivität unter den Weibern, die eben nur aus der gänzlichen Verwahrlosung der Volkserziehung zu erklären ist, da doch bei den Krickehäuern in Bezug auf Keuschheit eine selten dastehende Reinheit der Sitten herrscht. Wenn man die Münnichwieser in ihrer ursprünglichen Kleidung von braunem Kotzentuch betrachtet, in der sie wie „Samojeden" aussehen, und ihr sonstiges Benehmensieht, so glaubt man gar nicht, das s es Deutsche sind! Auch am südlichen Abhänge des höchsten Gebirgsstockes der Karpathen, in der „Zips", wohnt seit sieben Jahrhunderten ein deutscher Volksstamm. Es ist ein Gebiet, reich an pittoresken und wildromantischen Parthien, denn vom Hochplateau der Zips erhebt sich die Gebirgsinsel der hohen Tatra in schwindelerregender Steilheit bis über 8000 Fuss. Die Art der Naturprodukte wies die Bewohner mit Notwendigkeit auf die Pflege industrieller Beschäftigungen hin. Der Zipser wurde zum vortrefflichen Gewerbemann. Doch von den Bewohnern des heutigen Zipser Comitats sind nur tingefähr 35 Procent Deutsche, die Majorität gehört dem Slaventhum, besonders den Slovaken an. Einzelne Männer unter den Zipser Detitschen bemühen sich aber jetzt, dem Verfall und Verschwinden ihres Stammes Einhalt zu tlum. Sie gründeten Gesellschaften und Vereine zur Hebung des materiellen Wohles, die industriellen und merkantilen Unten: nmungen mehren sich und arbeiten der gänzlichen Verarmung des Volkes entgegen. Ausserdem finden die Zipser in neuerer Zeit eine reichliche Einnahmequelle an den zahlreichen Fremden und Touristen, welche alljährlich im Sommer in ihre schöne Gegend kommen. Die Zipser Deutschen haben blaue Augen, blonde Haare, im allgemeinen eine mittelgrosse, kräftige Figur und erreichen sehr oft ein hohes Alter, denn die Jugend wird frühzeitig gegen alle Strapazen und Wettereinflüsse abgehärtet. Sie sind redlich, ehrlich, fleissig, geschickt, sparsam und nicht kopfhängerisch religiös, doch huldigen sie gerne einem „blossen Vernunftsglauben", werden in Gemüthsdingen etwas sentimental und verrathen in Umgang und Ansichten einen kleinbürgerlichen, verschüchterten Sinn. Nichtsdestoweniger liebt der Zipser die Gesellschaft, übt gerne Gastfreundschaft und pflegt gute Nachbarschaft. — Bei ihnen findet man artigen Witz, Neugierde, Fröhlichkeit, Talent und Neigung zum Studiren. Sie haben dem ungarischen Vaterland eine stattliche Reihe tüchtiger Männer geliefert. Die Sprache der deutschen Zipser ist nicht gleichmässig, sondern selbst in den Marken dieses kleinen Ländchens giebt es unter ihnen verschiedene Dialekte. — Als Getränk liebt der Zipser den Wein, doch auf Kleiderputz und sonstigen Tand legt er keinen Werth. Sowohl Männer wie Weiber tragen halbstädtische Kleider, und ihre früheren Gebräuche haben sie gerade so wie ihre einstige Y olkstracht abgelegt. Die oberungarischen Bergstädte, zu welchen ausser der Zipser Stadt Neudorf noch die Gründer-Orte Stooss u. s. w. gehören, umfassen hauptsächlich Montangebiete und werden ebenfalls von Deutschen bewohnt, welche sich in ihrer Sprache den Krickehauern nähern und „Gründner" genannt werden. Zur Verwandschaft der „Gründuer" gehören auch die Deutschen in dem hämmerreichen, gewerkthätigen „Gömörer Comitate". Die übrigen zerstreuten Spuren des Deutschthums in den nordöstlichen und östlichen Comitaten müssen wir aus Mangel an Raum weglassen, und wollen wir noch von der im vorigen Jahrhundert begründeten schwäbischen Ansiedlung auf den gräflich Schönborn'schen Gütern in der Nähe von Munkacs sprechen. Diese Leute leben in sieben Dörfern auf einem landwirtschaftlich schönem und ausgedehntem Gebiete. Ihre Häuser, obwohl grösser und fester gebaut, haben doch die ruthenische Grundform angenommen. Tritt man durch die I hür, so gelangt man in einen Mittelraum, welcher von dem Backofen und allerlei Haus- und Ackergeräthe angefüllt wird. Links befindet sich die Wohn- und Schlafstube, rechts die »Gastkammer" mit aufgetürmten Betten und Leinwandvor-räthen, bei den Reicheren wird sie auch von einem Sopha geschmückt. Das Korn verwahrt man auf dem Boden in grossen Kübeln. Mehrere niedrige Scheunen, Schuppen und Stallungen umgeben den Hof. Niemals fehlt unter dem einstöckigen Hause der Keller mit dem grossen Fass Slibowitz, welcher aus den zahlreich gebauten Zwetschen gewonnen wird. Viele Bauern bauen auch guten Wein auf den sonnigen Hügeln. Ihre kleinen Kirchen sind öfter im hübschen Rundstil aufgeführt. — Sie sind sehr fleissig und ordentlich. — Auf Besuch der Schule vom 6. bis zum 12. Jahre während acht Monate jährlich wird strenge gehalten. Bei ihnen hat sich das Deutschthum noch vollkommen bewahrt, trotzdem Nachmittags in ihrer Schub-alles auf ungarisch gelehrt wird, denn sie sind zti stolz und fühlen sich an Wohlstand und Gesittung zu hoch über den gewöhnlichen ungarischen Bauer. — Die meisten von ihnen besitzen zwei Pferde oder Zugochsen und sie nehmen gern von ärmeren Bürgern in Munkacs Felder auf halben Ertrag an. Die deutsch-ungarischen Bauern bei Munkacs halten fest zusammen! Daher gelingt es ihnen, von Jahr zu Jahr ihre Keile in die anstossenden Ruthenendörfer tiefer und breiter einzutreiben. Dort erwerben sie ein Bauerngut nach dem andern, lassen aber selbst keinen Fremden ein, dulden auch ausser Schenkwirten keine Juden. Folgendes möge als Beispiel ihres festen Zusammenhalts unter einander dienen: Vor einigen Jahren brannten in OberschÖn- 60 (lesterreich-UögBiii. born fünf Häuser nieder. Den nächsten Sonntag nach dieser traurigen Begebenheit predigte der Pfarrer von der Kanzel: „Was thun die Ameisen, wenn ihre Wohnung zerstört wird ?" Dies war hinreichend, um die Gemeinde zu veranlassen, schon am Montag den gemeinschaftlichen Beschluss zu fassen, mit gesammter Hand die Häuser wieder aufzubauen. — In zwei Monaten standen dieselben fertig da, mit Ziegeln gedeckt, hübsch geweisst und verziert. Auch die umwohnenden Deutschen hatten zum grössten Theil ganz umsonst mitgeholfen. — Im „Banat" bewohnen die Deutschen hauptsächlich, wie wir wissen, die grossen Flächen und Hügellandschaften im Torontaler und Temeser Comitate, insbesondere in den nördlicheren Theilen derselben, doch begegnet man auch innerhalb der Gebirge bedeutenden deutschen Sprachinseln, besonders im Bereiche der Banater Bergwerke, im Montandistrikt von „Orawitza". Die Banater Deutschen leben theils in reindeutschen Ortschaften, theils in gemischten, welch' letztere abermals von zweierlei Art sind. Entweder wurden die Einwanderer gleich ursprünglich in serbische oder rumänische Orte angesiedelt, oder die bereits angesiedelten Deutschen okkupirten allmählich das Terrain in den benachbart fremden Gemeinden, wodurch diese einer allmählichen Germanisirung unterworfen wurden. Heutzutage bestehen im Torontaler Comitate allein über 60 reindeutsche Marktflecken und Dörfer. Die reichsten, schönsten deutschen Dörfer im Banate liegen im nördlichen Theile des Torontaler Comitats auf der sogenannten „Haide", „Had". Das dortige deutsche Dorf hat eine breite Hauptstrasse, welche zu beiden Seiten mit Abzugsgräben eingefasst ist und von den Häusern durch eine doppelte, schattige Baumreihe getrennt wird. Diese Hauptstrasse durchschneidet das Dorf in gerader Linie; in ihrer Mitte wird sie meistens von einer ebenso breiten Querstrasse gekreuzt. Das Viereck, welches diese Kreuzung im Centrum bildet, ist der Platz, wo sich Kirche, Schule, Pfarre, Gemeinde- und Wirthshaus befinden, und hier konzentrirt sich das gesammte öffentliche Leben der Gemeinde. Die übrigen Seiten- und Quergassen sind in der Regel nur halb so breit, als die Hauptstrasse. An den Durchschnittspunkten steht entweder ein Radbrunnen oder ein Kreuz. In diesen Nebengassen sind die Häuser ebenfalls von schattigen Bäumen umgeben. — Die Giebelseite der Häuser sind der Strasse zugewendet, und diese Seite hat meistens nur 2—3 Fenster, welche grüne Läden oder Jalousien schliessen. Die weissgetünchten Giebelwände sind am unteren Rande mit farbigen Streifen geziert und laufen entweder oben in eine Spitze zusammen, welche hier und da abgerundet ist und eine farbige Kugel trägt, oder die Giebelwand hat einen Holzrahmen, dessen beide zusammentreffenden Enden die altdeutschen Pferdeköpfe als Schnitzwerk zeigen. In neuester Zeit findet man jedoch immer mehr die Giebeln mit Feuermauern und anstatt der Bedachung mit Roggenstroh oder Schindeln die feuersicheren Ziegeldächer. Die Langseite des Bauernhauses ist dem Hofraume zugewendet; in diesen gelangt man von der Strasse durch eine Gassenthür, zu der meist einige Stufen führen, oder durch das Hofthor, welches jedoch in der Arbeitszeit gewöhnlich gesperrt ist. Den Hof schliesst ein Zaun von Brettern oder Ziegeln nach der Strasse und nach den Nachbarn ab. Von der Gassenthür kommt man in eine höher gelegene, überdachte Hausflur und von da in die geraumige Küche mit dem riesigen Kochherde und de» blankgescheuerten FIolz-, Thon- und Kupfergeschirren. Aus der Küche führt eine Thür in die der Strasse zugelegene „Stube", welche zum Empfang der Fremden und zur Bewirthung der Gäste dient. Hier stehen zu beiden Seiten hoch aufge-thürmte Betten, vor denen blau angestrichene und rothblumige Sitzbänke sich befinden. Zwischen diesen finden wir einen Tisch in gleicher Farbe, daneben ein Schubladekasten und über demselben den „Altar*, eine Zusammenstellung eingerahmter Heiligenbilder mit einer Lampe davor, welche bei Fest- und Gedenktagen angezündet wird. — Ausser dieser innern Einrichtung der stets reinlich gehaltenen Stube, deren Fenster von sauberen Gardinen eingefasst sind und deren Boden gedielt ist, giebt es dann noch hohe Schränke, farbige Gewandtruhen und hier und da auch schon feineres Meuble-ment; z. B. Divans, gepolsterte Stühle, polirte Kästen, ferner Kleiderrechen für den Sonntagsstaat der Bäuerin, sowie ein Gestell für das bessere Kssgeschirr. Doch fehlt in dieser Stube meistens der Ofen, weil sie höchst selten benützt wird. Gegenüber auf der anderen Seite der Küche liegt die Kammer, die eigentliche Wohn- und Schlafstube, welche viel einfacher ausgestattet ist; an diese schliesst sich dann gewöhnlich noch eine Schlafstelle oder eine Vorrathskammer und dann folgt der Pferdestall, den der Banater Deutsche am liebsten in seiner Nähe hat. — Im Stalle schläft der walachische Knecht und oft auch der erwachsene älteste Sohn vom Hause. — An den Pferdestall reiht sich der Stall für die Kühe und Ochsen. Auf der anderen Hofseite befindet sich der Schweinskoben, die Schütthäuser für den Mais, der Geflügel- und der Hundestall, während der Ziehbrunnen in der Mitte des Hofes steht. — Auf den meisten Bauernhöfen sehen wir auch noch ein kleineres Wohnhaus, das in der Regel nur aus einem Zimmer, einer Küche und einer kleinen Vorrathskammer besteht, und unmittelbar an der Strasse liegt. Das ist das „Ausbehalthäuschen"; hierher zieht sich der alte Hauer zurück, wenn er dem erwachsenen, verheiratheten Erstgebornen die Wirthschaft übergeben hat. — Ein Gitterzaun trennt den Vorderhof von dem Wirthschaftshof. Hier hat das Geflügel seinen gewöhnlichen Aufenthalt, hier wird im Juli in riesigen „Feimen", Tristen, die hereingeführte Ernte auf-gethürmt, welche dann auf der glattgestampften Tenne entweder durch die Pferde ausgetreten oder seit neuester Zeit durch die Dreschmaschine ausgedroschen wird. Das Stroh bleibt dann als FeuerungS- und Streu-Material hoch aufgerichtet im Hofe liegen. An diesen Hof reiht sich der Hausgarten, in welchem sich ausser den gewöhnlichen Gemüsen nur noch einige Obstbäume befinden, denn der Gartenbau wird von den deutschen Bauern im Banat gewöhnlich vernachlässigt, weil sie ihre gesammten Arbeitskräfte der ausgedehnten Ackerwirthsehaft zuwenden müssen. Der Banater Deutsche ist ein kräftiger, ausdauernder Menschenschlag von mittlerer Grösse und untersetzter Gestalt. Er geniesst reichliche Kost, lebt regelmässig, kleidet sich anständig, wird mit den Jahren korpulent und sieht dann recht behäbig aus. Sein Gesicht ist stets glatt rasirt, nur der Ortsrichter oder „Schulz" trägt während der Dauer seines Amtes einen Schnurrbart, den er aber wieder abnimmt, sobald er den Stock mit dem silbernen Knopf, das Zeichen seiner Amtswürde, wieder abgiebt. Die BanaterDeutschen haben i h r e f r ü h e r e K1 e i d e r-tracht mit einer halb ungarischen vertauscht. Ihr Anzug ist an vielen Orten verschnürt, aus dunkelstem Tuche, und die Weste ziert eine dichte Reihe runder Stahlknöpfe. — Im Winter hüllt sich der Deutsche in eine pelzgefütterte Jacke, oder er nimmt einen Schafpelz um, welcher dann auf der Aussenseite mit dunklem Tuch überzogen ist, — Bei der schweren Feldarbeit im Sommer trägt er aber gewöhnlich nur weite Linnenhosen, wie der Magyar, ein gleiches 1 Iemd, und an den Füssen weisse Socken in Lederpantoffeln. Die Frauen und Mädchen, oder „Weibsvolk", oder „Weibsmensch", wie man sie dort nennt, haben ihre eigenthümliehe Tracht mehr bewahrt. Die Mädchen und jungen Weiber kleiden sich in kurze weitfaltige Röcke aus Zitz von helleren Farben, über welche eine breite Schürze gebunden wird. Den Oberleib umhüllt im Sommer ein feines Linnenhemd, ein schwarzes Seiden- leibchen und ein über die Brust gefaltetes Seidentuch, in der kälteren Jahreszeit aber eine warme Tuchjacke. Um den I lals haben sie ein schwarzes Seidenband mit einem silbernen oder goldenen Kreuze. — Das Haar wird bei den Mädchen nach rückwärts gestrichen, in einen Zopf geflochten und dieser dann durch einen Kamm oben am Scheitel befestigt. Die Weiber tragen den Kopf stets mit einem leichten Tuche bedeckt, u. z. ist es bei den älteren Weibern weiss, bei den jüngeren aber aus schwarzer Seide. In manchen dortigen deutschen Ortschaften wird auch ein weisses Kopftuch als Zeichen der Trauer getragen. Während der Sommerarbeit setzt aber das Mädchen und die Frau einen breitkrämpigen. gewöhnlich selbstgemachten Strohhut auf. — Die Füsse stecken in ausgeschnittenen Schuhen und blauen Strümpfen mit hohen Zwickeln. — Als eigentlichen Schmuck hat das Mädchen nur silberne Ohrgehänge, nach der Verheirathung aber den Ehering. — Im allgemeinen kennt der Banater Deutsche keinen Kleiderluxus, obgleich die reichen „Hadbauern" auch dafür, insbesondere für die Feinheit des Kleiderstoffes, dann für Taschenuhren, Ketten u. s. w. gerne Manches ,,aufgehen" lassen. Der Banater Deutsche ist durchaus praktisch, fleissig und tüchtig, ein vortrefflicher Rechner, grosser Egoist und Sparmeister, aber voll Misstrauen gegen die „1 ferrischen". Sein Ideal bildet der Besitz von Grund und Boden. Je mehr Ackerland, desto höher seine Befriedigung!! — Darum pachtet er meist zu seinem Eigenthum noch Felder von dem benachbarten Serben und Rumänen, wobei dann aus dem Pächter häufig ein Eigenthümer wird. — Er liebt eine ausgiebige Kost und isst jeden Tag Rind-, Schweine- oder Hühnerfleisch. In den wohlhabenderen Baucrnfamilien giebt es täglich vier Mahlzeiten u. z. eine Stunde nach Beginn der Früharbeit kaltes Frühstück, bestehend in Brot. Fleisch und Käse; zu Mittag ein Mahl aus gekochten Speisen; um vier Uhr Vesperbrot, Brot mit Milch oder Speck mit Zwiebeln; und Abends wieder gekochtes Nachtmahl. Daher giebt es auch in jedem Orte einen Fleischer, während in walachischen und serbischen Ortschaften gewöhnlich nur an Sonn- und Feiertagen frisches Rindfleisch zu haben ist. Von Mehlspeisen isst der Banater Deutsche mit Vorliebe geschmalzte Nudeln, Nockerln, Klösse, Pfannkuchen, und an Festtagen den „Kranzkuchen", einen ringförmigen Kuchen aus Hefenteig oder den „Kugelhupf". — Das Brot ist reines Weizenbrot; für die Knechte und Arbeiter wird Schwarzbrot gebacken. Bei Tische wird gewöhnlich Wasser oder ein leichter Landwein, eigener Fech-sung, getrunken, und nur als Frühstück nimmt man einen Schluck selbsterzeugten Korn- oder Trebcrbranntwein, der Vormittags auch den Gästen vorgesetzt wird. Der Banater Deutsche ist gastfreundlich, wenn ihm der Besuch nicht zu zahlreich und zu oft kommt, denn er sagt : „viel Gäste, viel Ehr", dabei thut er dann gern gross, denn da er eitel und prahlsüchtig, so ist es ihm darum zu thun, dass man seinen Wohlstand erkennt und preist. —Doch bewahrt ihn ein gesunder Egoismus stets vor dem Selbstvergessen und dem Verfall seiner Familie sowie seines Volksthums. P> hat täglich nur zu drastisch die Folgen der Verschwendung, der Trägheit und der energielosen Nachgiebigkeit an seinen rumänischen und theilweise auch an seinen serbischen Nachbarn vor Augen, sieht, wie sie wirthschaftlich immer tiefer sinken. — Obwohl die Ehen bei ihnen im Allgemeinen glücklich sind, mehren sich doch auch schon die „getrennten" und „wilden" Ehen. Die Bäuerin kann in der Regel nur Deutsch, der Bauer lernt wohl auch die rumänische, seltener die serbische oder ungarische Sprache und es ist gewiss charakteristisch, dass in Orten, wo Deutsche und Serben gemischt wohnen, beide T heile in rumänischer Sprache verkehren. — Der südungarische Schwabe erfreut sich grosser Fruchtbarkeit, sieben bis acht und mehr Kinder im Hause ist gar Oesterreich-Ungarn. 5 nichts seltenes, leider hat aber die Diphteritis in den letzten Jahren mörderisch unter den Kindern gewüthet und deren Zahl erheblich gemindert. Bis zum 12. Jahre besuchen die Kinder die guten Dorfschulen, so dass es in den deutschen Dörfern nur sehr wenige Analphabeten giebt — Bis zum 22 Lebensjahre hilft der Bauernbursche seinen „Eltern" in der Wirtschaft, dann wird er selbststiindig und bekommt von seinem Vater den auf ihn entfallenden Antheil aus dem Familien* gut heraus, mit der Verpflichtung, seinen ..Eltern" davon jahrlich ein bestimmtes Quantum Getreide als „Ausgedinge" zu geben. — Der älteste Sohn erhält das eigentliche Stamm- oder Bauerngut; die übrigen, in gleichen Theilen, die zugekauften Güter. — Häufig kommt es auch vor, dass der Sohn, welcher das väterliche Gut übernimmt, seinen Geschwistern bestimmte Beträge ..herauszuzahlen"' hat. Das ist namentlich dann der Fall, wenn ein Sohn irgend ein Handwerk erlernt hat, oder „aufs Studieren'" gegangen ist. — Ebenso erhalten die Töchter ihre Mitgift zumeist in Geld und fahrender Habe. Nicht gerne zerstückelt der deutsche Bauer seinen Besitz, denn er weiss zu gut, dass dies Zum Ruine seines Geschlechts führen würde. — Um daher dieser Gefahr vorzubeugen, hat er einen vortrefflichen Ausweg; er nimmt in den benachbarten rumänischen oder serbischen Ortschaften für seine nachgeborenen Söhne, das „Jungvolk", Grundstücke in Pacht oder kauft sie, und diese siedeln dann als neue Ableger in die fremde Ortschaft. Da dies System schon seit vielen Jahren mit bc-wundernswerther Ausdauer fortgeführt wird, so haben die Deutschen im Banat schon eine grosse Anzahl vordem rein rumänischer oder serbischer Ortschaften gänzlich oder doch grösstenteils „germanisirt!" — Was von fremden Volks-hdementen noch lebensfähig ist, leistet einige Zeit Widerstand, besonders der Serbe weicht nur langsam und kämpfend den Deutschen, aber der Ausgang ist in keinem Falle zweifelhaft — Her gcrmanisirte Rumäne schliesst sich gerne dem Deutschen an, heirathet wohl auch eine arme deutsche Dienstmagd tind wird zum Stifter deutscher Familien. — In der Kegel hat der Deutsche blos rumänische Knechte, denn nur hier und da geht der deutsche Bauernsohn als Knecht in eine befreundete Familie. — Die Bäuerin wirtschaftet grösstenteils ohne Dienstmagd. In der ersten Zeit der Ehe lebt noch zumeist die Schwiegermutter, welche dem jungen Weibe an die Hand geht, später sind die eigenen Töchter zur 1 lülfe. — Ist aber die Wirtschaft gross, dann nimmt man eine verarmte Base, eine Waise u. dgl. ins Haus. — Die Bauerntochter tritt nie in den Dienst, und nur zum Pfarrer und Lehrer geben die Bäuerinnen gern ihre Töchter auf einige Zeit, damit sie dort von der Frau Wirtschafterin (Haushälterin) des Planers oder von der Frau Lehrerin das Kochen erlernen. — 1 )ie vorzeitige Lebergabe des Familiengutes an den herangewachsenen Sohn hat jedoch leider manche üble Folgen, denn es kommt sehr häufig vor, dass die Alten von den Jungen schlecht behandelt und in ihrem Ausgedinge verkürzt werden, wodurch es vielfach unangenehmen Streit und Hader giebt, der beiden Parteien das Leben verbittert und zu den heftigsten Scenen zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter führt. — Der Deutsche hat grosses Interesse für seine Gemeindeangelegenheiten, in welcher der Pfarrer, der Richter, der Notar und der Lehrer die Hauptrolle spielen. Leider aber kommt es häufig vor, dass sich die weltliche und kirchliche Gen-alt nicht miteinander vertragen und dann giebt es zwischen letzterer und der Gemeinde viel Streit. — Im Zomborer Kreise liegt vereinzelt das serbisch-deutsche „Sandar." Auch jenseits der Donau, in Syrmien, finden wir, nebst kleineren, mit deutscher Bevölkerung gemischten Punkten, das serbisch-deutsche „Ruma", die gleichartige grössere Gruppe von „India und Putiucze", die serbisch-deutschen Orte „Csalma 5* und Banostor" und das serbisch-deutsch-magyarische „Erdevik". — Das Deutschthum hat in der Bäcska in nationaler Hinsicht eine schwierigere Stellung als im Banat, denn die Bacser Deutschen leben in zerstreut liegenden Orten, sind mehr von anderen Nationalitäten unterbrochen oder wohnen in gemischtsprachigen Orten. — Sie gleichen in der Art ihrer Wohnung, in ihren Sitten, Gebräuchen und anderen Kigenthümlichkeiten fast vollkommen den Banater Deutschen, mit denen sie die gleiche Abstammung haben. Unter „ K r o a t e n " im „engeren Sinne" versteht man die heutigen Bewohner Kroatiens und Slavonicns. Im „weiteren" Sinne aber auch die Dalmatiner, die slavischen Bewohner Islricns, einen grossen Theil der Bevölkerung Bosniens und der I Icrzcgowina, sowie der slavischen Bewohner Südungarns, namentlich der Gegend diesseits der Donau. Von dieser kompakten Volksmasse getrennt giebt es auch noch kroatische Ansiedelungen an der Leitha, in Unterösterreich und im Znaimerbezirk in Mähren, welche gewöhnlich unter dem Namen „Wasserkroaten" bekannt sind. Die Kroaten, einschliesslich Dalmatiner und Bosnier, werden im grossen Ganzen nach den Hauptmundarten in „drei Hauptstämme" eingetheilt: den „Kaj-kavac", „Cakavac" und „Stokavac." Als Basis dieser Dreitheilung wird das Fragewort „was" angenommen, für welches bei dem einen die Form „kaj", bei dem anderen „ca", und bei dem dritten „sto", die übliche ist. — Die sprachlichen Unterschiede zwischen Slovenen und Kroaten sind sehr gering. Die im Agramer, Kreutzer und Warasdiner Comitat lebenden Kroaten sind mittelgross, eher klein, und haben eine gebräunte Gesichtsfarbe. — Thre Augen sind meistens helle und ihre Haare blond, welche bei den Männern kurz geschoren, bei den Frauen geflochten werden. — Sie tragen keinen Schnurrbart, während sonst ein wohlgepflegter Schnurrbart nebst glattrasirtem Kinn bei den Kroaten stereotyp ist. — Die Mädchen sind bei ihnen bildschön, schlank und zart ge- ■ baut, verblühen aber sehr schnell. — Diese Kroaten zeichnen sich aus durch Gemüthlichkeit, Zugänglichkeit, Witz, Humor, Aufrichtigkeit und vielfache Geistesgaben. Der unmittelbar am Meer sesshafte Küstenländer, welcher zum grossen Theil die schönste Zeit seines Lebens an Bord des Schiffes zubringt, ist mehr gedrängten Körperbaues, sein dunkles, oft krauses Kopfhaar ist kurz geschnitten, sein brünettes Gesicht aber nach Matrosenart von einem schwachen Backenbart umrahmt, wobei der kroatische Schnurrbart nur den wirklichen Matrosen fehlt. — Die Frauen sind schlank, häufig schmächtig und blass, haben dunkle Haare und dunkle, feurige Augen, wie die Männer. In den unmittelbar von der Küste aufsteigenden Gebirgsgegenden ist der Menschenschlag allmählich grösser und kräftiger, bis er sich in der „Lika" zu einem wahren Riesenge-Schlecht ausbildet. — Von allen Kroaten sind diese die nüchternsten und fleissigsten. Mit unglaublicher -Wsdauer haben sie dem felsigen Lande durch Entfernung von Steinen hier und da eine Spanne fruchtbaren Bodens abgerungen, auf dem sie einige Feigen- und ^Hvenbäume, Reben und Kukuruz pflanzen. Die durch diese ^eldwirthschaft gewonnenen Produkte reichen aber nicht hin, urn selbst nur ein kärgliches Dasein zu fristen. Die Leute sind daher gezwungen, sich nach anderer Händearbeit umzusehen. Während sich die einen in kräftigen Jahren den Gefahren und Beschwerden des Seelebens hingeben, verlassen die anderen irn ersten Frühjahr Weib und Kind, um in den entferntesten Provinzen als Steinhauer, Strassenbauer und Maurer Verdienst **< Stichen und dann im kommenden Herbst mit dem mühsam errungenen Lohn zu den Ihren wieder zurückzukehren. — Die Hauptnahrung des von der Natur so stiefmütterlich bedachten ^•u-stenländers besteht aus trockener „Polenta", einem dicken wasserbrei aus Maismehl, neben welcher, ausser gedörrten Fei; sen, Oliven und in Oel gebackenen Paschen an I^eiertagen, Jahr ein Jahr aus kein anderes Gericht auf den Tisch kommt. Trotzdem ist das Volk kräftig und gesund. Es hält unerschütterlich am Altherkömmlichen fest und hängt mit Leib und Seele an seiner felsigen Heimath. Der dritte Stammesbruder der Kroaten, der „Stokavac", bewohnt nicht nur vorherrschend ganz Bosnien, die Herzegowina und einen grossen Theil Dalmatiens, sondern er nimmt auch in dem Königreiche Kroatien und Slavonien einen viel grösseren Raum ein, als seine eben besprochenen Stammesbrüder. Bei der grossen Ausdehnung der Wohnorte der Stokavacen, die wir bald in unübersehbaren Ebenen, bald in geschlossenen Bergthälem linden, sind die Stokavacen natürlich auch sehr verschieden untereinander. So hat der „Stokavac" hier einen gedrängten Körperbau, dort wieder einen hohen und kräftigen. Das gewöhnlich rabenschwarze Haar ist oft wellenförmig gelockt, die Augen sind schwarz, und häufig scharf durchdringend. Der Schnurrbart stark und herabhängend. Das gebräunte Gesicht hat markirte Züge und erinnert nicht selten an den Orientalen. — Obwohl wir im allgemeinen schönere Gestalten unter den Männern als unter den Frauen finden, so giebt es doch auch unter diesen manch' auffallende Schönheiten, namentlich ist die untere „Savegegend" durch Frauenschönheiten berühmt. — Der gemessene Gang entspricht ganz dem ernsten Charakter des Stokavac. Er ist liebenswürdig, häufig auch fahrlässig und liebt Bequemlichkeit, weil sein guter Boden nicht viel Arbeit braucht. 1 )a der Stokavac wegen Mangel an guten Verkehrswegen seine Produkte nicht immer gleich verwerthen kann, so ist er recht oft ein schlechter Wirth, der den Winter über im Ueber-flusse schwelgt, dafür aber häufig schon im ersten Frühjahr darbt. — Obwohl er noch immer an den alten Sitten und Gebräuchen festhält und abseits liegt vom Mittelpunkt des modernen Kulturlebens, so ist er doch ausserordentlich kulturfähig. Die Bewohner Ungarns, Kroatiens, Slavoniens und Siebenbürgens. 71 In Kroatien hat .sich zum Theil noch immer die Einrichtung der Hausgenossenschaft, „Hauskommu-nion", mit ihrem echt patriarchalischen Leben in den enggezogenen Grenzen eines geschlossenen Familienkreises erhalten. In einer derartigen Hausgenossenschaft werden dann sämmt-üche Bedürfnisse, oft bis auf die geringfügigsten Kleinigkeiten, Zu Hause von den einzelnen Mitgliedern producirt, denn die Hausindustrie schafft alles Haus- und Wirthschaftsgeräthe, so-;vie Kleidungsstücke für Mann und Weib, und nur die Eisenarbeiten werden in manchen Gegenden den Zigeunern überessen, Während der Mann oft Wagner, Fassbinder und ^'ininermann oder Weber und Schneitier in einer Person ist, besitzen die Frauen und Mädchen im Spinnen v°n Hanf und Wolle, im Weben, Nähen, Stricken und s°gar Färben der Stoffe eine staunenswerthe Geschicklichkeit. — Doch die Frau, welche dem Manne durchaus nicht gleichberechtigt zur Seite steht, sondern ihm oft Beinahe sklavisch unterwürfig ist, arbeitet viel mehr als der Mann. Die Wohnungsgebäude sind nach den Ortsverhältnissen verschieden. Im Küstenlande aus Stein gebaut, in den nördlichen und östlichen Gegenden aus gebrannten oder noch öfter aus nur an der Sonne getrockneten rohen Ziegeln, oder auch ails gestampfter Lchmerde. Letztere Bauart finden wir besonders in Slavonien, während die häufigen Ueberschwemmtingen 1111 „Savethal" zum Bau von hölzernen und stockhohen Häusern fingen, damit sich die bedrohten Bewohner beim Eindringen des Wassers mit Hab und Gut in die oberen Räumlichkeiten fluchten können. Las Dorf in den fruchtbaren Gefilden Slavoniens wird ebenfalls stets in der Mitte durch einen breiten Fahrweg durchschnitten. Längs dieses Weges reihen sich zu beiden Seiten die einzelnen Gehöfte, welche entweder mit einem eichenen ^etterzaune oder auch mit einer Mauer umgeben sind. An den Häusern und Zäunen zieht sich durch die ganze Ortschaft ein mit Sand bestreuter oder mit Ziegeln ausgelegter Fusssteig. Treten wir durch's Thor in einen Bauernhof, so finden wir einen Rasenplatz, welcher von den verschiedenen Wohn-und Wirthschaftsgebäuden umringt wird. — Links steht, mit dem einen Ende an die Strasse grenzend, das Hauptgebäude, das Stammhaus der Genossenschaft, welches ebenerdig und über zwanzig Meter lang ist. — Auf der rechten Seite des Hofes sind die Speicher und gegenüber dem Eingange befindet sich ein längliches, hölzernes Gebäude mit vielen kleineren Thüren und Fenstern, in welchem für jedes Ehepaar je eine abgesonderte Schlafstelle steht — Hinter diesem Mittelhause sehen wir einen zweiten Hofraum, in welchem der Pferde-, Kuh- und Schweinestall, die Hühnersteige, die Wagenremise und die „Branntweinbrennerei1' ihren Platz haben. Im ersten Hofraume giebt es meistens zwei bis drei grosse Nuss-, Aepfel-und Birnbäume, dann einige Weinranken und in der Nähe der Hausflur zwei schattige Linden. Der Eingang in das Hauptgebäude führt durch eine bedeckte offene Flur, in welcher die Wasserbehälter stehen; von da gelangt man in die grosse Familienstube, die mit einem geräumigen Saale verglichen werden kann. In der Mitte dieser Familienstube steht ein langer, mit einem weissen Tuche bedeckter Tisch aus Eichen-holz, den zu beiden Seiten Bänke mit Lehnen umgeben. An der Mauer erblicken wir der Reihe nach acht bis zehn grosse Bettstellen, unter welchen sich auch Kinderbetten befinden, die am Abend hervorgerollt werden. Bei den Fenstern, deren drei auf die Strasse und zwei auf den Hof führen, stehen die Webstühle. — In der Mitte der Hauptwand hängt ein Krucilix mit mehreren Heiligenbildern, unter denen die Muttergottes und der 1 lauspatron nicht fehlen dürfen. Um den riesigen Ofen in der Ecke sind niedere Bänke für Kinder und Frauen angebracht, über jenen aber Stangen zum Trocknen der Wäsche. Ebenfalls sehr geräumig ist die Küche, weil hier far die ganze Hausgenossenschaft gemeinschaftlich gekocht wird. — Die Speisekammer liefert alles, was zur Bereitung der verschiedenen Mahlzeiten erforderlich. Sie ist aber für die ein-zelnen Familienglieder geschlossen und wünscht jemand etwas, So muss er sich an die Hausmutter wenden, welche als »»Schlüsselbewahrerin" das Notlüge immer selbst vcrtheilt. — ^tth findet überhaupt in jeder nur halbwegs geregelten Ilausgenossenschaft eine ausserordentliche Ording und Genauigkeit. Vom Gange gelangen wir rechter Hand in ein kleines, mit ^achendielen versehenes und nett eingerichtetes „Gastzimmer'', ^'t einem einzigen, dem Hofe zugewandten Fenster. In der ^eke steht ein gutes Bett, nicht weit davon der Wäschkasten, c^nn in der Mitte ein blati angestrichener runder Tisch und einige Sessel. An der einen Wand hängt eine Uhr, eine beiläufige Büchse, zwei Pistolen und manchmal auch ein ^andschar, an der anderen ein Krucifiz und ein Spiegel. — hierher führt der Hausvater den angekommenen Gast und be- vvinhet ihn vor allem mit einem Glase „Slivowitz", dann mit i»» . " vein, geräucherten ,Magenwürstenu, Käse und dergleichen. — Im M ittclgebäude sind der Reihe nach etwa acht Schlaf-^biben mit je einer Thür und einem P'enster. Ausser dem Bett ilclen ein Stuhl, eine Bank und einige Truhen für Wäsche, /beider, Flachs, Wolle und verschiedene Requisiten zu weib- chen Handarbeiten die gesammte Zimmereinrichtung. Der zweite Hof ist von dem verschiedenartigsten Geflügel belebt, ^a giebt es bunt durcheinander die schönsten Truthühner, an.se, Enten, Haus- und Perlhühner. — An diesen zweiten °t grenzt der Gemüsegarten, den der Zwetschengarten nach rückwärts abschliesst. — Das Heirathsalter für beide Gerechter ist ungefähr das iS. Lebensjahr. An heissen Sommertagen trägt der Stokavac nur ein reites, weisses Leinenbeinkleid mit einem darüber hängenden Hemd, welches mit einem ledernen Gürtel an den Körper geschmiegt ist. Bei festlichen Gelegenheiten oder je nach den Erfordernissen der Jahreszeiten wird darüber noch eine blaue, rothverschnürte oder bloss rothe Weste und eine Jacke oder ein Pelz getragen. — Die Jacke, „Stuka", ist von weissem oder ' braunem Tuche, immer roth verbrämt und verschnürt. — In manchen Gegenden hat man auch anliegende weisse, blau und rothverschnürte Tuchbeinkleider. — Die gewöhnliche Kopfbedeckung sind ein breitkrämpiger Filzhut oder eine Pelzmütze, während als P\issbekleidung entweder Bundschuhe, „Opanke", oder Stiefel dienen. - Niemals fehlt aber die „Torba", eine grosse lederne Tasche, welche jeder Kroate, an einem Riemen befestigt, über die Achsel hängt, sobald er das Haus verlässt. — Noch einfacher ist die Tracht der kroatischen Frauen und Mädchen, denn den wesentlichsten Theil ihrer Bekleidung bildet nur ein langes, weisses, reich in Falten gelegtes Leinen-oberkleid, welches am Schoosse mit drei bis vier roth gestickten Bordüren geschmückt ist und mit einem Scherpengürtel fest zusammengeschnürt wird. Ueber dieses Leinenoberkleid wird in einigen Gegenden auch noch eine weisse, in anderen eine farbige Schürze gebunden und um den Hals ein farbiges Tuch gewunden oder eine falsche Perlenschnur gehängt ; an den Füssen trägt man rothe oder weisse Strümpfe und Sandalenschuhe, „Opanke". Das 1 laar wird gewöhnlich, namentlich von Mädchen, in zwei Zöpfe geflochten, welche, mit Seidenbändern geschmückt, lose über den Nacken hängen. — In rauher Jahreszeit tragen FYauen wollene Jacken oder Pelze, die sich von denen der Manner fast gar nicht unterscheiden. Ein weiteres Stück der weiblichen Bekleidung bildet schliesslich noch ein Kopftuch, das, verschiedenartig gebunden, die Frauen auch im Hause nicht ablegen. In vielen Gegenden wurde aber die soeben geschilderte malerische kroatische Nationaltracht, welche bis auf kleine Ab- Beichlingen im ganzen Lande dieselbe ist, durch die vorgeschriebene „Soldatenmontur" nach und nach ganz verdrängt uud diese einst nicht unbedeutend gewesene Hausindustrie zum grossen Theile erstickt. In Folge dessen ward es Sitte, auch ausser Dienst Soldaten-Kleider zu tragen, und wir sehen, dass noch jetzt nach Auflösung der Grenze in manchen Bezirken die Männer in abgetragenen, engen Soldatenbein-keidern stecken und dass selbst die Frauen sich gegen Kälte nur durch einen Soldatenmantel schützen. — ' diesen Mangel an einer Hausindustrie nützen spekulative Geschäftsleute aus und bringen aus der Mode gekommene stadtische Paletots und andere Kleidungsstücke zum Verkaufe auf die Märkte. Die vermögenden Frauen und Mädchen ^ssen sich verleiten sie zu kaufen, und so sehen wir nicht Selten die lächerlichsten Mischlingscostüme, wie z. B. üb er einem blendend weissen Leinenkittel einen ganz städtischen Paletot mit Schmelzaufputz, oder gar eine Seiden- oder Sammetjacke und Aehnliches. Die „Rumänen" bewohnen theüs in kompakten Massen, theils mit anderen Völkern gemischt, den östlichen Theil Oesterreich-Ungarns, an den Grenzen und landeinwärts bis Segen Debreczin und Szegedin. — Sie sind das in der ökonomischen Entwickelung wohl mit am meisten zurückgebliebene Volk des Reiches, weil in früheren Zeiten, die rechtlichen, persönlichen und natürlichen Bedingungen ihrer ökonomischen Knt w ickelung un-gün st ig waren. Man unterscheidet bei ihnen vier Hauptgruppen, die „Muntenii'", Padurenii, (im Hanat Codrenii), Pod-garenii" und ,,Campienii". — Die Muntenii, die Bewohner ^er Höhen, treiben meistens Viehzucht. Ein grosser Theil v°n ihnen lebt heute noch so, wie vor tausend Jahren, "nr hauptsächlichster Reichthum besteht heute wie damals in Schafherden. — Sie sind es einzig und allein, welche die öst- liehen Gebirge Siebenbürgens mit ihren Herden beweiden, weil sich die daran wohnenden Szekler mit diesem Geschäft nicht befassen. Zu Reginn des Winters wandern diese Muntenii dann meistens alljährlich mit ihren Herden in die Moldau, Walachei, Dobrudja und nach Bulgarien, wo Wolle, Käse, Fleisch und alle anderen Produkte ihrer Schafherden, sogar die Knochen, einen guten Absatz finden. Von allen Muntenii waren bloss die Bewohner der westlichen Berge, die „Motzen*, gezwungen, das Hirtenleben aufzugeben, weil sie wenig Weide hatten und sich ihnen auch keine Gegenden boten, wo es noch freie Weide gab. Sie sind jetzt tüchtige, ausdauernde Arbeiter, nicht nur in den Erzgruben, sondern überall, wo sie etwas erwerben können. Besonders sind ihre Holzarbeiten weit und breit bekannt und wegen ihrer Dauerhaftigkeit sehr gesucht. Ganz anders verhält es sich mit den Bewohnern der äusseren, dicht bewaldeten Abhänge der Karpathen, mit den „Padurenii", den Weidmännern. Diese sind die eigentlichen armen Rumänen, welche die Magyaren „wilde Walachen" nennen. Meistens sind es kleine Menschen, mit verhungert aussehenden Gesichtern, redselig unter sich, scheu Anderen gegenüber, ruhig und gleichgültig in ihrem Benehmen, äusserst frugal, ausdauernd und mit grossem Hang zum Müssig-gang. Der höchste Genuss für einen solchen Waldmann besteht darin, sich auf einem grünen Rasen auszustrecken, zuzusehen, wie andere Menschen arbeiten und sich über Tausende der nichtigsten Dinge zu unterhalten. Auch wenn der Padurenii arbeitet, treibt er Müssigang, denn bald stoptt er seine Pfeife, bald hat er etwas zurecht zu machen u. s. w.. und dazu wird noch unaufhörlich gescherzt und gesungen. — Die Frauen sitzen zu 1 lause, spinnen, nähen und machen andere weibliche Arbeiten, kochen aber nicht, denn gekocht wird bei diesen Leuten nur höchst Sehen, dabei vermehren sie sich aber mehr wie ihre Nachbarn. — Die Kinder geben die Hirten ab und lernen das Geschäft ihrer Väter auf der Weide. Der Rumäne und besonders der Gebirgsbewohner hat sehr ^venig Bedürfnisse. Er baut sich selbst sein Haus aus Holz Urid deckt es mit Stroh oder Heu. — Die Kleidung für die ^aniilie stellt die Frau her. Vier Schafe geben ihm einen Pelz und ein Lamm eine Mütze fürs ganze Leben. Es fehlen ^'r noch die Sandalen für den Winter, ein Luxus, der dem ^hinue etwa 30 Kreuzer kostet. — Das Wichtigste bleibt die Nahrung, sie besteht in Mais, gewöhnlich als Brei, „Mamaliga", Urid nur selten als Brot. Fleisch essen sie selten, Rindfleisch beinahe nie. Auch wohlhabendere Familien zehren an einem Schweine das ganze Jahr hindurch. Die Lämmer werden Bistens verkauft und nur das Fleisch von Schafen und Ziegen ^ird, obwohl auch das nicht häufig, gegessen. — An Sonnend Feiertagen gönnt sich der Rumäne zuweilen ein Huhn, "Whst selten aber anderes Hausgeflügel, da er diese sehr gut Erkaufen kann. Aus der Milch der Schafe macht er Käse, oranža", für den Winter, und die Milchkühe werden durch die Vlel billigeren Ziegen ersetzt. Ausserdem geniesst er Fische, Krisen, Zwiebeln, Gurken, Kürbisse, Kraut und viel Obst, bis *uf die Holzbirnen. — Da bei den Padurenii die Saaten viel ^Päter zur Reife gelangen, so können sie die Ernte auf der **Denc als Tagelöhner mitmachen und dadurch ihre Familie ^ ganze Jahr mit dem allernothwendigsten versorgen. Um _ermannstadt, Kronstadt und überhaupt im Sachsenlande sind Humanen rühriger und fleissiger, weil sie grössere Bedürfnisse ^ben und die Konkurrenz mit einem fleissigen Nachbar auf ver-a'tnissmässig unfruchtbaremBoden nicht auszuhalten vermöchten. Lie „Campienii" in Ungarn und im fruchtbaren Theil des Mittleren Marosgebietes sind zwar arbeitsam, aber doch j^niger fleissig-, weil sie nur mit Magyaren zu wetteifern ben und auch der Boden ein ergiebiger ist. Die „Podgorenii" endlich, welche an der Ebene die Weingegend bewohnen, sind der in ökonomischer Beziehung vorgeschrittenste Theil der Rumänen, aber man findet auch nirgends mehr Elend als in der Podgoria. — Ein gutes Jahr giebt reiche Entschädigung für vier oder fünf schlechte und gewöhnt die Leute an grössere Ansprüche, welche während der schlechten Jahre nicht befriedigt werden können. Daher sind die Podgorenii bald reich, bald arm und durchgehends leichtsinnig wie alle Menschen, die alles vom guten Glück erwarten. Die Rumänen gehören der griechisch-orthodoxen Religion an — Jedes rumänische Dorf ist in drei Klassen ein-getheilt: „Vornehme", Fruntasi, Leute, die an der Spitze stehen; „Mittlinge", Mijlocas, oder Leute zweiter Hand und „Hintermänner", Codas. — Jeder Dorfbewohner wird nach persönlicher Fähigkeit, Vermögen und Herkunft in eine dieser Klassen eingereiht und es ziemt sich für ihn nur dasjenige, was seiner Klasse zukommt. — Die fCmpor-kömmlinge sind die lächerliche Figur in den rumänischen Sprichwörtern. — So wie das einzelne Dorf, werden auch die Dörfer eingetheilt. Es giebt „vornehme", „gemeine" und „gemischte" Dörfer! — Dem Hintermann, Codas, wird manches nachgesehen und was ihm nachgesehen werden darf, soll er auch nicht thun. — Dem Mijlocas wird Manches übelgenommen, theils weil es nur dem Fruntas zusteht, theils weil es nur dem Codas nachgesehen werden kann. — Er ist der treues t e Be wahrer der Sitten und Gebräuche und nimmt auch nie etwas von Fremden an. Die Stellung des JFruntas" ist eine äusserst schwierige. Von seinem grossen Einfluss kann sich nur derjenige einen richtigen Begriff machen, welcher je etwas bei den Rumänen durchführen musste. — Der Fruntas hat seinen Kreis von Anhängern, welche ihm blind vertrauen, für ihn bei jeder Gelegen- heit einstehen und auch in ihren Familienangelegenheiten seine Autorität anerkennen. Bf hat aber auch seine Gegner, und aller Augen sind auf ihn gerichtet. Für diesen Mann ist alles vorgeschrieben, wie er sich kleiden sol 1, welchen bestimmten Gang er auf der Gasse einzuhalten, was er bei der einen oder anderen Gelegenheit zu sagen, zu thun oder zu lassen hat. Kr besitzt das Recht und die Verpflichtung, die Leute, besonders die Jugend auf der Gasse anzuhalten und für ihr Vergehen zu rügen, aber wehe ihm, ^venn er selbst nicht alles genau einhält, denn nur dem Popen ist es erlaubt, selbst nicht zu thun, was er anderen vorschreibt! — Wir finden die Sitten und Gebräuche der Rumänen nur bei dieser „Dorfaristokratie" in ihrer vollen Ausbildung, aber auch nur sie ist es andererseits wieder, welche fremde Sitten und Gebräuche einführt. — Zum vornehmen Wesen gehört es nämlich, hier und da etwas neues einzuführen, und wenn der Mann, der dieses thut, dadurch nicht seinen Einfluss, was gewöhnlich der Fall ist, verliert, so findet er auch seine Nachahmer. — Ausserdem giebt es noch ganze Gegenden, welche für vornehm gelten. — In denselben ist meistens allgemeiner Reichthum zu finden und man kennt dort die Sitten gut, weiss ■sidi mustergültig zu benehmen. Die Bewohner solcher Gegenden werden überall gut aufgenommen und erfreuen sich einer besonderen Aufmerksamkeit, ja man schaart sich sogar um sie l,nd überhäuft sie mit Fragen. — Alles was ein Mann aus e'«er solch' vornehmen Gegend thut, macht Aufsehen, die Mun dart, die er spricht, wird für die richtige erklärt, seine bracht findet man schön, kurz und gut, er ist ein Vorbild, eine Erscheinung, welche man nicht bald wieder vergisst. — ■J'1 selbst eine einzige Frau, welche aus einer vornehmen Gegend lr* eine andere heirathet, vermag das ganze Dorf, in das sie Zleht, binnen k urzer Zeit umzugestalten, denn aller Augen smd auf sie gerichtet, man rühmt ihr Gebahren, man ahmt ängstlich ihre Tracht, Mundart, Sitten und Gebräuche nach, welche sie aus ihrer Heimath mitgebracht hat und beibehalt. — Dagegen werden Bewohner „armer" Gegenden in den reicheren den „Codasir' gleichgestellt, ja zuweilen noch schlimmer behandelt! — Daher ist es auch selbstverständlich, dass die Eigentümlichkeiten „nicht vornehmer" Gegenden in den „vornehmen1' verlacht werden, und es giebt eine ganze Literatur von Anekdoten bei den Rumänen, die sich darauf beziehen und aus denen man den Rang ersehen kann, welchen die öffentliche Meinung jeder abgeschlossenen Gegend einräumt. Für die vornehmste gilt im allgemeinen die südliche Gruppe, und in dieser die Gegend von „Hermannstadt" und „Reussmarkt", dann die von „Kronstadt" und in dritter Reihe die von „Fogaras." Bei den Rumänen weichen zwar Typus, Charakter und Geistesanlagen nach den verschiedenen Gegenden mehr oder minder von einander ab, aber es giebt bestimmte Züge, die allen Rumänen eigen sind, durch welche sie sich in auffallender Weise von anderen Völkern unterscheiden. Besonders ausgeprägt ist bei ihnen der „Motzen-Typus". In Abrudbanya, Zalatna, Rosia, Offenbanya und hier und da* in Bucitimi findet man in der Regel stark gebaute Letite mit runden, vollen Gesichtern, kurz geschorenen schwarzen Haaren j dunklen Augen und gelblichbrauner Gesichtsfarbe. Sie tragen enge Hosen, grosse Stiefeln, manchmal einen auffallend breiten Ledergurt und eine kurze Jacke von dunklem Tuch. Diese Leute, welche nichts auffallendes in ihrer ganzen Erscheinung an sich haben und meistens in den Bergwerken arbeiten, sind zum Theil auch nicht ganz romanisirte Deutsche, Magyaren und Slaven. — Die eigentlichen Motzen aber, welche thalauf-wärts wohnen, sind hingegen Leute von hoher und schlanker Gestalt mit einem auffallend dicken Hals, länglichem Gesicht, lichten Haaren, blauen Augen und einer gelblich-weissen Gesichtsfarbe. Dieser eben geschilderte Typus der Motzen ist im allgemeinen der rumänische Gebirgstypus. — Weiter gegen die Ebene zu wird dieser Typus immer seltener und in der Bukowina existirt er fast gar nicht mehr, denn schon an der Marsos tritt ein zweiter Typus auf, der an den Kockel-Flüssen vorherrschend wird, jedoch nur weiter gegen die Aluta zu ganz scharf ausgeprägt ist. Es sind Männer von hoher, schlanker Gestalt, äusserst gelenkig, mit stark entwickeltem Brustkorb, runden, vollen, jedoch kleinen Gesichtern, stärker hervortretenden, aber auch nur selten ganz dunklen Augen, rabenschwarzen, oft krausen Haaren, langgezogenen Augenbrauen, vollem Bart-Wuchs und weisser, nur selten von rothem Hauch überzogener Gesichtsfarbe. Ihr Profil ist nicht scharf geschnitten, wie das der Motzen. — Besonders anmuthig ist ihr Gang und ihre Haltung und sie gelten als die besten Tänzer des rumänischen Volkes. Nirgends finden wir diesen Menschenschlag in grossen geschlossenen Massen. Der allgemein rumänische Typus für den östlichen Theil Siebenbürgens, bis gegen die Maros und auch für das Banat, Ist ein Mann von schlanker Gestalt und Mittelgrösse, gelenkig, mit länglichem Gesicht, scharf geschnittenem Profil, kleinen Atigen, lichtbraunen Haaren, noch lichterem Schnurrbart und nur selten ganz vollem Bartwaichs. —- Im Banat sieht man diesen Typus beinahe nur an der Maros bis gegen Lippa, dagegen findet man ihn in Ungarn sehr häufig bis in die ^Tarosgegend, wo er zuweilen sehr scharf ausgeprägt erscheint, ^och ist dabei hervorzuheben, dass bei diesen Leuten, obwohl sie meistens unter der Mittelgrösse bleiben, auf der ungarischen ^bene die Männer mit breiten Gesichtern durchgehends von Hoher, bei den Lucanii aber und in der Marmaros auch noch v°n schlanker Gestalt sind. Atn unteren Flussgebiet der Maros, thalabwärts von Zam, trifft man auch noch einen dritten, wenn auch nicht scharf ausgeprägten Menschenschlag. Es sind Männer von unterster Gestalt, mit mehr oder minder breiten Gesichtern, her- Oesterreich-Ungarn. 6 vortretenden Gesichtsknochen, dunklen Haaren und starkem Bartwuchs. In Siebenbürgen finden wir denselben am Flussgebiet der Szamos und in der Bukowina ist er der vorherrschende. Natürlich trifft man diesen Typus auch in der Bukowina nur höchst selten in seiner Ursprünglichkeit, denn er ist überall in die andern zwei vorher bezeichneten Typen übergegangen. — Was die Frauen anbelangt, so können wir hier nur im allgemeinen hervorheben, dass ihr Typus in den verschiedenen Gegenden nicht immer mit dem der Männer übereinstimmt. Im grossen Ganzen haben die Rumäninnen eher runde als längliche Gesichter, ihr Profil ist zwar scharf geschnitten, aber nicht so streng, wie das der Männer, und ihr Knochenbau ist besonders zart. Unter den rumänischen Frauen findet man manche Schönheit, doch haben sie selten schwarze Haare und ganz dunkle Augen, sondern bei dieser Haarfarbe sind die Augen gewöhnlich heller. Schöne Frauen giebt es besonders bei Arad, Temesvar, Kronstadt u. s. w., die schönsten aber bei Hermannstadt, wo die Frauen der „Mocanen" zu Hause sitzen, spinnen, weben, sticken und ihre Schönheit pflegen. Trotz dieser Mannigfaltigkeit an körperlichen Eigenschaften wird sich nur selten ein Rumäne finden, an dessen Gesicht auch der minder scharfe Beobachter nicht gleich den Rumänen entdeckte. Es ist in allen rumänischen Gesichtern etwas, seien sie noch so verschieden, welches den Grundton des gemeinsamen Charakters wiedergiebt. — Wenn wir die rumänische Tracht anblicken, so sehen wir, dass jedes Dorf seine eigene Tracht hat. Ein jeder, der nur im geringsten von dieser abweicht, wird auf das gehässigste verfolgt oder zum mindesten verspottet. Neuerungen werden nur bei den Vornehmen nachgesehen, aber auch bei diesen nur dann, wenn sie den allgemeinen Anforderungen entsprechen. — Bei den Frauen ist eng anschliessende Kleidung verächtlich und unschön; die halten sollen immer senkrecht herabfallen und besonders am Oberleib gross sein. Man wird also bei den Rumäninnen lllrgends steife Röcke finden, und selbst dort, wo engan-Schliessende Leiber getragen werden, sind sie kurz und derart §eschnürt, dass sie die Form des Busens verdecken. — Der Hock soll immer so lang sein, dass man beim Tanzen nur die ^ussspitzen sieht. — Die eigentliche rumänische Frauentracht besteht aus einem Hemd mit gestickten Aermeln und gesticktem Bruststück. Ist das Hemd lang, so ist es an den Nähten Und am unteren Rande mit Stickereien oder mit einer Stickerei verziert, ist es aber kurz, so trägt die Frau einen ebenso verwerten weissen Rock. Darüber werden zwei aus Schafwolle gewobene Schürzen gebunden, welche buntfarbig, zuweilen mit eingewobenen Gold- und Silberfäden reich verziert sind, und nur selten — an der Aluta und um Hermannstadt — sieht man gatv/. schwarze oder dunkelblaue Schürzen. — In den west- lchen Bergen und im Banat wird oft eine der Schürzen, selten ^ber beide, mit langen farbigen Fransen besetzt; in der Bukowina n°en wir gewöhnlich nur eine breite Schürze, die den ganzen ^eirj umfasst; in Ungarn endlich, am mittleren Laufe der zamos, wie auch überall, wo die Rumänen gemischt mit agyaren leben, nimmt man für die Schürze Seide oder auch ^dere farbige Stoffe; aber hier tragen die Frauen gewöhnlich einen farbigen Oberrock. — Ausserdem hat die Rumänin auch ein kurzes, mit Stickereien reich verziertes Pelzleibchen, ^weilen, besonders im Sommer, nimmt man jedoch statt c afpelz Sammet, Seide oder einen anderen Stoff; ferner S!nen etwa zwei Finger breiten Gürtel. Je nach der Gegend eifle längere oder kürzere Jacke mit Aermeln, nie eng anschliessend, aus Schafpelz, Schafwolle, und bloss in der Gegend Von Hermannstadt aus dunklem Tuch. — Nur bei den „Motzen" und für festliche Gelegenheiten bekleiden die Rumäninnen ihre 6* Füsse mit Sandalen, sonst tragen sie in den nördlichen und westlichen Gegenden gewöhnlich rothe oder schwarze Stiefel, in den östlichen und südlichen aber meistens Schuhe. — Der Hals- und Kopfschmuck ist nicht blos nach Dörfern, sondern auch nach dem Alter verschieden. —- Die Tracht der Männer ist zu vielfältig, als dass wir sie hier in allen ihren TheiJen beschreiben könnten. Die Motzen, welche die vollkommene Tracht haben, tragen Unterhosen und darüber stets enge, weisse, jedoch nicht anschliessende Hosen; im Sommer aus grober Leinwand und im Winter aus Schafwolle. — Das Hemd ist kurz und verschwindet immer unter den Beinkleidern. Darüber tragen sie eine anschliessende Jacke aus grober Leinwand mit engen Aermeln. — Ihr kurzer, weisser, schafwollener Oberrock ist einfach geschnitten, ohne jede Verzierung, und reicht etwa eine Spanne über das Knie. Der nicht zu breite Leibgurt ist nur spärlich verziert; gewöhnlich tragen sie ihn unter der leinenen Jacke. -— Im Winter benützen sie noch über der einen Jacke eine kurze Pelzjacke ohne Aermel und einen Pelzmantel. — Der Kleiderschnitt bei den Männern ändert sich im allgemeinen nach Gegenden, die Verzierung jedoch ist in jedem Dorfe eine andere. Gegen Süden finden wir sie mehr mit Schnüren, gegen Norden mehr mit farbigem Tuch. — Sowohl hei Männern wie Frauen wird auf die Bequemlichkeit der Kleidung nicht gesehen, denn bei Frauen sollen die Kleider schön sein, bei Männern die Körperformen heben. Nach der rumänischen Auffassung „sind Kleider des Scheines wegen da", sie machen den Menschen, er soll auf sie schauen und eher hungern, als schlecht gekleidet vor der Welt erscheinen, denn der Magen hat keinen Spiegel und wer zu Ostern sich nicht ordentlich anziehen kann, der soll zu Hause bleiben und, schlafen. Als schlecht gilt aber in ihren Augen jedes Kleidungsstück, welches schmutzig, zerrissen oder im Dorfe nicht üblich ist. — Nach den Anschauungen der Rumänen über Reinheit und Unreinheit ist es unbedingt erforderlich, dass jeder nur selbstgesponnene, selbstgewobene und selbstgenähte Kleider tragen soll. — Der Rumäne kann also seine fieschuhung, wenn auch ungern, von einem Fremden kaufen, der Kürschner aber, welcher seine Pelzjacke herstellt, muss 'rnmer ein Rumäne sein; dieser ist dann zugleich auch meistens ein Metzger. Wie bei jedem Volke, so richtet sich auch bei den Rumänen die wirthschaftliche Entwickelung nach ihren jeweiligen Bedürfnissen und da diese bei ihnen nur allmählich zunehmen, So ist es selbstverständlich, dass auch der Gang der Entwicklung bei ihnen kein rascher ist. — Das Volk besteht durchgehends aus Bauern und Hirten, darum gelten bei ihnen nur der Grundbesitz und der Viehreichthum als wirklicher Monomischer Wohlstand. — Das Geld ist nach ihrer Auffassung kein Reichthum und hat nur Werth, weil man damit Grund und Boden kaufen kann! In Siebenbürgen leben nebst „Sachsen", den ältesten deutschen Ansiedlern auf dem Gebiete der St. Stefanskrone, n°ch oberdeutsche Nachwanderer, welche erst im 18. und :9. Jahrhundert aus Baden, aus dem Breisgau, aus Württemberg, Salzburg und anderen süddeutschen Volksgebieten hierher gekommen sind und gemeiniglich „Landler" genannt werden. Lie siebenbürgischen Deutschen wohnen auf dem ehemaligen "Königsboden", dessen Mittelpunkt Hermannstadt ist, und lnd in ihren ethnographischen Ausstrahlungen theils tTllt Rumänen gemischt, theils haben sie sich unge-^ischt erhalten, doch ist dort das rumänische Volks-ement im Fortschreite*! begriffen. — Im Burzenland, Ssen Kapitale Kronstadt bildet, treten zu den Rumänen j°Ca Magyaren, „Szekler". — Der Nösner-Gau, Bistritzer ^strikt, ist zwar der kleinste der drei deutschen Sprachinseln, er das Deutschthum hat sich hier zum grössten Tbeil un- gemischt erhalten, doch auch diese Insel liegt inmitten der rumänischen Volksmajorität, welche nur stellenweise mehr oder weniger vom magyarischen Elemente durchbrochen wird. Ueberdies findet man zerstreute deutsche Bevölkerung überall in Siebenbürgen unter Rumänen und Magyaren. — Das entschiedenste Uebergewicht besitzen die Deutschen ausser in dem ehemaligen Bistritzer Distrikt, wo sie circa 841/2°/o der Bevölkerung ausmachen, noch in den einstigen Sachsenstühlen Mediash mit ungefähr 62!/2%; Schässburg mit 57% "/q und Grossschenk mit $6%%. Dagegen bilden sie im Kronstädter Distrikte nur circa 32% der Bevölkerung. — Die neuere Municipaleintheilung Siebenbürgens, wodurch die bisherige politische Eintheilung des „Königsbodens" aufgehoben wurde, hat den Deutschen auch noch den Nachtheil gebracht, dass sie nun in keinem Municipium Siebenbürgens die Majorität der Bevölkerung ausmachen, denn sie sind im Comitate Grosskokelburg nur mit 44'9, in Kronstadt 43'6, in Hermannstadt 30"5, in Bistritz-Naszod 24-2 und in Klein-kokelburg nur mit 19 Procent in der Bevölkerung vertreten. Da in Siebenbürgen der Boden weder den Raum noch die Fruchtbarkeit wie in Südungarn besitzt, so hat der Deutsche Siebenbürgens von jeher dem Gewerbe und Handel eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Auf dem ehemaligen Königsboden fand das Handwerk schon früher seinen goldenen Boden und überdies erwarb sich der Siebenbürger Sachse, vom Mittelalter bis zur Neuzeit, den Ruf eines findigen und gewandten Kauf- und Fuhrmannes. Er bildete den kommerziellen Vermittler zwischen Ungarn und den unteren Donauländern. Die sächsischen Dörfer, welche zusammen 263 selbständige Pfarrgemeinden ausmachen, bieten einen freundlichen, von weitem fast städteartigen Anblick. Sie liegen in weiten Thalengen oder auf anmuthigen Flügeln, sind meist von einem Walde fruchtbarer Bäume umgeben und sehr bevölkert, denn Die Bewohner Ungarns, Kroatiens, Slavoniens und Siebenbürgens. 37 3000 bis 8000 Einwohner und darüber sind keine Seltenheit. — Die breiten Strassen und Gassen sind mit Bäumen eingefasst — Auch hier liegt, wie bei den schwäbischen Dörfern im Banat, im Mittelpunkt der Hauptstrasse Kirche, Pfarre, Gemeindehaus u. s. w. Die Häuser und Wirthschaftsgebäude werden grössten-theils aus feuerfestem Material erbaut. — Das Bauernhaus kehrt die schmale Front der Gasse zu, vor derselben kultivirt die Bäuerin gerne einen kleinen Blumengarten. Einige Treppenstufen führen von der Gasse in die Laube, einen gedeckten Vorsprung an der breiten Hofseite des Hauses. Von hier aus vermag der Bauer Haus und Hof zu übersehen, hier sitzt die Bäuerin mit den Nachbarinnen im Trockenen, wenn es draussen Wettert; auf der Brüstung der Laube pflegt die Bauerntochter im Sommer ihre Blumen, und unter dem Dach derselben befindet sich der Taubenschlag. -— Von der Laube gelangt man in den Keller, wo neben den Weinfässern im „eichenen Bottich" das „gesäuerte Kraut", die sächsische Lieblingsspeise, bewahrt wird. Aus der Laube geht der Eingang in das geräumige Vorhaus, von hier führt eine Thüre in das vordere grössere, eine andere in das hintere kleinere Wohnzimmer. Neben dem kleinen Zimmer befindet sich die Speckkammer. — Im Vorhause giebt es nur wenige Einrichtungsstücke, denn es dient nur zur Aufbewahrung solcher Dinge, welche man schnell braucht — Im vorderen Wohnzimmer stehen mit aufgethürmtem Bettzeug beladene Bettstätten, welche den Stolz der Bäuerin bilden, ^n einer Ecke dieses Zimmers sehen wir den mächtigen Ofen, Welcher einen grossen Theil des Raumes einnimmt, mit vorgestelltem Blechofen; ausserdem an den Wänden lange, buntbemalte Truhen für Wäsche und Kleidung. Der grosse, schwere 1-sstisch befindet sich in einer anderen Ecke; ihm gegenüber steht ein Schubladenkasten. Fast unmittelbar an der Zimmerdecke laufen an allen Wänden herum Rahmen, auf welchen Teller von Zinn und Thon aufgestellt und an deren Nägel symmetrisch vertheilte Krüge aufgehängt sind, die nur bei festlichen Gelegenheiten herabgenommen und gebraucht werden. Auch fehlt nicht die Schwarzwälder Uhr. Auf dem Fensterbrett oder in einem Wandschrank liegen Gesangbuch, Bibel, Kalender und abgenützte Schulbücher. Und als Wandschmuck erblicken wir meistens noch das Bild von Luther und Melanchthon, denn die Sachsen sind auch heute noch gut lutherisch. — Eine ähnliche Einrichtung hat auch das kleinere hintere Zimmer. Es dient dem Bauer als Wohnung, wenn er seine Wirthschaft dem verheiratheten Sohne oder Schwiegersohne übergeben hat. — An das Haus stossen die Wirtschaftsgebäude und hinter diesen befindet sich der Obst- und Gemüsegarten, welcher aber nur mit schmalen Fusssteigen durchschnitten ist. Die Sachsen sind ein kräftig, manchmal sogar hünenhaft gebauter Menschenschlag, intelligent, nüchtern und von einem bewundernswerthen Fleiss. Der Ungar sagt vom Sachsen: „Wenn der Sachse keine andere Arbeit hat, so bricht er sein Haus ab, um es von neuem bauen zu könnenI" Von ihrer eigenthümlichen Tracht haben sie sich bisher noch immer nicht getrennt. Den Kopf des Bauern deckt ein breitkrämpiger, schwarzer Filzhut, unter welchem das lange Haar, das alte Abzeichen des freien Mannes, bis in den Nacken hinunterfällt In seiner Kleidung herrscht die weisse Farbe vor, denn sowohl seine Jacke, als wie seine Hose sind aus dickem weissen Tuch. Den Leib umgürtet ein breiter Ledergürtel, welcher das Hemd von grober, hausgesponnener Leinwand zusammenhält, dessen unterer Saum unter der Jacke hervorsieht; die Stiefeln reichen bis an die Kniee. Nur an Sonn- und Feiertagen wird ein feinerer Anzug benutzt, der aber immerhin noch sehr einfach aussieht. — Dafür ist aber der Sonntagsstaat der Bauernmädchen reich. Ueber dem blauen, wollenen Rock tragen sie eine grosse weisse Musselinschürze mit wunderlich phantastisch gearbeiteten Einfassungen. Den Leib schmückt ein breiter Gürtel von Bronze oder vergoldetem Silber, ringsum mit knaufartigen Knöpfen versehen, in welche Türkis-, Amethyst-, Granatsteine und alte Perlen gefasst sind. Oft reprä-sentiren solche Gürtel, welche meist hochgeschätzte FJrbstücke in den Familien bilden, einen grossen materiellen und auch Kunstwerth. — Eine kurze weisse Jacke von Schaffell wird entweder vorne offen oder an der Seite geschlossen getragen und die glänzende, rothe und blaue Stickerei auf derselben hebt sich recht geschmackvoll von dem weissen Grunde ab. — Auf dem Kopfe sitzt ein sonderbar geformter Hut von Pappendeckel, der mit schwarzem Sammt überzogen ist. Von den geflochtenen Haaren hängt eine ganze Sammlung rother, grüner und blauer schmaler Bänder über das Gewand herab. — Doch ist diese sonderbare Art der Kopfbedeckung gerade keine Zierde der Mädchen. — Die verheiratheten Frauen haben über dem Kleide einen Mantel von schwarzem Tuche, tausendfach gefaltet, sowie wir dies auf alten vlämischen Gemälden sehen. Oben durch den Mantelkragen ist ein steifer Tuchstreifen gezogen, sodass der Mantel nur von Schulter zu Schulter reicht und rückwärts gerade herabhängt. Er dient also nicht zum Einhüllen, sondern als blosser Schmuck, als Zeichen des Frauen-Standes. Den Kopf hüllen die Frauen in ein weisses Leinen, an den Füssen tragen sie Stiefeln. Mit dem sechsten Jahre beginnt für beide Geschlechter die Schulzeit; diese dauert bei den Mädchen bis zum vollendeten l4- Lebensjahre, bei den Knaben bis zum 15. Lebensjahre. — Ist das Mädchen dem werbenden Burschen geneigt, so ziert es ihm den breitkrämpigen Hut Sonntags mit mächtigen Sträussen von künstlichen und natürlichen Blumen und erhält als Gegengeschenk eine sorgfältig gearbeitete und verzierte „Harke", Heurechen. Wird das Verhältniss inniger und haben sich beide unter vier Augen Liebe und Treue geschworen, so erklärt das Mädchen seinen Entschluss, dem Burschen angehören Zl> wollen, dadurch öffentlich, dass es ihm in der Ernte Weizen °der Hafer heimfahren hilft. Nach der Beendigung der Feld- arbeiten wird dann ernstlich an die Gründung des neuen Hausstandes gedacht — Leider greift aber nur zu oft der Vater des Mädchens mit rauher Hand dazwischen und zwingt die Tochter, um des wohlhabenden Werbers willen, zu einer ver-hassten Ehe. Die Folge ist dann in der Regel eine unglückliche Ehe oder eine baldige Ehescheidung, welche auf dem Sachsenboden nicht zu den Seltenheiten gehört und oft wegen geringfügiger Ursachen verlangt wird. — Die Bewohner Bosniens und der Herzegowina. In Folge der lang dauernden, jede kulturelle Ent-wickelung im höchsten Grade hemmenden Türkenherrschaft befindet sich die Bevölkerung in den occupirten Ländern „Bosnien" und der „Herzegowina" zum grössten Theile noch in demselben intellektuellen Zustand, wie im 16. Jahrhundert. Es giebt daher in Europa kaum ein Volk, welches auf einer so niederen Stufe der allgemeinen Bildung steht, wie die Bevölkerung Bosniens und der Flerzegowina. — Die Bewohner dieser Länder bestehen im grossen Ganzen aus Mohame-danern, Griechisch - Orientalen, römischen Katholiken, Ar-nauten, Zinzaren, spanischen Juden und Zigeunern. Davon sind nach der Volkszählung des Jahres 1879: 209.361 römische Katholiken, 496.761 Griechisch - Orientalen, 448.613 Mohame-daner und 3.420 Juden. — Mit Ausnahme der Arnauten, Zinzaren, spanischen Juden und Zigeuner gehören die Bewohner dem slavischen Stamme an. — Doch ist die Bevölkerung un-gleichmässig im Lande vertheilt. Der grösste Theil wohnt in den Thälern und auf den Hochebenen, die mittleren Gebirge sind sehr wenig, die hohen Gebirge gar nicht bewohnt. Auffallend ist in Bosnien und der Herzegowina der schön gewachsene, kräftige, ungewöhnlich muskulöse Männerschlag. — Sehr selten erblicken wir hier einen kleinen, kränklichen Mann. — In manchen Gegenden gesellt sich aber zu diesen Eigenschaften noch wahre männliche Schönheit, welche bei den Mohamedanern stets, mit einer gewissen Würde verbunden wird. Die Beine der Männer sind in Folge der hockenden Lebensweise in der Regel gebogen, wie die eines alten Husaren, der in seinem ganzen Leben nichts anders gethan als geritten hat, nichtsdestoweniger sind sie aber so sehnig, dass man es im ausdauernden Marschiren nicht so leicht mit ihnen aufzunehmen vermag, denn sie legen oft, wenn dringende Angelegenheiten zu besorgen sind, ausserordentlich lange Strecken über felsige Anhöhen zu Fuss zurück. — Während die Leute im Frieden im allgemeinen bescheiden und zurückgezogen sind, zeigen sie sich im Kriege ausserordentlich trotzig und herausfordernd. — Da der Krieg seit altersher ihre Lieblingsbeschäftigung bildete, so war es auch sehr begreiflich, dass sie ihren Waffen eine besondere Pflege angedeihen liessen, diese als ein häusliches Heiligthum ansahen und jede Gelegenheit benützten, um mit der Schönheit derselben Aufsehen zu erregen. Ohne den üblichen Handschar machte der Bosniake keinen Schritt, und wenn er sein Haus verliess, so steckte er noch ein bis zwei glänzend polirte Pistolen in den Gürtel. Selbst die Kinder fand man niemals ohne Handwaffen und der Bos-niak blickte stolz lächelnd auf seinen Sohn, wenn dieser einen ebenso grossen Handschar schwingen konnte, wie er selbst. — Liese Handschare waren stets scharf wie ein Rasirmesser geschliffen und die Handhabung war ungeheuer schwierig. — Beim reichen Rosniaken repräsentirten die Waffen einen beträchtlichen Werth, denn es gab darunter wahre Prachtstücke. Dabei legten sie auf das Alter und die historische Bedeutung derselben grosses Gewicht. Die schöne Waffe überging von Geschlecht zu Geschlecht und man pflegte auf derselben nicht nur die Namen berühmter früherer Besitzer einzugraviren, sondern auch mit Kerben die Anzahl der mit einer jeden Waffe Getödteten bleibend anzumerken. Bei jeder Arbeit singt der Bosniake oder summt wenigstens ein Lied. Diese Lieder sind aber in der Regel salbungsvolle monotone Kirchenlieder und klingen auch nicht angenehm, weil sowohl Männer wie Frauen stets durch die Nase singen. Die Wohnhäuser in Bosnien, besonders auf dem platten Lande, sind im höchsten Grade primitiv und hatten bis in die neueste Zeit selten Ziegeldächer, noch viel weniger aber einen Rauchfang, so dass der Rauch der Feuerstelle stets die ganze Hütte erfüllte. Doch baut der Bosniake im Thale seine Häuser auf hohe Pfähle, damit bei den alljährlich starken Ueberschwemmungen das ausgetretene Wasser nicht in die Wohnräume dringen kann. Auch versieht er das Wohnhaus stets mit einer reichlichen Anzahl grosser und kleiner Kähne, welche aber, gerade so wie die Hütten, höchst mangelhaft konstruirt und meistens nichts anderes als wie nur ein ausgehöhlter Baumstamm sind. Trotzdem erfüllen diese Fahrzeuge für die dortigen Bewohner doch vollkommen, selbst in den reissenden, hoch angeschwollenen Gebirgswässern, ihren Zweck, denn die Männer rudern tollkühn und mit bewundernswerther Geschicklichkeit. — Die Häuser der christlichen Bosniaken, selbst der ärmsten, sind stets mit Rosen, Nelken und Mohnblumen umringt. — Die „Guszla", ein einsaitiges, von den Serben stammendes Instrument, wie auch die von den Türken herrührende, mehrsaitige „Gaida" kann man Abends in den christlichen Häusern hören. Weder in Bosnien noch in der Herzegowina giebt es Gegenden, welche blos von Mohamedanern bewohnt werden, überall sind diese vermischt mit Christen und anders Gläubigen. — Dagegen finden wir Landstriche, die nur von Christen bevölkert sind. — Die Mohamedaner leben aber in den fruchtbarsten Gegenden, in bedeutenderen Städten und Ortschaften in grösserer Anzahl beisammen. Da die römisch - katholischen Bosniaken seit altersher immerwährenden Verfolgungen und Unterdrückungen von Seite der Mohamedaner ausgesetzt waren, so schlössen sie sich natur-gemäss innig aneinander. Ihr Familienleben zeigt daher noch heute ausserordentlich viel Anhänglichkeit und Liebe! — Das grösste Verdienst an dem Bestände dieses engen Familienlebens haben aber die Frauen, denn sie sind stets bedacht, die nothwencligste Hausarbeit sorgfältig zu verrichten und die Kinder so gut, sie es eben verstehen, zu erziehen. — Gewöhnlich ist das Weib mittelgross, hat angenehme Gesichtszüge und kann sogar in manchen Gegenden schön genannt werden. — Geheirathet wird fast niemals nach Neigung, sondern ganz nach dem Willen der Eltern. —- Nach der Heirath verblüht die Frau schnell, weil sie zu angestrengt arbeiten muss, und man erkennt an einer neunzehnjährigen Frau kaum mehr das siebzehnjährige Mädchen. — Ohne Ausnahme spielt die Frau im ganzen Lande eine sehr untergeordnete Rolle, woran die Gebräuche der Mohamedaner, welche ein schlechtes Beispiel geben, Schuld sind. — Die Frau muss dem Mann bei allen Feldarbeiten und der Erbauung der Hütte, sowie des kleinen Schuppens, „Kobiba", aus Rohrgeflecht, helfen, ausserdem liegt ihr einzig und allein die Pflege des Gemüsegartens ob. Die äussere Erscheinung der Frauen kann angenehm genannt werden. Ihre Kleidung ist von bewunderungswürdig malerischer Schönheit, aber keineswegs eine rein nationale Tracht, denn sie bildet ein buntes Gemisch der serbischen, bulgarischen, slavonischen und italienischen Volkstrachten, doch finden wir in diesem Gemisch eine Jahrhunderte hindurch beobachtete Stabilität. — In kleineren Ortschaften und bei armen Bewohnern besteht sie aus einem mit bunten Stickereien reich geschmückten Hemd, einem Gürtel und einer mit schön gezierten Fransen umrahmten Schürze. Der Kopfputz ist meistens aus Blumen, Glaskugeln, Muscheln und Perlen bunt zusammengestellt. Die Haare sind vorwiegend blond und werden in langen Flechten, die mit langen Bändern geschmückt sind, getragen. Im Sommer gehen die Frauen barfuss. Im Winter in Stiefeln und Opanken, dabei sind die Füsse bis zu den Knieen mit haarigen Geweben behutsam eingebunden. — Zur Winterkleidung gehört auch der kurze Lederjanker. Die Wohlhabenderen tragen schon reichhaltigere Kleidung, aber auch bei diesen finden wir denselben eigenartigen nationalen Schnitt, der fast vollkommen mit dem serbischen übereinstimmt Bei den Reichen ist der Stoff fein, gewöhnlich blau, der Halsschmuck glänzend und reich. Das Haar wird glatt gekämmt und hängt in einem langen Zopf herab. Am Ende desselben befindet sich ein Seidenband und vorne ein Fez mit einer langen Seidenquaste. Die reicheren Frauen tragen immer den „Salvar", Pluderhose; erscheinen sie aber auf der Gasse, so ziehen sie darüber, besonders die Aelteren, noch ein geblümtes Kleid an. Das Innere der christlichen Häuser in Bosnien sieht viel reinlicher und ordentlicher aus als das der mohamedanischen und dies ist wieder das Verdienst der Frauen. Während die mohamedanischen FVauen zum grössten Theil ihre Tage müssig verleben oder, wenn sie arbeiten, dies meistens nur innerhalb der Mauern ihres Harems thun, findet die Christenfrau immer Zeit genug, den Hof ihres Hauses zu ordnen, mit Blumen zu schmücken und ihren Verhältnissen entsprechend in einen anständigen Zustand zu versetzen. Der Hof der Mohamedaner ist still, ausgestorben und schmutzig. Höchstens ein oder zwei männliche Diener arbeiten dort, hingegen der Hof des christlichen Bosniaken verräth ein reges Leben. Denn es ist den mohamedanischen Frauen verboten, ohne einen wichtigen Grund ihr Zimmer zu verlassen und sich im I lofe aufzuhalten, damit nicht Unberufene ihr Gesicht erblicken können. Gewöhnlich beschäftigen sich die christlichen Bewohner mit Ackerbau und nur ein geringer Theil betreibt Handel oder Gewerbe. Im Familienleben der Griechisch-Orientalen finden wir wie in Kroatien das alte „Zadruga-System", nämlich die Hauskommunion. Auf alles, was die ganze Familie betrifft, übt der „Starjesina" entscheidenden Kinfluss. Nach seinem Plane wird das Haus gebaut und die Wohnungen den einzelnen Mitgliedern zugetheilt; den mittleren, hervorragenderen Theil desselben bewohnt er selbst. Fr regelt die Arbeitszeit und wenn die P^amilie keine handeltreibende ist, so werden alle Feldarbeiten stets unter seiner Überaufsicht verrichtet. Schon am frühen Morgen zieht der ganze Trupp auf's Feld hinaus und besorgt mit Hülfe der kleinen Pferde fleissig die Arbeit. — Gegen Mittag stellt der Starjesina die Feldarbeit ein und giebt das Zeichen zum Mahle, welches gleich im Freien, im Schatten eines dichtbelaubten Baumes eingenommen wird. — Die einfachen Gerichte kochen die älteren Frauen entweder zu Hause und bringen sie für die ganze Familie auf das Feld, oder sie werden gleich am Felde in der Nähe eines Baches oder Brunnens bereitet. — Vor dem Essen wird gemeinsam mit grosser Andacht gebetet. Ist die Mahlzeit beendet, dann tanzen die lebenslustigen Mädchen nach den Klängen der „Gaida", „Gusla" oder „Svirala" einen Kundtanz. Nach und nach mischen sich auch die Jünglinge hinein, die ruhige, eintönige Musik wird rascher, lustiger, der Tanz lebhafter, die leichten Kleider der Frauen bewegen und drehen sich im Winde und die im Schatten des Baumes lagernden Alten ergötzen sich an dem Anblicke des schönen beliebten Nationaltanzes, des „Kolo", welcher langsam tändelnd beginnt und, immer feuriger werdend, schliesslich mit fieberhafter Schnelligkeit endet. — Dann verstummt das einfache Musikinstrument, der Tanz hört auf, und anstatt ermüdet 7.u sein, wird mit vermehrter Lust die Arbeit wieder aufgenommen, welche dann ohne Unterbrechung bis in den späten Abend datiert. Sowie die Familie wieder in das einfache Wohnhaus zurückgekehrt ist. verrichten die Frauen die häuslichen Geschäfte, wozu auch die Pflege des niemals fehlenden kleinen Blumen gärtchens gehört, während die Männer, besonders die Alten, vor dem Hause lagern und in die schöne Landschaft träumerisch hinausblicken, was ihnen besonders Vergnügen bereitet und womit sie vieleStunden vergeuden können. — Wrird es Nacht, dann versammelt sich die ganze Familie in der geräumigen Wohnung des Starjesina, wo man nach den unvermeidlichen Gebeten das einfache Nachtmahl einnimmt. -- Nach dem Nachtmahl setzen sich die weiblichen Hausgenossen zusammen, spinnen, nähen und sticken, während hübsche Märchen erzählt werden. Gerade so wie bei den Römisch-Katholischen ist auch bei den Griechisch-Orientalen das Familienleben ein sehr inniges, doch nimmt die Frau auch hier eine sehr untergeordnete Stellung ein. — Obwohl ihr kommunales Zusammenleben keine sehr feste Organisation besitzt, so finden wir trotzdem einen ausgesprochen einheitlichen Zug in jeder Familie. Befindet sich z. B. ein Weib in anderen Umständen, dann konzentrirt sich die Aufmerksamkeit der ge-sammten Familie auf ihre Person. Es giebt keine „Hadzika", Hebamme, die nicht aufgesucht würde, um heilkräftige Kräuter, Amulette oder andere heilige Sachen von ihr zu verlangen, denn der Aberglaube dieser Leute erblickt, in all' diesen Dingen überirdische Kräfte. — Auch den Neugeborenen empfängt die ganze Familie mit Freuden. Wie arm sie auch immer sei, der neue Zuwachs wird nie als eine Last, sondern als ein herzlich willkommener Gast betrachtet! In Krankheiten kennt der Bosniak keine ärztliche Behandlung, glaubt auch nicht an ihre Wirkung, sondern die Familie geht an bestimmten Tagen des Jahres, in der Regel im Monat August, hinaus aufs-Feld, um allerlei Heilkräuter zu sammeln, die sich bei verschiedenen Krankheiten durch lange Jahre als gute Arzneien bewährt haben. — Es giebt Frauen, welche nichts anderes thun, als Heilkräuter sammeln, denen sie nicht nur grosse Wirkung für die Gesundheit, sondern meistens auch eine ausserordentliche Zauberkraft zuschreiben. Der gewöhnliche Bosniake glaubt jedoch weniger an ihre Wirkung, als vielmehr an die Kraft, welche die mit ihrer Anwendung verbundenen lächerlichen Sprüche und Ceremonien besitzen! — So wird z. B. an einigen Orten gegen Fieber das Häutchen eines Eis über den Finger gezogen, wo anders wird wieder ein Eidechsenschwanz am nackten Körper getragen. Als gutes Mittel gegen Bleichsucht pflückt man drei Aepfel vom Baume, welche auf einem Zweige beisammen wachsen, vollkommen roth und reif sind, dann durchschneidet man einen von diesen Aepfeln mit einem Messer, das Messer bleibt sodann 24 Stunden lang im Apfel stecken, worauf der Kranke den Apfel isst und den Rost auf dem Messer in ein Glas Wein oder „Raki" schabt und dieses derartig bereitete Getränk geniesst Gegen Schlangen-biss wird Tabaklauge angewendet, u. s. w. — Doch bilden ausserdem noch Aderlass und Blutegel sehr häufig angewandte Heilmittel. Da Aberglaube und Hexerei unausrottbar bei den Bos-niaken und besonders bei den Griechisch-Orientalen Wurzel gefasst haben, so geschieht es nicht selten, dass der Kranke, um ihn zu kuriren , in ein Kloster getragen wird; denn die I-eute bilden sich ein, dass jede Krankheit die böse 01ge irgend einer Hexerei sei, oder dass die Hexe Selbst den betreffenden besessen hat, um ihn als zeitweilige Wohnung zu benützen. Demnach ist es unbedingt 0e5terrcich.Ungarn. 7 nothwendig, diesen bösen Geist durch Anwendung verschiedener heiliger Mittel zu vertreiben. — Nicht wenig tragen die Popen zur Verdummung des Volkes dadurch bei, dass sie dasselbe in ihrem Irrwahn noch bestärken und ihnen hilfreiche Hand leisten. — In der Regel legt man bei solchen ..Austreibungen" den Kranken, mit dem Gesichte zur Erde gekehrt, auf den nackten Boden und streut rechts und links von ihm Salz oder Knoblauch aus, denn Knoblauch können die Hexen nicht vertragen! Nachdem der Kranke auf diese Art längere Zeit gelegen hat, schreitet ein altes, geheime Kräfte kennendes Weib, oder ein Pope, unter Anwendung verschiedener geheimen Sprüche und Zeichen, mehrmals über den Rücken des Kranken, auf dem ein Kreuz aus Salz gebildet wird, hin und her. Hierauf wird der Kranke, nachdem er noch mit einem zauberkräftigen Bande oder Bindfaden versehen wurde, mit der sicheren Ueberzeugung heimwärts getragen, dass er nunmehr von seinen schweren Leiden geheilt ist! Die Mohamedaner Bosniens sind zum grössten Theil Nachkommen von Christen, die in alten Zeiten zum Mohamedanis-mus übergetreten waren. — Sie theilen sich in drei Hauptklassen: in Grossgrundbesitzer, städtische Kaufleute und arme Ackerbauer. — So lange die Türken im Lande herrschten, waren natürlich die Mohamedaner die dominirende Klasse, aber jetzt, seitdem Oesterreich-Ungarn die Gesetze in Bosnien diktirt, ist ihre frühere Macht gebrochen, und da sie zäh und beharrlich an ihren alten, traditionellen Sitten, an ihrer gewohnten Trägheit hängen, so bleiben sie natürlich unter dem neuen Kegime, welches nach allen Richtungen eine möglichst kulturelle und wirthschaftliche Hebung des Landes erfolgreich anstrebt, zurück, und der Verfall, die Verarmung aller dieser drei mohamedanischen Berufsklassen tritt täglich merklicher hervor. — Jede Handlung, jedes Wort, jeder Gedanke des bosnischen Mohamedanismus ist mit dessen Religion auf das Innigste ver- knüpft, und es ist jedenfalls sonderbar, dass diese Mohamedaner, welche im übrigen auf das ausgesprochenste den Charakter des Slaventhums besitzen, sich in die Lehren des Koran so sehr hineingelebt haben, 'dass sie an Religiosität alle übrigen Islamitischen Völker weitaus übertreffen! — Ihnen gilt nur als heilig, was der Koran vorschreibt, Alles übrige wird verpöhnt und verachtet. — Dabeisind sie auch allen Neuerungen und Reformen feindlich gesinnt, denn sie befürchten, dass der äussere Einfluss das Volk in seinem Glauben erschüttern würde. — Und sie betrachten als Freund nur denjenigen, der ihren Glauben anerkennt! — Die Kleidung der bosnischen Mohamedaner ist beinahe gerade so, wie die der Türken. Kurzer Rock, unten enge und oben ausserordentlich weite Beinkleider; im Winter einen pelzgefütterten Kaftan, und auf dem Kopfe einen mit Goldfaden gezierten weissen Turban. — Alle Mohamedaner haben eine ganz eigenartige Sitzweise; sie kreuzen nämlich die Füsse unter sich und halten die Hände im Schoosse. — In dieser Situation sind sie im Stande, 10—12 Stunden lang zu bleiben, ohne aufzustehen oder Unbehagen zu empfinden. — Der Bosniak schlägt ;iber nicht blos bei Gelegenheit des Sitzens die Füsse unter sich, Sondern auch auf der Gasse, überhaupt überall, wo er irgend etwas mit Interesse betrachten will. Dabei setzt er sich aber nicht ganz nieder, sondern kauert blos, was er merkwürdigerweise gerade so lange aushält, wie das Sitzen. — Stets trägt cler mohamedanische Bosniake seinen Tsibuk sowie seine bunte Tabaksdose bei sich, und schon das „sechsjährige" Kind raucht mit derselben Leidenschaft, wie die Männer und Frauen. 1 lochst selten kann der mohamedanische Bosniake lesen und schreiben, und dann auch nur türkisch. — Im allgemeinen 1st «fe Umgangssprache sowohl im Familienleben, als auch im geschäftlichen1 Verkehr ein wohlklingendes Idiom der kroati- sehen Sprache, tind blos beim Beten benützt man die türkische Sprache. Will ein Fremder einen mohamedanischen Bosniaken sprechen, so kann er ihn niemals in seiner Wohnung besuchen, sondern muss ins Kaffeehaus gehen. — Die Kaffeehäuser spielen in Bosnien eine grosse Rolle, selbst das kleinste Dorf hat ein solches. Sämmtliche Mohamedaner der Ortschaft kommen täglich hierher und bleiben, wenn sie nichts anderes zu thun haben, mit geringer Unterbrechung von Morgens bis Abends. Sie sind dann im Stande, 10—15Tassen Kaffee nach einander zu trinken, die in winzigen, fingerhutförmigen Schalen gereicht werden. — Das Kaffeehaus besteht meistens aus schmutzigen, niederen Stuben, und in der Holzwand über der Thüre ist ein kleiner Feuerherd angebracht, wo der Hauswirth, der meist selbst alle Geschäfte verrichtet, den Kaffee bereitet. — Das Mobiliar besteht aus einer einfachen, rund um das Zimmer laufenden Holzbank, die mit einer Strohmatte bedeckt ist. — Dichter Tabaksqualm erfüllt den schmutzigen, übelriechenden Raum, denn die Anwesenden rauchen die ganze Zeit. — Sowie der Mohamedaner ins Kaffeehaus tritt, legt er seine Pantoffel ab, nimmt auf der Holzbank Platz, schlägt die Beine unter und sitzt dort unbeweglich an einer Stelle 3—4 Stunden, stets vor sich hinstarrend, ohne nur ein Wort mit den anderen Gästen zu sprechen. Ja, er nimmt es sogar sehr übel, wenn er (bei seinem stummen Hinstarren gestört wird. — Es giebt Leute die Tagelang nebeneinander sitzen und nichts anderes reden, als dass der eine fragt: Wie viel Uhr ist es? Oder: Wie ist das Wetter u. s. w., worauf der Andere ebenso lakonisch antwortet.— Wollen die Mohamedaner endlich das Kaffeehaus verlassen, dann stehen sie plötzlich auf, führen zum Gruss, gerade so wie beim Kommen, die Hand an die Stirne, ohne nur irgend Jemanden ein Abschiedswort zuzurufen oder zu sagen, wohin sie gehen, und treten dann aus der Thüre. Wünscht ein Fremder bei Tage Einlass in das Haus eines bosnischen Mohamedaners, so wird er schon an der Thüre von einem männlichen Familienglied oder einem Diener empfangen, welcher misstrauisch und barsch fragt: „Was suchst Du?" und ihm die Thüre vor der Nase zuschlägt, wenn er den Hausherrn zu sprechen wünscht, gleichgültig, ob dieser zu Hause ist oder nicht. Erst dann lässt er sich mit ihm durch das Gitter in ein längeres Gespräch ein. — Diese Leute nennt man die „Lauer". In jeder grösseren Familie bleibt zu diesem Zwecke Jemand zu Hause, bei reicheren wird eigens ein Diener gehalten. — Die Aufgabe dieser „Lauer" besteht eigentlich darin, für den Hausherrn die Frauen zu bewachen, doch bewacht er sie nicht deshalb, damit sie nicht verführt oder entführt werden, sondern damit der Fremde, welcher etwa die Schwelle des Hausthores überschreitet, nicht zufällig das Antlitz der Gattin oder erwachsenen Tochter erblickt, denn hierüber Wacht man in Bosnien auf das peinlichste. Eine grosse Rolle im Leben der bosnischen Mohamedaner spielen auch die „nächtlichen Besuche." In jedem vornehmen bosnischen Hause befindet sich ein grösseres Zimmer, in der Kegel mit den Fenstern auf die Gasse, welches zur Aufnahme aller männlichen Nachbarn und guten Freunde dient. — Der Fussboden desselben wird stets ausserordentlich rein, fast glänzend gehalten; in der einen Ecke befindet sich das „Nar-gile", Wasserpfeife, das „Tütündschli", Tabaksbehälter und das »Cibnkci", Pfeifenstopfer, in der anderen, wenn es Winter ist, die grosse rothe Kupferschüssel voll glühender Kohlen. — Der Hausherr nimmt in der Mitte der rund um das Zimmer laufenden Holzbank Platz, die übrigen setzen sich je nach ihrem Alter rechts und links von ihm. — Jeder Eintretende zieht Seine Schuhe aus und tritt entweder in Strümpfen oder in sehr Tünnen, aus weichem Leder verfertigten unteren Pantoffeln ein- - Hat ein Besucher sich endlich niedergelassen, dann nimmt er aus seiner Tasche den Tabaksbeutel und ohne dass cr sich auch nur im geringsten um Jemanden kümmern oder interessiren würde, dreht er sich eine Cigarette. Ist diese endlich fertig, dann erscheint das „Cibukci" vor ihm und reicht ihm mit einer kleinen Zange eine glühende Kohle, um sie anzuzünden. — Sowie den Gast das Cibukci verlassen hat, steht auch schon das „Kavedzi" mit einem Gefässe da, welches ein kleiner Messingthurm bedeckt und giesst schwarzen Kaffee in eine fingerhutgrosse Porzellantasse, die sich wieder in einer anderen Kupferschale befindet, um sie handlicher zu machen. — Die Fremden erhalten bei dieser Gelegenheit auch Zucker, die Mohamedaner trinken den Kaffee ohne denselben. — Ein jeder Gast sitzt wie ein kleiner König auf seinem Platze. — Während des Gesprächs fällt niemals einer dem anderen ins Wort. — Sie reden wie geschickte Schauspieler, die ihre wohlstudirten Rollen hersagen. — Einer spricht nach dem anderen, niemals mehrere gleichzeitig. — Der Aelteste redet zuerst u. s. w., und es gehört keineswegs zu den Seltenheiten, dass der Jüngste der Gesellschaft an der ganzen Honoration nur insofern theil-nimmt. dass er mit dem Kopfe ja oder nein nickt. In ihre Dialoge flechten die Mohamedaner bei solchen Gelegenheiten recht gelungene, manchmal sogar sehr tiefsinnige Sprichwörter, an denen sie ausserordentlich reich sind. -Während alle im Katfeehaus bis zur Lächerlichkeit schweigsam sind, erzählen sie einander bei solchen nächtlichen Besuchen Alles, was im Hause, in der Stadt und eventuell, wenn Jemand von einer Reise zurückgekehrt ist, was dort, wo er sich gerade aufgehalten hat, geschehen ist. — Der Mohamedaner ver. schweigt dem Mohamedaner nichts, denn er ist überzeugt, dass der Andere für ihn die aufrichtigste, hingehendste Freundschaft hegt. — Sie benutzen zwar jede Gelegenheit, um den Fremden mit ihren Kniffen zu betrügen, aber unter ihnen geschieht niemals eine Ungerechtigkeit. — Sie streiten nur mit einem Andersgläubigen, niemals unter sich, — Einen Andersgläubigen zu betrügen, zu schädigen, halten sie für kein Verbrechen oder Vergehen; ja, sie erachten es für ihre Pflicht! Und diese Anschauung ist bei ihnen bereits so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass die gesammte Civilisation der Welt nicht im Stande wäre, sie in dieser Beziehung zu bessern. Bei Gelegenheit dieser „nächtlichen Besuche" planten und entschieden sie in früheren Zeiten die wichtigsten Sachen, or-ganisirten die furchtbarsten Aufstände und verabredeten irgend ein infames Manöver gegen einen, unglücklicher Weise in ihre Hände gefallenen fremden Kaufmann. — Was bei solch' nächtlichen Besuchen der Rath der Weisen beschlossen hat, gilt als heilig, wird von ihnen unbedingt gehalten und dafür setzen sie sogar ihr Leben ein. Hier schliessen sie auch nach vorangegangener Verabredung Verträge im grösseren Stile, zu welchen dann in der Regel der „Mudir", Bürgermeister, gerufen wird, welcher den Kontrakt beglaubigt und sein grosses Siegel darauf drückt, wofür er ein „Bakschis", Trinkgeld, erhält. Berathen die Mohamedaner bei solchen nächtlichen Besuchen über Landesangelegenheiten, dann sitzen sie meistens bis in den grauenden Morgen, sodass sänimtliche Anwesende dann gleich in die „Dzamia" eilen, denn schon mit Tagesanbruch stimmt der „Muezzin" die schönsten heiligen Lieder an, um die Gläubigen zum Morgengebet aufzufordern. — Bevor dann die Gesellschaft auseinander geht, bringt man eine grosse Kupferschüssel mit Krügen herein, damit sie das „Avedes", die Waschung, verrichten können. — Haben sie aber nicht wegen Landesangelegenheiten berathschlagt, dann dauern die Besuche blos bis zehn Uhr Abends. Um diese Zeit erheben sich alle auf ein gegebenes Zeichen von den Sitzen, führen die Hand a's Abschiedsgruss an die Stirne und gehen nach Hause. i Ladet der Mohamedaner Gäste ein, dann wird die Mahlzeit weder im Harem, noch in Gesellschaft der Frauen, sondern lrn- „Selamlik" u. z., besonders beim wohlhabenden Moha-niedaner, mit ziemlich festlichem Anstrich abgehalten. — Ks nehmen bei derartigen Gelegenheiten die Pamilienmitglieder und Gäste inmitten des Selamliks, auf einer Matte oder Teppich kauernd oder knieend, Platz, umringt von einer oft übergrossen Anzahl Diener, in respektvoller Haltung, von denen jeder sein genau bezeichnetes Amt zu verrichten hat. — Auf den in die Mitte gestellten Holzschemel, um den alle Gäste kauern und der als Tisch dient, legt man den aus Holz oder Messing verfertigten, mit verschiedenen Schnitzereien verzierten „Tepsia". — An manchen Orten besteht dieser Tepsia aus edlem Metall, repräsentirt einen grossen Werth und wird als Familienreliquie geführt. — Man legt nur so viele Löffel hin, als Gäste da sind, ein weiteres Esszeug benutzt man fast gar nicht. — Das ungesäuerte, einige Centimeter im Durchschnitt habende Brod, „Pogac", brechen die Mohamedaner mit der Hand. — Die verschiedenen Speisen stellen die Diener in Schüsseln, welche die Form grosserSchalen haben, auf den Tepsia. — Der Hausherr beginnt zuerst mit der mit „Corba", Suppe, gefüllten Schüssel, aus welcher dann Jeder mit seinem Löffel schöpft und isst, denn es giebt auch keine eigenen Teller für jeden Gast. — Auf die Corba, welche Farbe und Geschmack der Milch hat, folgt Fleisch, meistens kleingehacktes Lammfleisch, hierauf die „Pipta", Mehlspeise, in grosser Quantität, schliesslich der unausbleibliche „Pilaf", Reis. — In der Regel reihen sich an diese Hauptspeisen noch süsse oder gestockte Milch, Haselnüsse, wälsche Nüsse und Honig, denn bei keinem Mahle dürfen Süssigkeiten, die der Mohamedaner sehr liebt, fehlen. — Als Getränke wird nur Obstgeist oder Wasser in glänzenden, prachtvollen Trinkge. fassen gereicht. — Bei reichen Leuten bereitet man einen Theil der Speisen, besonders Mehlspeisen, mit Rosenwasser, Oel und Honig. — Während der ganzen Essenszeit hört man fast kein Wort. Das Ganze hat einen feierlichen, ernsten und würdevollen Anstrich! — Sowie die Mahlzeit beendet ist, werden Schüsseln, Tepsia und Schemel hinausgetragen und ein Diener bringt eine grosse Messingschüssel nebst einem mit Wasser gefüllten Krug herein, welchen er zum Waschen herum trägt. — Manche waschen sich nicht nur Hände und Mund, sondern auch Augen, Ohren und Nase und Alle wischen sich an einem, gewöhnlich mit Silber- und Goldfäden gestickten Tuche ab, welches die Diener vor Beginn des Speisens über ihre Kniee gebreitet haben. — Nach Beendigung des Waschens erheben sich die Gäste von ihren Plätzen und nehmen auf der das Zimmer ringsumsäumenden, mit Teppichen bedeckten Holzbank Platz, wobei sie die Füsse unterschlagen. Der Punkt, wo der kissenförmige „Mindar" liegt, deutet den Platz des Hausherrn an. — Jetzt beginnen die Diener hin- und herzueilen, einer oder zwei serviren die kleinen Kaffeeschalen, ein Anderer reicht süssen „Rahatlokum" umher, die Uebrigen stopfen Tschibuks, bringen „Nargilehs" in Ordnung, oder präsentiren jedem Feuer oder sie bringen zur Zerstreuung der Herren Würfel, Karten oder andere Spiele. Die bosnischen Mohamedanerinnen leben gerade so wie alle Mohamedanerinnen in der Türkei, nur dass sie hier in Bezug auf die religiösen Gebräuche noch strenger die angenommenen Formen und Vorschriften einhalten und leider noch mehr das Spielzeug des Mannes bilden, welches er nach Dust und Laune aufputzt oder vernichtet. —-Sie ertragen mit bewunderungswürdiger Pmtsagung die Lasten des Lebens, das ihnen sogar wenig Preude und Genuss bietet. Immer sitzen sie zu Hause, und zwar ausschliesslich in dem ihnen angewiesenen, meistens nur vier Schritte langen und ebenso breiten Zimmer, welches man "Harem1, nennt. Wenn wir den Harem näher anblicken, so sehen wir, dass er nicht im geringsten so beschaffen ist, wie man ihn Slch häufig höchst phantasiereich vorträumt! — Nimmt das Haus eines Mohameclaners nicht mehr als „zehn" Quadratmeter ein, so verwendet er fünf auf den Selamlik und fünf auf den Harem. — lm Selamlik hält er sich mit seinen Söhnen auf, lm Harem wohnt seine Frau mit ihren Töchtern. — Niemand hat das Recht, ihn bei Tag oder Nacht dort zu stören oder herauszurufen. — Diese Sitte hält man in Bosnien sehr streng und dehnt sie sogar so weit aus, dass, wenn Jemand bei einem Mohamedaner eine Rechnung einkassiren will und die Dienstboten antworten: „Der Herr ist im Harem!" er sich, ohne ein Wort zu verlieren, augenblicklich wieder entfernen muss. — Der Harem ist so winzig und so elend eingerichtet, dass Frauen anderer Nationen darin ganz sicher vor Frost zittern würden! Jedoch die bosnischen Mohamedanerinnen sind schon daran, sowie an die vor Schmutz starrende Ar muth, die ihnen hier an allen Ecken und Enden entgegengrinst, gewöhnt. Sie ertragen all' dies mit einer derartigen bewundernswertben Ergebenheit, wie sie nur das blinde Vertrauen in die Religion zu bieten vermag. — Einzig und allein bei dem einen oder anderen reichen Beg findet man besonders erbaute Häuser für die Frauen, wo ihnen ganze Wohnabtheilungen zur Verfügung stehen, hier giebt es aber dann auch viele Frauen« — Manchmal kommt es auch vor, dass mehrere Brüder ihre Frauen und erwachsenen Töchter in einem grösseren Hause gemeinschaftlich unterbringen. Im Harem giebt es keine Möbel! Den Fussboden bedeckt eine Matte, auf welche gewöhnlich bereits zerlumpte Teppichstücke ausgebreitet sind; zum Sitzen oder Liegen dient die rund um das Gemach laufende einfache Holzbank. — Ein regelmässiges Bett existirt hier nicht, sondern die Mohamedaner machen sich ihr Nachtlager entweder auf der das Zimmer umgebenden Bank oder in der Mitte des Gemaches auf dem Fussboden; nehmen zu diesem Zwecke Polster und anderes Bettzeug aus den Schränken und schlafen entweder ganz oder halb angezogen. — Da sie ihre Stoffkleider selten ablegen, so leiden sie, die Reichen nicht ausgenommen, an furchtbarer Unreinlichkeit und an ihrem Körper wimmelt das Ungeziefer! — Zur Beleuchtung benützt man eine vom Mittelbalken herab- hängende Lampe, welche Abends nur für kurze Zeit angezündet wird, obgleich im Zimmer auch tagsüber eine solche Finsterniss herrscht, dass nur jene, die daran gewöhnt sind, darin arbeiten können, denn die Fenster sind durch weisse oder geblümte Vorhänge sorgtältig verhängt und meistens noch ausserdem mit Holzgitter versehen. In Folge dieser elenden Unterkunft und, da sie fast nie in's Freie kommen, sehen die mohamedanischen Frauen beinahe ausnahmslos blass und krankhaft aus! — Der Harem wird aber von jedem Mohamedaner als heiliger Ort betrachtet, dessen Schwelle kein Fremder betreten darf, ja selbst der Gatte geht nicht in den Harem seiner Frau, wenn weibliche Gäste bei ihr sind. — Die Tracht der bosnischen Muhamedanerinnen ist bunt, bizarr, und hat sich seit Jahrhunderten in gar nichts geändert. — Obwohl sie den Glanz und Putz in ihrer Kleidung ausserordentlich lieben, so streben sie doch nur darnach, damit ihrem Gatten zu gefallen, der denn auch ihrer Vorliebe für schöne Toilette, soweit es in seiner Macht steht, nachgiebt. — Die Frau hat zweierlei Kleidung, ein „Alltags-" und ein „PVst tagsgewand". — Beide sind dem Schnitte nach nicht blos bei einzelnen, sondern bei sämmtlichen mohamedanischen Frauen gleich. — Hat der Gatte einmal ein neues P*esttagsgewand anfertigen lassen, dann dauert dasselbe auch 15—20 Jahre, ja es geht meistens auch noch auf die Töchter über. — Daher werden bei den P'estkleidern keine Kosten gescheut, und Manchmal ist der Werth eines solchen grösser, als das Plans mit seiner ganzen P^inrichtung. — Das Kleid Wlrd mit schweren Goldposamenterien vollgenäht und das nPeskir", Tuch, oder den „Icerma", Seidenleibchen behängt man überdies noch mit „Sari-Medjedien". — An Wochentagen besteht die Kleidung der Frau im Harem aus einer aus „Basma", eine Art Stoff, angefertigten, nicht sehr weiten, buntgeblümten Pumphose, welche „Salvar" heisst; einem mit weiten Aermein versehenen, aus MollstofT angefertigten Hemde, das man „Kosulje" nennt und welches, ausser dass es etwas länger ist, ganz denselben Schnitt wie ein Männerhemd hat, den Kopf deckt ein „Fez", an welchem sich ein reichgesticktes weisses Tuch befindet. — Die Fussbekleidung besteht aus sehr kurzen, „Corab" genannten Strümpfen und aus Pantoffeln. — Die FVau zieht die Hose auf den blossen Leib an, wie die Männer, nur dass die Frau dieselben sowohl unten als oben stark zusammen zieht und in einen Knoten bindet. — Ueber diese Pumphose trägt sie das aus durchsichtigem Stoff angefertigte Hemd derartig, dass sie die rechte oder linke Seite aufschürzt und an der Hüfte in die Pumphose steckt. — Das aus bunten Stoffen verfertigte Leibchen ohne Aermel ist vorn so tief ausgeschnitten, dass die Brust ganz entblösst bleibt, weil auch das Hemd vorn einen gerade so tiefen Ausschnitt wie das Leibchen hat. — Wenn das Mädchen heirathet, wird ihm das Plaar vorne und rückwärts abgeschnitten, und diejenige, der vorher keine langen Haare gewachsen sind, schneidet dasselbe ihr ganzes 1 .eben lang hindurch immer aufs Neue ganz so wie die Männer ab und bindet über den, auf dem Kopfe befindlichen Fez noch ein anderes weisses Tuch, das oben die Stirn, rückwärts aber blos den Halstheil bedeckt. — Hatte aber die Frau als Mädchen langes Haar und ist sie auch ein wenig eitel, dann schneidet sie vorne wohl ihre Haare, weil dies die Religion vorschreibt, aber rückwärts lässt sie dasselbe wachsen, ordnet es in schöne Flechten und bindet zu Hause dann kein Tuch mehr über den Fez. — Die Mädchen stülpen einen aus rothem, blauem oder schwarzem Sammet gemachten, mit reicher Goldstickerei gezierten Fez auf den Kopf. — YÄn solcher Fez hat aber nie eine Troddel, sondern nur ein kleines Goldknöpfchen. Wenn die Frau das Haus verlässt, benutzt sie die sehr weite „Dimij.'i", Pumphose, zieht über die Pantoffeln unförmig grosse, aus rothem oder gelbem Leder gemachte Stiefel. .Jemenie" an, welche absolut nicht die Kleinheit und Schönheit des Fusses hervorheben, hüllt den Körper in das weite, lange, grüne und dunkelrothe „Feredze" und bindet über Kopf und Antlitz das schneeweisse „Pezkir". — Um den Hals hängt das erwachsene Mädchen eine rothe Perlenschnur, die FYau an ein Band genähte Goldmünzen. — Solch ein mit Dukaten geschmücktes Plalsband hat häufig eine sehr eigenthümliche Geschichte: Sowie nämlich das Mädchen auf die Welt kommt, wird, wenn sich im Hause auch nur ein einziges Goldstück befindet, dasselbe für sie bestimmt, ausserdem wird aber auch noch bei Gelegenheit eines jeden freudigen Moments je ein Dukaten für das Halsband des kleinen Mädchens bei Seite gelegt. Je mehr Dukaten daher an diesem Halsband hängen, unter desto mehr Freuden ist das Mädchen aufgewachsen. — Den Festmantel, welchen die mohame-danische Frau sehr in Ehren hält, benützt sie am Freitag sowie bei Gelegenheit eines jeden Beirams. Er hat aber keinen anderen Schnitt als wie der gewöhnliche Mantel und unterscheidet sich nur dadurch von ihm, dass er viel glänzender und reicher aussieht. Ehe sie dieses Kleid anzieht, nimmt sie ein vollständiges Bad. Ein solches befindet sich in jedem mohame-danischen Hause, hat aber meistens nur den Umfang einer grossen Blechpfanne und ist mit einem eine Spanne breiten Rand versehen. Doch das genügt merkwürdigerweise der Frau für ihr Bad, weil das ganze Bad aus nichts anderem besteht, als dass sie sich in diese Pfanne stellt l|nd eine Kanne Wasser über ihren Kopf giesst! Dabei darf s*e sich aber nur von oben nach unten, niemals aber von l,nten nach oben waschen. Jeder Wassertropfen, der über den Körper geflossen ist, gilt als unrein, als Gegenstand des grössten Ekels und wird durch einen Zapfen auf die Gasse abgelassen. Ausserdem wird es für eine grosse Sünde gehalten, dieses unreine Wasser mit der Hand zu berühren, und wer dies aus Irrthum dennoch gethan hat, muss sich sofort nochmals vollständig baden. — Jede Moha- medanerin betet, obzwar sie kein Wort lesen kann, täglich fünfmal, eben so oft muss sie sich auch Stirne, Antlitz, Ohren, Mund, Hände bis an die Ellbogen und die Füsse waschen. — Sobald der ..Muezzin" auf der Spitze des schlanken Minarets seine melancholischen Melodien anstimmt, eilt die Frau sich zu waschen und betet mit der hingehendsten und inbrünstigsten Andacht. — Hauptsächlich ist es das Gebet, welches ihre Seele erhält und in ihre einförmige, langweilige Tagesbeschäftigung einige Abwechslung bringt. — Hat die Frau jemanden geküsst, selbst den eigenen Gatten, dann muss sie sofort derartig ein Bad nehmen, dass kein Haar an ihr trocken bleibt! Die bosnische Mohamedanerin ist nicht nur wegen ihrer übergrossen Bigotterie ausserordentlich tugendhaft, sondern weil ihr in Folge der eigenthümlichen Eintheilung der Wohnräume jede Gelegenheit benommen wird, mit einem Manne ausser dem Gatten in Berührung zu treten. Hierzu kommt noch die drakonische Sitte, dass die Frau wegen eines einzigen Fehltrittes nicht nur vom Mann für ewig verachtet und aus dem Hause gejagt wird, sondern dass auch ihre eigene Familie selten geneigt ist, sie zurückzunehmen und öfter geschieht es, dass der eigene Bruder die unglückliche Schwester nieder-schiesst, weil er den Schandflecken nicht dulden will, der dadurch auf der Familie haftet. — Keineswegs knüpft aber jenes innige seelische Band, welches bei uns das Ehepaar mit unzertrennlichen Ketten bis ans Lebensende vereinigt, die moha-medanische Frau an den Mann. Sie theilt nicht seine Sorgen, hilft ihn nicht bei der Arbeit, tröstet ihn nicht im Kummer und eifert ihn nicht an, wenn er verzagt, sie fesseln nur die Regeln des Korans an den Gatten, Regeln, welche i bisch were Pflichten auferlegen und keine Rechte einräumen. — Um iure Lage möglichst ertraglich zu machen, ist sie daher bestrebt, dem Gatten so viel wie möglich zu gefallen und wendet alles mögliche an, um dies mit Erfolg durchsetzen zu können. — Da sie sehr sorgsam auf die Pflege ihres Gesichts sowie ihrer Hände bedacht ist, so bietet sie alles auf, die Frische und Feinheit der Haut zu erhalten und greift selbst zu künstlichen Mitteln, mit denen sie ihre Augenbrauen, Lippen und Nägel schminkt. Die Frau besorgt nur jene Arbeit, welche sie im Zimmer auszuführen vermag. — Sie kocht, näht und wäscht. — Bei Armen wird nur einmal in der Woche gekocht, hierauf theilt die Frau die gekochte Speise in sieben Portionen und füllt damit sieben verschiedene Gefässe. Ein solches Gefäss mit Speise wird dann jeden Tag aufgewärmt und bildet das Familien« mahl. — Nur bei den Reichen kocht man täglich, aber in derartigen Häusern betritt die Frau niemals die Küche, sondern lässt alles durch Dienstboten besorgen. — So lange das Mädchen klein ist, verrichtet es auch auswärtige Arbeiten, wenn es aber das 11. oder 12. Jahr erreicht hat, kommt es sofort in den Harem und unterliegt eben so strengen Vorschriften, wie die verheirathete Frau, ja man bewacht es sogar noch schärfer, denn ein Mädchen von schönem Aeusseren und reinen Sitten ist der Stolz der ganzen Familie. — Eine Lieblingsbeschäftigung der Frau bildet das Kaffeekochen, Cigaretten-machen und die Erzeugung von goldgestickten Tüchern für den Mann, welche derselbe beim „Avedes", Waschen, benützt. Hat in Bosnien das mohamedanische Mädchen ihr zwölftes Lebensjahr vollendet, dann denken die Eltern ernstlich daran, S]e zu verheirathen, theils weil sie sich von einer überflüssigen Last ihres Harems befreien wollen, theils um die grosse Sorge 'hrer Bewachung los zu werden. — Von selbst findet sich aber selten ein FYeier, weil das Mädchen, gerade so wie die Frau, von keinem Manne gesehen werden darf. Die Eltern sind daher gezwungen, sich einer weiblichen Mittelperson zu bedienen, um einen Gatten für das heirathsfahige Mädchen zu suchen. — Natürlich kann unter derartigen Verhältnissen das Mädchen nicht wählerisch sein, es hat gar keinen Willen, die Heirath wird nur als ein religiöser Akt betrachtet und die alte Sitte, dass sich das liebende Pärchen aus freien Stücken durch Flucht vor einer verhassten Heirath rettet, findet man nur noch höchst selten. — Bei den bosnischen Mohamedanern sind drei Verlobungsarten üblich. Die erste oder älteste Art, welche aber immer seltener wird und nur noch bei der ärmsten Klasse Anwendung findet, ist die „Verlobung durch den Schuss-'. Sie besteht darin, dass das Mädchen den Jüngling kennt, mit ihm mehrmals durch eine Ducke der Einzäunung verstohlen gesprochen und den Entschluss gefasst hat, sich von dem Jüngling an einem bestimmten Tage „rauben" und in sein Haus bringen zu lassen. — Der Jüngling, welcher dies ausführen will, verständigt einige gute Freunde und geht dann zum „Hodza", dem er meldet, dass er an einem bestimmten Tage um 10 Uhr Vormittags, bei Gelegenheit eines Mädchenraubes, „schiessen" werde. — Der Hodza hält die Angelegenheit bis dahin geheim. — Am bewussten Tage setzt sich der junge Mann bewaffnet mit einer geladenen Pistole aufs Pferd, reitet vor das Haus seiner Geliebten, die dicht verschleiert wartet, hebt sie zu sich auf das Pferd und galoppirt mit ihr in raschem Tempo davon. Plündert bis zweihundert Schritte vom Hause der Eltern entfernt, nimmt er dann die Pistole aus dem Gürtel und schiesst in die Luft, worauf auch die an verschiedenen Punkten der Stadt oder des Dorfes postirten guten Freunde ihre Pistolen abfeuern. — Diese Schüsse geben der ganzen Stadt bekannt, dass irgendwo ein Mädchenraub stattgefunden hat. — Nun ist es dringendste Pflicht des Hodza's, durch einen Diener die Eltern zu verständigen. — Der Jüngling führt das Mädchen in den für sie bestimmten Harem, dort lässt er sie allein und geht in sein Zimmer, wo sich bereits seine guten Freunde versammeln. — Sowie die Eltern die Flucht ihrer Tochter erfahren, eilen augenblicklich sämmtliche weibliche Verwandten zu ihr, denn wenn sie auch von dieser Heirath nicht befriedigt sind, so könnten sie das Geschehene doch nicht mehr gut machen. Für das Mädchen wäre es eine grosse Schmach, wenn man sie zwingen würde, in das elterliche Haus zurückzukehren, und andererseits hat der junge Mann, der sie geraubt, das Recht, dies nach Möglichkeit zu verhindern. — Ausserdem ist es sehr schwierig, für ein Mädchen, bei welchem man schon einmal „geschossen" hat, wieder einen Freier zu finden. Die Eltern geben daher schliesslich halb gezwungen, halb gutwillig ihr Jawort. — Allmählich füllt sich hierauf der ganze Harem mit Frauen und das Erste, was sie thun, ist, dass sie das Mädchen von Kopf bis zu Fuss ab-baden! — Dann zieht man ihr weisse Pantoffeln, einen weissen „Salvar", Plose, weisse „Corabs", gestickte kurze Strümpfe und eine weisse „Icerma", Leibchen, an, wonach man es in eine Ecke des Zimmers führt und dort ein langes Dankgebet hersagen lässt. Bei dieser Procedur waschen sich die zahlreichen weiblichen Gäste die Fusse und beten. Hierauf nehmen sie von dem Mädchen Abschied, bei welcher Gelegenheit jede sich entfernende Frau dem auf dem Teppich stumm dasitzenden Mädchen die rechte Hand auf den Kopf legt und ein kurzes Gebet murmelt. — Zwei Frauen bleiben aber noch beim Mädchen zwei Tage zurück. — Innerhalb dieser zwei Tage überschreitet der Bräutigam nicht die Schwelle des Zimmers seiner zukünftigen Gattin, sondern bleibt mit seinen Freunden im Nebenzimmer, trägt gerade so wie bei Gelegenheit des „Hadzi-Beirams" seine Festtagskleider und lässt jedem eintretenden Gast ein Glas Zuckerwasser reichen. — Doch mit dem noch nicht genug, muss das Madchen noch sieben schwere Tage bestehen! Es bekommt innerhalb dieser Zeit nur einmal des Tages zu essen, und zwar gegen Abend, und darf den ganzen Tag nicht einen Tropfen Wasser trinken. Ausserdem badet es den ganzen Körper fünfmal täglich und verrichtet inbrünstige Gebete. — Nach Ablauf des siebenten Tages versammeln sich wieder die Plauen, werfen beim Eintreten der Braut je einen von Gebeten begleiteten Kuss zu und umringen Oesterreich-Ungaru. 8 sie unter lauten Gesängen. Dann wird ihr statt des weissen Kleides das Festgewand angelegt, doch erhält sie anstatt des ..Salvar" eine „Dinije'', sehr weite Pluderhose, und ein ausserordentlich reich gesticktes Hemd. Das Haar wird vorne sowie rückwärts abgeschoren und darüber ein goldgestickter, mit einem mit Dukaten behängten Tuch, „Peskir", gezierter Fez gestülpt. — Plierauf wirft sich die Jungfrau aufs Gesicht und nachdem sie mehrere Stunden in dieser Lage geblieben ist, verrichtet sie ihr heiligstes Gebet. — Nun verlassen die Frauen, während sie betet, einzeln, unbemerkt den Harem und der eintretende Gatte hebt sie aus dieser Lage in seine zärtlichen Arme. — Viel einfacher ist die zweite Verlobungsart. Irgend eine weibliche Verwandte des heirathsfähigen Mädchens sucht einen passenden Jüngling aus, oder eine weibliche Verwandte des heirathsfähigen jungen Mannes ein ziemlich schönes Mädchen. Im ersten Falle lässt die weibliche Verwandte d en jungen Mann zu sich kommen, verdeckt ihr Antlitz mit einem dichten Schleier und verständigt ihn von ihrer Absicht. Nachdem sie den jungen Mann nach vielem Zureden endlich gewonnen und sich Gewissheit verschafft hat, dass er es wirklich ernst meint, benachrichtigt sie die Pdtern sowie das Mädchen. — Es wird nun ein Tag bestimmt, an welchem der Jüngling das Mädchen ohne Schleier im ausgeschnittenen Leibchen mit blosser Brust sehen kann. — Zu dieser Brautschau entschliesst sich der junge Mann aber erst nur dann, wenn ihm das Mädchen von einer vertrauenswürdigen Frau empfohlen wurde, denn hat er einmal das Mädchen mit Einwilligung der Filtern ohne Schleier gesehen, dann ist es sehr schwer, von der Verlobung zurück zu treten. — Am Tage der „Brautschau" wird der junge Mann vom Vater des Mädchens im „Selamlik", der Männerstube empfangen, worauf, nach kurzer Unterredung mit demselben, das Mädchen ohne Schleier, den Hals mit einem Dukatenbehängten Band geschmückt, eintritt und dem Jüngling eine Tasse selbstbereiteten Kaffee überreicht. Der Bräutigam in spe nimmt ihr die Tasse aus der Hand, schlürft langsam den Kaffee, während das Mädchen regungslos vor ihm steht und auf die leere Schale wartet. Hat er ausgetrunken, so giebt er ihr die Tasse mit den Worten: ,,Allah razi oks zun guzel kizoglan kiz", Gott bezahle es, schöne Jungfrau! zurück, worauf sich das Miulchen ebenso still, wie sie gekommen ist, entfernt und die „Brautschau" ihr Ende erreicht hat. — War der Jüngling mit dem Mädchen zufrieden, dann überreicht er am anderen Tage dem Vater einen Ring, mit seinem am inneren Rande ein-gravirten Namen. — Von dem Moment, wo der Vater den Ring übernommen hat, wird der junge Mann als Bräutigam, ..Güveji", betrachtet und die Hochzeit meistens acht oder zehn Tage später abgehalten. — Den I lochzeitstag, „Düjün", feiert man derartig, dass gewöhnlich die Männer im Erdge-schoss, die Frauen im Stockwerk sich versammeln und dort so lange essen und trinken, bis alle Vorräthe aufgezehrt sind. Hierauf lassen sie die jungen Eheleute allein, welche sich seit Jener Brautschau im „Selamlik" nicht mehr gesehen haben. -— ^ur Wirthschaftsausstattung, besonders den Küchengeräthen, tragen alle Verwandte und guten Freunde bei. — Es giebt °ft Hochzeiten, welche sogar länger als eine Woche dauern, wozu dann meistens eine Musikkapelle gemiethet wird. Die dritte Art der Verlobung finden wir nur bei den reichen Begs, u. z. nur in dem Falle, wenn es eine Familie für nothig erachtet, zur Erhöhung ihres Glanzes, Rufes oder Reichtums sich mit einer vornehmeren zu verbinden. — Bei derartigen Gelegenheiten schliessen die Väter nach eigenem Ermessen den Bund, wobei der Wille der zu Verheirathenden 541" nicht in Betracht gezogen wird. — Der junge Mann schickt auf Befehl seines Vaters dem Mädchen den Verlobungsring, °hne sie überhaupt zu kennen oder jemals gesehen /jU haben! — Die Hochzeit wird in lärmender Fröhlichkeit abgehalten. Erst nachdem sich Alles entfernt oder Alle, den 8* Bräutigam eingerechnet, bis zur Bewusstlosigkeit betrunken haben, wird der Bräutigam auf einem, die Braut auf einem anderen Wagen unter Schellengeklingel in ihren „Konak" geführt und hier im Harem sehen sie sich dann zum ersten mal in ihrem Leben. — Es kommt aber in solchen Fällen öfters vor, dass der junge Gatte dann eine blinde, taube oder mit sonst einem unangenehmen körperlichen Gebrechen behaftete Lebensgenossin vorfindet. Er macht dann kurzen Prozess und schickt sie den anderen Tag nach Hause, behält er sie aber in Folge des Zuredens seines Vaters, dann trachtet er sie sobald wie möglich dadurch los zu werden, dass er ihr Leben nach Möglichkeit abkürzt, und darauf verstehen sich die Mohamedaner meisterhaft! Um all' das kümmern sich aber die beiden Eltern blutwenig, die Verschwägerung ist gelungen, alles andere geht sie nichts mehr an. Obwohl man mohamedanische Frauen in Bosnien nur selten sehen kann, so bemerkt man doch sehr häufig, dass sie die P'enstervorhänge des Piarems zur Seite schieben und verstohlen herausblicken. Dies können sie besonders dort unbemerkt thun, wo die Fenster mit bunten „Musebaks", Holzgittern, versehen sind, und nichts eignet sich besser zum Kokettiren und zur Anknüpfung geheimer Liebschaften als eben diese Musebaks. Durch einen Musebak kann man, ohne selbst von aussen gesehen zu werden, alles erblicken, was draussen vorgeht, und nicht nur bequem die Hand, sondern beinahe auch das ganze Gesicht hinausstrecken. Die Arnauten oder Albanesen Bosniens, nennen sich mit Vorliebe „Skipetaren", d.h. Adlerjungen. Sie gehören zu den ältesten Bewohnern Illyriens und sind Nachkommen der Pelasger, welche beim Massenübertritt der Slaven über die Donau und Save nach und nach gegen Süden gedrängt wurden und sich im heutigen Albanien, sowie auch im südlichen Tbeile Bosniens niedergelassen haben. - - Trotz all' der riesigen politischen Umwälzungen, welche von altersher, bis zur heutigen Stunde, im Balkan vor sich gingen, haben die Arnauten ihre altherkömmlichen Gebräuche und Sitten nicht aufgegeben. — In ihrer kulturellen Entwicklung sind sie unter allen Bewohnern des Balkans am meisten zurückgeblieben. — Gegen die Slaven haben sie seit jeher eine Abneigung und der türkischen Herrschaft waren sie sehr feindlich gesinnt, obwohl sie zu den fanatischsten Gläubigen des Islam geboren! — Fast in allen Gegenden, die sie in kompakten Massen bewohnen, haben sie bisher beinahe vollkommen unabhängig regiert und die Pforte vermochte niemals, besonders in den starkgebirgigen und bewaldeten Landstrichen, sie gänzlich zu unterjochen, denn ihr Zusammenhalten, ihre entschlossene Tapferkeit gab ihnen Kraft, jede fremde Einmischung zu vereiteln. — In den letzten Jahrzehnten bezahlten sie nie Steuern, mit Ausnahme des „Asker-Bedledij", aber auch den entrichteten sie nicht durch Ablösung, sondern durch aktiven Militärdienst, speziell wenn ein Krieg in Aussicht stand. — Die Regierungsgewalt übte stets das Volk im Wege der Volksversammlung, an welchen die Wojwoden der einzelnen Bezirke thcilnahmen, die in Gemeinschaft mit dem Rathe der Aeltesten die Angelegenheiten der Bezirke.leiteten. Jeder Wojwode, d.h. Volksvertreter, der ohne wichtigen Grund von der Volksversammlung fern blieb, wurde streng bestraft. Die Skipetaren haben einen stolzen, hochmütigen und habgierigen Charakter. Recht und Ge-rechtigkeit existirt unter ihnen gar nicht und das ^austrecht spielt die Hauptrolle! — Sie neigen sehr zum ^orde, jedoch nicht des Raubes, sondern der Beleidigung Hillen, die sie nicht ertragen können, und die „Blutrache" lst unter allen Völkern des Balkan bei ihnen am meisten zu Hause! — Um diese zu befriedigen, benützen Sle jede passende Gelegenheit; so stürzen sie z. B. bei einer Prozession oder einem Markt, wo die feindlichen Familien zu- sammentreffen, in wilder Wuth mit ihren scharf geschliffenen Handscharen auf einander los, und wenn ihr Handschar von dem Blute ihres Opfers trieft, wischen sie ihn mit der grössten Seelenruhe wieder ab und setzen ihren Weg tort. Dabei verhindern sie ihre Stammesgenossen keineswegs in der Ausübung der Blutrache, denn ein jeder von ihnen ist von der Notwendigkeit derselben überzeugt. — Auch der Pobra-tismus, oder die „heilige Freundschaft", ist unter den Amanten am gebräuchlichsten. Diese besteht darin, dass zwei junge Männer sich durch Kitl verpflichten, in Noth, Un gemach und im Kriege einander nicht zu verlassen. Die Pobratims hängen enger aneinander als Geschwister und ihre Kinder dürfen unter sich nicht heirathen. — Doch nicht allein junge Männer, sondern auch Mädchen schliessen bei den Arnauten diesen Bund, und in ein zelnen Gegenden wird diese „heilige Freundschaft" von dem Ortsvorstand oder dem Hodscha sanktionirt. — Bei derartigen Gelegenheiten gehen die Betreffenden in die Kirche und man feiert dann später die vollzogene Bundesschliessung mit einem frohen Mahle. Obwohl der Pobratismus manches Schöne an sich hat. so trägt er doch wieder andererseits ausserordentlich zur Verbreitung der Blutrache bei, denn beide Freunde fühlen sich wegen ein und derselben Ursache beleidigt und sind lebenslänglich die Blutrache schuldig. — Ein zwischen Familien bestehendes Zerwürfniss kann bei den Ski-petaren nur durch die Blutrache ausgeglichen werden, worauf dann der Friede wieder hergestellt ist! — Die Regierung war bisher vergebens bestrebt, diese mörderische Sitte aus der Welt zu schaffen, denn alle Bemühungen brachen sich an dem widerspenstigen Charakter dieses Volksstammes. Die von Natur kriegerischen Arnauten leisten am liebsten Militärdienst und sind seit jeher wegen ihrer Tapferkeit und ihrer vortrefflichen militärischen Eigenschaften berühmt, ja die tapfersten und gewandtesten Führer der einst so siegreichen türkischen. Heere waren Arnauten. Mit Ackerbau beschäftigen sie sich nur soweit, als sie es während ihrer zahlreichen Wanderungen und Abenteuer für die Erhaltung ihrer Familie nothwendig finden. — Auf ihre Unabhängigkeit waren sie stets eifersüchtig. — Liebe und Anhänglichkeit zum Vaterlande kennen sie absolut gar nicht! In Folge der Blutrache, „Djak", entstand unter den Ski-petaren ein Element, welches sein Leben zumeist mit gemeinem Raub verbringt! Nachdem sie ihre Rache befriedigt haben, flüchten sie, um der Rache der Verwandten des Getödteten zu entgehen, gewöhnlich auf die an Felsenklüften reiche „Mokra-Planina", wo sie ein tollkühnes, verwegenes Räuberleben führen und die ganze Gegend in Furcht und Schrecken versetzen! Sehr oft gefährden auch die von Arnauten gebildeten und vortrefflich organisirten Räuberbanden den von Novibazarer Kaufleuten mit Skutari, Ragusa, Serajewo und Salonichi betriebenen grösseren Leder-, Woll- und Wachshandel. — Man schätzt die Zahl der Opfer, welche jährlich durch die Blutrache umkommen, auf circa „2500—3000". — Auf diese Art verkümmert das von der Natur so reich ausgestattete Arnauten-Volk immermehr und man findet kein Mittel, sie vor dem rapiden Aussterben zu schützen. Denn je mehr man bestrebt *st, sie durch Gesetze und Reformen auf andere Bahnen zu lenken, um so zäher hängen sie an ihren alten Traditionen. Ihre Sprache ist bis zur heutigen Stunde frei von jeder fremden Mischung. — Die unter ihnen wohnenden Christen haben •schon lange auf das Genaueste ihre Eigenschaften angenommen, aber ihr Dasein war noch ein viel gedrückteres als wie unter den bosnischen Mohamedanern und sie durften sich keine Kirchen bauen und ihre Häuser nicht weiss tünchen. — Die mohamedanischen Arnauten hängen aber nicht in so hohem Gerade an den Lehren des Korans, wie die bosnischen Moha-rnedaner, sie nennen sich „Dukacius.". Das gesellschaftliche und Familienleben der Skipetaren steht auf der tiefsten Stufe. Sie rechnen die Frau nicht einmal unter die Menschen, daher ist ihr Familienleben baar jeglicher zarter Bande und Liebe, nur locker zusammen gefügt. — Liebe für die Frau fühlt Niemand und man würde es sogar für eine „Schande", ja für Beleidigung ansehen, wenn man jemand einer solchen beschuldigt. Die Frauen geniessen überhaupt gar keinen Rechtsschutz! Den ganzen Tag müssen sie wie Thiere arbeiten, während die Männer, aufgeputzt, im Nichtsthun ihren Tag verbringen, behauptend, sie wären nur zum Waffendienst, aber nicht zu häuslichen Arbeiten fähig! — „Gott hat uns", sagen sie, „nicht genug Esel gegeben, dafür gab er uns aber genug Weiber, damit sie die nöthigen Arbeiten verrichten können!" Gewöhnlich rauben sich die Miriditen die Frauen, wozu sie sich aber nicht die Familien ihres eigenen Stammes, sondern der Mohamedaner auswählen. Verhältnissmässig stehen die christlichen Arnauten kulturell höher als wie die mohamedanischen, aber wir finden auch unter ihnen weder Gewerbe, Handel, noch eine entwickeltere Erziehung. Alf jene Industrieartikel und Gegenstände, welche im Hause der Arnauten nothwendig sind, erzeugen die Frauen oder bringen sie unter Dach. Für das Hirtenleben, besonders für die Schafzucht, haben die Skipetaren grosse Vorliebe, weil sie dabei nicht angestrengt zu arbeiten brauchen. — Den Handel und das Gewerbe betreiben die Juden. — Die Arnauten haben eine hohe, hagere, knochige, breit schulterige Gestalt, kriegerische Gesichtszüge, scharfen Adlerblick, gebogene Nase und einen lang herabhängenden dunklen Schnurrbart. — Sie rasiren ihre Kopihaare vollkommen ab und lassen sich nur in der Mitte des Schädels einen Zopf, wie eine Münze gross, wachsen, weil sie als strenggläubige Moha-medaner überzeugt sind, da s s sie nach ihrem Tode von einem der vielen hunderttausend Heiligen an diesem Zopfe in das paradiesische Glücksreich hinauf gezogen werden. — Ihre Kleidung unterscheidet sich besonders dadurch sehr bedeutend von jener der Bosniaken, dass sie einen bis zum Knie reichenden, mit zahlreichen Fransen versehenen weissen Kittel und einen langen, weiten, rothen Mantel tragen. ■— In ihrem Gürtel blitzen immer zwei silberbeschlagene Pistolen und zwei bis drei Damascenerklingen. -— Ausserdem sind sie noch mit dem berühmten Arnautengewehr bewaffnet, welches einen langen, mit allerlei Aufputz, Muscheln und Sinnsprüchen ''ahlreich geschmückten Lauf hat. — Seit neuerer Zeit wurde aber von ihnen das daran angebrachte Feuersteinschloss endlich aufgegeben und ein Hinterladungssystem an dessen Stelle gesetzt. — Dergestalt bis an die Zähne bewaffnet sind sie stets, Wenn sie die Schwelle ihres Hauses verlassen, ja selbst in der unmittelbaren Umgebung ihrer Hütte, und eher würde sich ein Skipetare von seiner ganzen P"amilie, als wie von einer seiner Lieblingswaffen trennen! Die fleissigsten Bewohner Bosniens sind die Zin-?-aren. In sämmtlichen Nebenprovinzen Bosniens befindet sich ein grosser Theil des Handels und Ackerbaues, hauptsäch-J*ch aber die Baukunst in ihren Händen. Ihre Abstammung lst nicht genau bekannt; man nennt sie gewöhnlich zinzar'sche, rilmänische, romanische, makedo'sche oder kuczo'sche ^alachen; doch sind sie nicht zahlreich, leben sehr zerstreut Und bilden beinahe nur in der Ortschaft „Slovik" bei Tuzla ^lne kompakte Masse. Den Namen „Zinzar" gaben ihnen die S'aven, weil auch der Walache statt „tsints", fünf, „zinz" sagt. selbst behaupten, von den Römern abzustammen, und nennen sich mit Vorliebe Romanen! Nach ihrer Sprache ist man berechtigt, sie für Walachen zu halten. — Sie leben aber auch in ziemlich grosser Anzahl in Istrien, nächst dem Monte Maggiore und dem Caspic-See. — In Bulgarien, Mace-donien und Thessalien, nächst dem Zanina und um den Velr rida-See bilden sie ebenfalls Gemeinden und treiben dort höchst umfangreichen Handel. — Auch in Ungarn findet man sie an vielen Orten, hauptsächlich aber in Budapest, wo man sie ganz einfach Griechen nennt, weil sie sich zur griechisch-orthodoxen Kirche bekennen. Die Zinzaren besitzen keine eigene Sprache, sondern nehmen, wenn sie unter Deutschen, Magyaren, Serben, Bulgaren und Türken leben, deren Sprache an. — In ihrer Tracht fügen sie sich immer den Sitten der betreffenden Nationen, unter denen sie leben. Im südlichen Bosnien treiben sie meistens Viehzucht, worin sie derartige Geschicklichkeit und Fleiss entwickeln, dass man ihnen gewöhnlich den Beinamen ,,Coban", Hirte, giebt. — Doch ihre Hauptbeschäftigung ist, wie wir schon früher angedeutet haben, das Handwerk und der Handel. Im Hand werk überflügeln sie sämmtliche Bosniaken und im Handel bilden sie die gefährlichsten Konkurrenten der Griechisch-Orthodoxen und Juden! — Durch ihren Fleiss und Ausdauer schaffen sie sich überall ansehnlichen Verdienst und ihre einfache Lebensweise ermöglicht ihnen, den grössten Theil ihres erworbenen Geldes zu sparen. — Wir finden in ganz Bosnien kein bedeutendes Gebäude, kein Kloster, keine Kapelle oder Kirche, welche nicht von den arbeitsamen Zinzaren erbaut worden wären. — Die reinsten und schönsten Häuser in den Ortschaften gehören in der Regel Zinzaren, oder sind von ihnen errichtet worden, und dort, wo sie in kompakter Masse beisammen wohnen, macht die Ortschaft einen viel angenehmeren Eindruck, als in anderen Nachbardörfern. — Diejenigen Zinzaren, welche sich mit Viehzucht beschäftigen, verlassen bei Beginn des Frühlings ihre Häuser, gehen üVs Freie hinaus und kehren erst im Spätherbste unter den Klängen ihrer „Bockflöte-' mit ihren Heerden in die Hütten zurück. — In einem Zinzarendorfe herrscht eine derartige Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit, dass die Leute ihre Häuser verlassen, ohne sie vorher zu ver-schliessen. — Ein Nachbar bewacht das Haus und die Habe des Anderen so gewissenhaft, dass seit Menschengedenken kein Diebstahl vorgekommen ist! — Die Zigeuner Oesterreich-Ungarns. Das Volk der Zigeuner, ein wahres Nomadenvolk, ist in Europa eine ethnographische, social-politische Specialität. Es lebt seit mehr als vierhundert Jahren unter eigenen Stammeshäuptlingen, mit besonderer Volkssprache, mit eigenthümlichen Sitten und Gebräuchen und trotz aller Bemühungen brachten die Civilisirungsversuche in Ungarn und Siebenbürgen bis heute nicht die gehofften Früchte. — Man taxirt die Gesammtzahl der Zigeuner in Fluropa auf 440.000, von denselben gehören wenigstens % o"er Türkei, Rumänien und Ungarn an. — Die Urheimath der Zigeuner war Vorderindien; ihre Sprache steht zum Sanskrit 2war im entfernten, aber doch immerhin blutsverwandten Ver-hältniss. Ihre Haut, die F'orm ihrer Glieder und die dadurch bedingte Gelenkigkeit, Gewandtheit, Geschicklichkeit, welche Sle im Seiltanzen, Taschenspielen und allerhand anderen gymnastischen und mechanischen Künsten an den Tag legen, bekundet ebenfalls ihre indische Abstammung. Und auch die Agenden der Zigeuner erzählen von ihrem Ursprung vom Hindostan. Das Zigeuner volk, welches nomadisirt oder nur v°rtibergehend s esshaft ist, kennt kein Vaterland, ^enn der Kreis, in welchem sich der Zigeuner bewegt WJrd nicht durch den Staat, sondern durch die Nationalität bestimmt. Alle in Fluropa wohnenden Zigeuner werden daher in folgende 13 Gruppen eingetheilt: Die griechischen, rumänischen, ungarischen, mährisch - böhmischen, deutschen, polnisch-lithauischen, russischen, finnischen, skandinavischen, italienischen, baskischen, englisch-schottischen und spanischen Zigeuner, Diese 13 Zigeunergruppen repräsentiren zugleich 13 Zigeuner-Mundarten, unter denen die Sprache der griechischen Zigeuner den ersten Rang einnimmt. Ihr zunächst steht, abgesehen von der Accentuation, die Sprache der ungarischen Zigeuner, etwas weiter entfernt sich die der rumänischen, wahrend die übrigen Mundarten sehr entartet sind. Die letzte Stelle nimmt, mit Ausschluss von einigen nur fragmentarisch bekannten Idiomen, die Mundart der spanischen Zigeuner ein, deren Grammatik fast ganz und gar spanisch geworden ist. Dass die Zigeuner heutzutage nicht mehr so viel wandern wie früher, obwohl ihr Wandertrieb von neuem ausserordentlich erwacht sein soll, hat seinen Grund in den strengeren polizeilichen Massregeln und deren leichterer und exakterer Anwendung. Denn wenn z. B. eine Truppe wandernder Zigeuner aus Ungarn die Grenze von Oesterreich überschreitet, wird sie sofort durch die Orts- und Landespolizei wieder „zurückgeschoben". In einigen Ortschaften Ungarns und Siebenbürgens sind die Zigeuner auch sesshaft geworden und haben bürgerliche Beschäftigungen angenommen, wobei sie sich mit Vorliebe nach wie vor der Musik, dem Schmiedehandwerk und leichteren Hantirungen sonstiger Art zuwenden, während der Ackerbau von ihnen nur sehr selten betrieben wird. — Aber ein grosser Theil der Zigeuner, u. z. wohl die Mehrheit des Volkes, lebt in leichterbauten Hütten, Erdlöchern oder unter luftigen Zelten, um den zeitweiligen Wohnort oft ohne sichtbaren Grund rasch zu verlassen und die elende Heimstätte anderwärts für kurze Zeit aufzuschlagen. — Sie ziehen dann mehr die abgelegenen Wege den frequenteren Landstrassen vor, um ihre abgemagerten Gäule leichter auf fremden Aeckern weiden zu können. Und so geht es weiter und immer weiter. — Heute da, morgen dort; ruhelos wandern sie beständig umher ohne rechtes Heimaths-gefühl, ohne eigentliche Anhänglichkeit an Land und Mitbewohner, ohne Freunde und Genossen! — Sie sind über das ganze Land vertheilt, hier dichter, dort dünner. Im allgemeinen hat der Zigeuner einen mittleren Wuchs, doch trifft man in Ungarn, namentlich bei Männern, häufig auch Gestalten, welche über die Mittelgrösse weit hinausragen. — Der Körperbau ist schlank und ebenmässig, die muskulösen Glieder gelenkig. Den ganzen Körper deckt eine braungelbe Haut, die zuweilen schwarzbraun erscheint oder sich mehr der Olivenfarbe nähert. Zigeuner mit ganz heller Hautfarbe sind seltene Erscheinungen. Diese haben auch blondes oder g an« weisses Haar. — In Bosnien werden nach der Körperbeschaffenheit zwei Zigeuner-Racen unterschieden u. z. eine sehr kräftige und starkknochige und eine sehr feine mit ebenmässigen Gesichtszügen, aber von schwarzer Farbe. Diese Letzteren haben überdies schlanken Wuchs, rundes Gesicht mit edlen Zügen, schöne Brauen und Adlernase und proportionirtes Kinn; bei den Erstcren findet man meistens plumpe Gestalt, gequetschte Nase, starkes Kinn. Obwohl der Zigeuner gegen alle Wettereinflüsse ausserordentlich abgehärtet ist, so ist ihm doch der Wind merkwürdigerweise unerträglich, ja er fürchtet sich vor ihm, denn er macht ihn zu Allem unfähig, hilflos sinkt er bei seinem Hauche zusammen. Die Mädchen und Frauen der Zigeuner lieben die grellen Farben in ihrer Kleidung. — In den Ohren tragen sie gerne langes, silbernes Ohrgehänge, um den Hals Ketten aus Silbermünzen. Die Mädchen haben das Haupt unbedeckt, die Weiber schlagen blaue Kattuntücher um den Kopf. — An der Seite oder über den Rücken hängt dem Weibe der Wandertruppe ein langer Leinensack, und im Quersack auf dem Rücken schleppt sie den Säugling, wenn sie, unterwegs bettelnd und stehlend, mit Kochlöffeln zu den Bauern des Dorfes hausiren geht. — Oft deckt ekelerregender Schmutz die nur aus Lumpen bestehende Gewandung. Die überwiegende Mehrzahl der Zigeuner Transleithaniens lebt in Siebenbürgen. — Im eigentlichen Ungarn sind sie sehr ungleich vertheilt. Am wenigsten findet man die Zigeuner in den westlichen und inneren Theilen des Landes, am häufigsten im Nordwesten, Norden, Nordosten, Osten und Süden, und hier wiederum vorzüglich in solchen Comitaten, in denen das slovakische und rumänische Volkselement vorherrscht, denn unter Magyaren und Deutschen ist es den Zigeunern nicht recht wohl. -— Uebrigens ist der Zigeuner-stumm in Ungarn und Siebenbürgen im Aussterben begriffen. Die Zigeuner Ungarns und Siebenbürgens unterscheiden sich der Lebensweise nach in „ansässige" und in „nomadisirende", zu letzteren gehören auch solche, welche zeitweilig, oft Jahre lang, an einem Orte verweilen, dann aber ihre Hütten abbrechen und einen anderen Halteplatz aufsuchen. — Eigentliche Zigeunerdörfer sind selten, meist bilden die Hütten und Häuser der sesshaften Zigeuner die äussersten Gassenreihen der Städte und Dörfer, oder es sind deren Wohnungen als eine Art Vorort abseits von den übrigen Wohnhäusern errichtet. — In früherer Zeit gab es ganze Zigeuner-Viertel oder Stadttheile, und einige Ortsnamen bezeugen auch, dass es ganze Zigeunerortschaften gegeben hat; die damaligen Bewohner sind aber entweder weggezogen, oder haben sich mit den Rumänen und Ruthenen assi-milirt. — Die gegenwärtigen Zigeuner - Niederlassungen bestehen meistens aus Erdhütten, welche etwa sieben Fuss hoch, im höchsten Grade unsauber und schlecht gebaut sind. Etwas armseligeres findet man nicht mehr! — Einen Feuerherd giebt es in einer solchen Hütte nicht, sondern die Bewohner machen ein kleines Feuer mitten am Fussboden, um sich daran etwas zu kochen oder sich zu wärmen. Da aber kein Rauchfang vorhanden ist, so füllt sich das Innere ganz mit Rauch. — Auf einer anderen Seite der Hütte befindet sich ein Bret mit einer elenden Decke oder etlichen Lumpen, das ist das Bett der Familie. — Jedoch haben manche Hütten auch eine Abtheilung, deren innerer Raum als Vorrathskammer für Korn, zur Aufbewahrung eines alten Kastens oder als Lagerstätte einiger Familienmitglieder dient. — Zum Theil sind die Wohnungen auch in die Erde gegraben, jede mit einem Thürpfosten und einer Schwelle, sowie mit einem kleinen Fenster an der Seite versehen. Die Hütten und Häuser der sesshaften Zigeuner werden aber, soweit es die Mittel erlauben, ziemlich gut gebaut und haben zuweilen nette, reinliche, wohleingerichtete Zimmer, Welche auch sonstiger Ausschmückung nicht entbehren, ja sogar manchmal elegant genannt werden können. Der wandernde Zigeuner schlägt, wenn er sich sein Obdach errichten will, die Zeltstangen schief in den Boden, so dass sie oben pyramidenförmig zusammentreffen, hängt das löchrige, vielfach geflickte Zelttuch darüber und die Heimstätte lst fertig. Den schützenden Hintergrund bildet meistens der Marren; noch angenehmer ist aber ein Hügel, welcher den befürchteten Nord- und Ostwind abhält. — Vor dem Zelte hangt man über das rasch hergestellte Feuerloch die Kessel ai'f eine Querstange, um darin das Essen zu bereiten. Am liebsten geniessen die Zigeuner Fleisch u. z. besonders das des „Aases", denn sie behaupten: „Das fleisch eines Thieres, welches Gott schlachtet, muss besser sein, als das Fleisch eines solchen, das von der Hand eines Menschen stirbt!" Am meisten schmeckt ihnen das Fleisch solcher Thiere, welche im Feuer ihren Tod gefunden haben. — Zuweilen dörren sie das Fleisch an der Sonne oder am Feuer; — Lieblingsspeisen bieten ihnen der Igel, dessen Stachel bei lebendigem Leibe abgesengt werden, dann das Eichhörnchen, der Hamster und insbesondere Hühner, junge Gänse und Enten. Selbst das Fuchsfleisch isst der Zigeuner, er lässt es aber einige Tage in fliessendem Wasser liegen und bratet es dann in heisser Asche. — Brotbacken versteht die Zigeunerin nicht, wenn sie es thut, so wird der geknetete Teig einfach in heisser Asche ausgebacken. — Der Zigeuner isst gewöhnlich nur mit seinen Fingern und einem Löffel, anderes Essgeräth oder gar einen Tisch benützt er nicht. — Wasser ist sein gewöhnliches Getränk, Wein und Bier liebt er wenig, dagegen trinkt er mit Vorliebe Branntwein und giebt für diesen mit Freuden den letzten Pfennig hin. Aber nicht allein die Männer, sondern auch Weiber und Kinder trinken mit Leidenschaft Branntwein. — Ausser dem Schnaps hat nur noch der Tabak bei den Zigeunern eine gleiche Werthschätzung, denn Tabakrauchen und Tabakkauen, je schärfer desto besser, bildet den gesuchten Lieblingsgenuss von Jung und Alt. Der Zigeuner hat redliche und unredliche Erwerbsquellen. Zu den ersteren gehört die Musik, das Schmiedehandwerk, die Goldwäscherei und Holzschnitzerei, seltener das Bürstenbinden, das Ziegelmachen, Maurern, Draht- und Haarflechten, am seltensten finden wir ihn aber als Tagelöhner und P'eld-arbeiter beschäftigt. — Zu den unredlichen Erwerben des Zigeunervolkes gehört die Traumdeuterei und Wahrsagerei, das Kartenschlagen und die Schatzgräberei, denn diese Künste sind meistens mit Diebstahl verbunden; zu ihnen gesellt sich dann noch der betrügerische Pferdehandel, die Kurpfuscherei, die Vertilgung von Mäusen, Ratten und anderem Ungeziefer, und endlich, doch nicht zuletzt, das Gewerbe des Diebstahls. — In der Wahrsagerei und Kurpfuscherei machen sie ganz besonders den „Hadzikas" und „Babaks" in Bosnien gefährliche Konkurrenz. Ausserdem befassen sich in diesem Lande die Mehrzahl der Zigeunerfrauen auch damit, im Sommer gruppenweise von Dorf zu Dorf zu wandern, das „Dodola-Lied" zu singen und für die Landleute den segenspendenden Regen unter den Ausrufen „Oj dodo! Oj dodole!" herabzuflehen. — Für diesen wichtigen Dienst erhalten sie von einzelnen bosnischen Bewohnern verschiedene Geschenke, welche sie dann zusammensparen, um von denselben den ganzen Winter hindurch ihr Leben zu fristen, denn in Bosnien sorgen die Zigeuner absolut gar nicht für die Nahrung und anderen Bedürfnisse ihrer Frauen. — Trotz ihrer socialen Lockerheit mangelt es den Zigeunern nicht an einer gewissen Organisation, denn selbst bei diesem kulturell tiefstehenden Volke hat die Unterscheidung nach Rang und Klassen schon um sich gegriffen. Die Zigeuner schliessen sich nicht nur gegen die „nicht zigeunerische Welt" ab, sondern auch innerhalb des eigenen Volksstammes giebt es charakteristische Trennungen, welche bis zu einer kastenförmigen Abschliessung gesteigert werden. So ?- B. besteht in Bosnien zwischen den sesshaften und den nomadisirenden Zigeunern eine tiefe Kluft, die man übrigens auch bei diesen beiden in Ungarn und Siebenbürgen beobachten kann. Der magyarische llnd deutsche Zigeuner dünkt sich für besser als der rumänische! — Zuweilen sinkt diese Scheidung bis zum Lächerlichen herab; so finden wir häufig, dass ein Zigeuner aus einem Dorfe nicht aus einem Glase trinkt, aus dem einer eir>es andern Dorfes getrunken hat. Arbeiten diese Leute dann zusammen auf dem Felde, so müssen immer zwei Wasserkrüge ^a «ein. Auch heirathen sie untereinander manchmal nicht, da einer den andern für unrein hält. Oesterreich-Ungarn. !» Ausserdem klassificiren sich die Zigeuner nach ihrer Beschäftigung und Lebensweise: Die erste Klasse bilden die „Musiker", welche sich in Städten und Märkten niedergelassen haben. Die zweite Klasse sind die ,,Goldwäscher", zu deren Geschäft auch das Ziegelbrennen, Holzschnitzen und insbesondere die Musik gehört. Die Dritten sind die „Schmiede", die jedoch in freien Stunden ebenfalls zur Fidel oder zum „Cymbal" greifen, hier aber nur als Dilettanten auftreten. Eine vierte Kategorie umfasst die wenigen „Tagelöhner" und „Feldarbeiter" der Zigeuner, die in ihrem Wesen der fünften und letzten Klasse, den nomadisirenden „Flieh"-Zigeunern, ziemlich nahe stehen. Die Zigeuner standen in früheren Jahrhunderten unter besonderen Wojwoden. Diese Anführer traten in Deutschland mit den prunkenden Titeln von „Königen" und „Grafen" auf, in England erhielt sich der Titel eines „Zigeunerkönigs" bis auf unsere Zeit. In Siebenbürgen war die Würde eines Zigeunergrafen ein adeliges Amt, welches die Landesfürsten an Edelleute verliehen, in Ungarn wurden die vier Zigeuner-wojwoden vom Palatin ernannt. Diesem Wojwoden waren dann die Anführer der einzelnen Horden, die von dem Volke frei gewählt wurden, untergeordnet. — Auch heutzutage hat jede Truppe ihren selbstgewählten „Richter". Die Wahl geschieht gewöhnlich auf freiem Felde und am liebsten bei Gelegenheit eines Jahrmarkts. Der Gewählte wird mit lautem Zurufen dreimal in die Höhe gehoben und mit einigen Geschenken in seiner Würde bestätigt. Dasselbe widerführt auch seiner Frau. — Diese Sitte des Emporhebens haben die Zigeuner wahrscheinlich von den Magyaren gelernt, welche diesen Brauch bei allen Wahlen zur Geltung bringen. — Auf die Wahl folgt dann ein .Aldomäs", ein Trinkgelage. Wahlfähig ist jeder Zigeuner, der aus einer Woj-wodenfamilie stammt; gewöhnlich erhält derjenige den Vorzug, welcher am besten gekleidet und nicht ganz arm ist, an Leibesgrösse andere übertrifft und dabei ein mittleres Alter erreicht hat. Verstand und redliche Aufführung kommen dabei weniger in Betracht. — Das äussere Abzeichen eines solchen Zigeuner-Wojwoden oder „Zigeunerrichters" ist nebst der besseren Kleidung, welche mit grossen runden Silberknöpfen geziert ist, noch ein Stock mit silbernem Knopf. — Einen gesetzlich anerkannten Wirkungskreis hat zwar dieser Ziegeunerrichter heute in der Regel nicht mehr, doch üben diese „Richter" noch immer bei ihrem Volke thatsächlich eine sehr bedeutende Gewalt aus, denn ein solcher „Gako" (d. h. Onkel, Vetter) oder „Hauptmann*, wie man ihn auch nennt, handhabt in seiner Horde die Ordnung. Er bestätigt die Ehen oder trennt sie wieder, schlichtet vorkommende Streitigkeiten oder beugt ihnen vor, ertheilt Rügen oder verhängt Strafen, welche scharf sind, wie körperliche Züchtigung, ja selbst Verstümmelung, Ausstossting aus der Genossenschaft, Infam-Erklärung u. s. w. — Den Ausgestossenen kann der Hauptmann dadurch wieder „ehrenhaft" machen, wenn er den Ehrlosen aus seinem I Iauptmanns-Becher trinken lässt. — Die deutschen, ansässigen Zigeuner im Banate schwören auch vor dem Zigeunerrichter auf ein geschnitztes Christusbild, doch halten sie den Wortlaut dieses Eides vor den Er e m den geheim. — Dem Hauptmann kommen gewisse Taxen und Abgaben zu, ja man behauptet sogar, dass er vom Raub und Diebstahl gewisse Antheile erhält. Er vertritt seine I lorde auch nach Aussen hin, legt Eürsprache ein, wenn ein Mitglied seines Stammes mit den Behörden in Konflict gerathen ist, und muss bei Wanderungen das Wohlverhalten der Seinigen verbürgen. — Wegen der angeborenen Streitsucht der Zigeuner, die zu häufigen überaus lärmenden Händeln führt, wobei oft die ganze Bande, Männer, Weiber und Kinder, mit einander handgemein werden, hat ein solcher Zigeunerrichter in der Regel nicht geringe Arbeit zu verrichten. — Ob ausser den Richtern der einzelnen Horden oder Gruppen gegenwärtig auch noch gemeinsame Oberrich-tcr im Lande bestehen, weiss man nicht genau, doch sollen, nach den Aussagen der Zigeuner, dieselben auch jetzt noch einen »Oberrichter* (Oberwoj woden) haben, welcher zeitweise in Miskolcz, zeitweise in Schemnitz wohnt und mehrere Sammelbüchsen unter den Zigeunern herumschickt, damit in denselben die „milden Gaben" aufbewahrt werden, über deren Verwendung aber die Zigeuner kein Geständniss machen wollen. Auch wird behauptet, dass dieser Oberrichter selbst Todesurtheile fällen und dieselben vollstrecken kann. In Deutschland sind die Zigeuner auch noch gegenwärtig in „Landsmannschaften" mit ordentlichen „Hauptleuten" organisirt. — In Ungarn wird der Zigeunerrichter gewöhnlich lebenslänglich gewählt, in Deutschland dauert das Amt desselben nur sieben Jahre. — Die Neuwahlen geschehen jedesmal in der Pfingstwoche. — Die Zigeuner in Deutschland dürfen bei Strafe der Aechtung weder Gensdarmerie- noch Polizeidienste annehmen, ausnahmsweise kann ihnen der Hauptmann gestatten, Waldhüter, Forstläufer oder dergleichen zu werden. Die Zigeuner, Mann und Weib. Jung und Alt, kennen weder Schamgefühl noch Rücksichten in Blick, Rede und Geberden. Der Umgang der Geschlechter ist ein ganz freier, lockerer, flatterhafter, selbst den Nichtzigeunern gegenüber kennt das Zigeunermädchen oder Zigeunerweib keine Scheu noch Zurückhaltung. Mütter sind nicht selten die Zubringerinnen der eigenen Töchter; die verrufenen Häuser in Bosnien und in der Türkei werden von Zigeunermüttern und ihren Töchtern versehen. Das Familienleben zeigt traurige Kontraste. Die Zigeuner heirathen frühzeitig, Jünglinge und Mädchen gelangen bei ihnen, wie überhaupt bei orientalischen Völkern, in jungen Jahren zur geschlechtlichen Reife. Man findet Mütter mit 13 —14 Jahren. Obwohl die Zigeuner auch ihre Hochzeitsgebräuche haben, so treten doch z, B. in Siebenbürgen Männer und Weiber ganz ohne alle Ceremonien in die Ehe, d. h. in ein Zusammenleben auf beliebige Zeit. Nachträglich kirchliche Einsegnungen der bereits geschlossenen Zigeunerehen kommen bei sesshaften Zigeunern allerdings auch vor, doch hat diese Zeremonie in den Augen der Zigeuner für die Giltigkeit der Ehe keine Bedeutung, wohl aber wird jede nur kirchlich geschlossene Ehe für ungiltig betrachtet und diese Missachtung der Eheschliessung nach nationalem Brauche zieht die Ausstossung aus der Zigeunergenossenschaft nach sich. — Heirathen unter Nächstverwandten, selbst unter Geschwistern, sind nach Zigeunerbegriffen erlaubt, werden jedoch in der Regel vermieden. Ebenso leicht wie die Zigeunerehe geschlossen wird, kann sie auch wieder gelöst werden! — Dort, wo die Horde unter der Obhut eines Richters oder Hauptmanns steht, wie wir es z. B. in Ungarn und Siebenbürgen bei „Nomadisirenden Zigeunern" finden, intervenirt dieser bei Schliessung und Trennung der Ehen. Vor ihm geschehen die wechselseitigen Zustimmungen zur Ehe, er führt beim Hochzeitsfeste den Vorsitz, er hat den Ehrentanz u. s. w. — Entspricht das Eheweib den Erwartungen des Gatten nicht, genügt sie nicht seinen Anforderungen in Bezug auf Pflege der Kinder, auf Erwerb und Beitrag zum Lebensunterhalt, so sind das hinreichende Gründe zur Trennung der Ehe. Um sie zu lösen, genügt eine einfache Anzeige des Mannes beim Hauptmann, der davon Notiz nimmt und so den meist bereits faktisch geschiedenen Lhebund auch formell trennt. Recht eigenthümlich sind die Hochzeitsgebrauche bei den Zigeunern. Will z. B, bei den rumänischen Zigeunern in Südungarn ein Bursche ein Mädchen heirathen, so vertraut er diess einem seiner P'reunde an. Dieser geht zu dem Mädchen, betrachtet dasselbe und findet es seinen Beifall, so ist das „Geschäft'' vorläufig fertig. Der Brautschaucr verständigt den Heirathslustigen. dass ihm das Mädchen gefalle und dass er gegen die Heirath nichts einzuwenden habe. Nun macht erst der Brautschauer in Gesellschaft des Bräutigams in spe den Freiwerber bei dem Mädchen; erhalten sie hier das Jawort, dann müssen auch noch die Kitern für das Projekt gewonnen werden. Zu diesem Zwecke ist der Bursche gezwungen, für das Mädchen seiner Wahl den Eltern entweder Geld oder Geräthschaften zu geben, wobei der Vater des Mädchens den Kaufpreis und die Art desselben bestimmt. — Oft besteht dieser Kaufpreis, der den Eltern noch vor der Hochzeit eingehändigt werden muss, in einigen ..hundert" Gulden oder in einem „Paar Pferden". — Sind diese Vereinbarungen getroffen, dann erst macht der Bursche seine regelmässigen Besuche in der 1 lütte der Braut. Beim zweiten Besuche überreicht er derselben ein neues Kopftuch, welches die Braut, wenn sie ihrem Zukünftigen herzlich gut ist, sogleich aufbinden muss. Vorher findet aber noch die förmliche „Verlobung" statt. Bei dieser Gelegenheit drückt der Bräutigam dem Mädchen einen alten Silberthalcr in die Hand, küsst es und die Ceremonie ist zu Ende. Die Hochzeit wird, wie wir schon früher sagten, gewöhnlich während der Markt zeit abgehalten. Zu diesem Zwecke schlagen die Zigeuner ein grosses Zelt auf, unter welchem alle Hochzeitsgäste Platz finden müssen, während das Brautpaar und neben ihnen die Poltern in der Mitte sitzen. Nachdem alle Platz genommen, erheben sich die Eltern und trinken auf das Wohl ihrer „Kinder", diese küssen sich gegenseitig. Sodann beginnen die Eltern einen eigenthümlichen Tanz, an welchem ausser ihnen Niemand theilnehmen darf und der über eine halbe Stunde dauert. Erst hierauf tanzen die übrigen. — Bei diesen Hochzeiten werden die Gäste „drei" Tage lang von den Eltern des Bräutigams mit „Schnaps" bewirthet. Am zweiten Tage dauert der Tanz und das Gelage mit lustigen Liedern fort, der dritte und letzte Festtag ist den Klage-Gedern gewidmet, denn klagen muss der Zigeuner selbst beim fröhlichsten Anlasse, das liegt in seiner Natur. — In Ederen Theilen Ungarns, sowie in Siebenbürgen, herrschen bei den Zigeunern zum Theil andere Hochzeitsbräuche. So vv'rd z. B. aus ihrer Mitte ein ,,Curator" gewählt, dieser geht toit einer Fahne von Dorf zu Dorf und ladet die Gäste ein. - Bei erbärmlichem Geigengekratze wird dann unter Gottes Beiern Himmel die „zwölfjährige" Braut im Kreise gedreht, fahrend sich der junge Bräutigam mit anderen Weibern recht Sl't unterhält — liier und da bestehen auch besondere ^igeunerpriester, welche eine solche Zigeunerehe einsegnen. Die Eheleute führen häufigen Zank und Streit, der nicht selten mit Thätlichkeiten endet. — Von einer Kindererziehung lst bei den wandernden Zigeunern keine Rede, doch haben die Litern zärtliche Liebe zu ihren Kindern. — Wird das Kind lrn Winter geboren, so setzt man es in einen Haufen Schnee und badet es in kaltem Wasser; kommt es im Sommer zur Welt, so wird es mit Fett bestrichen und ^en Sonnenstrahlen ausgesetzt! Diesen drastischen Methoden fallen natürlich zahlreiche Kinder zum Opfer. — Der ^rater übt in der Familie eine despotische Gewalt aus, seinen befehlen muss unbedingt gehorcht werden. Er bestimmt die Beschäftigung, Wanderung und den Aufenthalt der Familie, er ertheilt die Erlaubniss zur Ehe, führt die Kasse, bestreitet ^e Ausgaben u. s. w. Respekt hat er nur vor seinem eigenen Vater, noch mehr vor seiner Mutter, denn die alten Zigeunerweiber gemessen bei ihrem Volke überhaupt grosses Ansehen. Man fragt sie in allen Dingen um Rath, b°lt ihr Urtheil ein und legt auf dasselbe ein besonderes Gewicht. Zuweilen werden aber ebenfalls hilflose Greise und Freisinnen von der flüchtigen Bande ausgesetzt oder zurückgelassen, denn im Gemüthe des Zigeuners berühren sich auch die Kontraste der Pietät und der hartherzigsten Lieblosigkeit gegen das Alter. — Auch gegen die Thiere ist der Zigeuner im höchsten Grade hart und grausam, er misshandelt sein schlechtverpflegtes, halbverhungertes Pferd mitleidlos und unbarmherzig und den Zigeunerjungen bereitet es z. B. ein ungeheures Vergnügen, lebendigen Fröschen und Kröten die Glieder auszureissen! Leichtgläubigkeit, Vorurtheile und Aberglaube beherrschen das Gemüthsleben des Zigeuners. — Man kann eigentlich nicht mit Bestimmtheit sagen, dass die Zigeuner eine Religion haben. Zwar gehören sie „äusserlich" in der Regel zu derjenigen Konfession, welche in ihrem Aufenthaltsorte die herrschende ist, aber da dieses Volk, wie wir wissen, keine Beständigkeit in seinem Aufenthalt kennt, so wechselt dasselbe auch mit derselben Leichtigkeit und Gleichmütigkeit wie den Wohnort das Glaubensbekenntniss! — Wenn sie unter Christen leben, so lassen sie ihre Kinder taufen u. z. nach Umständen und Gelegenheit auch öfters, um die Pathen-geschenke zu erhalten. Befinden sie sich unter Mohame-danern, dann nehmen sie die Beschneidung und den Islam an, werden jedoch in die Moscheen nicht zugelassen. — In Ungarn und Siebenbürgen gehören die meisten Zigeuner äusserlich der griechisch-orientalischen, rumänischen und der römisch-katholischen Kirche an. — Plhen zwischen Zigeunern und Nichtzigeunern gehören zu den grÖssten Seltenheiten. — Betreff der eigenen religiösen Vorstellungen der Zigeuner hält es schwer, etwas authentisches zu berichten, weil die Zigeuner den Fremden gegenüber in derlei Dingen sehr scheu und verschlossen sind. — Aber es lässt sich aus der Sprache der Zigeuner entnehmen, dass die angeblich ^wirkliche Religionslosigkeit" des Zigeunervolkes eine Isabel ist! Der Zigeuner glaubt an ein höchstes Wesen, an „den grossen Gott im Himmel", und führt dessen Namen bei jeder Gelegenheit, oft unbewusst, im Munde. — Die Liebe zu Gott findet aber der Zigeuner unvereinbar mit der Nothwendig-keit des Sterbens. „Der kann kein gütiger Gott sein, der ihnen das Kind frisst!" d. h. dasselbe sterben lässt. Der Zigeuner verwünscht und verflucht deshalb seinen ^grossen Gott". Von diesem grossen Gott kommt der Blitz und der Donner, Gottes Feuer, Gottes Wetter, Gottes Zorn, er giebt Schnee und Regen und seine Lichter brennen am 1 bmmel. Die Furcht vor dem „grossen Gott", den der Zigeuner niit Vorliebe „miro baro dewel", d. i. mein grosser Gott nennt, ist weit stärker als die Liebe zu Gott, denn dem Zigeuner smd die Dinge und Erscheinungen in der Natur Meistens schreckhafter oder unbequemer Art. Wind und Regen belästigen ihn in seinem Zelte oder in der durchlöcherten Hütte, das Gewitter jagt ihm Entsetzen ein, die Füchte der Felder sind ihm gleichgiltig, die Lichter des Himmels stören seinen Diebsgang! — Die Erde jedoch ist nhm heilig, sie ist ihm die Mutter alles Guten, die von Anfang an durch sich selbst besteht und nicht erst erschaffen werden ^usste. — In die gleichen Verwünschungen und Flüche gegen Gott bricht der Zigeuner aber auch aus, wenn ihn sonst ein Hnfal] trifft, ein Anschlag misslingt oder ihm überhaupt ein Wunsch nicht in Erfüllung geht! — Den „Teufel" nennt der ^'geuner „Beng", darunter versteht er aber weniger ein der Gottheit entgegengesetztes feindlich zerstörendes Wesen, weil "hm ja Gott selber weit mehr in solcher furchterregender Agenschaft erscheint, sondern er erblickt im Teufel l0ss eine untergeordnete, wenig bedeutende dämo-n|sehe Persönlichkeit. — Sehr zweifelhaft ist es, ob die -^geuner an eine persönliche Fortdauer nach dem Tode glauben; ***** ihrer gewöhnlichen Auffassung giebt es kein Leben über as Grab hinaus, keine Auferstehung. Doch behauptet man, Ie Zigeuner glaubten an die Seelenwanderung. Sie geben Mch nämlich der Ueberzeugung hin, die Seele dieses °der jenes Zigeuners sei in einen Vogel hinein ge- blasen worden! Wenn dieser Vogel stirbt, dann geht die Seele wieder in den Körper eines Zigeuners über. — Den Todten widmet der Zigeuner grosse Pietät, sein Schwur bei den Todten gilt ihm unverbrüchlich und heilig, das Andenken an die Todten bewahrt er lebendig in seiner Seele, wenn er auch alles, was an sie erinnern kann, entfernt und z. B, ihre Kleider, Betten sowie andere Dinge verbrennt und ängstlich vermeidet, den Namen Verstorbener auszusprechen. — Kein Zigeuner geht an dem Grabe seiner Stammesgenossen vorüber, ohne auf dasselbe einige Tropfen Wein, Bier oder Branntwein auszu-giessen! Jeder besucht, wenn es ihm irgend möglich ist, nach Jahresfrist das Grab eines theuren luitschlafenen. Stirbt ein Zigeuner, dann versammelt sich die Horde, Männer und Weiber werfen sich über den Leichnam und das Jammern und Schluchzen dauert geraume Zeit fort. Dann stimmt man ergreifende Klagelieder an. Das Antlitz des Todten wird mit einem Tuche bedeckt, welches man an der Stelle, wo sich der Mund befindet, durchreisst. — Doch ist der Schmerz über den Tod eines Pamiliengliedes auch nur momentan. Der Zigeuner klagt mehr über materiellen Schaden oder körperlichen Schmerz als über den Verlust eines Familien-gliedes, ja sogar die siebenbürgisehen Zigeuner beklagen einen derartigen Verlust gar nicht. Den Leichnam legt der Zigeuner entweder in den Sterbegewändern auf sein Ross und reitet damit zum Grabe, welches die jüngeren Familienmitglieder hergestellt haben, oder man bettet denselben in einen einfachen, aus einigen Brettern hergestellten Sarg, den ein Zigeuner zu sich auf das Pferd nimmt; er reitet damit entweder zum Friedhofe oder an einen abgelegenen Ort. Dort stellen sich die Angehörigen um das Grab, erheben neues Wehklagen, bis die Erde den Sarg aufgenommen hat! Hierauf beginnen die Leidtragenden zu jauchzen, zu jubeln und zu singen. Kommt man dann zu Hause, so wird die an einem Alchen Tage besonders grosse und gewählte Mahlzeit, bei sicher der Branntwein absolut nicht fehlen darf, eingenommen Und hierauf getanzt, gejubelt und gesungen. — Mit ganz be-Sor»derer Feierlichkeit werden die Zigeunerrichter begraben, Gorati die ganze Horde Antheil nimmt. Die Leute raufen Slch dabei die Haare aus, zerfleischen sich das Gesicht l'nd ergehen sich in lauter Wehklagen und Trauer« Sesängen! — Len Leichnam geleiten die Männer barhäuptig, die Weiber mit aufgelösten Haaren zu Grabe, aber es finden dabei keinerlei priesterliche Handlungen oder reli-S'dse Ceremonien statt. Die Juden in Oesteneich-Ungarn. öie Juden sind über ganz Oesterreich-Ungarn verbreitet, arn Reuigsten finden wir sie in den Alpenländern, zahlreicher *\ ^ngarn, Böhmen und in den grossen Städten des Reiches, le z. B. Wien, Budapest, Prag; ihr Hauptsitz ist aber in [ llzien, denn hier bilden sie ungefähr 10 Procent der Be-v°lkerung. Sie theilen sich im grossen Ganzen in drei Haupt-2ruPpen: Den „Altjuden", den „Hassidin", mit Schmachtlocken ^nd im „Kaftan", der in der Stadt und auf dem Lande alten ^aditionen nachgeht, die gewöhnliche „Kamelotjupitza" am w er^tage, die atlassene mit Pelzmütze am Festtage, beschuhte, eissbestrümpfte Füsse und das althergebrachte Leibel mit sei j1 ln^en(^en Schnüren trägt; den halbcivilisirten, aus-lesslich nationalen Juden, welcher halb modern, halb alter-umlich gekleidet als Faktor* kleinerer Getreidehändler, Geld einer, Schankwirth und zum geringsten Theil auch als ^^^dwerker seinen Erwerb findet; und den civilisirten Be-nner der mosaischen Religion, der entweder Arzt, Professor, e*mter, Advokat, Finanzmann, Journalist etc. ist, als solcher seine Gleichberechtigung konstatirt und nur hier und da seine prekäre Stellung der christlichen Gesellschaft oder eigentlich dem „gesellschaftlichen Leben" gegenüber beklagt. Die Juden vermehren sich ausserordentlich, was seinen Grund in ihrer grossen Fruchtbarkeit hat. — Von den gebildeteren Elementen folgt ein Theil den Strömungen allgemeiner finanzieller und Handelsbewegung, spekulirt leidenschaftlich an der Börse oder macht sonst grosse Geldgeschäfte. Andere wieder, ein wohlhabender Mittelstand, gehen nach wie vor ihren Geschäften nach. — Dem civilisirten Juden ist es keineswegs Machtfrage, wohl aber Geschäftssache und ganz besonders politische und sociale Parteifrage, zu welcher Nationalität er sich bekennt. Aus diesen Beweggründen wird er daher auch „Liberaler", Deutscher, Magyare, Pole, Czecho-slave etc. — Das moderne Judenthum ist Verfechter revolutionärer Errungenschaften, Nationalität im wahren Sinne des Wortes nimmt es im allgemeinen nicht an, wohl aber geht es Hand in Hand mit den freisinnigen Elementen aller Nationen. Die Toleranz ist ihm nicht hinreichend, es will die Welt, in der es lebt, möglichst konfessionslos machen! — Daher findet man das volksthümliche, das gewissermassen „nationale jüdische Pdement" viel eher bei dem jüdischen Mittelstande. In Galizien, ihrem Hauptsitze, sind die Juden im II. Jahrhundert eingewandert, heutzutage sind sie dort fast im vollkommenen Besitz des Getreidehandels und betreiben den Ankauf von Ritter- und Bauerngütern, gerade so wie in Ungarn, im ausgedehntesten Massstabe. — Unter den dortigen „Altjuden" giebt es heutzutage hervorragende talmudische Gelehrte, welche von weit her Massen von Bewunderern und Wallfahrern heranziehen, denn Polen war stets der Pflege ihrer mystisch-kabbalistischen Richtung ausserordentlich günstig. — In den kleineren Städten und in den elenden Seiten-gässchen grösserer Städte wimmelt es aber von einem hungrigen, fn Schmutz starrenden jüdischen Proletariat, das inmitten der verarmten christlichen Bevölkerung selbst zu Grunde geht oder n'er und dort nach Amerika oder Australien auswandert. In Bosnien rinden wir auffallend viele „spanische" Judenfamilien, die nicht nur grösstentheils wohlhabend sind, son-^ern auch blühende Geschäfte besitzen. — Sie sind Nachkommen jener spanischen Juden, welche im 15. und 16. Jahrhundert aus Spanien vertrieben wurden und theils über K°nstantinopel oder dem südlichen Italien nach Bosnien eingewandert sind. — Der Handel ist fast ihre ausschliessliche Beschäftigung. — Gegenüber den Juden ist der Mohamedaner 'n vieler Beziehung brüderlich, weil ihre Religionen in mancher eziehung verwandt sind. Seit jeher waren aber die Juden S° klug, sich den eigenartigen Verhältnissen in Bosnien so yiel wje möglich anzupassen, und während die Mohamedaner nilt dem Schwerte kämpften, unterstützten sie ihre Unterlenningen mit Geld, ohne Rücksicht auf die Ziele des Krieges. T Auf diese Art waren die Juden stets wichtige Stützen der ni°hamedanischen Bevölkerung, und als Lohn dafür verfolgte ^n sie niemals in so hohem Grade wie die Christen, obwohl auch sie von den Mohamedanern zu den Raja's ge-rechnet werden. Ausserdem war ihre Anzahl in ganz Bosnien stets so gering, dass sie von den Mohamedanern gar nicht ernstlich in Betracht gezogen wurden. Bei den spanischen Juden kleiden sich Männer und PYauen gerade so wie die Mohamedaner, nur hier und da sieht man ^nien Juden in moderner Toilette, und dann trägt er einen ^ez. —- jj[e übrigen Juden haben aber gewöhnlich einen grossen «nten Turban auf dem Kopfe und binden ein 4—5 Meter 1 nges leinenes oder halbseidenes Tuch um den Leib. — Ja, ^s giebt sogar Juden, die in der Nachahmung der Mo- arnedaner so weit gehen, dass sie sich ebenfalls ihren KoPf glatt rasiren! — In Bezug auf allgemeine Bildung stehen die spanischen Juden jedoch noch immer sehr tief. Sie 142 (teSterreich-Uilgarn. lehren die Kinder wohl beten und ein wenig jüdisch schreiben, mehr aber auch nicht, und man findet in ganz Bosnien keine 2 oder 3 jüdischen Schulen. — Meistens ist der „Chacham", welcher gleichzeitig die Würde eines Seelensorgers, Rathgebers, Schlächters und Kirchendieners in seiner Person vereinigt, auch Lehrer der Kinder, doch besitzt er gewöhnlich weder Kenntnisse, noch Zeit oder Jugendfrische, um sich nur annähernd erfolgreich mit dem Unterricht zu beschäftigen. —■ Beinahe alle bosnischen Juden können nur jüdisch schreiben, und während die österreichischen Juden mit jüdischen Lettern deutsch schreiben, schreiben die bosnischen Juden mit jüdischen Lettern spanisch. — Zu Hause, in den Bazars und im Tempel sprechen sie untereinander stets spanisch, und man findet nicht selten spanische Juden, deren Grossvater bereits in Bosnien geboren wurde, welche noch immer keine andere Sprache als Spanisch können!! Doch nicht allein in der Kleidung, sondern auch in Bezug auf die innere Einrichtung der Wohnung, die Möblirung und den Haushalt ahmen die spanischen Juden den Mohamedanern nach. — Sic haben ebenfalls ein ,,Selamlik", Männerzimmer, und einen „Harem" für die Frauen. — Auch rund um die Wände ihrer Zimmer zieht sich die eingemauerte Plolzbank, welche stets mit einer Decke überzogen ist, deren Qualität von dem Range des Gastes oder der Wichtigkeit des Feiertags abhängt. — Gerade so wie bei den Mohamedanern findet man in den Männerzimmern der spanischen Juden, mit Ausnahme des Geräthekastens, weder Spiegel, Bilder noch Möbel. — Aber es giebt einzelne reiche Juden, welche jetzt nebst dem gewöhnlichen Zimmer auch modern möblirte Gemächer besitzen. Die spanischen Juden erwerben selten Grundbesitz, doch bauen sie, besonders die Reichen, ihre Häuser ziemlich fest und versehen sie mit einem Rauchfang. — Der Jude Bosniens kennt keinen Stolz. Er lebt selbst mit dem •^ermsten in aufrichtiger Freundschaft! — Ueberhaupt lst die Zusammengehörigkeit bei den spanischen Juden in so hohem Grade ausgeprägt, wie kaum bei den Mohamedanern Bosniens. — Ausserdem sind diese Juden sehr fromm und versammeln sich jeden Morgen zum Gebet. — Nach dem Gottesdienst am Sonnabend gehen die jüngeren Männer und Frauen lach Hause, die Alten bleiben aber im Tempel und regeln die Gemeindeangelegenheiten, die zwischen ihnen vorgekommenen Streitigkeiten, sowie überhaupt Alles, was sich im Orte fahrend der Woche ereignet hat. — Wenn unter ihnen, was Wohl sehr selten geschieht, irgend ein Streit ausbricht, dann Suchen sie ihr Recht nicht beim Mudir oder einer anderen Behörde, sondern ihr Gemeindevorsteher ordnet im Verein mit einem Aeltesten die Sache. — Nur in Processen mit Andersgläubigen wendet sich der spanische Jude an den Mudir. Als Familienvater ist der Jude Bosniens gutmüthig, liebt seine Kinder ausserordentlich zärtlich und thut alles mögliche, Urn ihnen eine sorgenlose Zukunft zu bereiten. — Doch nicht allein der spanische Jude, sondern auch die Jüdin bemüht sich, die äusseren Sitten der Mohamedaner nachzuahmen, so dass zwischen ihr und der mohamedanischen Frau zu Hause fast gar kein Unterschied gefunden werden kann. Nur auf der Strasse erkennt man sie gleich von einander, denn die mohammedanische Frau trägt eine „Fcredsche" und verhüllt sorgfältig ihr Gesicht, während hingegen die Jüdin, obwohl sonst ^ie Kleidung gleich ist, keine Peredsche trägt und nicht im geringsten das Bcdürfniss empfindet, ihr Gesicht vor den Augen der Welt zu verbergen. — Die spanische Judenfrau ist unstreitig eine interessante Erscheinung. Sie vereint in ihrer Person nebst der spanischen Schönheit die Trägheit der Türkin, das tiefe Gefühl des Juden, den eigenthümlichen Stolz der Spanierin, die ^Ipfindlichkeit der Türkin und die jüdische Leidenschaftlichkeit! — j]1re Bewegungen verrathen spanische Grazie, ihre Kleidung den bizzaren Geschmack der Türkin und den jüdischen Geist! — Aus hebräischen Gebetbüchern können alle bosnischen Jüdinnen lesen, weil der älteste Sohn verpflichtet ist, die Mädchen beten zu lehren. — Auf die geistige Ausbildung der Mädchen verwendet man aber, gerade so wie bei den Mohamedanern, gar keine Sorge, und in ganz Bosnien giebt es nur eine einzige israelitische Mädchenschule in „Nis", die aber kaum ihr Dasein fristet. In den Häusern der spanischen Juden findet man beinahe kein einziges anderes Buch als ein Gebetbuch. — Die Männer gehen während des Tages ihren Geschäften nach, und am Abend vertreiben sie sich die Zeit mit Essen, Trinken oder Kartenspiel. Das Essen und Trinken spielt überhaupt bei ihnen eine grosse Rolle, und darauf wird viel Sorgfalt verwendet. Niemals benutzt der Mann die Frau zur Besorgung seiner Geschäfte oder in seinem Bazar. Sie bleibt zu Hause auf sich selbst angewiesen und sitzt, da sie bei den Wohlhabenderen nicht einmal die kleinsten häuslichen Arbeiten verrichtet, stundenlang auf einem Platz, mit ihren träumerischen grossen Augen vor sich hinstarrend, ohne sich zu rühren, ohne auch nur ein Wort zu sprechen. — Ihre dünnen Ciga-retten, von denen sie täglich eine grosse Quantität verraucht, fabricirt sie mit bewundernswerther Geschicklichkeit; dabei schlürft sie wie die Türkin aus fingerhutgrossen Schalen Kaffee. Auf ihre Kleidung ist die spanische Jüdin ausserordentlich eitel. Sie liebt reiche glänzende Kleider. — Ihre Werktagsund Festkleider haben ein und denselben Schnitt und unterscheiden sich blos in der Qualität des Stoffes. — Die Mädchen tragen einen weiten „Salvar", Pluderhosen, an Wochentagen aus bunter, grossblumiger Leinwand; diesen Salvar kann das Mädchen ohne Unterschied des Alters erst dann mit einem Kleid vertauschen, wenn es „Muzeir'\ Braut, wird. Die Frau benützt aber sehr selten und dann blos zu Hause den Salvar, aber sie trägt als Abzeichen ein westenförmiges Kleidungsstück, welches von dem „Misziraba", einem kurzen, breitärmeligen Leibchen, bedeckt wird.— Diese Kleidungsstücke sind für Festtage aus Seide und Atlas und reich mit Goldverschnürungen aus-K^näht — Auch die Frisur der Frauen ist höchst eigenthüm-'ich. Führt man die „Muzeir" zur Trauung, so wird ihr das i&nze Haar bis zur Wurzel unbarmherzig abgeschnitten und «Jan legt ihr die langen Flechten in den Schoss, zum Zeichen, ^;iss sie, da sie bei einem Manne bereits Gefallen gefunden, Bf die Folge gar keinen Wunsch hegen soll, einem anderen Zu gefallen! Nachdem das junge Weib auf diese Art der Sfeare beraubt wurde, bindet man ihr eine nachthaubenfÖrmige ^°pfbedeckung aus schwarzer Seide ziemlich fest, von der Stirn bis zum Halswirbel, über den Kopf, darüber kommt dann n°ch eine Art Mütze, jedoch kein Fee, an welcher aus Seiden-^den imitirte Haarflechten angebracht sind. — Die Mädchen |-ragen im Zimmer und auf der Gasse einen Fez; ihr Haar ist 111 einen Zopf zusammengeflochten. Der Schmuck spielt bei ^en bosnischen Judenfrauen eine grosse Rolle, und nicht selten k'rRt ihre Schmuckkassette grosse Schätze. — Schon bei der Geburt des Mädchens beginnen Vater und Mutter für eine Halskette der Tochter die Goldstücke zu sammeln! Die Jüdinnen Bosniens kleiden sich sehr malerisch und Wlöhen dadurch den Reiz ihrer Bewegungen nur noch mehr. Loch kann keine von ihnen tanzen und nur äusserst selten ^ndet man eine Familie, in welcher an einem grossen Festtage *Ule Tanzunterhaltung veranstaltet wird, — Die spanischen Jüdinnen gehen niemals spazieren, ja, sie halten es sogar für eille Schande und Ehrlosigkeit, wenn das Mädchen auf der Gasse viel herumgeht. — Auf die Erhaltung ihres guten Rufes qnd ihrer Ehre sind sie sehr bedacht, und es gehört wirklich *u den Seltenheiten, dass eine spanische Jüdin eine Untreue egeht, noch seltener ist es aber, dass ein Mädchen vom Hause durchginge. —- Ihre Namen sind ähnlich den österreichischen Oesterreich-Ungam. 10 Judennamen, jedoch spagniolisirt wie z. B. „Sarittya", Sali; „Istirittya", Esther; „Rüvkeittya", Rebekka u. s. w. — Der Zauber ihrer Schönheit liegt in ihren prachtvollen grossen Augen; meistens sind sie Brünetten. — Bei den spanischen Juden bringt vor und nach den Mahlzeiten ein Diener einen „Ibrik", Kupferkrug, einen „Legen", Kupferteller, und ein „Peskir", Handtuch. Jedermann wäscht sich dann die Hände, trocknet sich ab und betet. — Sämrnt-hche Gäste benutzen ein und dasselbe Peskir, dessen eines Ende; da es so lang ist, dass es um den ganzen Schemel, der als Speisetisch dient, herumreicht, der Hausherr in der Hand behält, während sich die Tischgenossen mit demselben abtrocknen.. — Gewöhnlich wird das Mahl in schweren silbernen Schüsseln gereicht. — Die Gebete nach dem Mittagstisch dauern beinahe eine halbe Stunde. -- Die Speisen sind dieselben wie bei den Mohamedanern, und auch die Juden benutzen nur einen Löffel, aber kein anderes P.sszeug. — Nach dem Mittagsmahl singen meistens die Männer Tcmpellieder, während die Frauen sorgfältig ihre Tabatieren mit kleinen Cigaretten füllen und sie dann mit ihren Gatten theilen. Meistens wohnen die Juden in grösseren Städten; mit Ackerbau beschäftigen sie sich aber sehr selten. Sie waren ehemals in ihren P'reiheiten gerade so beschränkt wie die Christen, aber die Mohamedaner schenkten ihnen stets mehr Vertrauen als den übrigen Rajah's. — Die ihnen auferlegten Steuern bezahlten sie stets gemeinschaftlich. Niemals waren sie von ihren Seelsorgern derartigen Plrpressungen ausgesetzt, wie die übrigen Pewohner Bosniens, ja sogar die jüdischen Priester, „Chacham", mit Ausnahme des in Serajewo wohnenden Oberrabiners. ,,Chachambasi'', beziehen gewöhnlich nicht einmal Gehalt. — Die spanischen Juden lieben so viel wie möglich Comfort und Genuss. Die Reicheren halten im Winter förmliche Saisons und besuchen im Sommer einen oder den anderen bosnischen Badeort, meistens aber „Kiszeljak." Plier findet man im Sommer beinahe jeden reicheren spanischen Jaden und die Judenfrauen glänzen hier in ihren schönsten Kleidern und Schmucksachen. — Die sonst entfernter von einander wohnenden jungen männlichen und weiblichen Juden Hosniens finden in diesen Kurorten die beste Gelegenheit, sich näher kennen zu lernen, daher giebt es in jeder Saison zahlreiche Verlobungen tinter ihnen. Wird der spanische Jude alt und arbeitsunfähig, dann empfindet er eine unbezähmbare Sehnsucht, nach Palästina zu wandern. Sein einziger Wunsch besteht darin, sein müdes Haupt in der Nähe der heiligen Gräber zur ewigen Ruhe zu legen, und jeder, der es vermag, thut es. °hne Kosten und Mühe zu scheuen. — Sie kehren dann Niemals wieder heim, denn der spanische Jude lebt gerne in Bosnien, will aber hier nicht sterben! Die Ursache dieser höchst eigenthümlichen Erscheinung ist zum grossen 'Pheil darin zu suchen, dass die Mohamedaner in früheren Zeiten nicht nur die Friedhöfe der Christen, sondern auch der Juden auf das rücksichtsloseste entweihten. — Man unterscheidet nämlich in Bosnien dreierlei Friedhöfe, u. z. solche hir Mohamedaner, Christen und Juden, im Friedhofe der Mohamedaner giebt es buntfarbige, mit einer Turbanspitze und zahlreichen arabischen Sprüchen versehene, gemeisselte Grabstätten; der Gottesacker der Christen hatte keine Umzäunung, die Gräber wurden mit niederen und möglichst einfachen Holzkreuzen geziert und in dem jüdischen bildeten nur drei Steinstücke, ohne jede Schrift und Zeichen, das Grabmal. Die Steine wurden einfach von der Landstrasse genommen und über das Grab aufeinander gelegt. Sie aneinander mit Ldsen oder Holz zu befestigen, war streng verboten, l,nd da die Mohamedaner in den christlichen tind jüdischen Friedhöfen früher ihre Haust hier e weiden 'assen durften, wurden diese losen Steine natürlich bald wieder zerstreut, so dass die einzelnen Familien schon nach 10* wenigen Tagen die Gräber ihrer Todten nicht mehr erkennen konnten. Selten machen die spanischen Juden ihre weite letzte Reise nach Palästina allein, sondern es zieht immer eine grössere Anzahl zusammen. — Ganze Karawanen begleiten die Wanderer bis an die Grenze Rosniens. Dort wird dann von einander auf immer ein ergreifender, herzlicher Abschied genommen. Die Frauen klagen und weinen, als ob sie einen Lebendigen begraben würden, die Männer beten und sämmtliche Versammelte küssen die Hände der Alten! Die nichtbäuerliche Bevölkerung und der Adel Oesterrcich-rngarns. Die übrige, noch nicht geschilderte Bevölkerung Oesterreich-Ungarns weicht je nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen und der dadurch bedingten kulturellen Entwicklung von der vorher geschilderten grossen Hauernmasse in Bezug auf Sitte, Tracht, Lebensweise und andere Dinge ab und erreicht schliesslich in ihrer „guten Gesellschaft" jenen Charakter, den die „gute Gesellschaft" in allen Kulturländern an sich trägt und der im grossen Ganzen nur sehr wenig von einander abweicht. - Den „Mittelstand" Oesterreich-Ungarns werden wir am besten in den nachfolgenden Abschnitten bei seiner „Arbeit" kennen lernen. Doch ist in Oesterreich-Ungarn der Mittelstand bedeutend in der Minorität gegenüber der grossen Bauernmasse, ja sogar in Galizien, einigen Gegenden Ungarns und anderen Provinzen ist er fast ganz erloschen. — Nach der letzten Berufszählung sind in Oesterreich beschäftigt bei Land- und Forstwirtschaft 12,198.000, Seefischerei 11.000, Industrie und Gewerbe 4,710.000, Bergbau und Hüttenwesen 317.000, Handel 873.000, Verkehr 359000, Lohnarbeit und im Dienst 1,852.000, Militär- und Sicherheitswesen 254.000, als Beamte, Geistliche und Lehrer 500.000, in den sogenannten freien Künsten 311.000, als Rentiers und Pensionäre 701.000. Wenige Länder Europas haben einen so ausserordentlich zahlreichen und dabei vielfach verarmten oder im Verhältnis* zum Adelstitel wenig bemittelten Adel wie Oesterreich-Ungarn. In Ungarn und der früheren Militärgrenze giebt es sogar ca. 136.000 P'amilien, also ungefähr 5% der Gesammtbe-vülkerung, welche zur Klasse des „Bauernadels" gehören. — Ks kommen somit durchschnittlich von diesen Leuten gegen 230 Seelen, im Borsoder Comitate sogar gegen 545 auf die Quadratmeile. — Dieser Bauernadel, auch „Sandalen-Adel", »Bocsköros nemesseg", genannt, weil sich ein grosser Theil desselben nicht einmal Stiefel anschaffen kann, sondern in Bundschuhen einhergeht, besteht zum gross t en Theil aus Menschen, welche an Armuth, Rohheit, Uebermuth, Irägheit und Nutzlosigkeit in ganz P^uropa nicht leicht ihres Gleichen finden! — Es giebt Tausende unter 'hnen, die bis zum höchsten Alter nicht so viel für ihr Vaterland geleistet haben, als der geringste Bauer oder selbst der nüttellose Häusler in einem Jahre. -- In früheren Zeiten, wo der kleinere Adel den Kern des ungarischen Heeres bildete, hielt ihn militärische Disciplin im Zaume, und in den wenigen f'riedensjahren liess man ihm wohl manche Unordnung hingehen, weil er tapfer fürs Vaterland gekämpft und geblutet hatte. Seit 120 Jahren, wo dieses aufgehört, fragt man sich Vergebens, worin denn eigentlich der Staatszweck dieser zahlreichen Menschenklasse beruhe. — Fast in jedem Comitate sind die „adeligen Komunitäten" in jedem Kulturzweige am leisten zurück, mitunter ein Herd immerwährender Exzesse, eine Geissei der Mitbesitzer, Nachbarn, sowie der öffentlichen eamten und sie tragen gewöhnlich wacker zur Bevölkerung der jefängnisse Dei- — Glücklicherweise ist seit dem Jahre 1848 die Bedeutung dieser Adelsklasse gebrochen und der „Sandalen-Adel" verdientermassen zum reinen Bauer herabgedrückt worden. — Unvergleichlich schildert „Eötvös" die alten traurigen Zustande ihrer Herrschaft in seinem Roman „Der Dorfnotar". Der ohnehin überaus zahlreiche Adel Oesterreich-Ungarns wurde aber noch bis zur allerneuesten Zeit durch vielfache Adelsverleihungen vermehrt. — Man stolpert daher in Oesterreich-Ungarn beinahe jeden fünften Schritt über einen Adeligen und findet Adelige in allen Ständen. Es giebt adelige Gewerbetreibende, adelige Bauernknechte, adelige Bediente u. s. w. Naturgemäss scheidet sich der Adel Oesterreich-Ungarns je nach den Nationalitäten, die im Reiche massgebend sind, in verschiedene Gruppen. — Ja selbst die Wiener „high life" oder die hohe „böhmische" Aristokratie ist in mancher Beziehung etwas anderes als dieselben Kreise in Budapest oder in Galizien. Die in Oesterreich-Ungarn bekannten Worte: „Was in Wien und Prag nicht möglich, ist in Budapest oder Lemberg durchführbar!" sind sehr charakteristisch und bezeichnen haarscharf, ohne jeden weiteren Kommentar, die herrschende Situation. Der deutsche und böhmische hohe Adel ist kühler und ruhiger in seinem Denken und Wesen, daher auch abgemessener in seiner Etiquette, hält viel auf strenge Formen, ist ausserordentlich exklusiv, lebt nur innerhalb seines engsten Kreises, wahrt so viel wie möglich das Ansehen seines Standes gegenüber der übrigen Bevölkerung und vermeidet möglichst jede Chronique scandaleuse. — Er ist aber auch viel adelsstolzer und unter ihm, besonders unter gewissen Kreisen des „böhmischen" hohen Adels, finden wir das Hauptbollwerk der ultramontanen, reaktionären Partei, die Vertreter des Absolutismus! — Der magyarische hohe Adel, die „Magnaten" Ungarns, sind im allgemeinen liberaler in ihren Anschauungen, verschwenderischer und prachtliebender, leutseliger, liebenswürdiger und V|el leichter zugänglich, aber unter ihnen kommen auch viel mehr Skandale vor! Nicht viel besser, womöglich noch ärger, sieht es in dieser Beziehung beim hohen polnischen Adel aus, der sich, wie allgemein bekannt, mit Vorliebe in französischen Formen bewegt l|nd in seinen Kreisen viel französisch spricht, wenn auch nicht mehr so ausschliesslich wie früher. — Uebrigens muss nian zugeben, dass sich in neuerer Zeit im hohen polnischen Adel eine ernstere Richtung und eine grössere wirtschaftliche Solidität bemerkbar gemacht hat. Der wenig zahlreiche sogenannte „italienische" Adel, welcher 'n Welschtyrol, in Triest u. s. w. lebt, hat mehr oder minder 'tälienische Sitten und benützt das Italienische als hauptsächlichste Umgangssprache. Bf ist aber im allgemeinen nicht so reich, wie die hohe deutsche, böhmische, ungarische oder polnische Aristokratie. • Früher, bevor die Zweitheilung des Reiches vorgenommen ^'urde und die Monarchie noch nicht in einem solchen Maasse wie jetzt durch den Nationalitätenhader zerklüftet war, lebte der hohe Adel Oesterreich-Ungarns zur Zeit der Wintersaison m seinen schönen, fürstlich ausgestatteten Palais in Wien. &Och da die alte, schöne Kaiserstadt an der Donau gegenwärtig nicht mehr das Plerz der ganzen Monarchie ist und sich die einzelnen Nationalitäten politisch mehr oder minder schroff gegenüber stehen, so lebt jetzt jede Gruppe im Winter 111 der Hauptstadt desjenigen Landestheiles, dem sie angehört, während sie die Sommersaison zum grössten Theil auf ]hren grossen Gütern zubringt. Hier besitzen sie stattliche, architektonisch schöne Schlösser, welche meistens noch aus älteren Zeiten stammen und von prachtvollen Parks und Pörsten unigeben sind. Die Magnaten Ungarns und zum Theil auch der polnische Adel liebt es, bei festlichen Gelegenheiten sein althistorisches Nationalkostüm zu tragen. Dieses ist bei beiden, besonders aber beim magyarischen Edelmann, ausserordentlich reich und malerisch. Ein Magnaten-Kostüm repräsentirt oft mit seinem kostbaren Stoff und Pelzwerk, seinen Verschnürungen und Seinem Schmuck, worunter die Agraffe, welche an der Kopfbedeckung zur Befestigung der langen Reiherfeder angebracht ist, das werthvollste Stück bildet, ein Vermögen. Noch viel ausgeprägter als bei der hohen Aristokratie finden wir den Nationalitätenunterschied beim kleinen, durch seinen Beruf und seine beschränkten wirthschaftlichen Verhältnisse mehr an die Scholle gebundenen Adel Oesterreich-Ungarns. Dieser hängt zum Theil, besonders in Ungarn und Galizien, noch mit Zähigkeit an seinen althergebrachten Sitten und kann sich nur schwer in unsere moderne Zeit mit ihren kolossalen Ansprüchen an die Leistungsfähigkeit eines jeden einzelnen Individuums, an die vollkommen geänderten Verhältnisse gewöhnen. Daher geräth er immer mehr in Verfall, eine Familie nach der andern verarmt und es ist traurig zu sehen, wie die Abkömmlinge einst grosser, machtiger und ruhmreicher Geschlechter in den Hauptstädten des Reiches oder in dem „Pförtner-häuschen" der Burgen ihrer Ahnen eine armselige Existenz fristen, während der Besitz der Väter in den Händen von Leuten ruht, die es verstanden haben, sich den Anforderungen unserer Zeit anzuschmiegen. Diesen Verfall, diese förmliche Massen verarm ung finden wir ganz besonders beim polnischen und magyarischen Adel! — Die Aufhebung des Majorats, die beständige Zerstückelung der Güter von Generation auf Generation, zum Zwecke der gleichmassigen Vertheilung an die erbenden Kinder, trägt mit einen grossen Theil der Schuld an diesen gegenwärtigen traurigen Zuständen. Der grösste Theil des „bosnischen Adels" war zur Zeit, als die Osmanen das Land eroberten, vom Christenthum zum Mohamedanismus übergetreten, um dadurch seinen Grundbesitz und seine früher innegehabte Stellung zu erhalten. — Diese Renegaten waren stets der übrigen Bevölkerung Bosniens körperlich und geistig in hohem Grade überlegen und unterscheiden sich auch noch heute sehr vorteilhaft von den bosnischen Christen. — Sie sind hoch und knochig gebaut, dabei breitschulterig und muskulös. In ihrem Aeusseren liegt männliche Würde und Selbstbewusstsein, im Gegensatz zur ärmeren Bevölkerung, welche gegen Höhergestellte unterwürfig ist. — dieser bosnische Adel hat einst in der Geschichte des Landes e'ne hervorragende Rolle gespielt! Er ist ausserordentlich st"lz auf seine avitischen Rechte und hat, entgegengesetzt den Gewohnheiten der übrigen Mohamedaner, seine alten slavischen tarnen, wie z. B.: Philippovic, Rajkovic, Ljubuntic, Bosnie u- s. w. beibehalten. Die Adelsbriefe und Waffen all' dieser Familien liegen lrn Archive des Klosters zu „Kresova." — Doch waren diese Begs und Agas stets die gefährlichsten Gegner der Zentralregierung in Stambul und die mächtigsten Opponenten der von dieser nach Bosnien entsendeten seziere, denn in ihren Händen ruhte nicht nur die Macht, andern auch der grösste Theil des Grundbesitzes und erst nach der 1850 durch Omer Pascha erstickten Insurrektion ge-lang es, ihren allgewaltigen Einfluss im Lande zu brechen. — -Man entzog ihnen nun das Zehent, das Jagd- und Fischerrecht lln<-l das Mautgefälle, liess sie durch fremde osmanische Beamte regieren und nahm ihnen jeden lünfiuss auf die öffent-hchen Angelegenheiten, ja man ging soweit, dass auf Befehl t,er Stambuler Regierung kein Bosniake mehr ein Amt führen du*fte. Sie wurden mit Steuern überlastet und ihre Söhne reihte man, vom Jahre 1864 angefangen, in die reguläre Armee eir>, wo sie in der Regel, fern von ihrem Vaterland, dienen mnssten. Mit einem Worte, es wurden die strengsten Mass-regeln gegen sie ergriffen, um sie zu beugen. Der Verlust aller Privilegien, die konsequente Unter- drückung und die ausserordentliche Strenge wirkten natur-gemäss vernichtend. Während sie früher noch reichen Luxus trieben und ausschweifend lebten, sanken sie jetzt immer tiefer und tiefer, verbrachten ihr Leben in beständiger, ihnen zur zweiten Natur gewordener Unthätigkeit und zogen sich voll bittern Grolls in ihre hohen, Vesten ähnlichen Kastelle zurück. Von dieser Zeit an waren sie den Rajahs, die sie bisher unterdrückt und verfolgt hatten, mehr zugethan als den Os-manen! — II. Die L*and- und Forstwirt Sisch&ft verschiedenen Ackerbauzonen. — Die hauptsächlichsten Naturprodukte. — 1' »ichbestand. — Der Klein- und Grossgrundbesitz. — /Virthschaftsbetrieb und J'undusinstruktus. — Die Agrarlohnarbeiter. ßie verschiedenen Ackerbauzonen, hauptsächlichsten Naturprodukte und der Viehbestand. Im allgemeinen erfreut sich Oesterreich-Ungarn eines ausser-1 ^entlieh fruchtbaren Bodens, obwohl in Bezug auf die einzel-!jf11 Uandestheile ein sehr ungleiches Verhältniss besteht. — Das errain ist in seiner Hauptkonfiguration gebirgig oder bergig. ~~~~ Las Klima kann im grossen Ganzen sehr günstig genannt Crden, obwohl es wegen der grossen Ausdehnung des Staates bedeutenden Abwechslung in Form und Beschaffen-der Oberfläche sehr verschieden ist. — In der südlichen . er wärmsten Region, vom 42—46" nördlicher Breite, reifen ^ besseren Gegenden der Reis, die Olive und Südfrüchte und 0rnmen überall Mais und Wein vor. Die mittlere oder gemässigte Region, von 46—490, welche die grösste Ausdehnung 'nd j?dje abwechselndste Bodenbeschaffenheit hat, produzirt viel Wt ' Wein> Mais und Getreide, zeigt aber in der mittlem dearmC gegen Osten eine Abnahme. Hingegen kommen in er nördlichen oder kühlen Region, über 49° hinaus, mit Aus- nähme weniger günstiger Lagen, weder Mais noch Wein fort, wogegen Getreide, Obst, Flachs und Hanf bestens gedeihen. — In Triest beträgt die mittlere Jahrestemperatur 11-69° R" in Wien 8-o8 und in Lemberg 559y R. Die Landwirthschaft bildet in Oesterreich - Ungarn die wichtigste Erwerbsquelle, denn ungefähr zwei Drittel der Bevölkerung, eingerechnet die Familienglieder, finden durch sie mittelbar oder unmittelbar ihre Beschäftigung. — Man erzeugt alle europäischen Getreidepflanzen in derartig bedeutender Menge, dass davon ein beträchtlicher Theil für den Export übrig bleibt. Flachs und Hanf werden häufig nicht genügend für den Bedarf producirt. Böhmen ist durch Flachs-, Ungarn durch Tabakbau berühmt. Sehr ergiebig ist in der Monarchie der Obst- und Weinbau, und finden wir ausserdem noch in Dalmatien einen intensiv entwickelten Olivenbau. Die Viehzucht liefert zahlreiche Exportartikel; . von ihr ist die Schafzucht, dann die Rindviehzucht in den Alpen und die Pferdezucht in Ungarn, Galizien und anderen Kronländern am hervorragendsten. 1870—1881 betrug in Cisleithanien die durchschnittliche Produktion von Weizen und Spelz 15*6; Roggen 29-0; Gerste I7'3i Hafer 32*3; Buchweizen 27; Kartoffeln 90-0; Mais 57 und Wein 3-4 Millionen Hektoliter. — Hingegen beziffert sich in „Trans-leithanien" die sogenannte Mittelernte: Weizen und Spelz 34; Roggen 18; Gerste 16; Hafer 20; Buchweizen 0,2; Kartoffeln 30 und Wein auf 4,9 Millionen Hektoliter. Wenn man das wirklich bewirthschaftete Land vergleicht, so findet man, das Oesterreich-Ungarn unter den Grossmächten in dieser Beziehung mit 91 Procent in 3. Linie steht. Das jährliche Erträgniss der Österreich - ungarischen Landwirthschaft beträgt ungefähr i$ Milliarden Mark. Auf den Flächeninhalt berechnet, entfallen daher auf jeden Hektar 364 Mark Ertrag. An Viehbestand hatte „Cisleithanien" nach der Zählung "«Jahre 1880: Pferde, Maulthiere und Esel 1513,000; Horn-vieh 8.584,000; Schafe und Ziegen 4.848,000; Schweine 2722,ooo. — „Transleithanien": Pferde, Maulthiere und Kscl 2ifl die Alm", um alle Gebäude in Stand zu setzen. Diese bestehen aus der eigentlichen Almhütte (Schwoag- oder Brendl* hütte, Sennerhütte, im Salzburgischen oft Käser genannt) und einigen Ställen, die im Salzburgjschen „Treten" heissen. Die Sennbütte ist ein einfaches hölzernes Gebäude mit fast flachem Mach, dessen breite Schindeln durch Schwersteine vor dem ^ttirme geschützt sind. Der innere Raum ist ungedielt, von der Decke herab hängt an einer Kette über der Feuerstelle ein grosser Kessel /U|" Käsebereitung und nur einige rohe Stühle, Bänke und tische bilden häufig die ganze innere Einrichtung. Unter %^ern Dach befindet sich ein Raum, zu dem man mittelst einer Leiter gelangt, auf dem ausser trockenem Viehfutter der fer-t]ge Käse aufbewahrt wird. Er dient vielfach auch als Schlaf-Stelle für die Bewohner der Sennhütte. — In den grösseren, sicher ausgestatteten Sennhütten, besonders der steifischen und ■M^burgischen Alpen, giebt es aber meistens noch unten neben ern I lauptraum der Sennhütte eine kleine, separirte Schlaf-^mmer für die Sennerin, worin ihr Bett steht. — Das Vieh (|et Unterkunft in Nothstallungen, welche an die Sennhütte n£ebaut sind, manchmal ist ihr Unterkunftsraum aber auch ^nter emem U>ach mit der Sennhütte und nur durch eine dünne and aus übereinander gelegten rohen Baumstämmen von em Wohnraum der Senner getrennt. Uie Sennhütte wird blos während der Almzeit bewohnt. ^mitten der duftenden, von einer prächtigen Flora übersäten ti ,ni' ^ £ekrönt ist von gewaltigen, mit ewigem Schnee belekten Fernern, hat sie etwas unendlich anziehendes, ja ldyHisches. . Obwohl der Senner oder die Sennin, während ihres ü*enthaltes auf der Alm sehr angestrengt arbeiten müssen £nd inre frugale Nahrung nur aus Milch, Butter, Käse, Mitchell Gerstenbrod und Speck, selten aber aus frischem Fleisch j^f unc* auch manche andere Annehmlichkeit ent-.L u'en, so ist es doch alljährlich immer ein grosses Freuden-LSt ^r die Alpenbauern, wenn die Almzeit heranrückt. Ist alles auf der Alm fertig, dann wird Mitte Juni, am 15-oder 24., in die Alm „g'fahrn". Das Zeichen hierzu giebt man durch das sogenannte „Aperschnalzen" mit einer 4—5 Klafter langen Peitsche, Nun wäscht man das Vieh, giebt Jedem Thier geweihtes Salz und „Palmbuschenkatzeln" zum Schlucken und besprengt es mit geweihtem Dreikönigwasser. — Die Leitkuh, stets das schönste P'xemplar der Herde, wird bekränzt und um ihren Hals erhält sie an breitem Lederriemen die Almglocke. Auch Senner und Sennin putzen sich auf und stecken Sträusse auf den Hut. — Das Viehgeschirr ladet man, auf einen kleinen Wagen, „Almwägele" oder „Almgratlan" genannt. Auf der Alm führt der Senner oder die Sennin die Wirth-schaft, doch haben sie zu ihrer Hülfeleistung einen „Zusenn". „Handbuben", der bei der Käsebereitung behülflich ist, und einen Viehhüter, „Kuhzttnner", „Halter", welcher die Herde überwacht. Die Herde besteht nicht allein aus Rindvieh, sondern auch aus Ziegen, Schafen und Schweinen. Weidet die Plerde an günstigen Punkten, dann kann der Halter ruhig zusehen, doch wenn sie sich dem Abgrunde nähert, muss er ununterbrochen auf den Beinen sein und aufpassen, dass die Thiere nicht gefährliche Stellen betreten und hinabstürzen. Früh Morgens schon, wenn der Tag beginnt, melkt der Senner oder die Sennin sämmtliche Kühe, die Schweine werden mit den Milchresten der Käsebereitung gefüttert "und dann wird die Herde bei gutem Wetter für den ganzen Tag auf die Weide getrieben. Der Senner oder die Sennin aber besorgt ihre notwendigen häuslichen Geschäfte und macht sich dann gleich an die Käsebereitung. — Doch unterbrechen sie zeitweise auch diese Arbeit und verlassen die Hütte, um Gräser zu schneiden und zu sammeln, welche dann als trockenes Viehfutter auf dem Dachboden der Sennhütte aufgespeichert werden. —' Abends kommt die Herde wieder heim, labt sich an dem kristallhellen Quellwasser, wird wieder gemolken, erhält Salz, und dann sucht sehr bald Mensch und Thier nächtliche Ruhe, Urn sich durch Schlaf für den nächsten Tag zu stärken. — Doch da nur auf grossen Almen eine aus Holz roh gezimmerte Kapelle zu finden ist, mit deren Glöckchen das Abendgebet geläutet wird, so tritt beim Untergehen der Sonne der Kenner oder die Sennerin vor die Schwelle der Sennhütte und l°delt weit hinaus über die Alm nach allen Himmelsgegenden, da.ss es bis tief hinab zu hören ist. — Dieser Ruf dient zugleich auch als Signal für alle Gebirgswanderer, welche sich vielleicht verirrt haben, und wegen der frostig kalten Nächte in den Alpenregionen Obdach in der Sennhütte suchen. — Kommt ein Wanderer, mag es sein zu welcher Stunde, in eine Sennhütte, so wird er von den Bewohnern stets gastlich Und freundlich aufgenommen, ihm nie die Unterkunft versagt und Speise und Trank gereicht. — In Sennhütten, welche häufig von Touristen besucht werden, findet man auch manches rln Lebensmitteln und Getränken vor, was kleine Wirthshäuser 1111 I iochgebirge bieten, und niemals fehlt der Wachholder-Dranntwein. Wenn auch das Leben auf der hohen Alm recht eintönig erscheint, so ist es in Wirklichkeit doch nicht einsam. — Meistens sind auf jeder Alm mehrere Sennerinnen beisammen Und die Hütten nicht allzuweit von einander entfernt, ausserdem Erhalten die Bewohner recht oft' Besuch von Gemsjägern, ^°uri.sten, „Holzknechten", „Ameislern", „Pechlern", den eigenen beuten oder den „Höckerinnen"» auch „Wurzelgraberinnen" genannt. — Diese Höckerinnen, welche das Gewerbe des Kräutersammelns auf der Alm betreiben, sind nebst dem „Bua", er Sonntags „brenntln" kommt, sehr beliebte Gäste bei den Almerinnen, denn sie repräsentiren die verkörperte Tages- und r^latschchronik und tragen den Klatsch aus den Wohnorten des Thaies auf die Alm und umgekehrt und von einer Senn- 11 hütte in die andere. Gewöhnlich sind sie dabei auch keineswegs verschwiegene Liebesboten. Bis Mitte Juli bleibt man gewöhnlich auf der tiefer gelegenen „Voralm" oder „Grundalm", dann erst wird die „Hochalm" bezogen. — Ende August wandert man wieder auf die Grundalm und um Michaeli rüstet sich alles, selbst auf der niedrigsten Alm zur Abfahrt. — Am letzten Tage wird noch dem Halter und den übrigen Dienstboten von der Sennerin ein reichliches Mahl von „Almraunken" und Rahmspeisen bereitet, das „Almwägele" oder „Alm gratlan" wird mit der erzeugten Butter und Käse beladen und die Sennerin bäckt sich das „Almgebäck" zum Vertheilen an die längs des Weges ihr Begegnenden. — Im Dorfe findet dann ein feierlicher Einzug statt, alles im Bauernhause wird mit Most oder Wein und reichlichem Mahle bewirthet. Doch hat die Alpenwirthschaft auch ihre gefährlichen Arbeiten; die gefährlichste darunter ist das Herunterbringen des Düngers und Heues von den hohen Bergwiesen. — Der Dünger wird nämlich, hauptsächlich in Kärnthen, auf den Almen in länglichen Formen gepresst und bleibt daselbst bis tief in den Winter. Ebenso bleibt auch das Heu, Welches auf den Abhängen oft nur mit Lebensgefahr gemäht werden kann, sodass man den mit Steig eisen versehenen Knecht noch an einem Seil anbinden muss, in ,.1 leutristen" auf der Alm liegen und erst im December, wenn der Boden fest gefroren und mit Schnee bedeckt ist, so dass man nur mit Fusseisen oder Schneereifen über denselben kommen kann, zieht der „Harzer", Heuzieher, hinauf, um es herunter zu holen. Da aber dieses Herunterbringen stets mit grosser Lebensgefahr verbunden ist, so vereinen sich zu diesem Zwecke immer gleich mehrere Männer, ausgerüstet mit Steigeisen, „Griesbeilen", Seilen und „Schlüpfen", Schlitten, auf denen das 1 leu geladen wird. — Und wenn sie nach der gefahrvollen Expedition wohlbehalten mit ihren mühevoll erworbenen Heu- vorräthen heimkehren, dann folgt das „Hatzermahl" als Freudenfest, wo es stets recht lustig und froh hergeht. Der Wiesenkultur in den Thälern wird seit neuerer Zeit ln den Alpenländern Oesterreichs eine erhöhte Sorgfalt gewidmet. Doch finden wir die Wiesen- und Weideflächen nicht gleichmässig über das Land vertheilt. — Ausgedehnte Wiesen l,nd Grasflächen haben z. B, die Bezirke des Innthaies, besonders die von Rattenberg, Kufstein und Kitzbüchel, das Wipp-und Pusterthal, dann auch einzelne Nebenthäler Welschtirols hauptsächlich zeichnet sich aber das Etschthal durch v°rzügliche Wiesenkultur aus. — Im Bereiche des Vorarl-herg'schen Berggebietes herrscht vorzugsweise, mitunter sogar ausschliesslich, die Weidewirthschaft; ausgezeichnete Wiesen hat krankung der Seidenwürmer und die Konkurrenz der asiatischen Seide tödtlich getroffen und schon hat man hunderte von Mau lbcerbäumen herausgeworfen, um Obstbäume an deren Stelle zu setzen! Rücksichtslos wurden in den letzten Decennien in Pirol die Wälder atisgebeutet und die hohen Ihjlzprei.se steigerten den Holzhandel derartig, dass er nicht mehr zum Wohle des Landes gereichte. Freilich kam dafür viel Geld ins Land, die Gemeinden erhielten Tausende von Gulden, und mancher Private wurde dabei reich, aber der leichte ICrwerb brachte meist keinen Segen, und nur zu häufig geschah derselbe auf Kosten künftiger Generationen, die nun da Steinwüsten, Murbrüche und schlechte Grasweiden haben werden, wo sich einst prächtige Waldungen befanden, die nur zu oft von diesen Stellen Schutt und Stein *öf ihre Aeckcr werden stürzen sehen, welche den Feldern ihrer Väter zum Schutz vor Verwüstung und Kälte, dem Lande •lber zum Schmuck gedient haben. Die Regierung hat auch in dieser Richtung seit neuerer 2eit eingegriffen und eine Wendung zum Besseren ist bereits bemerkbar.— Aus Deutsch-Südtirol wurde in den letzten Jahren für 2 Millionen Gulden Holz ausgeführt! -— Eine ähnliche, übermässige, volkswirtschaftlich höchst unkluge Waldausbeutung finden wir auch in den übrigen österreichischen Alpenländern! - Die Hochschule für Bodenkultur in Wien und verschiedene landwirtschaftliche Vereine sorgen '■war fur Hebung der Forstwirtschaft, doch verschwinden die grossen Forsten, theils durch Misswirthschaft, theils durch Spekulationskäufe immermehr, und seit dem Jahre 1848 geht auch der Bauernwald durch die Unvernunft seiner Besitzer, trotz aller gesetzlichen Bestimmungen, seinem Ende entgegen. Vorzüglich leidet derselbe durch das planlose Ausholzen und durch den Umstand, dass der Bauer im Gebirge, in Folge der Alpenweiden, im Stande ist, im Sommer mehr Vieh zu erhalten, als er im Winter ernähren kann, deshalb wird meistens nicht nur alles Stroh verfüttert, sondern es werden auch Eschen „geschnattet", die mit Laub bedeckten Aeste als Futter aufbewahrt und die Bodenstreu des Waldes und Baumäste als Streu benutzt. Dass aber die Forstwirtschaft noch immer eine hervorragende Stellung in dem nationalökonomischen Leben der österreichischen Alpenländer einnimmt, ist selbstredend. — Das Holz wird theils als Werkholz weggeführt, theils zu Holzkohle gebrannt. Soll das Holzfällen im grösseren Massstabe, gewissermassen professionell betrieben werden, dann vereinigen sich mehrere Hochalpenbauern und errichten tief im Walde, an der Stelle, wo sie den Holzschlag betreiben wollen, eine roh gezimmerte Hütte aus runden Balken in der Art der Sennerhütten, nur noch viel primitiver. Die Genossenschaft besteht meistens aus fünf bis zehn kräftigen Burschen, „Holzknechte" genannt, die aus ihrer Mitte einen Führer wählen, der die Arbeiten anordnet und das ganze Unternehmen leitet. Die Hütte, welche sie sich erbaut haben, nennt man „Holzknechthütte" oder auch „Kaserne der Holzknechte." Ihre Einrichtung ist wohl das primitivste, was man sich denken kann. Eine Art Feuerstelle dient zur Bereitung des Mahles, einige längs den Wänden mit Pflöcken befestigten Bretter ersetzen die Betten, Bänke und Tische, und einige in die Wände getriebenen groben Holznägel werden zum Aufhängen der Aexte, Mehl- und Grützebeutel verwendet. L>ie Nahrung der Holzknechte ist noch viel einfacher als die der Senner, denn Grütze, Mehlbrei, etwas Speck und hier und da die „Holzhackernockerln" bilden so ziemlich Tag für Tag d:e Nahrung der Leute, welche so schwer und mit häufiger Lebensgefahr arbeiten. Doch bei alledem sind die Holzknechte Jrnmer lustig und guter Dinge und überall dort, wo der Holzknecht arbeitet, hört man lustige „G'sangln" und „Juchezer" v°n den' Bergen widerhallen, und am Sonntag schäumt am Lanzboden sein Uebermuth, wenn er nicht vorzieht, der„Schwoa-Serin" auf der Alm einen Besuch abzustatten. Die Holzknechte beschäftigen sich nur den Sommer über nih dem Fällen der Bäume und ihrer Zusammenschlichtung an Plätzen, von wo sie dann am günstigsten den hohen Berg hinab geschafft werden können. — Theils werden die herrschen Eschen, Buchen, Ahornbäume und dunkelfarbigen Jüchen v°n ihnen in ganze Stämme belassen und in die „Päsriesen", Wle wir später sehen werden, hinabgelassen, oder auf Schleifen ^en Berg hinabgefahren, oder, zu „Dreilingen", klafterlangen Klötzen, zersägt, als Scheite hinabgeschwemmt. — Das 1 finab-lassen der Baumstämme in den „Eisriesen" kann nur im Winter geschehen. Diese „Eisriesen" sind Rutschbahnen, welche hoch °ben vom Berg bis an dessen Fuss als eine möglichst gerade Linie hinablaufen. Sie werden dort angebracht, wo Felsenrisse Und Spalten aufeinander passen und in Zwischenräumen kleine "Kessel" vorkommen, die das Ansammeln eines Theiles der herabgel assenen Baumstämme ermöglichen, um sie dadurch ^r(L'Wissermassen in Abschnitten immer weiter hinab befördern Zu können und jede Verstopfung der Eisriesen zu vermeiden. " Ler Boden und die Seitenwände der Pasriesen werden mit llnbehauenen Baumstämmen, die man durch Pflöcke in das Lrdreich befestigt, eingefasst, ausserdem werden diese Wände loch durch Wasser, welches gefriert, glatt gemacht. — Sind die Eisriesen, an deren oberen Mündung während des Sommers dle gefällten Baumstämme angesammelt und aufgeschichtet wurden, benutzbar, dann beginnt das Hinablassen der Baum stamme. Doch auch dieses ist eine harte, beschwerliche und sehr lebensgefährliche Arbeit, welche ausserordentlich viel Geschick, Kraft und Gewandtheit von Seiten der Holzknechte erfordert. Denn abgesehen davon, dass die schweren Stämme sehr vorsichtig in die Mündung der Eisrinne gelagert werden müssen, damit sie bei der furchtbaren Schnelligkeit, mit welcher sie die abschüssige Bahn hinabrollen, nicht herausgeschleudert werden oder durch schiefe Lage die Eisrinne verstopfen und sich in die Mündung hineinlegen, was leicht damit enden kann, dass der schwere Baumstamm beim Beginn seines Rutschens den ihm die Richtung gebenden Holzknecht mit hinabreisst, so müssen auch überdies in Intervallen einzelne Holzknechte mit Stangen stets abwärts und besonders bei den Kesseln stehen. Dies ist nothwendig, um das 1 Iinabrutschen der einander folgenden Baumstämme zu überwachen, die wieder aus der Richtung gekommenen Stämme in die erforderliche Rage zu bringen und die Bahn immer frei zu halten. Schliesslich haben auch noch die Holzknechte am Ende der Eisriesen beständig dafür zu sorgen, dass keine stockende Ansammlung eintritt. — Denkt man sich nun, dass alle diese Baumstämme unter furchtbarem Gepolter mit rapidester Wucht herabrollen, dass die in der Nähe stehenden Holzknechte durch das Hinaus schnellen eines Baumstammes aus dem Eisriesen sehr leicht tödtlich getroffen werden können und dass sie beim Hantiren mit ihrer Stange, wenn sie die Stämme wieder in die richtige Lage bringen wollen, sehr leicht das Gleichgewicht verlieren, in den Eisriesen hineinstürzen können, so sieht man, wie lebensgefährlich diese Arbeit ist. Auch die Schneebahn wird im Winter von den 1 Li knechten benutzt, um auf Schlitten das Holz von denjenigen Punkten der Berge herabzuschaffen, wo keine Pasriesen in der Nähe sind, oder wo man sie nicht herabflossen kann. Sie setzen sich dann vorn auf den mit Holz schwer beladenen Schlitten und steuern ihn beim Herabgleiten auf der abschüssigen Bahn, - Da der Schlitten oft ungeheuer schnell gleitet, so erfordert diese Arbeit ebenfalls grosse Gewandtheit, Geschicklichkeit, Kraft und Sicherheit, weil sonst der Holzknecht sammt dem Schlitten sehr leicht den Abgrund hinabstürzen oder an lrgend einem Felsen zerschellen kann. — Die Hinabschaffung der 1 Iolzscheite geschieht in der Regel durch llinabschwemmen. Dazu wird das Frühjahr benutzt, wenn die Schneemassen im Gebirge schmelzen und alle die kleinen Gebirgsbäche anschwellen. Doch auch hier geht es Rieht ohne harte Arbeit für den Holzknecht ab. - Er muss die Gewässer an verschiedenen Stellen stauen und zusammen-lenken, damit die Wassermasse die erforderliche Kraft erlangt, Welche er zum Hinabschwemmen seines Holzes bedarf. Um Zu stauen, muss er „Klausen" oder „Wasserhäuser". das sind Sehleussen, an verschiedenen Stellen des Schwemmbaches bauen. Schliesslich ist es ebenso gefährlich, die 1 Iolzscheite /Al schwemmen, wie die Baumstämme in den Eisriesen hinab-rutschen zu lassen. Ja, der Holzknecht hat manchmal dabei TOch härtere Arbeit, denn die in den Schwemmbach hineingeworfene Scheitermasse staut sehr häufig. Er muss daher °ft bis über die Kniee während des Tages in dem eiskalten " asser stehen und mit seiner Stange, an der ein langer eiserner Widerhaken angebracht ist, das Schwemmen regeln. Beim ^effnen der Schleussen kann er aber von der mit furchtbarer n'Wult sich Hahn brechenden Wasser- und Holzmasse ätehr ei(,ht mit hinabgerissen werden. Schliesslich werden auch noch zur Beförderung des Holzes nach abwärts Ochsen, Kühe oder die kleinen Gcbirgspfeiaie benutzt. Man ladet dann das Holz auf ein Fuhrwerk, welches v°rn 7.wei kleine Räder, rückwärts aber, anstatt Räder, jVvei dicke Baumstämme hat, die auf der Fahrbahn schleifen l|nd dadurch das Bergabfahren für die Zugthiere sehr erleich-te,n, weil .sie wie ein Hemmschuh wirken. - ««terreichajngarn. 12 Die in die Thaler mittelst Eisriesen, Schwemmbächen, Schlitten oder Fuhrwerken geschafften Hölzer gehen dann entweder von dort per Eisellbahn oder Axe weiter, oder werden auf den grösseren Gewässern der Thaler theils weiter geschwemmt, theils in Flossen zusammengezimmert nach den grösseren Märkten des Reiches gebracht. Besonders die Donau und Etsch, sowie deren Nebenflüsse befördern auf diese Art alljährlich gewaltige Massen vortreffliches Holz. — Hervorragende Einrichtungen in dieser Beziehung sind der Schwemmkanal in Neuwalde bei Maria Zell und die grosse Schwemme, durch welche das Waldgebiet des „Nasswaldes" nutzbar gemacht wird. — Grossartig sind auch die Schwemmen Oberösterreichs in der „Aist" und „Narn", sowie die mit dem riesigen ,.Schwarzenbergkanal" verbundenen in der „Mühl", aufweichen jährlich circa 45.000 Klafter Holz getriftet werden, und die ungefähr 2600 Arbeiter beschäftigen. Doch der Wald bildet für den I Iochaipenbauer nicht allein einen wichtigen Erwerbszweig durch Holzfällen, sondern seine 1 lölzer dienen ihm als Brennmaterial und machen es ihm möglich, eine ziemlich hoch entwickelte Holzschnitzerei und Kohlenbrennerei zu betreiben. -- Einzelne von ihnen beschäftigen sich auch emsig mit dem Einsammeln voll Ameiseneiern, welche ein ziemlich gesuchter Artikel, besonders in Wien, sind und den Sammlern in guten Jahren circa fünfhundert Gulden abwerfen. Im allgemeinen hat der „Wildstand" in den österreichischen Alpenländern bedeutend abgenommen, doch die aller-grösste Verminderung hat er in neuerer Zeit in Tirol und Vorarlberg erfahren, denn das bis in die neuere Zeit noch recht zahlreiche Wild der dortigen Gegenden wird von den Bauern rücksichtslos ausgeschossen. Es giebt daher gegenwärtig in Tirol blos in den nördlichen Grenzbezirken eine grössere Anzahl Rothwild, und Bären findet man nur vereinzelt an der Grenze gegen Graubünden. Die Steinböcke, Luchse und Wölfe sind ganz ausgestorben, die Gemsen und Vögel haben sich sehr vermindert. Der Hochalpenbauer ist eben ein leidenschaftlicher Jäger von jeher und wenn er seine Waidmannspassion nicht als Bediensteter eines grossen Jagdinhabers auf rechtmässige Weise befriedigen kann, so treibt es ihn trotz der Gefahr eines Zu-sanimenstosses mit den Revierjägern hinauf in die Berge, wo er dem ,,Gamserl" aufpasst oder den Schild- und Birkhahn beschleicht. Aber nicht blos verwegene Gesellen, die nichts zu verlieren haben, gehen „wildern", sondern auch der wohlhabende Bauer ergreift, von unwiderstehlicher Sehnsucht hingerissen, von Zeit zu Zeit die Büchse und holt sich einen Braten und frischen Gemsbart als Hutschmuck aus dem Hochgebirge. Die „Wilderer" von Profession sind gerade so wie die Holzknechte, wettergebräunte, ausserordentlich zähe, kräftige und verwegene Gesellen. Wehe einem Revierjäger, wenn er önmal unversehens in ihre Nähe kommt, denn da entscheidet dann, weil die beiden, der Jäger und der „Wildpratschütz", Wildschütz, Todfeinde sind, die Schnelligkeit des Anschlags der Büchse, ob er oder der Wilderer todt niedersinkt. Mit dem 1 lolzknecht lebt der Wilderer aber meist atif vertrautem 1'l'ss, besucht ihn häufig Nachts in der Holzknechtshütte und Eistet ihm dort Gesellschaft. Die Laiidwirtliscliaft im Karst, in Istrien und im Küsten lande. Das unfruchtbarste Gebiet der gesammten öster-'C| ch u ngarischen Monarchie und wohl auch mit von S^hZ Luropa ist der „K ar st" (Carso, Wüste), wel eher die hegend erfüllt zwischen Triest, Adelsberg, Saguria Und Materia. Das ganze Terrain ist bedeckt mit wüst durch- 12* einander liegenden und übereinander gethürmten Kalkblöcken und macht den Eindruck eines versteinerten stürmischen Meeres mit hohen Wogen. Aehnlich beschaffene Gebiete findet man auch stellenweise in Istrien, obwohl lange nicht so ausgedehnt. Diese werden dort ebenfalls „Carso" genannt. Abgesehen von den soeben besprochenen, für dieLandwirth schaft so ausserordentlich ungünstigen Bodenverhältnissen, bläst auch noch über den Karst die „Bora" (Borea), ein furchtbarer Sturmwind, während längerer Zeit des Jahres mit der Aus dehnung von Adelsberg noch mehr westwärts bis zum Meerbusen von Monfalkone. Doch leidet auch noch Fiume und die nördliche Haltte von Istrien sehr bedeutend unter ihr und erst von diesen beregten Grenzen aus verliert er beträcht lieh seine Gewalt, um endlich nach und nach in noch weiterer Entfernung vollkommen aufzuhören. Diese alljährlich über den Karst tobende Bora fegt jede Humusschichte hinweg, welche durch das Schaffen der Natur oder die fleissige Hand des Bauern auf die Kalkfelsen hinaufgelegt wird. — Eine Bebauung des Bodens ist daher nur in trichterförmigen Kesseln möglich, deren es in diesem versteinerten, schwammähnlichen Kalkboden ziemlich viele giebt, während an den anderen Stellen nur hier und da kümmerliches Buschwerk zu sehen ist. das aus den Ritzen der Felsblöcke hervorblickt und kaum hin reicht, den wenigen Ziegen der Bewohner kärgliche Nahrung zu geben. Diese trichterförmigen Kessel, in denen der Feldbau betrieben wird, haben üben an ihrer Mündung einen Durchmesser von 5°^° Fuss und sind ungefähr 15 —20 Fuss tief. Zu diesen kesseln schleppt der dortige Bauer mühsam, oft von weither, über den felsigen Boden in Körben 1 lumus und Dünger und füllt sie damit an. Iiier baut er dann Kraut, Heidel, Kürbisse und Mais, und an den Südseiten etwas Wein, denn nur diese Pflanzen kommen hier fort. Dann um schliesst er noch mit grosser Geschicklichkeit den Rand des Kessels mit einer hohen Mauer aus trocken zusammen- Die Latulwirtlischaft im Karst etc. 181 gesetzten Steinen. — Innerhalb dieses Schutzwalls und überdies noch behütet von den Rändern des trichterförmigen Kessels, vermag die alles verwüstende, mächtige Bäume entwurzelnde und Dächer von den Häusern abtragende Bora dem Anbau des kleinen Ackers nicht mehr viel zu schaden. Die Umgebung Triest's, die Provinz Istrien und die Küsten Dalmatiens haben einen vollkommen südlichen Charakter. Hier gedeihen vortrefflich verschiedene Weinarten, Granaten Feigenbäume, schwarze Cypressen, Melonen, Angurien, spanischer Pfeffer, Paradiesäpfel, Platanen und überhaupt eine Menge andere Gewächse der südlichen warnten Zone, unter ihnen ganz vorzügliche edle Obstgattungen. Berühmt wegen seiner herrlichen Gärten und seiner prachtvollen Flora ist in dieser Beziehung das „Giovannithal" bei triest, mit seinen zahlreichen, geschmackvollen, im italienischen Styl erbauten, reich ausgestatteten, vornehmen Villen. Miramar, das kaiserliche Schloss mit seinen ausgedehnten Anlagen, die unmittelbare Umgebung Päumes und die schöne Küste Istriens und Dalmatiens, umrahmt von unzähligen Oelbäumen, und 'Manche Punkte im Innern Istriens. Das Innere Istriens, welches, wie wir wissen, zahlreiche ►»Garsos" besitzt, ist aber ausserordentlich getreide- und holzarm, und Wein- und Obstzucht, sowie Maispilanztingen bilden den hauptsächlichsten Anbau. Da es an hinreichendem luitter für Pferde und Rindvieh mangelt, so bilden hier, gerade so wie im Karst, die rothbraune, langhaarige, ungehörnte Ziege, vv'elche in grösseren Massen hier gezüchtet wird, und der kleine h;sel die vorherrschendsten Hausthiere. Die Land- und Forst vvirthschaft in Böhmen. Mali reu und Schlesien. Zu den schönsten und reichsten Provinzen Oesterreich-Ungarns gehören Böhmen, Mähren und Schlesien. — Böhmen wird von einem Kranz dicht bewaldeter Gebirge umschlossen und hier in Mitte dieses Berglandes liegt das sogenannte „böhmische Kesselland", mit einer Ausdehnung von iol/-2 Quadratmeilen. Der Kern desselben enthält die fruchtbarsten Gefilde Böhmens, denn der Humus besteht zumeist aus vegetabilischen, in der Urzeit im Wasser versunkenen und verarbeiteten Ablagerungen. Besonders hervorzuheben ist hier die 1-Clbgegend, auch die „goldene Ruthe" genannt, welche von Jaromier beginnt und von da in grösserer und geringerer Breite bis nach Melnik reicht. In diesem Kessellande finden wir eine auf hohem Standpunkt modernen Fortschritts stehende Landwirthschaft. — Man baut hier neben allen besseren Getreidearten seit neuerer Zeit hauptsächlich Zuckerrüben, für die der dortige schwere Boden wie geschaffen ist. — Der namentlich in „Saaz" und Umgegend (Saazer Stadt- und Landgut), dann in Auscha, Melnik und Hirschberg producirte Hopfen nimmt unter den von allen anderen Kulturländern den ersten Rang ein. Viel ungünstiger sind die Bodenverhältnisse in den das böhmische Kesselland umgebenden Bergen. Die Bewohner dieser Gegenden betreiben die Landwirthschaft, bedingt durch die Terrainverhältnisse, ähnlich wie die Alpen- oder Karpathenbewohner, aber sie stehen in ihren Ackergeräthen und in manchen andern Dingen auf einer entwickelteren Stufe. — P^ine der ärmsten Gegenden ist die Hochfläche von „Tabor" und die an den Abhängen des „Brdy Waldes". Aus ersterer Gegend wandern die Bewohner massenhaft nach Amerika, während die der letzteren sich in der Eisenindustrie und den Bergwerken von Pribram Nebenerwerb suchen. Minder fruchtbar sind auch die Gegenden der „Sazava", wo sich die Bevölkerung ebenfalls nicht allein vom Ackerbau er nähren kann. — Die übergrosse Feuchtigkeit im dichten ßöhmerwald hat zahlreiche Moore und Sümpfe, hier Pilze ge-n;innt, hervorgerufen und das Klima ist rauh, dem Ackerbau ungünstig. Derselbe beschränkt sich daher auf den Anbau v°n Roggen, Hafer und Kartoffeln in den Thalsohlen und an den Abhängen bis 1000 Meter Höhe. In Folge des rauhen Klimas geschieht es aber, das.s die Kartoffeln erst Ende September blühen und der Hafer manchmal erst nach 13 Monaten reif wird. — In den Vorgebirgen batit man sehr viel Flachs an. Nebst den Getreidearten und Hülsenfrüchten werden in "Ohmen auch noch andere Nahrungs- und Nutzpflanzen kul-tivirt, wie z. B. Zwiebeln in der Vsetater Gegend, Kren in vorzüglicher Qualität bei Malin, Raps und besonders Rübe in den fruchtbareren Gegenden. Der Haupterwerb der Horaken und Hanaken in Mähren bildet ebenfalls der Ackerbau, welcher in der üppig fruchtbaren Hana sogar mit bedeutendem Itrfolge betrieben wird , seitdem auch hier der Anbau der Zuckerrübe in Aufschwung gekommen ist. Nicht minder bauen die Hanaken Spelt an, während Roggen und Hafer ln den Gebirgsgegenden der Walachen gesät wird. Bei den Slovaken giebt es keine ordentlichen Ackerge-rathe. Von Wechselwirthschaft ist bei ihnen keine Rede, denn nat ein Bauer mehr Grund und Boden, so bebaut er nur die eine Hälfte mit Getreide, während er auf der zweiten Gemüse Pflanzt. Lie Viehzucht wird in Böhmen, Mähren und Schlesien durch Einfährung fremder Racen sehr veredelt. In den Gegen- den der Runkelrüben giebt es ein vorzügliches Mastvieh. -Die in Folge ausgiebiger Feuchte saftig grünen Matten und Wiesen des „Kiesengebirges" benützen die dortigen Bewohner zu einer umfangreichen Viehzucht und Milchwirtschaft. Um Johann! treiben sie das Vieh auf die Berge hinaus, wo sie es nach der Art der Alpenwirthschaft 14—15 Wochen weiden lassen. Die Hirten bewohnen für diese Zeit eigens hergerichtete Wohnungen, welche man hier „Bauden" nennt und die auch zur Aufnahme von Reisenden dienen. In diesen Bauden wird die gewonnene Milch zu Butter und Käse verarbeitet. — Auch bei den Slovaken und Walachen im Gebirge bildet die Viehzucht eine Hauptbeschäftigung, und die Molkenerzeugung der Walachen ist berühmt. In Böhmen, Mähren und Schlesien giebt es sehr Schöne Pferde, von denen alljährlich eine grosse Anzahl in das Ausland sogar für bedeutende Preise ex-portirt werden, denn der Schlag ist ein kräftiger, gut geschlossener und dabei doch leichter und edler. Am besten gedeiht die Pferdezucht in der ebenen Hana und in Böhmen , in den Gegenden um Chrudin, bei Neinburg, dann westlich um Blatna. -- Der Schafzucht lässt man in Mähren und Schlesien eine besondere Pflege an-gedeihen. -- Auch die Geflügelzucht, hauptsächlich der Gänse, wird seit jeher in diesen Kronländern schwunghaft betrieben. Der „Böhmerwahl" ist ausserordentlich reich bewaldet, nur die höchsten Kuppen sind kahl, alles übrige deckt ununterbrochener P'orst, welcher bis über 1200 Meter hoch an den Abhängen hinaufwächst. Gewaltige Forsten aus Eichen, Buchen, Kiefern und Pachten , zwischen denen mannigfacher Niederwald mit Ulmen, Ahorn, landen, an feuchten Stellen Erlen und an den Waldrändern Birken, theils als geschlossene Bestandtheile, theils als Unterholz vorkommen, decken die breiten Gebirgsrücken, die Kuppen und Abhänge, zuweilen in undurchdringliche]- Dichte. Unter all' diesen genannten Bäumen, welche prachtvolle, uralte Stämme aufweisen, ist die Fichte der wichtigste Baum Böhmens* Seltener sind die übrigen Nadelhölzer, welche am besten nur an den Berghöhen der wärmeren Thäler gedeihen Doch die vortreffliche, wirklich auf hoher Stufe stehende Forstwirtschaft Böhmens bemüht sich so viel wie möglich, die Nadelhölzer ;u'ch in anderen Theilen des Bimmerwaldes heimisch zu dachen. — Leider haben die furchtbaren Stürme in den Jahren 1868 und 1870, sowie der später hier auftretende Borken-kafer sehr viel dazu beigetragen, diese herrlichen Waldungen Stark zu lichten. — Auch in anderen Theilen dieser Krönender, besonders auf den ausgedehnten Gütern des Gross-griindbesitzes, giebt es prachtvolle, sorgfältig gehegte Forsten. Da die Bewohner des Böhmerwaldes, wie wir schon früher gesehen haben, den Ackerbau nicht mit Erfolg betreiben können, so widmen sie sich hauptsächlich der Holz-^irthschaft. Wir finden hier den Holzhauer, der vielfache ^ehnlichkeit mit dem „Holzknecht'4 der Alpen und dem »»Hinterwälder" Amerikas in Bezug auf die Abgeschlossenheit Seines Lebens, die Frugalität seiner Nahrung und die Bauart MÖd Einrichtung seiner Hütte hat. Ebenso ist die Art, wie er das gefällte Holz aus dem ße-°'rge herab in die Thäler schafft, sehr analog mit der des Holzknechtes der Alpen. — Zur Zeit des Holzschlages zieht llnruer eine grössere Partie ,,1 lolzbauenr' mit ihren Familien an die Stelle des Holzschlages. Sie erbauen dort zwölf bis Vlerzehn Hütten, so dass jede Familie ihr eigenes ()bdach hat, l'nd eine derartige Niederlassung nennt man in der dortigen Gegend „Holzhauerstadt". Ist während des Sommers der Holzschlag beendet, dann Erlassen sie wieder die Stelle ihrer Thätigkeit mit Weib und ^nd und erst im Winter, wenn die Berge mit Schnee bedeckt Slnd, kehren die Männer allein zurück, um das Holz auf den Schnee- und Eisbahnen hinabzulassen und im Frühjahr durch die Schwemmbäche weiter zu befördern. Das Bau- und Brennholz wird auf der Moldau nach Prag oder mittels des ,,I lirschbergerkanals" auf der Donau nach Wien geschafft. Die Forsten Böhmens, Mährens und Schlesiens sind reich an Wald, hauptsächlich diejenigen, welche sich in den Händen des Grossgrundbesitzes befinden, wo die Thiere auf das sorg faltigste gehegt werden. — Doch auch hier giebt es, wie überall den Wilderer von Profession. Er sowie der ,,Pascher" sind ein ganz besonderer Typ der Grenzgebirge, besonders des Böhmerwaldes. Die Land- und Forstwirthschaft in Galizien und der Bukowina, Obwohl „Galizien" und die „Bukowina" im ganzen der Landwirthschaft günstig sind, ja sogar stellenweise ausserordentlich fruchtbare Gegenden besitzen, so befindet sich hier die Landwirthschaft doch vielfach noch auf einem sehr niederen Standpunkt moderner Kultur, und die Zahl der Licitationen kleinerer Grundbesitze nimmt in erschreckender Zahl zu. — Mit zu den int landwirtschaftlichen Betrieb hervorragendsten Gegenden gehört das jenseits der Weichsel gelegene Gebiet, was nicht allein durch die Güte des Bodens, sondern auch durch die Nähe Krakaus zum grossen Theil hervorgerufen wird. Der Ackerbau produzirt in diesen Kronländern hauptsächlich Weizen, Roggen, Mais, Gerste, Hafer, Heidekorn, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Oelsamen, Anis, Kleesamen, Tabak Heu 'und Grummet. — Auch die Obstzucht ist sehr bedeutend , und in der Bukowina wird edles Obst in beträchtlichen Quantitäten producirt. In der Btikowina betreibt n*an auch den Weinbau und „die Bukowiner Traube" ist sehr ?uss, aber der Wein geräth im allgemeinen nicht gut, was ?aim grössten Theil durch die unrationelle Art der Pressung Ulld Klärung hervorgerufen wird. In Westgalizien züchtet man Hornvieh edlerer Gattung Und in Podolien und Pokutien die eigenthümliche Race grauer Ochsen. Die Goralen in den hohen Karpathen betreiben ebenfalls ei0e sehr umfangreiche Viehzucht. Milch- und Käsewirthschaft. -°ei ihnen treibt jeder selbständige Wirth, „Gazda", seine Kühe Und Schafe, sobald es das Wetter gestattet, in die „Halen", C k- ^ebirgsweiden, wo sie von den Hirtenhäuptlingen, „Baca", und deren Untergebenen, „Julias", übernommen und den Sommer UrJer, so lange es sich thun lässt, gehütet werden. — Pline Sennhütte ohne Fenster und Dachboden dient zur Unterkunft, ZUr Fabrikation des Käses und der sogenannten „Bryndza". — ^ie dabei beschäftigten Leute kennen den Sommer über auch Keme andere Nahrung. Die Milchtransporte nach den Dörfern Sleht man auf kleinen, schrittfesten Gebirgspferden in Gestalt zWeier am Sattel gehefteter, flacher Holzgeschirre, von einem bildschönen, nach Amazonenart reitenden Mädchen geführt, ^en Thaldörfern zukommen. — Die ganze Unternehmung lst eine Art primitiver Association, die mit patriarchalischer Rechtschaffenheit eingehalten, ohne Streitigkeiten und Rechtshändel vor sich geht. Ausserdem findet man das eigentliche Hirtenleben, wie in ^er Tatra nur hier und da auf der Babiagura, im westlichen Und östlichen Beskid, in der Gegend von Czarnahora. In Bezug der Pferdezucht ist Galizien nebst Ungarn das erste Land der Monarchie. Ks besitzt circa l03 Gestüte, grösstenteils in den Östlichen Bezirken, welche ausgezeichnete Kavallerie- und Zugpferde liefern. — eigenthümliche polnische Race, grossköpfig, stark gebaut, ai|sdauernd, findet man noch in der Umgegend von Skalat, Husiatyn und Neusandez, die huzulischen Poneys können als eine zweite Race gelten. Auch die Schaf-, Schweine- und Geflügelzucht ist sehr bedeutend und es werden jährlich eine grosse Menge Eier und blaumenfedcrn den Märkten zugeführt. Die seit langer Zeit bereits sehr beträchtliche Bienenzucht hat jetzt, seitdem eine Bienenzuchtschule in Przemyslany eröffnet wurde, noch bedeutend an Umfang gewonnen. Die Bukowina ist sehr reich an Buchen- und Tannenwaldungen und man exportirt von dort, sowie von Galizien, alljährlich grosse Mengen Brenn-, Bau- und Werkholz. Das aus der Bukowina ausgeführte Holz wird meistens auf den flossbaren Flüssen des Landes an die untere Donau und auf die Schiffswerften des schwarzen Meeres geschafft. Unter dem Wildstande dieser Länder nimmt der Wolf, der dort so zahlreich ist, dass er beinahe zur Landplage wird, eine Hauptrolle ein. Die Land- und Forstwirtschaft in Ungarn, Kroatien und Slavonion. Die eigenartige, echt ungarische Landwirtschaft be-schränkt sich hauptsächlich auf die fast bäum- und steinlose Ebene des Landes, denn nur hier findet man den überreichen, tiefgründigen Boden und hauptsächlich das extreme Kontinental-Klima. Sie reicht nicht hinauf zur Wasserscheide der Karpathen, dringt nicht in die Gebirge Siebenbürgens oder in die Eichenwälder Slavoniens und Kroatiens, und selbst die in' der Mitte des eigentlichen Ungarns liegenden Gebirgszüge des Bakony und Vertes sind für sie nicht geeignet, sondern sie wird eigentlich nur in zwei Ebenen betrieben. Die kleinere dieser Ebenen liegt zu beiden Seiten der Donau und beginnt Die Land- und Forstwirthschaft in Ungarn etc. [SM dort, wo dieser Strom die österreichische Grenze überschreitet. Nördlich von diesem Strome nimmt sie das Flussgebiet der ^ aag und Neutra auf und geht dem ersteren Flussthal ent ■*ng bis tief in die Karpathen. — Der südliche Theil dieser P*bene wird von dem Gebiete der unteren Raab und der Habnitz gebildet und im Westen von dem Leithagebirge, im Süden und Osten aber von dem Bakonyer Walde begrenzt. sodass der Neusidler See mit dem anliegenden Wiesensumpf des „Hanschlag'- auf der Westseite dieses Theiles bleibt. tischen dieser südlichen und jener nördlichen Kbene befinden s,ch die beiden fruchtbaren Schüttinseln in den Armen der ponau. Das ganze Becken dieser vorderungarischen Ebene, Welche auch das „Fressburger Becken" genannt wird, dehnt sich ln der Richtung von Norden nach Süden etwa 30 Meilen, von ^sten nach Westen circa 20 Meilen aus und hat ungefähr 3°o Quadratmeilen Flächenraum Die andere, in Unterungarn gelegene Ebene ist viel grösser, Sie beginnt von dem Austritt der Theiss aus dem Marmaros- Gebirge und reicht bis zu den Gebirgen Slavoniens. Sie hat h • "«nahe 70 Meilen Länge, 30 Meilen Breite und 1700 Quadrat-heilen Flächeninhalt — Diese Ebene bildet das 1 lerz des Landes, denn hier befindet sich nicht nur der Hauptsitz der ^agyaren, sondern auch der ergiebigste Boden des Landes. Gegen Westen reicht sie in die fruchtbaren Gebiete des Stuhl-u' issenburger und Tolnaer Comitats. — Zwischen der Theiss und der Donau, von Waizen abwärts bis Zombor in der Bäcska, finden wir ein sandiges Hügelland, die „Kecskemeter Haide". """" Aui dem linken Ufer der Theiss liegt ebenfalls ein Gebie v°n häufig reinem Flugsand, die etwa 70 Quadratmeilen grosse >,Nyir" in dem Theissbogen nordöstlich von Debreczin, dann 'e „Debrecziner Haide" mit der „Hortobägyer Pussta*. Weiter südlich reiht sich das eigentliche ungarische Nieder ari(L das „Alföld", daran und jenseits der Maros der wegen seiner grossen Fruchtbarkeit berühmte Boden des Banats. — Diese beiden grossen Ebenen umfassen zusammen ein Gebiet von circa 2000 Quadratmeilen. — Die Steppe Ungarns bat eine Ausdehnung von circa 600 Quadratmeilen, worin sich das „Alföld" und ein Theil des Banats befindet. Die Grenzlinie der Steppe beginnt bei Tokay und geht von hier über Szolnok, Felegyhäza und Theresiopel nach Zombor in der Bacska, dann von dort östlich nach Werschetz im Banat und hierauf nördlich über Temesvar, Arad, Bekes, Debreczin wieder zurück nach Tokay. — Auf der vorderen der beiden ungarischen Ebenen bildet im allgemeinen alluvialer, diluvialer und noch älterer Schotter die Unterlage, welche hier und da mit Sand und Lehm abwechselt. Die Donauinseln, das Sumpfgebiet des Neusidler-Sees und das nächste Seitengebiet der einzelnen Flüsse sind reines Alluvium, hingegen auf dem Theil der Ebene, welche sich nördlich der Donau ausbreitet, lagern umfangreiche Lehmschichten, und die diluvialen Schotterablagerungen sind stellenweise zu einem lockern Konglomerate zusammengekittet. — Natürlich ist dieser Schotterboden unproduktiv, wo er zu Tage tritt, denn die Ackerkrume, welche ihn bedeckt, ist oft sehr dünn. In der Gegend von Ungarisch-Altenburg betragt sie hier und da kaum 6 Zoll, während sie sich wieder an anderen Stellen bis zu einer Mächtigkeit von mehreren Fuss vertieft. — Die Natur dieses Bodens fordert zu ihrer Fruchtbarkeit entweder ein sehr feuchtes Klima oder ein Grundwasser, welches ganz nahe der Oberfläche hinstreicht, denn der schott-rige Untergrund ist weder fähig, die überflüssige Feuchtigkeit, welche die Ackerkrume nach einem Regen an ihn abgiebt, für die nachfolgenden trockenen Zeiten aufzubewahren, noch vermag er die Feuchtigkeit der Tiefe wegen seiner geringen ( apillarität in die Höhe zu ziehen, um sie der ausgedörrten Oberschicht mitzutheilen. Deshalb leidet auch die kleine Ebene am regelmässigsten von der Dürre, umsomehr, da tiie durchschnittliche Regenmenge nur 13 Zoll beträgt. Die Land- und Forstwirtschaft in Ungarn etc. 101 Während der Untergrund der oberen Ebene von einem gröberen Geröll gebildet wird, zeichnet sich die untere durch die Feinheit ihrer Unterlage aus. Nur an dem Hände der Ebene findet man Schotter, weiter in das Innere Seht er in groben und feinen Plugsand über und in der Mitte ^iebt es gar keinen Schotter mehr! — Das sind die unabsehbaren Flächen, wo absolut kein Stein zu finden ist. -- Das Alluvium zieht sich den Flüssen entlang, bei der Donau, Theiss und Maros hat es eine Breite von i—6 Meilen. Unterhalb Bezdän in der Bäcska bildet die Donau mit der ®rau und Theiss ein grosses Alluvialgebiet, ebenso schuf die Krümmung der Theiss im Szabolcser, Ungvärer, Bereger und Szatmärer Comitate und die sumpfbildende Berettyo und Koros ein grosses Alluvium. In Diluvium ist der Sand vorherrschend, der sich stellenweise durch das ganze Becken, aber meist nur 'n den unteren Bodenschichten hinzieht. — Wo er dagegen Zu Tage tritt, wie in der Nyir und auf der Kecskemeter Haide, ■5a nimmt er häufig die Form des Flugsandes an, doch wechselt er in manchen (legenden mit 3—4 Fuss mächtigen Thon-tagern. Die alluvialen und diluvialen Schichten sind ausserordentlich mächtig, so ist z. B. das Alluvium bei Fest 40—50 Fuss llnd an anderen Orten häufig über 90 Fuss tief, ja Debreczin ri'ht sogar auf einer Diluvialbank von mehr als 50 Klaftern und bei „Allios" im Banat wurde eine Tiefe von 495 Fuss erbohrt, °hne dass man die Sandschicht zu durchbrechen vermochte. y~ Im ganzen kann man die Mächtigkeit der beiden Jüngsten Ablagerungen in der Mitte der grossen Ebene /n 400—500 Fuss schätzen. Die Ackerkrume mag etwa bene der beliebigen Mintheilung der Herrschaften m Wirthschaftsbezirke und dieser in Fluren und der P"luren in l afein fast gar kein Hinderniss in den Weg legt, so ist diese b-intheilung überall sehr regelmässig. Die neuen Wirthschafts-nöfe liegen ganz im Centrum dieser Bezirke, welcher thunlichst Hbgerundet ist, und die PTuren sind mit mathematischer Genauigkeit in gleiche Tafeln abgetheilt, die ein vollkommenes Parallelogramm bilden. Diese Tafeln sind von einander durch ^ekluegc geschieden, deren Rand den Stand für die so wohl, tuenden Alleen bildet. — Um den Wind aber noch entschiedener zu brechen, als es eine Allee von einzeln stehenden Räumen vermag, wechselt man auch mit 10—20 Fuss breiten, l&ttz dichtstehenden Baumschlägen ab, wo dann der Weg neben der Baumpflanzung hinläuft. Durch solche Anpflanzungen s'nd Wüsten zu Gärten geworden! — Der ungarische Bauer befolg aber leider häufig noch nicht dieses Beispiel des Gross-Srundbesitzers. Wenn in früheren Zeiten die Grundherrschaften ihre Untertanen in einem einzigen Orte zusammenhalten konnten, so 'diäten sie dies und die Unterthanen erhielten dann ihren ^rbarialgrund in einem zusammenhängenden Stücke. Die Herrschaft hatte auf diese Art das Allodialfeld besser arrondirt, Schweinezucht betrieben wird, sind auch diese Thiere auf det' Die Land- und Forstw irthschaft in Ungarn etc. 107 frärrya und es bleiben nur so viele im Dorfe, als der Bauer 2um eigenen Verbrauche aufzieht, oder damit er die Abfälle seiner Hauswirtschaft verwerten kann. — Hin zweites Gebäude auf der Tanya dient zur Aufnahme der landwirtschaftlichen Geräthe, ein Schüttkasten zur Unterbringung des Getreides Llud ein schmaler, langgestreckter Lattenkasten, ,.Gbre", zur Aufbewahrung der Maiskolben. Das Wohnhaus attf der Tanya ,st sehr bescheiden, bei den kleineren Bauern finden wir bloss e*ne Stube, Küche und Vorrathskammer. — Die Obhut über die Tanya hat der „Tanyäs", welcher mit seiner Familie Sommer und Winter hier bleibt. Auf einer deinen Tanya befindet er sich oft den ganzen Winter hindurch *«ein, auf den grösseren wird ihm ein Hülfspersonal zur Pflege Oes Viehes beigegeben. Doch wenn im Frühjahr das Säen °eginnt, dann kommt der Bauer selbst hinaus, um die Saat 2u bestellen und nur von Sonnabend Abend bis Sonntag Nachmittag hält er sich im Dorfe auf. Die .Arbeiter, welche der ^auer auf die Tanya mitbringt, übernachten während ihrer ■^rbeitszeit ebenfalls auf der Tanya, aber nicht im Bette, sondern wo sich gerade irgend ein Platz ergiebt. — Nach der '^issaat ruht vorläufig wieder jede Arbeit, denn die Sorge für wachsende Saat ist meist gering und sie beschränkt sich ^vöhnlich nur auf das Behacken des Mais'. Der ungarische Landwirth ist eigentlich nur einmal im J'ühre, dann aber auch übermenschlich fleissig. — Bei der l'nRarischen Landwirtschaft ist die Ernte nicht auf so viele 2tit vertheilt, wie z. B. in Deutschland, denn letztere ist vielartiger, während sich die ungarische nur auf wenige Produkte tlstreckt. Dazu kommt noch die Sitte des Magyaren, so viel ^e möglich gleich in der Erntezeit das ganze Dreschen zu beendigen, wodurch die Arbeit mehr angehäuft wird, als es n°tbig wäre. — Auch hier zeigt sich wieder das Un erniittelte, der Hang zum Ivxtremen, entweder Massenarbeit oder Massennichtsthun, das pässt zu den Riesendörfern neben den meilengrossen Puszten, zu den gewaltigen Strömen neben der flusslosen Steppe, sowie zu der allzuüppigen und ausgedehnten Vegetation der einen Pflanze beim gänzlichen Versagen und Fehlen der andern. — Aber eben wegen dieser Zusammendrängung der Arbeit wird das System der Tanyenwirthschaft erleichtert, vielleicht hat auch umgekehrt die Tanyenwirthschaft diese Zusammendrängung in's Leben gerufen oder wenigstens befördert! Der „Tanyäs", der Leiter der Tanya, ist meistens ei« gedungener Arbeiter, welcher von Michaeli bis Georgi gegen festen Naturallohn angestellt wird, jedoch von dieser Zeit an, über den Sommer, hat er nur freie Wohnung mit einigen Žu-thaten und verrechnet seinem Herrn die Arbeit nach Taglöhnen. — Aber nicht jeder kleine Bauer vermag einen Tahyas zu miethen, sondern die kleineren müssen ihn abwechselnd selbst spielen und ziehen deshalb zum grossen Theil ihre ganze Landwirthschaft während des Winters ins Dorf zurück. Auch wechseln die Söhne des Bauern sehr häufig ab, indem der Pane in diesem Jahre, der andere im nächsten u. s. w. atit der Tanya sich aufhält. Aui andern Tanyen wieder sitzt nur während des Sommers beständig ein Mitglied der Familie. —-Ueberhaüpt richtet es sich jeder nach den individuellen Umständen ein und nur der Grundtypus bleibt, dass die Feldarbeiten nicht vom Dorfe, sondern von der Tanya aus besorgt werden und der Landwirth im Dorfe das Leben eines Städters führt. — Die Heimath der Tanya ist die Gegend der grossen Dörfer u. z. Jazygie und Rumänien, der Landstrich zwischen Kecskemct tind Czegled, der Hajduken-distrikt, die Comitate Szolnok, Bokes, Csanäd, Csongrad und die Gegend von Debreczin und Nyiregyhaz. — Nach der Zusammenlegung der Grundstücke sind auch selbst kleinere Gemeinden zur Tanyenwirthschaft übergegangen, besonders in der Bacska und dem Kronbezirke an der Theiss. Betrachtet man die Tanyawirthschaft im Gegensatze zur Wirtschaft vom entlegenen Dorfe, so ist sie ohne Zweifel ein Fortschritt, denn ohne eine Tanya auf dem Besitzthume würde dieses gewiss ganz verwahrlost sein. Die Tanya erspart die täglichen Hin- und Herwege zum Dorfe, ja sie macht erst die Bearbeitung der abgelegenen Felder möglich, sie lässt die Lüngstoffe dem Felde, da bei der Tanya gedroschen und der grösste Theil der Futtergewächse hier vorn Vieh verzehrt wird. Würde Stroh und Heu ins Dorf gebracht, so wäre an eine Zurückführung des Düngers gar nicht zu denken. — Die 1 anyawirthschaft erfordert zwar einen grösseren Kapitalauf-and für Gebäude, Mobiliar und Geräthe, eine doppelte Haushaltung, die Theilung der Familienglieder zwischen Haus und Tanya und verhindert ein harmonisches Ineinandergreifen aller Kräfte der Familie, aber die heutige Gestaltung der ungarischen Landwirtschaft mit ihren langen Arbeitsferien verträgt sich ziemlich gttt mit dem Dorfleben, wenn dieses auch nur eine schwache Verbindung mit dem Felde unterhält. — Das Hot system, wie wir es in anderen Kulturländern finden, ist wirth schaftlich unstreitig das vorzüglichste, aber es wäre für Ungarn Jetzt wahrscheinlich noch verfrüht. — Gerade so wie in Deutschland sind die Gemarkungen in die drei Felder, Winterfeld, Sommerfeld und Brache, eingeteilt, und diese wieder in „Calcaturen", ähnlich den deutschen Gewannen oder Oeschen. Wie wir sehen, ist daher auch in Ungarn der bäuerliche Grundbesitz, trotz seiner grösseren An S'edelung und der extensiven Bearbeitung, beträchtlich in Parzellen zerstückelt. Die durchschnittliche Grösse einer Sanzen „Session", d. h. eines Vollbauers, auf der nieder-Ungarischen Fbene beträgt circa 40 Katastraljoch u. z. ■Becker, Wiesen, Hutweide und Hausgrund zusammengerechnet. Eine halbe Session hingegen ungefähr 20 Joch. Manche Leute glauben, Ungarn sei noch immer die Menschenleere viehreiche Steppe, wo fast alles Hutweide ist und das Pflugland fast ganz verschwindet. Das ist aber schon lange nicht mehr der Fall, denn schon im Jahre 1852, als das-provisorische Kataster aufgenommen wurde, betrug das Areal der Hutweide in den drei vormaligen Verwaltungsbezirken, Ofen, Grosswardein und Temesvar, welche nahezu mit der grossen Ebene zusammenfallen, nur mehr 2i.o/'/0 des landwirtschaftlich benutzten Hodens oder 336 Q Meilen, das Ackerfeld hingegen 44*6 °/0 oder 687 Q Meilen. Aber auch hier ist schon die Hutweide um Vieles zu hoch angegeben, weil Jeder seine Felder im Steuerbuche in einer möglichst niedern Kulturgattung eingetragen haben wollte, um dadurch niederer besteuert zu werden. — Seit dem Jahre 1852 hat. aber die Hutweide auch noch beständig dem Pfluge nachgeben müssen, die Aufteilung der Hutweide wurde eifrig betrieben, und wo der Hoden zum Ackerfelde tauglich war, pflügte man ihn, daher ist die Hutweide meistenteils auf ein Minimum zusammengeschmolzen, oft schon ganz verschwunden, und der noch geduldeten droht jedes Jahr ihr Pmde. Auf den Puszten Ungarns, welche vor drei Jahrzehnten noch so weite Strecken der Steppen bedeckten und wo die giftige Wolfsmilch das üppigste Kraut war, wogt und wuchert jetzt der neunzigpfundige Weizen, der seit 1855 alljährlich die Reise in alle Länder des westlichen Europas macht. Auch die Puszta, d. h. die nach Meilen gemessene, baumlose Hirtweide, schwindet dahin, und wo man ihr das Dasein noch gönnt, da hört sie auf, den Typus der ungarischen Landwirthschaft zu bilden. Der Name wird aber niemals verschwinden, denn man nennt in Ungarn auch den bebauten Theii der Ebene „Puszta", weil er der Hutweide-puszta entnommen wurde. — Die grossen Güter des Adels, welche nicht unmittelbar vom Dorfe aus bewirtschaftet werden, heissen gerade so, wie die in neuerer Zeit auf der Puszta angelegten Bauernhöfe und wie überhaupt jeder Fänzelhof „Puszta". — Das Element der ungarischen Landwirth- •schaft ist eben auch in neuerer Zeit ein anderes geworden, die Kraft derselben liegt in den rationell bewirtschafteten Gütern des Grossgrundbesitzers, in den jungfräulichen Feldern der aufgerissenen Hutweide und der sorgfältigen Kultur der Einzelhöfe. 1 )cr Magyar hat eine unüberwindliche Lust zu einem ausgedehnten Besitze, denn er begreift noch immer nicht, dass naan eine gute kleine Wirtschaft einer schlechten grossen vorziehen kann, und legt am liebsten sein Kapital in angekauftem Boden an. — Doch ist in Ungarn hauptsächlich nur der Deutsche ein intensiver Landwirth, während leider der Magyar seine Landwirtschaft im grossen Ganzen noch immer mit Vorliebe nach dem alten extensiven Ritus meiner Vorjahren betreibt, daher steht der magyarische Bauer der Zwerg-Wirthschaft näher, als der deutsche Bauer in den meisten Gegenden Ungarn's, wenn jener auch den dreifachen Flächenraum im Besitz hat. In Ungarn giebt es viel weniger sogenannte ».Arbeitsgüter", d. h. Güter, auf denen die Familie nicht vom Ertrag des Gutes als solchem, sondern hauptsächlich von der Arbeit lebt, zu welcher das Gut Gelegenheit giebt, denn in Ungarn kennt man nur die sogenannten Nahrungs-Küter in grösserer Ausdehnung. Arbeitsgüter sind eine Seltenheit, weil die ungarische Landwirtschaft keine regelmässige Arbeit zulässt, sondern nur eine stossweise Ueber-'adung zur einen und eine vollkommene Arbeitslosigkeit zur andern Zeit des Jahres. — Die wenigen Bedürfnisse des niedern ungarischen Grundbesitzers erlauben ausserdem, dass manches (n|t nicht mehr als Arbeitsgut, sondern schon als Nahrungsgut angesehen werden kann, wenn auch sein Reinertrag in Deutschland längst nicht mehr dazu berechtigen würde. Man nennt das Wirtschaftssystem des ungarischen Bauers gewöhnlich die „Dreifelderwirtschaft", das ist aber streng genommen nicht ganz richtig, denn es herrscht an dem einen Orte eine Zwei-, an dem andern eine Vierfelderw irthschaft. So finden wir z. R in der Raabgegend, besonders auf der „Sandhaide'S häufig die Zweifelderwirthschaft, doch beschränkt sich die Ordnung hierin nur darauf, dass man nach einigen Jahren auf zwei oder drei Halmfrüchte eine Hackfrucht oder auch reine Brache folgen lässt. Reine Brache finden wir heut zu Tage selten, da der Mais mehr einbringt und der Land-wirth eine Schonung des Feldes nicht für nöthig hält. An der Theiss wechselt man auch hier und da ohne Unterbrechung mit Mais, Reps, Weizen und Sommerfrucht ab und es wird dazu meistens gedüngt. Im allgemeinen giebt es aber in Ungarn gar keine Ordnung in der Fruchtfolge, man baut, was man gerade Lust hat, Halmfrucht folgt auf Halmfrucht, Hackfrucht auf Hackfrucht und der bestimmte Turnus zwischen Winterfrucht, Sommerfrucht, Brachfrucht oder schwarzer Brache wird nicht strickte eingehalten, jedoch ist es Sitte, Alles das Dreifelder-wirthschaft zu nennen, wo durchschnittlich jedes dritte Jahr eine Brachfrucht angebaut wird oder reine Brache ist. Der Betrieb der ungarischen Landwirthschaft ist ein extensiver, wie es die Verhältnisse der dortigen Volkswirthschaft gebieten, die Kapitalanlage im Boden und der Arbeitsaufwand sind seine schwächeren Seiten. — Häufig genügt schon eine Furche zur Saat dem behäbigen Landwirth, hauptsächlich den Bauern, dagegen verwenden die höher entwickelten Gegenden, besonders die grösseren Herrschaften, mehr Sorgfalt auf die Bearbeitung und pflügen die Brache manchmal dreimal. — Die Ackergeräthe des Bauern sind noch recht mangelhaft, doch ist hieran zum grossen Theil mehr der alte Schlendrian schuld, als wie die Kapitalarmuth. Hier und da findet man sogar die primitiven uralten Holzpflüge! — Auch geht der Bauer zu verschwenderisch mit der Zugkraft um. Es fehlt eben in Ungarn in der Landwirthschaft Die Land- und Forstwirtschaft in Ungarn etc. der Mittelstand, und das wirkt gerade da am fühlbarsten, wo es sich um allgemeine Einführungen von wirtschaftlichen Verbesserungen handelt. Der bauer und der Grossgrundbesitzer stehen einander zu fern, als dass das Beispiel des Letzteren jenen ermuntern würde. — In einer echt ungarischen Wirtschaft steckt keineswegs viel Kapital in den Objekten, denn sie hat nur ein sehr geringes Bedürmiss nach geschlossenen, eingedeckten Räumen. Scheunen für die Einspeicherung der Ernte fehlen oft, anstatt der Getreidekästen giebt es nur unterirdische Gruben und da auch alle Arbeiten im Freien verrichtet werden, so braucht man keine bedeckten Arbeitsräume, wie z. B. Dreschtenne u. s. w. Dass die Gebäude eines Gutes aber dennoch 20—25ü/0 vom Guts werthe repräsentiren, hat seine Ursache darin, dass das ganze Baumaterial, ausser Stroh, Schilf und Erde, verhältnissmüssk> theuer ist. — Man nennt jene Art des landwirtschaftlichen Betriebes, welches die Anwendung der Gebäude so viel wie möglich bei Seite lässt, den „asiatischen Betrieb", weil er, nur den Magyaren eigentümlich, als eine aus Asien herübergenommene Sitte angesehen wird. — Bei dieser setzt man das Getreide, wenn der Land-wirth, was er vorzieht, nicht vor dem Einheimsen zum Dreschen kommen konnte, auf dem Felde in Feimen und drischt es aus diesen Feimen heraus. Der Dreschplatz befindet sich auf dem Acker selbst, wo man eine feste Tenne schlägt. Die Ungarn besorgen das Ausdreschen häufig durch das Austreten mit Pferden und Ochsen und nur wo der Bauer gerades Stroh zur Bedachung des Hauses und als Häcksel braucht, benützt er den Flegel. Die Spreu findet verhältnissmässig nur geringe Verwendung und nicht allzuselten geht ihr hauptsächlichster Nutzen in Feuer auf, welches man auf den Tretplätzen anzündet. — Das Getreide wird in Gruben aufbewahrt, welche dort in dem Boden angelegt werden, wo man dieselben über- wachen kann. Man brennt zu diesem Zwecke die frisch gegrabene Höhlung mehrere Tage lang mit Stroh aus, um die Kruste fest und wasserdicht zu machen und ihr den Erdgeruch zu nehmen. Die Wände werden mit Stroh ausgefüttert, und wenn darauf die Frucht hineingeschüttet ist, dann wird die Grube mit Asche, Sand und Thon sorgfältig verschlossen. — Wo es die Bodenverhältnisse, hauptsächlich aber die Grundwasser erlauben, haben diese Gruben die Form einer Flasche, so dass sie oben bedeutend enger sind als unten. In einer einzigen solchen Grube kann man 150 - 200 Metzen unterbringen. — Diese „asiatische Wirthschafr' hat jedoch bereits sehr viel Terrain verloren. Die Deutschen und Slaven befreundeten sich überhaupt niemals mit ihr, am allerwenigsten aber mit dem Austreten des Getreides. — Der Deutsche und der Slave hat auch schon, wie wir aus dem ersten Abschnitt wissen, oberirdische Getreidemagazine und zum Theil recht gute Stallungen für das Vieh. — Aber selbst der Magyar giebt allmählig seine nationale Bewirtschaftung auf, da dieselbe überall dort nicht mehr am Platze ist, wo die Kultur etwas mehr Sorgfalt erfordert. Das Klima zeigt sich jedoch für diese asiatische Wirtschaft sehr geeignet, denn da es hier zu Lande nur sehr wenig regnet, so -wird man höchst selten verhindert, im Freien zu arbeiten. Ausserdem hat diese Erdhütte den grossen Vortheil, fast gar keine Herstellungskosten zu beanspruchen. — Der „wilde Weizen", d. h. die Weizensaat, welche sich auf der Weizenstoppel vom Ausfall der ersten Weizenfrucht selbst sät und so eine zweite, wenn auch geringe Emte giebt, kommt immer noch sehr häufig vor, aber die Bedeutung, die er früher hatte, ist längst von ihm geschwunden. — Den Gegensatz der Dreifelderwirthschaft nennt man „ Wechselwirthschaft", welche eine Aehnlichkeit mit der deutschen „Feldgraswirthschaft" hat und bei welcher das Feld eine Reihe Jahre dem Futterbau zuerst als Mahdland, dann als Weide dient, wozu es der Bauer ohnehin schon gehraucht hat, weil er das Vieh zu keinem anderen Zwecke in seiner Wirtschaft hält, als blos um Wagen und Pflug zu ziehen. Die Menge der Arbeit, die der Bauer auf seifte Felder verwendet, ist gering, die Sorglosigkeit dagegen gross, doch herrscht auch hierin, je nach Gegend und Nationalität, eine sehr bedeutende Verschiedenheit, im grossen ganzen kann man aber sagen, dass bei den Bauern im allgemeinen die eine Hälfte aller Saaten auf die erste Furche, die andere auf die zweite Furche kommt, denn es wird oft so oberflächlich gepflügt, dass man die Arbeit mehr ein Ritzen als ein Pflügen nennen könnte. Das vorzüglichste landwirtschaftliche Arbeitsvieh ist der Ochs. Der Ungar zieht ihn fast durchgängig dem Pferde vor, dieses gelangt nur dort zur Oberhand, wo das Puhrwerk stärker betrieben wird. Aber auch hier lässt man dem Ochsen die rein landwirtschaftliche Arbeit, wo der Landwirt ein koppel-artiges Gespann zu halten im Stande ist und der kleinere Bauer, welcher blos ein einziges Gespann besitzt, entbehrt der Ochsen, wenn er zugleich Gelegenheit hat, mit Verfahren von Waaren sich Nebenverdienst zu machen. — So vortrefflich auch der ungarische Ochs für die landwirtschaftliche Arbeit Sein mag, so bleibt das Pferd für die grossen Entfernungen der Fbene dennoch unentbehrlich, da nur dieses durch seine grosse Schnelligkeit die Entfernungen etwas zu vermindern vermag. — In Ungarn kann man kaum zti Fuss von einem Qrte zum anderen gehen, man würde nicht ans Ende kommen, deshalb ist das Pferd für jeden ein Bedürfniss, welcher nur zwischen den nächsten Ortschaften häufiger zu verkehren hat. Selbst der Feldhüter sitzt meistens zu Pferde. — Auf diesen persönlichen Gebrauch beschränkt sich aber auch die Verwendung des Pferdes neben den Landfuhren meistenteils. — Die Landwirtschaft gehört dem Ochsen, wo nur die weite Entfernung des Feldes es zulässt, was bei den vielen grossen Markungen, wo die Tanya noch fehlt, nicht immer der Fall ist und wo das Schaf die Gulya, aus welcher das Zugvieh sich ergänzt, nicht allzusehr verdrängt hat, wie z. B. in Gross-Kumanien. — Während der Ungar den Ochsen hält, wo er kann, sucht ihn der Deutsche in Ungarn durch das Pferd auch in der Landwirtschaft zu ersetzen, wenn es möglich ist. Der Deutsche giebt dem Ochsen fast nie den Vorzug. Auch das Banat, die Bäcska und das Land zwischen Donau und Drau pflegt das Pferd mehr. — Der Walache, Ruthene und Slovake dagegen hält es wieder mit dem Ochsen. — Die Bespannung des Slovaken sind 2 Ochsen und 2 Pferde, die des Magyaren 4 Pferde, oft sogar 6 oder 8 starke Ochsen; des Deutschen und ödenburger Kroaten 2 starke Pferde, des eisenburger Kroaten 2 bis 3 Kühe, des Ruthenen 2, des Raazen 6 Kälber und des Walachen eine kleine Herde, 6 bis 18 schlechter Pferde. — Sobald wie im Frühjahr die Erde aufgeweicht ist, inuss man bedacht sein, ihr die Frühjahrssaat Zu geben, damit sie noch vor dem Eintritt der Sommerdürre sich gehörig entfalten könne. Man kann deshalb kaum eilig genug sein mit l'flügeu und Säen. — Mit dem Mai hört die Bearbeitungs-fühigkeit des Bodens auf, deshalb muss in diesem Monate bereits die Brache bearbeitet werden. — So häuft sich im Frühlinge die Arbeit auf eine kurze Spanne Zeit zusammen und dieses Zusammendrängen der Arbeit macht eine grössere Anzahl von Zugvieh erforderlich, als wenn man die Bestellung des beides auf eine längere Zeit vertheilen könnte. Zu Ende Juni und Anfang Juli beginnt die Ernte u. z. drängt sich auch diese auf die kurze Zeit von dreieinhalb bis vier Wochen zusammen, das ist die Zeit, wo ihm die Arbeit über den Kopf wächst. — Der August beschäftigt schon wieder den Pflug, man sät den Reps bereits wiederum und im September und Oktober folgt die Aussaat des Weizens und Roggens. Gegen Ende August oder Anfang September wird die Rübe und Kartoffel eingeheimst. Im Oktober reift der Mais. Dann aber beginnen die grossen Ferien der Landwirtschaft. — Wo der Landwirth vom blossen Getreidebau abgegangen ist und sich dem Futterbau und den Handelsgewächsen zuwandte, da vertheilt sich die Arbeit schon viel besser über das Jahr und die Sprünge von der Ueberanstrengung zur Untätigkeit sind weniger schroff, denn die Oekonomie der Arbeitskraft leidet unter dem ausschliesslichen Kornbau bedeutend, zumal das Land keine andere Beschäftigung gewährt als den Ackerbau. Seit neuerer Zeit düngt man auch ausgiebiger in der Ungarischen Lbene, weil der Sandboden am allermeisten der Düngung bedarf, doch düngt man hauptsächlich nur Jene Grundstücke intensiver und regelmässiger, welche ganz in der Nähe des Wirthschaftshofes liegen. Die übrigen Felder werden aber gewöhnlich nur sehr selten, die aussersten gar nicht gedüngt, weil sie häufig 2—3 Meilen vom ^irthschaftshofe entfernt sind. — Würde man diesen äussersten Feldern nur den Ueberschuss an Düngstoffen zukommen lassen, den die nächstgelegensten Felder besitzen, so wäre das hinziehend, um sie ertragsfähiger zu machen, doch die grossen Entfernungen und die schlechten Wege machen dies unmöglich. Es wird eben die Düngung noch nicht überall für "Othig gehalten, ja man unterlässt sie sogar an manchen Orten v°Hkommen, weil die neuen Böden einen derartigen Reichthum «n bereits löslichen Nahrungsbestandtheilen besitzen, da.ss sicli häufig auch ohne alle Dungimg das Getreide lagert. In solchen aHen muss man dann schon vorher durch eine Reihe stark ^greifender Saaten, wie z. B. Mais oder Keps, dem Boden überschüssige Kraft nehmen. Las Halmgetreide gehört zu jenen Produkten, die auf der Ungarischen Lbene am besten fortkommen, denn hier braucht U;,s Klima eine Frucht, welche weniger empfindlich gegen r°st ist und im Sommer die Dürre leichter ertragen kann. Neben dem Mais gilt der „Weizen" als die sicherste l,nter allen Halmfrüchten, obwohl derselbe noch immerhin. wie z. 1$. im Banat, einer .Ernteschwankimg von circa :;,4—20 Metzen per Joch unterworfen ist. Beträchtlichen Schaden erleiden die Landwirthe, besonders die Südungarn, durch unzählige Schaaren graugelbe „Feldmäuse", welche die Felder verwüsten und hauptsächlich bei trockenem Winter zur förmlichen Landplage werden. — Ueberdies macht auch noch die „Blindmaus'' oder „Erdhund" genannt, eine Specialität Ungarns, welche mit Speckschichten umgebene Augenhöhlen und lange Zähne besitzt, grossen Schaden nicht allein durch Abfressen der Wurzeln, sondern auch indem sie, gleich dem Maulwurf, unzählige Erdhaufen aufwirft. — Das Tabakmonopol, welches bereits seit zwei Jahrhunderten in Oesterreich besteht, wurde auch in Ungarn im Jahre 185 1 eingeführt. In den ersten Jahren nach seiner Einführung nahm die mit Tabak bebaute Fläche enorm ab, denn wahrscheinlich hatte man sich die Unbequemlichkeiten des Monopols allzugross vorgestellt, und erst einige Jahre später nahm die Zahl der Anbauer. sowie die angebaute Fläche wieder bedeutend zu, so dass man bald die Höhe der alten Produktion erreichte. — In mancher Beziehung hat das Tabaksmonopol dem Lande keineswegs geschadet, denn der alljährliche Tabakbau, vom Jahre 1851 angefangen, bis zur heutigen Stunde, hat im Verhältniss zum Anbau in den Jahren 1836—47 um viel mehr als 100.000 Centner zugenommen. — Seit 1860 wurden auch Concessionen zum Anbau für den Export gegeben. Anfangs waren leider dfc Kontrolmassregeln und die Bedingungen so drückend, dass nur Wenige sich um eine solche Concession bewarben, doch allmählig ist auch in dieser Beziehung eine Besserung eingetreten und gegenwärtig hat der ungarische Tabak einen immerhin zufriedenstellenden Absatz im Auslande erlangt. — Die ungarischen Tabake sind zum grössten Theile ordinär, was wohl weniger seinen Grund im Klima als wie in de'' Sorgfältigen Behandlung der Pflanze hat. — AusserordeiW 'ich fördernd für die Produkt ion feinerer Sorten wirkte der von Graf „Apponyi" im Jahre 1864 gegründete »Tabaksbauverein." Mitglied kann werden, wer entweder allein, oder in Verbindung mit Anderen eine Fläche von Wenigstens 30 Joch anbaut. — Die Gesellschaft hat eigene Magazine, in denen das Produkt, bis sich günstige Gelegenheit ergiebt, es exportiren zu können, gelagert wird. Hei der Hin lieferung wird die Waare von der Gesellschaft baar eingelöst-sodass die Produzenten stets schnell einen Abnehmer finden-Gewinn und Verlust wird dann unter die Theilnehmer vertheilt, denn dieser Verein verfolgt seinen Mitgliedern gegenüber mehr patriotische als spekulative Zwecke. In Ungarn wird der Tabak nur im Kleinen angebaut, und Wenn Jemand eine Lizenz für eine grössere Fläche erlangt, so •Ssst er dieselbe mit Theilbauern besetzen und anbauen, welche die Hälfte des Rohertrages an den Pachtlasser abgeben. Da der Rohertrag circa 70 bis 80 Fl. beträgt, so entfallen unge-^'lr 35—4° Fl. Pacht. Dafür giebt aber der Pachtlasser dem fheilbauer, Tabaksgärtner, oder auch „Kertes" genannt, häufig fioch einige kleinere Begünstigungen. Ungarn zieht sowohl den Rüben- wie den Kohlreps; der entere ist besonders im Banat zu Hause, der andere dagegen ,rn eigentlichen Alföld und in der Gegend von Stuhlweissen-bur^r — Der Repsanbau wird aber erst seit etwa 50—60 Jahren a%emein in Ungarn betrieben. Zwar gab es wohl keine zweite-Frucht, für welche der noch unerschöpfte jungfräuliche Boden des Landes so sehr gepasst hätte, wie gerade der Reps, aber Pudere Gegenwirkungen verhinderten, dass er sich in entsprechenderem Masse ausgedehnt hätte. — Zunächst ist das ^'hiia dem Repsbau recht ungünstig, die Nachtfröste bringen der Saat das meiste Verderben. Besonders ist für den Sommer-'°P* auf der grossen Ebene gar kein Aufkommen. Mehr aker als im Klima liegt in der Art des Anbaues der ***"und des häufigen Misslingens und des durchschnitt- Oesterreicti-Ungarn. 14 210 | kslerreicli - U ngarn. lieh niedrigen Ertrages, denn der Repsbau bedarf eine sehr sorgfältige und tiefe Bearbeitung, und beides verträgt sich mit der in -Ungarn betriebenen extensiven Kultur schlecht. — Der ungarische Reps hat daher auch eine viel geringere Qualität als der ausländische, und sein Oelgehalt ist um i o Procent geringer als wie der des böhmischen. Dazu kommt im allgemeinen noch ein schlechter Drusch, eine sehr unvollkommene Reinigung und meist eine schädliche Aufbewahrungswei.se, da dem Bauern dazu die geeigneten Räumlichkeiten fehlen. — Neben der Qualität ist auch die Menge des Produkts nur eine mittelmässige, denn wenn auch einzelne Erntet) zwanzig Metzen vom Joch liefern, ohne dass der Anbauer gerade besonders fleissig und gut gearbeitet hat, so giebt es doch auch wieder nur allzuviele Missernten, wo man, wie im Jahre 1852 im Alföld, in einem ganzen Landstriche nur 2 —4 Metzen erzielte.— Dennoch aber würde der Repsbau immerhin noch einträglich sein, wenn man nur wenigstens jährlich den mittleren Durchschnitt ernten würde, allein auch das ist nicht möglich, daher finden wir ein für den Handel und die Produktion ausserordentlich schädliches Schwanken, welches die Schaffung eines regelmässigen Absatzgebietes verhindert und deshalb in den günstigen Jahren beinahe gerade so viel Verlegenheit als Segen bereitet. — Im Durchschnitt entfällt auf das Jahr eine Ernte von 700,000 Metzen, was den inländischen Bedarf nicht bedeutend übersteigt. — Das durchschnittliche Schwank u ngsverhäl tniss beim Repsbau stellt sich nach obigen Zahlen auf die beträchtliche Höhe von 64"3 Procent, sodass der Repsanbau fast mehr als ein landwirthscnaftliches Produktionsspiel als wie ein sicherer Produktionszweig erscheint. Die Hauptsitze der Repsproduktion sind das Stuhlweis.sen-burger Comitat, das Banat und ein Theil des Alföld. Der ungarische „Weinbau" steht im grossen Ganzen noch nicht auf jener vollendeten Stufe, wie es im Interesse der Volks- wirthschaft des Reiches wünschenswert h wäre, denn der" Hoden wird häufig noch schlecht bebaut und die Rebe und Traube nicht «achgemäss behandelt.— Das Graben und Düngen des Bodens geschieht nur selten; die Reben aller Sorten, gute oder schlechte, selbst weisse und rothe, stehen nicht nur in den Weingärten durcheinander, sondern werden auch vermischt gekeltert. Für Veredlung wird vom gewöhnlichen Weinbauer so viel wie gar keine Sorge getragen. Deshalb ist auch das Produkt, obwohl ahe Chancen für den Weinbau ausserordentlich günstig sind, dennoch durchschnittlich von geringer 1 landelsgüte. Dazu kommt noch, dass die einzelnen Jahrgänge in demselben Weinberge oft so beträchtliche Verschiedenheit aufweisen, dass man die Identität des Gebirges nicht wieder zu erkennen vermag. — (,bwohl sich die ungarischen Weine durch einen sehr höh en Zucker- und Alkoholgehalt auszeichnen, so wird dieser Vortheil doch wieder durch das Vorherrschen eHkes stickstoffhaltigen Körpers, welches der Dauerhaftigkeit der Weine nachtheilig ist, sehr geschwächt. Das Ergebnisa der Weinernte in Transleithanien im Jahre 1883 °etrug, auf Grund amtlicher Daten. Most 5,151,255 Hektoliter; gewöhnlicher weisser Wein 2,429,066 1 lektoliter, weisser Dessertwein 42>36o Hektoliter, gewöhnlicher Rothwein 734,463 Hektoliter, r<'lher I »ussertwein 26,876 Hektoliter, Schiller 946,446 1 lektoliter, Ausbruch 461 5 Hektoliter; an Trauben wurden verkauft 778,413 ^Hogramm ins Ausland und 1,749,627 Kilogramm im Inlande. Gesammtwerth des producirten Weines betrug 47,780,719 und der verkauften Trauben 238,219 Fl. Die Weinberge des Landes bilden einen Kranz um die beiden Ebenen; auf der Ebene selbst, wie z. B. in der (regend 0,1 ..Felegyhaza, Szolnok und Oroszhäza. wo es an Abhangen fehlt, wird nur mittelmässiger Wein für den eigenen Konsum gezogen. Die besseren Weinsorten haben da-l^en ihre lleimath dort, wo das Gebirge mit Oer -bene iu Verbindung tritt und wo die Wü rme der Niederung und die sonnige Exposition des Gebirges sich vereinen. Der Toknyerwein, der Weinkönig, wird gezogen in der (,1 legyalja", welche in einer Ausdehnung von 14 Quadratmeilen einen Theil der Comitatc Zemplin und Abanj erfüllt. Dieses Hegyalja-Gebirge, oder auch „Tokayer-Gcbirge" genannt, bildet die Wasserscheide zwischen 1 lernad und liorog, es ist ein hügelreicher, südlicher Ausläufer des östlichen Karpathischen Waldgebirges. Die Hegyalja läuft in südlicher Richtung spitz zu, und hier an ihrem südlichen Ende, auf der westlichen Abdachung und noch mehr auf der südwestlichen und südsüdwestlichen, wachsen die vortrefflichen weltberühmten sogenannten Tokayerweine.— Der beste Wein gedeiht aber in den Landstrichen von Müda und von Tülya, welch' beide Orte drei bis vier Meilen nordwestlich von Tokay liegen. — Die gesammte Jahresproduktion in der Hegyalja beträgt durchschnittlich 12,000 Eimer Tokayer Ausbruch, 6,000 Eimer Nach wein und 250,000 Eimer guten Tischwein. — Mit Ausnahme einer deutschen (htschaft sind die Weinbauern Magyaren. — Obwohl in der Stadt Tokay ein sehr bedeutender Weinhandel getrieben wird, so glaube man ja nicht, wenn man keine guten Bekannten in der Stadt besitzt, dort als Fremder einen vorzüglichen, unverfälschten Tropfen der weltberühmten Weine dortiger Gegenden zu trinken, im Gegeutheil! — Sondern man muss zu diesem Zwecke hinaus an die Quelle in die Weingebirge fahren. Der Weinbau unterscheitlet sich hier wesentlich von dem am Rhein, in Südtirol oder in Italien. In der Hegyalja pflegt man die Weinberge mehr als in Wälschland, jedoch weniger als in Deutschland oder Frankreich, doch wird fast nie gedüngt Die gesammte Arbeit beschränkt sich im grossen Ganzen auf das Schneiden der Weinstöcke und das Ausrotten des Unkrauts. Dieses wuchert derartig Üppig, dass man den Weinberg viermal im Sommer umgraben muss, um es auszurotten. — Die Lami- und Forstwirtschaft in Ungarn etc. 213 Lie Weinberge in der Hegyalja haben einige Aehnlichkeit mit denen in den Rheingegenden, nur geht hier der Weinberg weder bis ganz an den Wald, welcher die Kuppen der Hügel krönt, noch bis ganz hinunter in die Ebene. — An den gunstigsten Lagen findet man hier und da eine bescheidene Villa in dem Weinberge, die treffliche Kellerräume unter sich birgt. — Viele Weinberge sind terassenförmig bis hinauf geschichtet und jede 1 erasse wird von der unteren durch eine Mauer geschieden und auf diese Art getragen. Der Weinberg ist nicht horizontal den Berg entlang, sondern vertikal oder den Berg herunter «nbgetheilt, auch sind die Parzellen häufig ziemlich gross, denn Cs gehört oft der ganze Abhang einem Besitzer. — Sehr verschieden ist der Boden der Weinberge; entweder besteht er ans Humus, Kalk, Thon oder Letten, letzteren hält man für den besten, — Die Räume zwischen den Zeilen und Stöcken sind im Allgemeinen sehr klein, doch haben die sorgsamsten «lauern -seit neuerer Zeit grössere Distancen in ihren Weinbergen eingeführt und die überzähligen Stöcke herausgenommen, sodass jetzt jeder Stock zwei einhalb Fuss vom anderen und die Zeilen vier Fuss von einander stehen. — In den meisten finden wir aber die Zwischenräume nur halb so gross, da man dort mehr auf Quantität als Qualität hinarbeitet. Der Weinstock wird nicht alle dreissig bis vierzig Jahre ausgehauen, sondern man verkürzt ihn dadurch, dass man alle hundert Jahre einmal den alten Stock in den Boden versenkt und aus dem Absenker einen neuen Stock zieht; bei dieser Gelegenheit kommt es auch nur vor, dass man überhaupt einmal düngt! Die beste Rebe in der Hegyalja ist die „Furmind" S1e wurde durch Veredlung der einheimischen wilden Rebe gezogen. Sie liefert die hochfeinen Kabinetsweine und 68 wird auch behauptet, sie habe einen autochthonen Charakter. Neben ihr ist eine Rebe am beliebtesten, welche man hier ln der Hegyalja die „weisse Traube", in Nieder-Oesterreich aber „Mehlweiss" nennt. — Mit „Mehlweiss" mischt man auch „Fur-mind". Eine solche Mischung erzeugt oft ein vortreffliches Produkt. Der Weinstock der F"urmindt raube wird auf eine eigen-thümliche Weise geschnitten, denn man schneidet alljährlich alle Triebe des vorigen Jahres ab, sodass nichts übrig bleibt, als der alte Stock. -- Dieser sieht aus wie ein knorriger, kurzer, alter Baumstrunk, er ist oft mehr als armsdick, da er ja hundert Jahre stehen bleibt, und ragt kaum vier Zoll über die bade. — Jedes Jahr kommen dann aus diesem Strunk eine Monge neue Schösslinge. — Die Schösslinge sind nur unten, dort wo sie aus dem Strunk kommen, stark genug zum Tragen, und so sitzen denn die Trauben wie ein Bienenschwarm alle bei einander in einem dicken Haufen unmittelbar auf dem alten Stocke ganz tief an der I-Crde, in Bogen gezogene Reben giebt es nicht. — Diese Art der Rebenbeschneidung nennt man in der I legyalja den „Bockschnitt." Fast in ganz Ungarn ist die Weinlese schon im September. In der Hegyalja dagegen erst Ende Oktober oder November, weil die Tokajerrebe längere Zeit zur Reife braucht. — Der Weinproducent in der I legyalja trachtet Trockenbeeren, Rosinen zu erzielen, welche nur in guten Jahren sich vollständig ausbilden, denn ist die Witterung ungünstig gewesen und hat man keine Rosinen, dann fällt die Auslese fort. — Man liest alles zusammen und bringt es unter die nämliche Kelter. Man nennt das „Samaroschna" oder „Szamarodni", d. h. „Alle zusammen". — Er hat, besonders bei schlechten Jahrgängen, viel Weingehalt, aber er ist ohne Blume und sehr sauer. — In einem guten Jahrgange giebt es eine Menge Rosinen. — Diese werden mit grosser Sorgfalt gebrochen, von den übrigen Trauben getrennt, durch eine mit zwei Walzen versehene Kelter gequetscht und dann in Butten gefüllt, wo sich der Saft von den Häuten u. s. w. sondert. — Sämmtliche übrige Trauben aber, mit Ausnahme der ausgebrochenen Trockenbeeren, werden zusammengelesen, nach Lagen und Sorten getrennt und auf einer altmodischen Kelter gekeltert, welche auf eine Kufe drückt, die aus Latten zusammengesetzt ist und überall Zwischenräume zwischen den Latten hat, durch welche der Wein aus den gepressten Trauben der Kufe auf die Plattform oder das nur flach vertiefte „Bind" rinnt, von wo er dann in die Leitung oder das Fass abfliesst. Im „Tokajerland" wird die Auslese zur Verbesserung der übrigen Weine benützt. — Den aus den Trockenbeeren, den Rosinentrauben durch Auslesen gewonnenen Extrakt nennt nian die ,,Fssenz", welche zugleich den feinsten Zucker-und den feinsten Weingeschmack in höchster Potenz in sich vereint. — Diese Pissenz verwendet man zur Veredlung der übrigen WTeine und erzielt dadurch den Kabinets-wein ersten Ranges, welchen man nach der Anzahl Butten Essenz, welche auf die Kufe regulären Wein kommen, taxirt. — Es giebt einblütige bis fünfbuttige Weine. Fünfbuttige ist Maximum, d. h. fünf Butten Essenz auf eine Kufe Wein. Die Essenz muss schon frühe dem Most zugesetzt werden, auch ist es notbwendig, dass Essenz und Most demselben Jahrgange, Womöglich auch derselben Rebe angehören, denn wenn dies nicht der Fall ist, giebt es ein Durcheinander der verschiedenen heterogenen Gährungen, welches leicht den Most in bissig verwandelt. Neben diesem Kabinetswein ersten Ranges finden wir auch noch einen solchen zweiter Klasse. Wenn nämlich die Essenz aus den Rosinenbeeren gepresst ist, so mischt man die Beere noch einmal mit regulärem guten Moste und erzielt aus dieser Vereinigung, vermittelst nochmaliger Anwendung der Reiter, einen feinen und starken Wein, der sich freilich an Süsse mit den Buttigen nicht messen kann. Charakteristisch ist bei diesen Weinen, dass sie, mit Ausnahme des aus schlechten Jahren stammenden „Samaroschna", v°n dem wir früher gesprochen haben, absolut keine Säure besitzen und daher auch von schwachen Magen genossen werden können, dagegen fehlt ihnen die ..Blume", jedoch nicht der Geruch, der Duft oder das Bouquet, denn letzteres haben sie ja in hochentwickeltem Grade. Namentlich die hochfeinen Weine besitzen einen ausserordentlich feinen und süssen Geruch. Im übrigen muss man, was den Tokajer betrifft, zwischen den gewöhnlichen Weinen ohne Trockenbeerenessenz und den Rosinenessenz-Weinen unterscheiden, welche, wie gesagt, von Einbuttigen bis zu Fünfbuttigen hinaufsteigen. Die ersteren sind gut, süss und schmackhaft, aber nicht reducirbar auf Rheinwein. Die hochfeinen „buttigen" Weine sind sehr süss und doch dabei sehr „weinig". — Leider bekommt man ausserhalb Tokay sehr häufig Weine unter dem Namen „Tokayer", der nichts anderes ist als ein künstlich fabricirter süsser Liqueurl 1 )er Wein wird in Fässern gelagert, welche durchschnittlich einen Fassungsraum von 70 Maas oder 140 Liter haben, was man eine „Kufe'' nennt. Die Fässer liegen doppelt aufeinander geschichtet, die halbe Kufe hei.sst auf magyarisch „Antel". Jedenfalls ist es im Interesse einer erhöhten Weinkultur zu bedauern, dass die oberungarischen Magnaten und die übrigen Edelleute, welche in der Hegyalja begütert sind, nicht mehr hier wohnen, sondern auf ihren anderweitigen Gütern leben. — Alle diese haben hier nur ein nothdürftiges Unterkommen, welches sie alljährlich blos für eine kurze Zeit beziehen. Der grösste T h eil von ihnen „fechst" (baut) nur für den eigenen Gebrauch. Alle überlassen den Weinbau ihren Verwaltern oder Beamten. Das Hernadthal, welches die 1 legyalja im Westen begrenzt, ist ebenfalls durch gute Weine bekannt. — Unter den Rothweinen ist der „Menescher" im Arader Comitat, welcher sich durch seine dunkelrothe Farbe, sein Feuer, seine Lieblichkeit, sein ganz eigenthümliches Bouquet und einen nelkenähnlichen X)ie Land- und Forstwirtschaft in Ungarn etc. 217 Geruch auszeichnet, der vorzüglichste. Die Produktion beträgt circa 8000—9000 Kimer. — Uebrigens finden wir die „Pormint-°der Furminttraube", welche ihre eigentliche Heimath in der Hegyalja hat, auch wo anders, so z. B. sind der „Zapfner" in Oedenburg und Rust dasselbe; am Plattensee findet sie sich gleichfalls und nach Deutschland, sowie nach Lyon wurde sie unter verschiedenen Namen eingeführt. — Der in Arad pro-dtteirte Wermuth giebt jährlich im Durchschnitt 4000— 5000 Linier; der weisse Wein, den dieselbe Gegend liefert, ist im Handel unter dem Namen „Magyaräther" bekannt. — Viele Aehnlichkeit mit dem Tokayer hat der Rüster am „Neusidler See", welcher neben circa 7000 Panier Ausbruch auch noch ungefähr 35.000—40.000 Eimer guten Tischwein liefert. — Vom »Schomlauer" im Vesprimer Comitate, welcher als der beste üschwein gilt, werden an besseren Sorten circa 25.000 Plimer erzeugt. — Ausserdem gehören noch zu den berühmteren Weinen Ungarns der „Badacsonyer" am Plattensee, der „Nesz-nnihler" bei Komorn, der „P>mellek-Weinu im Biliarer Comitate, die Erlaner und Visontaer, der Szexarder im Tonsaer, der v illanyer im Baranyer und die Ofener und Steinbrucher Weine. Die Comitate Ung, Bereg, Nögrad, Hont, Pressburg, •Vhümeg, Stuhlweissenburg, Plisenburg und das Banat M erschetz) liefern ebenfalls viele und meist vortreffliche Weine. Der Weinbau gehört auch zu den bedeutendsten Zweigen der „kroatischen Landwirthschaft". — Die Weinberge erstrecken Wen hier hauptsächlich, wie wir schon früher angedeutet haben, durch das Küstenland sowie an den Abhängen der verschiedenen Ausläufer der kroatisch-slavonischen Alpenkette, besonders in Syrmien. — Nur auf der südkroatischen Hochebene findet man wegen des rauhen Klima's keinen eigentlichen Weinbau! — Das Plrträgniss des Weinbaues könnte aber durch ein rationelleres Verfahren ausserordentlich gesteigert werden und viele Erscheinungen der letzten Jahre berechtigen zu den schönsten Hoffnungen, umsomehr. da, wie die Erfahrung lehrt, in Kroatien die feinsten Rebengattungen bestens gedeihen. Die Nachtheile des kroatischen Weinbaues sind sehr verschieden und theils in dem Anbaue der verschiedensten Rebengattungen untereinander, theils in der Zeit und Art der Lese, theils in der schlechten Kellerw irthschaft zu suchen. — In neuester Zeit ist aber sogar der einfachste Bauer zur Hinsicht gekommen, dass in dieser Beziehung der alte Brauch der Väter nicht mehr weiter geführt werden kann. Er gräbt daher ganze Weinberge um und bepflanzt sie mit jungen edleren Reben, die er durch Vermittelung der kroatischen landwirtschaftlichen Gesellschaft erhält. — Die Syrmier sind unter dem Namen ,,Carlowitzer Weine" itn Handel bekannt. Unter den Gespinnstpflanzen gedeiht der ,,Flachs" nicht auf der Ebene, denn er verträgt keine Dürre, sein Anbau bleibt daher auf die Karpathenländer beschränkt. — Dafür verlegt sich die Ebene umsomehr auf den „Hanfbau" und besonders die Gegend von „Apatin" in der Bacska zieht daraus ihr hauptsächlichstes Einkommen. — Da man den ungarischen Hanf als den allerstärksten rühmt, so wird er besonders zu Seilerarbeiten verwendet, doch steht er in Bezug auf Feinheit dem italienischen bedeutend nach, so dass dieser selbst nach Ungarn als Spinnstoff importirt wird. — In Bezug auf die Hechelei giebt man aber Ungarn selbst vor Italien den Vorzug, dagegen ist die Wasserröste umso unvollkommener, doch liegt der Grund hierin hauptsächlich in dem schlechten und oft nicht einmal quantitativ hinreichenden Wasser der Ebene. — Der Hanf ist neben dem Tabak wohl jenes Handelsgewächs, welches sich am meisten auf der ungarischen Ebene eignet, allgemein angebaut zu werden und dadurch wenigstens etwas der Ueberproduktion des Getreides abzu- helfen und in die ungarische Landwirthschaft eine grössere Mannigfaltigkeit zu bringen. — In der Bäcska, wo sich besonders die erzherzogliche Herrschaft „Bellye" und die Herrschaft ,,Futak" wegen ihres intensiven Flachsbaues auszeichnen, finden wir mehrere Fabriken, um das Rohmaterial zu verarbeiten. Auch die Zuckerrübe ist aus merkantilischen Gründen ganz besonders geeignet, auf der ungarischen Ebene einen ausgedehnten Anbau zu finden, indem das Fabrikat aus derselben eine weite Versendung am besten erträgt; auch würde die Landwirthschaft durch den Anbau der Zuckerrübe schon aus dem Grunde viel gewinnen, weil dadurch das Feld eine tiefere und bessere Bearbeitung erhält und deshalb auch die folgenden Getreidearten einen höheren Ertrag geben würden. — Der Boden und das Klima ist der Rübe keineswegs ungünstig, ja sie gedeiht sogar überall dort vortrefflich, wo es dein Hoden nicht allzusehr an Feuchtigkeit mangelt, nur ist der Uebelstand dabei, dass sie verhältniss-mässig wenig Zuckergehalt besitzt, nämlich nur 6!/2 bis 7 70. — Ausserdem ist die ungarische Zuckerrübe viel zu reich an Aschenbestandtheilen, man erklärt dies daraus, dass der Boden, besonders der neu aufgebrochene, zu reich an balzen sei, und dass man deshalb eine Rübe mit grösserem Zuckergehalt auf dem alten abgelebten Boden erziehe. Wir finden daher auch die meisten Zuckerfabriken auf der vorderen Ebene, Die ungarische Puszta ist ein Marschland, aber trotz ihres Ruten Bodens keineswegs ein Marschland im Sinne der holländischen „Polder" oder der niederdeutschen Marschflur, denn die misslichen Verhältnisse des Klimas lassen nicht zu, dass der Boden alle seine Kräfte in der rechten Weise entfaltet. Der beständig nasse Boden trägt einen Wald von Schilf oder Gras, den man {ur d[G Viehzucht nur schlecht benützen kann. Und wo der Boden trocken ist, da zeigen sich ebenso die ungünstigen Fanflüsse des ungarischen Klimas, denn wenn im Frühling der Regen reichlich niederströmt, so schiesst zwar das Gras mit einer Kraft auf, wie man es in Deutschland nicht kennt und die schwarze Fuszta wird plötzlich grün, aber so schnell als das Gras kam, brennt es die Sonne wieder nieder, und das Vieh, welches noch eben das Pusztagras mit wohlgesättigtem Bauche geschleift hat, kann jetzt wieder auf der dürren schwarzen Puszta die paar Grashalme suchen, welche sich noch unter dem Stengel des schattigen Unkrautes der Wuchernden Wolfsmilch vor der Sonnengluth erhalten konnten. — Im Frühtlrtg und im Herbst aber, wenn die Regentage häufiger sind, dann lebt das Vieh auf der Puszta im Schlamme. Auf der ungarischen wie auf der südrussischen Steppe hat das Gras nicht blos einen Winter-, sondern auch einen Sommerschlaf, und im Juli eines mittelmässig trockenen Jahres gleicht die Puszta einem ungepflügten P'elde, so schwarz sieht sie aus. — Der Ungar hat der Puszta, obwohl er sie liebt, niemals eine Pflege angedeihen lassen und unter allen Gegenständen der ungarischen Wirthschaft ist gerade die Viehweide bis auf unsere Zeit am meisten vernachlässigt gewesen. Päne Bearbeitung der Puszta kennt man nicht, wo Gestrüpp wachsen will, lässt man es geschehen und die zahlreich verschlungenen Wege mit ihren hundert Nebengeleisen duldete man überall dort, wo sie der Fuhrmann in den Boden einschneidet. — Der Graswuchs entartete von Jahr zu Jahr, an eine Aufbesserung durch frischen Samen wird meistens nicht gedacht, die besseren Pflanzen gehen zurück und das Unkraut kann immer mehr die ausschliessliche Herrschaft über den Hoden gewinnen. Wir finden daher auf der Urpuszta gewöhnlich mehr Unkraut als Graswuchs und die natürliche Hutweide konnte demnach einen relativ bedeutenden Viehstand nicht aufkommen lassen. Obwohl in früherer Zeit die Hälfte des ganzen fruchtbaren Niederungslandes für die Plerde bestimmt war, so gelang es Ungarn doch nicht trotz seines Gebietes, einen Vorrang vor den übrigen Ländern zu erlangem denn es kam auf ein Joch (1200 [IKilometer) nur ein, selbst nur ein halbes Schaf und für ein Stück Kindheit brauchte man eine Fläche von 10—12 Joch. Gerade 80 wie die Puszta, hat auch die Mähwiese ihre Zeit für den Sommerschlaf, in welcher also das Gras nicht wächst, sondern vergeht. Die unzureichende Feuchtigkeit 'ässt den Grnswuchs im Ganzen nur kümmerlich gedeihen, Und wenn einmal bei günstigen Witterungsverhältnissen die Ernte überreich wird, so ist darin kein Ersatz für das zu Wenige, Welches sich viel häufiger einstellt. — Der Ileuertrag auf einer mittelmässig guten Wiese beträgt in einem Durchschnittsjahr ungefähr 8—15 Centner. Neben der Weniger sorgfältigen Bewirtschaftung ist wohl hauptsächlich der Mangel an Feuchtigkeit, noch mehr aber die Unregelmässigkeit der Niederschläge schuld an diesem geringen Er-trägniss. Der Thau ist in Ungarn etwas ganz Will-kührliches und was gerade die Alpenweiden so nahrhaft macht, jene Gräser, welche regelmässigen Thau brauchen, fehlt der ungarischen Kbene. — Nur solche Futterkräuter, wie der »Mohär", welche gegen die Feuchtigkeit weniger empfindlich sind, gedeihen hier, dagegen hat man das Hauptfutter des deutschen Viehes, den Rothklee, noch nicht auf der ungarischen Ebene einzubürgern vermocht. — Wenn man die ungarische Viehzucht auf die Wiesen gründen will, so wird man schwerlich eher zu einem sicheren Resultat in der Produktion gelangen, als bis die Bewässerung des Alföld voll1 kommen durchgeführt sein wird. Der „ungarische Päitterbau" ist sehr verschieden von dem deutschen, denn die „perennirenden" Päitterkräuter finden auf den beiden Ebenen durchaus keinen günstigen Boden wegen Mangels hinreichender Feuchtigkeit, besonders aber ausgiebigen 1 baues. — Eine feste Narbe bilden diese Gräser fast nie und der schwarze Untergrund scheint bei dünnem Grasstande durch und zeigt sich bei dem dichtesten, sobald man die Halme auseinander biegt. Die Gräser degeneriren sehr schnell und sterben aus, so dass ein häufiges Auffrischen des Samens erforderlich ist, wenn man einen höheren Ertrag erzielen will. — Auch der „Rothklee" gedeiht auf der ungarischen Ebene nicht und alle Versuche, das allgemeinste Eutterkraut West-europa's hier einzubürgern, sind gescheitert. — Umso treuer und zuverlässiger ist dagegen die „Luzerne", welche nicht nur den Klee, sondern auch die Wiese ersetzen muss und deshalb das gewöhnliche Viehfutter bildet. Auf ihr Gedeihen kann man alljährlich fast mit Sicherheit rechnen und sogar im Jahre 1863 vermochte man von ihr einmal eine mittlere „Mahd" zu nehmen, während die Wiesen durchaus versagten. — Zum Theil ist der Ertrag der Luzerne ziemlich bedeutend und man kann in guten Jahren auf „fünf", ausnahmsweise auch auf mehr Schnitte rechnen, im grossen und Ganzen jedoch übt auch bei der Luzerne die Dürre den nachtheiligsten Einfluss auf die Menge des Products und es beträgt daher eine mittlere Luzerne-Ernte von gewöhnlichem Boden höchstens circa 25 Centner per Joch. — Der Luzerne wird das sichere Gedeihen auf dem ungarischen Boden nur möglich durch ihr grosses Wurzelvermögen, vermittelst dessen sie die Feuchtigkeit tief im Boden aufsucht und sich zu Nutze macht. — Die „Futterrübe" erfreut sich gleichfalls einer grossen Ausdehnung, wenigstens auf den grösseren Gütern, wo man genügende Arbeitshände zu ihrer Bearbeitung hat; sie gedeiht vortrefflich, wenn der Boden nur hinreichende Feuchtigkeit besitzt. Ganz für die dürre Ebene geschaffen ist der .,Mohär'-, Setaria italica, welcher mit der geringsten Feuchtigkeit vorlieb nimmt, eine Ernte von 40—50 Cenfner mit grosser Sicherheit erwarten lägst und ein recht gutes Futter liefert. Seine Saatzeit ist Mai und Juni und fällt also in jene Zeit, in welcher die übrigen Futterpflanzen meistens wegen der Düne nicht mehr mit Sicherheit aufgehen. Die Aussaat auf das Joch beträgt 4 Metzen. — Neben der Luzerne and der Futterrübe bilden aber auch noch die „grünen Getreidesaaten" die hauptsächlichsten Futtergewächse. Grüner Sommer- und Winter-Roggen und -Weizen, Wick-Hafer und Mais wechseln je nach der Jahreszeit mit einander ab, und der Landwirth sucht es vor Allem so einzurichten, dass er immer hinreichenden Vorrath, aber nie Ueberfluss an solchem Grünfutter hat. — Der Winterroggen und Winterweizen wird im September gesät u. z. 24 Metzen auf das Joch; seine Mähzeit ist im April oder Anfang Mai, denn wenn man ihn älter werden lässt, so liebt ihn das Vieh nicht mehr als Grünfutter. Das Trockenheu, welches man aus diesem Winterroggen bereitet, giebt 40—60 Centner per Joch. — Wenn die Fütterung mit der Wintersaat zu Ende ist, kommt die Reihe an die grüne Sommersaat, welche zu Anfang Juni gewonnen wird. — Im Juni ist auch schon der Wickhafer herangewachsen; man sät diesen derartig, dass auf ein Joch zwei Metzen Wicken l,nd eine Metze Hafer kommen. — Da die Wicke als Körnerfrucht hier nicht gedeiht, so muss der Samen von auswärts bezogen werden, was denselben verteuert. Der „Mais" endlich ist unter allem grünen Getreide als Viehfütter das ergiebigste und zuverlässigste. Da er wie der Mqhar die Dürre gut verträgt, so lässt er sich auch den Sommer hindurch zu jeder beliebigen Zeit anbauen, und man kann sich daher mit ihm bald aus der Futterverlegenheit heraushelfen, wenn man die Dürre nur einige Wochen voraus Sleht Der erste Futtermais wird Ende April angebaut, in der zweiten 1 Iälfte des Juni ist er schon 3 Fuss hoch und dann Wird er bis Mitte Oktober, je nachdem man im Frühjahr und Sommer weitere Maissaaten hat folgen lassen, verfüttert. — Ali jV,an kann selbst zweimal in einem Jahre auf demselben Felde (,''unmais ziehen, da . er, zu Ende Juni nach der ersten Ernte gesät, im Oktober noch eine zweite Ernte giebt. Der Er- trag vom Joch betragt 80 Centner, was einem Neuwerth von ungefähr 20 Centnern entspricht. Die Aufbewahrung des getrockneten Futters geschieht in Ungarn in grossen „Tristen", Feimen, im Freien, jedoch sucht man womöglich, besonders beim Mais, das getrocknete Futter zu vermeiden, denn man hat nur für Schwarz- und Rraunbeu Vorliebe. — Durch derartige Vielfältigkeit im Futterbau gelingt es einigermassen, in Ungarn den grossen Schwankungen des Ertrages vorzubeugen und die eine Saat durch die andere zu versichern. Daneben macht man aber auch für den ganzen Sommer die Grünfütterung möglich, welche, wie bereits erwähnt, bei den Gräsern wegen des Sommerschlafes nicht möglich sein würde. Die Obstzucht wird in Ungarn im ausgedehntesten Massstabe betrieben. So zieht z. B. der Hienze Westungarns auf dem Oedenbttrger Boden, dann in der Gegend um Oberschützen, Forchtenau Und Wiesen vortreffliches Obst. — Im Dorfe „Wiesen" ist es die von altersher überkommene Aufgabe der Weiber und Mädchen, das Obst im Kleinhandel in die Ferne zu tragen. — Wien ist aber der Hauptabnehmer des „Oedenbttrger" Obstes. Kirschen, Aepfel (Maschanskeräpfel) und Kastanien bilden hier die wichtigsten, gestichtesten Obstgattungen. Recht gtites Obst produciren auch die Deutschen in Tolna und Baranya, um Budapest und in der Zips. — In der Zip> finden wir insbesondere Aepfel, Birnen, Zwetschen und Weichsein, aber selten Kirschen. Gtite Obstbaumschulen wirken hier sehr fördernd ein. — In Kroatien bilden die Zwetschen einen viel gesuchten Handelsartikel; man versendet sie weithin, theils gedörrt, theils als „Slivovitz" zubereitet. — Ausgeführt werden von hier auch Kastanien und Nüsse, sowie eine Gattung- sla-vonischer Aepfel, die sogenannten „Sereike". Die Gemüsezucht betreiben in Ungarn hauptsächlich nur die Deutschen, und zwar meistens in der Umgebung grösserer Städte. Besonders zeichnen sich darin die Schwaben in der I >ie Land- und Forsiwiithschaft in Ungarn etc. 225 Umgebung Budapests aus. — Auch in WesUingarn, in ToTna und Barauyn, sowie in der Zips, wo die verschiedensten Kohl- und Hübengattungen katltivirt werden, giebt es vortreffliches Gemüse. Der Mägyär ist zum Viehhirten und Viehzüchter geboren und, schon vom Jahre 1556 angefangen, wurden alljährlich circa 80.000 ungarische Schlachtochsen nach Wien und noch weiter hinaus getrieben, deshalb hat er auch die Viehzucht s<> lange gehalten, als sie sich halten Hess, während der Deutsche in Ungarn sie da atifgab, wo er mit Vortheil zum Getreidebau übergehen konnte. Ja sogar jetzt noch, nachdem die Viehzucht mehr und mehr eingeschränkt ist, hält sich der Magyar noch immer am treuesten zu derselben, und wenn man auch in einer deutschen Gegend Ungarns noch auf eine Gulya stösst, so darf man gewiss sein, dass wenigstens der „Gulyas", Hirt, ein ächter Magyar ist. — Diesem entsprechend finden wir auch die 1 lirtenterminologie der Magyaren so ausgebildet, wie wohl bei keinem anderen Volke Europas, und die Bezeichnungen in der Viehzucht sind sämmtlich rein magyarisch. — So z. B. „Csorda" heisst die I lerde im allgemeinen, auch die Gemeindeherde; „gulya", Kindviehherde; „menes", Pferde-heerde; „nyaj", vorzüglich Schafherde; „konda", Schweineberde; „diszuo, sertes", Sau im allgemeinen; „emse", verschnittenes Mutterschwein; „göbe", Bache; „gönye", zum Schlachten bestimmte Sau; „kocza", Zuchtsau; ,,kan", der Eber; „artäny", der verschnittene Eber; „csürhe" und „südö", Eerkel von 4—12 Monaten; „malacz", ein Saugferkel etc. Bemerkenswerth 'st hier tief Iveichthum an Stämmen, wo man sich im Deutschen mit dem Zusatz des Genus behelfen muss. Dieser Keichthum ;m eigenen Wörtern ist um so auffälliger, wenn man berücksichtigt, dass die ungarische Sprache die meisten Bezeichnungen Iß der Landwirthschaft den slavischen Sprachen entnommen hat, wie wir aus den nachfolgenden Worten sehen: „borona", furche, vom slavischen „brau"; „ganej". Dünger, slaviseh „gnoj"; riSzalma", Stroh, slaviseh „slama" u. s. w. -- Die Handels- ^echsen wegen seiner einzig dastehenden Zugkraft und Schnelligkeit vortrefflich verwerthen kann, sondern weil auch die Städtebewohner in grossen Massen das höchst schmackhafte Fleisch des wie ein Wild aufgezogenen Pusztaviehes sehr lieben. Das ungarische Rind zeichnet sich aus durch seinen hohen, kräftigen Bau und eignet sich daher so vorzüglich zum Zuge, dass es an den meisten ()rten der ungarischen Ebene das Pferd, wo "lebt verdrängt, so doch überragt. Der Schritt ist schnell, Und in Folge seines hohen Wuchses gross; die Färbe weiss bis Weissgrau und das Geweih ungemein gross, sodass bei den ausgewachsenen ein Mann mit ausgebreiteten Armen die beiden Enden nicht immer gleichzeitig zu erreichen vermag. Hingegen lst der Körper verhältnissmässig kleiner als wie die Extremitäten, Was wahrscheinlich hauptsächlich seine Ursache in der geringen der Thiere hat. Dort, wo die Fütterung eine bessere lst, da wird z. Ii. das Geweih nicht so ausgebildet, und wenn 'as Vieh eines ausländischen Schlages auf die l'uszta getrieben wird und mit dem übrigen Vieh gleiche Nahrung erhält, so "ckomriit es ein ebenso mächtiges Geweih, welches vielleicht «ätch mehreren Generationen die Länge des Handschlages er-r^icht, ja sogar die aus dem Gebirge in die Ebene importirten Binder werden weiss. Bisher war tue Einführung eines fremden Rindviehschlages "1 Ungarn kaum möglich, denn von dem, was die ungarische niszta tw bieten vermochte, hätte ein „edlerer" Schlag nicht 'eben, geschweige denn dem Landwirthe Nutzen gewähren '<(>nnen. — Was auf der ungarischen l'uszta grasen will, muss s'ch oft wochenlang mit ausgedörrtem Grase begnügen und sÖgär zeitweise die Wurzeln der Gräser und Unkräuter aus dem Boden hervorsuehen. Das Heu ist schlecht sowohl von ^attir, wie durch eine nachlässige Zubereitung. Den Winter hindurch bildet nur Spreu und Riedgras das Viehfutter, und merkwürdigerweise befinden sich die Thiere auch dabei noch Wohl, wenn sie nur regelmässig satt werden. Wehn man (las Verhältniss zwischen Aufwand und Leistung Zürn Werthmesser der Raeen macht, so gelangt man zum unzweifelhaften Resultat, dass alle übrigen Rindviehschläge dem ungarischen nachstehen, weil dieser an Kraft und •^bistungsfähigkeit häufig alle in beiden Beziehungen übertrifft, immer aber denselben wenigstens gleichkommt, während er sich mit dem halben Kutteraufw ande begnügt. 15* 228 (»esterrcich-t'ngarn. Das ungarische Rindvieh hat nur einen bedeutenden Fehler, das ist seine Milcharniuth. Es ist schon ein beträchtliches Resultat, wenn man von einer ungarischen Kuh, die auf ungarische Art mit Weidegang gefüttert wird, jährlich 3-400 Mass Milch erhält. — Dagegen giebt bei einer guten Stallfütterung, wie z. B. auf der Wirthschaft der Lehranstalt in Ungarisch-Altenburg, ein ganzer Stapel 880 Mass, was freilich immer noch sehr wenig ist, und nur eine einzelne Kuh brachte es dort auf [274Mass.- Es kam daher bei dem ungarischen Vieh auf einen Centner Heu nur 8 Mass Milch, während die „la van t thaler Kühe" denselben mit circa 10 — t T '/., Mass verwertheten, ob zwar auch diese nur ein mittleres Erträgniss geben! Die Milcharniuth des ungarischen Viehes ist übrigens den' ungarischen Hauer ziemlich gleichgültig, denn bei ihm hat die l\ind\ iehzucht ganz andere /wecke als die Milchproduktion. Er will von seiner Herde nur Knochen, Fleisch und Häute. Nach Milch und ihren Fabrikaten ist in l'ngarn so wenig Nachfrage, dass dem Landmann eine reiche Produktion nur Verlegenheit um den Absatz bereiten würde. Da man daher die Kühe blos zur Nachzucht des Zug- und Mastviehes hält, so sind sie im ungarischen Rindviehstand nur in einer verhä'.t-aissmässig sehr kleinen Anzahl vertreten. — Den eigenen geringen Milch- und Butterbedarf deckt jeder Landwinh mit Leichtigkeit selbst, darüber hinaus aber kann nicht producirt werden, weil es ausser den Landwirthen wenig andere Leute im Reiche giebt, welche die Abnehmer sein würden, denn Was man Städte nennt, ist eben nur ausnahmsweise etwas anderes als eine Riescnortschaft von tausend und abertausend Landwirthen, die ja selbst Milch und Hutter produciren können. Das Gewerbe und der Mandel sind aber auf der Ebene kaum Viertreten, somit ist auch an diese der Absatz äusserst gering. Las ungarische Futter ist meist tieisch- und knochen bildend, während die Milch gebenden Kräuter wahrscheinlich ein Klima, hauptsächlich aber einen regelmässigen Thau brauchen, wie ihn die Gebirge, besonders aber die Alpen besitzen. — Die Milchergiebigkeit der Algäuer und Schwyzer Fütterung beruht vorherrschend auf den zwei Pflanzen „Rütz und Mar-dann", welche nur in einer gewissen I löhe gedeihen, weil sie dort die regelmässigste Thaubildüng linden. Den kräftigsten Schlag der ungarischen Rindviehrace finden wir auf dem fetten Marschboden der Theiss und ihren (istlichen Nebenflüssen u. z. in den Comitaten Biliär, Bokes, Csanäd tsdiigräd und Arad, während er in den Landgegenden zwischen Theiss und Donau nicht ganz so stark ist, — Die Weide dient der Jungviehzucht, Mast kann sie nicht gewähren. Die Stallfütterung mit Futtergewächsen hat aber im grossen Ganzen noch nicht jenen Aufschwung genommen, der zu wünschen wäre, und der blosse Futterbau ist fast immer auch noch mit Weidegang verbunden. Nur wo die Abfalle von Zuckerfabriken und besonders von Branntweinbrennereien dem Viehe Nahrung geben, betreibt man häufig eine vollständige Stallfütterung, verbunden mit Mästung. So z. B. zeichnet •sich das „Arader Comitat" ganz besonders durch eine ausgedehnte Mästung aus, denn die Arader Puszten mästen jährlich über 10.000 Stück Ochsen. Die Rinderpest, welche in Ungarn im Jahre itt2 pflanzung degenerirten sie immer mehr, und schon Maria Theresia und Josef IL sahen sich veranlasst, du rch entsprechende Verordnungen dem weiteren Rück -gang der Pferdezucht Einhält zu thun. — Das ächte ungarische Pferd wurde aber durch dieses Importiren ausländischer Racen allmählich aus den Gestüten der Grossen verdrängt und hielt sich in seiner Ursprünglichkeit nur noch bei den Bauern und in den Felsen Siebenbürgens, zwischen der „Hätszeg" und „Csik1, auf.— Trotzdem das ungarische Pferd klein und unansehnlich ist, besitzt es doch Kraft, hat straffe Sehnen und Muskeln und eine ausserordentliche Ausdauer. Sein Körperbau mit der verhältnissniässig breiten Brust begünstigt die gesunde Entwicklung einer kräftigen Lunge und hierin, sowie in der Uebung von Jugend auf, liegt der Grund, dass es so ausserordentlich schnell und ausdauernd zu laufen vermag. Der gute ungarische Kutscher schämt sich, wenn er in einer Stunde nicht ungefähr i '/ž deutsche Meilen zurücklegt, ja oft fährt er in einer Stunde sogar 2 deutsche Meilen, und es ist gar nichts Ungewöhnliches, dass man zehn solche Stunden in einem Tage, immer im T rab,' mit Leichtigkeit zurücklegt. Die Pflege des Pferdes ist nicht so gross wie die Liebe, welche der Ungar zu seinem Thiere hat. Kr ist zwar der beste Fuhrmann und versteht es vortrefflich, mit möglichst geringer Anstrengung seines Pferdes die grössten Strecken zurückzulegen, aber die Strapazen, die der Ungar dem Pferde auferlegt, sind gewöhnlich grösser als bei den übrigen Nationalitäten, und daher reiben sich die Thiere des Ungarn Schneller auf, als man erwarten sollte, wenn man diesen in der Behandlung seines Pferdes beobachtet. — Die Pflege des Pferdes besteht mehr in persönlichen Diensten als in materiellen Dingen. So z. B. ist die Nahrung mehr als mittelmässig, besteht in der Regel nur atis Heu, Stroh und Weide, und wenn man Weiss, wie schlecht in Ungarn das 1 leu und wie dürftig die Weide ist, dann kann man sich von dem gewöhnlichen Pferdeftitter eine Vorstellung machen! — Der Bauer schickt sein Pferd, wenn er für dasselbe keine Arbeit hat, noch immer auf die natürliche Puszta, und dort, wo es noch ungetheilte Hut-weide giebt, da hat das Dorf auch jetzt noch meistentheils seinen Pferdehirten, „Csikös." — Alljährlich im Mai sine, die Pferde.des Alfölder Bauern förmlich wie mit Blut bedeckt; fast an allen Stellen öffnet sich die Haut, und aus den Poren schwitzt das reinste Blut. „Das Blut treibt", sagt dann der Bauer. Dieser Zustand tritt alle Jahre ein, wenn die Grünfütterting beginnt, weil, wie die dortigen Landbewohner behaupten, das Gras zu kräftig ist, doch verschwindet der Ausschlag bald wieder. — Das ungarische Pferd ist in Ungarn durch eine andere Race, und wenn sie noch so gtit wäre, Schwer zu ersetzen, denn wohl keine einzige vermag mit einer gleichen Genügsamkeit dieselbe Schnelligkeit und Ausdauer zu vereinen. Der Mangel an grösserer Zugkraft fällt aber sehr gering in die Wagschale, weil sie auf der Puszta nicht noth-wendig ist, denn in einer derartigen Gegend, wo die Wege Qßn leeren Wagen häufig versinken lassen, da vermag man licht, grössere Lasten auf ein Fuhrwerk zu laden. — Die Bewohner nehmen auf der ungarischen Fbene nur sehr leichte 282 (>esterreicn-L~ngarn. Frachten und trachten, durch schnelles Fahren nicht nur den Abgang an Fracht auszugleichen, sondern auch das zu tiefe Versinken der Räder zu verhindern. Besonders segenbringend für die ungarische Pferdezucht wirkte Kaiser Joseph II. Er Hess 60 edle Hengste aus der Moldau und der Ukraine beschaffen und errichtete 1785 das grossartige Gestüt „Mezö-1 legyes." Zu diesem Zwecke wurden zweitausend grössere Mutterpferde auf dem Alföld ausgesucht, um zu den Beschälern des Gestütes, gegen eine Vergütung von einem Gulden, zugelassen zu werden. Für die Aufzucht dreier solcher Pullen war eine Prämie ausgeschrieben — Im Jahre 1789 erhielt „Mezö-Hegyes-1 eine Pihale in dem Gestüte zu Babolna, welches nur arabisches Blut hatte. — Das Hauptgestüt bestand ursprünglich aus reiner ungarischer Race, jedoch Kaiser Josef II. kaufte bald darauf 500 Stück orientalische, besonders aber tscherkessische Hengste, wozu 1802 und 1804 noch mecklenburgische, 1803 spanische und neapolitanische. moldauische, 1814 und 1815 in Frankreich erbeutete normannische und arabische Hengste kamen; * nachträglich wurde das arabische Blut auch noch vermehrt. Die Zahl der Pferde des Gestüts beträgt etwa 2000. — Im Jahre 1817 gab es ausser den beiden Staatsgestüteir noch 40 grössere Privatgestüte der Grossgrundbesitzer. In den letzteren waren 37 mal die ungarische, 34 mal die orientalische, 14 mal die spanische, 12 mal die englische und 6 mal die neapolitanische Race vertreten. — Das erste Pferderennen in Ungarn veranstaltete „Graf Hunyady" ungefähr im Jahre 1815 zu „Schümeg". — Später hat sich besonders „Graf Szechenyi" die grössten Verdienste um diese Wettrennen erworben, doch verfolgte er dabei nicht blos die Hebung der Pferdezucht, sondern auch politische Zwecke, indem er dadurch den ungarischen Adel, welcher im Ausland lebte, ein Rendezvous auf ungarischem Boden geben wollte. — In den fünfziger Jahren Wurde In Ungarn noch ein weiteres Landesgesti.it mit grosserer Ausdehnung, nämlich Kis Ber, errichtet. Von den erwähnten 40 Privatgestüten waren bereits im Jahre '^55 nicht weniger als 19 eingegangen, und wenn auch andererseits einige neue errichtet wurden, so zeigt sich hierin doch, dass man der Pferdezucht nicht mehr jenes Interesse wie früher zu I heil werden liess. Der Bauer hatte natürlich noch weniger Neigung, edle Pferde zu züchten, weil er sie beinahe mehr für den grundherrlichen Robot, für Wegfrohnden und besonders hir den lästigen Vorspann halten musste, den er gegen eine ausserordentlich kleine Entschädigung zu leisten verpflichtet War. — Heutzutage vermag sich die Pferdezucht, nachdem die soeben beregten Hindernisse hinweg geräumt sind, freilich besser zu entwickeln, aber gerade sowie die Viehzucht wartet auch •sie auf die grössere Ausdehnung des hutterbaues, um sich überhaupt vollkommen entwickeln zu können. Hervorragend in Bezug auf Pferdezucht ist übrigens auch der Deutsche in Ungarn, so finden wir z. B. in den deutschen Gemeinden der Zips meist veredelte Thiere grossen Schlages und in dieser Gegend geschieht viel durch Import, Ausstellung und Kreuzung. — Der Deutsche im Banat betreibt mit ganz besonderer Vorliebe die Pferdezucht, denn Pferde sind sein Stolz, der Gegenstand eifriger Pflege, und — je mehr Pferde im Stalle, um so mehr PLhre! — Man findet daher bei ihm Vortreffliche Thiere veredelter Race und nicht selten hat ein dortiger Vollbauer 18 — 20 und mehr Pferde im Stalle. I hi einzig und allein die Nachfrage nach Wolle die Schah Bücht eines Landes hebt, so fallt die Blüthe der ungarischen •Vhalzucht mit der deutschen und der ganz Euröpä's zusammen, Und sie liess in Ungarn nach, als sie auch in anderen I Jlndern den Reiz des hohen Gewinnes verlor. — Bis zum Jahre 1773 gab es in Ungarn nur das zottige, grobwollige, ungarische oder -Zigaya-Schaf- und das gewöhnliche „Krauswollige." Dieses war im Gebirge und dem vorderen Lande einheimisch, jenes auf dem Alföld, im Banat und unter den Walachen. In der Bäcska war noch das serbische Schaf. — Auf der Ebene züchtete man das gemeine Schaf wegen der Wolle, im Gebirge hauptsächlich wegen der Milch, welche zur Fabrikation von Käse und Topfen verwandt wurde. Erst im Jahre 1773 liess Maria Theresia eine Herde v nahe nur, wenn sie geschoren oder geschlachtet werden, sonst sind sie beständig auf der Weide. Im Winter treibt man sie in den Wald oder, wo ein solcher nicht vorhanden ist, lässt man sie auf freier Puszta und sperrt sie in Einfänge, „ Akol". Seit neuerer Zeit ist dieser Einfang aber mit einem Dache versehen und nur die gewöhnlicheren Schafe, welche gegen Temperatur und Wetter recht unempfindlich sind, kommen an manchen ()rten, obwohl auch unter ihnen in Folge dessen alljährlich viele zu Grunde gehen, Jahr ein, Jahr aus, nicht unter Dach. Das zottige ungarische Schaf, welches vor den übrigen Racen sich durch seine grosse Genügsamkeit auszeichnet und auf Weiden der schlechtesten Qualität noch fortkommt, hat durch die edle Schafzucht ebenfalls sehr abgenommen. — Während seine Wolle im Auslände beinahe gar keine Abnehmer findet, werden aus ihr im Inlande die nationalsten Kleidungsstücke, der zottige Mantel, Kotze, „Guba" und der warme Schafpelz „Bunda" erzeugt. — Dieses Thier ist milchreich, sehr mastungsfahig und fruchtbar. Jetzt rindet man es fast nur im „Bekeser Comitat", in den walachiscben Distrikten und in Siebenbürgen. Dort wo die Schafzucht heute noch in Ungarn in Flor ist, hat man entweder das Schaf auf die unbedingte Weide, also auf das schlechte Feld zurückgedrängt, oder man hat ihm eine bei weitem bessere Weide gegeben, wie die Ftiszta war. — Auf denjenigen grösseren Gütern, welche den „Luzernebau" atisgedehnt betreiben, gehört den Schafen die letzte Weide. Im Winter aber kann man bei dem Futterbau für bessere Nahrung sorgen, während man früher bei der Weidewirthschatt bloss Stroh zu bieten vermochte, um die Thiere vor dem Ver hungern zu schützen. — Aber gerade so wie zur Rind- Viehzucht, hat die Natur Ungarn auch nicht zur Schafzucht geschaffen, denn der rasche Wechsel der Temperatur, die grosse Sommerhitze und oft übermässige Kälte im Winter schadet nicht nur der Feinheit der Wolle, sondern gefährdet auch die Gesundheit der edlen Schafe. — In der ungarischen Kbene herrscht die Seuche mehr unter den Schafen als in irgend einer Gegend •Deutschlands. Besonders ist es die sogenannte „Blutkrankheit , diu I Aingenseuche und die „Drehkrankheit", welche den Herden des Alföld so gefährlich wird. Die „Schweinezucht" ist in Ungarn ausgedehnter als irgendwo anders in Mitteleuropa und im Lande selbst erfreut sich kein Zweig der Viehzucht so allgemeiner Verbreitung, denn auf den grossen Herrschaften wird das Schwein in Dutzenden von 1 [erden gehalten und unter der Landbevölkerung mästet selbst der Tagelöhner ein solches. Wenn er auch keine Weide für dasselbe hat, so besitzt er doch wenigstens einen Stall von der Grösse eines geräumigen Waschkorbes, in welchem er dasselbe mit den Abfallen seiner Wirthschaft füttert. — Die Produkte des Schweines sind in der ungarischen Küche die allgemeinsten Materialien, denn die Speisen werden mit Schweineschmalz gefettet, und der Speck ist das hauptsächlichste Lebensmitte; des Arbeiters. Mit gepfeffertem ,,papricirten" Speck und ..Slivovitz1', Pflaumenbranntwein, fängt er des Morgens sein lagewerk an und endigt es am Abend. — Mode ist die Schweinezucht in Ungarn aber niemals geworden, während y- H. in Serbien der König nicht nur der erste Schweinezüchter ist, sondern wo auch die vorzüglichste Schweinerace den Namen des Königs trägt, nämlich „Miloschrace" heisst. Auf die ungarische Fbene drang die Schweinezucht nach Vertreibung der Türken von zwei Seiten. Im i6. und [7, Jahr-Hundert waren es besonders die Gegend um Munkäcs und Kroatien, welche sich darin auszeichneten. Als die Schafzucht im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts eine so grosse Ausdehnung gewann, trieb man das Schwein auf jene Stelle zurück, auf welche man sich mit einer Schafherde nicht zu begeben wagte. Seine Zucht sank immer mehr und mehr und erst in der neueren Zeit hat die bessere Kommunikation mittelst Schiffahrt und Eisenbahn dem Schweine wieder zu dem Felde verholten, welches ihm vom Schafe genommen w< »rden. Die Schweine des Landes theilen sich in zwei sehr verschiedene Racen. Die eine derselben bat einen langen Körper, ist hochbeinig und starkknochig. Diese dürfte die ältere Race im Lande sein, man findet sie unter verschiedenen Namen und in verschiedenen Abarten hauptsächlich in den nordöstlichen Comitaten und in dem Lande zwischen der Donau und Drau, sowie in einigen Comitaten Slawoniens. — Der beste und grössere Schlag des Landes ist der von „Szalonta" im Biliarer Comitate. Diese Race ist schwer und langsam zu mästen, liefert aber das schmackhafteste fleisch, doch wird sie weniger des Fettes wegen gezogen. — Die erstere Race, das „Mongolicza-schwein", ist fast im ganzen Lande verbreitet, besonders aber im Alföld, im Banat und in der „Bacska", es ist das Schwein, welches man in Deutschland hauptsächlich unter dem Namen des ..ungarischen" kennt, doch scheint es serbischer Abstammung ZU* sein, denn der heut zu Tage von vielen Schweinezüchtern in Ungarn gepflegte .,Milosch.schlag" ist kaum etwas anderes, als die vorzüglichste Sorte des Mongoliczasehweines. — Dieses letztere hat einen kurzen, sehr runden Körper, kurze Füsse, seine kurzen Ohren stehen steif am Kopfe, die Borsten sind aschfarben röthlich und gekräuselt. — Ausser diesen beiden Sclnveineracen giebt es in Ungarn noch zahlreiche Abarten, ja selbst das produktive, sehr mastungsfähige. chinesische Schwein findet sich vor. man lobt aber weder sein Fleisch, noch sein Fett und es passt nicht einmal nach Ungarn, dem Lande der grossen Entfernungen, weil es sich wegen Girier kurzen Füsse uiul seines tiefen Bauches auf der weiten ^'eide und besonders bei der Waldmast nur schlecht bewegen bann. — Las Mongoliczaschwein ist weniger durch sein Fleisch, Eichel oder Büchel, besonders in Slavonien. Der Eichel *sriebt man entschieden den Vorzug vor der Buchnuss, weil sie eStes, die andere weiches Fleisch und Speck erzeugt. — Vor* herrschend und in vielen Gegenden sogar ausschliesslich ist aPer der Mais die Mastfrucht, daneben findet auch die Gerste häufig Verwendung. Ler llauptherd der Schweinezucht zieht sich dn.ss der sieben bü rg ischen Grenze hin. Besonders sind die Walachen Freunde des Horstenviehes und s'e zeichnen sich auch in der Mästung vor den Ungarn bene nicht nur mehr Schatten bekäme, sondern auch die ärmere Bevölkerung in der arbeitslosen Zeit dadurch lohnend beschäftigt würde, denn die Fütterung der Seiden-wunner fällt gerade in die Zeit zwischen Frühjahrssaat und Brate, also in eine Periode, wo man die Arbeitskraft bei dem blossen Getreidebau ohnehin nicht gehörig verwenden kann. Aber wie gesagt, trotz so vieler Bemühtingen, worunter besonders die Einrichtung der Seidenzucht auf der Herrschaft Czenk des Grafen „Stephan Szechenyi'\ welcher auch in diesem Punkte die Aufgabe Ungarns vielleicht am besten begriff und dieselbe auch durchzuführen suchte, und trotz einzelner glänzender Resultate ist der Erfolg, die Seidenzucht allgemeiner in Ungarn zu machen, bis jetzt noch ganz gering. Die Zeitverhältnisse wären freilich die günstigsten gewesen, als in Italien, dem ersten seidenzüchtenden Lande Europas, die Seidenwurmkrankheit atisbrach. — Die meisten Versuche hat man aber allmählich wieder aufgegeben, weil man behauptet, dass das Volk keine Vorliebe für diesen Erwerbs-zweig hat und lieber das freie Feld wählt, um sich auf demselben bei Ackerbau und Viehzucht Beschäftigung zu suchen! In der Zips drängt sich eine Riesenspitze an die andere, steil und kahl ragen die grobkörnigen Granitgipfel empor und verleihen der Gegend einen bezaubernd schönen, aber auch rauhen Charakter. Zwischen diesen Granitriesen öffnen sich nur spaltenförmige Cjuerthäler, aus denen schäumende Wild-bäche in Kaskaden herabstürzen. — Diese Höhen sind iti ihrem obersten Theile ganz vegetationslos, in ihren tieferen Abhängen fol. jen auf das Krummholz dichte Waldungen, und in diesen V* aldungen giebt es fette Weiden. — Das Klima der dortigen (fegend ist sehr rauh, denn hier wirkt ausser anderen Einflüssen der karpathische Nord- und Westwind recht empfindlich. Es giebt manche Sommer, welche nur 39—50 warme Tage aufzuweisen haben. — Das rauheste Gebiet in der Zips ist das i hal des Dunajecz, der die Grenze zwischen der Zips und Galizien bildet. — Am bevorzugtesten von der Natur finden wir das Oesterreich-Uiigaiti. 16 Thal des Hernädflusses, der auf einer Strecke von 10 Meilen das Zipserländchen durchmesst. Diesen rauhen klimatischen Verhältnissen entsprechend sind auch die Naturprodukte in der Zips. Von den 61*25 Geviertmeilen des heutigen Zipser Comitats entfallen blos 260.048 Joch auf das Ackerland, 67.917 Joch auf Wiesen und 55.573 Joch auf Weiden. Das übrige Gebiet ist grösstentheils mit Wäldern bedeckt, so dass auf je 1000 Joch Areal 391 Joch Wald entfallen. — Am meisten wird in der Zips Gerste gebaut, auch der Hafer kommt gut fort; der Weizen gedeiht hingegen nur stellenweise. — bane einträgliche Pflanze war auch der Flachs, der aber leider mit dem Sinken der Weberei in der Zips sehr vernachlässigt wurde und erst in neuerer Zeit wieder mehr kultivirt wird. — Vorzüglich sind die Zipser" Erbsen und Kartoffeln, von welch' letzteren man alljährlich grosse Quantitäten producirt. Auch Kohl und Rübengattungen werden viel gebaut. In West-Ungarn beschäftigen sich die Bewohner hauptsächlich mit dem Ackerbau. Die Ergiebigkeit des dortigen 1 Leidebodens ist aber einigermassen durch die Einwirkung des launenhaften „Neusidler Sees" und des daranstossenden „Hansäg-Sumpfes" geschädigt. Bald scheinen See und Sumpf gänzlich ausgetrocknet und dann bieten sie dem Anbau grosse Flächen, bald füllen sich die Becken neuerdings mit Wasser und die Arbeit langer Jahre wird vernichtet. — Wo aber der Heideboden den Bllug duldet, gedeihen alle Getreidearten, namentlich Weizen, Mais und Buchweizen. — In der Ackerbewirthschaftung ist der dortige 1 lienze durch die Natur seines Gebirgsbodens zur Anwendung besonderer Geräthschaften, wie Z. B. des „Seitenpfluges", des „Sommerschlittens" u. s. w. genöthigt. — ban arges Flemmniss der verbesserten Ackerbaupflege bei dem Hienzen bildet die Zertrümmerung des Bodenbesitzes, welche die Arbeitskraft zersplittert und Zeitverlust verursacht. — Vorherrschend mit Ackerwirthschaft beschäftigen sich auch die Bewohner in den Berg- und I lügellandschaften des Vertc.s-gebirges und des Bakonyer-Waldes, dann in Tolna und Baränya. ^ie Schwaben in der Bacska und im Banate, auf den weiten und fruchtbaren Flächen des „Alföld" sind fast ausschliesslich Landwirthe. Auch Kroatien ist dem Ackerbau sehr günstig! — hl den Ebenen des Save- und Drauthales breiten sich abwechselnd üppige Ackerfelder und dichte Waldungen aus und 'lI"i den Abhängen der Berge und Hügel findet man die ergiebigsten Weingärten. Aber die Weideplätze nehmen viel zu grosse Flächen fruchtbaren Bodens ein und die Wiesen ziehen s'ch nur zwischen Gewässern und Wäldern hin. — Dagegen finden wir in dem dem Karstgebirge angehörenden Hochlande Südkroatieris, einige'Thalebenen ausgenommen, überwiegend steinigen Boden, der sich im Binnenlande zu Gebirgsweiden, ,rn Küstenlande auch zum Weinbau eignet. Die Verhältnisse an der Drau und Save würden sich noch günstiger gestalten, wenn ausser der Vermehrung der Arbeitskräfte auch die Sümpfe ausgetrocknet und die Flüsse regulirt bürden. — Die Produktivkraft des fruchtbaren Bodens könnte arjer durch Beseitigung mancher Uebelstände ausserordentlich vergrössert werden. Dazu gehört unter anderen i das noch immer nicht gänzlich geordnete Verhältniss zwischen den Gemeinden und Herrschaften, die Einrichtung der II au s -Genossenschaften, welche sich bereits überlebt haben l"id die Arbeitsfähigkeit der einzelnen Mitglieder nicht recht zur Geltung kommen lassen, während zugleich ein Theil der Genossenschaften übervölkert ist, die anderen aber dem Aussterben nahe sind. Ferner der im Vergleich /M dem ausgedehnten Ackergrund viel zu geringe Viehstand, und das tinrationelle Wirtschaften des kroatischen dauern, welcher z. B. das Vieh den grössten Theil des J ah res auf den Weideplätzen las st, seine Aecker nicht gehörig düngt, und dergleichen mehr! — Eine höchst 16, Ipbcnswerthe Ausnahme davon macht der Küstenländer, der jedes kleinste Stück Erde mit unbeschreiblicher Mühe dem felsigen Boden abgewinnt und es mit der grösstefn Sorgfa't bearbeitet. Slavonien, namentlich Syrmien, gehört zu den fruchtbarsten Gegenden Europas und eignet sich, sowie das nördliche Kroatien, zum Anbaue aller europäischen Getreidearten. Die gewöhnlichsten Feldfrüchte sind Weizen, Kukuruz, Korn. Gerste, Hafer. "Hirse, — Slavonien baut übrigens Weizen der besten Qualität; Kroatien meist Kukuruz. — Auch führen Slavonien und Ostkroatien jährlich viel Getreide aus, wahrend die Karstgegenden einführen müssen. — Von anderen Feldfrüchten, ausser Getreide, finden wir hauptsächlich Hanf und Flachs, welche wegen des grossen Bedarfs an I lausleinwand gebaut werden, dann Tabak und die oft riesengrossen Wassermelonen. — Doch entspricht in Kroatien die Viehzucht durchaus nicht den Anforderungen der Zeit, sie wird aber jetzt von der Regierung gehoben. Ueberdies ist seit letzterer Zeit eine nicht unbedeutende Verminderung im kroatischen Viehstande in Folge der häufigen Viehseuchen eingetreten. — Die Schweinezucht ist hier noch am beträchtlichsten und es giebt unter den heimathlichen Schweinen Racen, welche selbst die „englischen" übertreffen, daher wird denn auch in Slavonien der Schweinehandel i111 Grossen betrieben. Ebenso exportirt man aus diesen Gegen den in grosser Zahl „Truthähne". In Mitte Siebenbürgens liegt ein vollkommenes Blachfeld, „Mezösep" genannt, ähnlich, der Buszta Ungarns. Es gleicht einem stürmischen Meere mit riesigen Wögen, In den ThälefO findet man stets fischreiche Teiche, mit hohem Rohrwuchs, prächtig grünen Glasflächen und schönen wilden Blumen, dagegen aber keine Bäume, und überall hört man die Stimmen der zahlreichen Störche, Kraniche. Bussarde, Möven und Krickenten. — Auf den Hügeln sieht man an allen Orten Streifen schwarzen Ackerlandes, die ausserordentlich fruchtbar sind und auf denen hauptsächlich Mais angebaut wird, der so vortrefflich gedeiht, dass man zur Erntezeit einen die beider passirenden Reiter nicht erblickt. -Hie Dörfer, welche die Kuppen der Hügel krönen, liegen sehr ^'eit auseinander und sind beinahe zehn Monate vom Verkehr aüt der übrigen Welt fast ganz abgeschlossen, weil die Wege während dieser Zeit beinahe gänzlich unpassirbar .sind. Die Bewohner dieser (legenden, Rumänen, könnten wirth-schaftlich atif hoher Stufe stehen, ihr Ackerboden giebt ihnen alle Gelegenheit dazu, aber sie sind faul, lieben nicht zu arbeiten Und kommen daher im Allgemeinen zu keinem Wohlstand. — Gerade so armselig, wie ihre elenden, aus gestampftem Lehm gebauten, mit Mais gedeckten 1 lütten, sind auch lhre Ackergeräthe. ■ Doch findet man bei ihnen einen schönen Viehstand, der sein Gedeihen hauptsächlich den üppigen Weideflächen in den Thälern verdankt. Bei den „Siebenbürger Sachsen" wird an die gebundene ,>Dreifclderwirthschaft" mit Brache und Hutweide, welche im l'rivaten- und grossen Grundbesitz der Gemeinde, Kirche und sonstigen Öffentlichen Anstalten üblich ist , noch heute mit einiger Ausnahme festgehalten. — Im Winterfeld baut man eizen und Roggen, im Sommerfeld Mais, Gerste, Hafer, Hanf, hlaehs und Kunkelrüben, in abgeschlossenen 4 neilen des Weichbildes Kraut und Kartoffeln, nur selten Klee. — Diese Eeld-wirthschaft, sowie die in neuerer Zeit üblich gewordene Zerstückelung der bäuerlichen Grundparzellen, damit jedes Kind gleich viel an Grund und Boden erhält, ist ebenso hinderlich einem rationellen Betriebe des Ackerbaues, wie gefährlich in Hezug auf die gesicherte Zukunft eines kräftigen Bauernstandes. In neuester Zeit macht sich aber allmählich auch in bäuerlichen Kreisen eine bessere Ansicht bemerkbar, doch begegnet eine angemessene Zusammenlegung, Komassirung der Grundpartikeln noch immer grosser Oppostion. 24(5 (»oUMTcicli-L'ngani. — Auch sind durch die Bemühungen der landwirtschaftlichen Vereine bessere Vieharten und Ackerbaumaschinen an vielen Orten mit Erfolg eingeführt worden. Nach einer neuesten Berechnung entfallen auf die 170.000 Sachsen der Comitate Hermannstadt, Kronstadt und Gross-kokelburg 1,170.000 Joch Grundbesitz., somit auf einen Sachsen durchschnittlich je 6*8 Joch. Von den Aeckcrn, Gärten und Wiesen 3*2 Joch und von den Aeckern allein 2 Joch. Die Sachsen sind daher im Grundbesitz besser situirt als ihre Nachbarn, die Szekler und Rumänen. Das bisherige Wirtschaftssystem macht bei dem ausgedehnten Weidewesen einen grossen Bedarf an Hirten noth-wendig. — Dieser Dienst wird ausschliesslich von Rumänen versehen. — Der Sachse liebt auch die rferdezucht, vernachlässigt jedoch die Schafzucht. Ebenso ist die Pflege des Rindviehes und die Milchwirthschaft nicht bedeutend, dagegen hegt man die Schweine sorgfältig, weil Speck und Schmalz in der Nahrung eine I lauptrolle spielen. Alle Geschäfte ausser dem Hause besorgt der Hauer am liebsten reitend, auch ackert er womöglich mit Pferden, weil die Aecker weit auseinander liegen, sonst aber mit I lornvieh- Da sich der Siebenbürger Sachse nicht gerne Knechte und Mägde hält und womöglich alles selbst mit seiner Familie verrichtet, so ist die Frau ein geplagtes Wesen. Während der Bebauung des Ackers, wenn die Kinder noch nicht erwachsen sind, reitet sie sogar auf dem Sattelpferd des kräftigen, grossen Vier- oder Dreigespanns und treibt die Pferde an, während der Mann hinter dem Pfluge oder der PIgge einher-schreitet. Eine Eigenthümlichkcit im Wirthschaftsbetriebe der Siebenbürger Sachsen ist ebenfalls ihr Hang zu grossen Viehbeständen, welche sehr oft ausser Verhältniss zu ihrer Päitterproduktion stehen. Daher kommt es bei ihnen recht häufig vor, dass in Jahren, denen keine besonders günstige baute voranging, ein- pfindlichster Futtermangel eintritt und die Thiere im Frühjahr halbverhungert aus den Stallungen auf die Weiden getrieben Wurden, die freilich vielfach vortrefflich, aber manchmal für die grossen Herden nicht hinreichend Nahrung genug geben. Ausser zahlreichen grossen, kräftigen Pferden und einer Menge Schweine, denen die dichten, ergiebigen Fächenwaldungen und die Ueberreste der Milchwirthschaft sehr zum Gedeihen verhelfen, halten sie auch noch eine Menge Büffelkühe, welche sie den Kühen anderer Racen vorziehen, weil sie eine reichlichere und fettere Milch abgeben und in der dortigen Gegend vortrefflich gedeihen. Die „ Waldlosigkeit" eines grossen Theiles der ungarischen Ebene ist nicht ursprünglich, sondern na an kann behaupten, das s die ungarische Steppe erst durch die Magyaren zu einer Steppe gemacht würde; — Die ungarische Ebene ist zwar dem Atilkommen vieler Bäume nicht günstig, besonders sind die Nadelhölzer auf der ganzen P^bene nicht zu finden und auch nicht einzubürgern, ausser dem Wachholder und wenigen Exemplaren v"ii Fichten und Tannen, welche in wenigen Parks kümmerlich gedeihen. Andere Baumarten dagegen entwickeln sich hier um so üppiger, besonders hat die Akazie ein Wachsthtim, wie es in Deutschland selten vorkommt. — Diu Weiden gedeihen an den Ufern der Theiss und der Donau ohne alle Pflege sehr gut und selbst auf dem dürren Flugsande der Haide sät sich die Pappel, mit der Weide vermischt, von selbst an und kommt auch auf, wenn sie selbst die grössten Kämpfe mit dem Sturmwind zu bestehen hat, welcher ihr den flüchtigen Boden unter den Füssen fortreisst und ihre entblössten Wurzeln der ausdörrenden Sonne preisgiebt. -- Die östlichen Zuflüsse der Theiss durchströmen schöne Hichwälder, hier ist die „Stiel eiche" der häufigste Baum, mit welcher sich noch die Ulmen, ,Vsl>en und Holzbirnen vermischen. Die Birke ist unter den heutigen Waldfesten fast nur mehr im Süden von „Nyir Batov" zu finden. Seit neuerer Zeit hat man in Folge des energischen Vorgehens der Regierung mit der Waldverwäistung vergangener Jahre vollkommen gebrochen und seit den letzten Jahrzehnten mehren sich in Ungarn die Baumpflanzungen beträchtlich, ja die meisten grösseren Herrschaften der baumlosen Ebene haben bereits ihre Marken mit Alleen bepflanzt. Die Pflege des Waldes wird sich aber von selbst immer mehr empfehlen, je mehr das Bedürfniss nach Holz auf der Paoene wächst, denn wenn das Feld erst einmal des Düngens entschieden bedarf, dann wird es nicht mehr möglich sein dass man den Dünger, wie bisher, vermengt mit dem haus-grossen Strohhaufen und den Maiskolben auf dem Herde verbrennt. — Mit der P^ntsumpfung des Landes nimmt auch die Rohrproduktion immer mehr ab und in Zukunft kann das Schilfrohr nicht mehr in dem Grade Surrogat des Holzes sein wie früher. — Noch weniger ward man aber zukünftig in der Lage sein, wie es jetzt noch im Banat geschieht „Oelkuchen" als Feuerungämaterial zu verwenden, Ausserdem hat die Ebene weder Kohle noch genug Torf, obwohl die ungarische Ebene keineswegs an ToHrnooren arm ist, denn sie besitzt solche in grosser Ausdehnung im „1 lansag", an dem Sarviz, am Plattensee, bei Pxsed und besonders an den Geländen der dreifachen Koros. Aber sämmtliche Torflager besitzen nur eine geringe Mächtigkeit, selten 5-6 Fuss, und der fori ist durch erdige fheile verunreinigt und überreich an Aschen-bestandtheilen, daher wird nur wenig mit Torf gefeuert. Wir sehen, wie dringend nothw endig für Ungarn die llolz-zucht ist! - Beträchtliche Ausdehnungen haben die Waldungen in Kroatien und Slavonien, welche nach Deckung der heimischen Bedürfnisse einen grossen Ueberschu ss an Bau- und Brennholz abwerfen. — In Slavonien und dem östlichen Kroatien herrschen die verschiedenen Eichen-und Buchengatttingen vor. in den westlichen Gebirgen giebt es auch Nadelhölzer. Die schönsten und gross cn Eichen-Waldungen hat Slavonien, welche noch lange eine unversiegbare Ouelle für ausgezeichnetes Schiffbauholz, Passdauben und Eisenbahnschwellen sein werden! — Man rechnet den Holzstand der slavonischen Wälder auf circa 800 Millionen Kubik-FusS, das jährliche Erträgniss der gesammten kroatisch-slavonischen Waldungen aber auf zwei Millionen Klafter Bau« und Brennholz. — Doch auch hier lässt die Waldkultur viel zu wünschen übrig. — Der Wildstand ist jedoch in Ungarn durch das „Wildern" und Nichtbeachten der Schonzeit sehr vermindert, nur Wölfe giebt es hier, gerade so wie in Galizien, zu viele. — Der Hienze in Westungarn betreibt, wie wir schon im vorigen Abschnitt angedeutet haben, einen sehr ausgedehnten Vogelhandel. Zu diesem Zwecke pachtet er das Recht des Vogelfangs von den heimathlichen Waldbesitzern und fängt dann die Vögel mit bewundernswerther List und Verschlagenheit mit Leim, Schlagnetz und Schlinge, wobei natürlich ausser den „Kranaw ettenV, Krammettsvögeln, häufig auch Schnepfen, Rebhühner und Hasen unerlaubterweise mit gefangen werden. 1 )ie an Raubwild reichen, aber an Edelwild armen, prächtigen Porsten der Sicbcnbürger Gebirge werden von den dortigen Bewohnern mehr oder minder rationell forstwirth-schaftlieh ausgebeutet und die dadurch erzielten Produkte zum grossen Theil in die Walachei exportirt. In den hohen Grenzgebirgen Siebenbürgens, besonders denjenigen an der Grenze Rumäniens, wird die Schafzucht, wie wir schon im vorigen Abschnitt ausgeführt haben, im grössten Massstabe von den Rumänen betrieben. — Nach einer Zusammenstellung des ungarischen Handelsministeriums bezifferten sich die Ernten der letzten drei Jahre in Ungarn in Metercentnern wie folgt: 1882 37.144497 1883 24,889.011 1884 28,722.844 15,537.860 12,982.911 12,058.454 8,586.158 12,738.462 10,554.828 9,328.324 651.861 7,06l.I24 585.885 9.I49.780 688.937 Die Land- und Forstwirtschaft Bosniens und der Herzegowina. Um die Agrarverhältnisse Bosniens und der Herzegowina richtig zu verstehen, ist es nothwendig, einen kurzen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Nach der Eroberung dieser Lander durch die Osmanen ging, nach den Satzungen des Korans, der gesammte Grundbesitz in die Hände des Sultan-, über. Dieser theilte den Grundbesitz in drei Theile, behielt den einen für sich und gab je einen anderen dem Vakuf und den eingeborenen mohamedanischen Magnaten. — Doch hatten diese Magnaten, „Spahi", „Timar" genannt, kein vollkommen freies Besitzrecht, sondern erhielten das zugewiesene Land als Lehen für die geleisteten militärischen Dienste. Die Spahls, sowie ein Theil der übrigen mohamedanischen Bevölkerung und die „Rajah's" bildeten zusammen die eigentliche ackerbautreibende Bevölkerung Bosniens und der Herzegowina. Diese Spahi's wohnten meistens in den Städten und grösseren Ortschaften, zahlten keine Steuern, liessen ihre Güter durch die Rajah's bebauen und besuchten ihre Güter nur einmal im Jahre, u. z. im Herbst, um den Zehent ein-zukassiren. Neben den Spahi's, welche die Kavallerie der Armee bildeten, entstand aber bald auch noch eine zweite Klasse Grossgrundbesitzer, die „Janitscharen", welche Infa'nterie-dienste leisteten. — Diese Janitscharen bezogen im Anfang nur Sold und wohnten in Kasernen, kamen aber später in Folge ihres grossen Einflusses in Stambul zu Macht und Grundbesitz und es fiel ihnen jetzt nicht schwer, die unterdrückten Rajah's zur Anerkennung ihrer Grundherrschaft zu zwingen. Der Rajah konnte aber unter keinen Umständen Grundbesitzer werden, sondern war gezwungen, das Feld in der Art der Leibeigenen zu bebauen, doch behandelte ihn der Spahl noch immer viel besser als der Janitschar, denn er betrachtete ihn als seinen Erbpächter. Doch bestand die gesetzlich bestimmte Freizügigkeit der Rajah's nur theoretisch, denn in Wirklichkeit erfreute sich nicht ein Tausendstel derselben, weil es in ganz Bosnien keinen einzigen Beg gab, welcher den Rajah seines Nachbars aufgenommen hätte. Selbständig vermochten sich aber die Rajah's nicht zu machen, weil fast alle so a in; waren, dass sie bei ihrer Uebersiedlung kaum mehr als ein Kochgeschirr mitnehmen konnten. — Die Janitscharen, welche in Bosnien die Grundbesitzerklasse „Schiftlik-Sahibi" gestiftet, und auch noch das erbliche Besitzrecht eingeführt hatten, sahen das Gebiet, auf welchem sie sich eingenistet, als unwirkliches Ligenthum an und bedrückten die Rajah's in tyrannischer Weise. Der Späh i wohnte in den Städten und überliess es dem Rajah, sich ein Arbeitsfeld zu wählen, der Janitschar aber liess sich dort nieder, wo er Grundbesitz hatte und beobachtete mit wachsamen Augen die Arbeit der Rajah's. In Folge dieser soeben geschilderten eigcnthüinlichen Verhältnisse hatte sich die Lage der Rajah's vollkommen geändert, denn Anfangs waren sie nur verpflichtet, den mohamedanischen 4 Eroberer als Herrn anzusehen, während ihr Herd, den sie sich gegründet, und der Acker, den sie bebaut hatten, ihr Eigen-thuni blieb. Später aber mussten sie dafür, dass sie dem Grundherrn den Acker bebauen durften, demselben einen drückenden Robot bezahlen, gegen welchen nicht einmal Klage geführt werden durfte. In der ersten Zeit betrug dieser Robot nur ein Neuntel der Produkte, und der Beg war verpflichtet, diesen selbst nach Hause führen zu lassen; später aber belief sich derselbe auf ein Drittel und schliesslich steigerte er sich sogar auf die Hälfte, welche auch der Kmet nach Hause transportiren musste. Ausserdem hatte er dem Grundherrn 2—5 Tage Robotarbeit zu leisten. — Rechnet man noch alle die sonstigen zahlreichen, höchst drückenden Steuern dazu, welche im Raufe der Zeit unter stets neuen Titeln auf die Schultern der armen Rajah's gewälzt wurden, so wird man begreifen, wie trostlos ihre Lage war! In Folge der nachdrücklichsten Vorstellung auswärtiger Mächte entschloss sich endlich die Pforte, diesen drückenden Zuständen ein Pmde zu machen, und nach der Niederwerfung des grossen Aufstandes im Jahre I850 gelang es endlich, ein neues System in Bosnien einzuführen, welches in seinen Hauptprincipien noch heute besteht. Nach diesem System ist der Kmet verpflichtet, wenn er Haus, Feld, Vieh, Werkzeuge und Anbausamen vom Beg erhält, die Hälfte der Produkte abzuliefern; wenn er aber nur P'eld und Hausgrund empfängt, ein Drittel „Tretina" zu entrichten. Die Hälfte des Heues muss er aber für jeden Kall in das Haus des Begs abliefern, wofür dieser ein Drittel seiner Grundsteuer bezahlt. — Nach diesem System wäre die Rage des Kmets eine erträgliche . rwesen, wenn man ihm nicht die Verpflichtung auferlegt hätte, das Drittel anstatt in Naturalien in Gold zu bezahlen. — Ferner bestimmte der beregte P>lass noch, dass der Beg den Kmet eigenmächtig und ohne Wissen der Behörde nicht von seinem Grunde verjagen durfte, wenn derselbe seine Verpflichtungen erfüllte. Ausserdem konnte jeder Bewohner des Landes, ohne Unterschied der Confession, von nun an Grundbesitz erwerben. —• Da aber trotz dieses Gesetzes die Agrarwirren in Bosnien noch immer kein Pmde nehmen wollten, sah sich Oesterreich erneuert veranlasst, von der Pforte auf das energischste die endliche Läsung der Agrarfrage zu verlangen. Die türkische Regierung gab in Folge dessen am 9. November 1 .S 59 ein neues Gesetz heraus, welches das Verhältnis* des Pächters zu dem Grundherrn reguliren und den Lrsteren gegen die UebergrifTe des Letzteren schützen sollte. Dieses Gesetz konnte sich aber nur bis in die Mitte der siebziger Jahre erhalten, denn im Jahre 1875 nahmen die Wirren in Bosnien und der Herzegowina derartige Dimensionen an, dass der ganze Einfluss der Pforte nicht mehr im Stande war, Ordnung zu schaffen. Die bewaffnete Occupation Bosniens und der Herzegowina von Seiten Oesterreich-Ungarns im Jahre 1878 brachte schliesslich auch in die traurigen Agrarverhältnisse eine gründliche Aenderung! Die Frage aber, ob der Rajah der Pächter oder Eigenthümer des P'eldes ist, welches er mit seinen Händen bebaut, das seine Vorfahren durch Jahrhunderte bearbeitet haben, ist bis zur heutigen Stunde noch nicht entschieden und einstweilen finden die früheren türkischen Gesetze bis zur endgültigen Lösung der Agrarfrage in ihren Haupt-prineipien vollste Anerkennung und Durchführung von Seiten der Regierung. Damit aber diese Gesetze richtig ausgeführt werden, liess die Landesregierung die dunklen und unklaren Punkte des alten türkischen Gesetzes vom Jahre 1859 durch Fachmänner prüfen und traf Bestimmungen, welche in Prozess-fällen zwischen den Grundbesitzern und Pächtern Geltung haben. Besonderes Gewicht wurde dabei auf die Modalitäten der Schätzung der Ernte, auf die P'eststellung des dem Grundherrn abzuliefernden Antheils und auf die Form der Ablieferung gelegt. — Wenn man berücksichtigt, dass die Richter mit den Landesverhältnissen nicht genau vertraut waren, dass die Einigebornen zu den Richtern kein volles Vertrauen besassen, dass zwischen Grundherren und Pächtern hier niemals geschriebene Kontrakte existirten und sowohl Christen wie Mohamedanet keine geschriebenen Kontrakte eingehen wollten, und dass überdies die von den Parteien gebrachten Zeugen sich gegen zeitig widersprachen, so dass ihre Aussagen die Prozesse eher verwickelten als aufklärten, so wird man einsehen, welch' enorme Schwierigkeiten die bosnische Agrarfrage der Justizpflege verursachte. Der Hauptgrund, warum man die schriftlichen Kontrakte verweigerte, bestand darin, dass die Christen glaubten, die österreichisch-ungarische Regierung werde nichts eiligeres zu thun haben, als sie zum Herrn des Grund und Bodens zu machen, während die Mohamedaner eine Procedur nicht eingehen wollten, welche ihren alten Traditionen und Gewohnheiten diametral entgegengesetzt ist, und in der sie nichts anderes sehen als den Heginn von Massnahmen, um ihnen den Grundbesitz abzunehmen. — Der Aufstand im Jahre [882 fand nur deshalb sowohl unter den eingebornen Christen, als wie Mohamedanern so viele Anhänger, weil die Einen ihre Hoffnungen nicht erfüllt sahen, während die anderen sich vor einer Grundvertheilung fürchteten. — Die Regelung der Agrarangelegenheiten ist daher eine der brennendsten Fragen in Bosnien, sie kann aber erst durchgeführt werden, wenn die Verpflichtungen der Pächter genau bekannt, präcisirt und aufgeklärt sind und deren Werth auf Grund vorgenommener Schätzungen festgestellt ist. Die Basis werden hierzu die Katastralaufnahmen bieten, welche wohl noch in diesem Jahre beendet sein werden. — Jedenfalls ist es schon ein grosser Vortheil, dass seit der Okkupation im Jahre 1878 die tyrannische Behandlung der Pächter von Seiten der Grossgrundbesitzer aufgehört hat. — Der vollständige Verfall des Ackerbaues im Laufe der Jahrhunderte ist nur den untergeordneten Besitzverhältnissen zuzuschreiben. Gelingt es der gegenwärtigen Regierung, die Besitzverhältnisse auf gerechte und billige Weise zu regeln, werden die Steuern entsprechend einer richtigen Klassificirung des Bodens bemessen, dann wird sich gewiss, wenn auch langsam, die Arbeitslust heben! Die okkupirten Provinzen können mit Ausnahme der Bergrücken und Felspartien, sowie des schilfbewachsenen Bodens in manchen Gegenden der Herzegowina sehr fruchtbar genannt werden, jedoch wurde bisher der reiche Humusboden der Thäler, sowie der Lehmboden der Uferstelle nur einer sehr geringen und primitiven Kultur unterworfen. Würde die Landwirthschaft nur halbwegs rationell, mit Anwendung der modern-technischen Errungenschaften betrieben, so müsste das bis jetzt kultivirte Land den doppelten Ernteertrag liefern und es könnten ausgedehnte Hochplateaus und andere Gebiete, welche gegenwärtig noch immer brach liegen, obwohl der Ackerbau in neuerer Zeit einen zwar langsamen, aber immerhin erfreulichen Fortschritt zeigt und man seit der Okkupation bereits doppelt so viele Felder als wie früher anbaut, dem Feld- und Gartenbau nutzbar gemacht werden. — Die Agrarprodukte Hosniens befriedigen aber auch noch nicht qualitativ. Es werden auf den fast niemals gedüngten Feldern immer wieder dieselben Krealien gebaut und es kommt dem Bosnier nicht allein aus Indolenz, sondern auch aus Unwissenheit niemals in den Sinn, die Art des Anbaues zu wechseln. Die Bosnier besitzen dieselben einfachen Ackergeräth-schaften wie ihre Vorfahren und bearbeiten ihre Felder genau so, wie sie Jahrhunderte hindurch bebaut wurden. Selten gebrauchen sie Pflüge aus Eisen, und wo solche vorkommen, -and sie im höchsten Grade primitiv, denn sie ziehen nur eine oberflächliche Furche in den Hoden, ohne die Erde aufzuwerten,. — Zu dieser Arbeit brauchen sie aber vier bis acht Zugthicre, ganz abgesehen von den vielen Personen, welche bei dem Ackerbau beschäftigt sind. •— Wenn der Bosnier mit «einem originellen Pflug den Boden aufgerissen hat, dann folgt ihm sein Weib oder seine Tochter mit dem Anbausamen, dabei verwischt sie die Saatfurche mit dem Fusse. — Die Zähne der Eggen bestehen aus Ruthen und selbst vor diese Püggen spannt man noch Ochsen. — Nach der Ernte wird das Getreide auf einem dazu hergerichteten Platze durch Pferde ausgetreten. — Der Anbausamen ist gewöhnlich 25l) (>esterreich-L'iiL,rai!v. von schlechtester Qualität und hätte besonders bei den Flachs-, Hanf- und Erdäpfelpflanzungen schon längst gewechselt werden müssen, damit die Fechsung bezüglich der Qualität und Quantität besser wird. — Zumeist wird Mais gebaut, doch pflanzt man in denselben auch Melonen, Kürbisse und Bohnen. — Das- Säen dauert von Mitte März bis Anfang April, die Ernte aber von Anfang Juni bis Faule September. - Auf Grund der „Tretina" producirt Bosnien jährlich 2,100.000 Centner Mais, 980.000 Centner Weizen, 760.000 Centner Gerste. 800.000 Centner Hafer und 200.000 Centner Hirse. Die gesammte Getreideernte betrug im Jahre 1880 nach Berechnung der Landesfinanzdirektion in Serajewo 10,250.000 Centner. —- Fan bäuerlicher Landwirth besitzt selten mehr als ein paar Ochsen und da dies nicht ausreicht, so borgt er sich die noch erforderlichen Zugthiere von den Nachbarn. Die fehlende Arbeitskraft müssen die Familienmitglieder, sowie die Verwandtschaft ersetzen. Tagelöhner finden kein Brod, denn es giebt nur wenige Grossgrundbesitzer, welche ihre Weingärten ausnahmsweise durch Tagelöhner bebauen lassen. Der schlechte Ackerboden wird nicht durch Düngen verbessert. Man sammelt hier überhaupt keinen Dünger, hat auch nicht die Stallungen dazu und das Vieh weidet sogar im Winter im Freien. Stroh und 1 leu werden nicht gleich eingebracht, sondern bleiben lange unter freiem I limmel, wo sie der Fäulniss ausgesetzt sind. — Futterböden oder Getreidemagazine giebt es nicht. I )as Getreide oder der Mais wird nur in I lütten untergebracht, die aus Ruthen geflochten sind und auf Pfählen ruhen, daher kommt es, dass dort, wo über den Bedarf producirt wird, der Ueberschuss sofort verkauft werden muss. Uebrigens ist der in Bosnien gebaute Weizen im allgemeinen so schlecht, dass er sich für den Export gar nicht eignet. Nur die „Posavina" erzeugt Weizen und Korn in solcher Masse und solch' entsprechender Güte, dass diese Produkte ■a den Savestationen Ausfuhrartikel bilden. — Der Hafer bildet seit der < Okkupation einen regelmässigen Importartikel 'n Bosnien, Ob zwar es in dieser Provinz zahlreiche Ebenen giebt, wo der Haferbau leicht erfolgen könnte, so genügt die Produktion doch nicht einmal für den Bedarf der Eingeborenen. Der Preis des Hafers ist daher so hoch wie in Baris und Eondon! Waare mittlerer Qualität wird mit 10 Kreuzer per Kilo verkauft. Mit Mais ist ein Drittel aller beider bebaut. Eine Maisstaude trägt 2—4 Kolben und jeder Kolben Wiegt im Durchschnitt ein halbes Kilo. Der „Kukuruz" wird WS [lause zu Brot vermählen, ungemahlen verwendet man ihn zur Mästung des Borstenviehes. Wenn die Ernte gut war, ist der Export gross, aber selbst bei einer mittelmässigen Ernte werden schon bedeutende Quantitäten Mais an den Save-Stationen verkauft, wo die Agenten Triester Häuser die Geschäfte absch Ii essen. - Zur Gemüsezucht sind Bosnien und die Herzegowina, abgesehen von den bergigen Gegenden, wegen ihres fetten Bodens sehr geeignet. Obwohl auch in dieser Beziehung Verständniss und Sachhenntniss fehlen, so giebt es doch in den südlichen Theilen, besonders in der Gegend von Mostar, zahlreiche Gärtnereien. — Mit gutem Erfolg baut man Kürbisse, Welche ein jährliches Erträgniss von circa 20 -26 Millionen Oka ergeben; der Krautanbau liefert jährlich 9-12 Millionen. Lunken 1 Million, Rüben 700.OOO, Wassermelonen 600.OCO Zuckermelonen 600.000, Knoblauch 500.OOO, Zwiebeln 1,300.000 ( h\-a. Auch Bohnen werden viel gebaut, weil sie zur Zeit der Fastet) ein beliebtes Nahrungsmittel bilden. —- Ferner sdebt es noch, obwohl in verhältnissmässig geringerer Menge, binsen, Paradiesäpfel, türkischen Pfeffer, Paprika, Zwiebel und Knoblauch Letztere Nutzpflanzen kultivirt man gewöhnlich in unmittelbarer Nähe eines jeden Wohnhauses. — Gegenwärtig Werden auf Staatskosten einige strebsame Jimglinge in österreichisch-ungarischen Schulen für die Gärtnerei ausgebildet, damit sie später die dort erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen m ihrer Heimath verwerthen können. Die Pflaumenkultur wird f>esteiTeich-(.Inijain. IT in Bosnien mit besonderer Vorliebe betrieben. Wochenlang bilden die „Zwetschen" die einzige Nahrung der ärmeren Bevölkerung. Ja in einigen Theilen Bosniens, wie /.. B. in der reichen Posavina, existiren ausgedehnte Pflaumenwälder, deren gute Ausbeutung eine vorzügliche Kinnahmequelle sichern würde. Aus den Pflaumen brennt der Bosnier auch seinen Lieblingstrank, den „Rakija", der in keinem Hause fehlt. Bei einer reichen P>nte wird ausser den Pflaumen in gedörrtem Zustande auch viel „Rakija-' exportirt. -r Alljährlich werden gedörrte Pflaumen für den Preis von 8 — 15 fl. per Centner nach Wien und von da selbst nach Amerika exportirt. Dem Weinstock liess man bisher in Bosnien niemals eine grosse Pflege angedeihen, obwohl die lokalen und klimatischen Verhältnisse dies sehr begünstigen würden, und die Qualität eine ausgezeichnete genannt werden kann. — Der weisse Wein besitzt einen vorzüglichen Geschmack und der Rothwein hat Aehnlichkeit mit dem Dalmatiner. — In Bosnien wurden bisher nur in der Gegend von „Ivanjska", einige Stunden nordwestlich von Banjaluka, Reben gepflanzt, dagegen kultivirte man den Weinstock umsomehr im Narenta-thale, südlich von „Konjica" und im ganzen Mostarer Bezirke. - Die Trauben werden sofort nach der Reife ohne besondere Festlichkeit abgelöst und man wartet nicht erst, bis die Sonne die Beeren trocknet. Auch auf die Weinproduktion wurde bisher nicht viel Gewicht gelegt, denn dem grössten Theil der Bevölkerung ist nach den Gesetzen des Korans der Wcin-genuss verboten. — Doch bemüht sich die Regierung, so viel wie möglich die Weinkultur zu heben, indem sie aus Kroatien und Slavonien Reben einführt und an einzelne Landwirthe zur Aneiferung vertheilt. Ausserdem hat das Aerar in Bihac. Zepce, Prozor, Zupainca und Zavalje (bei Bjelinaj Mustcr-pflanzungen angelegt. — Neben diesen Bestrebungen der Regierung sind die der Trappisten von Banjaluka besonders hervorzuheben, welche sehr schöne Musterweingärten geschaffen haben. Hauptsächlich eignet sich zur Weinkultur die Gegend von Zenika, Zepce, Bugajno, Livno. Foca, sowie das Ramathal. Im Biliarer und Serarajewoer Kreise wurden noch niemals Reben gepflanzt. — Sobald der Wein L8 Tage nach der Lese im Fasse steht und die Hefe sich setzt, schreitet man sofort zu seinem Konsum und es war bisher selten, dass der Weinvorrath eines Jahres bis zur neuen Fechsung ausgereicht hätte. Auf den Tabakbau verwendete man bisher geringe Sorgfalt und es wurde nur so viel producirt, als für den hauslichen Bedarf unumgänglich nothwendig war. Von einer Kultur und Veredlung war aber keine Rede, nur hier und da konnte man in der I lerzegowina einen Landwirth finden, welcher den Tabak mit Sorgfalt behandelte, dann war dieses Produkt aber auch ganz vorzüglich. — Bosnien konsumirt selbst viel Tabak und es giebt, wie wir wissen, wenige Männer und Frauen, welche nicht wenigstens Cigaretten rauchen würden, daher wird auch fast in allen Ortschaften Tabak gebaut. Den besten und meisten Tabak liefert Srebenca in Bosnien. Die I lerzegowina, welche sonst so ausserordentlich arm an Nutzpflanzen ist und beinahe ihr ganzes Getreide aus Bosnien beziehen muss, besitzt im Trebinjschitzathale nicht nur viel Tabak, sondern auch solchen von vorzüglicher Qualität, denn der südliche Theil der Herzegowina eignet sich ganz besonders zum Tabakbau und wenn man der Manipulation der Blätter nur einige Sorgfalt zuwenden würde, müsste dieser Artikel für die sonst so verarmte Bevölkerung eine vorzügliche Einnahmequelle bilden. Die Okkupation brachte auch bezüglich des Tabaks grosse Veränderung, da die Regierung am i. September das Tabakmonopol einführte. Dieses Monopolsystem entspricht im Wesentlichen dem österreichisch-ungarischen, nachdem man nicht mehr wie bisher frei Tabak bauen darf, sondern dies nur für Rechnung des Aerars und zum Export thun kann. — In der Herzegowina gewinnt man 17* auf einen Hektar 3000, in Bosnien 636 Kilo Tabakblätter, deren Geldwerth in Trebinjn 2469, in Ljübiski 2400, in Mostar 2134, in Stola/. 1 ie bosnischen Schafe haben rauhe, die der Herzegowina feine Wolle. Die Wolle wird zum Theil im Lande verarbeitet, zum Theil über „Metkovics" nach Triest befördert. Aul die Wolle legt man aber in Bosnien keinen grossen Werth, behandelt sie daher auch nicht sorgfältig, sondern richtet das ganze Augenmerk bei der Schafzucht auf die Fleischpro-duetion. — Die „Ziege" ist das beliebteste Hausthier in Bosnien, sie bevölkert alle Höhen. Her Hirt verlässt sein Häuschen mit den Ziegen im Frühjahr und kehrt erst im Spätherbst wieder heim. Daher sieht man auch im Summer so viele unbewohnte Hütten in den occupirten Provinzen. Die Hirtenfamilie lebt dann den ganzen Sommer von Milch und Topfen der Ziege. Die Ziegenzucht ist in vielen Gegenden der Herzegowina die einzige Erwerbsquelle der armen Bevölkerung, sie führt aber leider in Folge, des beständigen .Aufenthalts im Freierj zur Verwilderung der Hirten, denn diese haben keinen Begriff vom Leben, kümmern sich nicht um die Aussenweh. Das Leben ist ihnen so zu sagen nur ein Traum, sie glauben keine andere Aufgabe zu haben, als von einer Höhe zur andern zu klettern, ihre viele Jahrhunderte alten Weisen zu singen, den Schatten aufzusuchen und zu schlafen, denn von den treuen Ziegen verlässt keine einzige den Hirten. Vom Geflügel züchtet man hauptsächlich I lühner, weil die r-Jer mit Knoblauch und sauerer Milch eine beliebte Speise bilden. Gänse, kauen und Truthühner werden nur hier und gehalten. Den Werth der Federn kennen die Bosniel jedoch nicht, weil es in diesem Lande last gar keine Betten, um so weniger aber Lederpolster giebt. Im Hause der sicheren Familie wird eine beträchtliche Quantität Honier i *wnsumirt und an grossen Feiertagen fehlt derselbe auch nicht au' dem Tische der Armen, ja man verwendet ihn sogar zu Jeder Speise. Auch das Wachs hat für die religiösen Cere-HlOnien im Lande Absatz. — Daher ist die Bienenzucht ziemlich stark verbreitet und man kann nur bedauern, dass sie nicht sVstematisch betrieben wird. I lauptsächlich finden wir sie in j ''ezor, Županje und Konjiča, sowie in dem Bezirke von Ban-Mika. Während die Seidenraupenzucht in Serbien bereits seit Jahren blüht, man dort schon vor einem Jahrhundert die Beschädigung der Maulbeerbäume auf das strengste bestrafte ;!nd seit einigen Decennien jede reichere Familie einen grossen Stola darein setzt, .selbstverfertigte Seidentücher oder Tücher ni)t Seidenstickerei zu besitzen, hat man in Bosnien kaum den Anfang mit der Seidenzucht gemacht. Doch liebt man auch n'er Seidentücher und betrachtet sie als besonderen Schmuck. W Kopftücher, Hand- und Sacktücher mit Seidenstickerei gelten 8oga* als Luxus. - Im Jahre 1869 machte der in Bosnien residirende Pascha Versuche zur Einbürgerung der Seiden-r;u'penzucht und wandte deshalb seine Sorgfalt zuerst den Maulbeerbäumen zu. Br Hess aus Serbien 10.000 Maulbeer-Stamme einführen, die er in den Gegenden von Lubuski, Bah" Jatuka, Visegr.ul und Visoko verpflanzen liess. Und doch konnte die Bevölkerung für die Raupenzucht nicht gewonnen werden! " Besonders eünstifi für die Maulbeerbäume sind die klimatischen Verhältnisse der Herzegowina. — Die Raupenzucht wäre dort auch schon längst wimschenswerth, um den Frauen und Kindern eine einträgliche Beschäftigung zu verschaffen. Doch sind dazu Leute nothwendig, welche die Bevölkerung aufklären und dadurch , dass sie selbst die Seidenzucht beginnen, mit gutem Beispiel vorangehen. Wie wir im Verlaufe unserer Schilderungen schon wiederholt angedeutet haben, ist die Regierung mit allen ihr zu Gebote stehenden Kräften bestrebt, den primitiven Zustand der Landwirtschaft zu heben. Zu diesem Zwecke lies.s sie auf I amdeskosten Pflüge, Drosch- und Getreidereinigungsmaschinen, loggen etc. anschaffen und dieselben als Muster an verschiedene Wirtschaften vertheilen. Der dadurch beabsichtigte Fortschritt ist auch schon an einzelnen Stellen wahrnehmbar, ja man verwendet jetzt sogar an manchen Orten Tagelöhner, um die Arbeiten zu beschleunigen. Ausserdem haben sich durch die Initiative der Beamten und mehrerer Einwanderer in einigen Städten Landwirtschaftliche Vereine gebildet, deren Hauptzweck die Beschaffung und Verbreitung landwirtschaftlicher Maschinen in immer weiteren Kreisen ist. Das Interesse dur eingeborenen Landwirthe für derartige Maschinen ist auch bereits erweckt, und es kommt häufig vor, dass Einzelne stundenlang zu Fuss wandern, um eine solche arbeiten zu sehen. - Derartige F ort sich ritte finden wir ganz besonders in den Gegenden voh Travnik, Glawo, Livno, Rogatica, Der-wvnt, Tesanj, Kostanjuica etc. Ja in dem Bezirke von Banjaluka ist der Fortschritt bereits so gross, dass man sogar mit der Ackerberieselung begonnen hat! — In diesem Bezirke giebt es überaus fleissige deutsche und 'Piroler Kolonisten, welche mit dem besten Beispiele v o rangehen und die Bevölkerung zur Nachahmung aneifern. — Von gleich gutem Einflüsse ist auch das Beispiel der sonstigen im Lande vorkommenden österreichischen und württembergischen Kolonisten, indem diese überall, wo sie sich nieder- lassen, wenigstens den eisernen Pflug heimisch machen. — ihr Eifer und Fleiss haben ihnen die Achtung und das Vertrauen der Eingebornen in hohem Grade erworben. Sie befolgen lieber ihr Beispiel und nehmen ihre Unterweisung an, als die der eingewanderten Kaufleute, welche zum grössten Theil nur mit der Absicht in das Land kamen, sich mit möglichst geringen Mitteln schnell zu bereichern. - Ueber die Kolonisation in Bosnien sagt die in Serajewo erscheinende „Bosnische Post" folgendes: Heutzutage haben wir bereits eine grössere Gemeinde deutscher Kolonisten bei Rovinje und Brcziei des Banjalukaer Kreises, welche sich doch endlich zu kräftigen beginnt, nachdem sie früher mit mancherlei Mühseligkeiten zu kämpfen hatte, die wir wohl nur darauf zurückführen möchten, dass die Leute ohne genügendes Betriebskapital in das Land kamen und eine Zeit lang selbst auf die Unterstützung der Regierung reflektiren mussten, welche ihnen in humanster Weise auch zu Theil ward. Ausserdem giebt es noch in einigen f heilen des Landes einzelne Kolonistenfamilien, die im Grossen und Ganzen ein zufriedenstellendes Gedeihen erzielen. Doch * bemerkt dieses Blatt andererseits, dass es sich jeder genau überlegen möge, ehe er seinen Wohnsitz in ,.\eu-( Österreich" nehme. In jedem balle sei vor allem ein entsprechendes Kapital erforderlich, dann lasse sich allerdings nach jahrelangem Zusetzen in der l.anu-wirthschaft etwas erwerben, und es sei Niemanden anzu-rathen, ,.auf gut (duck" den weiten und kostspieligen Veg dorthin zu wagen. — Nach der Ansicht des Ministers Kailay, eines so gründlichen Kenners bosnischer Verhältnisse, ist aber die Kolonisation im Occu pationsgebiete lebensfähig! In seiner im BudgetauSschuss der österreichischen Delegation >m Jahre 1884 gehaltenen Rede hebt Herr von Kalley hervor, das-, drei Kolonien von Südtyrolern angelegt wurden u. z. bei Banja-»Uka, Briedor und Konjiča. Die ersten Kolonisten, die bei Banja-h»fca, haben Waldboden zur Ausrodung erhalten; bis sich diese Kolonie kräftig entwickeln kann. wird natürlich eine entsprechende Zeit erst vergehen müssen. Hei Hriedor haben die eingewanderten Kolonisten von Seiten der Begs Ländereien zugewiesen erhalten; auch hat sich diese Kolonie auf das Vortheilhafteste entwickelt. In Konjiča sind die Ansiedelungsversuche weniger glücklich gewesen , da zwei Drittel der Eingewanderten nicht Landleute, sondern 1 landw erker oder Tagelöhner waren, die den Landbau erst erlernen mussten. Viele von diesen Kolonisten konnten sich im Konjiča nicht behaupten, sondern mussten nach der Heimath zurückkehren« Die Zurückgebliebenen aber haben sich in die Verhältnisse eingewohnt und es geht ihnen ganz erträglich. Die Oberfläche Hosniens und der Herzegowina ist zum Theil mit Widdern bedeckt, welche die reichsten unter allen europäischen Waldungen sind. Eichenwälder bedecken die zwischen der Muna und der Drina sich hinziehenden Mittelgebirge, die Ufer der Unna und das Saveufer mit seinen 1 lohen in der Bosavina. - Von unzähligen Quellen und Hachen - durchbrochen, strotzen die Wälder in herrlicher Urkraft. Die Waldungen des eigentlichen Bosniens repräsentiren ein sehr grosses Vermögen. In der Herzegowina hingegen, wo das Karstgebirge vorherrschend ist, sind die Gegenden nur mit Gestrüpp bewachsen; wir finden blos an wenigen Orten wirkliche Wälder und wo sie vorkommen, bedecken sie sicher unerreichbare Felssprüuge. In alten Zeiten bildeten die Widder die freie Beute der Eingeborenen, jeder konnte sie nach Belieben verwüsten und die türkische Regierung setzte der Devastation kein Hinderniss entgegen, im Gegentheil es war ihr sogar lieber, wenn sich die Waldungen lichteten, denn sie sah darin einen Schutzwall der Eingeborenen bei allen Aufständen. — Aber trotz der grossen Verheerungen prangen auf den Quellengebieten der Flüsse noch heute viele grosse ausgedehnte Wälder in unberührter urwüchsiger Kraft. -Ausser diesen unberührten, für jeden Verkehr fast unzugäng- Die Land« und Forstwirthschaft in Bosnien and der Herzegowina. 2b(.) liehen Urwaldern giebt es auch noch fast unzugängliche in Gebrauch genommene Hochwälder. — Auf dem der Save zugekehrten hügligen Terrain erstrecken sich in ungeheuerer Ausdehnung die von der Axt und der Viehweide verschont gebliebenen Buchenwälder, in welchen man als erfreuliche Oasen fruchtbare Ackerfelder, allerdings mit morschen, vernachlässigten Gebäuden findet. Nach der ()ccupation hat die Landesregierung, gestützt auf dasGutachten von Fachmännern,zur Handhabung des Forstwesens Bosnien in fünf forstamtliche Kreise und jeden Kreis wieder in eine Anzahl Forstverwaltungen getheilt. — Im Jahre i \~ ■ wurde eine aus Forstmännern bestehende Kommission mit dem Auftrage delegirt, auf Grund der vorgenommenen Prüfungen eine Schätzung des fällbaren Holzmaterials im Lande durchzuführen. Diese Kommission lieferte folgende Zusammenstellung : Fällbares Holz in Hochwäldern befindet sich auf 556.700 Hektaren Staatsgebiet, wovon 77,969.000 Kubikmeter fällbares Laubholz und 61,002.000 Kubikmeter fällbares Tannenholz sind. — In Bosnien kannte mau früher keine grösseren Holzniederlagen, daher beläuft sich der I lolzpreis in Folge des Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage so hoch, als wenn es in Bosnien gar keine Wälder geben würde. Unmittelbar nach der Qceupatiön, als man viel 1 lolz für Militärbauten brauchte und der Tagelohn sehr hoch war, stieg der Marktpreis eines Kubikmeters Tannenholz sogar auf 35 — 45 Gulden; ja in der bosavina muSste man damals für ein einfaches Brett weiches Holz 60—80 Kreuzer bezahlen. — Der Staat selbst vermag das Fällen der Bäume nicht in Angriff zu nehmen wegen des Vollständigen Mangels der Verkehrswege nach dem Inneren der Wälder und wegen der äusserst geringen für das Waldgeschäft bestimmten Summen. Ausserdem kann mau, so lange die gesetzliche Reorganisation des Porstwesens nicht auf der richtigen und rationellen Basis ruht, weder an die ErÖtTnüng der Wälder durch Herstellung von Verkehrswegen 27(i < >*stferreich« Ungarn, und Verkehrsmittel, noch an deren Ausbeutung durch die eigene Manipulation denken. Ks gehen freilich auf diese Weise eine grosse Menge der zum Fällen reifen Stämme jährlich zli Grunde, aber diese Verluste bringen wenigstens den Nutzen, dass der Waldboden durch die Verwesung der Stämme natürlichen Dünger erhält. Die bisher betriebene Forstindustrie war für die Wald-wirthschaft nur von Nachtheil, denn die auf den Markt kommenden Waaren bestanden zum grössten Theüe aus jungen, zum Fällen nicht reifen, halbausgewachsenen Stämmen, in welchen der Wald seine Samen erzeugenden Bäume verlor, während die übermässig alten, ganz unnütz gewordenen Stämme zurückblieben. Es war eben den Eingeborenen schwierig mit ihren mangelhaften Werkzeugen diese mächtigeren Bäume zu bearbeiten und da für die landesübliche Bauart nur 1 lolz und Bretter von r 5 Centimeter Dicke nothwendig sind, so nahm man dazu die jungen 15—20jährigen Weissstämme. Beim Baumfällen verschwenden die Bosnier furchtbar viel Holz! Man fällt die Bäume mit der Axt in der Höhe eines Meters vom Boden nur, um die Wurzel zu vermeiden. Braucht aber der Eingeborene die Mitte des Stammes blos, dann fällt er denselben in der Höhe von fünf bis acht Metern, während er den unteren Theil des Baumes stehen lässt. — Er verarbeitet das Holz sofort im Walde und schafft nur die fertige Waare auf den Markt. Die Bretter werden 10—15 Centimeter breit und 3—4 Centimeter dick geschnitten, am unteren Ende durchlöchert. 8—10 Stück durch Weidenruthen verbunden und auf den Markt gebracht. Seit der Occupation vermehren sich aber die Sägemaschinen immer mehr, welche die bisher zurückgelassenen dicken Stämme aufarbeiten. — Die Schindelerzeugung ist der schlimmste Industriezweig für den Wald, denn die Bosnier versuchen bei dieser Gelegenheit viele Stämme und schonen in keiner Weise das Material, ja sie fällen sogar einen Baum nach dem andern bis sie endlich das I Jolz finden, welches sie brauchen und das sich gut schneiden lässt; die übrigen nicht benutzten Stämme werden aber achtlos der Vernichtung preisgegeben. Ks ist daher ein grosses Glück, dass die ausländischen Unternehmer gute Holzarbeiter in das Land bringen, namentlich Krainer, welche sowohl das Fällen der Bäume, wie den Transport rationell ausführen. Diesen Neuerungen ist es zu danken, dass sich auf dem Gebiete des Forstwesens ein allgemeiner Fortschritt zeigt. Die Benutzung der Wasserläufe zur Abtransportirung der Forstprodukte aus den Waldungen ist in Bosnien die primitivste. Freilich giebt es unter den vielen Flüssen wenige, welche derart regulirt wären, dass man auf ihnen Holz flössen könnte. — So befinden sich z. B. auf dem Igman-Berge in nächster Nähe Serajevo's, in Morkvo und Pode, im Zelesnicathale, auf der V.-Planina, wo es besonders viel P'ournier- und Möbelholz giebt, in Vocia, Luka und in Brod grosse Holzvorräthe, die erst bei der 1 lerstellung der nöthigen Verkehrswege die richtige Verwerthung finden können. Wenn das Holzflössen bis zur Save, d. i. bis „Samac", auf dem Bosnaflusse möglich wäre, müsste sich ein regelmässiger Holzhandel mit Serajewo bald entwickeln. — Schon im Sommer 1878 machten ausländische Unternehmer mit dem Holzflössen Versuche, wobei sie zu dem Resultat gelangten, dass dasselbe im Herbst und Frühling, wenn das Wasser der Bosna zunimmt, bequem auszuführen ist. Nur in der Gegend von Zenica ist es nothwendig, den FLuss in einer Länge von 300—400 Meter durch Hinwegräumung einiger Hindernisse zu reguliren. — Bedeutende Wichtigkeit für die Ausfuhr der Forstproduckte haben auch die Drina, der Verbas, die Sanna und die Unna, weil sie die Verbindung zwischen den Waldungen und der Save herstellen. W enn die Regierung die Regulirung der Bosnia durchführt. uird sie mehrere Ortschaften zu ansehnlichen Holzhandelsplätzen und die längs des Flusses gelegenen ärarischen \\ ab dünnen zum Besten des Staates nutzbar machen. Dann werden sich gewiss auch zahlreiche" Unternehmer bilden, die ihr Kapital zur Holzgewinnung für die Industrie verwerthen. Von den Forstprodukteh Bosniens gab es bisher nur einen einzigen Artikel, der exportfähig gewesen wäre u. z. die Fassdauben, von denen bisher allein die Savegegend circa 7 — 900,000 Stück jährlich ver fertigt, welche mit geringer Ai>-nähme nach Marseille befördert worden, wo sie in gutem Kufe stehen. Geringere Quantitäten Fassdäuben wurden aus den östlichen Wäldern Bosniens schon vor Jahrhunderten auf der unteren Donau befördert, Der Kxport von b'assdauben wird in letzter Zeit aber immer schwunghafter betriebet!. Der geeignetste Punkt dazu ist Banjaluka, wo auch mehrere Unternehmer diesen Industriezweig ergriffen haben. I >er Forstpreis beträgt circa 2 Fl. 50 Kr. per Kubikmeter, daher gestaltete sich das Eichengeschäft für Unternehmer, welche die Fabrikation selbst betreiben, recht einträglich. Aus dem Kubikmeter I lolz wurden im Durchschnitt 76 b'assdauben. wenn aber die Qualität besser war, noch mehr verfertigt. — Von den sonstigen Baumaterialien sind nur noch die Schindeln und Bretter erwähnenswerth, doch nicht als Exportartikel, weil im Lande selbst, da sie das einzige Bedachungsmaterial bilden, ein starker Bedarf für dieselben ist. Im Allgemeinen kann sogar die Ausfuhr der Porstproducte, wenn das Kommunikationsnetz hergestellt und den Unternehmern Erleichterungen zu Theil werden, in Kurzem so grosse Dimensionen annehmen, dass die allgemeinen wirthschaftlichen Verhältnisse des Landes dadurch auf das Günstigste beeinflusst werden. — Die bisherigen Forsteinkünfte des Aerars waren sehr gering. 00 wurden z. B. im Jahre 1880 im ganzen nur 116.007 Fl. eingenommen. Die Ursache dieser geringen Einkünfte besteht darin, dass die Frohnrechte der Bevölkerung berücksichtigt und viele Einwohner von den Forstgebühren befreit wurden, um dadurch den Wiederaufbau ihrer in Folge der Insurrektion durch Feuersbrünstc und andere Ursachen vernichteten I lauset zu erleichtern, und dass in letzterer Zeit die nothwendigen llolzquantitäten für alle öffentlichen Gebäude, wie z. 15. Kirchen, Krücken, Schulen, sowie für Militärbaracken etc. aus den Staatsforsten umsonst geliefert werden. Die Jagd wird in Bosnien nicht zum Vergnügen betrieben, sondern bildet einen nutzbringenden Erwerbszweig, welcher einst weit mehr abgeworfen hat als heut zu Tage. In den reichen Waldungen wimmelt es von Wild, man erlegte früherer Zeit jährlich mehr als 32.000 Belzthiere. — Das Belzwild in den Wäldern, wie z. B. Wölfe, Bären, biich.se. Wildkatzen, Wiesel, Iltisse etc. geben der Jagd jedenfalls eine gewisse Bedeutung. — Gemsen, Rehe, Hasen, Rebhühner, Fasanen etc. kommen in Wald und Feld, Wildgänse und Wildenten in Hachen Sumpfgegenden, Adler und Falken aber in riesiger Menge in den Gebirgen vor. Seit der Occupation existirt ein Jagdverbot, um den Wildstand zu schonen; die Jagd ist nur an bestimmten ()rten und zu festgesetzten Zeiten gestattet. Für die Tödtung schädlicher Raubthiere zahlt die Regierung zwei bis zehn Gulden Prämie und es wurden bisher jährlich circa 1200—1400 Gulden in Silber für diese Zwecke ausbezahlt. Die Landpacht- und Landkautj)reise. Die Agrar-arbeiter. — Der limssju'iiiidbesitz. Die landwirllb sclianliclien Vereine und Lehranstalten. Die Landpachtpreise betragen in Böhmen, Mähren und Schlesien per Hectar „höchster" Pachtpreis 36—60 FL, „mitt lerer' 26—35 Fl. und „niedrigster" 20—25 Fl. — Aehnliche Abstufungen bestehen auch in den übrigen Kronländern Cis-luith.aniens, jedoch in verschiedenen Arealverhältnissen der den obigen drei Klassen zufallenden Gebiete. Da in den letzten Oesterreich-Ungarn. 18 Jahren anlässlich der Grundsteuerregulirung der Grundsteuer' kataster in Cisleithanien neu durchgeführt wurde, so bildet derselbe nunmehr für Käufer eine sehr beruhigende Grundlage in Bezug auf den Bodenertragswerth, ohne Rücksicht auf Gebäude, Fundusinstruktus u. s. w. Auf dieser Basis wird der Kapitalwerth bei Kleingrundbesitzungen (Bauernwirthschaften) und Grossgrundbesitzen (landtäflichen Gütern, seit 1848 statt Herrschaftsgütern „Uomainen" genannt) derart ermittelt, dass der Katastralreinertrag mit 20 multiplizirt den Katastral-Land-werth darstellt, z. B. pr. Joch Katastralertrag 30 Fl. = 600 Fl. Kataster Landwerth. „ Hectar „ „ 50 Fl. = 1000 Fl. „ „ „ Joch „ „ 15 Fl. = 300 Fl. „ Hectar „ „ 25 Fl. = 500 Fl. Auf dieser Grundlage bildet sich auch bei Käufen, bei welchen auf Lage, Gebäude, Beilass, Industrialzweige, Werke etc. Rücksicht genommen wird, der sogenannte „Verkehrswerth" der Art, dass zum obigen Grundkapitalwerth 20, 50, 75 und ioo7„ zugeschlagen werden. Wir finden daher, dass z. B. ein Gut per 100 Hectar ä 25 Fl., 2500 Fl. Katastralreinertrag und 50.000 Fl. Katastrallandwerth, den Verkehrswerth je nach den übrigen Verhältnissen mit Zuschlag von 20% = 60.000 Fl., mit 50% = 75.000 Fl. und mit ioo"/„ == 100.000 Fl. ergiebt. Beim Waldland bildet auch der staatsbehördlich vermittelte „Katastralreinertrag" in gleicher Weise die Basis für Ermittlung des Katastralkapitalwerths und, mit Rücksicht auf die speciellen Verhältnisse des Objektes, für die Veranschlagung des Verkehrs- und Kaufswerthes. Die Agrarlohnarbeiter bestehen in Oesterreich-Ungarn im : ssen Ganzen aus zwei Hauptgruppen u. z. denjenigen, welche gegen festen Lohn, Unterkunft und ganze Verpflegung, als Knechte und Mägde, Dienste nehmen, und jenen, welche als Tagelöhner aushülfsweise, wenn die gewöhnlichen Arbeitskräfte nicht hinreichen, auf längere oder kürzere Zeit gedungen werden. Die Knechte und Mägde, besonders diejenigen, welche auf den Gütern bedienstet sind, haben es im allgemeinen gut und sind oft in vieler Beziehung besser daran als ein grosser Theil der Industriearbeiter, die bei häufig niederen Löhnen auch noch unter den Schwankungen der jeweiligen Geschäftsverhältnisse leiden, also gewissermassen von der Hand in den Mund leben. Ja, die Löhne der Knechte und Mägde sind sogar in einzelnen Kronländern, wie z. B. Tirol, Ungarn u. s. w., wo es nicht nur an Agrararbeitskräften, sondern ganz besonders an Elementen fehlt, die sich als Knechte und Mägde verdingen wollen, verhältnissmässig hoch. — Diese Leute werden bei nicht allzuharter Arbeit gut verpflegt, haben in Bezug auf ihre leiblichen Bedürfnisse gar keine Sorgen und findenj wenn sie heute ihren Dienst verlieren oder aufgeben, bei nur mittelmässig gutem Zeugniss ihrer früheren Brotgeber schnell wieder Arbeit. Anders ist es mit den Tagelöhnern, welche theils aus den sogenannten „Kleinhäuslern", d. h. Landleuten, die entweder gar keinen eigenen oder nur so geringen Grundbesitz haben, dass sie davon mit ihrer Familie nicht leben können, theils aus Bauern armer Gegenden bestehen, die zwar Grund und Boden ihr eigen nennen, aber in Folge der geringen Ergiebigkeit desselben und der nachtheiligen klimatischen Verhältnisse ihres Wohnortes so geringe Ernten erzielen, dass diese zur Deckung ihrer nothwendigsten Bedürfnisse nicht hinreichen. — Die Kleinhäusler in den fruchtbaren Gefilden Oesterreich-Ungarns führen im grossen Ganzen, besonders wenn sie wirtschaftlich und arbeitsam sind, immer noch ein gatiz erträgliches 1 lasein, denn sie bekommen im Orte ihres Wohnsitzes beständig Arbeit. — Z. B. beträgt in Böhmen, Mähren und Schlesien gegenwärtig der Tagelohn je nach den verschiedenen Landestheileii für männliche Agrararbeiter als „höchster" 50-60 Kreuzer, »mittlerer" 40—50 Kreuzer und „niedriger" 30—40 Kreuzer. In Galizien in denselben Abstufungen 40 50, 30—40 und 18* 270 < >«terrei(iK-Urtgftrh 25 30 Kreuzer, In Ober- und Niederösterreich, Steiermark und Tirol ist er so ziemlich gleich wie in Rohmen, Mähren und Schlesien. In Kärnthen. Krnin und Istrien beziffert er sich auf 55, 45 und 35 Kreuzer. — Doch in allen rationell geführten Grosswirth.schaften Cisleithaniens ist man heut zu Tage bestrebt, für die meisten wesentlichen landwirtschaftlichen Arbeiten, besonders in der Erntezeit, wie z. B, für den Handdrusch u. s. w., Stückarbeit gegen Akkordlohn in Anwendung zu bringen, wobei sich der Tagarbeitspreis um 50 60 , höher stellt als die obigen Tagarbeitslöhne. Gewöhnlich haben die auf Tagelohn arbeitenden Kleinhausier auch noch einen kleinen Acker in Pacht, den sie mit Kartoffeln, Kraut und anderen Nutzpflanzen bebauen, die für den Hausbedarf und zur Erhaltung einer Kuh, ein paar Ziegen, eines Schweins und des notwendigsten Geflügels hinreichen. — Der Tagelohn wird von dem Arbeitgeber entweder, wie wir vorhe rgesehen haben, in barem Gelde, oder in Deputaten, oder in der Ucberlassung eines Stück Feldes auf bestimmte Zeit Zur Xutzniessung bezahlt. Häufig finden wir auch je zwei solche verschiedener Entlohnungen mit einander vereint. Die Zahlung des Tagelohnes in baarem Gelde geschieht meistens nur auf grösseren Gütern, überhaupt von Arbeitgebern, welche mit beträchtlichen flüssigen Kapitalkräften intensiv die Landwirtschaft betreiben; sonst kommen besonders bei den bäuerlichen Arbeitgebern und kleineren Gutsbesitzern, hauptsächlich aber in Galizien und Tran.sleithanien, wo grosse Kapitalarmutb in diesen Kreisen herrscht, in der Regel die letzteren Entlohnungen in Anwendung. \\ ährend also die materielle Lage der ansässigen Taglohn-arbeiter fruchtbarer Gegenden im allgemeinen ziemlich erträglich zu nennen ist, finden wir hingegen die Verhältnisse bei den Bauern armer Gegenden, die zur Erntezeit den fruchtbaren Gefilden schaarenweise zuströmen, um als Tagelöhner Erwerb zu finden, bei solchen Gelegenheiten viel ungünstiger. —* Dies Die A^raiarlieiter in Oesterreich-Ungarn. 277 ■sind meist Bewohner der gebirgigen Landschaften, wie z. B. einzelner Theile Tirols, Böhmens, der Karpathen etc. - Zur Zeit der Ernte beginnt dann in diesen Legenden eine förmliche Völkerwanderung nach den fruchtbaren Thälern, um dort bei der Ernte mit zu arbeiten und dadurch für einige Monate wenigstens die allernothwendigsten Hausbedürfnisse zu erwerben. Ja, aus einzelnen Landstrichen wandern die Leute sogar zu diesem Zwecke mit Weib und Kind weit über die Grenzen des Reiches! So finden wir Südtiroler zahlreich in Oberitalien und galizische Landleute in Russisch-Polen, wo sie sogar von den Gutsbesitzern viele Meilen weit per Eisenbahn in das Tnnere des Reiches transporti rt werden« Wenn die Ernte sehr reichlich ist und überall Arbeitskräfte fehlen, dann verdienen auch diese Letite verhältnissmässig ein erträgliches Geld, oder wenn die Entlohnung in Natura geschieht, wie es häufig vorkommt, einen ziemlich günstigen Procentsatz von der Ernte, — Loch unter normalen Verhältnissen, wenn es nicht allzusehr an Arbeitskräften mangelt, wissen die Arbeitgeber so viel wie möglich ihren Vortheil dadurch zu wahren, dass sie die traurige Lage der aus unfruchtbaren Gegenden hergewanderten armen Leute so viel wie möglich zu ihrem eigenen Vortheil ausbeuten und die Entlohnung, so weit es nur möglich ist, herabdrücken. Las Aeusserste in dieser Beziehung leisten häufig die Gutsbesitzer in Russisch-Polen. Durch Agenten werden die armen Leute für Bettellöhne in ihrer Heimath gedungen, wie eine I lorde Vieh transportirt man sie per Bahn an den Ort ihrer Bestimmung, und nicht viel besser als die Schweine werden sie dort untergebracht und genährt, denn mit Hohnlachen sagt der polnische Gutsbesitzer, „diese Arbeitskräfte aus Ga-lizien kommen mir viel billiger als die einheimischen, trotzdem sie um hundert Brocent mehr und besser arbeiten.— Ich gebe ihnen einen viel geringeren Lohn und als Kost dasselbe, wie meinen Schweinen, und diese armen Leute sind dabei noch immer königlich zufrieden, küssen mir demuthsvoll und dankerfüllt die F tis sei" — Wenn es auch nationalökonomisch ein Vortheil ist, dass sich die armen Bewohner Galiziens zur Zeit der Ernte dadurch einen Nebenverdienst erwerben, dass sie für Gutsbesitzer Russisch-Polens, so lange in diesem von der Natur so ausserordentlich reich gesegneten Kronland noch so traurige wirthschäftliche Verhältnisse herrschen, arbeiten, so sollte doch andererseits mit aller Strenge über das Gebahren der einheimischen Agenten gewacht werden, welche zum Vortheil ihrer Tasche einen förmlichen Menschenhandel mit diesen armen Leuten treiben. — Da jeder, der die russische Grenze überschreitet, einen Pass haben muss, und dieser von der einheimischen Behörde ausgestellt wird, so ist es den Organen der Regierung jedenfalls nicht schwer, eine scharfe Controie auszuüben: unter welchen Lohnbedingtingen die Bauern für die Erntearbeiten angeworben wurden, und ob man die ausbedungenen Löhne auch wirklich nachträglich bezahlt hat, was häufig nicht geschieht, weil in vielen Phallen gar keine rechtskräftigen schriftlichen Kontrakte abgeschlossen wurden! Doch auch in Böhmen, der in wirthschaftlicher Beziehung so hochstehenden Provinz, finden wir zum Theil ganz eigenartige, keineswegs günstige Verhältnisse unter den für Tagelohn sich verdingenden Agrararbeitern. So lange die Herrschaften ihre Meierhöfe noch in eigener Regie hatten, befanden sich die Arbeiter leidlich wohl. Die Herrschaft zahlte zwar nicht viel Lohn, aber der ansässige Arbeiter hielt sich seine Ziege, auch wohl zwei, manchmal sogar eine Kuh, und Futter machte er in mehr oder weniger erlaubter Weise, welches er von den herrschaftlichen Feldern, Rainen, Wäldern etc. heimtrug. Auf diese Art lebte er mit seiner Familie ganz gut. Anders aber kam es, als der Adel Böhmens anfing, seine Meierhöfe zu verpachten, denn gleichzeitig begann auch das freie Parzelliren Die Atfrararbeiter in (KÄterireich-Ungarn. des Grundes, zwei geradezu katastrophale Erscheinungen für die Landwirtschaft, — Der Gutspächter sagte jetzt: „Ich kann die einheimischen Arbeiter nicht brauchen, weil sie mir vom Felde alles stehlen", und diese hingegen sprachen: „Wozu brauche ich mich beim Pächter zu schinden, ich kaufe mir vom ',Parzellirer" ein oder zwei Strich P'eld und werde auf eigenem Grunde arbeiten. So geschah es, dass der einheimische Arbeiter von den Gutsfeldern verschwand und dass heut zu Tage die Landarbeiterschaft des südlichen Böhmens in hellen Haufen nach dem fruchtbareren böhmischen Norden wandert, ein Theil in die Duxer Kohlengruben, der andere auf die Meierhöfe des Saazer, Leitmeritzer Kreises oder anderer Gegenden. — Zeitig im FYühjahre, kaum dass die Arbeit eröffnet ist, entsteht ein Wandern des böhmischen Volkes gegen Prag. Wien, Teplitz. Dresden, ja sogar nach Bayern, u. z. gewöhnlich zu Fuss oder mit einem kleinen Wagen. Dabei sind die armen Leute dann leider gezwungen, sich in Schuppen, Schaf-, Kuh- und Pferdeställen herumzuschlagen, und glücklich derjenige, dem es gelingt, den Sommer über in der herrschaftlichen Obstdörre unterzukommen. Nur selten findet der Agrararbeiter eine Wohnung im Dorfe; denn der Bauer nimmt einen im Meierhofe beschäftigten Arbeiter nicht als Wohnungsmiether auf, und der Kleinhäusler ist froh, dass er selbst mit seiner Familie unter Dach ist. Nur der Geistliche und nach ihm der Dorfarzt weiss, wie elend die Arbeiterfamilien auf den verpachteten Höfen wohnen. Von den Panheimischen, mit Ausnahme vielleicht des Ortsvorstandes, wagt sich selten jemand im ganzen Jahre in diese Arbeiterhöhlen. Die Todtenscheine werden gewöhnlich nur nach Angaben geschrieben. — Das Vieh in den Kuh- und Pferdeställen ist wenigstens durch Pflöcke oder Zäune geschieden, aber die Arbeiterfamilien liegen eine neben der anderen auf dem Stroh. Während des Tages arbeitet man auf den Feldern, und sind die Arbeiter zurück- 280 < iesterreich-Üngäf n. gekehrt, so breitet die Nacht ihren Schleier über dieselben; doch im Sommer sind die Nächte kurz, und schon früh dringt das Licht durch die Spalten! — Nicht selten wird der Geistliche in der Nacht zur Versehung eines kreischenden oder nach der Niederkunft sterbenden Weibes in den herrschaftlichen Meierhof gerufen, und welch entsetzliches Schauspiel zeigt sich ihm da! Irgendwo im Schafstalle lagern auf blossem Stroh fünf bis sechs, manchmal auch mehr Familien in dem bekannten nächtlichen Anzüge, die Gestalten erheben sich, die aufgewachten Kinder schreien und schauen, was geschieht. Der Geistliche findet oft nicht einmal einen Tisch, an dem er seine heilige Funktion vollziehen könnte, und wenn er einen solchen findet, so scheut er sich, das Allerheiligste darauf zu legen. — I )as Elend des irischen Agrararbeiters ist in mancher Beziehung nicht grösser als dasjenige dieser armen böhmischen Landleute auf einem verpachteten Meierhofe Der irische Hauer hat wenigstens hinreichend Kartoffeln und gesundes Wasser, in welchem er täglich seine Kartoffeln kochen kann, der Meierhöfsarbeiter hat nicht einmal diesen Vortheil, denn vom frühen Morgen bis in die Nacht muss Mann und Weib drausseh auf dem Felde arbeiten und die Familie wird ausschliesslich mit trockenem Brodc genährt, bauen Herd besitzt der Arbeiter nicht, ausser es gelingt ihm, am Sonn- oder Feiertag von einem armen Schlucker im Dorfe gegen Geld und gute Worte die Erlaubniss zu erbitten, dass sein Weib ein wenig Suppe kochen darf. Doch sind das keineswegs durchgehends verkommene Leute, welche sich in den verpachteten Höfen als Arbeiter verdingen, >ondern meistens, wenn auch arme, so doch brave Leute, aus dem südlichen Böhmen, besonders aus dem Taborer Kreise. Sie kommen nach Nordböhmen, wo sie von Hof zu Hof Arbeit suchen. — Aber in den Höfen mit herrschaftlicher Regie sind die Verhältnisse viel besser; so wird z. B. in den Höfen des Fürsten Moriz Lobkovitz jeder Arbeiterfamilie ausgezeichnete Kohle zugeführt, es wird ihr ein Deputat und gewöhnlich auch Milch gegeben. Auch die Pächter werden häufig recht rücksichtsvoll von den Grossgrundbesitzern behandelt. So hat y- B. „Fürst Johann Lichtenstein", der in Böhmen bedeutende Güter besitzt, seinen Pächtern, in Anbetracht der traurigen 1-age der Landwirtschaft in Folge der ausserordentlich niederen Preise fast aller landwirtschaftlichen Produkte, dieses Jahr einen Pachterlass von 25 Proc. gewährt. Da bei einem Gute der Erlass allein 100,000 Gulden beträgt, so kann man Sieh eine Vorstellung machen, wie gross der Ausfall der Pachtgelder bei diesem Besitzer ist. Andere GrOSSgrundbesitzer bewilligten gleichfalls ihren Pächtern einen nicht unbeträchtlichen Nachlass. Der hohe Adel Oestereich-Ungarns ist im Besitze sehr beträchtlicher Latifundien, von denen die grösste die des Fürsten „J. A. Schwarzenberg" hundert und Zwanzig Quadratmeilen umfasst, also gerade so beträchtlich ist, wie die grösste des „grossbritannisch-irischen" hohen Adels, nämlich der Grossgrundbesitz des Plerzogs von Suther-land, während die anderen grossbritannisch-irischen Latifundien von denen Oesterreich-Ungarns im allgemeinen weit übertroffen werden, wie wir gleich sehen werden. So beträgt z. B. der Grossgrundbesitz des Fürsten Iächtenstein etwa hundert und vier Quadratmeilen, der des Fürsten Esterhäzy circa achtzig Quadratmeilen, der des Grafen Schönborn ungefähr sechzig Quadratmeilen u. s. w. In neuerer Zeit hat der hohe Adel das frühere Bcwirth-schaftungssystem derjenigen Güter, welche er durch Oekonomie-beamte verwalten liess und das nicht nur veraltet war, sondern sich auch durch vielfache Unredlichkeit der Beamten kennzeichnete, als materiell höchst ungünstig gänzlich aufgegeben, I^er hohe Adel bewirtschaftet seine Domänen jetzt zum grössten Theil durch verlässliche, wissenschaftlich und praktisch wohlgeschulte Landwirte nach allen Principien der modernen Landwirthschaft, sodass sie zum grössten Theil als wahre Mustergüter in jeder Beziehung angesehen werden können, in denen die besten Ackergeräthe sowie landwirtschaftliche Maschinen der neuesten Zeit zur Anwendung kommen, und auf denen ein zahlreicher, edler Viehstand gehalten und gezüchtet wird. Man erbaute in neuerer Zeit auf den Gütern auch viele industrielle Etablissements, wie Branntweinbrennereien, Zuckerfabriken, Mühlen, Holzsägen, Ziegelöfen u. s. w., um durch richtige Ver-werthung der landwirtschaftlichen Rohprodukte und der Ueber-reste der industriellen Erzeugnisse das Erträgniss der Güter so viel wie möglich zu steigern. Manche Produkte der Güter des hohen Österreichisch-ungarischen Adels ge-niessen einen sehr guten Ruf weit über die Marken Oesterreich-Ungarns hinaus und sind zum Theil gesuchte Artikel auf den Weltmärkten. Früherer Zeit kümmerten sich der hohe Adel, ja sogar die Majoratsherren, im allgemeinen wenig um die Verwaltung ihrer Güter, denn es herrschten damals andere Verhältnisse wie heutigen Tages. Manche von ihnen, besonders die Magnaten Ungarns und hohen Adeligen Polens, belasteten ihre Latifundien mit grossen Hypothekarschulden und mit für heutige Zustände äusserst ungünstigen Verpachtungen ganzer Domänen auf mehrere Decennien. — Auf den Gütern als Oekonomen und Forst-beamte waren häufig keine geschulten tüchtigen Fachmänner. Ausserdem bezahlte man die Beamten sehr schlecht und ihr Gehalt bestand grösstenteils aus ..Deputaten", weil man von der Anschauung ausging, dass sie sich so wie so Unredlichkeiten zu Schulden kommen lassen würden! — Es herrschte folglich auf diesen grossen Gütern für die angestellten Beamten das System stillschweigender Bewilligung, zu „stehlen", und nur, wer es gar zu toll trieb, wurde endlich fortgejagt! — Die gesammten Wirthßchaftsbeamten der hohen Herren führten dabei- auf den Gütern ein wahres Schlaraffenleben und wenn einer eine Reihe Jahre nur als untergeordneter Verwalter, von den höheren gar nicht zu reden, Jm Amte gesessen war, so hatte er sicher auch schon so vie 1 zusammengestohlen, dass er sich ein eigenes Gut kaufen konnte. Häufig thaten sie dies aber nicht einmal, sondern blieben in der fetten Pfründe und bewirtschafteten ihr in der Nahe gelegenes eigenes Gut noch nebenbei. — Dabei kam es dann freilich sehr häufig vor, dass sie ihre eigenen Aecker mit dem Zugvieh und dem Robot der Herrschaft bebauen liessen, aus den herrschaftlichen Waldungen das Holz, ^us den Ziegeleien die Ziegeln entnahmen, um sich ihre eigenen Oekonomiegebäude aufzuführen, und die Unverschämtheit sogar ■So weit trieben, wenn auf ihrem eigenen Gute das Korn zur Ernte nicht so schön und schwer war, wie das herrschaftliche, dieses mit ihrem eigenen umzutauschen! — Manche dieser Verwalter hinterliessen bei ihrem Tode, nachdem sie fast fürstlich gelebt hatten, ihrer Familie noch bedeutendes Vermögen, bestehend aus Kapital oder Gütern, Welches sie sich auf die soeben geschilderte Weise geschaffen hatten. — Höchst bezeichnend für die Misswirthschaft damaliger Zeit ist folgende kleine Anekdote: Pänem sehr geistreichen/ äusserst witzigen Magnaten wurde eines Abends von einem intimen Freunde mitgeteilt, dass sein Güterdirektor sich die unverschämtesten Unterschleife zu Schulden kommen liesse. »»Ach!" erwiderte er hierauf, fein lächelnd, „das weiss ich schon lange! — Aber was will ich machen, der ist schon fett; Jage Jch ihn fort und nehme mir einen anderen, so ist's noch viel ärger, denn dann bekomme ich einen Hungrigen!" — Unter solchen Verhältnissen lieferten daher die Latifundien, als sie ]hre jetzigen Inhaber übernahmen, zum grossen Theil nicht Jenes Erträgnis/5, welches man heut zu Tage von gut verwalteten Gütern beansprucht. Ihre jetzigen Besitzer hatten daher ein tüchtiges Stück Arbeit, um sie auf den gegenwärtigen Zustand zu bringen. — Die zum Theil sehr bedeutenden Schul- dehläStett, welche darauf lagen, mussten nach und nach abgezahlt werden. Man musste warten, bis die von den früheren Besitzern auf lange Jahre abgeschlossenen ungünstigen Pacht-contrakte abgelaufen waren. — Es war nothwendig, bedeutende Kapitalien zu beschaffen, um die Güter nach dem modernen Wirthschaftssystem betreiben zu können, und es musste schliesslich ein ganz neues, durch und durch tüchtiges Beamtcnpersonal, welches natürlich angemessene Gagen beanspruchte, beschaffen werden. — Jedenfalls ein grosses Stück Arbeit, welches zum grössten Theil ganz vortrefflich durchgeführt wurde. — Und wir könnten mehrere unter den jetzigen Majorats-herren aufzählen, die so vortrefflich gearbeitet haben, dasš sie ihre Güter, welche sie mit einer derartigen Schuldenlast und Misswirthschaft übernommen hatten, dass ein voraussichtlich baldiger Zusammenbruch des gesammteh Eatifundienbesitzes zu erwarten war, jetzt durch ihre Tha^kraft, Sparsamkeit und vorzügliche Wirthschaft wieder vollkommen rangirt und auf einen so hohen Standpunkt gebracht haben, wie er bisher noch nie gewesen war. Bei dem übrigen Adel, der kleinere Besitze übernommen hatte, gestalteten sich die Verhältnisse freilich weit ungünstiger, denn man vermochte die Ordnung der zerfahrenen Zustände nur nach Ueberwindung viel grösserer Schwierigkeiten herzustellen, weil der Besitzstock um ein beträchtliches kleiner war. —^ Viele von ihnen setzten überdies noch das alte Verschwendungssystem ihrer Vorfahren fort. — Das Facit war, dasš sie immermehr in Wucherhände geriethen und schliesslich ihre Güter vollkommen verloren. — Wir finden daher, wenn wir z. B. Ungarn oder Galizien durchstreifen, an allen Ecken und Enden alte Schlösser, die halb verfallen, Ruinen gliech, düster und traurig, an längst vergangenen Glanz erinnernd, in die lachende Landschaft blicken, während die Nachkommen ihrer einst reichen und mächtigen Besitzer oft Der (Irossgruiulbesitz in Oesterreich-Ungarn, 28:» 1$ den dürftigsten Verhältnissen in den grossen Städten des Reiches leben. - diejenigen kleineren adeligen Besitzer, welche gegenwärtig ihre Güter selbst verwalten,, sind ŠUna Theil sehr tüchtige, rationell arbeitende Land-wirthe, und manche besitzen eine vorzügliche Muster wirthschaft. — In neuerer Zeit haben zahlreiche „Ausländer", verleitet durch die billigen Preise, Güter in Ungarn angekauft.. Die Spekulation war aber häufig eine sehr unglückliche, denn trotz des ansehn heben Kapitals, welches ihnen zur Verfügung stand, und ihrer bedeutenden landwirthschaftlichen Kenntnisse, hatten sie nach Wenigen Jahren, da auch noch einige Missernten dazu gekommen waren, gänzlich abgewirthschaftet und ihr ganzes Vermögen eingebüsst! — Es ist eben ausserordentlich schwierig für den Ausländer, in Ungarn mit günstigem materiellen Erfolg Landwirtschaft zu betreiben, denn der dortige eigentümliche Boden erfordert, wie wir früher gesehen haben, eine ganz eigenartige Behandlung, welche man erst nach langer praktischer Erfahrung kennen lernen kann. Die Landbevölkerung, besonders die Magyaren, welche man als Knechte oder Tage löhner braucht, verstehen zum grössten Theil heut zu Tage nur ihre Nationalsprache, sind gewöhnt, in ihrer uralten, von Generation auf Generation vererbten Wirthschaftsmethode und ihrem Schlendrian fortzuarbeiten und lassen sich daraus sehr schwer von den Gutsbesitzern ihrer eigenen Nationalität, die ihnen doch viel näher stehen, heraus bringen, umsoweniger aber von dem Ausländer, den sie mit scheelen Augen anblicken und entweder, wenn er seinen Kopf durchsetzen will, davon laufen oder ihm allen möglichen Schaden, Bosheiten und Schwierigkeiten bereiten. Im grossen (Lanzen wirtschaften die Grossgrund-besitzer in den detitschen Provinzen Oesterreichs und Jn Böhmen, Mähren und Schlesien viel rationeller, mit viel grösserer Aufbietung aller modernen ein- schlägigen Errungenschaften, als wie in Ungarn und Galizien. In letzterem Kronlande sind überdies der Mangel an Arbeitskraft und die grosse Anzahl Feiertage (165 i01 griechischen Ritus), neben schlechter Feldpolizei und dem Mangel an der so notwendigen Kommassirung der Felder, I lauptplagen des Grossgrundbesitzes. — Im Raba- und Dunajec-Thale befindet sich der klassische Boden des kleinpolnischen Adels. Dorf an Dorf drängen sich Stammsitze, Schlossruinen, heute vielfach in fremden Händen, zusammen. Aber der Unternehmungsgeist ist heut zu Tage dahin, der Adel dieser Gegend, im Besitze kleiner Güter, kämpft mit schweren materiellen Verhältnissen und ist häufig gezwungen, seinen Ahnensitz zu verkaufen. ■— Doch geht der polnische Grundbesitz nicht allein in Oesterreich, sondern auch in Preussen und Russland immer mehr in fremde Hände über. In der Provinz Posen, deren Grossgrund besitz sich noch vor vierzig Jahren ganz überwiegend in polnischen 1 landen befand, hat derselbe seit jener Zeit so grosse Ein-busse erlitten, dass der deutsche Grossgrundbesitz den polnischen heute schon um 1,026.800 Morgen übersteigt. In den letzten drei Jahren 1881, 1882 und 1883 allein hat der deutsche Grossgrundbesitz einen Zuwachs von 104.130 Morgen, die sich in polnischen Händen befanden, erhalten. Wenn auch im Jahre 1883 der Zuwachs für den deutschen Grossgrundbesitz nur etwa 4330 Morgen betrug und mithin in der Verminderung des polnischen Grossgrundbesitzes eine Stagnation eingetreten ist, so kann diese doch nur als eine augenblickliche und vorübergehende betrachtet werden, weil der grö'sste Theil der polnischen Gutsbesitzer sich in einer so traurigen finanziellen Lage befindet, dass er sich nicht lange im Besitz seiner Güter wird behaupten können. Fast noch ungünstiger als in der Provinz Posen ist die Lage des polnischen Grundbesitzes im Königreich Polen. Die unaufhaltsame, stetig fortschreitende Colonisation Polens durch Deutsche, bildet schon seit einigen Jahren eine stehende Rubrik in der russischen und polnischen Tagespresse. Welche Dimensionen diese deutsche Colonisation in den letzten Jahren gewonnen hat, beweist die von den russischen Behörden amtlich festgestellte Thatsache, dass in den 8 Jahren von 1873—81 die Zahl der deutschen Colonisten im Königreich Polen um 7d6 Procent und der Grundbesitz derselben um 295 Procent sich v er grösser t hat. Es ist daher vorauszusehen, dass der polnische Grundbesitz in Polen, welcher sich dem deutschen Capital, der deutschen Intelligenz und Emsigkeit gegenüber nicht zu behaupten! vermag, empfindliche Einbussen erleiden wird. Auch in ganz Tirol und Vorarlberg finden wir einen immer vermehrten Venall des Grossgrundbesitzes. Schuld daran ist häuptsächlich die frühere andauernde, masslose Steigerung der Preise für Grund und Boden, welche in keinem Verhältnisse zu ihrem Erträgniss standen, das plötzliche Sinken dieser Preise in jüngster Zeit, die dadurch verminderte hypothekarische Sicherheit und in Folge dessen Zurückziehung der Kapitalien vom Grundbesitz oder zwangsweise Veräusserung derselben. Die Vermehrung der Bewirthschaftungskosten, namentlich der Arbeitslöhne und der Ansprüche des Dienstpersonals, die Erhöhung der Steuern und anderer öffentlichen Umlagen, besonders aber die übermässigen Taxen und Gerichtsspesen beim Verkauf] Die vielen Spenden für Kirchen und kirchliche Zwecke, der Verfall von Handel, Gewerbe und Industrie und die grosse Konkurrenz der inländischen Produkte mit den vielen fremden, welche in Folge des erleichterten Verkehrs aus dem Ausland strömen! — Doch haben diese Ursachen nicht alle Landes-theile 'Pirols und Vorarlbergs gleichmässig erfasst. In Südtirol, wo schon früher ein Verfall eingetreten war, und im mittleren Pirol, wo noch grösstentheils der alte Schlendrian herrscht, Zeigte sich der Einfluss viel schädlicher als im nördlichen Tirol und zum Theil in Vorarlberg, wo eine intelligentere Be- völkerung wohnt. An dem Ruine der Landwirthschaft Welsch-tirols sind ausser den angeführten allgemeinen Ursachen, insbesondere die seit einer Reihe Jahre kärglichen und in Bezug auf Cocons und Wein unsicheren Ernten, sowie die vielen Auslagen zur Bekämpfung der Trauben- und Seidenw ürmer-krankheit schuld; dieselben Ursachen haben sich auch, wenn gleich nicht so stark, in Mitteltirol geltend gemacht, und ausserdem finden wir hier noch immer zahlreiche Bauernfeiertage und Feierabende, welche mit den gebotenen Feiertagen und Sonntagen mehr als „ein Drittel" des Jahres ausmachen, nebst den besonders stark in die Höhe gegangenen Löhnen der Dienstboten! Ausser den eifrigen Bestrebungen der Regierung durch Erhaltung zahlreicher Lehranstalten, vorzüglich organisirter Staatsgestüte und Beschälstationen sowie vielen anderen segenbringenden Massnahmen, die Landwirthschaft Oesterreich-Ungarns nach besten Kräften zu heben. sind es noch folgende Vereine, welche durch Ausstellungen, Brämiirungen, Belehrung in Wort und Schrift und sonstige Mittel viel dazu beitragen, da.ss die Errungenschaften der modernen Technik auch in den Kreisen der bäuerlichen Grundbesitzer immer mehr bekannt werden und Fuss fassen. — In Niederösterreich finden wir die k. k. Iandwirthschaftliche Gesellschaft in Wien, welche im Jahre 1807 gegründet wurde. Sie hat 50 Bezirksvereine, 30 Iandwirthschaftliche Kasinos, über ]0.000 Mitglieder und ein Central-vereinsvermögen von circa 53.000 Fl. — Ferner den seit 1875 bestehenden Niederösterreichischen Forst-Schulverein in Wien. Den niederösterreichischen Landes-Forstverein, gegründet 1872. mit ungefähr 600 Mitgliedern. — Die k. k. Gartenbaugesellschaft zur Hebung und Förderung des Gartenbaus nach allen Richtungen, welche seit 1837 besteht. — Den Gartenbauverein in Baden unter dem Protectorate Sr. kais. und königl. Hoheit des Erzherzogs Rainer, mit circa 100 Mitgliedern; den Gärtnerverein in Dornbach; den Bezirksgartenbauverein Die Landwirtschaftlichen Vereine in Oesterreich-Ungar*, 280 111 Mödlingen, gegründet 1N72, zum Zwecke der Hebung des Gartenbaus im Allgemeinen, durch Veranstaltung von Aus Stellungen, Haltung einer Bibliothek, wissenschaftliche Vorträge m den Vereinsversammlungen u. s. w.; den ,,1 lauerxöche"-Verein zur Förderung des Weinbaus in Krems und Stein, gegründet [625. — Der Jockeyclub in Wien, zur Hebung der Pferdezucht und Rennen in Wien. Dieser Club besteht aus Eh ren- und gründenden Mitgliedern, sowie Mitgliedern 1. u. 2- Klasse; sein Gesammtvermögen beziffert sich auf mehr als 200.000 Fi. — Den Reiter und Trabrennverein in Wien, beide zur Förderung der Pferdezucht in < >csterreich-LTngarn. — Dun Rindviehzuchtverein in Mödling; den Verein für Kaninchenzucht und den ersten österreichischen Geflügelzuchtverein in Wien, letzterer gegründet 1-^74, mit ungefähr 400 Mitgliedern. Dieser Verein hat je eine Sektion für [ lühner, Tauben, Wasser* und Ziergeflügel. — Den Niederösterreichischen Bienenzüchterverein unter dem Brotectorat Ihrer Majestät der Kaiserin. Den Verein zur Hebung des Flachsbaues in Wcitra und schliesslich den Club der Land- und Forstwirthe in Wien, gegründet i^jj. mit über 470 Mitgliedern. In Oberösterreich besteht seit dem Jahre 1.S45 die k. k, Landwirthschafts-Gesellschaft in Linz, welche gegenwartig 5 '., lausend Mitglieder zählt und über 10000 Fl. Vermögen besitzt. — Der Forstverein für Oberösterreich, gegründet im Jahre 1S5 5. Der Rennverein in Linz, seit dem Jahre 1S70, dessen Zweck, das Interesse für Pferde und Pferdezucht durch jährliche oder öfter zu veranstaltende Rennen auf freier Bahn und mit Hindernissen zu erwecken und zu beleben. —Der Schutzverein für Jagd- und Fischerei im Innkreis, in Linz, gegründet •878* — Die k. k. Landwirtschaftliche Gesellschaft des Krönendes Salzburg zu Salzburg entstand im Jahre ] S4S und zahlt gegenwärtig nahe an 2000 Mitglieder. Diese Gesellschaft hat eine landw irthschaftliche Versuchsanstalt mit Gebäuden und Grundkomplex von 9 Joch 7^5 ~ Klaftern, im Werthe von f >esteireiclvUngam. 19 j 2.000 Pd. —■ Ausserdem giebt es noch im Kronlande Salzburg, einen Verein für Vogelkunde und Vogelschutz in Salzburg. Die k. k. Steiermärkische Landwirthschafts-Gesellschaft in Graz, gegründet 1819, zählt beiläufig 4500 Mitglieder und 63 Filialen im Lande. Sie gliedert sich in je eine Sektion für Obst- und Weinbau; für Viehzucht; und für Fortbildungsschulen; ferner in je ein Subventions-. Reform- und Finanz-Comite. — Ueberdies finden wir noch in Steiermark den Alp-und Forstwirtschaftlichen Verein für Steiermark und den k. k. Steiermärkischen Gartenbauverein, beide in Graz. Organ des letzteren Vereins ist die Vierteljahresschrift ,,Mittheilungen des Steiermärkischen Gartenbauvereins''. - Den Hopfenbauverein für die nordöstliche Steiermark; und 12 Weinbauvereine, in verschiedenen Städten dieses Kronlandes. — Den Verein zur Hebung der Landespferdezucht in Steiermark, gegründet 1869,. mit circa 800 Mitgliedern. Seine Thätigkeit im Lande wird durch 46 Distriktsvorsteher vermittelt. Das Vereinsorgän ist das Monatsblatt „Der Pferdezüchter". — Den Verein für i Li n vichvertheilung zu Set. Lorenzen; den Steiermärkischen Bienenzucht- Verein; den neuen Steiermärkischen Seidehbaüverein und den Steiermärkischen Geflügelzuchtverein, sämmtlich in Graz. Die k. k. Landwirthschaftsgesellschaft für Kärnthen, zu Klagenfurt gegründet im Jahre 1764, besteht aus der Centraileitung. 42 Gauvereinen und circa 2500 Mitgliedern. Sie hat je eine Sektion für Alpwirthschaft, Pferdezucht, Fischzucht und Fischerei; ausserdem unterhält sie einen landwirthschaftlichen Wanderlehrer, einen Wiesenbaumeister, eine Piachsbereitungsanstalt und nebst der landwirthschaftlichen Winterschule eine Hufbeschlagslehranstalt zu Klagenfurt. — Ueberdies giebt es noch in Klagenfurt den Kärntner Gartenbauverein und den Kärntner Seidenbauverein. Die k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft für das Herzogthum Kram in Laibach mit über 900 Mitgliedern besteht seit dem Jähre 17O7. Sie besitzt ungefähr 30.000 Fl. Kapital und ineilt ■sich in eine General-Sektion und je eine Sektion für Wein-, ('bst-, Seiden-, Bienen- und Viehzucht für Feld- und Wiesenbau und Maschinen. Der Verein steht mit 25 Filialen im L^nde in Verbindung. — Dann finden wir noch in Laibach den krainerischen Gartenbauverein und den krainerischen Bienenzuchtverein; in Möttling aber den ersten krainerischen Seidenbauverein. — Im österreichisch-illyrischen Küstenlande besteht die im Jahre 1867 gegründete Ackerbaugesellschaft in I riest, welche nahe an 400 Mitglieder zählt. Die k. k. Land-WirthschaftUche Gesellschaft in Görz, seit 1765 mit circa 450 Mitgliedern und über 16.000 Fl. Vereinsvermögen. Sie gliedert sich in je eine technische Sektion für Ackerbau, Gartenbau, Pflanzenkunde und Mechanik; Vieh-, Seiden- und Fischzucht; Weinbau, Forstwirtschaft und Statistik; und endlich Unterricht, Gesetzgebung und Nationalökonomie. Ausserdem gehören noch zu ihr J o Filialvereine in den verschiedenen Städten des Landes unter der Benennung Gesellschafts-Sectionen. — Die istrianische Ackerbaugesellschaft in Rovigno seit dem Jahre 1867 mit *0 Filialen im Lande. Dann giebt es noch je einen Weinbau-Verein in Dornberg, Peuma und Kamuje. Hervorragend unter den landwirtschaftlichen Vereinen 'Pirols ist die Nordtiroler Landwirthschafts Gesellschaft in Innsbruck, gegründet im Jahre 1838. Sie zählt nahe an 5000 Mit glieder und zerfällt in je eine Sektion für Rindvieh-, Pferde-, Schaf- und Schweinezucht; für Bodenkultur; für Seiden-, Bienen-und künstliche Fischzucht; für Obst-, Wein- und Gärtenbau und schliesslich für landwirtschaftliche Literatur und Unter-richtswesen. Zu ihr gehören 33 Bezirksvereine. her Landwirthschafts- und Gartenbauverein in Bozen mit über 400 Mitgliedern und 9 Filialvereinen besteht seit dum Jahre 1869. — Der Ackerbauverein in Trient „Consorzio Agrario 'Prentino", gegründet 1870, hat circa 1500 Mitglieder und 11 Filialen. Die Ackerbaugesellschaft in Roveredo seit i 869 gliedert sich in eine Sektion für Unterrichtswesen, Acker-, Gartenbau und Mechanik: für Thierzucht und Waldbau; für Seidenbau; Weinbau; für Statistik und landwirthschaftliche Gesetzgebung um' für Finanzen. Ausserdem hat sie noch 12 Filialcomites; und als Filialvereine den Weinbauverein in Rover edo, die Bienen zuchtvereine in Terragnolo und Vallarsa, die wechselseitige Viehversicherungsgesellschaft in Roveredo, die Genossenschaft für landwirthschaftliche Maschinen und Geräthe in Bomarola und die Molkereigenossenschaften in l'omarola, Vallarsa und Roncone, Hur Forstverein für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck, gegründet 1852, mit etwa 1 So Mitgliedern. Ausserdem giebt es in Tirol noch je einen Bienenzuchtverein in .Mais bei Meran, in Mezzo-I.ombardo, in Cles und in Riva, welche sämmtlich Anfang der 70er Jahre errichtet wurden, und einen Tiroler Jagd- und Vogelschutzvercin in Innsbruck mit denn Gründungsjahr 1875. In Vorarlberg besteht seit l86l der vorarlbergische Landwirthschafts-Verein. Die Leitung desselben wird von dem Vorstand, dem engeren Ausschluss und dem grossen Ausscbuss besorgt. Das Land ist in 6 Vereinsbezirke getheilt, wovon jeder aus den Mitgliedern des Bezirks einen Obmann und 5 Ausschüsse wählt. Die 6 Bezirksobmunner mit dem \'ereins\ < irstande oder dessen Stellvertreter formiren den vorerwähnten engeren Ausscbuss, welcher, durch die 3° Bezirksausschüsse verstärkt, den grossen Ausscbuss bildet. Der Verein zählt nahe an 1400 Mitglieder, sein Organ ist die Monats-Zeitschrift „Mittheilungen des vorarlbergischen Landwirthschafts- Vereines.'• Ausserdem lässt der Verein noch ein Jahresheft „Beiträge zur Statistik der Bodenkultur in Vorarlberg" erscheinen und unter seiner Direktion steht die landwirtschaftlich chemische Versuchsstation des Landes Vorarlberg in Tisis bei Feldkirch. Ueberdies giebt es noch den Vieh' versichernng&vcrein des Landes Vorarlberg in Feldkirch; den Forstvereio für Tirol und Vorarlberg und je ein Bienenzucht- verein in Dornbirn. Biegen/., Feldkirch und in Fgg, sämmtlichc Knde der 60er und Anfang der 70er Jahre gegründet. nie Lftödwirthschaftflcken Vereine in Desterreich-Ungarn. 298 Ausserordentlich umfangreich und weitverzweigt ,st das landwirthschaftliche Vereinsleben in Böhmen. An der Spitze desselben steht der k. k. Landesculturrath für Böhmen. Zu seinem Wirkungskreis gehören die Vermittlung des Verkehrs zwischen dem Ackerbauminivaerium und den 'and- und forstwirtschaftlichen Vereinen des Landes; die 1 nterstützung der Zwecke dieser Vereine und die Pflege des «Ichlichen Verkehrs mit denselben; die Abgabe von Berichten und Gutachten in Sachen der Landeskultur, auf Aufforderung der Regierung oder des Landesausschusses; die Linbringung selbständiger Gutachten und Anträge über obige Angelegenheiten; die Mitwirkung bei Durchführung von Massregeln zur Förderung der Landeskultur, nach Massgabe der von der Regierung oder dem Landesau.sschuss ergehenden Aufforderung; und schliesslich die Mitwirkung bei Förderung der Zwecke der 'and- und forstwirtschaftlichen Statistik. — Der Landeskultur-rath gliedert sich in folgende permanente Comites: Subventions-f omite , landwirthschaftliche Vercins-Comite , forstwirtschaftliche Comite, Stastistische Lomite, Cassa-Comite, Marktaus-*telhmgs-Comite und Comite für Pferdezuchtangelcgenheiten. ■einer in nachfolgende besondere Comites, Curatorien und Ständige Funktionäre u. z Comite für landwirthschaftliche Versuchsanstalten; Landes-Curatorium für den landwirtschaftlichen Fortbildungsunterricht: Kommission zur Förderung der Bodenkultur im Erz- und Riesengebirge; Curatorium für die Samen-prüfungs-Anstalt; Oberleitung der Redaktion des Jahresberichtes. Referat für das Zeitschriftwesen; Referat für die agrikultur-chemische Untersuchungsstation; Curatorium für die Landeslehranstalt Teschen-Liebwerd und schliesslich das Curatorium für das pomologische Institut in Troja. — Der Landesculturrath für Böhmen erhält eigene Wanderlehrer und besitzt sehr ansehnliche Sammlungen, sowie eine umfangreiche Bibliothek. — Ausser diesem „Landesculturrath" giebt es in Böhmen noch 152 landwirthschaftliche Vereine. — Der böh- mische Forstverein wurde im Jahre [849 gegründet, zählt circa 2000 Mitglieder und besitzt über 18.000 Fl. Vermögen. — Der Forstschulverein für Böhmen in Prag, gebildet seit 1862, hat circa 180.000 Fl. Vereinsvermögen und einen Pensionsfonds für die Lehrer an der Forstlehranstalt zu Weisswasser von mehr als 27.000 F\. -- Der Jagd- und Vogelschjjtzverein in Aussig und der Forstmännerverein ,,1 lubertus" in Prag bestehen seit den 70er Jahren. Ferner finden wir in Böhmen 43 (harten-, Obstbau-, Anpflanzungs- Lind Verschönerungs-Vereine, welche Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre gegründet wurden. Der hervorragendste unter ihnen ist der „Landes-Obstbaumzucht-Verein für das Königreich Böhmen. Der Weinbauverein in Melnik entstand im Jahre 1X74. Drei I lopfenbnuvereine u. z. je einer in Flöhau bei Bodcrsam, in Saäz und in Twerschitz. Bienenzuchtvereine hat Böhmen 24, die auch meist Pmde der 60er und Anfang der 70er Jahre entstanden. In Brüx. Prag und Taus besteht je ein Seidenbauverein. —■• .Andere die Landeskultur in Böhmen fordernde Vereine sind: der Saatgänger-Verein in Albrechtsdorf bei Morchenstern, in Neudorf bei Gablonz und in Wittig bei Kratzau; der Kaninchenzucht-Verein in Michelob; der böhmische Pferdezucht- und Pferderennverein. gegründet 1857: der Thierschutzverein für Böhmen; und der Kleinthierzuchtverein, sämmtUche in Prag: der Verein der Naturfreunde in Reichenberg; der Verein zur Herausgabe böhmischer, wohlfeiler landwirtschaftlicher Bücher ..Matice rolnicka", in Prag; der thierärztliche Verein für Nordböhmen in Tetschen; der Verein zur Verbreitung landwirtschaftlicher Maschinen in Pilsen; und der landwirtschaftliche Club in Böhmen, gegründet im Jahre 1867. Letzterer verfolgt den Zweck, fachliche Interessen zu pflegen und zu fördern und den Mitgliedern Gelegenheit zur geselligen Erholung und geistigen Anregung zu bieten. Die Gesellschaft für Ph\ siokratie in Böhmen, seit 1869 zu Prag, um das Wissen \ 0111 I laushalte der Natur und dessen praktische Anwendung zu fördern. Die wissenschaftliche Thatigkeit «der Gesellschaft theilt sich in folgende Sektionen: für Geologie, Geognosie, Mineralogie und Paleontologie: für Botanik, Zoologie und Pmtimologie; für Physik. Meteorologie, Hydrologie und Chemie; für Physiologie, Pathologie, Hygiene der Menschen und Thiere und für naturökonomische Statistik'. An der Spitze der Vereine in Mahren steht die k. k. mährisch-schlesische Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues , der Xatur- und Landeskunde, in Brünn. Der Verein gliedert sich in je ein Pachcomite oder je eine Sektion: für Forst und Jagdwesen; für Garten-Obst- und Weinbau; für historische Statistik und für Landwirtschaft. Zu ihm gehören noch 38 landwirtschaftliche Bezirks- und Lokalvereine. Der Forstverein für Mähren und Schlesien in Brünn, gegründet 1849, ist zugleich Sektion der k. k. mährisch-schlesischen t L-sellschaft. Ausserdem giebt es noch in Brünn den mährisch-schlesischen Förstschulverein; den Verein zur Hebung der Pferdezucht, seit 1871, und den mährischen Bienenzuchtverein. • Der mährische Seidenbauverein mit dem Sitze in Olmütz besteht seit 1862 und zählt circa 2000 Mitglieder. Er besitzt eine Vereinshaspelan.stalt in Emsdorf bei Bielitz und. •einen Vereinsgarten in Kloster Hradisch bei Olmütz. In Schlesien finden wir die österreichisch-schlesische Land- und Forstwirthschafts-Gesellschaft in Troppau, welche im Jahta.- [863 gegründet wurde und über 700 Mitglieder zählt. Diese Gesellschaft besitzt keine P'achcomites, steht jedoch mit 30 Distrikts-leitungen in Verbindung. — Der land- und forstwirtschaftliche Verein für das nordwestliche Schlesien in Barzdorf, seit 1S67, mit 10 landwirthschaftlichen Casinos als Filialen. — Der landwirtschaftliche Verein für das Herzogtum Teichen. — Der land- und forstwirtschaftliche Filialverein zu Teschen, als Filiale der österr.-schlesischen Land- und Forstwirthschafts-igesellschaft, gegründet [S70. — Der österreichisch-schlesische Bienenzuchtverein in Troppau, mit circa 450 Mitgliedern seit 1870. Dieser giebt ein Journal „Der schlesische Imker', heraus, welches zwölfmal im Jahre zu Troppau erscheint. Der Verein wird sowohl vom Staate als auch aus Landesmitteln subven-tionirt und stattet aus diesen und aus eigenen Mitteln Schulgärten des Landes mit Musterbienenständen aus. Zur Verbreitung der rationellen Bienenzucht hält er überdies Wanderversammlungen ab. In Galizien ist seit dem Jahre 1845 die k. k. Galizische Landw irthschaftsgesellschaft in Lemberg in Wirksamkeit, welche über 1 500 Mitglieder, ein Vereinsvermögen von mehr als 72.000 FL und eine über 8000 Bände starke Bibliothek besitzt. Die Gesellschaft wirkt durch Belehrung, Aufmunterung und Veröffentlichung preiswürdiger landwirtschaftlicher Schriften, Veranstaltung landwirthschaftlicher Ausstellungen, I Herausgabe einer landwirthschaftlichen Vereinszeitschrift in polnischer Sprache unter dem Titel „Rolnik," durch Erhaltung einer praktischen Flachbauschule in Grddek, durch Vermittlung beim Ankauf edlen Zuchtmaterials ausländischer Rindviehracen und Erhaltung subventionirter Stiersprungstationen für Kleingrundbesitzer, durch Veranstaltung populärer Verterinärkurse u. s. w. — Die k. k. ] .andwirthschafts-Gesellschaft zu Krakau für das Grossherzogthum Krakau und 26 westgalizische Bezirke wurde im Jahre 1S45 gegründet Sie hat je eine Filiale in Tarnow. Wadowice, Dombrowa und Rzeszow. Ausserdem ist mit ihr seit 1860 die Forstsektion (ehemaliger westgalizischer Forstverein) verbunden. — Die Garten- und Obstbaugesellschaft in Lemberg, gegründet 1867. — Der Obstbau-, Bienen- und Seidenzucht-verein in Krakau gebildet seit 1868. — Der Bienenzucht- und Gartenbauverein; die Gesellschaft für Pferdezucht und Reimen in Galizien, Krakau und der Bukowina; und der Pferdezucht-und Rennverein, gegründet 1867, sämmtliche in Lemberg. — In der Bukowina besteht der Verein für Landeskultur im Herzogthum Bukowina zu Czernowitz, seit dem Jahre 1851, und der Seidenbauverein in Brezan. — In Dalmatien sind sämmtliche 22 landwirtschaftliche Vereine, welche Ende der 60er und Anfang der 70 er Jahre errichtet wurden, selbständig und die dortige k. k. Statthalterei vertritt die Stelle einer Centrale. Am hervorragendsten in Ungarn sind der „Ungarische Kandes-Agräcultur-Verein", gegründet im Jahre 1828, mit über 8 00 Mitgliedern, — Der Landesforstverein in Budapest, eben-I lIIs mit über 800 Mitgliedern und einem Vermögen von circa S5,000 Gulden. — Der Siebenbürgische landwirtschaftliche Verein in Klausenburg, seit 185 I, mit circa 350 Mitgliedern und einem Vermögen von beiläufig 100,000 Gulden. — Ausserdem giebt es noch landwirtschaftliche Vereine unter dem Namen \rvaer-, Bäcser-, Bodroger-, Baranyaer-, Barser-, Bekeser-, Belaer- (Zipser Comitat), Bistritzer- (Siebenbürgen), Biharer-, BörsödeiS Brassoer-, Csanäder-, Debrecziner-, Graner-, Weissen-burger-, Raaber-, Heveser-. Kroatisch-slavonischer-, Ilancsaer-jaszygier-, Grosskumanier-, S/.olnoker-, Kaposvärer-, Karader-Karansebeser-, Kecskemeter-, Siebenbürgisch-sächsischer-, Ko-morner-, Kubiner-, Küküllouer-, I.engyeltoter-, Liptauer-, Mar-ezaler- (Somogy), Marmaroscher-, Wieselburger-, Neutraer-, Neutrathaler-, Pancsovaer-, Pressburger-, Säroser-, Schiissburger-, Somogyer-, Oedenburger-, Szekasmenter-, St. Gottharder-, Zipser-, Szilagyer-, Szolnok-, Dobokaer-, Temeser-, Titeler-, Tolnauer-, Torda-Aranyoser-, Torontäler-, Trencsiner-, Turöczer-, Ungher-, Phsenburger-, Veszprimer-, Zalaer-, Zempliner-, und Sohler-Landwirthschaftlicher Verein. — Bienenzuchtvereine bestehen in Ungarn unter dem Namen: Arader-, Bäcs-Bodroger-, Bän-falvaer-, Bekeser- und Südungarischer Verein. — „Kellervereine" unter dem Namen: Arad-Plegyaljaer- und Siebenbürgerverein. — Dann giebt es noch eine Weinbaugesellschaft in Weisskirchen; einen Weingärtnerverein in Pressburg; einen Tokay-I legyaljaer Weinbau verein; den Werschetzer Weinproducentenverein; Debrecziner Gartenbauverein; Iglaner (Zips) Gartenbauverein; Papaer Gartenbauverein; Fünfkirchen-Käräszer Gartenbauverein; Budapester Thier- und Pflanzen-Acclimatisationsverein; Ungarischen Landes-Pferdezuchtverein; Slavonischen Bodenkulturverein; und 298 (le-terreich-l'n^arn. .schliesslich den Landeskulturrath für Kroatien und Slavonien in Agram. — Die landwirtschaftlichen Casino.s vermehren sieh von Jahr zu Jahr, besonders in Oesterreich, und diese Vereins-kategorie nimmt nicht nur hauptsächlich bei der Bildung von Genossenschaften zu Ameliorationszwecken den vorteilhaftesten Einfluss, sondern bewährt sich auch ausserordentlich bei ge meinsamem Ankauf von Saatsgut, 1 Hingemitteln u. s, w. Nach officiellen Zusammenstellungen gab es in Oesterreich Ende März l883: 69 landwirthschaftliche Kehranstalten u. z. eine Hochschule für Bodenkultur mit 508, 13 mittlere Lehranstalten mit 834 und 55 niedere Lehranstalten mit '1379 zusammen also 2721 inskribirten Schülern. — Die mittleren Lehranstalten zerfallen in landwirthschaftliche, forstwirtschaftliche und önologisch-pomologische; die niederen gliedern sich in Ackerbau- und landwirthschaftliche Winterschulen, in Molkerei-Waldbauschulen und Schulen für Garten-, Obst- und Weinbau, in Brauerei-, Brennerei- und Seidenzucht-Kurse. Ks bestanden für dieselben 5897.2 Studienstipendien im Gesammtbetrage von 85457 Fl. Die k. k. Hochschule für Bodenkultur in Wien, welche im Jahre 1872 zu dem Zwecke errichtet wurde, die höchste wissenschaftliche Ausbildung in der Land- und Forstwirtschaft zu ertlichen, bietet besonders Gelegenheit zur entsprechenden Ausbildung für' die Administration grösserer Grundkomplexe oder Domänen, sowie für die Lehre und Forschung auf land-und forstwirtschaftlichem Gebiete, und ermöglicht Studirenden der Staats- und Rechtswissenschaften, sich für ihren künftigen Beruf verwerthbare Kenntnisse im Gebiete der Bodenkultur anzueignen. — Die Hochschule theilt sich in die landwirthschaftliche und forstwirthschaftliche Abtheilung, welche unter gemeinsamer Leitung stehen. — Der Unterricht umfasst begründende Fächer, Hauptfächer und Hilfsfächer und zwar in solcher Ausdehnung und Vertheilung, dass der vollständige Kurs in jeder Abtheilung drei Jahre zu dauern hat. An die Vortrüge reihen sich Arbeiten in den agricultur-chemischen, chemisch-technischen, thier-physiologischen und landwirthschaft-lichen Laboratorien, sowie Demonstrationen in den Museen der Hochschule; schliesslich vervollständigen Excuff&iönen auf die benachbarten Güter und in die Laboratorien der landw iithschaftlie'a-ehemischdn Versuchsstation in Wien und der chetnisch>physio-logischen Versuchsstation für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg die weiteren demonstrativen Unterrichtsbehelle. — Au der Hochschule für Hodenkultur besteht Lehr- und Lernfreiheit. — Die Aufnahme der Hörer erfolgt mit Beginn eines jeden Semesters. — Die Studirenden dieser 1 loch>chule sind ent-weder ordentliche oder ausserordentliche Hörer. Wer als ordentlicher Hörer aufgenommen werden will, rriuSS ein Staats-giltiges Maturitäts-Zcugniss von einem Obergymnasium oder einer Oberrealschule beibringen. — Der Unterricht wird von ordentlichen und ausserordentlichen Professoren, honorirten und Privat-Docenten ertheilt. — Die Leitung der Hochschule, welche dem .Ministerium für Kultus und Unterricht untersteht, ist dem Professoren-Collegium übertragen, an dessen Spitze der jährlich aus den ordentlichen Professoren der Hochschule zu wahlende Rector steht. — Das „k. k. Thierarznei-lnstitut in Wien'", ge gründet 1777, hat ein eigenes Hinkommen von ca. 36.000 Fl., die Erhaltungskosten werden vom Reichskriegsministerium g< t lagen. — Die k. k. önologische und pomologische Lehranstalt in Klosterneuburg, er(")ffnet im Jahre 1874, umfasst 3 Jahrgänge, besitzt den Rang einer Mittelschule und hat vorzugsweise die Aufgabe, Lehrkräfte für Wein- und Obstbau heranzubilden. Sie erhält jährlich vom Staate ca. 17.000 Fl; Erhaltungsbeitrag. Landes- und Privatanstalten sind: Die landwirtschaftliche Lehranstalt „Prancisco-Josephinum" in Mödling. Sie wurde 1869 vom landwirtschaftlichen Bezirksverein Mödling gegründet und erhält gegenwärtig eine Subvention vom Ackerbauministerium und der niederösterreichisehen Statthalterei. Der Zweck der Anstalt ist, jungen angehenden Landwirthen, welche die untere Hälfte einer Mittelschule absolvirt haben, die zu einer bewussten und erfolgreichen Thätigkeit im landwirtschaftlichen Betriebe nötige theoretische Ausbildung zu er-theilen. Der Kurs dauert drei Jahre. — Ausserdem giebt es in Niederösterreich noch eine Landesackerbauschule zu Kdelhof bei Amstetten, um Söhne von Wirthschaftsbesitzern für ihren künftigen Beruf auszubilden. Sie wurde 1873 gegründet und hat einen einjährigen Lehrkurs. — Die Landes-Ackerbauschule /u Edelhof bei Zwette, mit einjährigem Lehrkurs. — Die Wein-bauschule in Feldberg, 1873 errichtet vom dortigen landwirth-schaftlichen Bezirksvereine mit zweijährigem Kurse. — 1 He Waldbauschule zu Aggsbach mit einjährigem Kursus. — Die < üartenbauschule der k. k. Gartenbaugesellschaft in Wien, gegründet 1868, erhalten von der k. k. Gartenbaugesellschaft mit Subvention des k. k. Ackerbauministeriums. — Die Landes-Winzerschule in Krems, im Jahre 1875 errichtet. — Die oberösterreichische Landesackerbauschule zu Ritzlhof, Gemeinde ,.Ansfelden". Der Zweck dieser Anstalt ist, Jünglinge, hauptsächlich aus dem Bauernstande, zum rationellen Betriebe ihres eigenen Grundbesitzes zu befähigen, oder sie zu tüchtigen Wirthschaftern und Unterbeamten heranzubilden. Der Unterricht wird in 2 Jahrgängen ertheilt. — Das Schulgut, welches Landeigenthum ist, umfasst einen Grundkomplex von 155*35 1 lectar. — Ausserdem giebt es noch den Baumwärter-Kurs in Kitzlhof. In Steiermark ist an der k. k. technischen Hochschule in Graz, Land- und Forstwirthen Gelegenheit zur fachlichen Ausbildung gegeben, indem an derselben, ausser den erforderlichen mathemathischen. naturwissenschaftlichen, technologisch und allgemein bildenden Vorlesungen, auch nachfolgende fach; und forstwirthschaftliche Gegenstände vorgetragen werden: Land-wirthschaftslehre, Obst-, Wein- und Hopfenbau; über die Einrichtung landwirthschaftlicher Gebäude; über landwirtschaftliche Geräthe und Maschinen; über Forstwirtschaft; und schliesslich über die technischen Eigenschaften der I lölzer, die Elemente der Waldbestandsschätzung mit Rücksicht auf das Redürfniss der Ingenieure, verbunden mit praktischen Uebungen aus sämmtlichen forstwirtschaftlichen Disciplinen. Die steiermärkische Landes-ackerbauschule in Grottenhof bei Graz, eröffnet "867, verfolgt den Zweck, anknüpfend an die Vorbildung, wie sie die Volksschule bietet, junge Bauernsöhne humanistisch und fachlich derart weiter zu bilden, dass sie im Stande sind, selbstständig ihren bäuerlichen Grundbesitz rationell bewirtschaften zu können. Die Anstalt besteht aus einem einjährigen Vorbe-reitungskurse und einem zweijährigen Fachkurse; die Er-haltungskosten werden aus dem steiermärkischen Landesfond bestritten. Die Gutswirthschaft der Anstalt unfasst einen Flächenraum von über 53 Hektar ausschliesslich der nicht arrondirten Waldungen. — Die steiermärkische Landes-Obst-und Weinbauschule bei Marburg an der Drau besteht seit dem Jahre 1872, wird von Steiermark erhalten und hat keine Staatssubvention. Zweck dieser Anstalt ist die praktische und theoretische Ausbildung junger Landleute aus dem Bauernstande, welche mindestens die Volksschule mit gutem Frfolg absolvirt haben und über 16 Jahre alt sind, im Obst- und Weinbau, sowie in der Keller- und Landwirthschaft. Der Kurs ist bei genügender Schulbildung und Sprachkenntniss Zweijährig. Für ärmere Schüler sind hier zahlreiche ganze und halbe Landesstipendien, sowie Bezirksstipendien gegründet. — Mit der Anstalt ist eine Gutswirthschaft von 75 Joch verbunden, wodurch den Zöglingen Gelegenheit geboten wird, sich in allen Zweigen der Landwirthschaft, wie z. B. in der Viehzucht, besonders aber im Obst- und Weinbau, sowie in der Kellerwirthschaft praktisch auszubilden. - Oeffentliche Demonstrationen finden hier jedesmal am ersten und letzten Sonnabend eines jeden Monats statt. — Mit der Anstalt ist eine inzerschule verbunden, welche vom 1. März bis mindestens L. September eines jeden Jahres dauert und in welcher jährlich 02 ■ >e#t erreich »Ungar». 10 junge Winzer von 18 bis 25 Jahren gegen den üblichen Tagelohn nur praktische Ausbildung durch die Verrichtung aller laufenden Arbeiten im Obst- und Weingarten und durch Demonstrationen in deutscher und slowenischer Sprache erhalten. — Die gräflich H. Attems'sche Gemüsebau- und Samenkulturstation in Set. Peter bei Graz wurde 1874 errichtet. Sie hat den Zweck, die Samenzucht in Oesterreich einzuführen, Samenzüchter und Nutzgärtner heranzubilden und jungen gelernten Gärtnern Gelegenheit zur Erlernung der Hilfswissenschaften des Gartenbaues zu bieten. Der niedere Lehrkurs dauert zwei Jahre. Unterrichtsgegenstände sind Samenzucht, Gemüsebau, Blumenzucht, Samenkunde, Obstbaumzucht, landwirtschaftlicher Pflanzenbau, Pflanzenbaukunde, Ackerbauchemie Naturlehre, Geschäftsstil, Buchführung und Arithmetik. — In Kärnthen giebt es seit dem Jahre 1S66 die Ackerbauschule zu Klagenfurt Sie wird von der k. k. Landwirthschaftsgesellschaft erhalten, welche zu diesem Zwecke vom Landtage eine jährliche Subvention von 1500 Ii., vom Staate 2000 Fl. empfängt. Die erste kärnthnerische Sparkasse zu Klagenfurt hat in den Jahren 1876 und 1877 aus ihrem Reservefond die Summe von 74.000 Fl, zur Errichtung eines Gebäudes gewidmet, in welchem die Ackerbau- und die Bergschule untergebracht w urden und welches bereits 1877 bezogen worden ist. Der theoretische Unterricht vertheilt sich auf 2 Wintersemester; für den praktischen Unterricht bestehen Specialkurse. Der Unterricht wird geborenen Kärnthnern unentgeltlich geboten, andere zahlen Schulgeld. — Ausserdem besteht noch in Klagenfurt seit 1872 die Gartenbauschule. - - In Krain linden wir die Obst- und Weinbauschule in Slap. — Im österreichisch-illyrischen Küstenlande wird alljährlich wahrend der Zuchtkampagne an der k. k. Seidenbau-Versuchsstation in Görz ein Dnterriehtskurs für praktische Seidenzüchter abgehalten. Gegenstand dieses Unterrichts ist Anatomie und Physiologie des Seidenspinners, -eine Krankheiten und ihre Bekämpfungsweise. die rationelle Zucht der Seidenraupe, die Samengewinnung nach der mikroskopischen Auswahl der Schmetterlinge i Zellengrainirung). Mit lern Unterrichte sind praktische Uebungen in der Züchterei und im Mikroskopiren verbunden. — Die Landesackerbauschule in Görz, gegründet 1869. Diese Landesanstalt wird vom Ackerbauministerium subventionirt. Der zweijährige Lehrkurs ist theoretisch-praktisch. Die Anstalt hat zwei getrennte, selbst--tändige Sectionen, u. z. eine italienische und slovenische. -In Tirol giebt es seit 1874 eine landwirtschaftliche Landesanstalt zu Set. Michele, Süd-Tirol. Der Zweck derselben ist, tüchtige Landwirthe für Tirol heranzubilden und Arbeiter in einzelnen Zweigen praktisch zu unterweisen. Der Kurs dauert zwei Jahre, die Unterrichtssprache ist deutsch und italienisch. Die Anstalt erhält eine Staatssubvention von 3000 Fl. und eine Dotation aus den Landesmitteln von 8800 Fl. für die Sehlde, nebst 13.500 Fl. für die Wirthschaft. In enger Verbindung mit dieser Schule steht auch die landwirtschaftlich' chemische Versuchs- und die Samenkontrollstation. — Ausserdem finden wir noch eine Ackerbauschule in Koveredo, errichtet im Jahre 1872, eine Ackerbauschule in Trient, seit 1873, eine Waldbauschule in Bregenz, gegründet 1877, mit zweimonatlichem Lehrkurse. Ein Wein- und Obstgärtnerkurs in Bozen, seit 1873, mit dem Zwecke, tüchtige Baumwärter und Weihgärtner tu bilden. Die Samen-, Obst- und Bienenzuchtschule in Weinberlhof und schliesslich die landwirthschaftliche Lahdesanstall in Rothholz bei Jenbach, welche im Jahre 1875 vom Tiroler Landtage gegründet wurde und vom Ackerbauministerium subventionirt wird. Zweck dieser niederen Äckerbauschule ist, angehende Landwirthe, insbesondere Bauernsohne, theils zu einer besseren Bewirtschaftung der eigenen Güter, theils zu tüchtigen Pächtern und Gutsaufsehern heranzubilden. Der Kurs dauert zw ei Jahre, der Unterricht ist theoretisch und praktisch. Der praktische Unterricht umfasst alle Arbeiten, esterreich-Urigarn. Jahre 1875 errichtet. Nebst den Vorträgen giebt es in diesen Anstalten Demonstrationen, praktische Uebungen, Excursionen und Conversatorien. Als Lehrmittel dienen eine Bibliothek,, ein physikalisches Kabinet, meteorologische Beobachtungsstation, chemisches Laboratorium u. s. w. Als Lehrbehelfe hat. letztere Schule eine 37-25 Hectar grosse Institutswirthschaft, mehrere Versuchsfelder, einen Gemüse-, einen landwirthschaftlich-botanischen und forstbotanischen Garten, eine Obstbaumschule und einen Bienenstand. Das Unterrichtsgeld ist verhältniss-mässig sehr gering bemessen und es giebt auch noch 10 Stipendien aus dem mährischen Landesfond. — Die Ackerbauschule zu Kloster-Hradisch bei Olmütz, gegründet vom Olmützer landwirthschaftlichen Verein im Jahre 1876, wird durch freiwillige Spenden zahlreicher Gönner erhalten und verfolgt den Zweck, junge angehende Landwirthe, welche mindestens die Volksschule absolvirt haben, derartig heranzubilden, dass sie einen bäuerlichen Besitz selbstständig mit Lrfolg bewirtschaften können. — Die landwirtschaftliche Winterschule in Kremsier, errichtet 1875 vom Zählinic-Kwassitzer landwirthschaftlichen Vereine; sie wird von demselben auch erhalten. Die Aufgabe dieser Anstalt ist. junge Männer derartig zu bilden, dass sie einst das ihnen anvertraute Landgut rationell zu bewirthschaften im Stande sind. Der Kurs dauert 6 Monate. — In der Ackerbau- und Flachsbereitungschule in Mährisch-Schönberg wird alljährlich ein specieller Kurs für Leinkultur und Flachsbereitung abgehalten. — Uebcrdies giebt es noch in Mähren die Ackerbauschule in Gross-Meseritsch; die ökonomische Lehranstalt, zugleich Weinbauschule in Znaim; die mährisch-schlesische Forstschule in Eulenberg; das Baumwärter-Institut und die Obst-, Wein- und Gemüsebauschule in Brünn. — In Schlesien finden wir die landwirtschaftliche Landesmittelschule in Ober-1 lermsdorf bei Barzdorf mit deutscher Unterrichtssprache, welche im Jahre 1869 gegründet und 1872 bis 1873 als Mittelschule organisirt wurde. Die Schüler erhalten hier ausser dem theo- retischen Unterricht auch Unterweisung in der Kanzlei-, Wirth-schafts- und Garten-Praxis. Mit der Anstalt ist seit 1873 eine Baumwärterschule für 5 Landesstipendisten verbunden, liier finden auch Ausländer für 660 Mark Pensionsgeld Aufnahme. — Die schlesiscbe Landes-Ackerbauschule in Kotzobendz bei T eschen, errichtet 1872, mit zweijährigem Kurs und einer eigenen, 64 Hektar grossen Schuhvirthschaft; sie erhält aus Staats- und Landesmitteln je eine jährliche Subvention von 4000 Fl. — in Galizien giebt es eine höhere landwirtschaftliche Lehranstalt zu Dublany bei Lemberg, gegründet 1855, mit drei Jahrgängen; eine landwirthschaftliche Mittelschule und eine Gartenbauschule in Czernischow bei Krakau; eine P'orstschule und eine Gärtnerbildungsanstalt, gegründet 1855 mit vier Jahrgängen in Lemberg: eine Flachsbau Schule zu Grodek, seit 1870, mit einem Jahrgang; eine Ackerbauschule in Dublany und eine Gartenbauschule in Lemberg, errichtet 1872 mit zwei Jahrgängen. — In der Bukowina besteht eine landwirthschaftliche »Lehranstalt in Czernowitz seit 1871 mit drei Jahrgängen. In Ungarn linden wir an der technischen Hochschule zu Budapest einen Lehrstuhl für Land- und Forstwirtschaft. — Ferner die königlich landwirthschaftliche Akademie zu Ungarisch-Altenburg, seit 1878, mit einem deutschen und einem ungarischen Lehrkurs. Der hier jährlich vorgetragene Lehrstoff umfasst alle Zweige der Landwirthschaftslchre, die Forstwirtschaft, technischen Gewerbe, Baukunde und Thierheilkunde, sammt den diese Disciplinen stützenden mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern. Diese Anstalt besitzt eine umfangreiche Bibliothek, Sammlungen, Laboratorien und eine 306 Katastral-Joch grosse institutswirthschaft nebst 12 Joch grossen botanischem Garten. Zur Förderung des praktischen Unterrichts dürfen die umliegenden Frzherzog Albrecht'schen Domänen und Industrialien benützt werden. In Verbindung mit der Akademie steht eine agricultur-chemische, eine Samenkontroi- und physiologische Versuchsstation, ferner eine Versuchsstation zur Erprobung landwirtschaftlicher Geräthe und Maschinen. — Die königlich landwirtschaftliche Lehranstalt in Keszthely, gegründet 1864, mit dreijährigem Lehrkurse und ungarischer Unterrichtssprache. Die Schule besitzt eine Institutswirthschaft. 292 Katastral-Joch gross, Weingärten, botanischen Garten, Bibliothek, Lesezimmer, chemisches Laboratorium, naturwissenschaftliche und landwirtschaftliche Sammlungen. Sie erhält 31.300 Fl. Staatssubvention, wovon die Institutswirthschaft ca. 9000 Fl. deckt. — Die königliche landwirtschaftliche Lehranstalt in Kolos-Monostor bei Klausenburg, Siebenbürgen, mit dreijährigem Kurse, wovon der erste Jahrgang jedoch blos dem praktischen Unterrichte dient. Hier werden alljährlich aus Staatsmitteln zwölf unbemittelte junge Leute aufgenommen, welche die ganze Verpflegung, und acht junge Leute, welche freies Quartier erhalten. Die Institutswirthschaft umfasst 800 Katastral-Joch. — Die königliche landwirtschaftliche Lehranstalt in Debreczin, wurde aus Staatsmitteln im Jahre 1868 errichtet, sie erhält jährlich über 29.000 Fl: Subvention, die Finnahme aus der Institutswirthschaft beträgt ca. 1 500 Fl.und der Lehrkurs dauert drei Jahre. ZumVortrage gelangen, dem heutigen Standpunkte der Landwirtschaft entsprechend, alle für die mittlere Ausbildung des Landwirtes nötigen Grund-, Fach- und Hilfswissenschaften. Die Institutswirthschaft ist 600 Katastral-Joch gross, zu ihr gehören ein Versuchsfeld, ein landwirthschaftlicber und ein botanischer Garten, Laboratorium, Bibliothek, Lesesaal und naturwissenschaftliche und landwirtschaftliche Sammlungen. — Die Ackerbauschule in Debreczin, ebenfalls aus Staatsmitteln gegründet und 1867 eröffnet. — Die landwirtschaftliche Lehranstalt in Kaschau, errichtet im Jahre 1875. — Die königliche land- und forstwirtschaftliche Lehranstalt zu Kroatisch-Kreuz. Diese auf Landeskosten errichtete und im November 1860 eröffnete Anstalt, deren oberste Behörde die k. kroatisch-slavonische Landesregierung in Agram ist, verfolgt den Zweck, die wissenschaftliche und praktische Ausbildung junger Landwirthe, welche dereinst ein mittelgrosses Grundeigenthum bewirtschaften, Gutspachtungen oder Beamtenstellen bei Güterverwaltungen antreten sollen, sowie die Ausbildung junger Forstmänner für Dienste bei Privatwaldbesitzern, Communen und im Staatsdienst. Ausserdem besteht hier noch getrennt von der Hauptlehranstalt eine Ackerbauschule zur Ausbildung für Bewirthschafter von Bauerngütern und für Wirthschaftsunteraufseher. Sowohl die höhere Abtheilung als die Ackerbauschule zählt drei Jahrgänge. Die institutswirthschaft umfasst 115 Hektar Wald, 65 Hektar Ackerland, 60 Hektar Wiesen, 7:i/4 Hektar Obstgarten, 8 Hektar Obstbaumschulen, 7Y, Hektar Gemüsegarten und 1Hektar Weingarten. In beiden Abtheilungen ist die Unterrichtssprache kroatisch. — Die Ackerbauschule in PIradek mit slovakischer Unterrichtssprache. — Die Weinbauschule zu Er-Dioszeg bei Debreczin, eröffnet im Jahre 1874. Als Lehrmittel dienen hier die dem Grafen PYanz Zichy gehörenden Weingärten im Areal von 102 Katastral-Joch, ferner eine ausgedehnte Obstbaumschule, sowie die ca. IO.OOO Hektoliter Wein fassenden gräflichen Kellereien. — Die Weinbauschule zu Tarczal bei Tokay mit einem 24 Katastral-Joch grossen Versuchsweingarten und 101 Joch Institutswirthschaft. — Die Wein- und Obstbaumschule des ungarischen Landwirthschaftsvereins zu Budapest. Zweck dieser Anstalt ist, brauchbare Kellermeister, Winzer und Kunstgärtner praktisch und theoretisch heran zu bilden. Als Lehrmittel dienen ein önochemisches Laboratorium, 2-12 Joch Weingarten mit Sortenkultur, eine Rebensammlung von 913 Sorten, 4' 10 Joch Obstanlage mit verschiedenen Obstbäumen, 58 Joch Baum- und Rebenschule und schliesslich ein Kelterhaus und Keller, in welchem 400-500 Pämer Wein rationell behandelt werden. Der Kursus dauert zwei Jahre. ■— Die Ackerbauschule in Istvantelek, gleichfalls durch den Landwirthschafts-verein in Budapest 1876 errichtet. Qie siebenbürgisch-sächsische landwirthschaftliche Lehranstalt in Mediasch, eine landwirthschaftliche Mittelschule, wurde von der sächsischen Nationsuniversität gegründet und 1871 eröffnet. Die Unterrichtssprache ist deutsch, der Lehrkurs für die Hauptschule zweijährig und für den sich daran schliessenden Wein- und ObstbaukurS einjährig. Als Lehrmittel dienen hier die Bibliothek, naturwissenschaftliche und landwirthschaftliche Sammlungen, chemische Laboratorien, ein 4 Joch grosser Gemüsegarten, ein botanischer Garten mit 1 Joch Ausdehnung, eine Reben- und Obstbaumschule, ein 4 Joch grosses Versuchsfeld, je einen ebenso grossen Wein- und Baumgarten, ferner Ackerland und schliesslich 23 Joch Wiesen. — Dann giebt es noch in Ungarn eine Ackerbauschule in Bistritz, Siebenbürgen; in Gross-Szent-Miklös mit ungarischer Lhiterrichtssprache, und zu Köldvar, .Siebenbürgen, mit deutscher Unterrichtssprache. — Das königliche Thierarznei-Institut im Range einer Akademie in Budapest. In Verbindung mit dieser Akademie wird jährlich für Civil und Militär je ein halbjähriger Hufbeschlagkurs abgehalten. — Die königlich ungarische Berg- und Forstakademie zu Schemnitz, welche im Jahre 1770 als Bergakademie, im Jahre 1807 als Forstakademie gegründet und im Jahre 1872 reorganisirt wairde, enthält je einen Lehrkurs für Forstwesen und für Forstingenieure. — Die höheren Volksschulen, verbunden mit landwirtschaftlichen und Weinbau-Unterricht in Ungarn, unterstehen dem Ministerium für Kultus und Unterricht. Diese höheren Volksschulen haben einen vierten Jahrgang, dessen spezieller Zweck der Unterricht in den landwirthschaftlichen Disciplinen und im Weinbau ist. — Ferner giebt es noch landwirthschaftliche Kurse an den Lehrerbildungsanstalten zu Debreczin, Klausenburg und Kaschan. — Land wirthschaftliche Kurse für Volksschullehrer werden während der Ferialmonate an den landwirthschaftlichen Lehranstalten, sowie auch an anderen Punkten des Landes, wo entsprechende Lehrkörper dem Staate zur Verfügung stehen, abgehalten. — Der Staat unterhält mehrere Wanderlehrer für Obstbau, Baum- sticht, Weinbau u. s. w. — Ebenso halten auch noch der Siebenbürgische landwirthschaftliche Verein für Weinbau, und das Komornerkomitat für Ackerbau und Baumzucht Wanderlehrer. — Schliesslich besteht noch eine königlich ungarische Landesanstalt für Seidenproduktion in Szegzard und eine Lein-I Lehel-Anstalt und Musterwirthschaft in Iglau. III. Das Gewerbe, die Hausund Fabrikindustrie. Die Schilderungen des technischen Betriebes des Gewerbes, der //ans- und Läbrik-industric, sowie des J/ontamvescns. (Anzahl der Etablissements i Betriebsmittel; Leistungsfähigkeit; hervorragende Linnen und deren Etablissements). — Genossenschaftswesen der Arbeitgeber. — Die Arbeiter (Sociale Lage; Lohnver-häUntSSt; Arbeitsmarkt; Genossenschaftswesen; Gewerbe- und Fabriksordnung; l 'nfallvcrsichcrungsgcsctz). — Grosse Arbeiterbewegungen und Strikes. — Die Produkte, Die Produktion gebiete der gewerblichen Industrie und des Montanwesens in Oesterreich-Ungarn. Die gewerbliche Industrie Oesterreich-Ungarns, welche etwa 8 Millionen Menschen ernährt, hat ihren Hauptsitz in Cisleithanien lind hier sind es wieder ganz besonders die Kronländer Böhmen, Mähren, Schlesien und Niederösterreich, in welchen dieselbe zu einem sehr hohen Aufschwung gelangt ist, während sie andererseits in Dal-matien, der Bukowina und der Militärgrenze nur geringfügig genannt werden kann. — Von grosser Bedeutung ist die Schaf-woll-, Flachs-, Hanf- und Baumwoll-Industrie in Böhmen, Mähren und Schlesien und die Baumwollindustrie in Niederösterreich Die Produktionsgebicte der gewerblichen Industrie etc. in Oesterreich-Ungarn. 313 und Vorarlberg, denn die Anzahl der Spindeln betrug im Jahre 1&&0 in Cisleithanien 1,684.000, in Transleithanien aber 1881 nur ca. 107.000. Ferner die Industrie in „Leder" in Mähren, Niederösterreich und Böhmen und in „Lederwaaren" in Wien und Prag; die „Eisenindustrie" in Steiermark, Kärnthen, Böhmen, Ungarn und Mähren, jene in „Eisenwaaren" besonders in Wien, Weidhofen, an der Ybbs in Niederösterreich und Stadt Steyr in Oberösterreich; die „Industrie in Thonwaaren und Glas" in Böhmen; die „Rübenzuckererzeugung" in Böhmen, Mähren, Un garn, Schlesien und Galizien; die „Bierbrauerei" in Wien und Böhmen; die „Branntweinbrennerei, die Tabak, Seifen-, Kerzen- und Zündhölzchenfabrikation, die Erzeugung von Gold-und Silberwaaren, die Papierindustrie" u. s. w. Oesterreich - Ungarn wird in Bezug der Mannigfaltigkeit an .,Mineralprodukten" von keinem europäischen Staat übertroffen, denn ausser Piatina fehlt keins der nutzbaren Metalle, doch steht es unter sämmtlichen Grossmächten bezüglich des Bergbaues an sechster Stelle, während Deutschland, welches in dieser Beziehung auf gleicher Höhe mit Oesterreich-Ungarn sich befindet, die siebente Stelle einnimmt. — Der Bergbau Wurde in Oesterreich-Ungarn schon in früheren Jahrhunderten mit besonderer Vorliebe betrieben und durch die Pursorge der Regierung unterstützt. — Die Berg- und Hüttenwerke sind theils Staats-, theils Privateigenthum. — Gold liefern Siebenbürgen und Ungarn, in geringer Quantität auch Salzburg und Pirol; Silber dieselben Länder und Böhmen; Quecksilber hauptsächlich Krain, dann aber auch Ungarn und Siebenbürgen. Kupfer gewinnt man am meisten in Ungarn, u. z. ist die bedeutendste Ausbeute die der Oberungarischen Waldbürgerschaft in Iglo, einer 1835 durch die Bemühungen des Grafen G. An-drassy gegründeten Genossenschaft von Grubenbesitzern, welche gemeinsam in der Georgshütte, Phönixhütte und Stephanshütte ihre Erze verschmelzen. Ausserdem sind bemerkenswerth die Hütten von Schmöllnitz in Oberungarn, die Siebenbürger Kupfer- gewerkschaft zu Bälänbänva, die Kupferhütte zu Brixlegg im Unterinnthal (Staatswerk), die Mitterberger Kupfergewerkschaft zu Mühlbach und die Kupferbau-Gesellschaft Bürgstein-Oberarl-St. Johann, beide letztere im Salzburgischen. In geringeren Mengen gewinnt man auch Kupfer in Tirol, in der Bukowina der Militärgrenze, in Krain und Böhmen, welches überdies auch, noch einzig und allein in Oesterreich Ungarn „Zinn" liefert. — Die wichtigsten Zinkgruben finden wir in Westgalizien, obzwar es auch solche in den österreichischen Alpenländern und in Kroatien giebt. — Die reichsten Bleigruben befinden sich in Kärnthen und Ungarn, doch gräbt man auch noch auf Bleierz in Krain. Tirol. Böhmen, Siebenbürgen und anderen Kronländern. — Der hervorragendste Zweig des österreichischen Bergbaues ist jed och der auf Eisen, an welchem ausser Oberösterreich, dem Küstenlande und Dalma-tien, hauptsächlich Steiermark, Kärnten, Ungarn, Böhmen und Mähren theilnehmen. Die Roheisenproduktion betrug im Jahre 1882 in Cisleithanien 435 Millionen Kilogramm, 1881 in Trans? leithanien 164 Millionen Kilogramm.— Antimon wird in Ungarn, Böhmen und Siebenbürgen; Arsenik in Salzburg, Böhmen und Schlesien; Nickel in den beiden ersten Ländern, sowie in Steiermark; Schwefel hauptsächlich in Galizien, dann in Böhmen und Ungarn; Alaun- und Vitriolschiefer in Böhmen, Ungarn, Midiren und Steiermark; Chromerz in der Militärgrenze und in Steiermark; Uran- und Wolframerz in Böhmen; Braunstein in Ungarn Böhmen und Krain; Graphit am meisten in Böhmen und Mähren, dann in Niederösterreich, Steiermark und Kärnten; Asphalt in Tirol und Dalmatien; Bergöl in Galizien und Kroatien gewonnen. — Oesterreich-Ungarn besitzt auch unerschöpfliche Kohlenlager, von denen ein beträchtlicher Theil noch gar nicht in Anbau genommen wurde. Diese Kohlenlager vertheilen sich, mit Ausnahme Salzburgs und der Bukowina, auf alle Kronländer, die reichhaltigsten finden wir jedoch im böhmisch-mährischen Gebirgssysteme. — Die österreichischen Alpen ie Produktionsgebiete der gewerblichen Industrie etc. in Oesterreich-Ungarn.3] 5 obwohl ärmer an fossilen Kohlen, enthalten dennoch in den Mulden, welche Tertiärgebilde ausfüllen, mächtige Ablagerungen vOn Braun- und Steinkohlen. Die Kohlengewinnung hat ■sich von kaum 200 Millionen Kilogramm im Jahre 1831 auf 'S,555 Millionen Kilogramm im Jahre 1882 in Cisleithanien und D98 Millionen Kilogramm Stein- und Braunkohle im Jahre 1881 111 Transleithanien gesteigert. — Weltberühmt ist auch Oesterreich-Ungarn wegen seines Salzreichthums, denn Steinsalz beendet sich in unermesslichen Lagern zu beiden Seiten der Karpathen, namentlich in Wieliczka und Bosnia in Galizien» lr» der ungarischen Marmaros und in Siebenbürgen. Sudsalz Mrd in eigenen Staatssiedereien aus künstlich gewonnener Soole lrn oberösterreichischen, .salzburgischen und steiermärkischen Salzkammergute und in Tirol, aus natürlichen Salzquellen aber an der Nordseite der Karpathen und in Soovär in Ungarn Rewonnen. Die ersteren befinden sich in Hallstatt, Ischl, 'diensee, Aussee, Hallein und zu Hall in Tirol, und bei ihnen finden wir auch Salzberge. — Seesalz wird in der Staatssaline fcü Stagno in Dalmatien und in verschiedenen Privatsalinen an der istrischen und dalmatischen Küste gewonnen — Uebcrfluss herrscht auch an nutzbaren Erden, an Bau- und Bruchsteinen 11 ■ s. w,, an allen Gattungen Thon bis zur edlen Porzellanerde; und an Marmor, Gyps, Kreide u. s.w. — Erwähnems-werth sind auch der Lepidolith Tirols, besonders aber Mährens als einer der schönsten der ganzen Welt; der Asbest in Oberösterreich, 'Pirol und Ungarn; der Bergkrystall lr* Ungarn, u. z. von besonderer Reinheit als „Marmaroser-Lhamanten und Dragonniten" bekannt, und in Siebenbürgen. — An Kdel- und Halbedelsteinen giebt es den edlen ungarischen »Opal", welcher als „orientalischer" in den Handel kommt; Granaten, unter denen die böhmischen die schönsten Europa's Sind; Karneole, Achate, Berylle, Chalcedone, Chrysolythe, Amethyste, Hyacinthe, Jaspis, Rubin, Saphir. Smaragd, Spinell, Topas u. s. w. Als Betriebsmittel der industriellen Etablissements finden wir ausser dem Dampf, hauptsächlich in Cisleithanien, eine intensive Ausnützung der Wasserkraft, wozu die zahlreichen Ge-birgsbäche und mit stärkerem Gefälle dahinrauschenden Flüsse, an denen Cisleithanien so ausserordentlich reich ist, die günstigste Gelegenheit bieten. Das Oewerbe, die Industrie und das Montanwesen in den österreichischen Alpenländern. In Tirol war die gewerbliche Industrie niemals von grosser Bedeutung, und in Vorarlberg hat sie sich erst in diesem Jahrhundert zu einer sehr wichtigen Volkserwerbsquelle entfaltet. — Die Textilindustrie wird von mehreren Fabriken vorherrschend in Nordtirol betrieben. — Eine weit grössere Wichtigkeit als die Textilindustrie für Nordtirol hat bis in die neueste Zeit die Seidenindustrie für Südtirol gehabt, aber die Raupenkrankheit und die Concurrenz der asiatischen Seide vernichtete in den letzten Jahren beinahe vollkommen diesen einst so blühenden Industriezweig. — Die Sani-metweberei in Ala droht ganz zu verschwinden und die Seidenweberei in Roveredo hat so gelitten, dass die Zahl der Fabriken auf ein Minimum gegen frühere Zeiten zusammenschrumpfte. — Nicht unbedeutend ist in Tirol und Vorarlberg die- Papierfabrikation, so prodticirt z. B. Roveredo ungefähr 62,500 Ries Papier jährlich.— Die in Tirol uralte Lederfabrikation, welche einst sehr entwickelt war, ist leider nunmehr auch in Verfall gerathen, in I^olge der geänderten Bekleidung der Landleute, doch überragt Südtirol noch immer Nordtirol in dieser Produktion. — Auch die Plandschubfabrikation ist sehr stark zurückgegangen, denn es werden jetzt im Innsbrucker Kamnierbezirk höchstens noch für 14,000 Gulden Handschuhe tateugt, und die einst so blühende Handschuhfabrika-tl0n zu Jnnichen existirt beinahe gar nicht mehr. Kben 80 hat die Verfertigung von Tabaksdosen, Tabakspfeifen und Löffeln aus Horn im Gebiete von „Sterzing" völlig aufgehört. ~— Bedeutender ist die Produktion von Strohhüten und Hornknöpfen in demselben Bezirk, sowie die „Sumachfabrikation" zu Bozen und Roveredo. Aus älterer Zeit Stammen auch die Bierbrauereien und Schnapsbrennereien Tirols; jedoch hob sich dieser Industriezweig erst ganz besonders zur Zeit der Traubenkrankheit. Trotzdem Wlrd aber noch viel fremdes Bier aus Pilsen, München, Wien, Graz, Salzburg u. s. w. im 1 .ande getrunken. — Gleichzeitig 11111 der Bierbrauerei kam auch die Schnapsbrennerei in Auf Scbwung, obwohl sie von den Weinherren lange heftig verfolgt wurde, und schon nach kurzer Zeit hatte sie sich derartig enthaltet, dass jeder grössere Weinbauer ebenfalls eine Brennküche hatte. — Daher die enorme Anzahl Brennereien in Tirol, von denen aber nur höchstens ein Drittel fabriks- und gewerbsmässig betrieben werden, während die anderen blos den Hausbedarf der einzelnen Landwirthe decken. — Nebst Bier und schnaps kam auch in letzterer Zeit, zum Nachtheil des Landes, die Fabrikation von Schaum- und anderen »künstlichen" Weinen in Schwung! — Von Bedeutung ,st die Getreidemahlmühlen- und Kaffee-Surogaten-Industrie denn die erstere erzeugt in Deutschtirol für ungefähr 2 Millionen die letztere für circa i '/2 Millionen Waare. — In Bozen erlangt die Fabrikation von Früchtenzucker grosse Wichtigkeit, — Ausserdem finden wir in Trient mehrere Fabriken der berühmten Cervalat- und Salamiwurst. Im Kunstgewerbe nimmt die Innsbrucker Glasmalerei den ersten Rang ein. Sie erhält alljährlich sehr beträchtliche Bestellungen nicht nur im Lande, sondern ebenfalls aus den be. riachbarten Kronländern, und exportirt ihre Produktion selbst nach Amerika. In neuester Zeit übernahm sie auch Profan- bauten und wurde mit wichtigen Restaurirungsarbeiten betraut. — Als kunstverwandte jüngere Schwester trat ihr in neuester Zeit eine grössere Mosaikwerkstätte zur Seite. — Eines weit über die Grenzen reichenden Rufes erfreut sich auch eine Kunstanstalt für Stickerei in Innsbruck, denn ihre im strengen Stil gehaltenen und musterhaft ausgeführten Kirchengewänder haben die volle Anerkennung des österreichischen Museum* gefunden. — Der Besitzer derselben verlegt sich seit einiger Zeit auch auf die Herstellung von Theatercostümen und Möbeb Stickereien. — ban altberühmter Artikel tirolerischer Kunsttechnik, welcher zumeist von Autodidakten betrieben wird und sich häufig zu wahren Kunstleistungen erhebt, ist die Holzschnitzerei. — Von grösserer Bedeutung wurden aber erst i° letzterer Zeit die poligraphischen Gewerbe. In der Holzwaarenindustrie erlangten früh die Bewohner des „Grödnerthals", die alten „Ladinus", Nachkommen der Römer, deren Sprache sich zum Theil bei ihnen erhalten hat, grosse Berühmtheit. Sie verkauften zuletzt ihre Waaren, hauptsächlich Kinderspielwaaren, in allen Ländern Europas, ja selbst massenweise; nach Amerika. — Aber seit den letzten De-cennien sind die ehemaligen stattlichen Waldungen ausgerodet und die fremde Concurrenz hat die Waarenpreise so gedrückt, dass die Leute, bei dem geringen Verdienst von kaum „4° Kreuzer" im Durchschnitt, nicht vor Hunger geschützt sind und nur ein Dutzend reiche Leute daraus namhaften Gewinn ziehen. Das ist um so schlimmer, weil jetzt Grund und Boden grösstentheils diesen gehören und 90% de1' Bevölkerung auf den kargen Verdienst angewiesen, somit von jenen ganz abhängig sind. Gegenwärtig beschäftigt die Holzindustrie im Grödnerthale ungefähr 2950 Arbeiter und Arbeiterinnen, die bis auf ungefähr 400, welche auf die Nachbarorte entfallen, alle Grödner sind. Der Werth der im Jahre 1882 ausgeführten Schnitzwaaren betrug bei einem Gewicht von 8000 Centner 600,000 Gulden. Ein weit er- Treulicheres Bild gewährt der neue Industriezweig, welcher auf socialer Basis in „Ampezzo" vor 8 Jahren gegründet wurde. Er besteht aus Holzschnitzerei, Holzmosaik und Filigranarbeit. Hier besorgt das „Schulcomite" höchst lobenswerther Weise unentgeltlich die Geschäfte der Industrie, und die Bevölkerung zeigt regstes Interesse, einen höchst erfreulichen Gemeinsinn und Opferwilligkeit, daher überstieg der Werth der abgesetzten Produkte in den letzten Jahren schon die Summe von 10.000 Gulden. Die Spinnerei und Weberei von Baumwolle bildet ausser der Viehzucht eine der Haupterwerbsquellen der Bevölkerung Vorarlbergs und wird mit P>folg im grösseren Umfang betrieben. Ein sehr bedeutendes Quantum dieser Gewebe wird auch iiri Lande gefärbt und gedruckt, wozu nebst einigen Bleichereien circa I Dutzend Färbereien, Türkischroth und Blau, und circa '/2 Dutzend Druckereien, sowie mehrere Appreturen bestehen. Vorarlbergs Rothgarn befriedigt einen g rossen Theil des österreichischen Bedarfs, liefert den Östlichein Ländern der Monarchie eine Menge Kopf-, Hals- und Armtücher und Italien rothe Zeuge zu Sonnenschirmen.— Die gesammte Baumu ollenindustrie beschäftigt ungefähr 8000 Menschen, verarbeitet circa 600.000 Centner Baumwolle und liefert dem Lande einen jährlichen Gewinn von über 1 '/., Millionen Gulden. — Ausserdem verschafft noch die Stickerei feinster Baumwollengewebe, welche meist von Schweizer und amerikanischen Fabrikanten bestellt werden, vielen Frauen und Mädchen in den Dörfern Verdienst. — Neben den Baumwollenfabriken arbeiten auch noch ein' paar Schafwollenfabriken. — Gegenwärtig bestehen im F'eldkircher-kammerbezirk 17 Baumwollenspinnereien. Die Anzahl der Spindeln beträgt 179.I52, wovon 155.916 Seifaktors, 15.556 Handspulspindeln, 4996 Trossles und 3590 Ring-Zwirn und iving-Trossles sind. Die Gesammtproduktion an Garnen beläuft 320 Oesterreich-Upgarn, sich auf 3,700.CXX) Kilogramm im Werthe von ungefähr 4,500.000 Gulden. — Baumwollenwebereien giebt es gegenwärtig in Vorarlberg 22 Etablissements mit 3211 Webstühlen, darunter 3169 mechanische und 43 Handstühle. Die Zahl der Arbeiter beträgt 2294, u. z. 330 Männer, 1854 Weiber und 110 Kinder. — An Webewaaren werden im Jahre durchschnittlich gegen 312.000 Stück in verschiedensten Massen, Gewicht und Werth erzeugt. — Die Veredlungsindustrie betreiben 14 Firmen mit 6 Türkischroth-Färbereien, 11 Schönfärbereien, 6 Druckereien, 6 Bleichereien und 9 Appreturen. Beschäftigt wurden darin 1092 Arbeiter, nämlich 758 Männer, 293 Weiber und 41 Kinder. Die Zahl sämmtlicher in allen drei Industriezweigen beschäftigten Arbeiter beträgt somit 5258, wovon 1869 Männer, 3108 Weiber und 281 Kinder. — In neuerer Zeit haben in Vorarlberg auch die anderen Industriezweige grössere Wichtigkeit erlangt, so z. B. die Metallindustrie, ferner die Bijouterie-waaren-, Holzspulen-, Spindeln- und Fournirfabrikation, die Gerbereien, Drahtstiftenfabriken, sowie andere Industrie- und Gewerbezweige. Ziemlich guten Verdienst haben in den letzten Jahrzehnten die wandernden Hausirer, Maurer, Steinmetzen, Stuckatur-arbeiter, Tischler, Schmiede, Schlosser und dergleichen an der Bevölkerung Tirols gefunden, ja sogar manche von ihnen kehrten nicht selten mit reichem Erwerb in die Heimath zurück. Hauptsächlich sind bei den vielen Bauten der deutschen und österreichischen Städte, sowie bei den vielen Eisenbahnbauten, zahlreiche Tiroler und Vorarlberger besonders aber Welschtiroler beschäftigt gewesen und erhielten dadurch für die verschwundenen früheren Erwerbsarten einen neuen Ersatz. — Ueberdies haben die Sulzberger als Kesselflicker, die Nons-berger als Rauchfangkehrer, die Männer aus Rendena als Scheerenschleifer in und ausser dem Lande guten Ruf, während die frühere entferntere Kundschaft der allgemein bekannten „Krautschneider", welche weit und breit auf dem platten Lande umherzogen — verloren ging. In den übrigen Alpenländern Oesterreich-Ungarns finden wir, dass die Textilindustrie in Nieder-und Oberösterreich einen bedeutenden Rang einnimmt. Der Wiener Arbeiter des Woll-, Leinwand- und Baumwollgewerbes steht an Geschicklichkeit und Geschmack keinem anderen nach! — In Oberösterreich beschäftigt die Weberei über 4000 Arbeiter neben der grossen Hausindustrie der vielen Spinner im „Mühlkreise", denn auch in den Alpenländern wird die Leinwandweberei vielfach im Hause betrieben. — Wien bildet in manchen Artikeln noch immer den Hauptsitz der Österreich-ungarischen Industrie, obwohl seit neuester Zeit zahlreiche industrielle Unternehmer ihre Fabriken von Wien nach Böhmen verlegen, weil dort die Arbeitslöhne billiger sind. — Einen kolossalen Aufschwung hat in Wien die mit circa 10.000 Näherinnen arbeitende Händschuhfabrikation und die Kleider- und Schuherzeugung genommen, denn erstere erzielt ungefähr 33 '/2, letztere 12 Millionen jährlichen Produktions-Werth. — Die Wiener Klaviere, Harmoniums, Geigen und Holzinstrumente werden weithin versendet. — Wiener Leder-Galanterie-Artikel haben sich heut zu Tage den Weltmarkt erobert und die Kautschuk-Weberei ist eine specielle Wiener Erfindung; ebenso berühmt sind auch die dortigen optischen Instrumente. — Die Anfänge einer Broncewaarenindustrie in Wien stehen im engsten Zusammenhang mit der Gründung de» österreichischen Museums für Kunst und Industrie, denn dieses Institut versuchte es in Verbindung mit dem ebenfalls neu gegründeten Verein zur I lebung der Bronceindustrie, dem österreichischen Kunstgewerbe ein neues Peld zu eröffnen. Die ersten Resultate waren 1873 in Wien ausgestellt, die zweite Reuerprobe bestand die junge Industrie 1878 in Paris. Seitdem hat 1883 in Wien eine Bronceausstellung stattgefunden, aui welcher die Wiener Erzeugnisse reich und in übersichtlicher üestcrreichaingarn. 21 322 ' )esterreic1i-rn};ari]. Weise vertreten waren. Aehnlich wie in Frankreich suchten auch hier zunächst das Kaiserhaus, Staat und Stadt, denn wie in Frankreich um eine specifisch Pariser, so handelt es sich hier um eine ausschliesslich Wiener Industrie, durch reichliche und umfangreiche Bestellungen dem jungen Handwerk unter die Arme zu greifen. Bestellungen, an deren Herstellung sich Künstler und Handwerker in gleichem Umfang zu betheiligen hatten, an denen sie ihr höchstes Können erproben sollten und konnten. — Auch ist es der mit dem österreichischen Museum verbundenen chemisch-technischen Versuchsanstalt gelungen, eine Anzahl Verfahren zu erfinden, welche die alten kostspieligen Processe der farbigen Metalldecoration auf ungleich billigerem Weg herzustellen möglich machen. Namentlich Arbeiten mit nachgeahmten Tuschirungen bilden heute einen 1 lauptexportartikel der Wiener Industrie. — Gleiche Sorgfall wandte man dem Email, namentlich dem gemalten und sogenannten Venetianer, zu, ferner ward das kalte Email, welches sich besonders für die unechten Schmucksachen eignet, aber auch für zahlreiche andere Gegenstände seiner Billigkeit und einfachen Herstellung wegen brauchbar ist, wieder in ausgedehnter Weise zur Anwendung gebracht. So hat sich in kurzer Zeit ein neuer Zweig des Kunsthandwerks aus einem künstlich aufgepflanzten Reis schon zu einem Bäumchen entwickelt, dessen weiteres Gedeihen lediglich von der Pflege abhängt, die ihm zu Theil werden wird. — Leider ist die ausserordentlich hochentwickelte Wiener Waggon- und Locomotivfabrikation gegenwärtig fast vollkommen in Stillstand gerathen; Hunderte von \rlieitern mussten in der letzten Zeit entlassen werden, weil der in früheren Jahren in Oesterreich-Ungarn so ausserordentlich intensiv betriebene Eisenbahnbau nunmehr sehr bedeutend an Ausdehnung verloren hat. Aeusserst interessant sind die statistischen Publicationen der Wiener i hmdels- und Gewerbekammer über den Stand der Industrie in Niederösterreich. Diese Industrie - Statistik unterscheidet /.wischen Grossbetrieb und Kleinbetrieb, wobei als Gränzmarke die Summe der gezahlten Krwerbsteuer betrachtet wurde. Als Grossbetrieb wurden alle gewerblichen Unternehmungen von mindestens 42 Gulden einfacher Krwerbsteuer betrachtet. Für den Grossbetrieb lagen der Kammer nur in Folge einer eindringlichen schriftlichen Fnquete die Daten für eine intensivere statistische Bearbeitung vor. Als Ver-gleichung für Wachsthum oder Rückgang ist dem Jahre 1880 in den meisten Beziehungen das Jahr 1870 gegenübergestellt. La zeigt sich denn zuvörderst, was die Anzahl der in Niederösterreich bestehenden gewerblichen Unternehmungen betrifft, dass sich die Zahl der Grossbetriebe im Laufe dieser zehn Jahre von 2175 auf 2372, das ist um 197 oder 9,34 Procent, jene der Kleinbetriebe von 55,261 auf 56,293, das ist um 1032 oder 1,8 Procent, erhöht hat. Selbstverständlich sind diese Zahlen nur das Durchschnittsergebniss bedeutender Verschiebungen in den einzelnen Industrie-Gruppen und setzen sich aus Erhöhungen und Rückgängen zusammen. Besonders interessant gestaltet sich die Vergleichung, wenn man die Verschiebungen innerhalb der einzelnen Gruppen im Gross- und Kleinbetriebe gegenüberstellt. Da ist z. B. die Textil-Industi ie> w. 1 der Grossbetrieb um 7,7 Procent, der Kleinbetrieb dagegen um 29,1 Procent zurückging. Diese Ziffern lassen im allgemeinen gewiss auf keinen Aufschwung in der Branche schlicssen, wohl aber, speciell im Grossbetriebe, auf die Wirkung der Wegverlegung von P'abriken aus Wien nach Böhmen, Mähren und Schlesien, wo die Arbeitslöhne niedrigere sind, und im Kleinbetriebe auf fortschreitende Aufzehrung des Kleingewerbes durch die Grossindustrie. — In der grossen Gruppe der gesummten Baugewerbe wieder ist eine Steigerung in der Anzahl der Grossunternehmungen um 38,6, in jener der Kleinbetriebe um 56,6 Procent ausgewiesen. 1 Her zeigt sich die Wirkung der Auflösung grosser Bau - Actiengesellschaftcn, deren 'Pbätigkeit sich auf eine grössere Anzahl theils kleiner, theils grosser 324 Öesterreich-Urigarn, Privat-Unternehmungen vertheilt hat, so dass trotz des I )ar nicderliegens des Baugeschäftes, wenn man das Jahr 1880 mit dem Jahre 1870 vergleicht, doch die Zahl der Unternehmungen sich vermehrte. — Besonders bezeichnend im Sinne des Ueber-gangs vom Kleinbetriebe zum Grossbetriebe sind die Gruppen der Industrie in Leder, Häuten, Fellen, Borsten, Haaren und Federn und der chemischen Industrie. In ersterer Gruppe nahm der Kleinbetrieb um 13,6 Procent ab, der Grossbetrieb um 24,5 Procent zu, in letzterer der Kleinbetrieb um 7,9 Procent ab, der Grossbetrieb um 17,2 Procent zu.— Die so stark vertretene Bekleidungs- und Putzwaaren-Industrie zeigt in dieser Hinsicht das eigenthümliche Verhältniss, dass der Kleinbetrieb auf der gleichen Stufe verblieb, u. z. mit einer Abnahme von 0,7 Procent, während der Grossbetrieb um 48,2 Procent zunahm. Dies dürfte wohl daher rühren, dass zahlreiche „kleine" Schneider und Schuhmacher nach wie vor als selbständige Gewerbsleute besteuert bleiben, während ihre direkten Abnehmer als viele neu etablirte Unternehmer grösserer Geschäfte auftreten. — Von grossem Interesse ist die territoriale Vertheilung der Industrie innerhalb des Kronlandes Niederösterreich. Von den 2372 Grossbetrieben dieses Landes befinden sich 72,9 Procent in Wien und dessen Vororten. F^s haben ihren Standort 1515 Fabriken in Wien, 214 in dessen Vororten, 643 auf dem flachen Lande, nämlich 406 im Viertel unter dem Wienerwald, 88 im Viertel ober dem Wienerwald, 91 im Viertel unter dem Man-hartsberg und 63 im Viertel ober dem Manhartsberg. Berücksichtigt man den Werth der von den einzelnen Gruppen der Grossindustrie geleisteten Produktion, so ergeben sich folgende Ziffern, wobei wir stets zuerst die Zahl der Grossbetriebe, dann jene der verwendeten Arbeiter und endlich den Prodüktions-werth anführen, und zwar: Metalle und Metallwaaren: 245, 13,501, 28,803.421 PI; Maschinen, Werkzeuge, Apparate. Instrumente und Transportmittel: 135, 11.284, 17,480.040 Fl.; Industrie in Steinen, P>de, Thon und Glas: 75, 6647, 4,148.250 PT; Industrie iu Hol/., Bein, Kautschuk und Guttapercha: 95. 4095, 7,528.755 Fl.; Industrie in Leder, Ilauten, Fellen, Borsten, Haaren und Federn: 66, 2021, 9,550.475 Fl.; Textilindustrie und Tapezirergewerbe: 252, 23.941, 40,947.836 Fl.; Bekleidungsund Butzw aaren-Industrie: 246, 12.789, 19,896,600 FL; Papier-Industrie: 72, 5065, 9,657.900 Fl.; Industrie in Xahrungs- und Genussmitteln: S70, 12.925, 111,134.913 FT; chemische.Industrie: 102, 4506, 35,008.325 Fl., Baugewerbe: 176, 13.226, 12,185.635 Fl.; polygraphische und Kunstgewerbe: 101, 5342, 10,519.3001^1. In Nieder- und Oberösterreich, Steiermark und Kärnthen hat auch die Bierbrauerei einen riesigen Aulschwung genommen. — In der Erzeugungsperiode vom 1. September 1882 bis 31. August 1883 waren in Niederösterreich 87 Brauereien in Betrieb, welche zusammen 2,532.943 Hektoliter Bier producirten und hierfür an Verzehrungs- und Nachtragssteuer 5,221.281 Fl. entrichteten. Die Produktion hat daher gegen die vorausgegangene Verwaltungspcriode um 58.858 I lektoliter, die Steuerleistung um 87.085 Fl. zugenommen. — Im „Kammerbezirke" erzeugten acht Brauereien je über 10O.OOO Hektoliter, u. /..: In der Erzen^un^speriode 1882/83. • Im Kalenderjahr 1883. Schwechat . . . 427.790 Hektoliter 431.060 Hektoliter St. Marx .... 374.970 „ 366900 „ Giesing..... 243.600 „ 245.794 Hütteldorf. . . . 205.757 „ 205.856 „ Ottakring . • . . . 154.800 „ 165.300 Nussdorf .... 151.320 „ 153.960 Brum a. G. . . . 149.850 „ 114$.I$3 Schellendorf . . . 101.190 „ 104 550 „ Doch wird trotzdem noch sehr viel bayrisches Bier im-portirt, und diese Einfuhr steigert sich sogar von Jahr zu Jahr. So wurden z. B. vom 1. Januar bis 31. Juli 1884 20.208 Mcter-Lentner deutsche Biere, u. z. meist bayerisches Bier, in Oesterreich-Ungarn eingeführt, gegen nur 5735 Meter-Centner in der 3ä6 Oesterreich-t'nijarn gleichen Zeitperiocle 1885. Ja, der Import deutscher Biere hat sich mehr als verdreifacht; selbst im heissen, dem Transport nicht günstigen Monat Juli des Jahres 1SX4 wurden i4r6 Meter-Centner Bier, gegen 328 Centner im Juli 1883 eingeführt. — Uer Bierconsum Oesterreich-Ungarns betrug im letzten Jahre aber doch nur fö Gallonen per Kopf der Bevölkerung, während er in Bayern 62, in Württemberg 58, in Belgien 41, in Grossbritannien 36, in Deutschland ohne Bayern 24, in den Vereinigten Staaten Ii, in der Schweiz 10, in Frankreich und Russland je 5, in Schweden 4, in Canada 2 und in Italien nicht einmal i ganze Gallone ausmachte. Nennenswerth ist ebenfalls die Feder- und Papierfabrikation in Niederösterreich, die Glasfabrikation in Oberösterreich und Steiermark, die Strohflechterei um Graz, die Holzindustrie im niederösterreichischen Waldviertel, die Kalkbrennerei und Cementfabrikation in den Kalkalpen, besonders Niederösterreichs und Salzburgs, die Ziegelfabrikation bei Wien Von hervorragender Wichtigkeit ist aber die Päsenindustrie in den österreichischen Alpenländern, welche fast durchgehends von Deutschen betrieben wird. Eisenwerke aller Art, Gusswerke, Sensenhämmer, Nagelfabriken etc. durchziehen den Wiener Wald und seine nächste Umgebung. Der Weichguss wurde sogar in Hamfeld und Neunkirchen zuerst eingeführt. —- Waffenfabriken, 38 Sensenwerke, 189 Messerfabriken, von denen 187 handwerksmässig betrieben werden, 29 Nagelfabriken, viele Puddel- und Walzwerke, sowie Werkhämmer befinden sich in Oberösterreich, besonders aber in „Steyer", und haben im Jahrhunderte langen Bestand eine eigene Bevölkerung von Schmieden herangezogen, von denen viele Gewerkfamilien seit undenkbarer Zeit auf ihrem Grund sitzen. — Die Arbeiterzahl beläuft sich in allen diesen Werken auf ungefähr 8000. — Noch grösseren Panfhiss hat diese Industrie in Obersteiermark, wo ein grosser Procentsatz der gesammten Bevölkerung direkt mit derselben zusammen- hiitigt. -- Die Eisenwerke, hauptsächlich die von ,,Maria-Zell" und die Bessemer-Stahlhütten zu Turracb, Hraz, Neuburg, Zeltweg. sowie die Gussstahlerzeugnisse von Obersteiermark, nehmen die erste Stelle unter allen derartigen Werken in Oesterreich ein, und die Sensen, Strohmesser, Sicheln u. s. w., bei deren Verfertigung hier an 1200 Arbeite]- beschäftigt sind, geniessen neben den gleichartigen Lr-zeugnissen von Steyr einen wob herdienten Weltruf. — Ebenso, ringen Hüttenberg, Bleiberg u. a. kärnthische Orte um den Preis mit Obersteiermark. — Besonders der lies semer Stahl von „Hüttenberg" und der sogenannte „Kreiauer Stahl" von Streitleben, Knppl u. s. w. geht in die entferntesten Länder. - Grossartig ist auch die Bleiverhüttung in Bleiberg. An diese Industrie reihen sich würdig die grossen Maschinen-, Lokomotiv- und Waggonfabriken, die Verfertigung feuerfester Kassen in Niederösterreich und Steiermark. Ausserdem blühen auch alle anderen Gewerbe rasch auf, rib z. vornehmlich in der Hand der Deutschen. — Selbst in den Bezirken mit gemischter, deutsch-slovenischer Bevölkerung hat die letztere fast ausschliesslich blos die mit dem Ackerbau direkt zusammenhängenden Gewerbe in Betrieb genommen. In den deutschen Kronländern ist am meisten die Arbeiterbevölkerung Wiens und Umgebung mit slavischen Pdementen versetzt, doch bilden auch hier die Deutschen bei Weitem die Ueberzahl. Aus dem Waldlande, nördlich der Donau in Nieder- und Oberösterreich, werden viele Hausgeräthe, P'assdauben, Stöcke für Weingärten u. s. w., lauter I^rzeugnisse einer intensiv betriebenen Hausindustrie, ausgeführt. — Hervorragend ist auch die grosse Sagemühlen-Industrie, welche aus dem Holzvorrat Inder österreichischen Gebirge erwächst und theils von den Bauern selbst, theils von bedeutenden Industriellen schwunghaft betrieben wird. — In Oberösterreich bestehen allein ungefähr 979 Brettersägen, darunter 19 Dampfsägen, welche jährlich circa 92.000 Kubikmeter an Brettern, Pfosten, Latten u. s. w. erzeugen. — Pech wird überall aus den Nadelholzbeständen gewonnen und auf der „Saualpe" sammelt man den „Speik", der noch heut zu Tage ein Lieblingsparfüm der Orientalen bildet und deshalb alljährlich in grossen Quantitäten in die Levante ausgeführt wird. Das Montanwesen in Tirol, welches einst eine so reiche hinnähme der Bewohner bildete, ist derartig-tief gesunken, wie kaum in einem anderen Lande PAiropas. Nach den neuesten Ausweisen wird in 'Pirol kein Goldbergbau mehr betrieben, aber kärnthnerische Goldprodukte im Werthe von ca. 65.000 Fl. in der Schmelzhütte zu Brixlegg geschmolzen. — Von den 1 1 Kupferbergwerken standen in den letzten Jahren 9 im Betrieb, jedoch bezifferte sich der Gesammtwerth ihrer jährlichen Produktion blos auf circa 200.coc Fl. — Ivbenso unbedeutend ist auch die Roheisenproduktion, denn von den 1 1 Unternehmungen auf Bleierze waren nur 8. mit sehr geringer Jahresleistung, im Betriebe. — Die Zink-, Asphalt- und Braunkohlenproduktion war ebenso unbedeutend, doch hat sich die letztere etwas gehoben. Bedeutender ist die Salzerzeugung der Saline Halle, welche jährlich ungefähr eine Million Gulden Reinertrag liefert. •— An der gesammten Mineralproduktion t »Österreichs nimmt Tirol blos mit O.8o"0 Bergbau und 0.82 % 1 lüttenbau Theil, während Vorarlberg beinahe gar nicht in Betracht kommt. — Im Jahre 1868 wurde eine Marmorwerkstätte bei Laas im Vinschgau und eine Steingewerksanlage bei Sterzing errichtet. — Von den anderen Mineralien und Gesteinen, welche gewonnen werden, verdienen nur die Marmorbrüche im Vinschgau, bei Sterzing und Trient, verschiedene Porphyrbrüche im südlichen Deutschtirol, der Serpentinbruch bei Sterzing und die Wetzsteine Vorarlbergs Erwähnung. Der Bergbau am „Krzberge" in Steiermark entwickelt sich in der neueren Zeit wirklich grossartig, seitdem der Eisenbedarf in Folge der Entwicklung des Eisenbahn- und Maschinenwesens stetig wuchs, und auch die Fortschritte in den technischen und Naturwissenschaften, sowie im Associationswesen, eine intensivere Ausnützung der Baue ermöglichten. — Gegenwärtig sind in Obersteiermark % "/,, der Gesammtbevölkerung mit dem Bergbau beschäftigt, abgesehen von den Arbeitern bei der Raffinerie, ja im ganzen Bruckerkreise kann man kaum jemand finden, der nicht, wenigstens indirekt, aus dem Bergbau einen materiellen Ntitzen zöge. — Die Bergknappen der Erzgruben bilden einen hervorstechenden Theil des Volkes. Es sind ernste Leute, die stolz auf ihren Stand sind und keineswegs jenen hohlwangigen, armen, düsteren Gestalten der Kohlengrubenbezirke gleichen. Besonders um den Erzberg herum findet man ,unter ihnen den kräftigen, ernsten, arbeitsamen und ausdauernden Schlag der Deutschen. — Sie haben auch noch eine Menge altdeutsche Sitten und Gebräuche bewahrt, ja selbst altdeutsche Namen findet man zahlreich unter ihnen. Trotz des ernsten Naturells herrscht jedoch um die Erzgrüben ein munteres Leben; besonders Sonntags entwickelt der Bergknappe seine ganze 1 leiterkeit. Sein grösstes Freudenfest ist der 4. December, das Fest der Grubenpatronin, der heiligen Barbara. Ausser in dem ./Erzberggebiete" wird auch noch bei Lietzen, Niederalpe, Obdach, Oberzeiring, am Fusse der Veitsch-alpe, in Ligist, in Eibiswald u. s. w. Erz gewonnen, doch sind diese Baue im Verhältniss zum Erzberge unbedeutend. — Der Bau auf die anderen Metalle ist aber hauptsächlich in Folge des steigenden Preises des Brennmaterials im steten Sinken. — Es wird noch auf Kupfer gegraben bei Kallwang, bei St. Anton und bei Johnsbach: nach Graphit bei Kaisersberg; nach Nickel, Kobalt und Silber in Schladming u. s. w., doch haben diese Baue ebenfalls nur untergeordnete Bedeutung. In Kärnthen erhielt sich nebst dem Kisenbaue der Blei-und Zinkbergbau auf einer grossen Höhe, während fast alle anderen eingingen. — Besonders in der Gegend von Friesach bis in die Umgebung von St. Leonhard und Wolfsberg und in den Bezirken um Hüttenberg blühte der Fisenbau bald wieder auf, bis er zugleich mit dem steirischen in der Gegenwart seine grösste Ausdehnung gewann. Dasselbe gilt von dem Bleibau in Raibl, Bleiberg und Bleiburg, und dem Zinkbau in Raibl, Janken und Bleiberg. Alle diese Bergbaue werden vorherrschend von Deutschen betrieben. In Nieder-Oberösterrcich und Salzburg tritt der Einfluss des Eisenbergbaues zurück. Ks stehen zwar einzelne Gruben im Betriebe, doch haben sie kein eigentliches bergmännisches Leben hervorgerufen. Dagegen gewann der Kohlenbergbau in Steiermark und den anderen Alpenländern, mit Ausnahme Tirols und Vorarlbergs, eine grosse Bedeutung. Um den Kohlenbergbau, der trotz aller Bemühungen bisher noch nicht recht aufblühen wollte, zu heben, beschloss die Regierung 1842, denselben selbst zu betreiben, zahlreiche Schürfungen wurden vorgenommen und bald begann auch die Privatindustrie sich zu regen, so dass 1849 a"e Vorrechte der ärarischen Schachte aufgehoben werden konnten. Ks hing dies zusammen mit dem seit den 40 er Jahren unseres Jahrhunderts beginnenden systematischen Ausbau der Eisenbahnen und dem Aufschwung des Associa-tionswesens. — Seit der Zeit hat sich die deutsche Bevölkerung rasch dieser Industrie bemächtigt. Niederösterreich besitzt grössere derartige Bergwerke in Zillingsdorf, Gallenberg, Glagg-nitz, Thallern und Grünbach; Oberösterreich besonders in Wolfsegg und im Traunthal; Steiermark im Krainachthale und um Leoben, wo die Arbeiterbevölkerung vorwiegend deutsch ist. In Süd-Steiermark findet man meist slavische Arbeiter. In Kärnthen sind deutsche Arbeiter im Wolfsberg vorwiegend, hingegen in Kentschach und Lieschen herrscht dasselbe Ver-hältniss wie in Südsteiermark. Zu diesem eben geschilderten Riesenaufschwung auf allen Gebieten des gewerblichen Lebens in den österreichischen Alpenlandern trugen die verschiedenen vortrefflichen Gewerbeschulen manches bei. An der Spitze derselben stehen die Kunstgewerbeschulen des k. k. Österreichischen Museums in Wien, mit über 200 Schülern. Ausserdem giebt es noch Werkmeisterschulen in Wien, Salzburg und Graz mit circa 1056 Schülern; Baugewerbs- und Steinmetzschulen; 59 verschiedene Wiener Fachschulen für Schuhmacher, Tischler, Zimmerleute u. s. w.; Fachschulen für gewisse lokalbetriebene Gewerbe in Wien, wie z. B. für Kunststickerei, Weberei und Posamentierarbeit; Maschinenstrickkur.se in Linz und Graz; Uhrmacherschulen in Wien und Karlstein; Fachschulen für Eisen- und Stahlindustrie zu Steyr; mechanische Lehrwerkstätten für basen- und Stahlindustrie zu Klagenfurth und Per-lach; die „Bergakademie für den Gesammtstaat" und eine gewerkschaftliche Berg- und I lüttenschule zur l leranbildung tüchtiger Arbeiter in Leoben; und schliesslich noch die Holzschnitz-, Drechsler- und Tischlerschulen zu Wien und an anderen Orten. In Niederösterreich beschäftigt das Gewerbe in Berg- und Hüttenarbeiten fast 20" (1, in Salzburg 10"/ , in Oberösterreich 15,2"/ , in Steiermark 9°/,, und in Kärnthen io „ der Bevölkerung, Da* Gewerbe, die Industrie und das Montanwesen in Krain und lstrien. In Krain und Istrien befassen sich die Bewohner im allgemeinen mit einer kleinen, wenig entwickelten I iausindustrie. Sie erzeugen z. B. ziemlich primitive Holzlöffel, oder sie sind Pascher und Schiffer. - Laibach zeichnet sich aus durch In Kärnthen erhielt sich nebst dem Kisenbaue der Blei-und Zinkbergbau auf einer grossen Höhe, während fast alle anderen eingingen. — Besonders in der Gegend von Friesach bis in die Umgebung von St. Leonhard und Wolfsberg und in den Bezirken um Hüttenberg blühte der Fisenbau bald wieder auf, bis er zugleich mit dem steiri.schen in der Gegenwart seine grösste Ausdehnung gewann. Dasselbe gilt von dem Bleibau in Raibl, Bleiberg und Bleiburg, und dem Zinkbau in Raibl, Janken und Bleiberg. Alle diese Bergbaue werden vorherr-sehend von Deutschen betrieben. In Nieder-Oberösterreich und Salzburg tritt der Finfluss des Kisenbergbaues zurück. Ks stehen zwar einzelne Gruben im Betriebe, doch haben sie kein eigentliches bergmännisches Leben hervorgerufen. Dagegen gewann der Kohlenbergbau in Steiermark und den anderen Alpenländern, mit Ausnahme Tirols und Vorarlbergs, eine grosse Bedeutung. Um den Kohlenbergbau, der trotz aller Bemühungen bisher noch nicht recht aufblühen wollte, zu heben, beschloss die Regierung 1842, denselben selbst zu betreiben, zahlreiche Schürfungen wurden vorgenommen und bald begann auch die Privatindustrie sich zu regen, so dass 1849 al'e Vorrechte der ärarischen Schachte aufgehoben werden konnten. Eä hing dies zusammen mit dem seit den 40 er Jahren unseres Jahrhunderts beginnenden systematischen Ausbau der Eisenbahnen und dem Aufschwung des Associa-tionswesens. — Seit der Zeit hat sich die deutsche Bevölkerung rasch dieser Industrie bemächtigt. Niederösterreich besitzt grössere derartige Bergwerke in Zillingsdorf, Gallenberg, Glagg-nitz, Thallern und Grünbach; Oberösterreich besonders in Wolfsegg und im Traunthal; Steiermark im Krainachthale und um Leoben, wo die Arbeiterbevölkerung vorwiegend deutsch ist. In Süd-Steiermark findet man meist slavische Arbeiter. In Kärnthen sind deutsche Arbeiter im Wolfsberg vorwiegend, hingegen in Kentschach und 1 äeschen herrscht dasselbe Ver-hältniss wie in Südsteiermark, Zu diesem eben geschilderten Riesenaufschwung auf allen Gebieten des gewerblichen Lebens in den österreichischen Alpenländern trugen die verschiedenen vortrefflichen Gewerbeschulen manches bei. An der Spitze derselben stehen die Kunst-gewerbeschulen des k. k. österreichischen Museums in Wien, mit über 200 Schülern. Ausserdem giebt es noch Werkmeisterschulen in Wien, Salzburg und Graz mit circa 1056 Schülern; Baugewerbs- und Steinmetzschulen; 59 verschiedene Wiener Fachschulen für Schuhmacher, Tischler, Zim-merleute u s. w.; Fachschulen für gewisse lokalbetriebene Gewerbe in Wien, wie z. B. für Kunststickerei. Weberei und Posamentierarbeit; Maschinenstrickkur.se in Linz und Graz; Uhrmacherschulen in Wien und Karlstein; Fachschulen für Läsen- und Stahlindustrie zu Steyr; mechanische Lehrwerkstätten für Lisen- und Stahlindustrie zu Klagenfurth und P'er-lach; die „Bergakademie für den Gesammtstaat" und eine gewerkschaftliche Berg- und Hüttenschule zur Heranbildung tüchtiger Arbeiter in Leoben; und schliesslich noch die Holzschnitz-, Drechsler- und Tischlerschulen zu Wien und an anderen Orten. In Niederösterreich beschäftigt das Gewerbe in Berg- und Hüttenarbeiten fast 20" „, in Salzburg io"/ , in Oberösterreich 15,2"/ , in Steiermark 9% und in Kärnthen 10 „ der Bevölkerung. Das Gewerbe, die Industrie und das Montanwesen in Krain und Istrien. In Krain und Istrien befassen sich die Bewohner im allgemeinen mit einer kleinen, wenig entwickelten Hausindustrie. Sie erzeugen z. B. ziemlich primitive Holzlöffel, oder sie sind Fischer und Schiffer. ..... Laibach zeichnet sich aus durch seine Leder- und Schuhfabrikation und Krainburg durch seine Rosshaarflechterei. — Auch giebt es in Idria eine Anstalt für Spitzenklöppelei. — Die Hafenstädte Triest und Pola sind hingegen der Sitz eines hochentwickelten Schiffbaues; hier befinden sich die grossen Werften und Seearsenale des Reiches, wovon wir in einem späteren Kapitel eingehend sprechen werden. Ausser einigen Kohlengruben ist der Bergbau nur im Quecksilberbergwerk von „Idria" hervorragend. — Die Bergstadt Idria liegt in der Tiefe eines grossen, von hohen Kalkbergen umschlossenen Thalkessels an der Idria, einem Nebenflusse des Isonzo, und die hier im Betriebe stehenden Quecksilbergruben sind neben denen von Almaden in Spanien die reichsten in Europa. — Mitten in der Stadt liegen die beiden Hauptschachte und am Marktplatz der St. Antonstollen, durch welchen man gewöhnlich einfährt; das Mundloch desselben ist mit PLisengittern verschlossen. Bei der Pnnfahrt in denselben gelangt man zuerst in einen finstern, aber hoch gesprengten, in Preisen gehauenen Gang, welcher eine Strecke weit in gerader Richtung fortläuft, bevor er nach der Tiefe sich senkt, wohin 757 in Kalkstein gehauene Stufen und eine Holztreppe führen. Allmählich vernimmt das Ohr das verborgene Arbeiten der Bergleute, bis man endlich die Arbeiter erblickt. — Die schwachen Grubenlichter beleuchten hier wahre Leichengestalten, welche gleichsam schon bei lebendigem Leibe der Grabesnacht verfallen sind. — Meistens wird das Erz mit Spitzhämmern herausgehauen, zum Theil aber auch gesprengt, und überall kleben die Tropfen des reinen, flüssigen Metalls. Durch den senkrecht aufgezimmerten Hauptschacht wird das Erz mittelst einer Tonne aus der senkrechten Tiefe hinauf geschafft. Eine zweite Tonne dient dem Bergwerkspersonal und den PYemden zum Ausfahren. Das Werk ist sehr schön ausgebaut und bequem zu befahren, aber die Hitze wird sehr lästig, da sie an manchen Stellen 26" R. erreicht. — Das reichere Erz bringt man sogleich auf die Brennöfen, das ärmere wird erst gekocht und geschlemmt. Jedoch kommt gediegenes Quecksilber nur wenig vor, sondern es wird hauptsächlich Zinnobererz gewonnen, welches bis über 8o"/n Quecksilber enthält. Die Hüttenwerke, in denen das Metall verarbeitet wird, liegen nordöstlich von Idria am rechten Idriza-Ufer. Das Quecksilber wird "dort in Röst- und Destilliröfen hauptsächlich dadurch gewonnen, dass zu dem gerösteten und pulverisirten Zinnobererz ungelöschter Kalk gemischt wird, der sich mit dem Schwefel verbindet und das Quecksilber frei macht. Das in den Brennöfen in Dämpfe verwandelte Metall zieht in die anstossenden Kühlöfen, wo dann das reine Metall wie ein feiner Regen niederschlägt und in Sammelkästen abläuft. Der jährliche Ertrag beläuft sich auf über 300.000 Kilogramm Quecksilber, wovon 50.000—60.000 Kilogramm an Ort und Stelle in Zinnober verwandelt werden. — Wenn man wollte, könnte man freilich bedeutend mehr Quecksilber herausbefördern, denn man glaubt noch Vorrath an Erz und Metall für Tausende von Jahren zu haben, aber man zehrt lieber mit weiser Sparsamkeit an dem grossen Schatze und richtet sich bei der Ausbeute nach dem Bedarf. — Die Werke von Idria erreichen eine Tiefe von 900 Fuss; der die Erze einschliessende Gebirgstheil hat ungefähr 2800 Fuss in seiner Längenerstreckung und eine grösste Mächtigkeit von 280 Fuss. Die Werke beschäftigen mehrere Tausend Menschen, da aber das Quecksilber Gift ist, so wirkt es sehr nachtheilig auf die Gesundheit der Arbeiter. Vor allem sind die Dämpfe beim Brennen höchst schädlich, die Arbeiter werden daher nicht alt, nach einiger Zeit fallen ihnen die Zähne aus, und es tritt Speichelfhiss, Lähmung, Auszehrung, unlöschbarer Durst und krankhaftes Zittern ein. -- Selbst Gras und Bäume welken, wenn der Hüttenrauch über sie hinstreicht. Im Mai des Jahres 1803 drohte ein schrecklicher Brand, das ganze Werk zu vernichten. Alle gewöhnlichen Mittel, den Brand zu bewältigen, waren vergeblich; endlich leitete man durch einen der Schächte aus der Idria 3,300.000 Kimer Wasser herbei und liess dieselben nach und nach in die Tiefe niederfallen. Als dasselbe an dem Punkte ankam, wo sich das Feuer am meisten verbreitet hatte, und die schnell sich entwickelnden Dämpfe sowie die durch Zersetzung entstandenenWasserstoffga.se sich gewaltsam auszudehnen versuchten und verbrannten, entstand eine derartig heftige Explosion, dass sämmtlicbe Zimmerung in den Bauen zertrümmert und die Mauerungen theilweise zerklüftet wurden. Ganze Schachte stürzten unter Heraufsendung eines Flammenmeeres zusammen. Die obersten Abtheilungen des Bergwerkes wurden mit sublimirtem Quecksilber erfüllt, und nach Verlauf eines Jahres sah man das Metall in kleinen Strömen aus dem zerborstenen Mauerwerk herausfliessen. Millionen Tropfen, gleich glänzend bell spiegelnden Perlen, hingen an den Stollen- und Schacht-Wänden. In der Tiefe konnte man aber nach Bewältigung der eingelassenen Wasser eine Menge gediegenen Quecksilbers sammeln. — Im Jahre 1846 entstand und wüthete erneuert ein grosser Brand in den Gruben. Um ihn zu löschen, war man wieder genöthigt, einen Theil der Schächte und Stollen unter Wasser zu setzen; manche Gänge wurden dabei gänzlich zerstört und mussten erneuert werden, wobei man dann ganz andere und bessere Plinrichtungen in Ausführung brachte, so wie sie der Hauptsache nach gegenwärtig bestehen. Da« Gewerbe, die Industrie und das Montanwesen in Böhmen, Mähren und Schlesien. In diesen Kronländern stützt sich die gewerbliche Industrie hauptsächlich auf den Ackerbau und ist vorwiegend Agrar-Industrie. — Besonders hat sich die Zuckerfabrikation in den letzten Jahren ausserordentlich verbreitet, denn von circa 260 Zuckerfabriken in Oesterreich kommen allein ungefähr 220 auf Böhmen, Schlesien und Mähren. Ja man hat sogar in Böhmen in diesem Industriezweige in neuester Zeit Erfindungen gemacht, welche im Auslande allgemeines Interesse erweckten. - Doch leidet auch die Zuckerindustrie in diesen Kronländern, gerade so wie in ganz Europa, gegenwärtig an einer schweren Krisis, welche in folgendem Circular, das vierzehn böhmische Fabriken an die betheiligten Kreise im Monat August dieses Jahres versendet haben, grell beleuchtet wird. ,,ln Folge der traurigen Verhältnisse unserer Industrie", heisst es in diesem Circular, „sind wir unterfertigte Zuckerfabriken nicht in der Lage, den geehrten Herren Rübenlieferanten die für die heurige Campagne 1884/85 vereinbarten Preise einzuhalten, und zu der Erklärung gezwungen, dass wir die Rübe nur dann übernehmen können, wenn die Herren Lieferanten den vereinbarten Preis um zwanzig Kreuzer per 105 Kilogramm ermässigen. Wer dieser freiwilligen Vereinbarung beitreten und die Uebernalune der Rübe sich sichern will, möge dies bis zum 20. d. M. in der betreffenden Fabrik anmelden. Falls eine der Zuckerfabriken nach öprozentiger Verzinsung ihres Anlagekapitals in der Campagne 1884/85 noch einen Gewinn erzielen sollte, verpflichten sich die unterzeichneten Fabriken, diesen Leberschuss unter die I lerien Rübcnlieferanten verhältnissmässig zu vertheilen bis zur Höhe des ursprünglich vereinbarten Preises". — Auch in anderen Zuckerfabriken dieser Kronländer vollzieht sich die Ablieferung der Rübe, wie es nicht anders erwartet werden kann, unter ziemlich erschwerenden Umständen. — Für Kaufrübe wird von den Fabriken der Preis von 60 Kreutzer angelegt, während wieder andere Etablissements es ganz und gar ablehnen, auf die sogenannte Kaufrübe zu reflektiren. — Die böhmischen Zuckerindustriellen, welche die jetzt herrschende Krisis bitter empfinden, haben daher an die Ministerien des Handels und der Finanzen eine Petition um Veranstaltung einer Enquete über die Lage der Zuckerindustrie gerichtet Und auch die Handelskammern Böhmens aufgefordert, dieser Angelegenheit ihre Aufmerksamkeit ZU widmen. Die von den Zuckerfabriken vorgeschlagenen Massregeln zur Abwendung schwerer Schäden sind in der Hauptsache: Ermässigung der Bahn- und Wasserfrachten und Herabsetzung der Zuckersteuer. Vor Allem wird daran festgehalten, dass die Steuerrückvergütung beim Zuckerexport fortbestehen solle, dass aber die Zuckerfabriken nicht mehr gezwungen werden möchten, einen bestimmten Steuerertrag garantiren zu müssen. — Die Handelskammer in Eger hat sich zu dieser letzteren Frage nicht zustimmend geäussert, sondern an der Erhebung der bisherigen Steuer festgehalten. Vor allen Dingen war dabei die Thatsacbe massgebend, dass die Zuckerfabriken in den letzten Jahren so hohe Summen verdient hätten, dass sie grösstenteils das Anlagekapital hätten ab schreiben können, ferner auch der Umstand, dass andere Industriezweige, namentlich die Eisen- und Kohlenindustrie, auch schwere Krisen durchzumachen hatten, ohne dass sie Staatshilfe verlangt oder erhalten haben. Ganz ablehnend verhielt man sich zu den Forderungen jedoch nicht, sondern befürwortete die Herabsetzung der Tarife sowohl beim österreichischen Lloyd wie auch bei der Donau-Dampfsclüftfahrts-Gesellscbaft und den österreichischen Bahnen, um wenigstens den Zuckerexport nach dem Oriente noch zu ermöglichen und zu fördern. Gleichzeitig wurde auch wiederholt der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass die Zuckerindustrie, soweit sie auf solider Grundlage beruhe, diese Krisis überstehen werde. — Auch im böhmischen Landtage wurden die Antrage der zur Berathung der Zuckerfrage niedergesetzten Kommission auf Erleichterung bei der Entrichtung der Rübensteuer und auf direkte oder indirekte Unterstützung der Zuckerfabriken durch die Regierung mittelst Beleihung der Waare oder Warrants während der gegenwärtig stattfindenden Krisis ohne jede Debatte angenommen und der Statthalter erklärte, dass die Regierung den Wünschen des Landtags möglichst nachkommen werde. Neben der Zuckerindustrie ist hauptsächlich die Hierbrauerei ein wichtiger Industriezweig in Böhmen, denn böhmische Biere, unter denen das weltberühmte „Bilsener-' den ersten Run g einnimmt, haben nicht blos in Europa weite Verbreitung, sondern werden selbst nach Nordamerika versendet. — In neuester Zeit bauten sogar Prager Kapitalisten in Paris ein grosses Brauhaus, welches ganz auf böhmische Art und mit böhmischen Arbeitskräften eingerichtet wurde und dazu bestimmt ist, den Parisern „Pilsener" Bier /.u liefern. I Jas Müllergewerbe hat hauptsächlich in neuerer Zeit die zahlreichen kleinen Mühlen auf dem platten Lande verdrängt und an ihre Stelle bei bedeutenderen Flüssen entweder grosse amerikanische oder Dampfmühlen gesetzt. Doch sind die Verhältnisse der böhmischen Mühlenindustrie heut zu Tage keineswegs günstig, wie wir am besten aus der am 9. November i(SS4 vom Comite für Hinberufung eines allgemeinen böhmisch-mährischen Müllertages versendeten Druckschrift ersehen. Diese Industrie, heisst es in der Druckschrift, „sei dem Ruine preisgegeben, wenn die schädlichen Einflüsse, denen sie unterliegt, nicht rasch beseitigt weitlen. Früher habe es in Böhmen 7000 Mühlen mit 11-12.000 Mahlgängen gegeben, eine Zahl, die im Jahre 1SS3 bis auf 2410 Unternehmungen herabgesunken sei. Diese herabgeminderte Anzahl von Mühlen haben indess im Vorjahre noch immer 2,490.400 Meter-Centner Mahlprodukte im Werthe von 30,595 000 Gulden erzeugt und legen diese Ziffern Zeugniss für deren heutige noch immerhin grosse Bedeutung ab. — Als Ursachen des Niederganges der böhmischen Mühlenindustrie werden angeführt: der zollfreie Import von sächsischem und schlesischem Brod, welcher die Schuld trägt an dem Ruine vieler Bäcker und Müller in den österreichischen Grenzstädten. Der grösste Oesterreich-Ungarn. 2'2 Schaden erwachse aber der böhmischen Mühlenindustrie durch den Import ungarischen Mehlcs. — Die ungarischen Mühlen machen alle Anstrengungen, seitdem ihrem Mehle durch die amerikanische Concurrenz der Markt entzogen wurde, den böhmischen Markt gänzlich zu usurpiren und das böhmische Mehl von seinem heimischen Markte zu verdrängen. Die ungarischen Mühlen verkaufen ihr Produkt selbst mit Schaden nach Böhmen und Mähren, um nur ihre Position in diesen Ländern zu behaupten. Erwägt man, dass Ungarn jetzt an dem nach England eingeführten Mehlquantum von 8,277.000 Meter-Centnern nur mit 650.000 Meter-Centnern participirt und an dem nach England eingeführten Weizenquantum von 32*55 Millionen Meter-Centnern gar nicht betheiligt ist, dass die Pester Mühlen allein im Jahre 1883 an 5 Millionen Meter-Centnci Mehl producirten und von ungarischem Mehl im Laufe dieses Jahres 3-54 Meter-Centner in die österreichischen Länder, hauptsächlich nach Bimmen und Mähren, eingeführt wurden, so sei die Zähigkeit verständlich, mit welcher die ungarischen Mühlen den Mehlversandt nach Böhmen und Mähren forciren. Die ungarische Concurrenz stehe auf dem Punkte, die böhmische Mühlenindustrie vollständig lahm zu legen, ja den Bestand derselben ganz und gar unmöglich zu machen. Es wäre die Belegung des ungarischen Getreides und Mehles mit einem Zoll beim Eintritt nach Oesterreich vollkommen gerechtfertigt, ja es wäre ein Schutzzoll gegen Ungarn noch viel nothwendiger als gegen Deutschland! - bän Schutzzoll von 50 Kreuzer Gold für Getreide und 1.50 Fl. Gold für Mehl, wie er heute Deutschland gegenüber besteht, würde voll! wohl, wie in der Levante, machen belgische, französische und deutsche Glaswaaren der böhmischen Glasindustrie sehr 'beträchtliche Konkurrenz und trachten, sie immer mehr von den dortigen Märkten zu verdrängen. In P'olge dessen hat ^e Prager Handelskammer ein Cjuästionär an sämmtliche GlaaindustrieUe, Handeltreibende in dieser Branche und an ■die Konsulate im Orient gerichtet, worin sie anfragt, auf Welche Art dieser drohenden Gefahr am besten entgegengearbeitet werden könnte. — Um die böhmische Glasindustrie Zu unterstützen, erklärte sich die Südbahngesellschaft und der österreichisch-ungarische Lloyd, nach einer Aufforderung des Handelsministeriums, zu allen nur immer möglichen Concessionen bereit, um den (dasexport, anstatt via Hamburg, über Triest zu dirigiren. Es kam auch nach einiger Zeit zu einer Con-ferenz der an dem Export böhmischer Glaswaaren via Triest nach Ost-Asien betheiligten lüsenbahnkompagnien. welche für Prag und die nördlich von Prag gelegenen Stationen einen Tarif mit bedeutend ermässigten Frachtsätzen vereinbarten. Erfreulich ist die Lage der Porzellanindustrie, denn das stetige Zunehmen der Porzellanfabrikation, namentlich in der Karlsbader Gegend, hatte die Neuerrichtung dreier Porzellanfabriken daselbst zur Folge. In Meyerhöfen, Altrohlau und Chodau wurde je eine Porzellanfabrik erbaut und befindet sich letztere bereits im Betrieb. — Sowohl der enorme Bedarf an diesem Artikel, als auch die günstige Vorbedingung, welche in dem reichen Vorhandensein an Caolin beruht, rechtfertigen diese Unternehmungen. — Sämmtliche Fabriken, wovon einige nur Bedarfsartikel cultiviren, beschäftigen zahlreiche Arbeiter, welche mit den Lolmverhältnissen vollkommen zufrieden sind. Jedoch auch Luxusartikel werden en masse erzeugt, und diese entsprechen sowohl in borm als in Dessins den höchsten kunstsinnigen Anforderungen, was den erfreulichen Beweis erbringt, dass sowohl Modelleure als Maler bedeutende Fachbildung und geniale Erfindungsgabe besitzen. Die Erzeugnisse der um Karlsbad situirten Porzellanfabriken finden denn auch regelmässig auf Ausstellungen auszeichnende Anerkennung Gegenwärtig erzielen Gebrauchsgeschirre bedeutenden Absatz. Aus allen Gegenden, selbst aus Amerika, sind stets viele Einkäufer dort, um ihren Bedarf zu decken, und dieser ist so bedeutend und so verschieden, dass von einer Konkurrenz der Fabriken unter einander kaum die Rede sein kann.— Auch wurde die grosse vormals Nowotny'sehe Porzellanfabrik in Alt-Rohlau bei Karlsbad, welche auf 12 Oefen eingerichtet ist und die unlängst von einer Prager Bankfirma exekutiv erworben wurde, von dem neuen Besitze* wieder in Betrieb gesetzt, wodurch 600—«Soo Arbeiter erneuert lohnende Beschädigung gefunden haben. in früheren Jahren wurde die Fabrikation von Glacehandschuhen im nördlichen Böhmen sehr schwunghaft betrieben; doch liegt dieselbe gegenwärtig sehr darnieder, und eine grosse Zahl weiblicher Arbeitskräfte ist beschäftigungslos. — Die ehedem gleichfalls in grösserem Style betriebene Herstellung von Zinnwaaren, welche in der Gegend von Sehlaggcnw ald und Schönfeld ihren Sitz hatte, ist so bedeutend zurückgegangen, dass auch dort viele Arbeiter ihre frühere Beschäftigung ganz aufgeben mussten. — Nicht minder wird darüber geklagt, dass die Kunst- und Kästchentischlerei in der Gegend von Platten sehr abgenommen hat und trotz aller aufgewandten Mühe nicht wieder in die Höhe gebracht werden kann. — Während bei der Handschuh- und Zinnwaaren-fabrikation grösstenteils die veränderte Geschmacksrichtung die Schuld am Rückgange trägt, wird der Verfall der Kunsttischlerei besonders darauf zurückgeführt, dass die von den bisch lern gebrauchten Fourniere meist aus Deutsch-band bezogen und hoch verzollt werden müssen. — Die Egerer 1 landelskammer hat daher die Regierung gebeten, die der erwähnten Industriezweige zu untersuchen und geeignete Massnahmen zur Wiederbelebung derselben zu ergreifen, namentlich auch Zoll- und Steuerklasse im Nothfalle zu gewähren. Als „neu einzuführende Industrien" im böhmischen Erzgebirge hat das Centralcomite für die I lebung der Ge-werbsthätigkeit dieses Distriktes der Regierung die Erzeugung schmiedeeiserner Röhren, gezogener Messing- und Kupfer* röhren, ferner die Herstellung von Kautschuktüchern, von gravirten Kupferwalzen für Baumwolldruckereien etc. empfohlen, doch wurde ausdrücklich betont, dass nur dann eine Hebung dieser Branchen möglich sei, wenn den Erbauern von Fabriken Steuerfreiheit für eine gewisse Zeit garantirt werde! — In Ungarn hat man mit dieser Methode vielfach günstige Erfahrungen gemacht. — Auf den unfruchtbaren Hochebenen des böhmischen Erzgebirges hat auch die „Spitzenklöppelei" seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ihren Sitz aufgeschlagen und durch eine Vereinfachung der belgischen Methode ist es möglich; ordinäre Sorten von Spitzen aus Leinenzwirn zu sehr billigen Preisen herzustellen. — Das Cen-tralcomite für die P"örderung der Erwerbsthätigkeit des böhmischen Erz- und Riesengebirges ist ausserdem unablässig bemüht, neue Industriezweige ins Leben zu rufen. So ist schon jetzt ein junger Mann auf Kosten des genannten Co-mites auf der Fachschule für Blecharbeiter in Aue untergebracht, und man giebt sich im böhmischen Erzgebirge der Hoffnung hin. dass die Herstellung von Blechspielwaaren, sowie die Anfertigung von Conservebüchsen, die ja jetzt massenhaft gebraucht werden, daselbst auch bald Boden gewinnen werde. Um dies aber zu erreichen, will das Comite auch in Böhmen eine P'achschule, wie sie in Aue besteht, errichten. — Die Bezirksbehörden von Graslitz und Joachimsthal, welche über diese Angelegenheit an das Handelsministerium in Wien Bericht erstattet haben, sprechen sich dafür aus, während das Bürgermeisteramt in Platten sowie das Gutachten einiger Industrieller die Meinung vertreten, dass im böhmischen I^rzgebirge überhaupt nicht eher ein Aufschwung gewerblicher Thätigkeit zu erwarten stehe, bis die Bahnstrecke Johanngeorgenstadt-Karlsbad hergestellt würde. — Die Handelskammer in Lger, in deren Bereich der in Frage kommende Frzgebirgsdistrikt gehört, hat beschlossen, der Regierung den Vorschlag zu machen, sie möge einen Sachverständigen in jene Gegend entsenden, der die Verhältnisse stüdirt und über die Möglichkeit der Ph'richtung einer Fachschule für Blecharbeiter und über die Aussichten der Blcchindustrie überhaupt Bericht zu erstatten hätte. In den waldreichen Gebirgsgegenden dieser Kronländcr beschäftigen sich die Bewohner auch sehr eifrig mit der Verarbeitung des Holzes zu Schindeln, Zündhölzchenstangen. Siebreifen und Resonanzböden für musikalische Instrumente, Holz-Schuhen, Schlitten und Wagen. — Aber trotz des grossen Waldbestandes in Böhmen und trotz der vielfach nur schlecht zu venverthenden Waldprodukte ist doch die Pechgew innung bisher nur vereinzelt betrieben worden und Pechsiedereien waren gar nicht vorhanden. In der Pfraumbergcr Pflege, wo der richtige Urwald noch zu finden ist, von wo aus jetloch wegen schlechter Wege und mangelnder Schienenverbindung das Holz nicht gut verkauft werden kann, soll jetzt mit der "echritzerci ein Versuch gemacht werden; auch ist in Pilsen eine Pechsiederei entstanden, die ihre Produkte meist an böhmische Brauereien verkauft. In den Vorgebirgen finden wir ausser Weberei auch noch die Erzeugung von Plolzwaaren. allerlei Spielzeug, Küchen-geräthe und musikalische Instrumente. Der Bergbau wird in diesen Kronländern im grossen Umfange betrieben. Berühmt sind die Silberbergwerke von Pribram. ~— Noch ausgedehnter ist aber die Gewinnung von Kohle in den Bergwerken zu Radnic, Kladno, Schatzlar, Rossitz und Mährisch' Ostrau. — Im Jahre 1:88.3 producirte die böhmische Braunkohlenindustrie beträchtlich mehr als im Jahre 1882 und die Wehrproduktion kann nach den Transportmengen der Eisenbahnen im nordwestlichen Bimmen minimal mit ungefähr 14,000.000 Ctrn. angenommen werden. Seit 1874 ist eine so wesentliche Mehrverfrachtung nicht wieder notirt worden, und ,st dies ein um so erfreulicheres Zeichen für den Fortschritt der böhmischen Kohlenindustrie, weil ein Preisrückgang in gleicher ^eit nicht stattgefunden hat, und ungeachtet dieser grossen Mehrleistungen der Eisenbahnen die Abwicklung des Verkehrs nicht den geringsten Anlass zur Klage gegeben hat, denn es 346 (>estevrftlch-Ungftm, ist keine Kleinigkeit, eine Circulation von 1,200.000 Wagen in einem Jahre auf verhältnissmässig kurzen, durch starken Personenverkehr frequentirten Linien anstandslos zu bewältigen, und es ist sowohl für die Producenten wie für die Eisenbahnen ein grosser Vortheil, dass durch den stetig wachsenden Kohlenverkehr auf der Pdbe, welcher seine grösste Intensität im Frühjahr und Frühherbst erreicht, auch in der Zeit lebhaft gefördert und transportirt werden kann, in welcher der Redarf an Brennmaterial sich nur auf die Fabriken beschränkt. Ks dürfte jedenfalls von bedeutendem Interesse sein, wenn wir die leistungsfähigsten Kohlenwerke mit den von ihnen der Aussig-Teplitzer und Dux-Bodenbacher Bahn zum Weitertransport übergebenen Quantitäten hier namentlich anführen. Unter den ersteren sind: Karbitzer Saxonia Gewerkschaft mit 221.578 Meter-Tonnen, Grafi. Rostitz'sche Werke mit 193.848 Meter-Tonnen, Gräfl.West-phalen'sche Werke 460.986 Meter-Tonnen, Austria-Gewerkschaft (Karbitz) 97.303 Meter-Tonnen, Bohemiä-Werke (Dresdner Credit-Anstalt) 131.468 Meter-Tonnen, Britannia-Gewerkschaft 205.924 Meter-Tonnen, Llbe-Colliery-Company fürstl. Clary'scher Schacht 65.470, Wiener Kohlen-Industrie-Verein 201.296, Ad. Schneider-sche Werke 145 303, fürstl. Schönburg'scher Schacht 102.755, Richard I lartmann'sche Schächte 219.945, Sylvestergewerkschaft 109.832, Austria-Schacht (Dux) 112.639, Duxer Kohlenverein 99.235, Brüxer Bergbau-Gesellschaft 303.754, k. k. Kohlenwerk (Juliusschacht II.) 148.458. Victoria Tiefbau 41,555, Fortuna1* Schacht 51.679, Anglobank (Guido) 72.705, Saxonia-Gewerkschaft (Triebschitz) 90.016, Washington-Schacht 78.914, Robert-Schacht (Seestadtl) 51.366 Meter-Tonnen u. s. w. Von diesen und einer grossen Zahl kleinerer Schächte sind der Aussig-Teplitzer Bahn zusammen 3,790.697 Tonnen aufgegeben worden; die Mehrverfrachtung beträgt 471.365 Tonnen, also allein hier schon über 9,000.000 Ctr. Die Dux-Bodenbacher Bahn empfing von den mit ihr in directer Schienenverbindung stehenden Kohlenwerken zusammen 1,395.986 Tonnen, d. i. um 117,391 Tonnen, rL,nd 2,500.000 Ctr. mehr als 1882. —* Mindestens 50.000 Tonnen °der 1,000.000 Ctr. lieferten folgende Schächte: 1 )ux-Boden-bacher Schächte 187.142 Tonnen, Fortschrittsschächte 184.215, Nelson-Schächte 172.740, Duxer Union 142.252, Wiener Kohlen-mdustrie-Verein 100.763, Victoria-Zeche 91.042, Gisela-Schacht ^/-030, Duxer Kühlenverein 80.748, Herbert-Zeche 67.810Tonnen. Die Prag-Duxer Bahn hat ebenfalls ein Verfrachtungsplus und *War circa 90.000 Tonnen aufzuweisen. — Von dem Braunkohlen-erkehr dieser, dann der Buschtiehrader und Filsen-Priesener ahn fehlen noch die genaueren Angaben.— Ueber die Richtung, Welche die Transporte genommen haben, lässt sich heuer nur oviel bemerken, dass es scheint, dass die Mehrverfrachtungen /lemlich gleichmässig nach allen Seiten hin sich vertheilt haben; ein grosser Theil fällt aber dem ausländischen Consum H) denn es hat nach Norden sowohl der Land- als Uch der Wassertransport beträchtlich zugenommen. -Wsig-Teplitz hat ungefähr 2 Millionen, Dux-Bodenbach 11/2 -1 nlhon Centner mehr per Bahn nach dem Norden (Ausland) sendet; per Schiff sind ab Aussig rund 20 Millionen (i1., * hllion mehr), ab Rosawitz über 4 Millionen Ctr. abgeschwom-^en- Diese beiden letzteren Quantitäten wurden mit circa l2o.ooo Wagen zur P21be geschafft und in 5229 Schiffe eingeladen. — ]m Inlandverkehr machten sich die zahlreichen Local-ahnen in Böhmen durch erhöhten Bedarf geltend. Der Verehr dauerte in seiner vollen Intensität bis nahe zum Ende es Geschäftsjahres 1883, denn noch am 30. December passirten K°hlenschifie die Grenze. Eisenerz wird in beträchtlichen Massen bei Rokycan am jahten Beraun-Ufer bei Hudlic, bei Adamsthal und im Thal der k Hrawica zu Tage gefördert. — Die berühmten Kohlen-ergwerke zu Kladno und Radnic, wie die mächtigen Walzwerke zu Kladno beschäftigen stunden-eit die angrenzende Bevölkerung, ebenso sind ,e Städte Karolinenthal und Smichow bei Prag, Kolin, J u n g b n n z 1 a u , C h r u d i n, Pilsen und Rud weis wichtige Mittelpunkte mannigfacher Industrie. Das Gewerbe, die Industrie und das Montanwesen in Galizien und der Bukowina. In Galizien findet man auch ausserhalb der Städte althergebrachte Manufakturfertigkeiten, die zu entwickeln und zu modernisiren vielleicht der sicherste Weg wäre, um die Landesindustrie zu heben. — Die westlichen Gebirgsdistrikte treiben Leinwandweberei, doch findet man dieselbe ebenfalls in vielen Orten Ostgaliziens. — Tuch gröberer Gattung wird in Ketij, Dobczyce u. a. Orten erzeugt; Tbonwaaren liefern in grösserer Menge 40 Ortschaften, unter ihnen produciren Mikolajow und Otynia vorzügliche, originell ausgestattete Waare. — Gerberei, Schusterhandwerk, Tischler- und Küfer-Erzeugnisse beschäftigen viele Gegenden. - In letzter Zeit sind auch Schnitzerei- und Korbflechterschulen angelegt worden. — Die Schlosserindustrie in Swiedniki bei Krakau sucht ihre Handelswege in Ungarn, der Moldau und Walachei. — In Pokutien und in den Huzulendörfern giebt es hervorragende Talente für Stickerei und Spitzenfabrikation, deren Produkte auf der Industrieausstellung in Kolomea allgemeines Aufsehen erregt haben. Die Arbeiten der bäuerlichen Künstlerinnen zeichnen sich sowohl durch Feinheit als durch originelle, traditionell erhaltene Zeichnung aus. — In der nächsten zweimaligen Umgebung der Stadt Krakau finden wir auch noch Spuren der primitiven Industrien der alten Ministerial-Dörfer, u. z. Fleischer, Hacker , Schlosser und andere, die den alten Charakter ihres Lebens und. Treibens beibehalten haben. Die Eisenhämmer in Galizien vermindern sich. — Bedeutend ist aber die Branntweinbrennerei und Bierbrauerei, doch finden wir immerhin auch beider ersteren seit dem Jahre 1S75 besonders in Westgalizien eine Abnahme. — Die in Galizien existirenden Ackerbaumaschinen- und künstlichen Du ngerfabriken decken nicht den Bedarf des Landes, Wie alle übrigen Industriezweige Galiziens und der Bukowina, denn man importirt fast alle Lebens-Bedürfnisse sowohl des gebildeten als ungebildeten Mannes, das feine Tuch für die Intelligenz sowohl, als da$ weisse und braune für die Volkstracht des Bauern, ja selbst die rothen Mützen der Krakauer Bauern werden von den schlauen Juden, wie wir wissen, in England zusammen gekauft. Der Schoss Galiziens birgt reiche Mineralschätze, welche in mehreren bedeutenden Montanwerken unter Anwendung aller modernen technischen Fortschritte mit Lrfolg ausgebeutet Werden. Linen hervorragenden Rang unter diesen Montanetablisse-luents nehmen die Riesensalzwerke von Wieliczka und Bochnia e'n, welche alljährlich circa 2 '/2 Millionen Centner Salz liefern Und weit über 1000 Arbeiter beschäftigen Wieliczka ist unter c^en Steinsalzwerken, die es überhaupt giebt. wenn nicht das älteste, so doch das Jahrhunderte hindurch einzig bekannte und kerühmtetste. Kein Bergwerk der Welt bietet so viel übersehendes, so viel zu sehen, als Wieliczca. - Die grösste Tiefe dieser Salzbergwerke beträgt 224 Meter, die grösste Ausdehnung «es Salzstöcks von Westen nach Osten 2850 Meter, von Norden ftach Süden 950 Meter. — Die Werke bestehen aus 7 Überhander liegenden Stockwerken und 11 Schachten, in denen sich wieder, durch zahllose Stufen verbunden, ein wenigstens 80 Meilen langes Labyrinth von Gängen befindet, welche oft ]n bedeutender Höhe wieder durch Brücken verbunden sind. Gruben enthalten auch 16 Teiche, von denen mehrere mit Nachen befahren werden können. — Die ausgebroche-ner> Kammern, worunter sogar 70 sehr gross und architektonisch verziert sind, werden zum Theil zu Magazinen ver- 350 i >eÄlerreich-Unganf. wendet. Alle diese Verzierungen, Kronleuchter etc., sind gerade so wie die zwei, durch die grosse Ueberschwennnung im Jahre 1868 zum Theil zerstörten, mit Altar, Bildsäulen und anderen Ausschmückungen gezierten Kapellen aus Steinsalz gehauen, Einige der unterirdischen Säle haben 25 bis 30 m Höhe. Das Steinsalz von Wieliczka ist vollkommen fest, ohne Spalten und fremdartige Theile, übrigens nicht weiss, sondern von schwarzgrauer Farbe, es wird wie in einem Steinbruch ausgehauen und der Abbau erfolgt nur in den unteren Stockwerken. --- Sehr sehenswürdig ist im Bergwerk die berühmte Kapelle Sanct Antonius, welche mit ihren Altären, Kanzeln. Betschemeln und übermenschlich grossen Heiligenstatuen ganz aus dem festen Steinsalz herausgehauen wurde. VÄn gewöhnlicher Bergarbeiter hat im Jahre 1698 dies fleissige Werk vollendet. Früher wurde hier täglich Messe gelesen, neuerdings geschieht dies aber nur alljährlich am 3. Juli. — In manchen älteren Büchern findet man die F'abel verzeichnet, dass das Salzwerk Wieliczka auch viele Wohnungen der Bergleute, ganze Dorfer im Schosse der F>de enthalte, dass viele seiner Insassen niemals das lacht der Oberwelt erblickten, dass Geistliche und Emeriten unter ihnen wohnten, und es an Hausthieren aller Art nicht fehlte! — Von alledem war und ist kein Wort richtig. — Der Kern der ganzen Sage beschränkt sich nur darauf, dass ehemals, vor Anwendung der Dampfkraft, eine Anzahl Grubenpferde in dem Werke gehalten wurde, welche allerdings selten das Tageslicht erblickten und sich in der Salzatmosphäre vortrefflich wohl befanden. Menschen aber, und sogar kolonienweise, haben niemals unten gewohnt und wohnen auch jetzt nicht da. — Allein auch ohne phantastische Ausschmückung bleiben grossartige Ueberraschungen, Wunder genug, wenn man das Bergwerk besichtigt. — Der Weg von der Kapelle aus durch die unterirdischen Strassen und Gemächer ist eben, breit, hoch und trocken und nur stellenweise findet) Wir Verengungen, wo man sich bücken muss, 1 )ic Kuft iSt rein, etwas wärmer als die der Obererde. Zunächst gelangt, man in eine Riesenhalle, welche mit dem Inneren eines gewaltigen Domes verglichen werden kann und es giebt nichts Malerischeres, als wenn dieser kolossale Saal von Grausalzstein durch bengalische Flammen erleuchtet wird. — Treppauf, treppab über hol/.gefügte Stufen schreitet man so von Kammer zu Kammer und die gar keine Beschwerde verursachende unterirdische Wanderung gewinnt unendlich an Reiz, sobald man die Bergleute in voller Thätigkeit erblickt. — Auf schmalspurigen Eisenbahnen rasseln die mit Salz beladenen Karren Hunde) dem Förderungsschacht entgegen, ihre Reihe begegnet unaufhörlich den entladenen auf der Rückfahrt. Fernher hallt der dumpfe Schlag der schweren Keilhämmer, welche die Flauer aul die eisernen Keile fallen lassen , um einen Block Steinsalz abzulösen, und mit vielfachem Fxho ertönt dazwischen der Knall der Sprengschüsse. — Aber nicht überall herrscht Leben und Geschäftigkeit, oft legt man lange Strecken zurück, ohne BUr einem einzigen Menschen zu begegnen. — Von dem Schacht Antonia aus kommen wir durch ein Portal in ein Gewölbe mit abgebrochener Spitzbogenform, das sich mit seinen kolossalen Quadern und Säulen am besten ausnimmt von der seine Sohle überbrückenden Galerie, wenn in seiner fernsten Tiefe v°n der kühnen Zimmerung herab bengalische Lichter flammen. PjUrch ein dunkles Thor tritt man sodann in den gewaltigsten llrul grossartigsten unter all den unterirdischen Palästen. — ''■r ist 150 Fuss lang, 85 Fuss breit und 110 Fuss hoch, in der Mitte hängt ein aus reinstem Krystall gefertigter Kronleuchter von 2o Fuss Höhe und 10 Fuss Durchmesser, welcher nichts desto weniger klein erscheint. — Diese Kammer ist Hflgs mit gezimmerten Galerien umgeben. — Sodann kommt niebreczin, Eperjes und Klausenburg, welche ebenfalls, wenn sie mit P>folg arbeiten wollen, auf den Export angewiesen sind. — Die Hauptexportländer für die ungarische Mühlen-industrie sind in erster Linie Grossbritannien, dorthin wurden z- B. im Jahre 1878 845.300 Meter-Centner versendet, dann Brasilien, wohin man im Jahre 1878 184.180 Darili (1 Barill = °7'/3 Kilogr.) sandte; ferner Cisleithanien, Deutschland, die Schweiz, Belgien, Niederlande und Ostindien- — Past durch-gehends verarbeiten die ungarischen Mühlen inländische Ge-freidesorten, fremdländischer Weizen kommt nur ausnahmsweise zur Verarbeitung und gelangt überhaupt erst dann zum Import, w?nn die Fechsung des Landes den inländischen Konsum nicht 358 C (estetreich-Ungarn. zu decken vermag. Bezüglich der Verarbeitung ausländischen Getreides haben die Budapester Mühlen höchst interessante Versuche angestellt; so wurde z. B. vor mehreren Jahren eine grössere Parthie Weizen aus (>dessa und Spanien bezogen und vermählen, die Erfolge waren aber keineswegs befriedigend. Bei allen diesen Versuchen hat sich schliesslich herausgestellt, dass zur Hochmahlerei der stahlige, ungarische Weizen Vorzüglich geeignet ist und dass es schade wäre, in dieser Richtung schon im Vorhinein verfehlte Experimente zu forciren. Auch erkannte man, wie unvorteilhaft es ist, neue ausländische Weizensorten in Ungarn einzuführen und zu acclimatisiren, denn der ungarische Weizen hat sich für die einheimischen Verhältnisse in so hohem Grade bewährt, dass man ihn in seiner Originalität erhalten, oder, wenn möglich verbessern soll, was jedoch nur durch sorgfältigere Pflege, bessere Kultur, rigorosere Auswahl des Saatgutes u. s. w., nicht aber durch Kreuzungsverfahren erreicht werden kann. — Die ungarische Mühlenindustrie verarbeitet die in Ungarn heimischen Weizensorten in folgendem Procent-Verhältnisse: Theiss weizen...........35° o Banater und Maroscher Weizen .... 25 ,, Pester und Weissenburger Weizen . . . 25 „ Bäcskaer Weizen.........15 » 100 "„ In der Mühlentechnik, deren Hauptaufgabe heut zu Tage darin besteht, möglichst gut und billig zu produciren, wurden in den letzten Jahren von den vortrefflichen Budapester Ingenieuren wieder bedeutende Verbesserungen gemacht. So vervollkommnete man z. B. nicht nur sehr bedeutend die Getreidereinigungsmaschine, sondern man setzte auch eine ganz neue Konstruktion in Betrieb. An erster Stelle verdienen hier höchst lobenswerth hervorgehoben zu werden die Getreidesortirmaschine Stefan v. Katonäs und die Getreideputzmaschine des bekannten tüchtigen Mühlen- technikers Adolf Fischer. Einen noch bedeutenderen Fortschritt erzielte man durch die Konstruktion der mit gerifften Hartgusswalzen versehenen Walzenstühle, deren Achsen, sowie Walzenperipherie behufs Anpressung und Lagerentlastung in sogenannte Federringe montirt sind. Diese vor einigen Jahren patentirte Erfindung war von eminenter Wichtigkeit für die gesammte Mühlenindustrie, denn nicht nur, dass mau dadurch nunmehr die Mahlstühle bedeutend billiger, ja sogar fast um ■den halben Preis herzustellen vermag, wird dadurch auch die Leistungsfähigkeit der Walzen fast auf das Doppelte gesteigert und eine viel bessere Waare erzeugt. Nebst den so vorzüglich rekonstruirten Mahlwalzen, richtiger Stuhlungen, finden auch noch die Centrifugal-Sichtniaschinen und die verschiedenartig konstruirten Griesputzerei-Maschinen allgemeine Berücksichtigung. Die letzteren wurden nicht nur in allen Budapester Mühlen, sondern in neuerer Zeit auch vielfach in den ausländischen Mühlen eingeführt. — Schliesslich ist noch die vor einigen Jahren patentirte Erfindung Emerich Pekars zu erwähnen, wodurch es nunmehr möglich ist, die verschiedenen Mehltypen auf eine höchst einfache Art zu unterscheiden und zu erkennen. Dieses Verfahren hat auf der letzten Pariser Weltausstellung allgemeine Bewunderung hervorgerufen und wurde von sehr vielen Mühlenetablissements des In- und Auslandes adoptirt. Als weiterer Beweis, wie ausserordentlich die Mühlentechnik in Ungarn entwickelt ist, mag dienen, dass das gesammte Ausland sehr viele Müh len-Masch inen und -Fänrichtungen aus Ungarn bezieht und alljährlich eine grosse Anzahl Fachleute nach Ungarn entsendet, um Spezialstudien in dieser Branche anzustellen. — Die Budapester Mühlentechniker erhalten immerwährend die brillantesten Plngagements vom Auslande. So wurde z. B. vor einigen Jahren einem der hervorragendsten Mühlentechniker Budapests von einem amerikanischen Kon sortium der Antrag gestellt, gegen einen jährlichen Gehalt von 20.000 Dollar nach Philadelphia zu kommen, um dort mehrere grosse Dampfmühlen zu erbauen und einzurichten. Uebrigens befinden sich jetzt die deutsche, englische, französische und österreichisch-ungarische Mühlenindustrie in höchster Spannung, denn England und Frankreich bekämpfen vereint Amerika und werben auf allen Seiten Hilfstruppen. Amerika pflegte sonst im ersten Momente nach der baute beträchtliche Quantitäten Weizen auf den europäischen Markt zu werfen, während der Mehlversandt regulär blieb. In neuester Zeit ist aber die Ausfuhr auch in Mehl gross, denn in Amerika spekulirt man darauf, alles, was nicht in Getreide als Rohprodukt seine Verwerthung findet, in Form von Mehl auszuführen. Die amerikanische Mühlenindustrie nimmt unter den dortigen Industrien heute den ersten Rang ein, wenn der Werth des verarbeiteten Materials als Grundlage angenommen wird, und sie rentirt besser als alle anderen Grossindustrien, denn der Mehlexport ist auf über 10 Millionen Fass jährlich gestiegen. Die Hauptabsatzgebiete sind England) Prankreich und Brasilien. Englands Mehleinfuhr hat sich in den letzten Jahren enorm gehoben und kann auf circa 13 Millionen Centner amerikanisches Mehl veranschlagt werden. — Natürlich macht diese stetig wachsende Konkurrenz Amerikas, welcher sich jetzt auch die Deutsche hinzugesellt, der österreichisch-ungarischen Mehlproduktion die Behauptung seines Absatzgebietes ausserordentlich schwer. Von den übrigen Industriezweigen sind in Ungarn, welches ja noch immer der ausgesprochenste Agrarstaat ist, nur noch hervorzuheben die Bessemermetallerzeugung zu Reschitza im Banate und seit 1882 auch in Diosgyör; die Wafifenfabrikation und der Maschinenbau in Budapest; die Porzellanfabrikation in der durch ihre künstlerischen Leistungen berühmten F'abrik zu Herend (Veszprimer Comitat) und, jedoch in geringerem Masse, zu luinfkirchen. Die Steingut-, l^ayence- und Majolica-fabrikation in Fainfkirchen und Totis; die Glasfabrikation in den nördlichen Comitaten, welche aber hauptsächlich nur ordinäres Hohl- und Tafelglas liefert, das nach der Türkei, Rumänien und Serbien exportirt wird; und die Lederfabrikation in Budapest, Temesvar, Miskolcz, Eisenstadt, Piume, Agram und Essek. — In seinen wenigen Tuchfabriken besitzt Ungarn eine kleine Anzahl Spindeln. — Die Schafwollindustrie befindet sich in den ersten Stadien der Entwicklung, sie umfasst Kleingewerbe und wenige Fabriken für die Tucherzeugung und wird ausserdem hauptsächlich in Kroatien, Slavonien und Siebenbürgen als häusliche Beschäftigung ausgeübt. — Die Baumwollweberei Jst im Pmtstehen und es giebt nur eine kleine Hausindustrie,, hingegen beschäftigt die gleichfalls als 1 lausindustrie betriebene Hanf- und Elachsweberei eine ziemlich bedeutende Anzahl Hände. — Schliesslich wird in Oberungarn auch noch die Fabrikation von Chemikalien betrieben. — Wie wir schon früher hervorgehoben haben, besitzt Ungarn und Siebenbürgen altberühmte Gold- und Silbererzgänge. Die wichtigsten sind bei Schemnitz, Kremnitz, Nagybanya, Schmöll-nitz. Vöröspätak, Zalatna, Nagyäg und Offenbänya. — An Quecksilber wird im Bergwerke Szepes-Iglö circa 177 Meterzentner gewonnen. — Auf Roheisen baut man in den Berg-Bezirken Szepes-Iglö, Neudorf und Oravicza. Seine Produktion steigerte sich in Ungarn von 21.930 Tonnen im Jahre 1840 auf 87.855 im Jahre 1860 und auf 164.000 im Jahre 1881. — Zink liefert das kroatische Warasdiner-Comitat. — Die ergiebigsten Steinkohlenreviere Ungarns finden wir in Juinfkirchen und Steierdorf, die der Braunkohle in Salgo-Tarjan. — Unfeinen 8 Salzbergwerken Transleithaniens sind die bei Soovar am wichtigsten, ausserdem giebt es noch ein Sud werk. — Im frergbezirke Nagybanya werden alljährlich circa 180 Tonnen -^sphaltsteine und in Oravicza gegen 19.000 Meter-Centner Bergöl gewonnen. 1 In Westungarn betreibt der Hienze mit Vorliebe das Handwerk, daher sind in den magyarischen Ortschaften ihrer Um- gebung die Handwerker grösstentheils ebenfalls Hienzen. Der hienzische Handwerksbursche läuft gerne durch die Welt und gleicht hierin dem Zillefthaler und Gottscheer Deutschen. — Hienzische Maurer trifft man häufig in Wien und Budapest; diese kehren dann von Zeit zu Zeit mit reichlichem Verdienst wieder in ihre Heimath zurück, wo mittlerweile Weiber, Kinder und Greise schlecht und recht die Wirthschaft geführt haben. — Wie in Landsee der Hauptsitz der Maurer, so hat L'nier-rabnitz vorwiegend Zimmerleute, welche entweder fertige Dachstühle verkaufen, oder auf die Zimmerplätze in die Fremde wandern. Dagegen haben andere Gewerbs- und 1 landelszweige der Hienzen unter den Einwirkungen der veränderten Verkehrsund Industrieverhältnisse erheblich gelitten. Die Tuchmacher, Kürschner, Leinweber, Lederer, Weissgerber und Färber, welche früher Herren eines verbreiteten Geschäftsbetriebes waren, sind theils den industriellen Fortschritten ihrer westlichen Nachbarn in Oesterreich, theils dem spekulativen Geiste grösserer Kapitalisten, die den Handel in ihre bland nahmen, zum Opfer gefallen. Blühend ist bei den Hienzen noch das Handwerk der „Küferei", Binderei, dessen Lrzeugnis.se nicht nur nach Wien, Pressburg und Pest zu Markte gebracht, sondern bis nach Slavonien und Süd-Ungarn verfrachtet werden. Ebenso haben die Haarsiebmacher und Rosshaarflechter zu Pinkafeld, dann die Hackenschmiede zu Pinkafeld, Seimersdorf u. a. Orte, sowie die Drechsler mit ihren „Spinnradeln" reichlich lohnende Arbeit. In der grossen Theissebene, dem Hauptkern des Magyaren-thums, herrscht ein sehr reger Handwerksbetrieb und Anfänge der Industrie. — Die in Funfkirchen erzeugten Musikinstrumente sind gesuchte Artikel. — Bei den Slovaken finden wir die Leute nach ihrer Beschäftigung mit besonderen Namen benannt; so z. B. Drahtbinder aus der Trenciner Gegend, Spitzenverfertiger aus der Neusohler, Säckemacher aus der Neutraer-, Käse- und Butterarbeiter aus der Neutraer und biptauer Gegend, endlich Holzhacker aus dem Neograder Gomitate. I )ie ungarischen Bergstädte sind nicht nur wegen ihrer herrlichen Naturschönheit interessant, sondern auch wegen des geschäftigen Lebens des Bergmanns, der Mannigfaltigkeit der Bevölkerung und deren Sprachen, Sitten, Gestalten und Gewohnheiten; Der Bergbau ist in diesen ungarischen Städten uralt, denn es beweisen zahlreiche vorhandene Spuren, dass Ungarns Bergbau weit älter ist, als der ungarische Staat. Der Bergbau dürfte wahrscheinlich seit der Herrschaft des Cjuaden-volks nie gänzlich aufgehört haben. Aber diese ältere Berg-mdustrie, wie auch deren Pflege in späterer Zeit unter den ersten ungarischen Königen, führte noch nicht zur Bildung geschlossener städtischer Ansiedlungen. Der Betrieb des Bergbaues mochte in der Weise erfolgt sein, dass die „königliche Limmer", deren Sitz später Kremnitz wurde, in der Entfernung v<-)n mehreren Meilen um diesen Mittelpunkt eine grössere Anzahl Grubenkolonien, „Villen" (villae), angelegt haben, deren Bewohner freie Leute waren, unter besonderer Protektion des Königs standen und auch sonst allerlei namhafte Privilegien genossen. Diese Leute waren Deutsche, unter denen wahrscheinlich bergbaukundige „Sachsen" (Thüringer, Schlesier) die Mehrzahl bildeten. Die ersten Ansiedlungen geschahen wob' gleichzeitig mit der Zipser Kolonisirung in der zweiten Hälfte d«S 12. Jahrhunderts. Aus den zerstreuten Bergmannsdörfern entstanden grösstentheils erst später, nicht vor der Mitte des *3« Jahrhunderts, geschlossene Stadtgemeinden, welche in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ihren Glanzpunkt erlangt haben, denn die Ertragnisse der Bergwerke, besonders an Kupfer, waren damals sehr bedeutend. — Heut zu Tage ist ni,n dieser Bergbau, gerade so wie die einst in diesen Gegenden blühende Weberei, deren Produkte in die weitesten Gegenden versandt wurden, fast gänzlich erloschen und die Städte sind nur mehr der Schatten von dem, was sie einst waren. Auch Kroatien ist vorherrschend ackerbautreibendes Land. I )a nun bei der verhältnissmässig schwachen Bevölkerung schon in der Landwirthschaft Arbeitsmangel herrscht, so erscheint es natürlich, dass bei den geringen Verkehrsmitteln der dortigen Gegenden, sowie dem Mangel an hinreichendem Betriebskapital die Industrie Kroatiens weit hinter der anderer Länder zurückgeblieben ist. — Wir finden daher nur in den Städten eine selbständige Gewerkthätigkeit, doch trachtet man durch Kredit- und Aktiengesellschaften seit neuester Zeit die Thätig-keit zu heben. Allein die meisten dieser Anstalten befinden sich noch im Stadium ihrer ersten Entwicklung und werden noch viele Hindernisse zu bewältigen haben, um bei dem Mangel an Arbeitskraft und Verkehrsmitteln die ausländische Konkurrenz paralysiren zu können! — Immerhin dürfte aber Kroatien, da sonst alle anderen Vorbedingungen vorhanden sind, in nicht allzuferner Zeit einen mächtigen industriellen Aufschwung nehmen. Im Küstenlande bestehen jetzt ungefähr 12 Schiffswerften, welche sich auch im auslände eines guten Rufes erfreuen. — Die Branntweinbrennerei wird hauptsächlich als Hausindustrie betrieben. Ziemlich beträchtlich ist die mit der Landwirthschaft eng verbundene Hausindustrie, u. z Hausleinwandweberei, weil die Kroaten hauptsächlich Kleidung aus Leinwand tragen. — Das Spinnen besorgen die Frauen im Winter, gewebt wird am beimischen Webstuhl. welcher in keiner grösseren Haus-communion fehlt, und der Bedarf an Leinwand ist so gross, dass man den ganzen Hanf und Flachs im Hause verwebt. — 1 )csgleichen wird der grösste Theil der alljährlich gewonnenen Wolle auf sehr primitive Weise zu grobem Tuche verarbeitet. •An diese Beschäftigung knüpft sich unmittelbar die nationale Textilindustrie, die von einer seltenen Begabung des kroatischen Volks, namentlich des weiblichen G*e:. schlechts. in dieser Richtung zeugt und schon längst, besonders in neuester Zeit, die allgemeine Aufmerksamkeit und Anerkennung des In- und Auslandes erworben bat. — Wollene und leinene Kleidungsstücke. SOWJ6 der grösste Theil der Hauswäsche werden mit I landstickereien geschmückt, die in Zeichnung und Ausführung originell sind, eine staunenswerthe Regelmässigkeit der Formen besitzen und dem Auge eine höchst angenehme Harmonie in der Zusammenstellung und dem Wechsel der F"arben bieten. Nicht minder gefällig sind die verschiedenen Geräthschaften aus Ihon, Holz, Metall und Leder, und wenn sie auch vielfach eine noch primitive I lantierung verrathen, so beweisen sie doch einen unverdorbenen, gesunden Geschmack. — Diese Hausindustrie ist aus dem Volke selbst hervorgegangen und stammt aus alten Zeiten. — Für die Steinhauerei im Küstenlande besitzen die dortigen Bewohner ebenfalls grosse Fähigkeiten. In neuerer Zeit wurde in Kroatien die Montanindustrie wieder in Schwung gebracht, und besonders seit dem Jahre ]$70 haben sich verschiedene Aktiengesellschaften mit sehr bedeutenden Kapitalien gebildet, um die ausgedehnten Kohlenlager Kroatiens auszubeuten. — Man findet Golderz, Silber, ßisen, Kupfer, Bleierz, Zink, Schwefel, Kohlenlager im ganzen Lahde und die Drau führt Goldkies. — Obwohl der Bergbau Ausdehnung zunahm, ist doch der batrag noch immer ver-hältmässig ein geringer. In Siebenbürgen fehlen Kunstgewerbe und Fabriksindustrie S(' zu sagen gänzlich. Das herrschende Kleingewerbe arbeitet grösstenteils nur für den Bedarf des Landbauern, der auf den zahlreichen Jahrmärkten als Käufer zu treffen ist. Selbst die *we „Kronstädter Waare", welche stark nach Rumänien geht, lst im wesentlichen Bauernwaare. — Was die Siebenbürger an feineren Waaren für Bekleidung, Haus und Wirth- !!t>t> < >e«aerrcicii-L'ngarn. schaft brauchen, wird hauptsächlich von Cisleithanien bezogen. — Wenige heimische Gewerbe entsprechen dem ieineren Geschmack. Es sind nur Kleider- und Wäsche-Erzeuger, Schuster, Tischler und einige andere. — In neuester Zeit machen aber die Rumänen den Sachsen auf gewerblichem Gebiete eine bedrohliche Konkurrenz.— Der rumänische Bursche arbeitet sich durch zähen Fleiss, Entbehrung und Sparsinn zum tüchtigen Handwerker empor, während der sächsische Bauernbursche weniger in die Stadt zieht, um ein Handwerk zu erlernen, und dem rumänischen Lehrling und Gesellen in der Kunst des Darbens nachsteht. Der geschmeidige, fugsame Rumäne kommt auf solche Weise empor, während der Sachse, selbst in der Jugend, den Dienst verschmäht. Immerhin befinden sich aber die Rumänen Siebenbürgens und die der übrigen Kronländer in ihrer gewerblichen Thätigkeit noch auf sehr tiefer Stufe, denn es ist ein Volk, welches Jahrhunderte lang keinen eigenen Grund und Boden besass und von Grundbesitzern beherrscht wurde, darum ist heute seine ganze ökonomische Thätigkeit darauf gerichtet, selbst Grund und Boden zu erwerben. Abgesehen davon, dass beinahe sämmt liehe Bedürfnisse der Rumänen durch die primitive Hausindustrie befriedigt werden können, macht schon bei ihnen die Sucht nach Grund und Boden jede höhere industrielle Eni' wicklung für eine lange Zeit unmöglich! — Es fehlt bei ihnen nicht nur das Betriebskapital, weil sie alles verfügbare Geld mit einer fieberhaften Uebereilung in den Boden stecken, sondern auch die erforderlichen Arbeitskräfte, da leider noch immer ein grosser Theil der Rumänen lieber ein armer Bauer bleiben als ein reicher Handwerker werden will. — Es giebl zwar bei den Rumänen Gerber, Kürschner, Töpfer, Holzarbeiter. Riemer und in neuerer Zeit viele Schuhmacher, diese sind jedoch zum grossen Theil auch Bauern, treiben gewöhnlich ihr Gewerbe nur im Winter und geben es als etwas Unwürdiges auf, sobald sie sich etwas Vermögen erworben «-'iben. Trotz alledem giebt es aber gewerbetreibende Ru-■nancn in grösserer Anzahl, und ihre Zahl wird von Jahr zu Jahr beträchtlicher, denn die hehrer und Popen reden den bitern der begabteren Kinder zu, sie ein Gewerbe lernen zu lassen. Wie wir schon früher hervorgehoben haben, ist in Siebenbürgen das Gewerbe vorwiegend Kleinindustrie. — Mit der Regung der Schienenstränge begann auch hier der Kampf tischen Kleingewerbe und Fabrikindustrie. — Viele früher blühende Gewerbszweige gehen unter, und die durch den ^;uifmann eingeführte Fabrikswaare tritt an die Stelle der I bindwerksproduktion. Die sächsischen Städte sind nahe daran, ihr Gewerbe zu verlieren, wie sie in früheren Jahren ihren bedeutenden Handel verloren haben. Das Gewerbe, die Industrie und das Montanwesen in Bosnien und der Herzegowina. Bei der gewerblichen Thätigkeit Bosniens dürfen wir nicht denselben Massstab anlegen, wie bei einem Kulturland. Die seit vielen Jahren dort herrschenden Wirren und traurigen inneren Zustände waren keineswegs geeignet, die Bewohner zu ^Werblichen Unternehmungen anzueifern, noch weniger aber 'isländische Kapitalisten heranzulocken, obwohl das Land an Naturschätzen reich ist und sich ihnen daher nach allen Rieh« Hingen die günstigste Gelegenheit geboten hätte, ihre individuellen Fähigkeiten und ihr Kapital nutzbringend zu ver-^erthen. Unter der türkischen Herrschaft in Bosnien gesellte sich zu den übrigen Beschränkungen noch der grosse Uebelstand, :!;iss die christliche Bevölkerung nicht jedes beliebige Handwerk, sondern nur dasjenige betreiben durfte, welches in den ™*§fen der Mohamedaner als „unwürdig" angesehen wurde. So 868 (>e8terreich*lJngarn, konnten z. B. nur Mohamedaner Waffen- und Kupferschmiede, Gold-, Silber-, Schnur- und Posamentirarbeiter, Verfertiger von Sätteln, Riemen und Pelzen sein, so dass es den Christen höchstens erlaubt war. sich mit der Herstellung von Opanken, Nägeln, Aexten, Hufeisen etc. zu befassen. — Unter solchen Umständen ist es sehr natürlich, dass die Industrie in diesem Lande ganz vernachlässigt wurde. Las Handwerk als ausschliessliche Beschäftigung e.xistirte nicht. In ganz Bosnien war kein Maurer, Tischler oder Zimmermann zu finden, der sein Handwerk berufsmässig erlernt oder ausgeübt hatte, nur in Serajewo fand man einige Leute, welche das Gewerbe in grösserem Massstabe betrieben und die einzelnen Branchen ihres Handwerks auf eine gewisse Stufe der Vollendung brachten. — Doch gab und giebt es in jeder Ortschaft eitlen Tausendkünstler, welcher sich „Dundjar" nennt und der Bevölkerung seine Künste zur Verfügung stellt. — Dieser „Dundjar" ist in einer Person Maurer, Steinmetz, Tischler, Schlosser, Baumeister, Zimmermann, Schornsteinfeger, Töpfer und noch alles mögliche andere, er versteht alles, nimmt jede Arbeit an und führt manches mit auffallender Geschicklichkeit aus, weshalb ihn seine Umgebung auch als wirklichen Hexenmeister verehrt. Zu allen diesen verschiedenen Arbeiten besitzt der „Dundjar" nichts als ein Beil, einen Bohrer, Meissel und eine Zange, ja er hat nicht einmal einen Massstab und sein Augenmass ist untrüglich. Hauptsächlich mangelt es der bosnischen Industrie an Kapital, Verständniss und der Verkaufsgelegenheit, wozu sich dann noch die Anspruchslosigkeit des Volkes und die Anhänglichkeit an alte Gebräuche als natürliche Hindernisse gesellen. Die Industrie beschränkt sich daher nur auf die Herstellung derjenigen Artikel, welche zur Deckung der einheimischen Bedürfnisse gehören und von einem Lxport ist hier in den meisten Fällen keine Rede. — Doch befindet sich die Metallindustrie in Folge des grossen Metallreichthums der bosnischen Gebirge in einer ausserordentlichen vortheilhaften Lage. An Fabriken ist Bosnien, wie man sich leicht vorstellen kann, sehr arm. Getreidemühlen von primitivster Konstruktion mit einer Walze sind überall im Lande zu finden, doch liefern sie nur eine Sorte schwarzes Mehl. Ausserdem giebt es noch wenige Dampfmühlen, die aber meistens blos nai Sommer arbeiten, wenn die kleinen Mühlen wegen Wassermangel still stehen. — Die sehr zahlreichen, ebenfalls nicht nach europäischem System gebauten „Sagemühlen" dienen hauptsächlich zur Herstellung von Brettern. — Diese Bretter haben eine Länge von 21/j Metern und sind nur so kurz bemessen, wie es die Bauart der bosnischen I lolzhäuser erfordert. Zum Baue von Häusern europäischen Styls können derartige Sagemühlen weder Bretter noch Balken liefern, denn sie be sitzen nur ein einschneidiges Lauggatter. - Solch eine Sägemühle ist kaum im Stande, täglich 30—60 Bretter fertig zu stellen. — Im Kreise von Foynica sind iü Sagemühlen in Arbeit, welche jährlich durchschnittlich 240.000 Bretter liefern, Da nach der Oceupation das Bauholz ausserordentlich im Preise stieg, so wurden von den zahlreich eingewanderten Fremden Sägemühlen europäischer Art, besonders in Serajewö und Um-Segend, errichtet. — Diese Mühlen mussten aber in Folge des Konkurrenzkampfes mit den Lingebornen ihre Arbeit ausschliesslich auf die Herstellung von Bauhölzern für Häuser im e^ropäischen Styl beschränken. Ebenso zahlreich wie die Sägemühlen sind kleinere primi-bve ..Färbefabriken", welche die Deckung der Landesbedürfnisse besorgen. — Wenn die Bosnier in der Färberei auch keine besondere Vollkommenheit erreichen, so zeigen sie doch in '''-'''Stellung der Farben eine bemerkenswerthe Geschicklichkeit. ■ Männer und Frauen verwenden ihre freie ^eit zum Einsammeln von Pflanzen, tue sich zur Färbung eignen. In dieser Beziehung beweisen sie Viel Gewandtheit Owt«rreich-ünj(»m. 24 und Erfahrung, daher bilden auch Farbmaterialien einen bedeutenden Exportartikel des Landes. — Der starke Gebrauch der Farben veranlasste die dortigen Bewohner schon in alten Zeiten unwillkührlich, auf diesem Gebiet eine besondere Thätig-keit zu entfalten — Die Teppichindustrie zeichnet sich nicht nur durch solide Weberei, sondern auch durch die geschickt gewählten und zusammengestellten Farben aus. Die Ziegelbrennerei ist in Bosnien vollkommen vernachlässigt, denn bei dem Häuserbau werden gar keine Ziegel verwendet, ja man versieht die Häuser nicht einmal mit einem Rauchfang. - Seitdem aber die Regierung nach der Occu-pation verordnet hat, dass Schornsteine auf den Häusern sein müssen, und die alten feuergefährlichen Holzhäuser nach und nach durch Steinhäuser zu ersetzen sind, auch die zahlreichen eingewanderten Fremden Ziegel für ihre Häuser brauchen, so hat die fabriksmässige Ziegelerzeugung bereits begonnen und ein rasches Aufblühen derselben ist mit Sicherheit zu erwarten. — In Serajewo giebt es gegenwärtig circa 15 kleinere und grössere landesübliche Ziegelbrennereien und ausserdem findet man hier noch eine fachmässig eingerichtete Ziegelfabrik mit bedeutenden jährlichen Produkten. Auch in Zenica, Travnik, Banjaluka sind neue Ziegelbrennereien entstanden. In Tolnja, Tuzla und anderen Orten verfertigen die Ziegelbrenner jährlich circa 1 Million Ziegel. Bei der Vortrefflichkeit des Materials, dem Holzreichthum und dem immer wachsenden Bedarf bietet sich in Bosnien für thätige, mit dem nothwendigen Kapital versehene Unternehmer eine lohnende Thätigkeit. — Im Kreise von Serajewo auf den Abhängen der Kosewo- und Miljackathäler, sowie in den Bezirken von Travnik, Zupanjac und Livno ist in breiten Schichten Thonerde von vorzüglicher Qualität zu finden, die zur Erzeugung feiner Porzellangeschirre ausserordentlich geeignet ist. — Der Bedarf an Porzellan war früher sehr gering, doch ist seit der Occupation die Nachfrage theils durch die Eingew m derten, theils aber auch durch die Eingeborenen, deren Bedürfnisse sich jetzt langsam mehren, bedeutend gestiegen. — Zu Bauzwecken liefern die Steinbrüche von Zupanjae schöne Steinplatten und Sandsteine, und in Dervent werden Mühlsteine hergestellt — Trotz des Reichthums von Steinbrüchen in Bosnien haben aber die Steinarbeiten nicht den geringsten Fortschritt gemacht. Die Lohgerberei war bisher nur als Handwerk betrieben, in letzter Zeit hat aber dieselbe sowie die Lederfabrikation einen derartig beträchtlichen Aufschwung genommen, dass sie eine der wenigen Industriezweige Bosniens wurde, Welche auch für das Ausland arbeitet. Denn sogar entferntere Länder beziehen mit Vorliebe das aus Ziegenhäuten gearbeitete feine bosnische „Saffianleder", und z. B. Wien kauft alljährlich bei Serajewo bedeutende Quantitäten zusammen. — In Visoka arbeitet seit Jahren eine solche Fabrik, die jährliche circa 30.000 Stück Saffianleder ünd ebensoviel Stück Schafsleder, „Uljesine" genannt, producirt! — Das Kilogramm Saffianleder kostet 1 FT 40 Kr. his 1 Fl. 90 Kr., oder wie man in Bosnien rechnet, die Oka 21—30 Piaster. — Für „Uljesineleder" bezahlt man das Kilogr, mit 98 Kr. bis i Fl. 10 Kr., oder die Oka mit 1 5 —17 Piastern. Zur Pflege dieses Industriezweiges steht reichliches Material zur Verfügung, daher wird die Fabrikation wahrscheinlich noch grössere Dimensionen annehmen, besonders da unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Verbindung mit dem Ausland Vlel einfacher und sicherer geworden ist. - Die übrigen Ledergattungen, welche in „Visoka" noch hergestellt werden, dienen meistens zur Deckung der Bedürfnisse der Bosnier. — In neuester Zeit wurde in Serajewo eine grosse Lederfabrik, verbunden mit einer Lohgerberei, errichtet, welche wöchentlich 120 150 Stück Leder verfertigt. bis giebt auch zwei Bierbrauereien in Serajewo und eine m Banjaluka, die Eigenthum des Trappistenordens sind, aber 24* 372 < tagtencicli-L 'nyaru. .schlechtes Bier erzeugen, obwohl die Umgebung von Visoka ausgezeichnete Gerste in hinreichender Quantität producirt. Der Bierkonsum vergrössert sich jedoch Von Tag zu Tag, so werden z. B. in Serajewo täglich 12 — 18 Hektoliter kon.sumirt, welche man zum grossen Thcil aus Oesterreich-Ungarn im-portirt. — Die Mohaniodaner, welche keinen Wein trinken dürfen, finden immermehr Geschmack am Biere, während die bosnischen Christen erst nach und nach von dem gesundheitsschädlichen Kakija entwöhnt werden können. — Die erst seit neuerer Zeit von österreichischen Unternehmern etablirte Eisfabrik machte die besten Geschäfte, weil es in den Mausern der dortigen Bewohner keine Eiskeller giebt. — Hingegen gelingt es nicht, mit den neu erbauten Sotlaw asserfabriken Geschäfte zu machen, ja eine grössere neugegründete Fabrik musste sogar ihre Arbtaten einstellen, weil die Umgebung Se-rajewos reich an ausgezeichnetem Mineralwasser ist. — In Brcka wurde in letzter Zeit eine Spodiumfabrik erbaut, welche für die Zukunft günstige Aussichten hat, denn sie ist bisher die einzige im Lande, auch findet man genug Material zur Verarbeitung, nur ist das Einsammeln desselben mit Schwierigkeiten verbunden. Bei Banjaluka hat das in allen Dingen, die den Fortschritt betreffen, stets mit gutem Beispiel vorangehende Trappistenkloster eine 'buch-, sowie eine landwirth-schaftliehe Geräthe-Eabrik gegründet und in Betrieb gesetzt; da aber im Trapistenkloster keine weltlichen Arbeiter beschäftigt sind und die Waare, welche die Mönche herstellen, von verschwindend geringer Quantität ist, so hat die ganze Unternehmung keinen beträchtlichen nationalökonomischen Werth für das Land. In Folge der energisch durchgeführten Verbesserung der Kommunikationen beginnt auch die. Wagen-fabrikation in grösserem Massstabe in Bosnien betrieben zu werden. I He bisher hier gebräuchlichen Wagen „Araba"'. ohne Eisenkonstruktion und mit ovalen Kadern, eignen sich auf den gegenwärtigen Kunststrassen nicht zum Verkehr. — Vor der Occupation waren Wagen mit Eisenkonstrutetion sehr wenig ZU finden, die Wagenfabrikation hat daher hier die günstigsten Aussichten. Doch kann man in Bosnien keineswegs die überall m Europa gebräuchlichen Wagen verwenden, denn der bosnische Waagen muss, nach Art der kleinen slavischen und ungarischen Bauernwagen, leicht, einfach und von möglichst geringer Kaumausdehnung sein. — Auch an Möbelfabriken mangelt es noch sehr in den occupirten Provinzen; obwohl die Nachfrage nach diesen Artikeln immer grösser wird und es im Lande das vorzüglichste Rohmaterial giebt. Verhältnissmässig ziemlich viel leisten noch die Eingeborenen in den Metallarbeiten, für die sie grosse Vorliebe besitzen, aber auch die besten dieser Produkte können selbst mit den mitte lmässigen Artikeln moderner Kulturländer nicht konkurriren. Die bosnische Eisenindustrie, welche früher Werkzeuge, Geräthe, Hieb-, Stich- und SchiesswafTen mit einiger Vollkommenheit herstellte und dieselben nach Bulgarien, Serbien, Rumänien und Dalmaticn exportirte, kommt seit der Occupation immer mehr in Verfall, Weil jetzt viel fremdes Eisen importirt wird. Dieser Gewerbezweig wird sich erst dann wieder erholen, wenn man mit der Zeit im Lande selbst durch systematische Pflege des Bergbaus gutes Eisen in grosser Quantität gewinnt. — Immerhin giebt es aber Specialitaten, welche der bosnische Handwerker entschieden besser erzeugt, als ein Handwerker 'm Ausland. So werden z. B. im Dorfe „Novi-Seher' im 1 ravniker Kreise derartige ausgezeichnete Sensen und Sicheln verfertigt, dass fremde Fabrikate kaum mit ihnen zu konkurriren vermögen. Der Bosnier bezahlt diese Sensen keineswegs aus Patriotismus doppelt so theuer, sondern weil die Waare besser und dauerhafter ist! — Von diesen Sensen werden auch grosse Quantitäten nach Serbien ausgeführt, doch ist das alles nicht hinreichend, um die Produktionskraft des Landes in dieser Beziehung vollkommen in Anspruch zu nehmen. — In Serajewo, Dolnja-Tuzla, Banjaluka, Travnik, Mostar und Maglaj arbeiten viele Schmiede. — Auch die Warenerzeugung wurde in diesen Landern vor der Occupation stark betrieben, denn sämmtliche männliche Bewohner, sogar Knaben, gingen, wie wir schon erzählt haben, selbst bis vor die Thüre ihrer Hütte nicht anders als bewaffnet, dieses Waffentragen wurde aber dann von der österreichischen Regierung strenge verboten und die Stich-und Schusswaffen behördlich eingesammelt. — Die erste Folge dieser Verordnung war natürlich, da man von nun an nur mehr fremde Bandschare und andere Waffen kaufen durfte, dass das Waffenschmiedhandwerk vollkommen zu stagniren begann und man die Waffen, welche man früher ziemlich billig erhielt, von nun an viel theuerer bezahlen musste. Immerhin bilden aber die I landschare noch einen sehr gesuchten 1 landels-artikel, weil die ins Land kommenden Fremden die nationale Waffe gerne als Andenken mitnehmen. — Die meisten I landschare und Messer, welche bisher einen Hauptexportartikel nach Serbien und Rümelien bildeten, werden in Föca erzeugt, Bei der Verfertigung aller dieser Watten und anderen Eisenprodukte benützen die Besnier keine Maschinen, sondern machen alles mit der Hand. — Die Goldschmiedkunst war in Bosnien niemals mehr als ein I landwerk, obwohl es gerade hier zu Lande Sitte ist, dass die Männer bei allen möglichen Gelegenheiten Schmuckgegenstände, sei es auch nur ein kleines Goldstück, welches durchlöchert an einer Schnur gereiht um den Hals gehängt wird, schenken. — Einzelne bosnische Goldschmiede besitzen aber in vieler Beziehung eine staunenswerthe Geschicklichkeit und das berechtigt zur Voraussetzung, dass diese Leute, wenn sie einmal mit den modernen Werkzeugen und Verarbeitungsarten vertraut gemacht werden, jedenfalls die Fähigkeit haben werden, vortreffliches zu leisten. Die Goldschmiedearbeit wird hauptsächlich in Serajewo, Banjaluka, Dolnja Tuzla, Zwornik, Vla.senica und Livno betrieben und bildet einen blühenden Industriezweig, der seit der Occupation entschiedene Fortschritte gemacht hat. 1 [ervorragend sind besonders die Silberfiligranarbeiten, welche im Lande die grösste Verbreitung haben und, wie z. B. die Cigarrenmundstücke aus Silberfiligran, in letzter Zeit auch einen sehr rentablen Exportartikel bilden. Diese Cigarrenmundstücke kauft man hauptsächlich darum gern, weil sie eine eigenthümliche Form be-Sitzen. - Fan Konkurrenzartikel dieser Filigranarbeiten sind die aus schwarzem I lolze verfertigten und mit Silber reich ausgelegten Cigarrenmundstücke, welche unter dem Namen der „Livnoer Mundstücke" bereits allgemein gekannt und gesucht sind und selbst in Bosnien eine ausserordentliche Verbreitung haben. Sie werden in verschiedener F'orm sehr geschmackvoll hergestellt und sind viel bequemer als die Silberfiligranmundstücke. Die Arbeiter verstehen es vortrefflich, das Holz mit Silberfäden auszulegen, denn sie versehen die Mundstücke nicht nur mit Verzierungen. sondern auch mit Namen. Sinnsprüchen, Jahreszahlen u. s. w. —■ Man nennt diese Mundstücke deshalb „Livnoer-Mundstücke", weil sie hauptsächlich in dieser Stadt angefertigt werden, und man kauft lieber für höhere Preise die echten Livnocr, als wie die nachgemachten , da die echten aus viel besserem und feinerem Plolz gemacht sind. — Töpferwaaren werden zwar in Banjaluka, Serajewo, Dolnja und Tuzla verfertigt, aber die Bosnier haben gegen alle zerbrechlichen Geräthe eine unüberwindliche Abneigung und man findet häufig in den Häusern, dass die Küchengeräthe bereits von der vierten und fünften Generation benutzt werden. Daher hat das Töpfergewerbe auch nicht viel Arbeit, obwohl die Produkte sehr gut sind und merkwürdigerweise noch immer die klassischen F^ormen beibehalten haben, welche man an den Kannen, Krügen, Geschirren mit einem und zwei Henkeln, den ausserordentlich schlanken Milch- oder Kaffeegefässen, den Wasserbehältern u. s. w. bewundert, denn alle diese Gegenstände erinnern lebhaft an griechische Modelle. Es werden 376 ()e.sterreich-l'ngarn. zwei G&ttunget) sehr starke und dabei wohlfeile Geschirre hergestellt, die eine ist gröber und hat gewöhnlich eine grüne oder rothe Glasur, die andere ist eine Art Terracottaw aare, welche mit rother und brauner Malerei verziert wird und sehr gefällig" aussieht. — Die zur Verfügung stehende vorzügliche Thonerde wird .aber auch zur Verfertigung der „Tschibuk", einer der verbreitetsten und bekanntesten Handelsartikel Hos niens, verwendet. Die bosnischen Tschibuke decken nicht nur den eigenen Bedarf, was schon viel sagen will, da Jedermann in den occupirten Provinzen Tabak raucht, sondern sie bilden auch einen hervorragenden Exportartikel. — Schon seit alten Zeiten wird eine grosse Menge dieser Waare zu einem erstaunlich billigen Preise nach Rumelien, Konstantinopel, ja selbst nach Kleinasien exportirt. - Die Verfertigung dieser Tschibuke ist überall, wo die dazu nöthige Thonerde vorhanden, eine sehr verbreitete Beschäftigung der Bewohner. Besonders im Bezirke und der Stadt Serajewo befassen sich viele Deute damit. Abweichend von der in Bosnien bei anderen Handwerken üblichen Arbeitsmethode weiss eine Familie bei der Herstellung der Tschibuke das Princip der Arbeitstheilung in staunenswerther Weise zur Geltung zu bringen. Während sonst in Bosnien ein Industrieartikel bis zu seiner Vollendung stets in den Händen eines und desselben Arbeiters bleibt, sehen wir bei der Tschi-bukverfertigung bis ins kleinste Detail die Anwendung der Arbeitstheilung. Die eigentliche Werkstätte befindet sich immer in irgend einer Holzhütte der „Carsia." Der Aelteste der F"amilie bringt die mit Wasser befeuchtete und geknetete Thonerde in einer Holz- oder Kupferschüssel in das Lokal, ein Knabe oder ein Mädchen theilt nun Lrde derartig rasch und geschickt in kleine Partien, dass eine jede derselben genau dem zu einem Tschibuk notwendigen Material entspricht. Dasselbe wird dann von dem Meister und dem einen oder andern Jramilienglied in die Eisen- oder Bleiform gegeben und mit der Hand zum Tschibuk geknetet. Hierauf öffnet man die PcVrrj und legt den blassrothen Pfeifenkopf in einen bereit stehenden Korb, und diese Manipulation wird so lange fortgesetzt, bis der ganze Korb mit Tschibuken gefüllt und die Vl >t rüthige Thonerde bis zum letzten Theilchen verarbeitet ist. — I^a die Metallform nichts Vollkommenes zu schaffen vermag, s(» ist auch der Tschibuk noch nicht von jener Vollendung, um sofort gebrannt werden zu können, daher steht jetzt ein kleiner Junge mit einem Taschenmesser bereit, um alle Risalite c^er Thonform zu entfernen oder aber den Tschibuk, wenn er gar zu fehlerhalt ist, in den Korb zurück zu werfen, WO er dann wieder in die Hand des ersten Alten geräth, der ihn als Rohmaterial behandelt und neuerdings zusammengeknetet in die Presse schiebt. P)ie glatt gemeisselteu Tschibuke kommen :,Ut wieder in eine andere Hand, welche ihnen die äussere Verzierung giebt. — Man verfertigt Tschibuke aller Formen Und Grossen1, bei deren Herstellung die verschiedenartigsten Modelle und Methoden in Anwendung gebracht werden. --I »er gereinigte Tschibuk kommt wieder in die Hand des kleinen Jungen, der nun in den Hals der Pfeife ein bis zwei feine Pinien fitzt Die Knaben, welche die Verzierungen ausführen, enthalten bei ihrer Arbeit eine staunenswerthe Geschicklichkeit. Sie arbeiten rasch, geschmackvoll, pünktlich, kennen unzählige Arten der Verzierung und ihre Phantasie ist in dieser Beziehung unerschöpflich. Die gefällige Ausschmückung der Tschibuke geschieht entweder durch Punkte oder durch Linien. — Obwohl die Arbeiter die Tschibuke mit den bizarrsten Verzierungen versehen, so liegt doch in den scheinbar unentwirrbaren Verschlingungen ein System und die Bosnier, welche sich darauf verstehen, vermögen daraus ganz genau die Waaren der verschiedenen Tschibukverfertiger zu unterscheiden. Sowie der Knabe die Verzierungen an dem weichen Thon angebracht hat, ubernimmt gleich ein anderer Junge die Pfeifenköpfe und legt Sle auf eine Lisenblechplatte, die an einer Stange über Kohlen- gluth befestigt ist. Die Platte schwebt frei in der Luit und zwischen ihr und der Gluth muss eine bestimmte Distanz bleiben. Ein noch kleineres Kind handhabt einen seltsam geformten Blasebalg, um die Gluth der Kohle anzufachen, welche zur Austrocknung der rohen Thonerde nothwendig ist. Diese ausgetrockneten Tschibuke werden dann unter den an der Wand sich hinziehenden Mindar (Bank) oder aber auf die in der Werkstätte vorbereiteten Brettergestelle gelegt. — Auch die Eort-räumung der fertigen Waare wird von anderen Personen besorgt. An bestimmten Tagen werden dann die ausgetrockneten Tschibuke in den an einer Seite der Werkstatt befindlichen Oefen gebrannt. Doch die ganze Tschibukerzeugung lohnt sich recht schlecht, denn es entfällt auf eine Person fiir den Arbeitstag kaum io—12 Kreuzer. Trotzdem sind aber die Leute bei ihrer ausserordentlichen Genügsamkeit zufrieden, gehen freudig ihrer Arbeit nach und sehen diesen Verdienst sogar noch als eine grosse Summe an. — Die Tschibuke sind in Bosnien ausserordentlich billig, einzelne Stücke werden zu ein bis drei Kreuzern verkauft. — Es giebt auch d'schibuke, welche, einmal gebrannt, noch einer weiteren Ausschmückung unterzogen werden; man versieht sie dann mit bunten Glasuren oder einem künstlichen Goldglanz. Aber auch diese Exemplare verkauft man verhältnissmässig noch wohlfeil. — Bei der Tschi-bukverfertigung sind immer ganze Familien beschäftigt, ein alleinstehender Meister oder die Annahme von 'Tagelöhnern kommt fast niemals vor, überhaupt kann man in ganz Bosnien, bei Landwirthen, wie bei Handwerkern oder Industriellen finden, dass sie der Einmischung fremder Hände den geringeren Geschäftsverkehr vorziehen. — Blechschmiede giebt es beinahe in jeder < )rtschaft. Das schwarze Blech wird in Bosnien erzeugt, das weisse aus dem Auslände importirt, jedoch ist der Bedarf an Waaren sehr gering und die Produkte sind nicht zum Export geeignet, -f Auch die Schuhmacherei ist eine der verbreitetsten Handwerke. IJer bosnische Schuster unterscheidet sich gar nicht von dem kroatisch-slavonischen Kollegen, denn er arbeitet mit denselben Werkzeugen und verfertigt nach derselben Methode die mit den kroatisch-slavonischen vollkommen gleichen Stiefel. Doch giebt es auch in Bosnien eine Art Schuhe, „Opanken" genannt, welche /.um Theilc aus Holz gefertigt sind, aber keine Achn-hchkeit mit jenen I iolzschuhen haben, die im ungarischen Banate und in Nord-Slavonien getragen werden. Bei diesen Holzschuhen ist nur die Sohle aus einem mehrere Finger dicken H°lz, während die übrigen Theile des Schuhes meistens atis gelbem oder rothem Saffianleder, das mit Gold und Silber-stlckereien verziert ist, bestehen. Gewöhnlich tragen die Kinder, besonders die jungen Mädchen diese Art Schuhe im Regenwetter. Zum Gebrauch dieser Schuhe gehört ziemlich viel Hebung und Geschicklichkeit. Die eigentliche Schuhmacherei eOtwickelte sich in Bosnien aber erst seit der Occupation, denn die vielen FYemden waren gezwungen, wenn sie nicht barfuss gehen wollten, sich aus dem Auslande Schuhe kommen zu kssen, was die Eingeborenen veranlasste, sich auf diese Arbeit zu verlegen und sie von eingewanderten Schuhmachern zu ereilen. Nunmehr verfertigen sie vortreffliche moderne Schuhe Zu verhältnissmässig billigen Preisen. Ebenso wie die ()panken-macher arbeiten auch die Schuster auf der Carsia in niedrigen schmutzigen Holzhütten und auf der Carsia von Serajewo sieht niar> jetzt schon einige amerikanische Nähmaschinen ln TJhätigkeitl Sehr lebhaft wird in Bosnien die Teppich- und Deckenfabrikation betrieben und die hergestellten Artikel reprasenliren einen beträchtlichen Werth. Besonders heimisch ist dieses Gewerbe in Visoka, doch befasst man sich damit auch noch stark 111 Zrenica an der Bosna, in Progor im Romathal und in Foca an der Drina. Am verbreitetsten sind die langhaarigen, aus grober Wolle erzeugten Fabrikate, welche ziemlich stark nach Serbien und Bulgarien ausgeführt werden. — Auch die Ziegenhaarweberei zur Verfertigung grober Säcke und Kotzen ist im ganzen Lande, besonders aber im Kreise von Serajewo und Mostar, sehr entwickelt, weil diese Artikel von der ärmeren Bevölkerung viel verlangt werden, welche ohne Ausnahme des Geschlechts einen grauen, aus grobem Ziegenhaar erzeugten, bis ans Knie reichenden Mantel ohne Kragen, mit engen Aer-meln, tragen, der dem ungarischen „Sziir" ähnlich und wie dieser, wenn auch nicht in so reichem Maasse, mit Schnüren und Troddeln versehen ist. — Die Weber arbeiten in der Regel mit zwei Gehülfen. — In jeder Stadt Bosniens findet man auch Schneider, aber die reichen bosnischen Nationalgew ander können nur in Serajewo, Mostar, Bnnjaluka und Dolnja-Tuzla verfertigt weiden. Doch liegt dieses Gewerbe heut zu Tage recht danieder, weil die reichen Begs und Agas jetzt keine Lust mehr haben, mit ihrer reichen Nationaltracht zu prangen. 1 )afür verfertigen aber jetzt die eingeborenen Schneider in Serajewo und Mostar mit Staunenswerther Geschicklichkeit Kleidungsstücke nach europäischem Schnitt. Der bosnische Schneider arbeitet ebenso, wie alle übrigen dortigen I landwerker, sitzend, ja er besorgt sogar sitzend das Bügeln und führt das Bügeleisen mit dem Busse! — Zu diesem /.wecke ist das Bilgeleisen mit einem breiten Holzrücken versehen, in dessen Einschnitt der Schneider bequem den Fuss zu setzen und daher das Eisen vortrefflich zu dirigiren vermag. — Auch bei der Schneiderei nimmt bereits die 1 Iausindustrie eine hervorragende Stelle ein, weil sich an derselben nicht nur Männer, sondern auch Frauen vielfach betheiligen. — Ausgenommen die hauptsächlich aus Wien importirten Fez, die Turbans und Gürteln, erzeugen die Bosnier beinahe alle ihre Kleidungsstücke zu Hause und bei dieser häuslichen Schneiderei spielen die weiblichen Hände eine Hauptrolle. Sie machen nicht nur die eigenen Kleider, sondern häufig auch noch die Männerkleider u. z. derartig dauerhaft, dass diese oft Jahrzehnte getragen Werden können. — Vortrefflich sind auch die von den Frauen besonders in Xu urnik und Brcka in grösserer Menge verfertigten Wollstrümpfe, In Bosnien tragen nämlich Frauen und Männer ohne Ausnahme Strumpfe, denn die Mohamedaner ziehen bekanntlich ihre Schuhe aus, bevor sie ihre Moscheen, ja sogar bevor sie ihr eigenes Zimmer betreten, und gehen in St rümpfen. — Die Wollstrümpfe, welche man gewöhnlich benutzt, haben auf der rechten Seite eine blaue Stickerei als Verzierung. - Aus der Schafwolle und den Ziegenhaaren werden auch Decken, l'ferde- und sonstige Kotzen producirt, so er zeugt z. B. allein der Visokaer Bezirk jährlich für mehr als 6000 Gulden l'ferdekotzcn guter Qualität und es wird mit diesem Artikel in der ganzen l'rovinz ein lebhafter Handel getrieben. Auch im „Eojnicaer" Bezirke macht man aus Wolle viele Kotzen, noch mehr aber Kleiderstoffe, welche grosse Aehn-whkeit mit dem englischen „Homes pun" haben. Die bos-'nsche 1 [ausindustrie erzeugt ebenfalls Weisswäsche aus I lauf, Piachs und Baumwollzwirn. — Den Hemdärmeln, wird nach ül'ientalischer Sitte, weil der Koran den Mohamedanern vorschreibt, dieselben bei den Waschungen zurückzuschlagen, besondere Sorgfalt gewidmet und die Frauen sind stolz darauf, Wenn ihre Gatten und Söhne recht auffallende und hübsche ' lemdärmel besitzen. Daher werden bei den Wohlhabenderen die Heradärme] gerade so wie die Taschentücher aus durch-s'chtigem, wollartigem Stoffe verfertigt und mit bunten Sticke-feien eingesäumt. Ja die Reichen lassen sich sogar die Hemden 'Uls feiner Seitie oder Halbseide machen und mit den theuersten Stickereien versehen, - Man findet nicht selten Frauenhemden, Welche einen sehr grossen Werth repräsentiren. weil sie aus durchsichtigen, feinen, weissen, schmiegsamen, häufig mit Goldfäden durchzogenen Stoffen oder aus feinster Seide erzeugt sind und an ihren Säumen, besonders aber an der Brust, ®°Wie am unteren Theile mit reichen Goldstickereien geschmückt Verden. Eine alleemein charakteristische Eigenschaft der I lemden 382 ' lesterreich-Ungaxn ist ihre Durchsichtigkeit. — Selbst die Aermsten fertigen die Hemden aus feinen, durchsichtigen, schmiegsamen Stoffen. Die Stoffe sind ausserordentlich dauerhaft und ertragen trotz ihrer Feinheit vieles Waschen, wobei die bosnischen Frauen übrigens ein ganz eigenes Verfahren zur Anwendung bringen, damit die Stoffe nicht beschädigt werden. — Seit neuerer Zeit macht man in Bosnien auch aus Wollzwirn Weisswäsche. Hauptsächlich ist in dieser Beziehung der „Bihacer" Kreis und ,,Zupanjac" zu erwähnen, wo sowohl aus Wolle, wie aus Seide grosse Quantitäten Männer- und Frauenhemden verfertigt werden. Diese Hemden dienen nicht nur zum häuslichen Gebrauche, sondern bilden auch einen Marktartikel, der ausserordentlich exportfähig wäre, weil die Waare sehr hübsch und geschmackvoll gearbeitet ist. Die Montanindustrie könnte eine Quelle des Reichthums für Bosnien werden, wenn sie systematisch betrieben würde. — Doch schien es dem Ministerium einstweilen nicht räthlich, die bergmännische Kxplotirung des Landes durch sofortige Pro-klamirung vollständiger Schurfreiheit und Kegessionirung von Freischürfen der Privatindustrie zu überlassen, denn obwohl die freie Konkurrenz ein wirksames Beförderungsmittel der Industrie ist, so konnte man sich doch den vielfältig gemachten Erfahrungen nicht verschliessen, dass intelligente, kapitals-kräftige Unternehmer nur zu häufig an der Entfaltung ihrer Thätigkeit durch Spekulanten gehindert werden, welche mit dem Freischürfen Missbrauch treiben, aber nicht die Mittel eines soliden Bergbauunternehmens besitzen. - Auch hielt es das gemeinsame Ministerium für geboten, die hoffnungsvollsten Montanobjekte dem Lande zu reserviren und dem Staate doch so weit freie Hand zu wahren, um vorzeitigen und etwa nicht reell begründeten üccupationen von Montanobjekten vorzubeugen , bis die Regierung über das gesammte Montanwesen in Bosnien einigermassen orientirt und die für die Fintwicklung eines gedeihlichen Bergbaubetriebes erforderliche gesetzliche Grundlage geschaffen war. Ks wurde daher damals die Landesregierung vorerst beauftragt, die Kohlengebiete von Tuzla und zenica, sowie den ganzen Lrzdistrikt von Kresewo und Fojnica far dun Staat zu occupiren. Kbenso wurden in Durchführung der durch die Zolleinigung bedingten Monopole sämmtliche Salzquellen des Occupations-gebietes und sonstige Substanzen, aus welchen Salz erzeugt Werden kann, als Monopol des Staates erklärt. Um jedoch zu verhindern, dass Schürfer während der geraumen Zeit, Welche nöthig war, neue gesetzliche Bestimmungen in Wirksamkeit zu setzen, das türkische Berggesetz durch Abmachung mit den Grundbesitzern zum Nachtheil des Staates ausnützen, hat die Regierung bestimmt, dass alle Schürfarbeiten, welche auf dem eigenen Grunde durch den Besitzer oder seinen Mandatar, oder durch fremde Schürfer vorgenommen werden, der Bewilligung der Landesregierung bedürfen. — Das Ministerium blieb aber bei dieser Verordnung nicht stehen, sondern ergrifT selbst die Initiative zur Begründung der Montanindustrie 1111 ('ccupationsgebiet, indem sie die begonnenen Schürfungen, Welche bauwürdige Objekte nachweisen sollten, mit möglichster Energie, soweit die beschränkten Geldmittel des bosnischen bandesärars reichten, so lange fortsetzte, bis es gelang, die °sterreichisch-ungarische Bergindustrie für das bosnische Terrain Zu gewinnen. — Für die Schaffung einer gesicherten Rechts-basis aber wurde die Einberufung einer aus I )elegirten der verschiedenen Ministerien bestehenden Commission aktivirt, deren Aufgabe es war, dem österreichisch-ungarischen Berg* Sesetz möglichst anschliessende Bergesetze für Bosnien ablassen. — Das türkische Berggesetz vom Jahre [869 konnte a's Basis nicht angenommen werden, denn abgesehen von zahl-reichen Mängeln, welche eine gerechte Handhabung desselben f,Lst unmöglich machten, bot es in seinen wesentlichen Tunkten fund im Jahre 1878 stieg die Fabrikation auf 8.6 Mill. Pfund 1882. Der Fortschritt von 1881 zu 1 882. der über 2 Mill. Pfd. beträgt, ist der in dem letzten Jahre in Betrieb gesetzten Fabrik zu Nakskow zu verdanken, welche über 8 Mill. Pfund Rübenzucker producirte. In Oesterreich-Ungarn hingegen hat die Rüben-Anmeldung im Jahre 1883 durch die bessere Ernte nur einen Zuwachs von 45,868.517 auf 51,525.505 Meterctr. und der Export von 2,274.040 auf 2,880.328 Meterctr. erfahren, wobei nur 3 bis 4 Etablissements zugebaut wurden. Für die nächste Campagne sind in Oesterreich bloss 2 Etablissements zur definitiven Ausführung vorbereitet. — Als erfreuliches Zeichen lässt sich in Oesterreich-Ungarn konstatiren, dass der Export von raffmirtem Zucker in diesem Zeiträume zugenommen hatte, denn während im Jahre 1881/82 nur 891,022 Meterctr. raffi-nirter Zucker zur Ausfuhr gelangten, erhöhte sich diese Ziffer in der darauf folgenden Campagne auf 1,245,474 Meterctr., wonach also fast das ganze Exportplus auf das fertige Produkt entfällt. — Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für den europäischen Zuckerverbrauch, namentlich Englands, welches jährlich über eine Million Tonnen Zucker einführt, ist die westindische und brasilianische Zuckerproduktion, und je nach dem Ausfall derselben ist die mitteleuropäische Zucker-industrie berufen, eine grössere oder geringere Rolle bei der Zuckerversorgving Englands zu spielen. Jedoch war bisher für die Gestaltung des Zuckermarktes auf dem Continente, besonders aber für jene des Rohzuckerexportes aus Deutschland und Oesterreich nach England und 1 lolland, die Zuckerernte auf den Colonien noch massgebender als die brasilianische. '■— Einstweilen hat aber auch eine schlechte Zuckerernte in dem einen oder andern Jahre in Westindien und Brasilien keinen grossen Einfluss auf einen beträchtlicheren .Absatz der deutschen und österreichischen Zuckerindustrie, denn die Vorräthe von diesem Artikel in den Idauptkonsumländern, hauptsächlich in England, sind so ansehnlich, dass dadurch die schwächere Exportfähigkeit der Kolonien mehr als paralysirt erscheint. Um die österreichisch-ungarische Zuckerindustrie, deren gegenwärtige Verhältnisse, wie wir gesehen haben, gerade nicht < rcsamratbetrachtungen über die Industrie in Oesterreich-Ungarn. ;}99 die glänzendsten sind, nach jeder Richtung wieder so viel wie möglich zu heben, hat im December des Jahres [883 die in Prag zusammengetretene Versammlung der Zuckerinteressenten die Gründung einer Elbeschifffahrtsgesellschaft für die Zuckerindustrie, die Akquirirung einer Assekuranz-Gesellschaft für den Zucker-Verkehr auf der Elbe, womöglich die Gewinnung des bestehenden Assekuranz-Vereins der österreichisch-ungarischen Zuckerfabriken für diesen Zweck, und schliesslich die Verfassung einer Petition an die Regierung um Beschleunigung der Verstaatlichung" der Eisenbahnen, damit die Zucker-Tarife nach Süden, nämlich nach Triest u. s. w. möglichst ermässigt werden, beschlossen.— Ueberdies wurde von fachmännischer Seite der Vorschlag gemacht zur Sanirung der österreichischen Zuckerindustrie eine Consumsteuer für Zucker einzuführen, und zwar in der Weise, dass auf den inländischen Zuckerverbrauch eine Steuer von 5 PI. per 100 Kilo gelegt und der Ertrag derselben von der Kontingentirungsziffer [11.6 Millionen Gulden per Campagne 188485) in Abrechnung gebracht wird. Das wäre, wie Fachmänner behaupten, eine wesentliche Erleichterung für die österreichische Zuckerindustrie ohne Belastung der Staats-finanzen. Der Zucker ist seit einem Jahre um volle 10 Fl. per Loo Kilo gefallen, und wenn nun auch eine Konsumsteuer von 5 Fl. eingeführt werden möchte, so würde der Konsument noch immer die Waare um 5 Fl, billiger erhalten als im Jahre zuvor. Der Zucker-Konsum in Cisleithanien beträgt circa 1 Mill. Meterctr., de mnach würde sich der Ertrag der Konsum-Steuer auf 5 Millionen Gulden beziffern. Die gegenwärtige Schätzung der kontinentalen Rüben-zucker-Produkt ion 18X485 für die Campagne gestaltet sich lln Vergleiche mit den drei vorhergehenden Campagnen. in Zoll-centnern, wie folgt: 1884/85 £.883/^4 1.SS2S3 18.81/82 Ctr. Ctr. Ctr. Ctr. Deutsches Reich 22,000.000 19.7oo.OOO 16,962,481 12,895.5öS Frankreich 8,600,000 8,500.000 8,463.880 7,865.380 Oesterreich-Ungarn 10,500.000 8,900000 9,460.033 8,220,300 Russland und Polen 6,800.000 6,200.000 5,689.820 6,175.580 Belgien 2,100.000 2,100.000 1,654.460 1,462.720 Holland u. a. Länder 1,000.000 800,000 700,000 600,000 Summa 5 1,000.000 47,200.000 42,930.674 37.2 19.488 Oder Tons (ä 1000 kg) 2,550000 2,360000 2.146,534 1,860.974 Die neue Campagne würde somit ein Plus von ca. 3,800.000 Centnern oder 190,000 Tons gegen ihre Vorgängerin ergeben, deren Mehrproduktion gegen 1882/83 freilich noch grösser war, nämlich auf 215,000 Tons sich belief. Oesterreich-Ungarn hatte in der Periode 188283 2094 Brauereien im Betriebe, um 37 weniger als in der Vorperiode, und betrug deren Gesammt - Produktion 12,424.139 1 lekto liter Bier , für welche an Verzchrungs- und Nachtragssteuer 22,921.778 Fl. entrichtet wurden. Die Zunahme der Produktion beträgt daher 281.746 Hektoliter, jene des Ertrages an Ver-zehrungs- und Nachtragssteuer 427.466 Fl. Die Verarbeitung des Rohtabaks zu Cigar ren und anderen Rauchartikeln ist in Oesterreich-Ungarn ein ausschliessliches Monopol der Regierung, welche den Rohtabak zum grössten Theil, hauptsächlich was die gewöhnlicheren Sorten betrifft, im Inland, meistens in Transleithanien, wo, wie wir wissen, ein ausgebreiteter Tabaksbau getrieben wird, die feinen Sorten aber,' die sogenannten „Specialitäten", direkt an der Bezugsquelle, also in Havanna u. s. w., durch dort ansässige bevollmächtigte Agenten gleich im Grossen einkauft. — Die Tabakregie unterhält 38 meist grossartige Etablissements u. z. 28 in Cis- und 10 in 1 ransleithanien. — Sie ist in ihren Erzeugnissen ausserordentlich vielseitig, denn sie verarbeitet nicht nur allein einheimische, deutsche, türkische und überseeische Rohstoffe zu Cigarren, Cigaretten, Rauch- und Schnupftabak, sondern imitirt auch in Form und Qualität feine Havannacigarren. — Die bedeutendsten Fabriken finden Wir im österreichischen Staatsgebiete in Hainburg. Niederösterreich; Sedlitz, Böhmen; Göding und Iglau, Mähren; Fürstehfeld, Steiermark; Sacco. Tirol; Linz, Oberösterreich; und im ungarischen Staatsgebiete in Fiume. Budapest und Kaschan. Die von der Regierung in eigener Regie betriebenen Fabriken sind vortrefflich eingerichtet, werden von sehr gediegenen Fachmännern geleitet und liefern recht gute Produkte, welche für Monopolprodukte noch immer preiswürdig zu nennen sind. — Der Verschleiss der Tabakwaare an das Publikum geschieht durch ,,! laupttraliken" und „Trafiken," wobei die Haupttrafiken die Waare um einige Procent billiger direkt von denjenigen Fabriken beziehen, an welche sie gewiesen sind, d. h. zu deren Absatzgebiet sie gehören. Die näüpttrafikeri geben dann die Tabakwaare ebenfalls wieder gegen einen normirten Procentnachlass an die zu ihrem Rayon gehörenden Trafiken. Die Kammgarnspinnerei (Österreichs hat gerade so wie die Deutschlands in den letzten fünf Jahren einen ungewohnten Aufschwung genommen, denn die Zahl der in diesem Industrie Zweig beschäftigen Spindeln stieg in Oesterreich von 90,000 ;u'f 1,500.000 und in Deutschland von 700.000 auf 1 Million. I >ie Vermehrung betrug sonach in Oesterreich zwei Drittel, ln Deutschland ein Drittel. Dieses sprunghafte Anwachsender Kammgarnspindeln scheint allen Anzeichen nach noch lange nicht beendet zu sein, denn von Verschiedenen gut informirten Seiten kommen Meldungen über neu projektirte Kammgarnspinnereien. — Die Ursache dieser starken Vermehrung war einerseits eine plötzlich aufgetretene Moderichtung, andererseits ejne ausnahmsweise für Oesterreich und Deutschland günstige Geschäftsperiode; das sind zwei Faktoren, von denen einer so Wenig Zuverlässigkeit als der andere für die Zukunft bietet, ^ie Mode hatte sich von den gemischten Kleiderstoffen den Oesterreichajiiga,,,. 26 glatten, reinwollenen Kammgarn-Artikeln zugewendet, und in Folge des Darniederliegens des Wollwaaren - Geschäftes in England, Frankreich und Amerika war es den deutschen und österreichischen Spinnern ermöglicht, das Rohmaterial unter äusserst günstigen Bedingungen anzuschaffen. — Ks liegt auf der Hand, dass die unter derartigen abnormen Vorbedingungen erstarkte Kammgarn-Industrie von einem Rückschläge bedroht werden muss, sobald eben die Prämissen, auf denen die Prosperität des Artikels beruht, nicht mehr vorhanden sind. Die Anzeichen werden zahlreicher, dass dieser Fall bereits eingetreten ist, denn die Vermehrung der Spindeln hielt längere Zeit gleichen Schritt mit der Vermehrung der Webstuhle, doch hat diese seit längerer Zeit gänzlich aufgehört, während die Spindel- Anzahl noch andauernd steigt. In Folge dessen beginnt der Absatz der Garne trotz erheblichen, den Reingewinn gänzlich in Frage stellenden Preisreducirungcn immer schwieriger zu werden, um so mehr, als bei dem ganz unzureichenden Einfuhrzoll auf Kammgarn von 8 Fl. per Meter-Centner oder 2"/,, des Werthes der Import englischer, französischer und deutscher Garne in Oesterreich immer mehr und mehr anwächst. Die Rückwirkung dieser Verhältnisse auf die österreichische Kammgarn-Industrie beginnt sich denn auch bereits fühlbar zu machen. Eine der grössten Kammgarn-Spinnereien Oesterreichs hatte in den letzten Jahren einen Verlust von 35.OOO Fl. zu beklagen, andere arbeiten, trotzdem wir uns erst im Beginne der Reaction befinden, mit minimalen Dividenden. Die Situation lässt sich daher im Grossen und Ganzen in das kurze Resume zusammenfassen, dass alte, schon längere Zeit bestehende Kammgarn-Spinnereien, welche durch den günstigen Geschäftsgang der letzten Jahre ihr in den Fabriken und der Maschine investirtes Anlagekapital theilw eise oder ganz zu amortisiren in der Lage waren, auch in Zukunft in ihrem Bestände nicht gefährdet sein dürften, während für die Neuerrichtung von derartigen Etablissements die derzeitige Ge- schäftslage in diesem Artikel in keiner Art und Weise ange-thaft erscheint. — Sowohl der Rohstoff als die Garne verloren 'nt Jahre 1883 abermals um 3—5",, an Werth, die letzteren sogar verhältnissmässig mehr als die erstere, was der immer stärker Werdenden Konkurrenz des Auslandes zuzuschreiben ist, welches in Folge geringerer Steuern und niedrigerer Arbeitslöhne hilliger zu produciren vermochte. Durch diese Differenz der Erzeugungsbasis wird den österreichischen Spinnereien auch der Export keineswegs leicht gemacht, besonders schwierig u'Kl häufig mit Verlusten verbunden ist derselbe nach Russland, weil dort neben den erhöhten Eingangszöllen noch eine intensive Geschäftskrise ins Gewicht fällt. — Der Absatz in -Strick- urtd St ick wollen" blieb sich im Jahre 1S82 und 1883 ungefähr gleich, doch auch in diesen Artikeln macht sich die ausländische Konkurrenz mehr und mehr fühlbar, und es ist s©hr nachtheilig für die inländischen Färbereien/ dass gefärbte Garne, mehr gezwirnt, keinem höheren Zollsatz unterliegen als die rohen. - Die Erzeugung feiner, theuerer „Shawls", Wie sie vor zwanzig und noch mehr Jahren geblüht hatte, blieb ;u'l ein Minimum beschränkt, da die Mode dem Shaw 1 noch niuner nicht ihre Gunst zuwendet und ihm die Konfektion das terrain überall streitig macht. Die Fabriken waren daher gezwungen, sich vorherrschend mit der Herstellung verwandter, 1,11 Konsum an Stelle des Shawls getretener Textilartikel, wie y- B. baumwollener Doübletücher oder Tücher aus Baumwolle l,nd Seide in 80, 100, 110 und 150 Centimeter Grösse, also Fabrikate sehr geringer Qualität, zu befassen. — Obwohl die Konkurrenz in derlei Modetüchern nicht zu gross ist, unterbieten sich doch die Fabrikanten im Preise, wodurch der Ab-s;itz besonders in 1 )oubletüchern keineswegs lohnend ist. In l'olge dessen sind in einzelnen Fällen' die Löhne derartig herabgedrückt, dass die Arbeiter kaum mehr begehen können und in Nothstand verfallen. Selbstverständlich leiden darunter auch diejenigen Industriellen, welche für das 26* Wohlergehen ihrer Arbeitnehmer besorgt sind. — Hingegen ist der Export nicht ungünstig, weil glatte und gestickte Kasclunirsbawls sowohl im in- als ausländischen Bedarf gute Nachfrage haben, welche namentlich in Bezug auf letzteren sich mehr den besseren Qualitäten zuwendete. Doch erfolgte der Verkauf ebenfalls zu sehr gedrückten Preisen, denn hauptsächlich Deutschland nimmt in Folge seiner hohen Zölle nur Weniges in baumwollener Waare auf. Der Verkehr nach Italien und Spanien bewegte sich in bescheidenen Grenzen, und nur von Amerika langten grössere Aufträge für billige Doubletücher, aber mit so tief limitirten Preisen ein, dass dieselben nicht vollständig placirt werden konnten. — Im Ganzen waren circa 600 Shawlstühle im Gange, die bis auf einen sehr kleinen, auf Wien entfallenden 'Pheil, auf dem niederösterrei-chischen Flachlande, in Böhmen und Mähren aufgestellt waren. — In „Schafwolltüchern" wird noch beständig ein ganz bedeutender Absatz erzielt, obwohl die Mode das sogenannte Umhängetuch noch immer verpönt und man es in grösseren Städten selten benützt, denn die minder bemittelten Stände Oesterreich-Ungarns, Italiens, Rumäniens, Serbiens u. s. w. kaufen dasselbe, weil sie es aus Gewohnheit und wegen des billigen Preises sehr gerne tragen. — In den wegen ihrer Zweckmässigkeit beliebten „Velourtüchern" wendete die Wiener- und Brünner-Fabrikation besonders den mit Baumwolle gemischten billigeren Produkten ihre Aufmerksamkeit zu und wurde mit denselben in allen Grössen ein günstiger Absatz erzielt. — Auch „Sammettücher" erfreuten sich ebenfalls eines guten Absatzes. — Die in den Wiener Vorstadtbezirken erzeugten Tücher kleinerer Gattung, 75 —120 Centimeter im Gevierte, aus Zephirwolle, fanden wegen ihrer wirklich gediegenen Ausführung und lebhaften Farben sowohl im Inlande, als auch in Rumänien und Serbien lebhaften Anklang. — Das. „Chenillentüchel", ein ausgezeichnetes Fabrikat der Wiener Textil-Industrie, stand mit Gesammtbetrachtuogen üImt die Industrie in Oesterreich-Ungarn, 405 seinen Verkehrsergebnissen in Bezug auf Unisatzmenge, trotz Abnahme der Kxportordres, im Allgemeinen hinter den genannten Artikeln nicht zurück, doch Hessen die erzielten Preise Viel zu wünschen übrig. Bei den bedruckten und eingewebten „Schafwollwaaren" •sind die Absatzverhältnisse gut und die Falliments des Jahres I883 waren für diese Branche nicht bedeutend, daher stammen die Klagen der Fabrikanten und Kaulleute über die geringen Ergebnisse ihrer Thätigkeit wohl mehr von den sehr herabgedrückten Preisen, als von wirklichen Verlusten. — Die Mode blieb auch im Jahre 1 (Vslerreich-Unjjarn Wollwaaren 1883 sehr zurückgegangen. In Rumänien brach sogar unter der Kaufmannswelt eine bedenkliche Krisis aus, wodurch die Österreichisch-ungarischen Fabrikanten und Exporteure manche Verluste erlitten. Italien und Spanien dock ten ihren Redarf an Wollwaaren in Oesterreich-Ungarn in gewohnter Weise. Die Ausfuhr nach Egypten und Kleinasien hat durch die in diesen Ländern herrschenden Verhältnisse sehr gelitten. — Nach Amerika wurden die dort bereits bekannten Artikel auch im Jahre 1883 exportirt, da aber, besonders in Mexico, Central- und Südamerika, wo österreichische WOllwaaren noch konkurrenzfähig sind, die grossen Importfirmen immer mehr in kleine Detailhändler aufgehen und letztere grosse Bestellungen in wenigem Artikeln nicht machen können, weil sie sortirte Lager halten müssen, so ist Gefahr vorhanden, dass die österreichisch - ungarische Industrie ganz von den genannten Absatzgebieten verdrängt wird, wenn nicht vom Staate, sowie den interessirten Kaufleuten und Fabrikanten Gegenmassregeln ergriffen werdet. - Da alle grösseren Nationen ihre Konsular-Aemter in jenen Rändern zugleich auch mit der Vertretung der kommerziellen Interessen betraut haben, und ausserdem von den meisten auch eigene Importhäuser Unterstützung finden, so wird die österreichisch-ungarische Regierung sich wohl endlich entschlicssen müssen, Staatsangehörige auf die dortigen Konsulatposten an Stelle der fremden Staatsbürger zu setzen, welche Oesterreich-Ungarns gewerbliche und andere Verhältnisse absolut nicht kennen, noch weniger aber geneigt sind, sie zu berücksichtigen. — Die Preise erlitten in vielen Artikeln Reduktionen, die im niedrigen Werthe der Schafwollgarne ihren Grund hatten. In Folge dessen mussten auch die halbwollenen Stoffe mehr und mehr den "an/-wollenen weichen, obwohl letztere, um die Konkurrenz mi: ersteren besser bestehen zu können, in sehr leichter Qualität hergestellt wurden. — Die Erzeugung nahm trotzdem im Jahre 1883 zu, und es wurden in mehreren Etablissements neue Maschinen, namentlich Appreturmaschinen, aufgestellt, die zumeist für ganzwollene Stoffe bestimmt sind und fast a u s s c h 1 i e s s 1 i c h dem Auslande, hauptsächlich Deutschland entstammen. — Wie in den meisten modernen Kulturländern der Gegenwart finden wir auch in Oesterreich-Ungarn die traurige Thatsache, dass die kleinen Schneidermeister, besonders in Wien, durch die Konkurrenz der grossen Konfektionsgeschäfte hart bedrückt werden und ein trauriges Dasein fähren. Es bleibt auch sehr fraglich, ob die neue Gewerbeordnung die Lage derselben bessern wird, denn das Uebel Hegt viel tiefer. Der kleine Schneidermeister, welcher den Kunden die Kleidungsstücke auf Kredit geben mus.s, um überhaupt Arbeit zu bekommen, sieht bald seine Betriebsmittel erschöpft und kommt in Geldverlegenheit, weil es leider die herrschende Sitte ist, den Schneider nach Belieben und in winzigen Raten zu zahlen. Geschieht in dieser Beziehung nicht bald etwas, und das ist eigentlich nur auf dem Wege des Genossenschaftswesens möglich, so werden die kleinen Schneidermeister Wiens zum grössten Theil Lohnarbeiter der Konfektionäre werden, und da bei dem starken Angebote der Lohn der Stückarbeit beträchtlich sinken muss, so ist es selbstredend, dass der bauperismus unter dieser Branche noch grössere Dimensionen annehmen wird. — Die im Kammerbezirke von einem Engländer etäblirte Tuchfabrik „englischer Shoddy-Vvaaren" vermochte nicht zu reussiren, wodurch ihr Weiterbetrieb in Frage gestellt ist. — ban Industrieller des Kammerbezirkes, welcher früher nur in Oesterreich erzeugte Kleider m grosser Menge nach Russland exportirte. sah sich durch die dort herrschenden Zollverhältnisse veranlasst, in Moskau em grosses Etablissement zur Anfertigung von I lerrenkleidern ?-u etabliren, in Folge dessen die österreichisch - ungarische Monarchie die Arbeitslöhne einbüsst. — Das Konfektions- 4ii8 I icstcircicli-rnL;;!!-,). geschah nach dem ()rient und der Levante geht gut, denn das Fabrikat Oesterreich - Ungarns behauptet dort wegen seiner Billigkeit und Eleganz den ersten Rang. Nach „Teppichen" mittlerer Qualität war ziemlich gute Nachfrage, nur billige Sorten blieben vernachlässigt, jedoch waren die Preise sehr gedrückt und standen unter dem Niveau jener der deutschen Waarc, welcher die Differenz zwischen den österreichischen und den dortigen Zöllen gegenüber der englischen Konkurrenz zu Gute kam. In besseren Artikeln, hauptsächlich feineren Seidenmöbelstoffen, sank der Konsum fortgesetzt. Der Export nach Uussland war wegen der hohen Zölle fast unmöglich, auch hat sich unter dem Schutze desselben die dortige Teppich: und Möbelstoff-Industrie kräftig entwickelt. — Die gleichen Ursachen verringern immer mehr die Ausfuhr österreichisch - ungarischer Produkte nach Italien, denn auch dieser Staat erhebt zum Vortheile seiner Teppich-, Woll- und Seidenstoff-Industrie höhere Zolle als Oesterreich,* Ungarn, und hauptsächlich seine Seidenindustrie blüht rasch empor. Da überdies in Deutschland ebenfalls ähnliche Zustände herrschen, so drückt, speciell bei Teppichen, die englische Konkurrenz höchst empfindlich auf den österreichisch-ungarischen Markt. — Die „Kotzen- und Deckenfabrikation" Niederösterreichs beschränkte sich grösstcntheils auf den bedarf des k. k. Aerars. Der übrige Absatz an Walkwaaren wurde durch die Konkurrenz des aus Shoddy, Wollabfällen u. s. w. hergestellten ungewalkten Fabrikates, namentlich aus Mähren, derartig erschwert, dass sich einzelne Wiener Firmen, wenn auch nur halb gezwungen, veranlasst sahen, letzterwähnten Artikel in ihren Etablissements aufzunehmen. — Im Exportverkehr machten in billigeren Deckenwaaren England, Sudfrankreich und die Schweiz ebenfalls Oesterreich-Ungarn mit Abfalldecken wohlfeilster Qualität eine empfindliche Konkurrenz. In feiner Waare gelang es der österreichisch-ungarischen Industrie, durch geschmackvolle Ausführung und reiche Muster- auswahl, freilich nur bei sehr gedrückten Preisen, das Feld zu behaupten. Der quantitative Rückschritt in der „Leinengarnerzeugung" hat sich auch [883 fortgesetzt. Von den in früheren Jahren im Betriebe gestandenen 440.000 Spindeln arbeiteten nur circa 280.000. Diese stetige Verminderung der Erzeugung begründet sich, wie seit Jahren vorhergesehen, in dem Mehrverbrauche an Baumwollgarnen und Geweben und in den für Oesterreich-Ungarn unvorteilhaften Vertrags verhält nissen. Einige österreichische Pdachsspinner haben sich der „Jutegarn-Spinnerei" zugewendet und fanden dabei zwar lohnende, über in Bezug auf die Menge keineswegs hinreichende Abnahme. — Die Preise der Leinengarne änderten sich im inländischen Verkehr gegen das Vorjahr nur wenig, weil der Bedarf der Webereien an feinen Garnnummern noch immer überwiegend aus dem Auslande gedeckt Werden muss. In Folge der stets stärker hervortretenden Bestrebungen deutscher Spinnereien mussten sich die österreichisch-ungarischen Spinner für den Export, dessen Werth noch beständig 8 9 Millionen Fl. jährlich beträgt, mit geringem Gewinne begnügen und auch mehr als früher die Ausfuhr mittelfeiner Nummern pflegen, wobei auf den Absatzgebieten in Deutschland, Italien, Belgien und Spanien die Kofikurrenz der englischen und belgischen Garne sehr fühlbar wurde Zu den im Allgemeinen gerade nicht glänzenden Betriebsverhältnissen der Leinengarnspinnerei in Oesterreich gesellt sich auch für die Zukunft noch die sehr beachtens-werthe Aussicht, dass die durch höhere deutsche Schutzzölle "l-kräftigten und beim Bezüge des russischen Rohproduktes durch billigere Frachttarife begünstigten deutschen Spinner, als Absatzgebiete für den Ueberschuss ihrer Erzeugung, nunmehr ;*uch Oesterreich-Ungarn ins Auge fassen. — Dasselbe finden w'r auch bei der Bindfaden- und Silberwaarenfabrikation, von denen aber letztere in Folge des erhöhten österreichischen Zollsatzes, sich derartig erfreulich entwickelte, dass sie jetzt erfolg r e i c h an der Zurückdrängung der fremdländischen Konkurrenz zu arbeiten vermag. Die Steigerung der Produktion verursachte jedoch, dass die Preise auf jenem Tiefstande wie vor Einführung des erhöhten Zolles blieben; — In den interessirten Kreisen blickt man nur befriedigt auf die Erzeugung feiner Qualitäten, mit welchen früher das Ausland durch vorzügliche maschinelle Einrichtung Und mustergiltige Erzeugung Oesterreich-Ungarn beherrschte, da dieses Monopol nun entschieden, gebrochen ist. — „Schuhgarne" bilden noch immer einen Massen Importartikel nach Oesterreich-Ungarn. Diese (harne werden bekanntlich in kleinen Knäueln von 25 — 50 Gramm, d. h. 20-50 Knäuel in 1 Kilogramm-Packeten verpackt, in den Handel gebracht und knäuelweisc detaillirt. Es ist also eine Detailaufmachung, welche viele Hände und beträchtlichen Arbeitslohn erfordert, daher wäre dieses Garn einer der seltenen Artikel, die durch schwache brauen und jugendliche Arbeiter hergestellt werden könnten. Aber gerade dieses Fabrikat, welches die österreichisch-ungar. Industrie jedenfalls in gleicher Güte zu erzeugen vermöchte, bezieht die Monarchie aus dem Auslande, weil in der Zollposition „Hanf- und Flachsgarne*1 für die Detailaufmachung nicht vorgesorgt wurde und dasselbe gleich grossgeweisten Hanf- und Flachsgarnen mit 1 Fl. 50 Kr. per 100 Kilogramm verzollt werden kann. — Die Produktions- und Absatzverhältnisse der „Leinenwaarert" sind gerade nicht günstig, denn die Erzeugung der ehemals von der Bevölkerung in grossen Massen konsumirten Wäsche blieb in Folge der Konkurrenz der billigeren Baumwollgewebe eingeschränkt. Daher verlegte man sich hauptsächlich nur auf Specialitäten, Tischzeug, Jacquard-Artikel. ordinäre und gemischte Waare. Trotzdem fanden die im Allgemeinen redu-cirten Leinenwebereien noch ziemlich genügend Beschäftigung. — Der Export in Leinenwaaren hat zwar nicht den von fachmännischer Seite vielfach angezweifelten namhaften Rückgang genommen, wie ihn die amtlichen Ausweise verzeichnen, doch anderseits auch keine Zunahme erfahren. Wohl vermochte die (österreichisch-ungarische Industrie ihre nur mit Mühe gewonnene Position auf dem amerikanischen Markte zu befestigen, weil die Güte des österreichisch-ungarischen Fabrikats nicht bestritten werden kann, doch nahm die Ausfuhr nach Deutschland und Russland merklich ab, während sämmtliche auf die \ erbindung mit Italien.. Frankreich, Schweden, Dänemark und Holland gesetzten Erwartungen nur zum geringen Theil in Erfüllung gingen, käue bedeutende Einbusse erlitt der Export österreichisch-ungarischer Leinengewebe nach Rumänien, in FoL-c der Unsicherheit der dortigen Kreditvcrhältnisse und der grossen Plackerei, der das österreichisch-ungarische Fabrikat bei der Verzollung an der rumänischen Grenze ausgesetzt ist. ~— Als Beweis aber, wie vortrefflich und konkurrenzfähig das österreichisch-ungarische Leinenfabrikat ist, mag dienen, dass Rohleinen bis nach Brasilien, Asien und Afrika ex-Portirt wird! Die schon 1S82 beträchtlich erweiterte Jutefabrikation (Oesterreich-Ungarns hat im Jahre 1883 eine so beträchtliche Ausdehnung gewonnen, dass sie bei dem Eintritte des Vollen Betriebes der neu entstandenen Fabriken nahezu ein ebenso grosses Quantum an Rohjute und ausländischen Jutegarnen verarbeiten wird, als man bisher an Rohmaterial und Fabrikaten vom Auslande nach Oesterreich-Ungarn i m por tir t hat. — Während nach fachmännischer Zusammenstellung im Jahre [882 in Oesterreich-Ungarn circa 0400 Spindeln und neben der nicht genau kontrollirbaren , im Ganzen aber nicht bedeutenden Hand Weberei ungefähr 350 Kraftstühle zur Erzeugung von Sack- und Packstoffen in Thätigkeit waren, umfasste die Jutc-todustrie im Juni 1884, mit Einschluss dessen, was in Auf-Stellung und fixer Bestellung begriffen war, ungefähr 2I.OOO Spindeln und, die jedenfalls noch im Gange befindlichen Handstühle nicht gerechnet, circa 1270 Kräftstühle. Es ist somit die Spindelzahl auf das Dreifache und die Stuhlzahl auf das Dreieinhalbfache der vor der Zollerhöhung im Betriebe gestandenen Maschinen gestiegen. Die österreichisch-ungarische Jute-Industrie ist daher heute nicht mehr Weit davon entfernt, lür den Ueberschuss ihrer Produktion im Auslande Absatz suchen zu müssen. Da sie aber im Export die Konkurrenz mit der englischen Industrie ohne jeden Schutz und in den meisten Fällen sogar unter viel ungünstigeren Frachtverhältnissen zu bestehen hat, so ist natürlich jeder inländische Fabrikant bestrebt , sich so spät wie möglich dem Export zuzuwenden, und es müssen, bevor die Ausfuhr grössere Dimensionen anzunehmen vermag, auch schon die inländischen Verkaufspreise weit unter jenes Niveau heruntergedrückt sein, welches, so lange noch keine Ueberproduktion besteht, durch die schützende Wirkung des EingangszoUes gewährleistet ist. Die erste österreichisch-ungarische Jutespinnerei und -Weberei errichtete in Budapest eine Filiale, in welcher der regelrechte Betrieb am l. Oktober [883 aufgenommen wairde. — Die Geschäftsverhältnisse dieser „Ersten österreichischen Jutespinnerei und -Weberei" zeigt uns der nachfolgende Ausweis: Werth in Fl. Oest. Währ. Verarbeitung: 1882 1883 Jute . . . ,.......• 1,076.373 1,020.093.24 Fremde Jutegarne...... 42.110 78.294.82 Erzeug u n g: Jutegarne für den Verkauf . . 60.538 Gurten.......... 18.090 Gewebe......... 351-937 Säcke..........2,088.528 Die „Seilerei" ist seit der Wirksamkeit des Zolltarifs vom Jahre 1882 in ein neues Paitwickhingsstadiurn getreten. Geaammtbetrachtungen über die Industrie in Oesterreich-Ungarn. 41-'i Obwohl tlie vorgenommene ZöllerhÖhung auch der kapitalskräftigen und bis in das Ideinste Detail mustergiltig eingerich teten deutschen Fabrikation den Import feinerer Waare noch nicht unmöglich machte, so reichte sie doch jedenfalls hin, einen beträchtlichen Theil des österreichisch-ungarischen Konsums auf die einheimische Erzeugung anzuweisen. —- Bei dem • n der österreichisch-ungarischen Seilerei sich vollziehenden Uetefgang vom handwerks- zum fabriksmässigen Betriebe fiel aber begreiflicher Weise das neu gewonnene Thätigkeitsfeld fast ausschliesslich der mechanischen Arbeit zu, welche ihre Produktion in einem Masse ausdehnte, dass sie den Bedarf weit überragte und zur Anhäufung von Vorräthen führte, die selbst um den „Erzeugungspreis" nicht verkauft werden konnten. Am deutlichsten spricht sich die missliche Lage dieser l'ioducenten in der von ihnen durchgeführten Bildung eines Freiscartclls aus, der als Versuch zu betrachten ist, die Fabrikatspreise auf einem Standpunkt zu erhalten, welcher die sonst unvermeidlichen Betriebseinstellungen verhindert. Der Auf-Schwung der mechanischen Erzeugung erfolgte, wie wir schon vorher angedeutet haben, auf Kosten der handwerksmässigen (icwerbeführung, die den Konkurrenzkampf in allen von der ersteren gepflegten Artikeln allmählich vollends aufgeben dürfte! - Die schwierigen Verhältnisse der niederösterreichischen Seilerbranche Werden zum nicht geringen Theile dadurch hervorgerufen, dasš sie einen heftigen und, wenn man die Höhe der Arbeitslöhne, die Roh- und Hilfsstofifprei.se u. s. w. ins Auge fasst, unter sehr ungleichen Bedingungen geführten Kampf mit der Konburrenz Böhmens und Mährens zu bestehen hat, welche beide mit der über ihren eigenen Bedarf erzeugten Waare den Kammerbezirk aufsuchen. Dazu kommt noch, dass zum Nachtheil der Seilerwaarenindustrie Niederösterreichs die ungarische beständig an Ausbreitung gewinnt, weil dessen handwerks massige Seilerei sich auf die dort überall betriebene Hanfkultur, 414 < )esterrelch>Ungarn. die mechanische Fabrikation aber auf die kräftige staatliche Förderung stützt. — Für den Estport sind die Marktgebiete fast nach allen Richtungen so gut wie verschlossen und es ist blos ein Theil des Ostens in Betracht zu ziehen. Denn im Orient sorgt für den gewöhnlichen bedarf die Handwerksseilerei, beim übrigen Konsum aber behauptet die Konkurrenz des Auslandes, namentlich Deutschland, das Feld, wobei noch der Uebelstand eintritt, dass in jenen Ländern (Geschäftsabschlüsse ausserordentlich riskant sind. Der Preis des ungarischen, polnischen und mährischen Hanfs erhöhte sich im Herbst 1883, in Folge geringeren Anbaues, schlechter Ernten und, wie behauptet wird, auch in Folge des Zwischenhandels, von 40 auf 50—55 FL per IOO Kilogramm, steigerte sich somit um 2O°/0, ohne dass jedoch in den Fabrikatspreisen, bei den ungünstigen Verhältnissen dei" Seilerei, darauf hätte vollkommen Rucksicht genommen werden können. Der Absatz in „Raumwollgespinnsten" kann im grossen Ganzen ein ziemlich befriedigender genannt werden. Da die mechanischen Webereien gut beschäftigt waren, so fanden Cops günstige Abnahme, weniger wurden Garne in gebündeltem Zustande für die böhmische'und mährische Handweberei verlangt und es mussten wegen der im Jahre 1883 zunehmenden Stagnation dieser Industrie ziemlich bedeutende Quantitäten gelagert werden. Der Absatz an Garnen für den Bedarf der Hausindustrie in den Ländern der ungarischen Krone war ziemlich rege. - Nachdem die hauptsächlich in (Österreich betriebene Erzeugung grober Garnnummern in den letzten Jahren durch Errichtung neuer Fabriken beträchtliche Vermehrung erfahren hat, so war das Angebot derartig reichlich, dass trotz des lebhaften Konsums eine Besserung der Fabrikats* preise unmöglich blieb. — Bei der „Feinspirtherei" wurde weder ein neues Etablissement gegründet noch vergrössert und verbessert, In Folge dessen bleibt die Weberei mit ihrem Bedarfe fast ausschliesslich auf das Ausland angewiesen. — Ge.iarnmtbetrachtungen über die Industrie in Oesterreich-Ungarn. 415 Der Absatz in ,, Baumwollstrickgarnen" befriedigte insofern, als die Konsumenten mehr und mehr auf bessere Qualität und solide Verpackung Rücksicht nahmen. Der gesetzliche Zwang, verpackte Waare mit Gewichtsangabe zu versehen, dürfte, Wehn er zur Einführung gelangt, namentlich im Verkehre mit Strickgarnen von wohlthätigster Wirkung sein und allen aut I äuschung berechneten Adjustirungen ein Ende bereiten. — 1 *er Import solcher Garne war ganz belanglos. — Anfang 1883 hatten mehrere englische Fabriken versucht, durch gemeinschaftliche Ausbietung guter Spulzwirnwaare, selbst unter dem Erzcugungspreise.auf dem österreichisch-ungarischen Markte Sowohl die englische, als auch die österreichische Konkurrenz aus dem Felde zu schlagen. Diese Massnahme veranlasste die Mehrzahl der; österreichischen Producenten, auch ihrerseits die Verkaufspreise festzustellen. Gegenüber dieser Operation, zu «er sich die mit kolossalen, in früheren guten Jahren verdienten Kapitalien ausgerüsteten englischen Industriellen in F'olge der ungeheueren Ueberproduktion, welche in diesem Artikel in England herrscht, nicht allein in Oesterreich-Ungarn, sondern ';ist in allen Ländern, namentlich aber in Deutschland und Italien gezwungen sahen, erwies sich der im österreichischen Zolltarif vorgesehene Schutz als rein illusorisch. — Auch in den Kreisen der „Spulenzwirn-l'abrikanten" begegnen wir -eieder immer häufigeren Klagen über die zunehmende Un-suhdität der betreffenden Handelsbranche und über den schlechten Eingang der Aussenstände. Hierzu trägt wesentlich die unbeanstandete Duldung der vielen endlosen Ausverkäufe, sowie die sogenannten Wanderlager, Welche meist billig angekaufte, von Konkursmassen stammende Waare gerade in den Hauptsaisons zu Preisen anbieten, welche den Verkehr aller sesshaften ^ 111 er nehm u ngen momentan lahmlegen! — Pie „mechanische Weberei" hatte für rohe Baumwoll-VV;iaren im Jahre 1883 einen günstigen Geschäftsgang. Dies 410 (lesterreich-Üniiarn. ist um so erfreulicher, weil mit dem 31. December 1882 der Appreturverkehr zu Ende ging und dadurch die österreichische Produktion auf den inländischen Konsum angewiesen war. Die Lage des Artikels erwies sich zu Ende 1882 ausserordentlich günstig, denn alles disponible Fabrikat war ins Ausland gegangen, wodurch die Lagerbestände der Webereien auf ein Minimum zusammenschrumpften. — Auch fanden gerade rohe Baumwol lwaaren in ordinären Qualitäten und englischer Adjustirung nicht unbedeutenden Absatz nach den Occupationsgebieten und nach den bisherigen Zollanschlüssen. — Wae geringer Aufmunterung es in diesem Industriezweige nur bedarf, um rege Unternehmungslust zu erwecken, beweist, dass bereits in mehreren Etablissements bedeutende Vergrösserungen durchgeführt und der Bau mehrerer umfangreicher Webereien in Angriff genommen wurde. — Jemehr sich die Herrschaft des mechanischen Stuhls ausdehnt, desto mehr wird natürlich die Plandweberei zurückgedrängt. Es ist daher sehr klug von den beregten neuen Unternehmungen, dass sie jene Gegenden aufsuchen, wo billige und gewisser m assen geschulte Arbeitskräfte reichlich vorhanden sind. Dies liegt zwar im eigensten Interesse des Unternehmens, entspricht aber nicht minder der Nothwendigkeit, ganzen Distrikten, die seit Jahren in bitterster Noth sich befanden, neuen, dauernden, wenn auch massigen Verdienst zu sichern. So finden wir z.B., dass innerhalb des Kammerbezirkes, im dichtbevölkerten und einst so prosperirenden „Waldviertel" die Verarmung fortschreitet und die Auswanderung immer grössere Dimensionen annimmt, weil diese besonders für die Textilindustrie so geeignete Gegend am Mangel hinreichender Eisenbahnverbindung leidet. — In technischer Beziehung zeigt sich ein rüstiges und redliches Streben aller Vertreter der Branche, den Anforderungen des Konsums im vollsten Masse zu entsprechen. — Was die mit der Veredlung der Gewebe beschäf- tigten .,11 ilfsindustrien", nämlich die Bleichereien, Färbereien und Appreturen betrifft, so geht aus dem über die Situation der mechanischen Weberei Gesagten hervor, dass sie gleichfalls über Mangel an Arbeit nicht zu klagen hatten und so viel -wie möglich bestrebt waren, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, Hauptsächlich die grossen Druckfabriken haben stets unermüdlich das Augenmerk darauf gerichtet, die durch dir Authebung des Appreturverkehres entstandene Lücke auszufüllen, und ihre geschmackvoll und mustergültig angeführten Produkte finden allgemeinen Beifall. Obwohl die Geschäftsentwicklung in einem U eberga n gsst a d i i' m war, kann sie doch günstig genannt werden, trotzdem die gegen faule des Jahres eingetretenen Insolvenzen das Vertrauen seht erschütterten und die grossen, plötzlich auf den Markt gebrachten Waarenmengen einen empfindlichen Druck auf den Verkehr ausgeübt hatten. Weniger erfreulich gestalteten sich die Verhältnisse in „farbigen und gedruckten Futterstoffen", namentlich in schwarzem Satin und Cloth, weil noch immer, Ungeachtet des erhöhten Zolles, ausländische Waare, besonders aber englisches und schweizerisches Gewebe, konsumirt wird. Die österreichisch - ungarischen Fabriken sind weder im Stande, den stets gleichmässigen und scheinen Finish der englischen u ncl deutschen Waare herauszubringen, 111""b stehen sie rücksichtlich ihrer quantitativen Leistungsfähigkeit im richtigen Verhältniss zum Bedarf. Daher finden Wlr die hohen Appreturlöhne und auch die oft gerügte unpünktliche Lieferung, worunter natürlich die Geschäfte empfindlich leiden. So war ■/.. B. bei Chiffons und Shirtings, welche keine grossen Lagerbestände aufzuweisen hatten, drei bis vier Monate Lieferzeit Regel. —- In der „Barchent-Krzeugung" kämpft die niederösterreichische I landweberei auf das heftigste mit der mechanischen Weberei Böhmens, welche nicht allein glatt-gekoperte Sorten und Schnürlbarchente in allen gewünschten Qualitäten und Werthen auf den Markt bringt, sondern auch Oesterreich-Ungani. 37 bereits in Mustersorten, wie z. B. in Piques, deren Fabrikation die Jacquard-Weberei zur Voraussetzung hat, vortreffliche Leistungen aufweist. In allen diesen Sorten entwickeln jedoch auch die Webereien des „Kammerbezirks" in Truman, Marienthal und Felixdorf eine gedeihliche Thätigkeit. D«*s Gros der weissen Barchente kommt aber von Frank" stadt in Mähren, welches in der Appretur in der Thal recht erfreuliche Portschritte gemacht hat. Leider sind die Webebezirke des Waldviertels, wo vor Jahren noch die Barchen*' Erzeugung vielen fleissigen Händen lohnende Beschäftigung bot, noch immer vernachlässigt, und es wird dies so langp andauern, bis durch Errichtung von PYirbereien und Garnbieich<-'n der dortigen gew'erbskundigen Bevölkerung der Impuls zUf Aufnahme ihrer früheren Thätigkeit gegeben und dieselbe dadurch auf das neue Gebiet der Musterweberei gelenkt wird Speciell Wien, welches das Waldviertel lange in farbig caf' rirten Barchenten beschäftigte, hält seine Lohnwebercic'1 in Mähren und lässt nicht unbeträchtliche Mengef von webereif zugerichteten Garnen erst den W<.u nach Sternberg und Trebitsch machen, um das dort fertiggestellte Glanzfabrikat wieder nach Wien zum Verkauf zu bringen. „Stickereien" fanden als Kleideraufputz, sogar für Waschkleider, viel Verwendung, und kam merkwürdigerweise c^€ Tüllstickerei dadurch neuerdings wieder in Mode, dass Amerik'1 in diesem Artikel als starker Käufer auftrat. Der von Sachsen ausgehenden Tüllstickerei wurde durch Paris?' Häuser Bahn gebrochen! Die österreichische „Spitze-V Industrie" befindet sich seit neuerer Zeit im erfreulichen Aufschwung. So hat sich z. B. ein bedeutendes h>tablissement off Kammerbezirkes, in folge der eingetretenen Störung nach Italien, veranlasst gesehen, die Erzeugung von „Cluny Lac<'>''' eines Spitzengenres, zu versuchen, das bisher ausschliesslich nur von England und Frankreich producirt wurde- Die genannte Spitzensorte gehört schon zu den besseren Erzeugnissen der Maschinenspitzenindustrie und findet daher in Oesterreich-Ungarn nur sehr beschränkten Absatz. Dieser Um-•stand, sowie die Notwendigkeit, häufig die Dessins zu wechseln, Utecht die Produktion nicht sehr verlockend, daher war bei der Aufnahme dieses Industriezweiges einzig und allein die ungünstige Geschäftskonjunktur massgebend. — Dieselbe Fabrik, Reiche schon im Vorjahre die besten und feinsten Spitzen-;,?rhänge, wie „Guipure d'Art" und „Guipurc filet", in den bereich ihrer Thätigkeit zog, erweiterte denselben im letzten Je den durch die Zollregulirung geänderten Verhältnissen '^'•"passen gesucht und liefert nunmehr selbst der für den *P°rt arbeitenden Schuhwaarenbranche ein derartig voll-l^dig befriedigendes Sohlleder, wie man es seit Jahren zum •^'(>s.sten Theil aus dem Auslände zu beziehen gewohnt war. e vor Kurzem in Oesterreich begonnene „Büffel-Sohlleder-ga"rikation" hat sich günstig entwickelt, deckt den heimischen edarl an billigem Sohl- Und Brand.sohlleder unil hat die jySUsehe Konkurrenz nahezu vollständig verdrängt. lc Einfuhr von gegerbten ostindischen Ziegenfellen, lohgaren ^haffellen, Rind- und lackirten Kalbfellen erhielt sich 1883 1 ^er I löhe des Vorjahres, während sich der Bezug lohgarer 21* Kluse für Oberleder keineswegs rentirte und daher ohne jede Bedeutung blieb. Trotzdem einzelne Rohmaterialien, wie das Resonanzholz und der bil/, (mit der Herstellung des letzteren befassen sich gegenwärtig in Oesterreich drei Fabriken), abermals billig?,*" wurden, vermochte die „Klavierfabrikation" in der Konkurrenz mit dem Auslände, insbesondere mit Deutschland, doch keine vorlheilhafte Position zu erringen und wird es auch SP lange nicht können, als von ihr an der bisherigen veraltete? Erzeugungsart iestgehalten wird. - Wien, der Hauptsjtz de/ österreichischen Klavierindustrie und die einzige Stadt iL' Monarchie, welche eine namhafte Produktion auf diesem Gebiete aufweist, besitzt nicht eine Fabrik, welche tifll* modernen Betriebsmitteln, wie Dampfmaschinen u. s. w-. ausgerüstet wäre. Nach wie vor werden beinahe sänuiil-liehe einzelne Bestandteile des Pianos, die in einer Hand Vffi präciser und wohlfeiler hergestellt werden könnten, fertig gekauft. Natürlich bildet diese Arbeit.stheilung einen gc' wältigen Hemmschuh für die rasche Aufnahme und Durchführung der meisten Verbesserungen. — Den altrcnommirtefl Klavierfabrikanten wird überdies von fachkundiger Seite sei)* zum Vorwurf gemacht, dass sie noch immer an der alte'1 deutschen Mechanik festhalten, anstatt die englische einzuführen« überhaupt an dem Althergebrachten starr hängen und gerifl0e Lust zeigen, sich dem modernen Fortschritte zuzuwenden, während die grössten, sowie die kleinsten Pianofortcfabrikc"1 Deutschlands jede neue Erfindung und Verbesserung ihrd1 Instrumenten sofort einverleiben und diese dadurch für den Weltmarkt geeignet machen. Entschlie.ssen sich aber endlich die Wiener Fabrikanten, nachdem sie vorher von dem Publik11111 gedrängt wurden, zur Adoptirung einiger Neuerungen, iL'1'1 werden die Preise aber auch derart erhöht, dass nicht nur die Konkurrenz mit Deutschland in den früheren österreichische«! Absatzgebieten zur Unmöglichkeit wird, sondern dass aup (l«'Ulurch der Import vorzüglicher, den Anforderungen der Neu-Zeit entsprechender Klaviere nach Oesterreich - Ungarn immer pehr zunimmt. — Die in früherer Zeit von Oesterreichern auf " rührigen Deutschen übergegangen, denn Letztere il;il)vn in Gälizieri und der Bukowina eigene Dampf-**ge-n für die Resonanzhölzerzeugung errichtet und beherrschen von dort aus den in- und ausländischen "andel mit diesen Artikeln. Lie Roheiseriproduktion Oesterreichs, mit Ausnahme Ungarns, betrug: 1SS2 4.354.783 Meter-Ctr., 1883 5,224.004 „ Wilr mithin 1SS3 grösser um 869,221 Meter-Centner oder Von der (iesammterzeugung entfielen auf Erischroheisen 1882 3,921.649 Meter-Ctr.. 1883 4,747-543 uaher 1S83 mehr um 825.894 Meter-Centner oder -f- 2i.05% ^uf Gussroheisen kamen 1882 433.134 Meter-Ctr., 1883 476.461 „ "*«er 1883 mehr um 43.327 Meter-Centner oder + 10%. Der Geldwerth der Koheisenproduktion bezifferte sich 1882 mit 21,062.759 Fl., 1883 ., 24,261.288 „ t*** daher [883 höher um 3,198.529 Fl. oder -f- 15,.,V l^er Mittelpreis per metrischen Centner Frischroheisen lautete: 1882 4 Fl. 70M Kr. 1883 4 „ 53m » XSdr daher 18JS3 niedriger um 17,., Kr. oder 3.ti7,V Der Mittelpreis per metrischen Centner Gussroheisen war 1882 6 Fl. 03,-, Kr., 1883 5 - 77-, » war daher 1883 niedriger um 26,., Kr. oder 3,;!-, "/„. Im Ganzen beschäftigten sich in Oesterreich im Jahre 1883 102 Unternehmungen, von denen 59, wie im Vorjahr, im betriebe standen, mit der Roheisen-Gewinnung, Von den 140 Dochöfen waren 84 durch zusammen 3865 Wochen in Thätig-keit, wodurch 9738 Männer. 279 Weiber und 350 Kinder, iti Summa also 10 367 Personen, Arbeit fanden. Die hochentwickelte österreichische Maschinenindustrie liegt gegenwärtig leider stark darnieder; daher überreichte eine Deputation der österreichischen Waggon- und Locomotiv-Fa-brikanten dem Handelsminister eine Denkschrift über die traurige Lage dieses Industriezweiges. In dieser Denkschrift wird hervorgehoben, dass bis Ende < )ktober sämmtliche Aufträge auf Waggons und l.ocomotiven vollendet sind, dass die Ivestringirung des Betriefoes in einigen Zweigen schon begonnen habe, und dass mit Eintritt des Winters die Entlassung Tausender von Arbeitern unausweichlich sei, wenn nicht noch in letzter Stunde Aufträge erfolgten. Der Handelsminister erklärte der Deputation, er werde dem Parlamente eine Vorlage unterbreiten, wodurch für ein mehrjähriges Präliminare der für die Staatsbahnen dringendsten Anschaffungen vorgesorgt werde. Hierdurch wäre es möglich, der Industrie Jahr für Jahr ein sicheres Minimum von Arbeit zuzuführen und jene Stabilität in den Bestellungen ein zuführen, welche den Industriellen die Gewissheit constantei' Arbeit gewährleistet. Auch hat das Finanzministerium, im Einvernehmen mn dem Handelsministerium, bezüglich der Maschincneinfuhr aus dem Auslande nach Oesterreich zum halben Zolle eine Ver ordnung erlassen, durch welche die bisherigen diesbezügliche*1 Normen abgeändert werden. Bisher konnte man die Be- Gwanimtbetrachturigfcri über die Industrie in Oesterreich-Ungarft. williguiig zur zollbegünstigten Einfuhr von Maschinen vor der factischen Einfuhr auf Grund der vorgelegten Abbildung, beziehungsweise Beschreibung erhalten. Um nun möglichen Unzukömmlichkeiten und Missbräuchen zu begegnen, wird fortan ■der Einreichung des bezüglichen Gesuches das Eintreffen der Maschine im Zollamte, sowie die Entrichtung des vollen Zolles voranzugehen haben. — An der Maschinen-Einfuhr nach ( ►esterröich-Ühgarh während des Jahres 1883 im Gesammtbe-trage von 123,657 Meter-Centnern participirte die deutsche Industrie mit 27.913 Meter-Centnern gleich 22.6 Pröcent. An erster Stelle rangirte England mit 72.654 Meter - Centnern gleich 58.7 Procent, unmittelbar darauf folgt Deutschland mit dem oben angegebenen Betrage. Sehr erfreuliche Erfolge sind in Oesterreich-Ungarn mit der Korbweiden-Kultur an den Eisenbahndämmen erzielt worden, denn die k. k. Generalinspection der österreichischen Eisenbahnen hatte schon im Februar des Jahres 1879 an Sämmlliehe bäsenbahnverwaltungen der im Keichsrathe vertretenen Königreiche und Länder die Einladung ergehen lassen, die disponiblen Bahngründe der Korbweidencultur zuzuwenden, öie Erfolge dieser segensreichen Massregel sind eminent, denn bis Ende des Jahres 1882 gab es bereits längs den österreichischen Bahnen 1,250.890 Stück gesetzte Weiden, 1,188.132 Meter lebende Zäune, Flechtzäune etc. und 1,365.405 O.-Meter geschlossene Weidenanpflanzungen. Mit Rücksicht darauf, dass m Oesterreich circa 1 2,000 Kilometer Bahnen bestehen, entfallen daher Von obigen Quantitäten durchschnittlich auf ein Kilometer Bahnlänge 104 Stück und 99 Meter Länge, sowie 114 Meter Fläche verschiedenerWeidenptianzungen. baue namhafte Kultur hatte bis zu diesem Zeitpunkte noch nicht die Galb zische Karl Ludwigbahn, die Mährische Grenzbahn, die Mäh osch-Schlesische Centraibahn, die ungarische Westbahn, die Eahlenbergbahn und die Oesterreichische Local - KiSenbahn-Gesellschaft; gar keine Weidenkultur besass die Kaschau Oderberger-Bahn; a in weite.s! en vorgeschritten aber war in dieser Beziehung die Kaiser Ferdinands-Nordbahn, denn bei dieser Gesellschaft geht man nicht mir bezüglich der Verwerthung der erzeugten Ruthen sehr rationell vor, sondern es ist auch die bänrichtung getroffen, dass die Weidenkultur einem besonders geschulten Mann anvertraut wird, welcher die Bahnw ärterianülicn in der K<>ri> flechterei zu unterrichten hat. — Der Ertrag aus den Kulturen beziffert sich pro Quadratmeter auf j 1,2 bis 4 Kreuzer. In Folge dieser soeben beregten eminenten Erfolge hat der Vorsitzende des Centralkoinitcs zur Förderung der Er-werbsthätigkeit des böhmischen Erz- und Riesengebirges in neuerer Zeit ein Gesuch an das Reichskriegsministerium gerichtet, worin er dasselbe auffordert, die Gräben und Wälle der Festungen mit Weiden zu bepflanzen, um die Sträflinge mit der Korbflechterei beschäftigen zu können. Ausserordentlich entwickelt, mehr als man vielleicht glauben sollte, ist das „Genossenschaftswesen" in Oesterreich-Ungarn. Die Gesammtzahl derartiger Genossenschaften bezifferte sich am Schlüsse des Jahres ] 881 auf 1872 Genossenschaften. Hiervon entfallen 1515 auf Cisleithanien, 357 atif Transleithanien. Dieselben vertheilen sich wie folgt auf die einzelnen Kronländer: In Niederösterreich 175, Oberösterreich 35, Salzburg 7, Tirol und Vorarlberg 78, Steiermark 57, Kärnthen 19, Krain 10, Küstenland 20, Böhmen 512, Mähren 386, Schlesien 43, Galizien 163, Bukowina 9, Dalmatien 3, Ungarn 278, Siebenbürgen 54, Kroatien und Slavonien 25. Die angeführten Zahlen beweisen, dass das Genossen-» schaftswesen in Oesterreich - Ungarn starken Fuss gefasst hat und zu einem wichtigen Kulturmoment geworden ist. - In einzelnen Theben des Reiches finden sich nur sehr bescheidene Anfänge und Spuren von genossenschaftlichen Instituten, so in Salzburg, der Bukowina, Dalmatien, Kärnten, Krain und dem Küstenland. — Am weitesten vorgeschritten ist die Ent- Gesamnubetrachtungen ü 1 >er die Industrie in Oesterreich-Ungarn, 425 wickclung in Böhmen und Mähren , denn in Böhmer] wetteifern Deutsche und Tschechen. — Eine ansehnliche Verbreitung hat das Genossenschaftswesen in Niederösterreich und Galizicn. Ein Thcil der deutschen Genossenschaften in Oesterreich ist, zum Zwecke der Wahrung gemeinschaftlicher Interessen, sowie der Verbreitung und Ausbildung des Genossenschaftswesens, zu dem ,.A llgem einen Verband der Erwerbsund Wirthschaftsgenossenschaften in-Oesterreich", mit dem Sitz in Wien, vereinigt. Zu demselben gehören drei Unterverbände: der Unterverband der Vorschussvereirie von Wien und den Vororten, der erste Verband der Landvor-schussvereine von Niederösterreich und der Verband der Nieder-österreichischen Konsumvereine. Dieser Verband kann selbstverständlich den Vergleich mit dem deutschen allgemeinen Verband, zu welchem die Mehrzahl sämmtlicher deutscher Genossenschaften gehört und der nicht weniger als zweiunddreissig Unterverbände zählt, keineswegs aushalten. Immerhin aber erscheint derselbe als ein beachtenswerther Anfang einer I )i ganisation. Der Zusammenfassung dei sämmtlichen österreichisch-ungarischen Genossenschaften zu einem Verbände stehen leider die grössten Schwierigkeiten entgegen. Denn abgesehen von den Gegensätzen zwischen Ungarn und Oesterreich, kommt die Scheidung der einzelnen Länder von einander, insbesondere die Verschiedenheit der Sprachen in Betracht Hindernisse, welche j a alle e i n h e i t1 i c h e n Bestreb u n g e n in Oesterreich hemmen 1 In der That besteht denn auch ausser dem allgemeinen Verbände nur eine Vereinigung der tschechischen Vorschusskassen mit einem Zentralausschuss in krag und der polnischen Genossenschaften zu einem Verbände in Lemberg. In Oesterreich - Ungarn sind die Vorschuss- und Credit-vereine die Mehrzahl aller Genossenschaften. Dieselben bilden ■ n Oesterreich nahezu Dreiviertel, in Ungarn fast .siebenachtel der bekannten Genossenschaften. Auf die Konsumvereine ent-fallen in Oesterreich etwa fünfzehn Procent, in Ungarn vier Procent. Die übrigen Genossenschaften repräsentiren in Summa circa zehn Procent. Die privatrechtliche Stellung der Krwerbs- und Wirth-schaftsgenossenschaften wird durch das am I. Juli 1X73 in Kraft getretene Gesetz vom 9. April 1X73 geregelt. Alle, seit dem Restehen dieses Gesetzes in's Leben getretenen genossenschaftlichen Vereine, d. h., Vereine von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die P"örderung des Erwerbs und der Wirthschaft ihrer Mitglieder mittelst gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes oder mittelst Creditgewährung bezwecken, müssen sich in Oesterreich nach diesem Gesetze lomstituiren-— Ausgenommen sind allein die zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes bereits existirenden Gesellschaften. Doch gewährt dieses Gesetz den (ienossenschaften eine freie Bewegung innerhalb desselben, indem es ihnen die Wahl /.wischen der unbeschränkten und der beschränkten Haftbarkeit lässt. In den Genossenschaften mit unbeschränkter I Iaftbarkeit haften die Mitglieder, während die Mitglieder einer Genossenschaft mit beschränkter I laftung. wenn der Genossenschaftsvertrag nicht einen höheren Haftungsbetrag, z. B. das Dreifache, Vielfache des Geschäftsanteils festsetzt, mit dem Geäehäftsäntheile und überdies noch mit einem Weiteren Betrage in der 1 (Ohe desselben, somit Ins zum Doppelten des Geschäftsantheiks, den Gläubigern verpflichtet sind. Neben den auf Grund des Gesetzes gebildeten regislrirten Genossenschaften bestehen zahlreiche nicht registrirte. welche sich vor (ha- Einführung des Genossenschaftsgesetzes könsrjtuirt haben. I )ieselben beruhen auf dem österreichischen Gesetz vom 26. November 1X52 u. z. sämmtlich auf der unbeschränkten Haftung, da diese unbeschränkte Haftung die unbedingte Voraussetzung für die damals erforderliche staatliche Ge nehmigung war. — Diese Vereine können Aenderungen der Statuten nur vornelunen, wenn die letzteren mit dem Genossen Schaftsgesetz in Uebereinstimmung gebracht werden. — Es dürfte demnach in nicht zu ferner Zeit eine vollständige Umwandlung der nicht registrirten Genossenschaften in registrirte stattfinden. Da, wie schon oben hervorgehoben wurde, die beschränkte solidarische Haftbarkeit, nach Analogie des oesterreichischen Gesetzes, bei der Genossenschaftsrevision wob! fakultativ neben der bisher obligatorischen unbeschränkten Haftbarkeit eingeführt werden dürfte, so verdienen die Erfahrungen, welche seit dem Bestehen des Gesetzes in Oester reich gesammelt wanden, eine eingehende Betrachtung. Die Gesämmtzahl der Genossenschaften in Oesterreich beziffert sich, wie wir schon früher beregt haben, auf 1515. Davon betragen die mit beschränkter Haftung 52°0, die mit unbeschränkter Haftbarkeit 47% sämmtlicher Genossenschaften. In Salzburg, Kärnten, Krain, der Bukowina und Dalmatien beruhen sämmtliehe registrirte Genossenschaften auf beschränkter Haftung. In Steiermark, Böhmen und Galizien überwiegt die unbeschränkte Haftung, während in den übrigen Ländern die Mehrzahl der Genossenschaften auf beschränkter I laftung sich organisirt hat. Nach einzelnen Genossenschaften geordnet, stellt sich das Znhlenverhältniss wie folgt! u.Z. mit unbeschränkter Haftung: 492 Yorschussvercine, 55 Konsumvereine, 1 Landwirtschaftliche Werkgenossenschaft, Ii gewerbliche Pröduktivgenossen-schaften und 3 landwirtschaftliche Produktivgenossenschaften. Mit beschränkter I laftung: 481 Vorschussvereine. $ riren, als vielmehr da/u, diese I lallungsform mit denjenigen Kautelen zu versehen, welche erforderlich sind, um Missbräuehe zu verhindern und eine genügende Kreditbasis für die betreffende Gesellschaft zu schaffen. Wesentlich verschiedene Rechtsverhältnisse bestehen in Transi ei t lianien. Dort sind die privatrechtlichen Verhältnisse der Genossenschaft durch das Handelsgesetz vom Jahre 1875, welches am 1. Januar 1S76 in Kraft trat, geordnet. Das Handelsgesetz erklärt die Genossenschaft für eine Handelsgesellschaft und bezeichnet als Genossenschaft jene Gesellschaft., deren Mitgliederzahl nicht bestimmt ist und welche die Förderung des Kredits, des Erwerbs oder der Wirthschaft ihrer Mitglieder mittelst gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes oder auf Grund der Wechselseitigkeit bezweckt. Unter den Beispielen fuhrt das Gesetz auch wechselseitige Versicherungsgesellschaften an, - Das ungarische „Handelsgesetz" macht ebenso wie das oesterreichische „Genossenschaftsgesetz*' die Unterstellung unter den betreffenden Theil des Handelsgesetzes obligatorisch und \ erlügt zugleich, dass die früher bestandenen Genossenschaften binnen sechs Monaten ihr Statut mit den Bestimmungen des Handelsgesetzes in Uebereinstimmung bringen und sich eintragen lassen müssen. Seit dem I.Juli 1870 bestehen also in Ungarn nur registrirte Genossenschaften. — Ehensq wie das österreichische Genossenschaftsgesetz, lässt das ungarische zwei verschiedene 1 [abformen zu, die unbeschränkte und die beschränkte. Die Bestimmungen bezüglich der letzteren sind indessen ausserordentlich mangelhaft und widerstreiten theilweise durchaus dem Charakter der l'eisonalassociation, sodass die ungarischen Genossenschaften meist als Gesellschaften mit Kapitalhaft ohne 11 a it kapital erscheinen! 430 I Vst erreich- Ungarn. Ks sind nämlich in Ungarn, wenn die Statuten nichts anderes bestimmen, die Mitglieder der Genossenschaften nur bis zum Betrage ihres festgesetzten Geschäftsanteils den Gläubigern verpflichtet, nicht auch, wie in Oesterreich, mindestens noch mit dem gleichkommenden Betrage. Ausserdem kann der Austritt durch das Statut zu jeder Zeit freigegeben, ein oder mehrere Geschäftsantheile können zurückgezogen werden. Ja es kann sogar ein Mitglied seine einzelnen oder gesammten Geschäftsantheile und die damit verbundenen Rechte eines Genossenschafters auf andere Personen übertragen und * ist diese Uebertragung nicht einmal von der Zustimmung der Genossenschaft, beziehungsweise des Vorstandes derselben, abhängig, so dass den Organen der Gesellschaft ein Einfluss auf die Aufnahme neuer Mitglieder t h eil weise entzogen ist. Bei den Genossenschaften mit unbeschränkter I laftbarkeit kennt man in Ungarn eine exekutorische Zwangsumlage, wie Konkurse, nicht, so dass die Gefahren der Solidarhaft dort für die Mitglieder weit grösser sind. Hierin mag denn auch der Grund liegen, dass die Genossenschaften mit beschränkter 1 laftbarkeit weitaus überwiegen, während solche mit unbeschränkter Haftung sich nur vereinzelt finden, interessant ist es, dass die ungarischen Genossenschaften einen Aufsicht s rat h besitzen müssen. Die Besteuerungsfrage bezüglich der Genossenschaften hat neuerdings in ()esterreich wenigstens teilweise eine gesetzliche Lösung gefunden. Durch das Gesetz vom 27. December 18X0 ist sie, betreffs derjenigen Genossenschaften, welche den Gegenstand ihres Unternehmens auf ihre Mitglieder beschränken, dahin geregelt, dass dieselben von der Erwerbssteuer befreit sind, es wird also bezüglich derselben anerkannt, dass ihr Geschäft keinen Gewerbebetrieb darstellt. Dagegen werden sie zu der Einkommensteuer herangezogen, die Einkommensteuer jedoch nach dem wirklichen Reingewinn bemessen. Gesammlbetrachtungen über die Industrie in Oesterreich-Ungarn. 481 Ein Erträgniss bis zu dreihundert Gulden bleibt steuerfrei, bei einem Ergebniss, welches diesen Betrag übersteigt, werden vom ersten Tausend drei Zehntel, vom zweiten fünf Zehntel versteuert. Richtiger wäre allerdings die Einführung der Steuerfreiheit gewesen, da bei Genossenschaften, welche mir mit ihren Mitgliedern verkehren, von einem eigentlichen Einkommen der Genossenschaft nicht gesprochen werden kann. Wie wir bei der Darstellung der allgemeinen genossenschaftlichen Verhältnisse bereits hervorgehoben haben, bilden die Kredit- und Vorschussvereine die überwie-g e n de Mehrzahl s ä m m 11 i c h e r G e n o s s e n s c h a f t e n. — Unter der Gesammtzahl derselben sind in Cisleithanien 1129 Kredit- und Vorschussvereine, ja in Ungarn finden wir sogar 308 Kredit- und Vorschussvereine. Doch sind diese Vorschuss- und Kreditvereine ausserordentlich ungleich in den einzelnen Theilen des Reiches verbreitet. In Salzburg, Tyrol, Vorarlberg. Krain, dem Küstenland und Dalmatien steht die grosse Masse der Bevölkerung der g e n o s s e n s c h a f 11 i c h en R e w e g ti n g noch immer t h e i 1 n a hmslos gegen übe r und ist gegen die Segnungen unempfindlich, welche die Beschaffung der in Wirtschaft und Gewerbe erforderlichen Betriebsmittel auf dem Wege der Selbsthülfe gewährt. Wie schon bemerkt, bilden die Vorschuss- und Kreditvereine mit unbeschränkter Haftbarkeit der Mitglieder in Oesterreich die Mehrheit. Von den 1129 österreichischen Vereinen sind 156 nicht registirt, 973 registrirt, von diesen haben sich 492 mit unbeschränkter Haftung, 4S1 mit beschränkter Haftbarkeit kon-stituirt. — Wesentlich verschieden sind indessen die Verhältnisse zwischen registrirten und nicht registrirten Vereinen, Genossenschaften mit beschränkter und unbeschränkter Haftung ln den einzelnen Ländern. So finden wir i. B. die Gegensätze zwischen Böhmen und Galizien einerseits und Mähren andererseits sehr bedeutend, denn in beiden ersteren Ländern herrscht die unbeschränkte I laftbarkeit, in Mähren aber überwiegt weitaus die beschränkte Haftung. In Salzburg, Kärnten, Krain, Bukowina, Küstenland und Dalmatien existiren nur Vorschuss. vereine der letzteren Art. — Bei dieser gesammten barsch e i n ii n g ist a her die N a t i o n a 1 i t ä t keines w e g s massgebend, denn in Böhmen ist die Mehrzahl der deutschen Vereine nach dem System der unbeschränkten Haftbar* keit konstituirt. in Mähren verhält es sich gerade umgekehrt.— Die sogenannten „Beamtenvorschussvereine" bilden eine besondere und wichtige Klasse der Vorschussvereine, es giebt deren in Oesterreich 79, in Ungarn 36; davon sind in Oesterreich 50, in Ungarn 23 Spar- und Vorschusskonsortien des „K r s t e n a 1 1 g e m e i n e n B e a m t e n v e r e i n s d e i ö ste r-r e i c h i s c h - u n g a rise h e n M o n a r c h i e". Von diesen sämmtlichen, ausschliesslich für Beamte bestimmten Vorschussvereinen beruhen 91.8 Procent auf der beschränkten Haftung, dieselben dienen dem Konsumtionskredit, während die übrigen die Förderung des Produktivkredits zum Zwecke haben. I >ie Mitgliederzahl der oesterreichischen Genossenschaften beträgt im Durchschnitt 512, beweist also eine Z u n a h in e gegen frühere Jahre, denn im Jahre 1S73 betrug z. B. die Durchschnittszahl nur 301, trotzdem damals in den tschechischen Vereinen Böhmens und Mährens die sogenannten ausserordentlichen oder beitragenden Mitglieder, welche in Wirklichkeit nur Spareinlagen waren, in die Mitgliederzahl eingerechnet waren. Geordnet nach den 1 laftungsarten besitzen die Vereine mit unbeschränkter Haftbarkeit durchschnittlich 473, die mil beschränkter 3So und die nicht registrirten 335 Mitglieder. Die Vereine mit unbeschränkter Haftung haben demnach verhält-nissmässig die meisten Mitglieder, — In den einzelnen Kronländern stellt sich die Durchschnittszahl sehr Verschieden, wobei Ga 1 i z i e n, B ö h m e n und die B u k o vv i n a s e h r hohe Ziffern aufweisen, cües hat bei Galizien und der Buko- wina .seinen Grund darin, dass die dortigen Vor s chuss-vereine sich nicht auf eine lokale Wirksamkeit beschränken, s o n d e r n M i t g 1 i e d e r a ti s d e n e n t f e r n-t es t en Gegenden aufnehmen. Betreff der Kreditgewährung finden wir in Oesterreich, dass von 564 Genossenschaften eine grosse A n z a h 1 n o ch Nichtmitgliedern Kredit gewährt; der Grund dieser eigenthümhchen Erscheinung, welche jedenfalls eine Entfremdung vom eigentlichen Zweck der Vorschussvereine bedeutet, Hegt in der hohen Besteuerung, welcher diese Vereine unterworfen sind und die sie daher veranlasst, ihre Thätigkeit zu einer möglichst gewinnbringenden zu gestalten. Die Form der Kreditgewährung der Vereine in Oesterreich beträgt zu -(( Wechsel und Schuldscheine; es ist dies eine Verminderung gegen frühere Jahre, denn z. B. 1873 betrug diese Art der Kreditgewährung 8i.5ü/o sämmtlicher Ausstände. Dagegen haben sich die Hypothek ard a riehenge g en-W ä r t i g bedeutend vermehrt, sie betragen 31.20 gegen 15-5 °/n im Jahre 1S73. Jedenfalls ein höchst ungesundes V e r h ä 11 n i s s , welches leicht zu Katastrophen Hi h reu kann, denn wenn Vereine Hypothekardarlehen gewähren, über deren Rückzahlung innerhalb einer bestimmten Zeit keine vertragsmässigen Bestimmungen getroffen wurden, oder deren Tilgung in langjährigen Annuitäten bedungen wird, so gewähren sie einen längeren Kredit, als sie selbst ge-niessen, und setzen sich dadurch mit einem der ersten Grundsätze, welche ein Kreditinstitut zu beobachten hat, in Widerspruch, befinden sich daher in der beständigen Gefahr, dass Stockungen entstehen. Es ist allerdings in einzelnen Fällen möglich, für Hypothekarforderungen an den Hypothekarkreditbanken Abnehmer ?Ai finden, aber derartige Transaktionen sind in der Regel theuer. Die Vorschussvereine bedingen daher meistens bei Hypo- Oesterreich-Ungaru, 2S thekardarlehen eine drei- oder sechsmonatliche Kündigungsfrist, diese schliesst aber für den Schuldner die grössten Nachtheile und Gefahren in sich, ohne dass sie dem Gläubiger einen ausreichenden Schutz gewährt, indem der Schuldner nur in den seltensten Fällen und auch dann nur mit bedeutenden materiellen Opfern in der Lage sein wird, seine Schulden zu bezahlen, denn Zwangsverkäufe haben immer eine Entvverthung des Grundstücks zur Folge und so wird ein Verein, besonders wenn er auf zweiten Satz geborgt hat, recht häufig vor die Alternative gestellt, entweder sofort auf seine Forderung zu verzichten oder sich mit einem zweifelhaften Besitz zu belasten, die Abschreibung des Verlustes allmählig vorzunehmen und die Beweglichkeit und Thätigkeit des Vereins auf Jahre hinaus zu hemmen. Sehr verschieden ist das Verhältniss der einzelnen Arten der Kreditgewährung zu einander in den einzelnen Kronländern Cisleithaniens. Während in Salzburg, dem Küstenland und Dalmatien, ein Hypothekarkredit gar nicht, in Steiermark^ Galizien und der Bukowina nur wenig vorkommt, beträgt derselbe in Oberösterreich den erschreckenden Bro-centsatz von 83v2 sämmtlicher Kredite. — Der im Kontokorrent gewährte Kredit erscheint auffallend niedrig, was in dem wenig vorgeschrittenen Geschäftsverkehr seine Erklärung und Rechtfertigung findet, da nur entwickelten Genossenschaften die Einführung des Kontokorrentkredit anzurathen ist. Das Betriebskapital der Vorschussvereine zerfällt in das eigene und in das fremde Kapital: an eigenem Kapital besitzen die Vorschussvereine in Cisleithanien, deren Abschlüsse vorliegen, 25,730,061 Gulden, hingegen das fremde Kapital betrug 129,164,268 Gulden. Das eigene Kapital setzt sich zusammen aus Geschäftsantheilen der Mitglieder 20,431,631 Gulden, Reservefonds 4,976,693 Gulden, Sichcrstellungsfonds 321,737 Gulden. Das fremde Kapital bestand in 123,732,853 Gulden Spareinlagen, 4,063,759 Gulden Anlehen und 1,367,674 Gulden Gesammthetrachtungen viher die Industrie in Oesterreich-Ungarn. 435 Reeskompte. — Das Verhältniss zwischen eigenem und fremdem Kapital beträgt demnach i: 5-03, was keineswegs günstig ist, denn auch mit Rücksicht auf die Zahl der Mitglieder erscheint das eigene Kapital zu klein, es entfallen daher auf ein Mitglied vom Geschäftsantheil nur 66 Gulden, während z. B. in Deutschland auf ein Mitglied 22iM Mark kommen. Vom Reservekapital entfallen auf ein Mitglied durchschnittlich i6.., Gulden, wogegen von fremdem Kapital auf ein Mitglied durchschnittlich 4.20 Gulden kommen. Selbstredend ist das Verhältniss des eigenen zum fremden Kapitale, sowie alle übrigen, soeben beregten Verhältnisse in den einzelnen Kronländern Cisleithaniens auch wieder sehr verschieden, denn hier tritt die Erscheinung auf, dass die Genossenschaften mit beschränkter Haftbarkeit bei weitem grössere Geschäftsantheile als die mit unbeschränkter I laf'tbarkeit besitzen, was auch vollkommen richtig erscheint; auffallend bleibt jedoch der unterschied zwischen deutschen und tschechischen Vereinen in Mähren und Böhmen, denn die deutsche n Ve reine sind bei We item mehr auf die eigene Kapitalbildung nach Schultze-Delitzsch'schem System bedacht. — Sehr hohe Geschäftsantheile weisen die Vereine in Dalmatien und der Bukowina auf. - Die Verhältnisse bei den Vereinen mit beschränkter Haftbarkeit in Oberösterreich und bei denen mit unbeschränkter Haftbarkeit in Tyrol und Vorarlberg sind geradezu abnorm; aber auch sonst sind, wie wir bereits geschildert haben, die Verhältnisse Ungünstig, indem das fremde Kapital viel zu hoch gegenüber dem eigenen ist. rransleithanien macht in dieser Beziehung eine günstige Ausnahme, denn hier kommt von dem Betriebskapital 41.26°/0 auf das eigene und 58.74°/,, auf das fremde Kapital. Dieses Verhältniss ist daher bedeutend besser als in Oesterreich, ent-8Pricht aber andererseits nicht der Aufgabe der Vereine, fremdes 28* Kapital heranzuziehen, doch hat dieser Mangel an letzterem zum grossen Theil seine Ursache in der ungenügenden Kredit basis der Genossenschaften. Bei den österreichisch-ungarischen Konsumvereinen und sonstigen Genossenschaften betrug die Zahl der Konsumvereine in Cisleithanien nur 188], somit nicht vielmehr als 20ü/„ der Vorschuss- und Kreditvereine, wobei bemerkenswerth ist, dass sich dieselben im Laufe der Zeit vermindert haben und jetzt nur noch die Hälfte der früheren ausmachen. Die Ursache dieses Rückgangs liegt hauptsächlich in der mangelhaften Leitung vieler Genossenschaften, welche den Untergang derselben wegen Misswirthschaft herbeiführte; andere Vereine sind wieder in Folge des letzten grossen Krachs in Oesterreich-Ungarn, der besonders in Cisleithanien wirthsehaft-lich äusserst nachtheilig wirkte, erlegett. Die Vereine stützten sich nämlich auf ein gewerbliches Etablissement, mit dem Niedergang desselben hat auch der betreffende Verein seine Lebensfähigkeit verloren und ist zur Auflösung veranlasst worden. — An der Verminderung der Genossenschaften hat auch das Vorgehen der Steuerbehörden einen wesentlichen Einfluss ausgeübt, indem dieselben überall die Konsumvereine zur Steuer heranzogen, wobei die Steuern sehr hoch waren und man sogar Steuern auf Jahre zurückverlangte, so dass sie unerschwinglich wurden und einzelne Vereine daran zu Grunde gingen, während andere es vorzogen, die Steuerverschreibung gar nicht abzuwarten, sondern sich sofort aufzulösen. — In neuerer Zeit haben sich jedoch die Verhältnisse wieder etwas günstiger gestaltet und es ist eher eine Zu- als wie eine Abnahme der Konsumvereine zu konstatiren. Interessant sind bei den Konsumvereinen Cisleithaniens die Rechtsverhältnisse und die Vertheilung der Genossen schaften auf die einzelnen Kronländer; wesentlich verschieden von den Vorschussvereinen erscheint hier, dass nur ein kleiner Theil der Konsumvereine auf der unbeschränkten Haftung nach Gesammtbetrachtungen über die Industrie in (k-sterreich-Ungarn. 437 t dem Gesetze vom Jahre 1873 beruht, während die Mehrzahl die andere Haftform gewählt, sehr viele sich aber bisher überhaupt gar nicht unter das Gesetz gestellt haben. Von den 235 Vereinen sind nämlich 100 überhaupt nicht registrirt, 55, also nicht ganz 25%, beruhen auf dem Princip der unbeschränkten, 80 auf dem der beschränkten Haftung. In den einzelnen Kronländern gestaltet sich das Verhältniss ziemlich verschieden, auffallend ist dabd namentlich die grosse Zahl der nicht registrirten Genossenschaften in Böhmen, denn sie beträgt mehr als das Doppelte. Bei 83 Vereinen beläuft sich die Zahl der Mitglieder auf 32,979, somit entfallen auf dun Verein 397 Mitglieder, jedenfalls ein Beweis geringer Theil-nahme in Oesterreich für Konsumvereine, und dieses Verhältniss würde sich noch ungünstiger gestalten, wenn man die beiden Konsumvereine in Fünfhaus und den ersten Wiener Konsumverein, denen fast die Hälfte jener 32,979 Mitglieder angehören, abrechnet. — Nach Ausscheidung dieser würden dann auf einen Konsumverein in Oesterreich nur durchschnittlich 209 Mitglieder entfallen. Das eigene Kapital von 101 Konsumvereinen betrug 794,890 Gulden, nämlich 491,947 Gulden Geschäftsantheil und 301,943 Gulden Reserven. Auf ein Mitglied entfallen hiernach an Geschäftsantheil 1.402 Gulden, an Reservekapital 8.68 Gulden, zusammen 22.70 Gulden. - Diese Zahlen erscheinen durchaus günstig im Vergleich mit dem Jahre 1873, denn damals belief sich der durchschnittliche Betrag auf 13.99 Gulden. — Das fremde Kapital beträgt 706,215 Gulden und besteht aus Spareinlagen der Mitglieder von 212,051 Gulden, aufgenommenen Anlehen 179,146 Gulden, umlaufenden Werthmarken 42.48 Gulden, Waarenschulden 310,770 Gulden, wonach bezifferte sich das fremde Kapital auf 88.81% des eigenen Kapitals. — Alle Vereine haben ein Ladengeschäft; das Markengeschäft, welches bei einigen neben demselben noch vorkommt, spielt nur eine untergeordnete Rolle. — An Nichtmitglieder verkaufen etwa J/4 der bekannten Ver- eine; als Hauptgrund dieser Ausdehnung ist auch hier wieder die Besteuerung anzusehen, welche alle Vereine, gleichviel ob sie ihren Verkehr auf Mitglieder beschränken oder nicht, zur Steuer heranzieht. Eine grosse Verbreitung hat leider die Abgabe von Waaren gegen Kredit gefunden, denn trotzdem die Konsumvereine an der Baarzahlung in erster Reihe festhalten sollten, weisen die Rechnungsabschlüsse bei nicht weniger als 74 Vereinen Forderungen an die Mitglieder für auf Kredit gegebene Waaren auf. In Transleithanien bestanden sechzehn Konsumvereine, u. z. 13 in Ungarn und 3 in Siebenbürgen; in Slavonien und Kroatien ist diese Genossenschaft nicht vertreten. Durchschnittlich beträgt die Mitgliederzahl dieser Vereine 235. Das Betriebskapital besteht vorzugsweise aus eigenem Kapital, u. ■/.. zu 89.25°/0l während das fremde nur 10.75"„ ausmacht. Nächst den Vorschuss- und Konsumvereinen sind die Produktivgenossenschaften die verbreitetsten, u. z. sind die landwirthschaftlichen verhältnissmässig zahlreich. Gewerbliche Pr.o-duktivgenossenschaften giebt es circa 41, landwirtschaftliche 61 in Oesterreich, 7 in Ungarn. Sie beruhen in der Mehrzahl auf dem System der beschränkten 1 laftbarkeit; die meisten landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaften sind nicht re-gistrirt. Von den landwirthschaftlichen Produktivgenossenschaften finden wir die meisten in Tirol und Vorarlberg, unter diesen befinden sich 59 Molkereigenossenschaften. — Die gewerblichen Produktivgenossenschaften waren früher in Oesterreich zahlreicher, viele früher bestandene haben sich wieder aufgelöst, insbesondere prosperirten sie nicht, wenn selbständige Gewerbtreibende, die in ihrem Geschäfte zurückgegangen waren, zu einer Produktivgenossenschaft zusammentraten, ohne ihren eigenen selbständigen Geschäftsbetrieb aufzugeben. Viel besser entwickelten sich die von unselbständigen Arbeitern gegründeten Genossenschaften; sie gedeihen überall, wo der Er- Öffnung- des Geschäfts eine genossenschaftliche Schulung und die Ansammlung des nöthigen Geschäftskapitals voranging. — Aber auch bei der Entwicklung und Inslebensetzung dieser Produktivgenossenschaften wirkt die schwer drückende Steuer höchst nachtheilig und hemmend. Die Verbreitung der Baugenossenschaften, Rohstoff-, Magazin- und landwirthschaftlichen Werkgenossenschaften ist eine sehr geringfügige. — Baugenossenschaften bestanden Ende l88l : 4 in Niederösterreich, i in Böhmen; Magazingenossenschaften i in Oesterreich (in Graz), 3 in Ungarn; Rohstoffgenossenschaften gab es 10, u. z. 8 in Oesterreich, 2 in Ungarn und Siebenbürgen, von denselben waren 3 für Nagelschmiede, 3 für Schneider, 2 für Schuhmacher errichtet. Landwirthschaftliche Rohstoffgenossenschaften existirten überhaupt nicht. — Werk--genossenschaften waren im ganzen 14 bekannt, davon 8 in Mähren. — Dass so wenige Genossenschaften in einzelnen Gewerbszweigen in Oesterreich-Ungarn vorkommen, ist eine beklagenswerthe Erscheinung und zeigt, dass den Gewerbtreibenden das Verständniss für die Bedeutung der Genossenschaften noch vielfach abgeht. Bedeutenden Einfluss auf das gewerbliche Leben in Cis-leithanien übt die seit November 1883 in Kraft getretene „Gewerbeordnung" aus. In Oesterreich müssen nämlich alle ein und dasselbe Gewerbe selbständig ausübende Personen in die Zwangsgenossenschaft eintreten. Nach Umständen können sich die Zwangsgenossenschaften über mehrere Gemeinden und auch über mehrere verwandte Gewerbe erstrecken. — Es bedarf zum Eintritt in jene Zwangsgenossenschaft nicht einmal den Willen des Betreffenden, sondern wer in dem Bezirk einer solchen Genossenschaft das Gewerbe, für welches dieselbe begeht, selbständig betreibt, wird schon durch den Antritt des Gewerbes Mitglied der Genossenschaft und hat die damit verbundenen Verpflichtungen zu erfüllen. — Betreibt jemand 440 O esterretcli-Ungarn. verschiedene Gewerbe, so hat er verschiedenen Genossenschaften anzugehören. — Ausgenommen sind hiervon die Inhaber von fabriksmassig betriebenen Gewerbeunternehmungen, denn sie sind nicht beitrittspflichtig. — Diese Genossenschaften, welche auch die landesüblichen Benennungen, wie Gilde, Innung, Grenium u. s. w. führen können, werden, wenn sie sich nicht selbst bilden, nach Einvernehmen mit der Handels- und Gewerbekammer durch die Gewerbebehörde gebildet! Die Aufgaben dieser neuen Innungen sind sehr vielgestaltig: Sie sollen den Gemeingeist pflegen, die Standesehre den Mitgliedern und Angehörigen der Genossenschaft erhalten und zu deren Hebung beitragen, sie sollen die gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder und Angehörigen fördern durch Vorschusskassen, Rohstofflager, Verkaufshallen, gemeinschaftlichen Maschinenbetrieb u, s. w. — bau Zwang für einzelne Mitglieder, in Bezug auf diese allgemeinen Zwecke, ist jedoch nicht ausgesprochen, denn kein Mitglied kann zu diesen Anlagen herangezogen werden, wenn nicht öffentliche Rücksichten diese Anlagen nothwendig machen. — Im Speciellen liegt den Genossenschaften ob: die Sorge für geregelte Zustände zwischen Gewerbsinhabern und ihren Gehilfen, sowie Errichtung und Erhaltung von Genossenschaftsherbergen und die Einführung einer „Zuschickordnung", um das gegenseitige Auffinden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erleichtern; die Fürsorge für ein geordnetes Lehrlingswesen durch Erlass von behördlich zu genehmigenden Bestimmungen über die fachliche und sittliche Ausbildung der Lehrlinge, über die Lehrzeit bei nicht handwerksmässigen Gewerben, über Lehrlingsprüfungen und dergleichen, sowie die Ueberwachung der Einhaltung dieser Bestimmungen und die Bestätigung der Lehr-zeugnisse, weiter die Festsetzung von Bedingungen über das Halten von Lehrlingen überhaupt und über das Verhältniss der letzteren zur Zahl der Gehilfen im Gewerbe; die Bildung eines schiedsgerichtlichen Ausschusses zur Austragung der zwischen den Genossenschaftsmitgliedern und ihren Hilfsarbeitern aus dem Arbeits-, Hehr- und Lohnverhältniss entstehenden Streitigkeiten und die Förderung der schiedsgerichtlichen Institution für Streitigkeiten unter den Mitgliedern; zur Errichtung eines solchen Schiedsgerichts können sich auch mehrere Genossenschaften vereinigen. Die Gründung oder Förderung und die Beaufsichtigung gewerblicher Fachlehranstalten; die Fürsorge für erkrankte Lehrlinge, sofern nicht die gesetzliche Verpflichtung der Lehrherrn eintritt. Jährliche Berichterstattung über alle für die Gewerbestatistik belangreichen Vorkommnisse innerhalb der Genossenschaft, abgesehen von sonstigen Auskünften und Gutachten an die Behörden und die Handels- und Gewerbekammern ihres Bezirks. Gleichzeitig ist für die unter die Gewerbeordnung fallenden Gewerbe (auch die Kaufleute sind darin inbegriffen) der Kranken* Versicherungszwang vorgeschrieben, denn die Genossenschaften sind verpflichtet, zur Unterstützung der Gehilfen-Krankenkassen Zu errichten, und die Gewerbeinhaber müssen ebenso wie sämmtliche Gehilfen, gleichgültig, ob sie schon Mitglieder einer Krankenkasse sind oder nicht, Beiträge dazu leisten. Unter dem Kollektivnamen „Angehörige des Gewerbes'-sind die Gehilfen und Lehrlinge einbegriffen. Für erstere ist zugleich eine sehr wesentliche Bestimmung geschaffen: I^s giebt nämlich ausser der Genossenschafts-Versamm-lung in Oesterreich auch noch eine Gehilfen-Versammlung für jedes Gewerbe, deren Thätigkeit durch ein Statut geregelt wird und deren Wirkungskreis in der Wahrnehmung und Erörterung der Interessen der Gehilfen besteht. — Diese Versammlung entsendet zwei bis höchstens sechs Delegirte ui die Genossenschafts-Versammlung, wo denselben zur Vorbringung- von Wünschen berathende Stimmen zustehen, und da der schiedsgerichtliche Ausschuss, dessen Kompetenz die Gewerbegenossenschaft feststellt, zur Hälfte aus Gehilfen be- steht, ausserdem die Vorstände der Krankenkassen zu zwei Drittheilen aus Gehilfen zusammengesetzt sein müssen, so sind auch diese Delegirten von der Gehilfen Versammlung zu entsenden. — Entsprechend der Theilnahme von Gehilfen an der Genossenschaftsversammlung kann die letztere ihrerseits Dele-girte, und zwar gleichfalls zwei bis sechs, in die Gehilfenver-sammhmg entsenden, um an derselben mit berathenden Stimmen teilzunehmen. Zu den Krankenkassen tragen die Lehrlinge nichts bei, die Gehilfen nicht mehr als drei Procent vom Lohngulden, die Gewerbsinhaber für jeden ihrer Gehilfen nicht mehr als die Hälfte der Beitrage jedes Gehilfen. — Diese Beiträge können im Verwaltungswege eingetrieben werden. — Die Gewerbsinhaber führen die während der Arbeit fällig gewordenen und von den Gehilfen nicht selbst entrichteten Beiträge der Gehilfen auf Rechnung des Lohnes an die Krankenkassen ab. — Das Krankengeld betrügt für Männer mindestens die Hälfte, für Frauen mindestens ein Drittel des Tagelohnes und muss bei längerer Dauer der Krankheit mindestens für „dreizehn" Wochen gewährt werden. Die Gewerbsinhaber müssen ihre zum Eintritt in die Krankenkassen verpflichteten Gehilfen bei dieser Kasse anmelden, widrigenfalls sie von derselben für alle Zahlungen in Anspruch genommen werden können, welche bei rechtzeitigem Eintritt der Gehilfen zu entrichten gewesen wären. Die Verwaltung der Krankenkassen ist völlig selbständig und unabhängig von etwaigen sonstigen Unterstützungsanstalten der Genossenschaft. Die Mittel der Krankenkassen dürfen selbstverständlich nur zur Krankenunterstützung verwandt werden. — Genossenschaften und Gewerbsinhaber, die ihren gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf die Fürsorge der Krankenverpflegung gerecht geworden sind, brauchen nicht für die Krankenkasse aufzukommen, falls diese ihre Leistungen nicht erfüllt. Zur Ausübung von handwerksmässigen Gewerben ist der (lesammthetrachtungen über die Tndustrie in Oesterreich-Ungarn. 443 Nachweis der Befähigung erforderlich. Derselbe wird erbracht durch ein Lehrzeugniss und das Arbeitszeugniss über eine mehrjährige Verwendung als Gehilfe in demselben Gewerbe oder einem dem betreffenden Gewerbe analogen Fabriksbetriebe. — Die Lehrzeit darf nicht weniger als zwei Jahre betragen und den Zeitraum von vier Jahren nicht übersteigen. >— Diejenigen Gewerbe, welche im Sinne der Gewerbe-Novelle „hand-werksmässige" sind, waren bisher freie, d. h., es genügte zum Antritt des Gewerbes die einfache Anmeldung. Durch die Schaffun g dies er neuen Klasse, der „handwerksmässigen Gewerbe", entsteht eine Reihe von Rückwirkungen, welche das Gesetz selbst zu normiren absichtlich unterlassen hat. — Nach den allgemeinen Grundsätzen über die Rückwirkung neuer Gesetze auf früher erworbene Rechte wird Jeder, der gegenwärtig ein Gewerbe ausübt, den Befähigungsnachweis nicht zu erbringen haben. Dagegen bei den Gehilfen, welche nicht die vorschriftsmässige I .ehre absolvirt haben, hat die Genossenschaftsversamnilung Beschlüsse zu fassen, Welche in die Statuten der betreffenden Genossenschaft aufzunehmen sind. — Wo und insofern die Genossenschafts-Versamm-lungen solche Beschlüsse nicht gefasst haben, ist die Bestimmung der Zahl der Lehrjahre innerhalb der obigen Grenzen Gegenstand des freien Uebereinkommens. — Die Verwendung als Gehilfe, beziehungsweise Fabrikarbeiter, muss mindestens zwei Jahre betragen. — Der Befähigungsnachweis kann auch durch ein Zeugniss über den mit Erfolg zurückgelegten Besuch einer gewerblichen Unterrichtsanstalt erbracht werden, in welcher man eine praktische Unterweisung und fachgemässe Ausbildung xm betreffenden Gewerbe erhielt. — Doch wurde auch hier dem Handelsminister überlassen, die betreffenden Anstalten und Gewerbe zu bezeichnen. Endlich kann von der Beibringung des Befähigungsnachweises die politische Eandesbehörde völlig dispensiren, sei es, dass ein besonders berücksichtigungswerther Fall vorliegt, sei es, dass es sich um den Uebergang zu einem verwandten Gewerbe oder um einen gleichzeitigen Betrieb verwandter Gewerbe handelt. Handwerksmässige Gewerbe sind: Anstreicher und Lackirer, Bäcker, Buchbinder, Futteralmacher, Ledergalanterie-und Cartonnagen-Arbeiter, Bürstenbinder, Drechsler und Meerschaum-Bildhauer, Ffeifenschneider, Erzeuger musikalischer Instrumente (Klavier, Orgel,, Harmonium u. dgb), Böttcher, Feinzeugschmiede, Messerschmiede, Fleischer, Fleischselcher, Friseure, Raseure und Perrückenmacher, Glaser, Gold-, Silber- und Juwelenarbeiter, Gold-, Silber- und Metallschliiger, Gürtler und Bronce-waaren-Erzeuger, Töpfer, Handschuh- und Bandagenmacher, Hutmacher, Kamm- und Fächermacher, Beinschneider, Kleidermacher, Korbflechter, Kürschner, Kupferschmiede, Seifensieder, Metall- und Zinngiesse'r, Mechaniker (Fein- oder Präcissions-Mechaniker), und Optiker, Plattirer, Posamentirer, Rothgerber, Schlosser, Schuhmacher, Siebmacher und Gitterstricker, Sonn-und Regenschirmmacher, Klempner, Tapezierer, Täschner, Riemer, Peitschenmacher, Kappenschneider, Sattler und Pferdegeschirrmacher, Tischler, Uhrmacher, Vergolder, Stellmacher, Wagenschmiede, Wagensattler, Weissgerber, Ziegel- und Schieferdecker, Zimmermaler, Zuckerbäcker und Kuchenbäcker. Das Handelsgewerbe, das Fabriksunternehmen und die Hausindustrie sind „freie Gewerbe". — Demnach begreift die Anmeldung eines Handelsgewerbes ohne Beschränkung auf bestimmte Waaren das Recht zum Handel mit allen im freien Verkehr gestatteten und rücksichtlich des Verkaufs nicht an eine besondere Bewilligung gebundenen Waaren in sich. — Die Anmeldung eines auf bestimmte Waaren oder eine bestimmte Kategorie von Waaren beschränkten Handelsgewerbes berechtigt jedoch blos zum Handel mit den betreffenden Waaren. Die anderen Theile der Novelle behandeln die conces-sionirten Gewerbe und die Gewerberechte. In Bezug auf die ersteren sind einige verschärfende Bestimmungen erlassen Gešammtbetrachtungen über die Industrie in Oesterreich-Ungarn. 445 worden, besonders betreffs des Schankgewerbes; einige Gewerbe, wie die Fabrikation von Dampfkesseln, Einrichtung von Gas-und Wasserleitungen, Spielkartenfabrikation, Erzeugung und Vertrieb künstlicher Mineralwässer und das Pfandleihgewerbe sind nun unter die „concessionirten" aufgenommen. — Mehrere durch technische Fortschritte nothwendig gewordene Ergänzungen fehlen nicht. — Ferner ist bestimmt worden, dass Maximaltarife von der politischen Landesbehördc, auf Antrag der Gemeinde und nach Anhörung der Handels- und Gewerbekammer, sowie der betreffenden Genossenschaften, bis auf Widerruf für den Kleinverkauf von Artikeln, die zu den notwendigsten Bedürfnissen des täglichen Unterhalts gehören, dann für Rauchfangkehrer-, Kanalräumer-, Abdecker-, Transport- und Platzdienstgewerbe festgestellt werden können. Die österreichische Novelle ist wesentlich weitgehender als die deutsche, es muss der Zeit überlassen bleiben, ob mit ihr, bei ihrer nunmehrigen Einführung ins praktische Leben, der beabsichtigte Erfolg erzielt wird. In Oesterreich-Ungarn sind für die Entwicklung und Hebung der gewerblichen Industrie die „Handels- und Gewerbekammern" errichtet, deren Organisation in Oesterreich im Gesetze vom 29. Juni 1868, in Ungarn im VI. Gesetzartikel vom Jahre 1868 geregelt wurde. — Die Anzahl der „Handelsund Gewerbekammern" beträgt gegenwärtig in Cisleithanien 29 und in Transleithanicn 15. Sämmtliche Handels- und Gewerbe-Kammern in Oesterreich sind berechtigt, untereinander gemeinsame Berathungen abzuhalten. — Ueberdies giebt es in Oesterreich-Ungarn noch zahlreiche freiwillige Vereinigungen von Gewerbetreibenden zum Zwecke der Förderung der Gewerbe u. z. in Oesterreich 135, von denen der niederösterreiclhsche Gewerbeverein in Wien, die Gewerbevereine in Linz, Graz, Prag, Reichenberg, Brünn und Bielitz-Biala die wichtigsten sind. In Ungarn bestehen zu diesem Zwecke der Landesindustrie- verein in Budapest mit 19 Zweigvereinen im Lande und der Landesgewerbebund, ebenfalls in Budapest. Als weitere Förderungsmittel der gewerblichen Industrie giebt es in Oesterreich das k. k. Museum für Kunst und Industrie und das technologische Gewerbemuseum zu Wien, von denen wir bereits schon früher gesprochen haben, die Gewerbemuseen in Brünn, Reichenberg, Lemberg und Krakau; in Ungarn das k. Kunstgewerbemuseum und das k. technologische Museum in Budapest. Betrachten wir schliesslich noch die gewerblichen Unterrichtsanstalten in Oesterreich-Ungarn, so sehen wir, dass von den technischen Hochschulen, welche den Universitäten gleichgestellt sind, zwei in je 5, vier in je 4 und eine in 3 Abtheilungen zerfallen. — Alle diese Hochschulen haben Fachschulen für Strassen- und Wasserbau, für technische Chemie und Maschinenbau; an den Hochschulen zu Wien, Lemberg, Budapest und der deutsch-böhmischen in Frag, besteht auch eine Fachschule für den Hochbau , welche den Hochschulen in Graz und Brünn mangelt. Dafür ist an letzterer, wie an der Wiener Hochschule und dem königl. Josef-Polytechnikum in Budapest eine allgemeine Abtheilung errichtet, in welcher alle jene Gegenstände, die in keine der Fachschulen eingereiht erscheinen, besonders zur Heranbildung von Lehramtskandidaten, vereinigt sind. — Die Zahl der Professoren, Docenten, Lehrer und Studirenden betrug im Wintersemester 1882/83: Hochschulen: Stift ungsjahr Lehrer Studirende K. k. technische Hochschule in Wien l8l 5 60 I 39O _. 1 böhm. .. .. .. in Pracr ; 1869 38 609 0 deutsch. 1806 35 350 K, Josefs-Polytechnikum in Budapest 1844 39 589 K. k. technische Hochschule in Graz l8l I 4i 2l8 „ „ » „ in Lemberg I845 34 2 r 7 „ „ „ ,, in Brünn 185O 26 124 Summa in Oesterreich-Ungarn 273 3-497 Ausserdem giebt es in Oesterreich-Ungarn noch die Kunstgewerbeschulen in Wien und Budapest; 10 Staatsgewerbeschulen in Oesterreich; die Landesindustrieschule und die Landes-modellirzeichenschule in Budapest; 308 gewerbliche Fach-und Fortbildungsschulen in Oesterreich und 17 gewerbliche Fachschulen in den ungarischen Ländern. Die Arbeiter in Oesterreich-Ungarn. Bereits an verschiedenen Stellen dieses Abschnittes haben Wir Gelegenheit genommen, auf die Lohnverhältnisse der Arbeiter und ihre sociale Lage Streiflichter zu werfen. - Gerade so wie in den andernen modernen Kulturländern ist auch in Oesterreich-Ungarn die Regierung seit neuerer Zeit eifrig bestrebt, der Socialpolitik ihre vollste Aufmerksamkeit zu schenken und durch entsprechende legislatorische Massnahmen die Lage der Arbeiter, welche in mancher Beziehung nicht immer so ist, wie es vom Standpunkte der Humanität und Gerechtigkeit zu wünschen wäre, so viel wie möglich zu bessern. — Loch sollten andererseits die Arbeiter diese nun einmal in Fluss gerathene Strömung nicht durch anarchistische und social revolutionäre A ussch reitungen der wildesten Art, wie sie leider in den letzten Jahren auch in Oesterreich-Ungarn nur zu drastisch aufgetreten sind, und von denen wir in einem späteren Abschnitt eingebender sprechen werden, stören, weil derartige Aktionen den Gegnern ihrer Bestrebungen nur die Waffe in die Hand drücken und dazu beitragen, die Erfüllung der wirklich gerechten Wünsche der Arbeiter auf das äusserste zu hemmen. — Der einzige Weg der Arbeiter, mit der Zeit ihre vernünftigen Forderungen, worunter wir natürlich nicht den „socialistischen Zukunftsstaat" verstehen, erfüllt zu sehen, ist der gesetzliche Weg durch die Parlamente! Da der Stand der Löhne die materielle und sociale Lage der Arbeiter bestimmt, so ist es naturgemäss, dass die Arbeiter derjenigen Zweige des gewerblichen Lebens, welche erhöhte Ansprüche an die Geschicklichkeit stellen oder sich gerade eines besonderen günstigen Geschäftsganges erfreuen, auch in materiell besseren Verhältnissen leben. So verdienen z. B. die Arbeiter der Kunstgewerbe, Ledergalanterie und des Maschinenbaus zum Theil sogar höhere Löhne als in Deutschland. — Am ungünstigsten sind die Lohnverhaltnisse bei einem grossen Theil der Kohlengrubenarbeiter, besonders aber bei den armen Webern und Spitzenklöpplerinnen, von welch' letzteren viele in Folge der verschiedenen, schon früher beregten Ursachen im bittersten Elend ihr Dasein fristen! — Im Allgemeinen sind die Arbeiterwohnungen Oesterreich-Ungarns heut zu Tage, selbst in den grossen Städten, durch die eifrigen Bemühungen und energischen Massregeln der Regierung sowie der Stadtverwaltungen verhältniss-mässig ziemlich gut, ja sogar stellenweise recht gut, und man ist immer mehr bestrebt, jene furchtbaren, dem feinfühlenden Besucher auf den ersten Blick Entsetzen einflössenden schmutzigen Quartiere mit den überfüllten Keller- und Dachwohnungen zvi beseitigen. —- Dass hier noch immer viel geschehen kann und geschehen muss, ist selbstredend und bedarf keiner weiteren Erörterung. In der unstreitig materiell verhältnissmässig günstigsten Lage befinden sich im Allgemeinen die Arbeiter der auf dem platten Lande errichteten Industrieetablissements, wenn auch ihre Löhne hier und da niedrigerer sind, als wie die der Arbeiter in den grossen Städten, denn viele dieser auf dem Lande etablirten Fabrikanten haben für ihre Arbeiter eigene kleine Ein- oder Zwei-Familienhäuser mit einem Gärtchen erbaut und dieselben den Arbeitern zu sehr günstigen Abzahlungraten ins Eigenthum übergeben oder zu äusserst vortheilhaften Bedingungen vermiethet. — Da die den Arbeitern zur Verfügung stehenden Gärtchen meistens gross genug sind, die für ihren Hausbedarf erforderlichen Vegetabilien selbst zu bauen, überdies in Oesterreich-Ungarn auf dem Lande auch die übrigen notwendigsten Lebensmittel ziemlich billig sind und diu Ko loniahvaaren, sowie andere Bedarfsartikel meistens durch die Fabrikverwaltung im Grossen eingekauft und zu den Einkaufepreisen den Arbeitern abgelassen werden, so verringert sieh dadurch ihr Standart of life um ein sehr bedeutendes im Yer-hältniss zum städtischen Arbeiter. Es ist auch nicht zu leugnen, dass der Arbeiter eines auf dem platten Lande oder in einem Ideinen Städtchen etablirten industriellen Etablissements leichter in die Lage kommt, in Folge der viel niederen Baustellenpreise sich eine eigene Scholle zu erwerben und dadurch einen festen Stützpunkt im hin- und herrutschenden Saudmeer des Lebens für sich und seine Fanlilie zu erringen! — Wir kommen dadurch unwillkürlich wieder auf das Thema, welches wir schon in unserem ersten Bande der Bibliothek für moderne Völkerkunde „Die Vereinigten Staaten von Amerika" eingehend erörtert haben. Dass die Verlegung der industriellen Etablissements aus den grossen Städten, besonders aber den Metropolen des Reiches, auf das platte Land, mit einen der wichtigen Funkte zur Lösung der socialen Frage bildet. Denn es wird dadurch den Arbeitern die Möglichkeit gegeben, eigenen Grund und Boden, wenn auch in ganz beschränkten Grenzen, zu erwerben und mit seiner Familie als Nebenverdienst eine kleine I .andwirthschaft zu betreiben, welche seinen Lebensmittelbedarf deckt, ihm die Krisis der periodisch immer wiederkehrenden Arbeitsstockung, ohne dem Hunger preisgegeben zu sein, überwinden lässt, ihn Sf)wie seine Familie gesund erhält und ihm ausserdem das Bewusstsein des Besitzes verleiht. — Da wir in Westeuropa^ ta Folge des uns von Jahr zu Jahr in erhöhtem Masse über-nuthenden Getreideexports Amerikas, Indiens und Australiens, z« Freisen, für die unsere Producenten nicht zu liefern ver- Oesterreich-Ungani. 2t» 450 < )esterreich-l' ngarri. mögen, immer rapider einer gänzlichen Aenderung unseres bisherigen landwirtschaftlichen Betriebes entgegen gehen, d. h in nicht allzuferner Zeit zur intensiven Fleisch-, Milch-, Obst- und Gemüseerzeugung übergehen müssen, von denen ganz besonders letztere viele Arbeitskräfte erfordert, so wird sich schliesslich der lohnende Betrieb grosser Güter immer schwieriger gestalten. — Andererseits sehen wir, dass heut zu Tage ein grosser Theil der Bauern wegen zu geringen Landbesitzes und anderer bereits erörterten Ursachen sich im grössten Nothstande befindet und unbedingt einer gründlichen Hebung seiner gegenwärtigen Lage bedarf, was zum Theil, ohne gewaltsame Verschiebungen im Besitzstande hervorzurufen, nur durch Nebenverdienste erreicht werden kann. Es ist daher das Verlegen der industriellen Etablissements auf das platte Land das einzige Mittel, um hier den erforderlichen Ausgleich zu schaffen; denn die Industrie giebt dort, wo die Bevölkerung des platten Landes zu zahlreich und dabei verarmt ist, einen Nebenerwerb und andererseits führt sie in jene Gegenden, wo es an hinreichenden Agrararbeitskräften zum zukünftig erforderlichen intensiven landwirtschaftlichen Betriebe fehlt, solche zu und macht dadurch eine intensivere Bebauung des Bodens möglich, wie es der zukünftige landwirtschaftliche Betrieb erfordern wird. Für die Volkswirtschaft des Staates ist dies aber ein grosser Segen, denn derselbe tauscht für Tausend und aber 'bansend im Elend lebender, häufig arbeitsloser, nichts besitzender, hin- und herschwankender, für die Ruhe undjden inneren Frieden des Reiches Gefahr bringender Arbeitermasse und eine zum grossen Theil total verarmte, verschuldete Bauernmasse mit zum Theil recht schlecht bewirtschafteten Feldern besitzende Bürger und intensiver cultivirte Areale, somit also .steuerkräftigere Ländereien ein. Von eminenter Wichtigkeit für die I lebung der materiellen Lage der Arbeiter in Oesterreich auf legislatorischem Wege ist das neue „Arbeiterunfal 1-Versicherungsgesetz". Nach- dem die Gewerbeordnung, von der wir bereits früher ausführlich gesprochen haben, mit ihrem Krankenversicherungszwang für die Innungsmitglieder ins Leben gerufen wurde, hat sich die österreichische.Regierung in entschlossener Weise mit der Unfallversicherung beschäftigt und am 4. December 1883 dem Abgeordnetenhaus den Entwurf zu einem Unfallversicherungsgesetz vorgelegt, welcher nunmehr von beiden Häusern be-rathen wird und der Hauptsache nach auch angenommen wurde, — Dieser Entwurf verdient umsomehr die Aufmerksamkeit, als bekanntlich in Deutschland über die Grundsätze eines derartigen Gesetzes vollkommen getheilte Anschauungen herrschen. — Der österreichische Entwurf schlägt die Errichtung eigener Versicherungsanstalten vor, welche sämmtliche Industriezweige eines Sprengeis, in der Regel des Bezirks einer Handelskammer, zu umfassen haben. Diese Versicherungsanstalten sollen in der inneren J 'rganisution auf dem Grundsätze der Gegenseitigkeit beruhen und nur auf die obligatorische Unfallversicherung beschränkt sein. Die Interessenten führen zwar die Verwaltung, aber das Ganze unterliegt einer besonderen .staatlichen Aufsichts- und Lingriffsgewalt. Die Verpflichtung der Unfallversicherung tritt mit den Ausnahmen, welche durch eine vorübergehende Beschäftigung in den einzelnen Gewerben, beziehungsweise die vorübergehende Benutzung von Kraftmaschinen bedingt sind, oder den sich also nothwendig ergebenden Ausnahmen, welche der Minister fakultativ zu bestimmen hat, in Kraft für alle Fabriken, Bergwerke und die dazu gehörigen Anlagen, in Hüttenwerken, Brüchen und auf Werften beschäftigten Arbeiter und Betriebsbeamte. Letztere sind jedoch nur, wenn ihr Jahres - Arbeitsverdienst an Lohn oder Gehalt und anderen Bezügen achthundert Gulden nicht übersteigt, gegen die Folgen der beim Betriebe sich ereignenden Unfälle nach Massgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes versichert. Ebenfalls 29* 452 ()eslerreich-Ungarn versicherungspflichtig sind Arbeiter sowie Betriebsbeamte mit dem oben bezeichneten Jahresverdienst, welche in Gewerbs-belrieben, die sich auf die Ausführung von Bauarbeiten erstrecken oder sonst bei der Ausführung von Bauten thätig sind; solche, welche in Etablissements Beschäftigung haben, bei denen 1 Dampfkessel oder derartige Triebwerke in Verwendung kommen, die durch elementare Kraft, wie Wind, Wasser, Dampf, Gas, heissc Luft, Elektricilät u. s. w., oder durch Thiere bewegt werden; und schliesslich diejenigen, welche im Betriebe arbeiten, in denen explodircndc Stoffe erzeugt oder verwendet werden^ Als Arbeiter, beziehungsweise als Betriebsbeamte im Sinne dieses Gesetzes, sind auch Lehrlinge, Volontaire. Praktikanten und andere Personen anzusehen, welche wegen noch nicht beendetet Ausbildung keinen oder nur einen niedrigeren Arbeitsverdienst beziehen. — Auf Eisenbahn- und Sclüfffahrts-betrieb finden die Bestimmungen dieses Gesetzes nur dann Anwendung, wenn sie als integrirender Bestandteil eines versicherungspflichtigen Betriebes lediglich für diesen bestimmt sind. - Den Gegenstand der Versicherung bildet der durch dieses Gesetz normirte Ersatz des Schadens welcher durch eine Körperverletzung oder durch den Tod des Versicherten entsteht.— im balle einer Körper* Verletzung soll der Schadenersatz in einer dem Verletzten vom Beginne der „fünften Woche", nach fantritt des Unfalls angefangenen, für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit zu gewährenden Rente bestehen. Für die Berechnung der Rente wird zunächst der Arbeitsverdienst ermittelt, welchen der Verletzte während des letzten Jahres seiner Beschäftigung in dem Betriebe, wo der Unfall sich ereignete, bezogen hat. — Das Dreihundertfache des durchschnittlichen täglichen Arbeitsverdienstes gilt als Jahres-Arbeitsverdienst. — Uebersteigt der in dieser Weise ermittelte Jahres*Arbeitsverdienst die Summe von achthundert Gulden, so bleibt der Mehrbetrag ausser Berechnung. — Die Rente beträgt: im Falle ganz- Hoher Erwerbsunfähigkeit und für die Dauer derselben „60 Procent" des Jahres-Arbeitsverdienstes; im Falle theilweiser Erwerbsunfähigkeit und für die Dauer derselben einen Bruch-theil der unter der obigen festgesetzten Rente, welche nach dem Masse der verbliebenen Erwerbsfähigkeit zu bemessen ist, jedoch nicht mehr als „50 Procent" des Jahres-Arbeits Verdienstes betragen darf. - - Dem Verletzten steht ein Anspruch auf Schadenersatz nicht zu, wenn er den Betriebsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat. — Der Unternehmer des versicherungspflichtigen Betriebes ist gehalten, für die Verpflegung und Heilung der in seinem Betriebe beschäftigten, durch einen Betriebsunfall verletzten Arbeiter oder Betriebsbeamten unverzüglich Sorge zu tragen. — Für die Kosten bis zum Ablauf von vier Wochen nach dem Eintritte des Unfalls hat, wenn hierfür nicht schon rechtzeitig durch die getroffene Fürsorge der Gemeinde oder durch bestehende Krankenkassen vorgesehen wurde und, wenn der Verletzte arm ist, der Betriebsunternehmer aufzukommen. Im Falle durch den Betriebsunfall der Tod erfolgt ist, soll der Schadenersatz, ausser in den Leistungen, welche nach S 7 dem Verletzten für die Zeit vor dem fantritt des Todes etwa gebühren, noch in den Beerdigungskosten, die nach dem Gebrauch des Ortes, jedoch höchstens mit dem Betrage von 25 Gulden zu bemessen sind und in einer den Hinterbliebenen des Gctödteten, vom Todestage angefangenen, zu gewährenden Rente bestehen. Diese Rente beträgt: für die Wittwe des Getödteten bis zu tiefen Tode oder Wiederverheirathung 20 Pro cent; für den Wittwer, wenn und so lange derselbe erwerbsunfähig ist, 20 Procent; für jedes hinterbliebene eheliche oder uneheliche Kind bis zu dessen zurückgelegtem 15. Lehensjahr 10 Procent, und wenn ein eheliches Kind auch den zweiten Elterntheil verloren hat oder verliert, i 5 Procent des Jahres-Arbeitsverdienstes. — Die Renten des hinterbliebenen Ehegatten und der Kinder können zusammen 50 Procent des Jahres - Arbeitsverdienstes nicht übersteigen. Ergiebt sich aus den obigen Sätzen ein höherer Betrag, so werden die einzelnen Renten verhältnissmässig gekürzt.— Ausserdem bestimmt auch noch das Gesetz eine Rente für die Ascendenten des Verstorbenen, wenn dieser ihr einziger Ernährer war, u. z-für die Zeit bis zu ihrem Tode oder bis zum Wegfall der Bedürftigkeit 20 Procent des Jahres-Arbeitsverdienstes. —Dieser Betrag darf wegen des Vorhandenseins mehrerer Berechtigten nicht überschritten werden und gebührt in diesem Falle den Filtern der Vorzug vor den Grosseltern. — Im Falle der Wiederverheirathung erhält die Wittwe den dreifachen Betrag ihrer Jahresrente als Abfertigung. — Der Rentenbezug eines Witwers wird durch dessen Wiederverheirathung nicht berührt.! Die im 8 1 vorgeschriebene Versicherung erfolgt durch besondere, zu diesem Zwecke zu errichtende Versicherungsanstalten, welche auf dem Grundsatze der Gegenseitigkeit beruhen. In der Regel soll für den Bezirk jeder Handels- und Gewerbekammer eine solche Versicherungsanstalt am Sitze der Kammer errichtet werden. Der Minister des Inneren ist jedoch ermächtigt, eine andere geeignete Fäntheilung zu treffen. — Mitglieder der Versicherungsanstalten sind die Unternehmer der in dem Bezirke der Anstalt gelegenen versicherungspflichtigen Betriebe und die in denselben beschäftigten Arbeiter und Betriebsbeamten. — Bergwerksbetriebe, bei welchen Bruderladen bestehen, sind in die Versicherungsanstalten nicht einzubeziehen. — Wenn bei Unternehmungen, welche versicherungspflichtig wären, Hilfs- oder Invalidenkassen bestehen, die wenigstens ebenso für Unfälle Vorsorgen, wie die Versicherungsanstalten des Gesetzentwurfs, dann darf die Unternehmung die Ausscheidung begehren. Der „Vorstand" der Versicherungsanstalten, welchem die gesammte Geschäftsführung und die Vertretung der Anstalt zusteht, ist als ein Kollegium derartig zu organisiren, dass derselbe aus einer durch drei theilbaren Anzahl von Mitgliedern gebildet wird, von welchen ein Drittel aus Veuretern der Betriebs - Unterneluner, das zweite Drittel aus Vertretern der Versicherten und das letzte Drittel aus solchen, mit den Verhältnissen des Bezirks vertrauten Personen besteht, welche von dem Minister des Inneren in den Vorstand berufen werden. Sämmtlicbe im Geltungsgebiete dieses Gesetzes gelegenen versicherungspflichtigen Betriebe werden in Gefahrenklassen eingetheilt. — Die Hälfte der Zuflüsse zum Reservekapital ist zur Bildung eines Speciabreservefonds der betreffenden Anstalt, die andere Hälfte zur Bildung eines gemeinsamen Reservefonds für alle Anstalten, welcher vom Staate verwaltet wird und über dessen Verwendung der Minister des Inneren von Fall zu Fall entscheidet, bestimmt. Die Versicherungsbeiträge werden nach einem, von der Vers;cherungs~ «it 't aufzustellenden, staatlich zu ge. nehmigenden Tarif bemessen. Die Aufstellung des Tarifs hat auf Grund des Beitragssatzes zu ei folgen, welcher für je ein Gefahrenprocent und einen Gulden des Arbeitsverdienstes als erforderlich erm:ttelt wird. — Von den tarifmässigen Ver-sicl min^sbeiträgen für jene Versicherten, deren Arbeitsverdienst im Durchschnitt für den Arbeitstag mehr als einen Gulden beträgt, fallen dem Versicherten „fünfundzwanzig Procent", dem Unternehmer des versicherungspflichtigen Betriebes dagegen „fünfundJebzig Procent" zur Last. — Die tarifmässigen Versicherungsbeiträge für Lehrlir ^e, Vo-lontaire, Praktikanten und andere versicherte Personen, welche wegen noch nicht beendeter Ausbildung keinen oder einen niedrigeren Arbeitsverdienst beziehen, sowie für solche Versicherte, deren Arbeitsverdienst im Durchschnitt für den Arbeitstag weniger als einen Gulden beträgt, fallen dem Unternehmer des versicherungspflichtigen Betriebes allein zur Last. — Ferner ist bestimmt, dass Streitigkeiten über die gegen die Versicherungsanstalt erhobenen, von derselben nicht i:,.; ()esterreich-LTng»rn. anerkannten Entschädigungsansprüche der ausschliesslichen Zuständigkeit eines obligatorischen Schiedsgerichts überwiesen werden, dessen Ansprüche vollkommen unanfechtbar sein sollen. Einer der grössten in neuerer Zeit in Oesterreich-Ungarn vorgekommenen „Strikes" war jener vom 28. April bis 5. Mai 1882 der Bergarbeiter der 1 luxer Kohlengruben. Die Arbeiter, meist Czechen, hatten sich durch sociali.sti.sche Agitatoren aufhetzen lassen und verlangten aus der Brüx-Dux und Leutensdorfer Bruderlade ihre Einlagen zurück, weil die Verwaltung das Statut der Kasse dahin abgeändert hatte, dass den aus der Lade austretenden Arbeitern nicht mehr wie bisher 75, sondern nur 33 Procent der eingezahlten Beiträge zurückerstattet werden sollten und ausserdem, nebst sehr niederen Löhnen, auch mannigfache andere Uebelstände herrschten, welche die materielle Existenz der Bergleute recht ungünstig gestalteten. - Die Stadt Dux, wo sich die Verwaltung der Lade befindet, wurde von ungefähr 6000 Arbeitern belagert und überall angebrachte Plakate enthielten die in vieler Beziehung gerechtfertigten Forderungen der Arbeiter: Täglich 8stündige Arbeitszeit, Abschaffung der Sonntagsarbeit, Garantie der Arbeitgeber für einen täglichen Arbeitslohn von 1 Gulden 55 Kreuzer und schliesslich entsprechende Entschädigung des Arbeiters bei Unglücksfällen und Versorgung der Hinterbliebenen. — Obwohl sich die Arbeiter im grossen Ganzen ruhig verhielten und keine bemerkenswerthen Ruhestörungen vorkamen, hatte die Legierung doch schleunigst, um einem weiteren Umsichgreifen vorzubeugen, die umfassendsten, energischsten Sicherheitsmnss-regeln ergriffen und loCompagnien Infanterie, sowie 1 Escadron Cavallerie herangezogen. — In Karbitz fand eine von über Tausend Arbeitern besuchte Versammlung statt, in welcher eine die Forderungen der Arbeiter umfassende Resolution angenommen wurde. Ausserdem durchzogen mit Stöcken bewaffnete Weiber die Stadt und hielten die Schicht- Die Arbeiter In < testefreich-Ungarn. 457 lohnarbeiter von der Fortsetzung ihrer Arbeit zurück. — Nur die in dem Brüxer-Segen-Gottes-Schachte beschäftigten Bergleute setzten ihre Arbeiten unter dem Schutze des Militärs ruhig fort und wiesen die Agitatoren entschieden zurück. — Da trotz aller Energie von Seiten der Behörden der Strike sich länger hinauszog, als man erwartete, wurde den Führern der sinkenden Arbeiter eine Entscheidung des Ministeriums publicirt, worin eine Umänderung der Knappschaftskassen, die Einsetzung von Berginspektoren und der Erlass eines I Iaft-pflichtgesetzes als nur auf gesetzlichem Wege erreichbar bezeichnet wurde. — Was die Abschaffung der Accordarbeit» das Kürzen der Arbeitszeit und die Fixirung der Lohne anbetrifft, so wurden die Strikenden auf das Uebereinkommen der betheiligten Faktoren und bezüglich der Entschädigung für die Dauer des Strikes auf den Rechtsweg verwiesen. Weiter erklärte man ihnen, dass eine Vorlage wegen der Sonntagsarbeit sich in gesetzmässiger Behandlung befinde. — Ueberdies wurde mit der umfassendsten Anwendung des Ausweisungsgesetzes gedroht, wenn die Strikenden nicht gleich wieder ihre Arbeiten aufnehmen würden. — Doch dies alles hatte keine Wirkung und am 2. Mai wurde sogar in Osseg aus Arbeitshäusern der Nelsonkolonie auf das Militär geschossen, ohne .Kaloch jemanden zu verwunden, was zur Folge hatte, dass man 5 Personen als verdächtig verhaftete. Auch begann jetzt die Regierung energisch mit der Durchführung der angedrohten polizeilichen Abschiebung aller Unbeschäftigten, was die heilsamste Wirkung erzielte, denn schon am 5. Mai fand die Wiederaufnahme der Arbeit in allen, selbst den Brüxer Gruben statt. Den Gerichten wurden im Ganzen etwa 70 Personen überwiesen. — Nur in einem einzigen Falle hatte von den Waffen Gebrauch gemacht werden müssen. — Obwohl die Kohlengrubenkompagnien durch den Strike einige Geldverluste erlitten, so waren es doch wieder die Arbeiter, welche den grossten Schaden davon hatten, denn, abgesehen von den arbeitslos und daher ohne Verdienst zugebrachten Tagen wurden, wie wir schon gesagt haben, viele von ihnen in ihre Heimath polizeilich abgeschoben und verloren dadurch ihre ständige Arbeit, während neue Bergleute, welche die Com-pagnien herangezogen hatten, an ihre Stelle traten. Die Schuld des Strikes fiel sowohl Arbeitgebern als wie Arbeitnehmern zu, doch muss ausserordentlich lobenswerth hervorgehoben werden, dass sich die Arbeiter zu keinen gewaltsamen Ausschreitungen hinreissen Hessen und sich im grossen Ganzen ruhig verhielten. IY. Der Handel und das Bankwesen. Export und Import. — Die Schilderung der Verhältnisse des Handels und die gross ten Handelsstädte. — Die Kleinkaufleute, — Bazarv, Märkte. — Die Handelsagenten und Hausir er. — Der Geldmarkt. — Die hervorragendsten Geldinstitute. — Das Versicherungswesen, — Die Handels- und Bankgesetzgebung. — Die im Handel und dem Bankwesen Bediensteten, Die Schilderung der Verhältnisse des Handels und die grössten Handelsstädte. — Export und Import Der Schwerpunkt des österreichisch - ungarischen Grosshandels ruht gegenwärtig auf dem Export der zahlreichen inländischen Rohprodukte und dem Handel mit allen diesen Artikeln sowie den inländischen Industrieprodukten im Lande selbst. — Der Import ausländischer Industrieprodukte, womit bis in die neuere Zeit auch ein sehr beträchtliches Geschäft gemacht wurde, nimmt aber, wie wir im früheren Abschnitt bei Schilderung der Industrie mehrfach gesehen haben, in dem Masse ab, als sich die österreichisch-ungarische Industrie von der ausländischen emaneipirt, und in Folge der Schutzzölle, sowie ihrer eigenen vortrefflichen Leistung und anderer zahlreicher Ursachen, die wir grösstentheils schon erörtert haben, den inländischen Markt selbst beherrscht; dabei ist auch noch ganz besonders hervorzuheben, dass der Handelsverkehr Ungarns im Jahre 1883, welches sich durch keine reiche Ernte auszeichnete, sogar eine Steigerung von 82 Millionen Gulden aufweist. Natürlich spielt auch in Oesterreich-Ungarn, wie in jedem modernen Staate, der Ausbau eines dichtverwebten Schnellverkehrsnetzes, das ausserdem noch günstige Frachttarifsätze bietet, eine grosse Rolle. — Den energischen und klugen Bestrebungen der Regierung ist es zu danken, dass das Schnellverkehrsnetz in der grossen östlichen Hälfte der Monarchie, wo es bis in die neuere Zeit, zum grossen volkswirtschaftlichen Schaden der Bewohner, sehr zurückgeblieben war, in seiner Hauptkonfiguration ausgebaut wurde, und dass man endlich ernstlich an der Legung von Schienensträngen durch den Balkan arbeitet, um die Märkte des Orients den österreichisch-ungarischen Produktionsstätten räumlich näher zu legen. Freilich hat die Gotthardbahn dem österreichisch - ungarischen Handel mit Italien beträchtlichen Schaden zugefügt, denn sie öffnete dem deutschen Handel die Schleusen, um Italien mit deutschen Industrieprodukten überfluthen zu können, aber durch die nunmehr in Betrieb gesetzte Aralbergbahn ist der Gotthardlinie eine ebenbürtige Konkurrentin erwachsen und es ist zu erwarten , dass sich der ohnehin schon beträchtliche Handel Oesterreich-Ungarns mit Italien in Zukunft noch bedeutend steigern wird. Nach den italienischen Handelslisten kann die Einfuhr aus Oesterreich-Ungarn mit rund 200 Millionen Lire, gleich 80 Millionen Gulden in Gold, per Jahr veranschlagt werden. Hieran sind in hervorragender Weise betheiligt die Bier- und Spiritusproduktion, die Papier-, Chemikalien-, Leder-, Textil-, sowie manche andere Industrien, und auch die lancl-wirthschaftlichen Erzeugnisse erfreuen sich eines lohnenden Absatzes. Mit dem immer weiter fortschreitenden Ausbau des Eisenbahnnetzes wird natürlich auch die örtliche Lage der wichtigen Handelscentren der Monarchie zum Theil recht beträchtlich verschoben; wir sehen, dass Handelsstädte wie Bozen, Kronstadt ti. s. w., welche früher, als es noch keine Eisenbahnverbindungen gab und der gesammte Waarentransport in den dortigen Gegenden per Axe befördert wurde, in Folge ihrer geographischen Lage an wichtigen Funkten grosser europäischer Heerstrassen, auf denen sich ein gewaltiger 1 Iandelsvci-kehr hinwälzte, hervorragende Bedeutung als Handelsplätze besassen, nunmehr, seitdem Schienenstränge neben der Heer-strasse hinlaufen, die den ganzen enormen Frachtenverkehr bewältigen, zu kleinen, beinahe nur lokalen Handelsplätzen herabgesunken sind, welche von den allerletzten Resten ihres einst sehr bedeutenden merkantilen Ruhmes zehren! In Folge des immer mehr entwickelten Schnellverkehrs netzes hat sich auch der 1 landel Oesterreich-Ungarns, mit Ausnahme der wichtigen See- und Binnenhafenstädte wie Triest Fiume, Kattaro, Portore, Bregenz etc., von den Reichsgrenzen zurück und in jene Gegenden, in denen sich ein besonderes Naturprodukt oder eine dichte Arbeiterbevölkerung befinden, hauptsächlich aber in die Landeshauptstädte und Metropolen des Reiches gezogen. Wien, Budapest, Prag u. a. ()rte nehmen gegenwärtig die erste Stelle ein! (Linz besonders hat sich aber Budapest entwickelt und in Bezug auf Kaumausdehnung und Einwohnerzahl seit neuerer Zeit fast mit amerikanischer Schnelligkeit zugenommen, indem es den beträchtlichen Handel Transleithaniens, der sich bisher zum Theil auf verschiedene Städte der dortigen Kronländer zersplitterte, noch mehr aber mit seinem Schwerpunkt in Wien ruhte, jetzt immer mehr an sich gerissen hat. Unter den Seehandelsplätzen Oesterreich - Ungarns sind Triest und Fiume, für deren Kntwickelung die Monarchie ausserordentlich viel gethan hat, am wichtigsten. — Diese schönen Städte bilden das Verbindungsglied des oesterreichisch-imgarischen Handels mit dem Mittelländischen Meere, jener gewaltigen Verkehrsader, welche, in Folge des Suezkanals und anderer seit neuerer Zeit immer mächtiger einwirkenden Einflüsse, von Tag zu Tag eine grössere Bedeutung für den Welthandel gewinnt. — Triest könnte, trotzdem die Regierung leider in früherer Zeit manche, zum Gedeihen dieser Stadt unbedingt nothwendige Massregeln unterlassen hat, doch immerhin als Welthandelsstadt eine bedeutendere Stellung einnehmen, wenn sein Kaufmannsstand stets solide gearbeitet und sich nicht in früheren Jahren nach allen Seiten miskreditirt hätte. Doch zum Glück ist in Bezug auf kaufmännische Solidität auch hier eine bedeutende Besserung eingetreten und man kann hoffen, dass Triest durch die nunmehr dort geschaffenen günstigen Verhältnisse nachholt, was es früher versäumt hat und, 1 fand in 1 band mit der stets grösseren politischen und wirthschaftlichen Wichtigkeit , welche das Mittelländische Meer als gewaltige Weltwasserstrasse erlangt, und mit dem sich blühend entwickelnden gewerblichen Leben Oesterreich-Ungarns auch an Ansehen unter den Welthandelsstädten zunimmt. In Bezug auf „Bregenz" giebt man sich in den massgebenden Kreisen Oesterreichs der höchst gerechtfertigten Anschauung hin. dass diese Stadt nunmehr, seit dem die Aral-bergbahn beendet ist, geeignet und berufen sei, ein grosses Händelsemporium im Westen der österreichisch-ungarischen Monarchie zu werden. Doch muss zu diesem Zwecke mehr geschehen, als wie die von der Regierung unternommene Einrichtung der Trajectanstalt, es ist unbedingt nothwendig, dass hier die Privatunternehmung mit aller Kraft eintritt, baue grosse Aktiengesellschaft müsste sich zur Hebung des Hafenplatzes von Bregenz bilden, welche wenigstens moralisch von der Regierung unterstützt würde; es wäre erforderlich, dass dies eine mächtige, die nöthigen Garantien bietende Gesellschaft sei, wenn die Aufgabe zur Befriedigung aller 1 neue gelöst werden soll. — Als unbedingt nothwendig wird erachtet die Herstellung eines geräumigen Hafens mit Freilagern, Lagerhäusern, Maschinenwerkstätten, einer Werfte und Viehställen. Kurze Lokalbahnen sollen die nächsten Ortschaften mit dem Hafen verbinden; schliesslich muss durch Einführung von sogenannten Lagerscheinen der Besitzübergang gelagerter Waare erleichtert werden. — Bisher hatte nämlich der Exporteur nicht in Brcgenz gelagert, sondern seine Waare nach Lindau und Romanshorn geschickt. — Ferner wird zur Hebung der Stadt Bregenz noch für äusserst nothwendig befunden: die Errichtung einer Lokalschifffahrt, denn der Verkehr zwischen Lindau, Bregenz und Rorschach ist ein lebhafter. Die Anlage von Schleppvorrichtungen für den I iolzverkehr, denn heute kostet noch eine Tonne Bretter auf dem Dampfer von Bregenz bis Konstanz 25 Mark, welcher Breis bei geschlepptem Holze bedeutend verringert würde. Der Bau von Hotels und Pensionen auch für den Winteraufenthalt, Anlage einer grossen Badeanstalt zur Hebung des Fremdenverkehrs und eines Parkes bei Mehrerau, zunächst dem „Schwefellager", einem vielbesuchten Belustigungsorte der Bregenzer. Die Verbesserung der Beleuchtung, welche sehr theuer ist und nur von Privaten geliefert wird; Aenderung der Kanalisirung und Vergrösserung der unzureichenden Wasserleitung und schliesslich die Herstellung einer Fahrstrasse auf dem Pfänder, der gleich Heiden ein Kurort werden müsstc. Zum grössten Theil ruht der Grosshandel der Gesammt-monarchie in den Händen der Deutschen, während der Detail-handel auch von den anderen Nationalitäten, in Transleitha-nien und Galizien aber hauptsächlich von den Israeliten betrieben wird. — Nach der letzten Volkszählung in Cisleithanien beträgt z. B. die Zahl der f handeltreibenden in Niederösterreich 2.7°;n, in überösterreich. Steiermark und Krain 0.6"„. in Kärn-then 0.7 "(l der Bevölkerung. In Steiermark und Kürnthen bat an diesem Procentsatz die slovenische Bevölkerung nur einen kleinen Antheil, in Krain liegt jedoch nnturgemäss der Detailhandel vielfach in ihrer Hand. Die commerzicllen Angelegenheiten werden in der österreichisch-ungarischen Monarchie nach gleichartigen Grundsätzen behandelt. Nach dem zwischen den Regierungen beider Reichshälften abgeschlossenen Zoll- und Handelsbündnisse (österr. Gesetz vom 27. Juni 1878 und XX. ungarischerGesctz-artikel von 1878) bilden die zwei Staatsgebiete der Monarchie zusammen ein Zoll- nnd Handelsgebiet, von welchem nur die Freihilfen Triest und Fiume, sowie die tirolische Gemeinde Jungholz ausgeschlossen sind. — Mit 1. Januar 1880 wurden in das österreichisch-ungarische Zollgebiet Daknatien, welches bis dahin ein besonderes Zollgebiet bildete, und die früheren Zoll ausschiissc Istrien mit den Ouarnerischen Inseln Brody, Martin-schizza, Buccari, Portore, Zengg und Carloppaga einbezogen. — Infolge dessen ist die Zollgesetzgebung eine identische und gelten gleiche gesetzliche Normen für die Schifffahrt, das Sanitätswesen, das Seerecht, die Flusspolizei, das Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen, das Salz- und Tabakgefälle, die Landeswährung, das Mass- und Gewichtssystem, den Feingehalt der Gold- und Silberwaaren, die Hausirbefugnisse» die Erfindungspatente, den Marken- und Musterschutz und den Schutz des geistigen und artistischen Eigenthums, — Das Rein-erträgniss des Zollgefälles in beiden Staatsgebieten wird zur theilweisen Deckung der gemeinsamen Auslagen der Monarchie verwendet. — Dem österreichisch-ungarischen Zollgebiete sind das Fürstenthum Liechtenstein (Vertrag vom 3. Dec. 1876] und Bosnien-Herzegowina (seit 1. Januar 1880) einverleibt. Die österreichisch-ungarische 1 landelsbewegung bezifferte sich in den Jahren 1880 — 1881 auf 3000 Millionen Mark, sie nimmt daher, da diejenige Grossbrittanniens 12,600 Millionen Mark, Deutschlands 8000 Mill. Mark, Frankreichs 7000 Mill. Mark und der Vereinigten Staaten 5000 Mill. Mark beträgt, die fünfte Stelle unter den Grossmächten ein. Ueber den Werth des auswärtigen Handels des österreichisch - ungarischen Zollgebietes weisen die amtlichen Zusammenstellungen für die Jahre 1850—1881 folgende Ziffern in Mill. Gulden österreichischer Währung nach : F. infu h r 1S50 1860 1870 1880 1S81 Waareneinfuhr .... 165-4 224-4 4319 613-5 64r8 Rohstoffe ...... 1237 I2I-6 169-0 320-6 329-6 417 I02-8 262-9 292-9 312-2 Edle Metalle und Münzen i'S 33*0 41-1 32-2 ' 36-5 Hauptsumme der Einfuhr 166-9 258-0 473 0 r>457 678-3 Ausfuhr Wäarenausfuhr .... 109-3 2517 395'4 676-0 731 '5 6o-8 106-5 137-0 304-2 33^J Fabrikate...... 48-5 145.2 258.4 3fl* 393'4 Edle Metalle und Münzen 0.8 55'3 340 22-5 5-9 Hauptsumme der Ausfuhr I 1 o*I 3070 429-4 698-5 737-4 D u rchfu h r 74 1 I 121 203-5 341-5 224-2 Nach den im Zolltarife begründeten Waarengruppen vertheilen sich die Handelswerthe des Jahres 1881 folgendcr-niassen, in Millionen Gulden österreichischer Währung: Waarengruppen Einfuhr Ausfuhr Colonialwaaren und Südfrüchte Tabak- und Tabakfabrikate . 422 23-9 82-2 57-0 i4-5 5-0 28-6 75-1 4-6 144-6 1033 i3'4 20-7 71-9 Garten- und Feldfrüchte Thiere und thierische Produkte Fette und fette Oele . . . Getränk und Esswaaren . . Brenn-, Hau- und Werkstoffe . Österreich-Ung u 11. Waarengruppen Einfuhr Ausfuhr Arznei-, Parfiinierie-, Färb- u. Gewerbestoffe Mineralöle u. s. w.........31*8 4-4 Webe- und Wirkstoffe und Garne . . . 150-5 487 Webe- und Wirkwaaren, Kleidungen und Putzwaaren..........6o-8 643 Waaren aus Borsten, Bast, Stuhlrohr, Stroh, Papier und Papierwaaren.....&2 9-4 Kautschuck-, Wachstuch-, Leder- und Kürschnerwaaren........29*8 20-5 Holz-, Bein-, Glas-, Stein- und Thon waaren 16-9 40*7 Metall und Metallwaaren.......61*9 33.0 I,and- und Wasserfahrzeuge......0.7 5-3 Instrumente, Maschinen und kurze Waaren 28-7 44-4 Kochsalz, Chemikalien, Arznei, Färb- und Zündwaaren..........15*5 ]57 Literarische- und Kunstgegenstände . . . 18*7 9-9 Abfälle............. 3.4 7'S Zusammen 0783 737*4 Der Handel der beiden Freihäfen Triest und Fiume beläuft sich auf nachstehende Werthe in Tausenden von Gulden österreichischer Währung: Triest Fiume Jahr Fnnfuhr Ausfuhr Einfuhr Ausfuhr i Zur See . . . 97,097 85,588 5,516 7,442 1860 ! Zu Lande ■ • 5°-Q5' 38,009_378 1,288 j Zusammen . . 147,148 123,597 5,*94 8,730 j Zur See . . . 125,870 100,423 7,951 5,429 1870 Zu Lande . . 76,477 80.274 1,839 2,583 I Zusammen . . 202,347 180,697 979° 8,012 j Zur See . . . 137,768 102,442 8,884 8,682 1875 Zu Lande ' • 95,925 £7,912 9.675 14,982 j Zusammen . 233,693 190,354 18,559 23,664 T r i e s t Fiume Jahr Einfuhr Ausfuhr Einfuhr Ausfuhr | Zur See . . . 135,033 117,195 9,212 22,611 l8g0 ' Zu Lande . .in ,966 95 .< * 7 21,303 27,196 I Zusammen . . 246,999 212,202 30,515 49,807 j Zur See . . . 157,172 134,330 12,179 22,324 lggT Zu Lande . ■ '25,959 105,809 21,984 25,861 I Zusammen . . 283,131 240,139 34,163 48,185 Wie wir soeben gesehen haben, beschäftigt sich daher der im grossartigen Massstabe betriebene Export in erster Instanz mit den zahlreichen Agrarprodukten Oesterreich-Ungarns und hier sind es ganz besonders die angrenzenden Länder, Deutschland, Italien, Schweiz, Walachei, Russland und seit neuerer Zeit immer intensiver die Balkanstaaten, der Orient. Doch giebt es manche Artikel, wie z.B. ungarische Getreide,Wein, Früchte, Vieh u. s. w,, welche auch noch weit über die Marken der angrenzenden Länder, selbst nach Amerika, Asien und Afrika hinausgehen und gesuchte, gutbezahlte Artikel auf den Weltmärkten bilden. Gerade so ist es mit dem Export der österreichisch-ungarischen Industrieprodukte, nur dass sich der Schwerpunkt bei diesen, speciell in gewöhnlicheren Waaren, mehr den östlich der Monarchie angrenzenden Ländern, welche fast gar keine eigene Industrie besitzen, zuwendet, während sie mit den hochentwickelten Industriestaaten Deutschland, Frankreich, England u. s. w. auf den übrigen Weltmärkten einen formidablen Konkurrenzkampf zu bestehen haben, dem sie in mancher Beziehung, besonders was die Fabrikation Translei-thaniens betrifft, noch nicht gewachsen sind. Aber seit neuester Zeit beschäftigt man sich in den massgebenden kaufmännischen Kreisen Oesterreichs sehr angelegentlich mit der Anbahnung von Ex- und Import zwischen Oesterreich und Niederländisch-Indien. Die österreichischen Eisenbahnverwaltungen haben diesen Bestrebungen auch schon Rechnung getragen und den Export via Triest wesentlich unterstützt, ein Vor- 30* gehen, das in weiterer Folge natürlich auch der deutschen Industrie zum Segen gereichen wird und geeignet ist. die lebhafteste Aufmerksamkeit in deutschen industriellen Kreisen wach zu rufen. - - Besonders die österreichische Südbahn ist energisch nach der bezeichneten Richtung hin vorgegangen. Sie hat vom i. Februar 1884 einen Uebernahms - Tarif von Wien und den vorgelegenen Orten nach New-York, London etc. via Triest und zurück eingeführt, der für 86 Positionen Tarife enthält. Dem österreichischen Lloyd hat man vorgeschlagen, einen kleineren Dampfer als Stationsschiff nach Singapore zu legen, welcher regelmässige, an die grossen Dampfer anschliessende Fahrten im Archipel zu machen haben würde, um so rechtzeitig und regelmässig Padang auf Sumatra, Madagascar und Celebes anzulaufen und Anschlüsse zu vermitteln. Weiter müsste der Lloyd die Fahrgeschwindigkeit seiner Schiffe erhöhen und die jetzige Fahrtdauer zwischen Triest und Singapore von 42 auf 28 Tage herabsetzen. Betrachten wir den ,,Getreidehandel", so finden wir, dass der Wiener Getreidehandel auch im Jahre 1883 unter den andauernden, seiner Kntwickelung so ausserordentlich hinderlichen Tarifverhältnissen , welche alle Bestrebungen der Interessenten, Wien zu einem Getreide-Stapelplatze zu machen, scheitern lassen, sehr zu leiden hat. — Diese Uebelstände machten sich im Jahre 1883 um so fühlbarer, je mehr einerseits in Transleithanien die intensivere Fürsorge der dortigen Regierung durch möglichst günstige Tarifverhältnisse die Prosperität des Budapester- und Raaber-Getreidehandels zu fördern wirksam wurde und sich der directe Verkehr aus Ungarn nach den Absatzgebieten erweiterte, während andererseits in Cisleithanien, um der Ablenkung des Getreidehandels von Wien entgegen zu arbeiten, keineswegs gleichartige Massregeln zu Gunsten des dortigen Getreidehandels zur Anwendung kamen. — Wenn auch mit der Zeit die bis heute noch grösstentbeils unerfüllten Wünsche und Beschwerden, welche bei der Transport-Lnquetc des Jahres 18X283 von den Interessenten des Wiener Getreide? handels zum Ausdruck gelangten, endlich in Erfüllung gehen sollten, so wird dann das bisher Versäumte*, selbst mit den grössten Anstrengungen, kaum mehr eingeholt werden können, denn man wird in der anderen Reichshälfte schwerlich die nun einmal eingeschlagene Richtung aufgeben. Auch ist die in Wien herrschende Besorgniss sehr begründet, dass sich die Verhältnisse nach Eröffnung der Ofen-Szönyer Linie noch bedeutend verschlechtern werden, weil dann wahrscheinlich alle für das Ausland bestimmten Güter von den Stationen der ungarischen Staatsbahnen, von Siebenbürgen, aus der Theiss-gegend, dem Banate, aus Kroatien und Slavonien, mit Umgebung Wiens, exportirt werden und dadurch Wien alles Material für seinen Getreidehandel entgeht. Diesem zu gewärtigenden neuen Nachtheil könnte man zum Theil vorbeugen, wenn man inentsprechenderWei.se rechtzeitig Vorsorgen würde, dass die ungarische Staatsbahn nicht durch Gewährung von besonderen Begünstigungen für nach dem Auslande bestimmte Sendungen, welche Wien umgehen, Prämien zu Gunsten von Raab, beziehungsweise Budapest schafft. — Da die Verhältnisse gegenwärtig keine Aussicht auf Besserung bieten, so setzt man jetzt alle Hoffnungen auf den Ausbau der Wasserstrassen u. z. hauptsächlich auf eine bei Wien abzweigende Verbindung der Donau mit der Oder, eine Verbindung der Donau mit der Elbe und endlich auf eine entsprechende Aktivirung der Kettenschifffahrt Donau aufwärts, von Wien bis an die Reichsgrenze. — Die dadurch für Wien und besonders für den Wiener Getreidehandel geschaffenen Vortheile wären von der grössten Bedeutung, denn es würde dadurch die nachtheilige ungarische Eisenbahnpolitik gebrochen und in Eolge dessen dem Wiener Platze die Möglichkeit geboten, ■seine ihm gebührende Stellung als 1 landels-Emporium abermals zu erlangen. — Die die Donau aufwärts kommenden Ge- treidesendungen werden wieder Wien aufsuchen, um von hier auf den billigen Wasserwegen nach den nördlichen, nordwestlichen und westlichen Absatzgebieten weiter zu gehen. — Man begrüsst daher allgemein freudig den seit neuester Zeit ernstlich gefassten Kntschluss des österreichischen Handelsministeriums, die Wasserstrasscnfrage einer einheitlichen. allerseits befriedigenden Lösung zuzuführen. — Das Alles ist aber einstweilen noch Zukunftsmusik und mit dieser ist dem Wiener Getreidehandel bei seiner gegenwärtig äusserst ungünstigen Lage nicht gedient. Es steht ihm nur die Donau -Dampf-schifffahrtsgesellscbaft, welche, nebenbei bemerkt, in höchst lobenswerther Weise Budapest und Wien vollkommen gleich-massig behandelt, und die seit einigen Jahren wirklich musterhaft verwalteten Kommunal - Lagerhäuser unterstützend zur Seite. Und selbst die Vortheile, welche diese Lagerhäuser bieten, werden ihm noch durch hohe Manipulationsgebühren verkümmert, welche die Bahnen, besonders beim Umschlage im Verkehr nach Mähren, Böhmen, Schlesien u. S. w., einheben. — Damit wenigstens der Verkehr nach diesen Gegenden für Wien gerettet werde, ist es daher dringend nothwendig, dass die Bahnen diese Manipulationsgebühren entsprechend re-duciren. Das Effektivgeschäft erfuhr unter derartigen Verhältnissen im Jahre 1883 eine weitere Einschränkung und der grösste Theil der Getreidehändler musste zum Terminhandel übergehen. Daher erreichte das Zeitgeschäft 1S83 eine ausserge-wöhnliche Ausdehnung. - Die Wiener Saatenmärkte scheinen überhaupt der Lntwickelung des Terminhandels nicht ungünstig zu sein. Durch ihre stetige Wiederkehr lenken sie immerwährend die Aufmerksamkeit auf Wien und durch die auf denselben veröffentlichten Berichte gewähren sie der Spekulation Erleichterung in Bezug auf die Beurtheilung des zu erwartenden Weltmarktes. Sie helfen das Terrain für neue Transaktionen ebnen und führen diesem Geschäftszweige be ständig neue Kräfte zu. — Der Export überging vollkommen den Wiener Markt und der Konsum fand bei dem enorm schlechten Absätze, unter welchem die dortigen Weizenmühlen beständig zu leiden hatten, keine Veranlassung zu grösseren Käufen. In Budapest wurde am 3. August 1874 der erste „internationale Saaten- und Getreidemarkt" abgehalten und man muss sich bei der grossen Wichtigkeit, den derartige Märkte auf Handel und Landwirthschaft ausüben, nur wundern, dass sie erst so spät in Ungarn zur Einführung gelangten, während sie im Auslande bereits seit Jahrzehnten für die verschiedensten Produkte des Ackerbaues und der Industrie bestehen. Die Initiative zu diesem internationalen Saaten- und Getreidemarkt in Budapest gab das dortige Börsenkomite. — Diese so ausserordentlich nutzbringenden internationalen Saatenmärkte gewinnen in Budapest durch die äusserst vor-theilhafte geographische Lage dieser Stadt, welche die Verbindung zwischen dem producirenden Osten und konsumiren-den Westen bildet, noch eine ganz besondere Bedeutung. — Der zwölfte internationale Getreide- und Saatenmarkt in Wien wurde am 25. und 26. August 18(84 in der Rotunde des Weltausstellungspalastes im k. k. Prater, verbunden mit einer vom Vereine österreichischer Malzfabrikanten veranstalteten Gersten-Samen-Ausstellung und mit der Generalversammlung des Verbandes österreichischer Müller und Mühleninteressenten, abgehalten. Der erste Tag war dem Vortrage der Ernteberichte aus fast allen kornbauenden Staaten Europas, aus Indien und Amerika, der zweite aber den Geschäften gewidmet. Fast alle grösseren österreichisch-ungarischen Transportänstalten hatten in höchst lobenswerther Weise für die Reise von und nach Wien den Mitgliedern des Saaten-marktes Fahrpreisermässigungen gewährt.— Uebrigens hat der Getreide-Export aus Oesterreich-Ungarn in der letzten Zeit, abstrahirt Von der momentan allgemein herrschenden furchtbaren Baisse auf den Getreidemärkten, grossere Dimensionen angenommen. Die seit Eröffnung der Arlbergbahn eingetretene Ermässigung der Tarife für den ungarisch-schweizerischen Verkehr scheint den rumänischen Weizen aus der Schweiz nach und nach ganz zu verdrängen, und so war es um so leichter thunlich, grössere Quantitäten von Prima ungarischem Weizen nach der Schweiz zu exportiren. — Auch in Gerste feinster Qualität sind Exportladungen aus Ungarn via Fiume ermöglicht worden. Nach Sachsen und Norddeutschland hat man mittelgute, lichtfarbige Gerstesorten aus Böhmen exportirt, dagegen misslangen die von böhmischen Exporteuren gemachten Versuche, Gerste in Consignation nach Hamburg zu versenden. — Der Export im direkten Verkehr mit Wien ist bezüglich Weizen völlig unbedeutend und in Gerste für Süddeutschland nur dann einigermassen von Bedeutung, wenn feine Qualitäten geboten werden können. — Sehr namhafte Quantitäten von feinem und mittlerem Mehl haben in letzter Zeit die Pester Mühlen nach dem Auslande, hauptsächlich nach England, zu ermässigten Preisen abgesetzt. Die Ein- und Ausfuhr von Getreide und Hülsenfrüchten nach und aus dem allgemeinen österreichisch-ungarischen Zollgebiete betrug: Einfuhr Ausfuhr Metr.Centner; Gerste . 1882 485.480 3,922.3]7 1883 518.O6O 2,22 1.459 Hafer . 1882 658.695 1883 361.066 617.32O Mais . . . 1882 2,467-937 664.983 1883 U7'5-134 757-985 Roggen . . 1882 645.861 746.256 1883 786.381 266.8l8 Weizen . . 1882 2,296.073 4,334-769 1883 1,648,459 2,850.239 Hinfuhr Ausfuhr Metr.Centner Spel/. . . 1 882 1.808 1.083 1883 1-495 591 Halbfrucht . 1882 3-3ÖO 542 1883 2.668 21 Heidekorn . 1882 41.830 32.615 1883 28.775 9.918 Hirse . . 1882 244.486 34-536 1883 198.73] 20.189 Malz . . . 1882 6.653 775-794 1883 752 835.622 1 iülsenfrüchtc 1882 98.301 572.100 1883 33.692 650.481 Der Weinexport zeigt bei 404.889 gegen 404.549 Mtr.Ctr. im Jahre 1882 beinahe gar keine Zunahme, denn Spanien und Italien, durch Klima und gleichmässige Lesen begünstigt, vermögen Frankreich und der Schweiz zu gleichen Preisen weit bessere Weine als Oesterreich-Ungarn zu liefern. Alle, im Widerspruch mit dieser That-sache, forcirten Consignationsgeschäfte führten daher zu einigen namhaften Isolirungen von ungarischen Händlern und Spekulanten, darunter eine Pester Firma mit einer Passiva von circa 1,400.000 Fl. — Um diesen ungünstigen Verhältnissen so viel wie möglich abzuhelfen, haben die Eisenbahn- und Dampf-schifffahrts-Gesellschaften, angeregt von der Regierung, bedeutende Frachtermässigungen für Weintransporte bewilligt, so dass die Höhe der Tarifsätze von nun an kein Hinderniss mehr für den Export ist. Nicht uninteressant dürfte es sein, wenn wir an dieser Stelle eine Uebersicht des Weinconsums in den verschiedenen Eändern bringen. Nach den neuesten Berechnungen beträgt der jährliche Weinconsum per Kopf in: 474 Oesterreich-Un»:ini Canada........... O.29 Liter Norwegen.......... 1.00 „ Vereinigte Staaten....... 2.64 ,, Gros.sbritannien und Irland . . . 2.09 „ Oesterreich-Ungarn....... 22 40 „ Frankreich.......... 119.20 „ Schweden.......... 03.6 „ Deutsches Reichssteuergebiet . 6.00 „ Die Lin- und Ausfuhr von Wein etc. nach und aus dem allgemein österreichisch-ungarischen Zollgebiete betrug: Einfuhr Ausfuhr Meter-Centner 29,984 404.889 33./O5 404-549 4.O78 5.276 3.836 6.117 5.346 262 4.284 308 Im Abschnitt über die Landwirthschaft haben wir bereits mehrlach über den Obsthandel gesprochen, es bleibt uns nur noch übrig, den Obsthandel Steiermarks hervorzuheben, da sich dieses Kronland seit neuerer Zeit nicht nur mit einem sehr bedeutenden Viehhandel, sondern auch mit den Produkten einer vortrefflichen Obstzucht auf dem Weltmarkt bemerkbar macht. Steiermark besitzt ausserordentlich mannigfaltige klimatische und Bodenverhältnisse, denn es gedeiht im Süden nicht nur der Wein, sondern beinahe regelmässig auch die F^eige, während im Norden die Gletscher ins Thal steigen. Das Oberland producirt meist Mostsorten, und nur das mittlere Murthal, das Knnsthal in seinem unteren Theile, sowie das ganze Mürzthal liefern feine Sorten, daher ist das Ober-land für den Obsthandel von sehr geringer Bedeutung. —- Weine in Fässern........ 1882 ,, ........ 1883 „ Flaschen....... 1882 „ ......- • 1883 Schaumweine ......... 1882 ......... 1883 Anders gestaltet sich der Obstbau im Mittellande. Wenn war dem Laufe der Mur folgen, so finden wir bei Bruck, wo die Mur sich nach Süden wendet, schon die Anfänge einer reichen Obstproduktion, und dieselbe steigert sich bis zum Austritt des Flusses nach Ungarn geradezu ins Unermessliche. Um sich eine Vorstellung von dem Obstreichthum jener Gegenden zu machen, sei hier nur die eine Thatsache erwähnt, dass aus der Bezirkshauptmannschaft Weiz im Jahre 1882 von deutschen Händlern über 700 Waggonladungen aufgekauft wurden, und dabei kamen die 1 laudier schon zu spät, denn der grösste Theil der Bauern hatte bereits Most gepresst. Man kann daher die Produktion dieses einen Kreises auf circa 300,000 Centner schätzen. Und dies sind meist nur geringe Sorten gewesen; die besseren gingen nach Wien, wo man den Waggon Maschanzker inklusive Fracht mit iooo Gulden handelte und später noch mehr dafür bezahlte. W ien, das sich sein Obst gegenwärtig nur aus Steiermark beschafft, nahm davon gegen 500 Waggons. — Für den Obst Handel in Mittelsteiermark sind die Bezirkshauptmannschaft: Graz und Weiz von Bedeutung, welch ersteres meist feine Sorten producirt, während letzteres sich hauptsächlich mit Handelsobst befasst. Ferner liefert Radkersburg, das Schwarzauthai, Kirchbach, sowie das gesammte Raab-thal vorzügliches Obst, in grossen Massen. Hervorragendes leistet auch die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz. — Das Unterland wurde von dem deutschen Obsthandel bisher noch nicht aufgesucht, denn bis vor Kurzem war die Wein-bultur in diesem üppigen Landestheile vorherrschend und erst ]n den letzten Decennien errang die Obst kultur den Sieg über die etstere. Noch hat die Obstkultur das ganze Unterland nicht erobert, wenn aber dieser Zeitpunkt eintritt, dann uird die Welt über diese Obstkammer staunen, denn der Süden erzeugt in Folge seiner geschützten Lage und seines herrschen Klimas nur Tatelsorten, u. z. schon jetzt in Massen. — Pettau allein versendet jährlich circa löoo Waggons und Marburg verschifft pro Jahr die Drau hinab nach Südungarn, Serbien und Rumänien die doppelte Anzahl. — Die Steiermark hat ihren Werth und ihre Schätze immer mehr erkannt, und über kurz oder lang wird das steierische Obst auf dem Weltmarkte eine I lauptrolle spielen. Auch in einzelnen Gegenden Böhmens, besonders im Elbegau, finden wir einen hochentwickelten Obsthandel, doch bilden hier die Pflaumen, welche in einigen Distrikten alle anderen Obstsorten überragen, den Hauptartikel. Der dortige Pflaumenhandel hat aber starke Konkurrenzen an Bosnien und der Herzegowina, welche, wie wir wissen, noch eine viel umfangreichere Pflaumenzucht betreiben. In „Rothklee", „Steirerklee" begann das Geschäft im Jahre 1883 unter den äusserst ungünstigen Marktverhältnissen, mit welchen das Jahr 1882 geschlossen hatte, doch erfuhren die schliesslich eingetretenen hohen Decemberpreise im Januar eine weitere, ziemlich beträchtliche Steigerung. Angebote aus Frankreich, Deutschland und Oesterreich waren in erster Linie gesucht, auch italienische Saat wurde anstandslos gekauft; nur gegen amerikanische Saat sträubte man sich, das war aber vergeblich, weil es an Waare mangelte. Es koncentrirte sich daher der Absatz hauptsächlich in amerikanischer und italienischer Saat, wobei erstere niedere Preise als die übrige Waare hatte und ausserdem häufig unter falschem Namen den Besitz wechselte. — Eine grössere Anzahl Wiener Saamenhändler führten daher speciell jede Saatgattimg nominativ in ihren Preisblättern an, so dass Fachmänner sofort die Herkunft der Saat bestimmen konnten. — Je weiter der Frühjahrsanbau vorschritt, desto schwieriger wurde die Auswahl in Saatgut, und wirklich gute, reine Qualitäten verlässlicher Waaren erreichten noch nie dagewesene Preise. Ende März lauteten dieselben für französische Rothkleesaat 1 io—124 Gulden, österreichische 96—105, deutsche 102—112, italienische 100—HO und amerikanische 96—105 Gulden per 100Kilogramm komptant in Prima feiner, gut geputzter Saatcjualität; für österreichische Rothkleesaat galt der angeführte hohe Werth auch dann, wenn das Korn bräunlich und beregnet war und eine Keimfähigkeit von 78—84% aufwies. — Der Preisstand für Prima-Rothkleesaat war in der österreichisch-ungarischen Monarchie ziemlich gleich, nur für mittlere und ordinäre Sorten gab es Preisunterschiede. Die Theuerung brachte auch viel gefälschte und schlecht keimfähige, unreine Saat zu Markte, die in guten Jahrgängen gar nicht vorkommt, weil sie ganz unverkäuflich wäre. — Auch bei „Wiesen- und Schwedenklee" linden wir in Folge der schlechten Ernte und ungenügenden Qualitäten sehr hohe Preise. Von beiden Kleearten wurden ziemlich beträchtliche Mengen zum Exporte gebracht, und die Ausfuhr wäre noch grösser gewesen, wenn man bessere Qualitäten zur Verfügung gehabt hätte. — Unter den übrigen Grasarten der österreichisch-ungarischen Monarchie ist auch französisches Reygras erwähnenswerth, doch ist den Producenten in Bezug auf diesen Artikel eine sorgfältigere Putzung und grössere Aufmerksamkeit bei der EinSammlung anzuempfehlen. Die Ernte hierin war nicht unerheblich und der Export bei Baarpreisen, die je nach Reinheit zwischen 50—60 Gulden per 100 Kilogramm schwankten, recht gut. — Für „Rübensamen" verlangte man wegen der überall eingetretenen reichlichen Ernte billigere Preise als wie im Vorjahre, trotzdem konnte man aber doch nur einen beschränkten Absatz erzielen. Besonders litt der Preis für Zucker-rübensaat wegen der eingetretenen Ueberproduktion. — Inländische Zuckerrübensaat wurde im December mit 20—22 dulden per 100 Kilogramm ausgeboten, konnte jedoch nur zu '5—18 Gulden Abnehmer finden, während ausländische Saat bessere Preise erzielte. — Von „Waldsamen" heimste man in Weissföhren, Schwarzföhren und Zirbelkiefer schlechte Fechs-ü%en ein, während in Akazien, bischen, Fachten und Birken der Ertrag befriedigte. Doch war nur der Export in Schwarz-töhren und Akazien bedeutender. Die Ein- und Ausfuhr von Sämereien nach und aus dem allgemeinen österreichisch ungarischen Zollgebiete betrug: Einfuhr Ausfuhr Meter-Centner .....1882 26.552 323.O4I 1883 16.08O 337.848 Andere Oelsaat. . . ! . . . . 1882 69.026 79-390 1883 45-127 75.602 Anis....... .....1882 3-899 T l6 1883 3-631 IO .....1882 5.671 508 1883 5.840 472 .....1882 5.011 399 1883 4-432 965 .....1882 12.984 70.208 1883 27.670 37-333 .....1882 »-391 •77 1883 921 64 Der „Handel mit Hornvieh" stand auch im Jahre 1883 unter dem Einflüsse der am 1. Januar 1882 in Kraft getretenen Absperrung der Grenzen Oesterreich-Ungarns gegen die Vieheinfuhr aus Russland und Rumänien und deckte der z. B. auf den Wiener Viehmarkt gelangte Gesammtauftrieb von 162-564 Stück Hornvieh im Allgemeinen nur knapp den Bedarf der Hauptstadt Wien und ihrer Umgebung. In den Monaten September bis inklusive December trat dort sogar ein sehr fühlbarer Mangel an Prima-Mastochsen ein, so dass sich diese Waare, welche grösstentheils von den umfangreichen Spiritusfabriken und Mastungsetablissements Ungarns geliefert wurde, derartig beträchtlich vertheuerte, dass man Anfang 1883 um circa 3 Gulden per Meter-Centner oder etwas mehr als 4'/2 Pro- cent ihres Werthes mehr bezahlte als im Vorjahre. — „Weidevieh" wurde, da die hohen Preise in den Sommer- und Herbstmonaten Aussicht auf Gewinn eröffneten, in grösserer Menge und im Allgemeinen in bessererer Qualität zugeführt als im Vorjahre. Besonders die Weideflächen Syrmiens und Serbiens producirten gute Waare, welche hier zu hohen Preisen aufgekauft wurde. — „Einstellochsen" der verschiedenen, im Kammerbezirke vorkommenden farbigen Rassen, welche hauptsächlich nach Mähren und Böhmen, gegen Jahresschluss auch nach Ungarn verkauft wurden, bezahlte man mit 30—36 Gulden per Meter-Centner Lendengewicht. — Ein eigentümliches Streiflicht auf die in Oesterreich-Ungarn bestehenden Verhältnisse hat der von der gesammten Tagespresse so vielfach ventilirte, sogenannte österreichisch-ungarische „Ochsenkrieg" in neuester Zeit geliefert. Der „Schafhandel" wurde in Oesterreich-Ungarn schwunghaft betrieben. Er erhielt aber noch durch den im Februar 1884 zwischen Oesterreich-Ungarn und Frankreich abgeschlossenen Vertrag, wonach den gesunden österreichisch-ungarischen Schafen der freie Zutritt nach Frankreich gestattet wurde, eine vermehrte Ausdehnung. Der „Borstenviehverkehr" nahm im Jahre 1883 einen sehr ungünstigen Verlauf für die Mäster. Frankreich und Deutschland hatten nämlich in diesem Jahre ein Pänfuhrverbot gegen amerikanisches Schweinefleisch erlassen. Auf dieses spekulirten nun die Mäster, indem sie ihre Produktion beträchtlich erhöhten. — Die F'olge davon war, dass im zweiten Halbjahr Ueherproduktion eintrat und die Preise um 10 — 14 Kreuzer per Kilogramm zurückgingen. — Nach Steinbruch bei Budapest, dem grossen, wirklich musterhaft angelegten Schweinemarkt, wurden im Jahre 1883 um 64.384 Stück Schweine mehr zugeführt, dagegen blos 26.341 Stück mehr als im Vorjahre verkauft. — Ausser der Ueberproduktion bildeten auch noch die niederen Fettpreise Ursache des Preis- rückganges. — Der Umsatz in Steinbruch bezifferte sich im Jahre 1883 auf 75 Millionen Gulden gegen 65 Millionen im Vorjahre. Es wurden 589.180 Stück Schweine zu- und 487.988 Stück weggeführt. Das sind Ziffern, die wahrlich einen ansehnlichen Verkehr nachweisen! — Freilich sind die dortigen Verhältnisse dem Borstenviehhandel auch äusserst günstig, denn es werden der freien Konkurrenz keine 1 lindernisse in den Weg gelegt und man fordert den Verkehr nach jeder Richtung. So besteht dort z.B. nebst allen erdenklichen Einrichtungen zur Erleichterung des Handels auch noch ein Schiedsgericht zur Austragung der Streitfragen. Die Ein- und Ausfuhr von Schlachtvieh nach und aus dem allgemeinen österreichisch-ungarischen Zollgebiete betrug: Einfuhr Ausfuhr Meter-Centner Ochsen..........1882 19.431 39-595 1883 25.414 54.840 Stiere...........1882 158 737 1883 145 977 Kühe...........1882 9.105 37.268 1883 Ii.010 41.495 Jungvieh..........1882 3.634 22.676 1883 2.559 20.216 Kälber..........1882 22.797 18.618 18S3 19408 16.438 Schafe..........1882 313.622 757.564 1883 468.439 876.158 Ziegen..........1882 3.731 3.619 1883 13.050 5.293 Lämmer..........1882 8.355 25.480 1883 5.408 22.681 Kitze...........1882 567 1 378 1883 3.038 1.507 Einfuhr Ausfuhr Meter-Centner .... 1882 324.792 250.412 1883 319.92O 195.997 , . . . . 1882 24.385 60.32 I 1883 51.991 33-072 Beim Handel mit „Brennholz" sehen wir, dass die ohnehin gedrückten Preise, bei beständig fortschreitender Verbrauchs, abnähme, gegen Ende des Jahres 1883 noch weitere Ermässigung erfuhr. — Hingegen blieben die Absatzverhältnisse beim „Werkholz" unverändert günstig, wie im Vorjahre, denn der Konsum im Inlande wurde durch rege Baulust und ausgedehntere Eisen-balmbauthätigkeit. der Export durch rühriges Aufsuchen des auswärtigen Bedarfes wesentlich gefördert. — Die Sägewerke hatten das ganze Jahr hindurch weder Bauholz, noch weiches Schnittmaterial auf Lager, weil alles, was erzeugt werden konnte, sofort, besonders stark aber nach Ungarn, verkauft wurde. — In Folge dieses günstigen Geschäftsganges wurden in Oesterreich-Ungarn, hauptsächlich aber in Galizien, circa 18 neue Dampfsägewerke erbaut. — luir „eichene Pfosten, Bretter und Friese" konnten sich jedoch die Preise des Vorjahres nicht behaupten, weil das Angebot fortwährend die Nachfrage überstieg. Die Ursache liegt darin, dass der Pariser Markt, welcher grösster Abnehmer des österreichisch-ungarischen Eichcnschnittmaterials ist, noch in einer Krise begriffen war, welche die dortige Bauthätigkeit hauptsächlich nur auf Herstellung billiger Wohnungen und Arbeiterhäuser beschränkte, ftir die kein kostspieliges Material erforderlich war. Der „Fassholzhandel", besonders mit sogenannten „französischen Dauben", nahm im Jahre 1883 einen ungewöhnlich starken Aufschwung. Die Preise schnellten sprunghaft empor und erhielten sich auf einem um 30% gebesserten Stande bis zum Beginne der neuen Arbeitsperiode. Natürlich veranlassten Oesterreich-Unijarti. 8l diese hohen Preise eine Vergrösserung der Produktion. Als sich aber im December herausstellte, dass, in Folge der beträchtlich gesteigerten Erzeugung in der Campagne 1883/84, ein Angebot von mehr als 60 Millionen Stück französischer Fassdauben zu erwarten sei, hörte die Kauflust auf und die Käufer nahmen eine abwartende Haltung an. — Der Export französischer Fassdauben, bisher ein Monopol Triests, suchte zum grössten Theil seinen Weg über Fiume, und in nicht all zuferner Zeit wird Triest diesen wichtigen Exportartikel vollständig an Fiume abgeben müssen. Die Richtigkeit des Gesagten geht am besten aus nachfolgendem Ausweis hervor: Ausfuhr , , per 'Priest im Jahre 1 1874 46,979.681 1875 47,021.943 1876 36,452.938 1877 32,568.562 per Fiume 6,236.721 762.675 796.94I 2,341.597 [878 30,097.018 1879 28,455.377 l8S0 41,231.992 1881 29,049.173 1882 17,479.952 '883 15,372.258 35,881.281 per Stettin und 1 Lamhurg 2,900.000 2,400.000 2,800.000 1.200.000 per Eisenhahn Totale 46,979.681 56,158.664 39,615.613 36,165-503 60O.OOO 34,238.615 978.112 2,500.000 1,000.000 32,933.489 2,678.818 5,060.030 18,306.983 43,910.810 34,109.203 35,786.935 51.253.519 Der Handel mit „deutschem Binderholz", an welchem Wien in grösserem Umfange betheiligt ist, war gleichfalls ein sehr lebhafter, und wenn auch nicht annähernd solche Preissteigerungen wie bei den französischen Fassdauben eintraten, so konnte man doch zufrieden sein. —- Günstigen Absatz fand kleines Holz für ein- bis viermetrige Fasser; sehr gefragt und gut bezahlt wurde auch Holz für Fässer von 50—100 Eimern, jedoch blieben die Mittelsorten vernachlässigt. Mit der Konsumtion von Werkholz stieg aber im Jahre 1883, wie schon bemerkt, die Produktion» u. z. in einem Masse, welches für die Zukunft des Geschäftes bei einer etwa eintretenden Krisis lebhafte Besorgniss einflössen muss. Denn immer weitere Strecken Waldes verfallen der Axt, und Hand in Hand damit entstehen in Ungarn und Galizien fortwährend neue Sägewerke! Natürlich ist die Folge davon, dass die Rohholzpreise in den Produktionsgebieten sich unausgesetzt heben; so fanden /.. ff Nadelhölzer bei wesentlich gesteigerten Notirungen noch immer willige Abnehmer; Kichenstämme wurden in Ober-Ungarn und Siebenbürgen sehr theuer bezahlt; in Kroatien und Sla-vonien waren, selbst wenn man die Grösse und Spahbarkeit der Stämme in Betracht zieht, die Preise ausserordentlich hoch und man bezahlte bei den Öffentlichen Versteigerungen 50 bis 8o"/0 über den Schätzungswerth, Ja die Hauptmenge der Stämme wurde mit circa 40 Gulden per Stück, in einzelnen Parthien auch zu 50 Gulden per Stamm, verkauft. — Andererseits verhinderte aber die immer massenhafter werdende Erzeugung, dass die Marktpreise für Bau- und Werkholz sich in einem, dem fortschreitend gesteigerten Inlandverbrauch und dem beträchtlich anwachsenden Exporte auch nur in annähernd entsprechendem Verhältnisse besserten. — Der Werth „zugerichteter Waare" bewegte sich im Allgemeinen auf der Höhe des Jahres 18S2; man kann daher mit Recht von einem Prosperiren des Geschäftes bei stagniren-den Preisen sprechen. — Es giebt kaum einen Artikel, an dem sich die in den letzten 25 Jahren eingetretene Verthetieruug so wenig bemerkbar machte, wie an den in Rede stehenden Holzsorten. Während sich die Marktwerthe fast aller Bodenprodukte ansehnlich steigerten, sind die Preise von Bau- und Werkhölzern, deren Rohmaterial sich viel langsamer als die übrigen Bodenprodukte ersetzt, im Ganzen und Grossen eher zurückgegangen. — Der österreichisch-ungarische Holzhandel vermisst noch immer die Einführung und staatliche Ueber-wachung einer rationellen Forstkultur im Umfange der ganzen 31* Monarchie; die so dringend nothwendige Regulirung der schiffbaren Flüsse", die Anlegung von Kanälen, die Beseitigung der den Handel so schädigenden, von den häsenbahnen zur Anwendung gebrachten Begünstigungen, die schon so oft verlangte Publikation der ()ffertverhandlungsergebnisse bei den Transportanstalten, die Einfuhrung von einheitlichen Schwellenprofilen bei den österreichischen Eisenbahnen, und specicll in Wien die Veröffentlichung der Marktpreise für alle Holzsorten. — Der in neuester Zeit in Marburg abgehaltene, äusserst zahlreich besuchte Holzhändlertag beschloss, die Aufhebung der Refraktion bei der Südbahn anzustreben, die Gründung eines österreichisch-ungarischen I lolzhändler-Verbandes und die Aufstellung besonderer Usance-Bestimmungen für den Holzhandel. Aus dem Vorhergesagten sehen wir, wie sich trotz aller soeben beregten, schwer ins Gewicht fallenden Hindernisse der Holzhandel Oesterreich-Ungarns, besonders aber Cisleitha-niens, unendlich gehoben hat, denn die Holzausfuhr aus Oesterreich-Ungarn betrug in den Jahren 1831 —1840 nur 26 Millionen Meter-Centner oder durchschnittlich jährlich 2.60 Millionen Meter-Centner, in den Jahren 1841 — 1850 41.6 Millionen Meter-Centner, oder durchschnittlich jährlich 4.16 Millionen Meter-Centner, in den Jahren 1851 —1860 84.8 Millionen Meter-Centner, also durchschnittlich pro Jahr 8.48 Millionen Meter - Centner, in den Jahren 1861 — 1870 171.8 Millionen Meter-Centner, pro Jahr 17.18 Millionen Meter-Centner, in den Jahren 1871 1880 164 Millionen Meter-Centner, pro Jahr 16.40 Millionen Meter-Centner, im Jahre i88] 19.17 Millionen Meter-Centner, und im Jahre 1882 19.64 Millionen Meter-Centner. Die bedeutende Ausfuhrsteigerung seit den fünfziger Jahren wird dadurch erklärlich, dass vor dreissig Jahren die Eisenbahnbauten lebhafter wurden, welche viel 1 lolz erforderten, und dass eben durch die Eisenbahnen die Möglichkeit sich bot, grosse Holzmassen leichter in Verkehr zu bringen. Ueber den Handel mit Industrieprodukten wollen wir hier nicht erneuert wieder .sprechen, weil wir das Erforderliche bereits im vorhergehenden Abschnitt erörtert haben und das noch Fehlende in den Beilagen bringen werden Die Han(Msa#enteiL Hau sirer und Klein kaufleiite. -Die Bazare. Messen und Märkte. Das „Agentenwesen" nimmt in Oesterreich - Ungarn immermehr überhand, denn es bietet Gelegenheit zur Selbständigkeit, ohne im Allgemeinen den Besitz bedeutender Mittel zu erfordern. Hierin liegt aber geradezu ein bedenkliches Symptom unserer Zeit, weil eben nicht blos tüchtige, wenngleich unbemittelte Kräfte, diesen Ausweg zur Selbständigkeit ergreifen, sondern auch solche, welche Unreife, Unkenntniss oder Unzulänglichkeit hindert, sich einen hinreichenden Erwerb auf reeller Basis zu schaffen und die nunmehr jene Stellung anstreben, die ihnen nur zu leicht Gelegenheit gewährt, schädigend in das commercielle Leben einzugreifen. Der ebenfalls ausserordentlich umfangreiche „I lau.sir-hau del" wird vorherrschend von der Landbevölkerung betrieben. Wir haben im ersten Abschnitt unseres Werkes mehrfach Gelegenheit genommen, darauf hinzuweisen, wie die Unfruchtbarkeit einzelner Gegenden und der eigenartige Volkscharakter die männliche Bevölkerung zum Hausirhandel entweder mit den Produkten der dortigen vortrefflich entwickelten Hausindustrie oder mit anderen Artikeln veranlasst. Ja dieser Hausirhandel beschränkt sich nicht allein auf Oesterreich-Ungarn, sondern überschreitet auch die Marken des Reiches und dehnt sich auf die meisten Länder Europas aus. So finden wir den Slovaken als Drahtbinder, 1 laudier mit Eisen- oder Schnitt-waaren, gerade so wie die Italiener mit ihrer Orgel, ihren Gipsfiguren, Vögeln, Affen oder anderen Thieren fast in der ganzen Welt. — Auch von einem Theil der Bewohner Tirols und Vorarlbergs wird ein umfangreicher 1 lausirhandel betrieben. Doch seit neuerer Zeit ging ein Theil desselben, wie z. B. der I landel mit Handschuh- und Galanteriew aaren der Lechthaler, ganz ohne Ersatz ein, während wieder in anderen Gegenden die bisherigen Specialitäten gewechselt wurden. So handeln jetzt die Deute aus Defereggen mehr mit Strohhüten und die Männer aus Tesino mit 1 hallen und anderen Galantcriewaaren. - Doch dieses i lausiren artet bei den sogenannten „Karnern", welche mit Weib und Kind, für die der Karren die Heimath ist, Jahr ein Jahr aus von (hl zu Ort ziehen, in Betteln und Erpressung aus, und wird zur wahren Landplage für die Bevöl ker u n g. Bei den „Kleinkaufleuten" Oesterreich-Ungarns sind, ausser den jeder einzelnen der zahlreichen Nationen dieses Reiches anhaftenden Eigentümlichkeiten, die wir bereits im ersten Abschnitt geschildert haben, keine besonders interessanten Eigenarten hervorzuheben. Doch herrscht in diesen Kreisen Oesterreichs seit einiger Zeit eine eigentümliche Bewegung. Man beklagt sich über den fortwährenden Rückgang der kaufmännischen Geschäfte und Gewerbe und will die Ursachen dieser Erscheinung ausschliesslich auf die liberale Gesetzgebung zurückführen. In dieser Beziehung hat in neuester Zeit der „Allgemeine österreichische Gewerbetag" in der bisherigen Gewerbeordnung eine Reihe Ergebnisse erzielt, von denen wir an einer anderen Stelle sprechen werden, welche nun auch theilweise die übrige Geschäftswelt Oesterreichs ermuntern, auf der Bahn rückschrittlicher Reform vorwärts zu schrei teil. So trat vor einiger Zeit eine Versammlung von „Colonial-, Material- und Vermischtwaaren-Händlern" in Wien zusammen, um unter dem dätel eines „Allgemeinen österreichischen Kauf mannstages" ganz im Sinne des Geweibetages seine Beschwerden und Wünsche vorzubringen. Diese wurden in sechs Resolutionen zusammengefasst, welche dem Abgeordnetenhause bei seinem Zusammentritte übergeben werden sollten. In jenen wird im Namen der „Kaufleute Oesterreichs" die Beschrankung der Konsumvereine, das Verbot des 1 lausirhandels, der Wander-Inger und Ausverkäufe, ein Befähigungsnachweis für „Gemischt-waaren-Ilaudier", Abgrenzung der Geschäftsbefugnisse /wischen Kleinhändlern und Krämern, Aufhebung der Postbegünstigung füi Fünfkilogramm-backete durch Extrabesteuerung derselben und endlich eine weitere Erleichterung der vor Kurzem noch so sehr gelobten Schanksteuer, natürlich nur im Interesse der Gemischtwaaten-Ilaudier, verlangt. — Uns über diese, gelinde gesagt, Begriffsverwirrung, die nur zu klar beweist, dass in diesen Kreisen eben noch gar kein Verständniss für die moderne Volkswirtschaft besteht und das „mache Platz, damit ich mich hinsetzen kann", die erste Rolle einnimmt, in eine weitere Auseinandersetzung einzulassen, halten wir für vollkommen überflüssig. (dan/, eigenartige Sitten finden wir bei den bosnischen Kaufleuten. — Uer mohamedanische Kaufmann geht, während die Christen schon längst auf dem Felde arbeiten oder sich auf eine andere Art beschäftigen, mit langsamer Würde und dem unzweifelhaften Zeichen der Trägheit zur „Carsia", im Munde das unausbleibliche Tschibuk; dann eröffnet er den im Be/estan oder einem anderen fremden Gebäude gemieteten Bazar, denn jeder Mohamedaner, die Handwerker und sehr Reichen ausgenommen, hat einen Bazar. In den meisten Fällen sind aber dem mohamedanischen Kaufmann alle W aarenartikel ausgegangen, trotzdem öffnet er doch täglich regelmässig sein Geschäft, hält dasselbe, mit Ausnahme der Zeit, welche er beim Beten in der „Dzamia" verbringt, den ganzen Tag über offen, und denkt auch gar nicht daran, sein Geschäft neu zu sortiren und mit Waaren zu versehen. Denn nicht das „Geschäfte machen1' '■st bei ihm die Hauptsache, sondern mehr, dass seine Freunde, Bekannten und Verwandten ihn dort besuchen, ihm die in- 488 Ocsterreich-U ugani. teressanten Vorfälle erzählen, oder, wie es am häufigsten zu geschehen pflegt, gleich ihm auf dem Fussboden des Bazars Platz nehmen und einen oder zwei gestopfte Tschibuks ausrauchen, wobei sie wortlos vor sich hinstarren. — Einer derartig gearteten Beschäftigung gehen die Mohamedaner Winter und Sommer nach, blos mit der Abwechslung, dass sie im Winter im respektablen, mit Wolfsfell verbrämten Kaftan an dem mit Gluth gefüllten „Mangal" Platz nehmen und darüber die Hände zum Wärmen halten. — Sobald das Abendgebet beendet ist, werden die Bazare geschlossen, Jeder geht in seine Wohnung, und jene, die keine grosse Familie haben, ziehen sich in ihre Harems zurück, wo sie das auf sie bereits wartende Abendmahl verzehren. Der bosnische Jude ist als Geschäftsmann ehrlich, unermüdlich und umsichtiger als der Mohamedaner. — Seinen Bazar schmückt er nicht besonders aus, giebt nichts auf Aeusser-lichkeiten, richtet keine Aushängekasten ein und hält seine Waarc meistens in Magazinen. — Zwischen ihm und dem mohamedanischen Kaufmann besteht der wesentliche Unterschied, dass der letztere formlich in seine Waare vernarrt ist, und dieselbe umsomehr liebt, je länger sie bei ihm bleibt, während der jüdische Kaufmann seine Waare nur insofern schätzt, als sie einen Werth hat, wobei er sich noch bemüht, sie sobald wie möglich zu verkaufen. — Es ist hundertmal leichter, bei einem spanischen Juden Einkäufe zu machen, als bei einem Mohamedaner. Der mohamedanische Kaufmann erlaubt nicht, dass man mit ihm feilscht und ihn auf die Mängel der Waaren aufmerksam macht. Der jüdische Kaufmann sucht dagegen seine Waare stets gefälliger zu gestalten, feilscht und ist mit der ganzen Macht seiner Beredsamkeit bemüht, den Kauf abzuschliessen. — Der mohamedanische 1 Iandelsmann rührt sich nicht von seinem Sitz, bis der Käufer den geforderten Preis erlegt, doch springt er trotz aller Kalt- blütigkeit wüthend auf, wenn der Kunde einen lächerlichen Preis bietet oder feilscht. Er nimmt ihm dann die Waare in nicht gerade sanfter Weise aus der Hand und weist ihn aus dem Bazar. — Her spanische Jude hört den Kunden geduldig bis zu Ende an, regalirt ihn mit Cigarettchen und ist im Stande, mit der grössten Geduld stundenlang zu feilschen. Ein beträchtlicher Tbeil des bosnischen Grosshandels, des Ex- und Imports, des Wechslergeschäfts und die Umwandlung der Rohprodukte in Ausfuhrartikeln ruht in den Händen der ,,Griechisch-()rientalen", welche an Rührigkeit die Juden in mancher Beziehung übertreffen. Doch gemessen sie nicht jenes Vertrauen wie die Juden, weil, wie wir wissen, der Moha-medaner den Griechisch-Orientalen nicht als Bosniaken anerkennt, sondern als Serben hasst. — Es ereignet sich nicht selten, dass ein Griechisch-Orientale als Kaufmann grosse Reich-thümer ansammelt. Diese Reichen wohnen, sowie die Juden, nur in den grösseren Städten und besitzen dort offene Geschäfte, für welche sie fortwährend die neuesten Artikel ankaufen. Während sich der mohamedanische Kaufmann nur sehr schwer zu einer Geschäftsreise entschliesst, reist der griechisch-orientalische wegen jeder Kleinigkeit, ja öfters auch nur um irgend einen Auftrag zu besorgen, nach Wien oder Triest, wobei er natürlich vortreffliche Geschäfte macht. — Wenn der mohamedanische Kaufmann auch schreiben kann, so schreibt er doch nie etwas selbst, sondern lässt alles durch den „Hodza" oder durch irgend einen Mohamedaner mit schöner Handschrift für eine Bakschisch schreiben und unterfertigt nur die Dokumente, gerade so wie der mächtige Heg. Die Unterschrift besteht darin, dass ein mit Tinte benetztes Siegel unter die Schrift gedrückt wird. — Jeder reiche Mohamedaner trägt am 1 halse zwei Ketten, meist von schwerem Golde; an einer hängt seine um volle fünf Stunden später gehende Uhr, an der andern aber sein Siegel. Der arme Mohamedaner hat sein Siegel im Geldbeutel, ohne welchen er nie sein Haus verlässt. — Das Siegel ist gewöhnlich dreiseitig und auf jeder ist etwas Anderes eingravirt. So finden wir auf der einen Seite nur den Vornamen, z. B. „Zajem", auf der anderen schon den vollen Namen, z. B, „Mohamed Zajem Efifendi" auf der dritten Seite befindet sicli aber seine Abstammung wie „Mohamed Zajem Efifendi" (1 ladzi Agic). Dieser verschie-denen Namen bedient er sich abwechselnd, je nachdem seine Unterschrift zu vertraulichen Briefen, Familien- oder amtlichen Dok-umenten erforderlich ist. — Im Siegeln, ob zwar dasselbe ausserordentlich komplicirt ist, besitzt der mohamedanLelie Kaufmann eine erstaunliche Geschicklichkeit und wird damit schneller fertig als andere Menschen mit der einfachen Art. Ligenthümlieh ist übrigens die Schreibart der Mohamedaner. Da sie keinen Tisch haben, schreiben sie Alles auf der Handfläche. Zu diesem Zwecke nimmt der Schreiber das Tintenfass und das Papier in die eine, die Feder in die andere Hand. Das Papier legt er derartig in die flache Hand, dass sein Zeigefinger, welchen er gerade ausstreckt, gleichzeitig die Linie bildet, und es ist erstaunlich, wie schön die Mohamedaner in dieser unbequemen Stellung schreiben können, trotzdem die türkische Schreibweise ausserordentlich schwer ist. — In ganz Bosnien findet man eine Gattung praktischer Tintenfässer, welche aus Messing gearbeitet sind und auch zur Unterbringung der Federhalter dienen; die Federhalter sind zugleich Federn, denn sie bestehen aus nichts Anderem, als aus langen Stäbchen, an deren einem Ende sich jeder Bosniake im Bedarfsfalle die Feder schnitzt, welche sich besonders für die türkische Schreibart wegen ihrer Weichheit sehr eignet. — Wenn die Schrift fertig ist und dem Betreffenden vorgelesen wurde, nimmt der mohamedanische Kaufmann oder Beg sein an der langen Goldkette hängendes Siegel, der Schreiber reicht ihm das Tintenfass, in welches er den kleinen Finger taucht und damit das Siegel bestreicht, dann befeuchtet er die Stelle, an welche das Siegel kommt, mit der Zunge, legt den Fleischtheil seiner 1bind darunter und drückt darauf das Siegel, welches stets rein und leserlich ausfällt. All dies geschieht aber ausserordentlich rasch und geschickt. In Ungarn spielen die Jahrmärkte eine grosse Rolle, weil die Landbevölkerung auf diesen einen Theil ihrer Produkte absetzt und andererseits den grössten Theil ihrer geringen Bedürfnisse, den sie nicht selbst erzeugt, einkauft. — In allen günstiger gelegenen Städten Ungarns, die so ziemlich gerade so aussehen, wie ein grosses magyarisches Dorf, nur dass sie einen Hauptplatz haben, der umrahmt ist von solide gebauten, mehrstöckigen Gebäuden, giebt es jährlich mehrere Jahrmärkte. Dann strömt aus Nah und Fern Alles herbei: Der vornehme Gutsherr im eleganten Wagen, von vier edlen Pferden gezogen, mit seinen nach neuester pariser Mode gekleideten Damen. 1 )er 1 landels- und Gewerbemann, auf dem mit schweren Kisten und dem Gerüste seiner Bude beladenen landesüblichen Leiterwagen. Der Czikos, gewöhnlich noch eine Koppel Pferde neben sich hertreibend, der Pandur oder Räuber auf flüchtigem Pferde. Zigeunermusikbanden, ihre Instrumente auf den Rücken. Die Bauern der verschiedenen Nationalitäten, auf leichten, tingarischen Leiterwagen, gezogen von kleinen, flinken, ausdauernden, mageren Pferdchen oder von einem Zuge kräftiger, ungarischer Ochsen. Der Krüppel und Bettler an der Krücke daher humpelnd und unterwegs die vorüber fahrenden so viel wie möglich anbettelnd. Endlich Bauern, Rindvieh Schweine oder Schafheerden vor sich hertreibend, die sie auf dem Markte verkaufen wollen. Häufig ist es auch die letzte Kuh, das letzte Kalb oder Schwein, welche der arme Landmann mit schwerem I lerzen zu Markte treibt, um mit dem Erlös den unerbittlich drängenden Wucherer oder Steuerexecutor zu befriedigen. — Und so wrogt es, gleich einer unabsehbaren, bunt gemischten Karawane, oft in dichte Staub- und Sand-Wolken gehüllt, von allen Himmelsgegenden der Stadt zu. — Hier sind denn auch sehr bald alle verfügbaren Plätze mit schnell errichteten Ruden der Kaufleute, Gauklern und Leuten überfüllt, welche Wein oder Branntwein ausschenken, oder in grossen Kesseln für den Verkauf Gulyas, Würste, Schweinefleisch oder andere b'sswaaren kochen und braten, während wieder an anderen Plätzen der Pferde-, Rindvieh-, Schweineoder Schafmarkt den Raum einnimmt. - Zwischen all' diesen verschiedenen Verkaufsbuden und Verkaufsstellen drängen sich aber unzählige, vielfach angetrunkene Menschen , meistens Bauern in den bunten, mannigfachen Nationaltrachten Ungarns, wobei sie die verschiedensten Sprachen und Dialekte sprechen, kaufend, ausrufend, anbietend, suchend, streitend und schreiend. — Aus den Weinbuden klingen aber zwischen all' diesem Lärm die Klänge der Csardasche, der zahlreich anwesenden Zigeunermusiken, der wilde Gesang und das Gejauchze der Tänzer und Zecher, vermengt mit dem Gekreische der Weiber. Wahrlich eine bunte, tolle, wüste Scenerie des Volkslebens! Ihne wichtige Rolle auf diesen Jahrmärkten spielen die niemals fehlenden Zigeuner und Juden, welche thcils selbst ihre Waare verkaufen oder, bei dem vielfachen Sprachengemisch fast unentbehrlich, als Zwischenhändler und Dolmetscher figuriren. Dabei leisten die Zigeuner erstaunliches im Verkauf alter, strupirter Pferde, die sie mit einer wahren Meisterschaft, unter Geschrei und Peitschenhieben derartig in allen Gangarten vorzureiten verstehen, dass sie noch immer beim Verkauf einen Profit machen. — Naht endlich der Abend heran, dann wendet sich alles wieder heimwärts und das Geschiebe, Gedränge und Gejage auf den Landstrassen ist dann noch toller als am Morgen, denn Wein und Zigeuner haben viele halb rasend gemacht und man findet jetzt die beste Gelegenheit, die ausserordentliche Gewandtheit der magyarischen Bauern im Kutschiren zu bewundern, denn es ist keine Kleinigkeit, sich zwischen diesen im Galopp und in Carriere wie toll dahin jagenden und einander alle Augen- blicke vorfahrenden oder vorreitenden Menschen mit einem Gefährte durchzuwinden. In den occupirten Provinzen sind nunmehr auch die Jahr- und Wochenmärkte geregelt und dieselben werden in jeder grösseren Stadt und Ortschaft abgehalten. Reich und Arm versammeln sich zu denselben. Rur die ärmere Bevölkerung bilden die Wochenmärkte eine besondere Wohlthat, weil Mann und Weib in gleicher Weise hier jeden entbehrlichen Gegenstand oder eine fertig gebrachte Arbeit verkaufen, andererseits aber mit den nöthigsten Artikeln sich versehen können. Viele Frauen bringen auf diese Wochenmärkte nicht mehr, als je ein kleines Tüchlein, in dessen Ecken sie mit Gold-, Silber- oder Seidenfäden eine einfache kleine Blumenverzierung gestickt haben, für die sie aber starken Absatz finden. Der Geldmarkt. — Die hervorragendsten Geldinstitute und das Versicherungswesen. Der einzige Vortheil, den die finanzielle Stagnation und der ausserordentlich geringe Börsenverkehr der letzten Jahre brachten, war die entschiedene Besser ung der Geldverhältnisse. Sämmtliche europäische Hauptbanken ermässigten ihreEscompte-sätze, und auch auf dem Wiener Markte sank der durchschnittliche Privat-Discont weit unter den offiziellen Bankzinsfuss. Da die Rentabilität der Leihgeschäfte sich vermindert hatte, so wandte sich das Kapital wieder eifriger den im Kurse gesunkenen Anlagewerthen, hauptsächlich den Staatstitres zu. Der Rentenmarkt gewann aber noch dadurch erhöhte Bedeutung, dass der Emissionsthätigkeit fast nur auf staatsfinanziellem Gebiete ein sicherer Spielraum offen blieb, und dass mit der Einführung der Postsparkassen in Oesterreich die grosse Masse der Bevölkerung als Effektenvverber auf dem Markte eingeführt wurde, was natürlich von bedeutender volkswirtschaftlicher und geschäftlicher Wichtigkeit war. Diesen Umstand in ihren Operationen berücksichtigte denn auch die Spekulation, weil ihr vorläufig keine weitere Aussicht auf Erfolg blieb; dadurch war wenigstens auf dem Anlagemarkte eine etwas lebhaftere Bewegung eingeleitet, die um so grössere Fortschritte machte, je sorgfältiger das ohne bestimmte Anhaltspunkte über die politische Eage misstrauisch gewordene Kapital bedacht war, nur absolut sichere Investirungen einzugehen. Im Interesse der Volkswirthschaft der Monarchie ist es jedenfalls zu bedauern, dass die für das Finanzwesen Ungarns so wichtige Renten-Conversion nicht zum Abschlüsse gelangte und vom F^fTektenmarkte nur spärliche neue Impulse der Arbeit und dem Verkehre zugehen konnten. — Bezüglich der ungarischen Goldrente ist übrigens zu bemerken, dass sich der ungarische Finanzminister beim Abschlüsse der ungarischen Goldrenten-Conversion verpflichtete, dieselbe nicht durch neue Goldemissionen zu stören und überhaupt wegen neuer Rentenanleihen sich an kein fremdes Konsortium zu wenden. Diese Abmachung erstreckt sich in Folge einer späteren Vereinbarung auf das ganze Jahr 1885, so dass auch in diesem Jahre keine Begebung von Goldtitres zu erwarten steht, f— Wie sehr man übrigens in Ungarn auf die vom Standpunkte der Regierung eigentlich schon erledigte Konversion Bedacht nimmt, geht aus der Thatsache hervor, dass der Prioritäten-Umtausch bei den verstaatlichten Bahnen vorläufig vertagt wurde, weil man fürchtete, dadurch der ungarischen vierprocentigen Goldrente auf dem Kapitalmarkte eine Konkurrenz zu machen. Die bereits in vorhergehenden Jahren hervorgetretene Emancipation des Kapitals von dem Diktate der Spekulation machte weitere erhebliche Fortschritte, indem ersteres, unbe- ] )er Geldmarkt etc. 495 kümmert um die Anschauungen des letzteren, bei allen En gagements immer nur sein eigenes Interesse und die realen Tbatsachen zu Rathe zog. — Obwohl das Kapital fast ausschliesslich seine Ansprüche blos auf absolut sichere Werthe richtete, so verhielt es sich dem Erwerbs- und Verkehrsleben gegenüber doch keineswegs passiv, sondern leistete demselben den überaus wichtigen Dienst, die Herabminderimg der von ihm getragenen Zinsenlast durch alle Schuldverhältnisse zu weiterem Vollzuge zu bringen. — Die Zinsfussermässigung wird erst nach Vollendung dieses Prozesses den Charakter der Universalität und damit jene Stabilität erlangen, welche für die Volkswirthschaft des Reiches unbedingt erforderlich ist. Man kann fast sicher darauf rechnen, dass das Kapital nach Abschluss dieses Prozesses sich dem soliden wirtschaftlichen Fortschritte wieder zur Verfügung stellen wird. Diese Absicht macht sich jetzt schon in Folge der herrschenden Geldfülle und des spärlichen Zuwachses von Effekten mit fester Verzinsung immer mehr geltend und veranlasst zum Erwerb von guten Dividendenpapieren, doch wäre andererseits eine beform des gegenwärtig bestehenden Aktiengesetzes im höchsten Grade nothwendig, weil diese noch in mancher Beziehung mangelhaft ist. — Wie sehr der Effektenverkehr in den letzten Jahren an Umfang verloren hat, beweisen die nachstehenden Daten, denn mit Berücksichtigung der daraus resultirenden Geldbewegung beim Wiener Giro- und Kassenvereine betrug in Millionen Gulden österr. Währung: Die Effekten- Die Effekten- des Jahres Ablieferung Uebemahme Reviranient 1881 . . . 2.267 2-359 4.626 1882 . . . I.461 I.482 2.943 1883 . . . I.II3 I.152 2.265 Es entspricht den bereits beregten, in letzter Zeit eingetretenen bedeutenden Veränderungen in der Grundlage des Wiener Börsenverkehrs, dass der Anlagemarkt 1883 als das einzige Gebiet namhaft gemacht werden kann, auf welchem fast ununterbrochen rege, zeitweilig sogar unter dem Einflüsse der stetig wachsenden Geldfülle mit ungewöhnlicher Intensität verkehrt wurde. Mit der hier aufgerichteten Herrschaft des Kapitals wurde zugleich auch das Dominium der Staats-werthe im Effektenverkehr inaugurirt, von welchen insbesondere einheitliche Notenrente die Eigenschaft des marktführenden Werthes gewann. In welchem Masse die Beliebtheit der Rentenanlage sich gesteigert hat, zeigt uns deutlich die hier folgende Nebeneinanderstellung der Schlusskurse der letzten sechs Jahre. Es notirten Ende: 1877 1879 1880 1881 1882 1883 5u/0ige cinheitl. Notenrente .... 61-65 69">° 7335 77'35 76"3o 7905 4°/ftige einheitl. Österreich. Goldrente 731 5 81-35 88-20 93-80 95-40 98-65 Berücksichtigt man, dass während dieses Zeitraums bedeutende staatsfinanzielle Bedürfnisse unter hervorragender Betheiligung des Inlandes gedeckt wurden, dass gleichzeitig die Repatriirung der vom Auslande in grossen Mengen abge-stossenen Österreich-ungarischen Werthe ohne Schwierigkeit vor sich ging, und dass das Kapital im festen Vertrauen auf die geschaffene politische und staatsfinanzielle Situation der Monarchie fortwährend seine Verzinsungsansprüche verminderte, so muss man zugestehen, dass dasselbe sich nicht allein unerwartet als ein sehr ansehnlicher Machtfaktor entfaltet, sondern auch als kräftiger Förderer des Staatskredits erwiesen hat.— Der auf das erwachte richtige Ver-ständniSs für die Rentenanlage geschätzte „Classirungsprozess" wurde überdies im Jahre 1883 durch die Institution der Postsparkassen, welche die bisher latenten geringsten Kapitalselemente dem Rentenmarkte zuführen, auf die denkbar breiteste Basis gestellt und hiermit die Erreichung des erwünschten Zieles erleichtert, auf diesem Gebiete die grösstmögliche Unabhängigkeit von den Schwankungen der auswärtigen Börsen zu erringen. — Die Leitung des Effektenverkehrs vom Rentenmarkt aus ist aber auch für den gesammten Markt ein nicht zu unterschätzender, hoffentlich dauernder Gewinn, denn in ihr gelangt die zwischen dem Staatshaushalte und den einzelnen Privatwirthschaften bestehende Solidarität zur lebendigsten, für beide Theile erspriesslichen Geltung. Sie verbürgt die möglichst harmonische Entwickelung sämmtlicher Werthgebiete, deren keines, wie ja die Gründungsepoche eindringlich lehrt, ungestraft und ohne Nachtheil für die übrigen einseitig bevorzugt werden darf. — Die „Kursavancen" der Staatspapiere gegen Schluss des Jahres 1882 betragen im Durchschnitte mehr als 3°/u. — Der Verkehr in den übrigen Anlagesorten war, wenn auch jenem in Renten dem Umfange nach weit nachstehend, nichtsdestoweniger ein belangreicher, und machte sich auch hier die auf Nivellirung des Anlagen-Zinsfusses gerichtete Tendenz der Nachfrage in dem durchschnittlich ebenfalls mehr als 3"/,, gegen Ende 1882 gehobenen Kursstande wahrnehmbar; nur bei Pfandbriefen zeigten sich die Verhältnisse in Folge der drohenden Rentensteuer ungünstiger. — Die Umsätze an der Wiener Börse in Staatspapier, Pfandbriefen und Prioritäts-Obligationen, soweit sie im Wege der Effekten-Ablieferung und Effekten-Uebernahme durch das Arrangements-Bureau des Wiener Giro- und Kassen Vereines abgewickelt werden, betrugen 1883, ihrem Nennwerthe nach, 823,406.650 FI., gegen 958,294.110 Fl. im Vorjahre, verringerten sich daher um 134,887.460 Fl., oder um reichlich 14 "/„. Als das zunächst verkehrsreichste Gebiet erscheint der „Transportaktien-Markt". Die vorcheilhafte Meinung für diese Effektenkategorie gründete sich, was Eisenbahn-Aktien betrifft, im Allgemeinen auf die, trotz stockender Getreideausfuhr, erfreuliche Lage des Transportgeschäftes und seine, in Folge der Verdichtung und Vergrösserung des inländischen Bahnnetzes, Oesterreich-Ungarn. 82 498 < )esterrcich-Unga.rn, voraussichtlich steigernde Prosperität, hauptsächlich aber auf die finanzielle Konsolidirung einzelner Unternehmungen. Daher strebte das Verwendung suchende Kapital eifrig nach dem Besitz von Eisenbahnwerthen und liess sich selbst davon nicht abschrecken, als durch die Berliner Spekulationskrise massenhaft Waaren zu Markte kamen. — Die Lebhaftigkeit der Umsätze hielt mit der zunehmenden Menge des aus Deutschland remittirten Materials gleichen Schritt, und es ging dasselbe meistens fast ohne jede Beeinträchtigung des Verkehrs und der aufwärts strebenden Kursrichtung sofort in feste Hände über. — Doch fehlte es auch nicht an zahlreichen Minderbewerthungen, welche auf specielle Verhältnisse zurückzuführen sind. So konnten sich /.. B. die Aktien der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft und der wichtigsten Exportbahnen nicht dem kursschwächenden Einflüsse entziehen, welche die Ernte verursacht hatte. Die Lloyd-Aktien büssten wegen der Störung der Handelsbeziehungen zu Egypten über 7 Procent ein. Südbahn-Aktien verloren in Folge einer, von englischer Seite gegen sie gerichteten for-cirten Baisse-Spekulation, trotz fortschreitender finanzieller Kräftigung des Unternehmens, nahezu 5U/» im Kurse. Ausserdem bildeten noch ganz besonders das Objekt einer intensiven Baisse die Aktien der Ferdinands - Nordbahn, welche von 2845 Fl. im Mai 1883 bis 2450 Fl. im December, also um mehr als 13% fielen und bei ihrem Schlusskurse von 2530 Fl. noch immer um 160 Fl. = 6'3% niedriger als Ende 1882 notirten. — Das erste Halbjahr 1884 kann in Oesterreich-Ungarn die Periode der Prioritäten - Konversionen genannt werden. Es wurden convertirt die Prioritäten der Franz-Joseph-, der Rudolph-, der Vorarlberger- und der Salzkammergutbahn im Gesammtbetrage von rund 145 Millionen Gulden. Rechnet man hierzu den Betrag der in neuester Zeit convertirten Prioritäten der Prag - Duxer - Bahn, so erhält man eine Gesammtsumme von rund 160 Millionen Gulden. Eine Reihe anderer Prioritäten-Conversionen ist vorläufig im Stadium des Projectes geblieben. Hierher gehört zunächst die Conversion der Prioritäten der Böhmischen Westbahn im Gesammtbetrage von 14*3 Millionen Gulden, für welche mit Rücksicht auf die nothwendige Abänderung der Bestimmungen über die Staatsgarantie die legislative Genehmigung eingeholt werden muss. Die Conversion der Prioritäten der Lemberg-Czernowitzer Bahn bildete gleichfalls durch längere Zeit den Gegenstand der öffentlichen Diskussion, und hier handelte es sich um ein Prioritäten-Kapital von circa 44 Millionen Gulden. Endlich ist auch bei der Graz-Köflacber Eisenbahn eine Prioritäten-Conversion geplant, welche, sobald die Verhältnisse es gestatten, durchgeführt werden soll. Bei dieser ist ein Prioritäten-Kapital von etwa 7 Millionen Gulden erforderlich. In Oesterreich-Ungarn giebt es 175 Banken und Anstalten für den hypothekarischen-, Geschäfts- und industriellen Kredit, unter denen blos die im Jahre 1816 gegründete Nationalbank, welche im Jahre 1878 als „Oesterreich-Ungarische" Bank neu organisirt wurde und jetzt aus je einer Hauptanstalt in Wien und Budapest, sowie 47 Filialen besteht, das ausschliessliche Recht der Notenausgabe im ganzen Umfange der Monarchie besitzt. Der Bestand dieser sämmtlichen Institute war 1883 folgender: Aktienkapital in Mill. Gulden. Anstalt, eiuittirt eiiigez. Oesterreich-Ungarische Bank..... 1 900 90*0 "oft 1 I Actiengesellschaften . . 8 119*8 Oys ••n Agrar und I , . . , . c |_, , ,. I Landes- und Wechsel- { Bodenkredit . ' u ü \ Anstalten .... 7 0 193-739 199-379 + 5-640 Die Zunahme des Silbervorrathes der Bank seit 31. August 1878, seit welcher Zeit ihr grössere Silberbetrage aus dem Verkehre zugehen, bis Ende December 1883 beträgt 51-619 Millionen Gulden; im Vergleich zum Höchststände vom 31. Oktober 1883 ergiebt sich daher eine Abnahme des Silbervorrathes um 2-146 Millionen Gulden. Der höchste Stand des Metallschatzes betrug am 15. November 201-899 Millionen Gulden, der niederste am 7. April 1883 186-897 Millionen Gulden, im Durchschnitt bezifferte sich derselbe daher auf 193491 Millionen Gulden, gegen 182-641 Millionen Gulden im Vorjahre. Durch die Veränderungen im Metallschatze der Bank werden theilweise auch die Veränderungen im Umlattfstande ihrer Noten erklärt. Es circulirten in der Monarchie in Millionen Gulden am 31. Decbr. 1882 am 31. Decbr. 1883 an Banknoten 368-0 380-5 -j- ivg Staatsnoten 3515_350-9 — Q'6_ zusammen 720.1 731.4 —j— 11 *3 Die Steigerung des Banknoten-Umlaufes vom 31. December •882 bis Ende 1883 um 11-9 Millionen rührt zum grösseren Theil von dem schon erwähnten Silberzuflusse (-j-71 Millionen Gulden) her. Da jedoch der höchste Stand des Banknoten-Umlaufes am 31. Oktober (389-254 Millionen Gulden) und dessen niederster Stand am 23. März (341-827 Millionen Gulden] genau mit dem Höchststände (175-922 Millionen (bilden) und dem Tiefstande (122-896 Millionen Gulden) des Gesammt-Eskomptes der Bank zusammenfielen und dem gegen 1882 um 12-526 Millionen Gulden auf 357716 Millionen gesteigerten Durch-schnittsstande des Banknoten - Umlaufes, eine Zunahme des durchschnittlichen Kskomptestandes von 138-5 Millionen Gulden im Jahre 1882 auf 144-182 Millionen im Jahre 1883 (-f 5-682 Millionen Gulden) zur Seite stand, so ist wohl ausser Frage gestellt, dass auch die wirthschaftliche Thiltigkeit an der Steigerung der Banknoten-Cirkulation ihren entsprechenden Antheil hatte. Die umlaufenden Banknoten waren im Durchschnitte des ganzen Jahres 1883 mit 54*09% (gegen 52-91 °/n im Jahre 1882) durch Metall gedeckt. Die „Goldtheuerung" verschärfte sich leider im Jahre 1883! Das Zwanzig-Franestück stieg langsam, aber fast ununterbrochen, und notirte am 31. December mit 9 Gulden 60 Kreuzer um 11 Kreuzer oder t . 15 °/(> höher als Ende 1882; desgleichen überragt die Devise Eondon mit 121 Gulden am Jahresschlüsse die betreffende Notiz des Vorjahres um 1 Gulden 60 Kreuzer — 1-34%. — Die Erklärung für die weitere Vertheuerung des Goldes und der fremden Wechsel wird in dem anhaltenden Rückströmen österreichisch-ungarischer Effekten aus Frankreich und Deutschland gesucht, dem gegenüber es bei stockendem Getreide-Exporte an entsprechenden Gegenwertben zur Remittirung mangelte. — Das um sich greifende Uebel des „Disagios", welches die wirthschaftliche Kraft mindert und die Position auf dem Weltmarkte fort und fort erschwert und verschlechtert, zählt wohl zu den bet rübendsten Rück wirk u ngen des ungeregelten Staatshaushaltes auf Arbeit und Verkehr und verpflichtet die Regierung Oesterreich-Ungarns, mit den Bestrebungen auf Ordnung desselben nicht zu ruhen, bis die Volkswirtschaft der Monarchie wieder auf die zu ihrem vollen, ungehinderten Gedeihen unentbehrliche Grundlage des Hartgeld-Umlaufes gestellt sein wird. Das Nähere über die Bewegung des Gold- und Silberkurses und den Stand der Devise London im Berichtsjahre ist aus nachstehender Tabelle zu entnehmen: Stand der Silber- und Goldkurse, sowie der Devise London an der Wiener Börse in Papiergeld, Gulden österr. Währung, nach halbmonatlichen Zeitabschnitten im Jahre 1883, Für 100 Fl. Für Für ein FürIOOFl, Für Für ein Am ö. Währ. 10 Pf. Zwanzig- Am ö.Währ. lol'f. Zwanzig- in Silber St. Francs-St. in Silber St. Francs-St. 31. Dec. 1 HS 2 — 119-40 9*49 V2 2.Juli 1 883 — I 19-90 9-49';2 2 Jan. [883 H9-35 9.48 16. „ „ — I20.— 9.5O I6. — II9.7O 9- 50 7a i.Aug. „ — 119.85 949% T. Febr. „ I 19.65 9.50 16. „ „ — 119.80 9.49 «5- '> " I 19.75 949-Va 1 .Sept. „ — 119.85 9.50 1. März „ 1 19.75 9.48 % 17- » — 120.— 949'.^ 16. II II — H9-75 9.48 i.Okt. „ — 119.80 9.50 2 April ,, — 119.60 9-47 Va 16. „ „ — 120.10 9.53 16. tf IY — 119.65 9.481/2 2. Nov. „ — 120.15 9-55 1. Mai „ — 119.80 9.50 16. „ „ — 120.60 9.59 % 16. — 120.20 9.52 1. Dec. „ — 120.55 9-5« 1. Juni „ — 120.— 9.52 17- » 12 1.05 9-6"01;.i 16. — 120.05 9.52 31. M „ — 121.-- 9.60 Durch die 1883 im Allgemeinen gedrückte Lage des Geld-und Effektenmarktes war das Wiener „Bankgeschäft" angewiesen, die im Vorjahre eingeschlagene Richtung weiter zu verfolgen. Je weniger das Emissionsgeschäft, wie überhaupt das grosse Finanzgeschäft, welches selbst in staatsfinanziellen Transaktionen sich in ungewöhnlich bescheidenen Grenzen be wegte, sowie der reducirte Börsenverkehr Gelegenheit zu lohnender Verwendung der verfügbaren Bankmittel bot, um-somehr mussten alle Anstrengungen der Bankleitungen darauf gerichtet sein, durch sorgsamere Pflege des laufenden Bankgeschäftes entsprechenden Ersatz für den Ausfall zu schaffen. Es gelang auch ihren Bemühungen, obgleich der flüssige Geld- stand und der dadurch begründete niedrigere Zinsfuss ihre Aufgabe erschwerte, die ungünstigen Verhältnisse doch so weit zu bessern, dass das Schlussergebniss der Bankthätigkeit gegen jenen des Vorjahres nicht allzu sehr zurückblieb, besonders entwickelte sich unter den Bankinstituten, veranlasst durch die herrschende Situation, ein äusserst lebhafter Wetteifer, den Kreditbedürfnissen der geschäftlichen Kreise im Ks kompte möglichst Rechnung zu tragen, und da Handel und Industrie im Allgemeinen ziemlich viel zu thun hatten, so war die Mehrzahl der Anstalten, selbst die mit einem grösseren Kapitale beschwerten, in der Lage, den Eintrag der Zinsfussermässigung durch grössere Umsätze zu paralysiren, so dass in diesem Geschäftszweige im Ganzen sogar ein etwas grösseres Erträgniss als im Vorjahre erzielt wurde. — Wenn die Bilanzergebnisse auch nicht den Wünschender Spekulation entsprachen, so befriedigten sie doch die Ansprüche des ernsten Aktionärs, wie sie auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkte einen erfreulichen Beweis lieferten, dass Handel und Industrie in Oesterreich-Ungarn sich nichts weniger als in absteigender Richtung bewegten. — Bei der österreichisch-ungarischen Bank ergab das Gesammterträgniss des Jahres 1883 43 FL. per Aktie, d. i. 7'7e%i die Dividende des Jahres 1882 betrug ebenfalls 43 Fl. Desgleichen entfällt» wie im Vorjahre, auf die beiden Staatsverwaltungen ein Antheil am Erträgnisse; derselbe beläuft sich auf 146.866 Fl. und ist von der Schuld des Staates an die Bank abzuschreiben, welche nunmehr mit 79,448.402 Fl. verzeichnet ist. Der gesammte Reinertrag des Jahres 1883 ist um 13.568 hl. kleiner, als jener des Jahres 1882.-- Eine vom Wiener Bankgeschäfte ausgehende und seinerzeit jedenfalls günstig auf dasselbe zurückwirkende Unternehmung ist die von der Unionbank ins Werk gesetzte Errichtung einer Zweigniederlassung in Serajewo. Diese unter der Firma ,,Priv. Abtheilung der Unionbank für Bosnien und die Herzegowina'- am 1. August 1883 in Aktion getretene Filiale ist laut des zwischen der Gesellschaft und der bosnisch-herzegowinischen Landesregierung am 4. Mai des genannten Jahres abgeschlossenen Vertrages zum Betriebe aller in den Wirkungskreis der Unionbank statutenmässig gehörigen Geschäftszweige im Umfange des Occupationsgebietes und überdies zur Ausgabe von Kassenscheinen in Appoints von nicht unter 10 Ft. österr. Währ, berechtigt. — Die Abtheilung ist für die Dauer von acht Jahren mit Begünstigungen und Privilegien bedacht, welche sich theils auf besonderen materiellen und rechtlichen Schutz der Zweigniederlassung und ihrer Geschäfte, theils auf eigens vorbehaltene Transaktionen beziehen, und hat ihre Umwandlung in ein selbständiges Bankinstitut innerhalb der Privilegiumsdauer anzustreben. Was die Zahl der Wiener Bankinstitute und ihr Aktien kapital betrifft, so operirten in der Berichtsperiode wie im Vorjahre 15 Banken mit einem Fond von nominell 279725 Millionen Gulden. — Ueber den Umfang ihrer Thätigkeit in den wichtigsten Geschäftszweigen geben die folgenden Daten, denen zum Vergleich die entsprechenden Ziffern des Vorjahres zur Seite gestellt sind, Aufschluss. — Eine Zunahme gegen das Vorjahr zeigt der „Eskompte". — Es gingen bei nachbezeichneten Instituten Wechsel ein im Betrage von: Millionen Gulden österr. Währung 1882 1883 bei der Oesterreich.-ungar. Bank .... 817-644 871-029 „ „ Credit-Anstalt........242-285 275-872 „ „ Niederösterr. Eskompte-Gesellschaft 146-996 144-970 „ „ Anglo-österr. Bank......104-090 106-373 beim Wiener Bankverein.......95'653 98-691 bei der Ersten österr. Sparkasse .... 83-783 88-884 „ „ Oesterr. Länderbank...... 81-648 85-984 beim Wiener Giro- und Kassenverein . . 70-230 65-830 bei der Union-Bank.........65786 65-816 Million« ;n Gulden österr. Währung l882 1883 62-895 53-746 „ „ Allgemeinen Depositenbank . . . 24519 27*232 „ „ Verkehrsbank........ 7-637 5.812 „ „ Wiener Dombard- u. Eskomptebank 3-9I7 2-803 „ „ Wiener Bankgesellschaft .... 2-300 I4OO zusammen I.809473 1.894-442 Die Steigerung beträgt 84-97 Millionen Gulden (+4"<59°/J und ist das Ergebniss der Bereitwilligkeit, mit welcher von Seiten der übrigen nicht genügend beschäftigten Banken den geschäftlichen Creditansprüchen entgegengekommen wurde. Letztere waren, entsprechend dem im Allgemeinen lebhafteren commerciellen und industriellen Geschäftsgang, umfangreicher als im Vorjahre, traten in Folge der geringeren Ernte der Monarchie und der für die auswärtige Verwerthung ihres Cerea-lienüberschusses unvorteilhaften Conjunctur zu keiner Zeit so stürmisch, wie in der letztgenannten Periode zu Tage. Als übrigens gegen die entscheidende Jahresepoche ein erhöhtes Eskomptebedürfniss sich gleichwohl geltend zu machen begann, hatte die österreichisch-ungarische Bank für diesen Fall durch Flüssigmachung ihrer Baarmittel die erforderlichen Vorbereitungen bereits getroffen. Der Wechselgeschäftsertrag konnte bei dem im Durchschnitt wieder ermässigten Zinsfusse nicht in entsprechendem Masse steigen, überragt aber immerhin im Ganzen die Vorjahrsziffer. Die Eskomptirungen innerhalb der verschiedenen Kreditvereine haben bei den für die Kreditwerber günstigen Verhältnissen des Wechselmarktes und der scharfen Konkurrenz der offenen Eskomptestellen eher einen Rückschritt erfahren. — Die übermässige Besteuerung des von Kreditvereinen gepflegten Eskomptegeschäftes giebt noch immer Anlass zu lebhafter Klage- so weist z. B. die Krste österreichische Sparkasse in ihrem Geschäftsberichte pro 1883 darauf hin, dass der von ihr geführte Kreditverein die bei einem erzielten Ueberschusse von rund 20.000 Fl. auffallend hohe Steuer von 19.552 Fl. aufgebracht und bezahlt habe. — Kine wesentliche Verminderung erfuhr abermals das „Vorschussgeschäft" (Lombard- und Kostgeschäft). Auf Staats- und andere Werthpapiere wurden Darlehen und Vorschüsse ertheilt: Millionen Gulden usterr. Währung l882 1883 von der Oesterr.-ungar. Hank.....177-124 135-525 „ „ Kredit-Anstalt........ 80-237 77-286 „ Boden-Kredit-Anstalt.....167-290 71209 vom Wiener Bankverein.......40*136 54-684 „ „ Giro- und Kassenverein . . . 75784 52*349 von der Oesterr. Länderbank...... ITH2 49'44$ „ „ Niederösterr. Eskompte-Gesellschaft. 51-831 32-194 „ „ Anglo-österr. Bank...... 20-050 22-387 „ „ Allgemeinen Depositenbank . . . 26-591 L9"35! „ „ Verkehrsbank........ 8-026 8-736 „ „ Wiener Lombard- und Eskomptebank 7-604 6.821 „ „ Ersten österr. Sparkasse .... 6-394 5'Oi9 „ „ Union-Bank......... 7*504 3-102 „ „ Neuen Wiener Sparkasse .... 0-719 0-721 zusammen: 747-022 538-832 In der Abnahme um rund 208 Millionen Gulden, also circa 28(,/„, gelangt das weitere Zurücktreten, besonders des spekulativen Börsenverkehrs, welcher das betreffende Belehn-ungsmaterial vorwiegend beistellt, entschieden zum Ausdruck. Da den Vorschusswerbern überdies mit Rücksicht auf die gebesserte Geldmarktlage und die theilweise schwache Entwicklung des Bankgeschäftes günstigere Lombard- und Reportbedingungen eingeräumt werden mussten, so ist der Ertrag auf diesem Gebiete bedeutender als wie der Umfang gesunken. Im „Waaren-Vorschussgeschäfte" betrugen die auf dem Wiener Platze auf Waaren und Warrants dargeliehenen Beträge bei der Millionen dulden österr. Währung 1882 1883 Union-Bank............20-699 17*275 Depositenbank...........0138 0-055 Anglo-österr. Bank.......... 0-109 0*304 Der Betrag der von der Union-Bank kommissionsweise zum Verkaufe gebrachten Waaren bezifferte sich im Jahre 1883 auf 13-849 Millionen Gulden gegen 12622 Millionen Gulden im Jahre 1882, und es war eine gegen das Vorjahr gesteigerte Geldverwendung, ausser im Eskompte, nur beim Waarenge-schäfte möglich. — Das Waarengeschäft der Kreditanstalt in Prag und Brünn hatte, bei einem Geldumsätze an Belehnungen und im Kommissionsgeschäfte per 17-953 Millionen Gulden, gegen das Vorjahr eine Steigerung von 3753 Millionen Gulden. Im Vergleiche mit dem Jahre 1882 blieb auch das „Bank Kommissionsgeschäft" zurück, denn die Umsätze in dem- selben betrugen: Millionen 1 < adden österr. Währung I 882 1883 bei der Boden-Kredit-Anstalt . . 2.140-323 1.419-931 „ „ Kredit-Anstalt .... 867661 921-248 beim Wiener Bankverein . . . 57^503 686-866 bei der Union-Bank..... 72 [■ [90 659470 n „ Anglo-österr. Bank . . 705-493 567499 w „ Länderbank..... 582*483 520-070 „ „ Lombard- und Eskomptebank 527OOO 483-000 „ „ Niederösterr. Eskompte ellsch. 484-990 392-657 Millionen Gulden österr. W&hrung 1882 1883 bei der Wiener Hankgesellschaft . . . 66-200 68-400 „ Depositenbank....... 87-918 98-500 pi Oesterr.-ungar. Bank..... 47'93Ö 40-400 ,., „ Verkehrsbank ....... 12-825 '3'45' Zusammen: 6.822-522 5.871-492 Die Voraussetzungen für eine ausgedehnte kommissionelle Thätigkeit der Banken, bewegtes Finanzgeschäft und lebhafter Börsenverkehr, waren in noch viel geringerem Grade als im Vorjahre vorhanden. — Ueber den in allerneuester Zeit in der F skompte- Gesellschaft entdeckten Zwei - Millionen - Unterschleif äussert sich die in Wien erscheinende „Deutsche Zeitung" fol-gendermassen: „Und was ist die Moral von der Geschichte? Wir dächten, sie liegt für Jeden, der die Augen nicht verschliesst, offen genug zu Tage. Nicht die Namensgleichheit der beiderseitigen Helden allein bildet den Zusammenhang zwischen dem verbrecherischen Ereignisse von vorgestern und der entsetzlichen Katastrophe vor drei Jahren, die wieder ihrerseits Analogien aus halbvergessenen Schreckenstagen wachgerufen hatte. Tief innerlich besteht dieser Zusammenhang, da ja allemal ähnliche Ursachen zu ähnlichen Wirkungen führen. Das Flammengrab des Ringtheaters war das Königgrätz unserer polizei liehen Organisation in Staat und Stadt und der Zwei-Mil-lionen-Unterschleif in der Eskompte-Gesellschaft kann :ibs der Ringtheaterbrand unserer Bankeinrichtungen bez eichnet werden. Der „Nebel von Chlum" bildet das charakb -istische Merkmal aller dieser Ereignisse, mag sich das jüngste von ihnen auch an Bedeutung mit den beiden ande.-en nicht messen können. Mag nun die Schuld an ein- * l,n chtigen Gcschäftsvertheilung, an einem ungenügenden Kon-1rolsystem liegen, oder mag Ressorttheilung und Kontrole in der Instruktion ganz entsprechend eingerichtet, die letztere Oesterreich-Ungarn. 83 514 (VMcrrdch-Ungarn, aber in der Praxis nicht beobachtet worden sein, auf jeden Fall ist es eben wieder die Laxheit, die falsche Ge-müthlichkeit, der Schlendrian, welche auch hier eine Katastrophe herangezeitigt haben. Es ist dies leider, leider, ein charakteristisches Merkmal österreichischer Verhältnisse, von dem wir uns, wie es scheint, nur sehr schwer, vielleicht niemals werden frei zu machen vermögen. Der kleine Finger, der sich so krampfhaft an die preussische Hosennaht drückt, wirkt auf uns Oesterreicher fast mit unwiderstehlicher Komik, aber wir thäten wahrlich besser daran, uns dieses Sinnbild strammster Pflichterfüllung im Grossen wie im Kleinen stets vor Augen zu halten. Freilich wird das Leben dabei etwas eckig und ungemüthlich, aber — dafür giebt es dort auch keinen ,,Chlumer-Nebel", weder auf dem Schlachtfelde, noch in brennenden Theatern, noch in den Kassen der Kredit institute. . . . Der Millionendieb stand im Solde des Millionenschwindlers. . . . Dass ein Mann wie K......in der Geschäftswelt zu Einfluss gelangen konnte, dass sein vertrautester Umgang mit dem Chef der Eskompte-Kasse diesen selbst nicht in den Augen seiner Vorgesetzten als einen zweifelhaften Beamten erscheinen liess - auch dieser Umstand ist ein bezeichnender Zug in dem neuesten Zeit- und Sittenbilde Oesterreichs." — Den „Pester Lloyd" veranlassten diese Vorgänge in Oesterreich ausserdem zu einem Vergleich mit Ungarn. „Es wird gestattet sein", sagt dieses Blatt, „bei diesem Anlasse noch darauf hinzuweisen, dass in Ungarn seit Jahren, ausser dem Zusammenbruch eines Instituts, das nie im Vordergrunde unseres Geschäftslebens stand und das sich selbst in seiner Blüthezeit nur eines sehr mittelmässigen Rufes erfreute, kein einziges Beispiel der Malversation bei öffentlichen Geldanstalten vorgekommen ist. Selbst'für jene, in der österreichischen Hauptstadt fast alltäglich gewordenen F'älle von gewöhnlichem Vertrauensmissbrauch, deren einer erst jüngst vor dem Wiener Landesgerichte seinen erschütternden Abschluss gefunden hat, besitzen wir glücklicherweise kein Pendant. Keine Wiener Saison verstreicht, ohne dass solche Exempel infamer Verderbtheit einerseits, grotesker Leichtgläubigkeit andererseits an den Tag kämen. Die Raubritter, welche unter der Firma einer obscuren Wechselstube ihr I landwerk betreiben, die noblen Industrieritter, denen sehr gesetzte und verständige Leute, selbst Kaufleute, ihr Hab und Gut anvertrauen, die sublimen Fremden, welche lediglich auf einen phantastischen Adelstitel hin Geldgeber und Waarenverkäufer nach ihrer Hotelstube strömen sehen, sie bilden nachgerade eine Specialität, welcher wir nichts zur Seite zu stellen haben. Unsere Gesellschaft, die sich in fortwährender Bewegung und mitten in einer stellenweise grundstürzenden Umgestaltung befindet, fördert wohl auch manches düstere Lebensbild an das Licht, das uns mit Beschämung und mit Besorgniss erfüllt, aber, wenn wir uns erinnern, mit welcher Härte und mit wie generalisirender Geringschätzung jede traurige Episode unseres socialen Lebens gerade in Wien beurtheilt zu werden pflegt, gereicht es zu besonderer Befriedigung, registriren zu dürfen, dass gewisse „geheime Krankheiten" wenigstens zu dem ungarischen Bürgerstande keinen Zugang gefunden haben und wir vertrauen, auch keinen Zugang finden werden!" Wir haben diese Aeusserungen der beiden vortrefflichen grossen österreichisch-ungarischen Blätter angeführt, weil sie ein nur zu Reffendes, in jeder Beziehung höchst lehrreiches Streiflicht auf die inneren Verhältnisse des Landes werfen. Doch nicht genug mit diesem beregten Unterschleife in der Eskompte-Gesellschaft, so ist in allerneuester Zeit auch noch eine Defraudation im Betrage von circa 120.000 FL von Seiten des Direktors in der „Krainischen Eskompte-Gesellschaft in Laibach" entdeckt worden, in Folge dessen, sowie übergrosser CreditgeWährung und Immobilisirung kurzfälliger Forderungen diese Gesellschaft gezwungen wurde, »bre Zahlungen einzustellen. Die Gesellschaft wurde im Jahre 33* 18/o mit einem Aktienkapital von 150.000 Fl. gegründet und hat in den letzten Jahren durchschnittlich eine Dividende von 7°/0 zur Vertheilung gebracht. Die Hauptthätigkeit der Com-pagnie war das Eskomptegeschäft, und flguriren in der letzten Bilanz 292.107 Fl, Wechsel des Kreditvereins und 896.667 Fl. Wechsel der Aktionäre. Die Giro-Einlagen betrugen im Jahre [883 2,108.473 Fl. — Bezeichnend ist bei diesem Vorfall, dass der Direktor, bevor er diese Stelle erhielt, als Vorstand der National- (österreichisch-ungarischen) Bank in Triest wegen seines Lebenswandels als Sportsmann und der Vernachlässigung seiner Amtspflichten entlassen worden war. Gegen Kassenscheine, Einlage- und Sparbücher wurden folgenden Kredit- Instituten *) im Jahre 1883 Einlagen zur Ver- zinsung übergeben: Millionen Gulden östcrr. Währung 1882 1883 der Niederösterr. Eskompte-Gesellschaft . 113-925 113-109 „ Depositenbank......... 21*426 18-144 „ Kredit-Anstalt......... 19-196 14430 „ Verkehrsbank ........ 8-383 7-977 „ Anglo-österr. Bank....... 5-577 6-022 „ Union-Bank.......... 1713 2-457 ,. Boden-Kredit-Anstalt....... 3*834 1*388 „ Länderbank (während acht Monate) . _0-336 Zusammen: 174-054 163-863 Die Verminderung der Einlagen beziffert sich mit 10-19 Millionen oder 5-85°„ und 'st zum Theil auf die durch die 1". -sscrung des Geldnv kies gebotene Wiederermässigung des *) Abgesehen von der Besorgung des Partial-Hypolhekar-Anwcisiingsge-sehäfiea für Rechnung des k. und k. Reicbs-1' inanzministeriums, welche sich im Jahre 1883 auf 44.552 Stück im Betrage von 215-308 Nnttioneii Gulden bezog. Der Geldmu 'it etc, 517 Kinlagenstand Kapitalistu Anfang des Zuwachs Abfall sirte Jahres in FL Zinsen bezüglich en Zinsfusaes, zum Tbeil über auf die Konkurrenz der Sparkassen zurückzuführen, von welchen namentlich die Postsparkassen mit dem Reize der Neuheit wirkten. Als neue Einlagsstelle ist die Länderbank zu erwähnen, welche seit Mai 1883 das Kassenscheingeschäft kultivirt. Die Bewegung in den beiden Sparkassen Wiens während der beiden letzten Jahre stellte sich in Millionen Gulden, wie folgt, dar: Einlftgen-stand zu K Ilde des Jahres Erste österr.J 1882 137.215 34-<^24 39.826 5.194 137.407 Sparkasse j 1883 137.407 33-937 35-945 5-299 140.698 Neue Wiener] 1882 6.195 6.044 5-,s92 0.249 6.596 Sparkasse j 1S83 6.596 6.730 5744 0.279 7.867 '/„■■ I lSS2 I43-4'0 40.868 45.718 5.443 144-003 /.u.sammen. 1 oö r 0 a , \ 1883 144.003 40.673 41.689 5.578 148.565 Der im Jahre 1883 erfolgte Zuwachs steht zwar um einen nicht nennenswerthen Betrag hinter jenem des Vorjahrs zurück, doch lässt sich hieraus kein ungünstiger Schluss auf die Sparthätigkeit ziehen, weil die erweiterte Konburrenz im Sparkassengeschäfte berücksichtigt werden muss. Ja, es trat sogar gerade in den Einlägen der niedrigsten Kategorie der Sparkassenclienten eine Steigerung ein, während der Abfall, also die Zurückziehung hinterlegter Sparpfennige, sich um 4-03 Millionen verringerte. Daher resultirte aus dem Zu- und Abfluss der Spargelder in beiden Anstalten eine Vermehrung des Einlagenstandes Ende des Jahres 1883 um 456 Millionen Gulden. — Dies ist um so erfreulicher, weil sich der Bevölkerung gleichzeitig durch die Einführung der Postsparkassen neue Gelegenheit zu fruchtbringender Placirung ihrer Ersparnisse bot, die auch sofort benützt wurde. Das „Girogeschäft" machte keinen bedeutenden Rückschritt, wie wir hier sehen: Wiener Giro: und Kassen-Verein 5.571 -638 4.681*401 Oesterreich-ungarische Rank . . 723*984 873*120 Niederösterr. Eskompte-Gesellschaft 391*401 0.393-507 K redit-Anstalt........123-495 '33'088 Die Abnahme wurde ebenfalls durch die sterile Finanzepoche und die Stagnation im Börsenverkehre veranlasst. Als neue Girostelle ist die österreichische Länderbank anzuführen, welche seit Oktober 1882 diesen Geschäftszweig betreibt. — Der Checkverkehr hatte hingegen, da die Verringerung der Effekten Umsätze beim Wiener Giro- und Kassen-Vereine abermals weiter reichte, als die Abnahme im Geldbetrage der von dieser Anstalt eingelösten Checks, ausserhalb des Bereiches der Effektenoperationen abermals etwas an Ausdehnung gewonnen. — Der Wiener Saldirungs-Verein, welcher in Folge Beitrittes des Wiener Bankvereines zehn Mitglieder zählte, erfreute sich im genannten Zeiträume einer Zunahme des Verkehrs. — Die zum gegenseitigen Austausche gebrachten Wechsel und Anweisungen betrugen 613*158 Millionen Gulden gegen 524-777 Millionen Gulden im Jahre 1882 (-4-88*380 Millionen Gulden oder 16*841 u/0)- Nach Kompensation der gegenseitigen Forderungen ergab sich 1883 noch ein durchschnittliches Erforderniss der baren Begleichung von 35-972% gegen 34-290°/, im Vorjahre. Das „Hypothekargeschäft" wurde im Jahre 1883 in seiner günstigen F'ortentwickelung gehemmt, denn die von der Länderbank . . Anglo-österr, Bank 1 -906 21-314 10-113 7*985 Zusammen: 6.822-537 6.110-415 Regierung im österreichischen Abgeordnetenhause eingebrachte Rentensteuervorlage beeinträchtigte den Kurs und Absatz der Pfandbriefe, daher auch das auf letztere ba-sirte Hypothekargeschäft. — In Bezug auf den Hypo-thekar-Zinsfuss hat sich jetzt auch die österreichische Hypothekenbank, welche bisher noch theilweise auf Grund 5V2*7fi*§fcr Pfandbriefe das Darlehnsgeschäft betrieb, von der Nothwendigkeit überzeugt, der geänderten Situation des Geldmarktes Rechnung zu tragen und die Einberufung dieser Pfandbrief-Kategorie beschlossen. Ein Gleiches ist von der ersten österreichischen Sparkasse zu erwarten, denn der Rückgang ihres Pfandbriefgeschäftes dürfte sie schliesslich doch veranlassen, ernstlich die zeitgemässe Reform desselben durchzuführen — Im Eingange der Rückstände und in der Zahl der Exekutionsführung zeigte sich ebenfalls im Jahre 1883 eine erhebliche Besserung. — Das Nähere über diesen Geschäftszweig ist aus den nachfolgenden Zusammenstellungen ersichtlich : Stand der Hypothekar -Darlehen am 31. December 18 82. Darlehen Irr 1 Betrage von Oesterr.-ungar. Bank 3.159 90-122 Mill. Fl . in Gold Boden-Kredit-Anstalt J I.O62 1455 31-145 37-608 >> }* in B.-V. Erste österr. Sparkasse 25.182 72-842 l> t> Oesterr. Hypothekenbk. - 7-307 H tt „ Central - Boden- Kreditbank . . . — 4'2i6 „ „ Zusammen: — 243-240 Mill. Fl. Im Laufe des Jahres 1883 wurden Darlehen neu zugezählt: im Betrage von Oesterr.ungar. Bank .... 239 5-749 Mill. Fl. Hoden - Kredit -Anstalt im Betrage von 3 0-360 Mili. Fl. in Gold 68 2-704 „ „ in B.-V. Krste österr. Sparkasse . . 1.240 11*585 „ „ :}!) Oesterr. Hypothekenbank . . 32 1-058 „ „ ., Central-Boden-Kredit-bank ..... — 0-694 _ Zusammen: — 23-150 Milk Fl. Zurückgezahlt wurde im Jahre 1882 ein Gesammtbetrag: bei der Oesterr.-ungar. Bank von 8-882 Mill. Fl. j 2-563 ., „ in Gold j 1-936 „ M in B.-V. „ Erst, österr. Sparkasse „ 4'845 „ ,, „ Oesterr. Hypothekenbank ......, 2-236 „ „ Oesterr. Centr.-Boden- Kreditbank . . . „ 0-338 „ „ Boden-Kredit-Anstalt Zusammen : 20-800 Mill. Fl. Stand der Darlehen am 31. December 1883. Oesterr.-ungar. Bank Boden-Kredit-Anstalt Darlehen im Betrage von 86-989 Mill. Fl 896 28-942 „ ., in Gold 1472 38-376 m „ in B.-V. 25-025 79-582 ff ff — 6-129 „ „ Central - Boden - Kreditbank .....— 4"572 Zusammen: — 244-590 Mill. Fl. Am 31. December waren Pfandbriefe im Umlaufe *) Darunter eine in ein amortisirbares Darlehen umgewandelte pfand-rechtlich versicherte Wechselforderung per 5-552 Millionen Gulden, Oer Geldmarkt etc. 521 Oesterr. Ungar. Bank Boden-Kredit-Anstalt j Erste österr. Sparkasse . Oesterr. Hypothekenbank Central-Boden-Kreditbank Zusammen Mill. Fl. 82-682 83-598 34-580 34-232 in Gold 29-663 32-369 „ B.-V. 21-421 16*776 7-034 5-841 6-322 6-183 181-702 178-999 In dem von der Boden-Kredit-Anstalt betriebenen Korn-"nunal-Darlehensgeschäfte, welches sich theilweise gleichfalls auf hypothekarischer Grundlage bewegt, machte sich 1883 abermals das Bestreben der Schuldner, ihre Golddarlehen abzu-stossen, geltend, ohne dass jedoch die Nachfrage nach Darlehen in Bankvaluta sich wie in den vorhergehenden Jahren steigerte. Die Bewegung in diesem Geschäftszweige wird durch die folgende Uebersicht veranschaulicht. Stand der Neu Zurück- Zurückgez. Stand der Darlehen am gezahlte ('esammt- Darlehen am I. Januar Darlehen ^ betrag 31. December An- Betragin An- Betrag in An- Betrag in zahl Mill. Fl. zahl Mill. Fl. Mill.Fl. zahl Mill. Fl. 1882 8^3 l 2 0'2IO — — — 2 o-2io in Gold 31 2-346 18 4-671 0-077 49 26-941 „ B.-V. 2 o-2io — — 0-099 1 o-iii „ Gold 49 26-941 16 1-534 1-155 60 27-320 „ B.-V. An Kommunal-Obligationen befanden sich im Umlaufe: . Ende 1882 21-152 Millionen Gulden „ 1883 22-383 Beim Gesammt - Kassenrevirement weisen nachstehende Wiener Kreditinstitute in Millionen Gulden folgende Ziffern aus Millionen Gulden österr. Währung l882 1883. Oesterr.-ungar. Bank......9.636-942 8.845511 Wiener Giro- und Kassenverein . . 5.867-674 4.903-941 Niederösterr. Eskompte-Gesellschaft . 1.998-012 1.913-718 Kredit-Anstalt........1.321-369 1.263-999 Oesterr. Länderbank......1.023-100 1.181-578 Union-Bank......... 75^"5 5 5 695-972 Anglo-österr. Bank....... 722-974 674-256 Erste österr. Sparkasse..... 760-151 577469 Wiener Bankverein...... 377-111 391 -973 Boden-Kredit-Anstalt...... 4SO"357 336*608 Wiener Lombard-und Eskomptebank 187-163 175-631 Depositenbank....... 197*049 173-720 Wiener Bank-Gesellschaft Verkehrsbank .... Neue Wiener Sparkasse Oesterr. Hypothekenbank 186-200 111-500 132-575 120-909 11-936 14-241 5-823 8-911 Zusammen: 23.634-991 21.389-937 Das Kassenrevirement nahm in der Berichtsperiode um 1245 Millionen Gulden oder 5'2°/0 gegen 1882 ab. Der im Bankgeschäft 1883 erzielte „Jahresgewinn'* war «ebenso wie im Vorjahre verhältnissmässig befriedigend. Es weisen die nachbenannten Kreditinstitute für 1882 und 1883 als Reingewinn aus: 1882 1883 % des Act-. . »/„des Act. -Mill.Fl. kapital* Mill.Fl. kapitala Oesterreich.-ungar. Bank . . . &618 7-35 6-6o8 7-343 Credit-Anstalt ...... 4449 Ii 4-111 10-277 Oesterr. Länderbank .... 3-240 6-919 2921 6-23 1882 1883 0 . des Act.- 0/ 0 des Act.- kapitala Mill.Fl Mill.Fl. kapitals Boden-Credit-Anstalt . . . . 1757 18-3 1-572 16-37 2 8 röoi 6-4 Union-Bank........ r/180 7-86 0-999 6-66 Anglo-österr. Bank..... 0765 4-25 0.913 5-07 Niederösterr. Kskompte - Gesell- 0741 10-5 0-612 8-74 Depositenbank...... 0'685 8-56 0-605 7-56 0-424 7-589 0-449 8-017 Wiener Giro- und Kassenverein 0-375 12-46 0-321 10-7 Central-Boden-Kreditbank . . 0'420 10-475 0'311 7-775 Wiener Bankgesellschaft . . • 0-217 3-6 0-127 21 Wiener Lombard- 11. Eskompte- 0-I02 8-5 0.096 8 Oesterr. Hypothekenbank . . 0-048 9-6 0-048 9-6 Zusammen: 23-02I 8-229 21-294 7-61 Der in Betracht gezogene Reingewinn hat sich demnach ini Vergleich mit dem Vorjahre um 1-727 Millionen Gulden oder um 7-5% verringert, was einem Sinken der Rentabilität des Actienkapitals um fast 062% entspricht. Trotz dieser Differenz ist der erzielte Gewinn im Hinblick auf die herrschenden Verhältnisse des Geld- und Effektenmarktes keineswegs ungünstig und kann als ein um so anerkennens-wertherer Erfolg bezeichnet werden, weil er zum grossen Theil aus dem mit geringerem Risiko verbundenen regulären Bankgeschäfte entstammt und in diesem in Folge der Zinsfussver-hältnisse und der scharfen Mitbewerbung unter verwohlfeilten Bedingungen gearbeitet werden musste. An dem im Ganzen nicht erheblichen Mindererträgnisse sind, mit Ausnahme von v,er Instituten, sämmtliche Banken, allerdings in sehr ungleichem Masse, betheiligt. In Procenten des Vorjahrserträgnisses ausgedrückt, schwankt das Zurückbleiben zwischen 0-15% als dem geringsten (Oesterr.-ungar. Bank) und 41*4% (Wiener Bankgesellschaft) als dem höchsten Minderertrage. Von den mit keinem Mindergewinne abschliessenden Kreditinstituten weisen zwei Anstalten, die Lombard- und Eskompte-bank und die Oesterr. Hypothekenbank, gegen 1882 fast die gleichen Erträgnisse, zwei Banken dagegen, die Anglo-österr. Bank und die Verkehrsbank, sogar grössere Jahresgewinne aus, da jedoch der erstgenannten die bevorzugte Stellung nur im Verhältnisse zu einem durch Verluste empfindlich verkürzten Gewinnsaldo des Vorjahres zukommt, so ist es nur die Verkehrsbank, welche einen Mehrgewinn in Folge geschäftlicher Zunahme (hier des Pfandleihgeschäftes) ins Verdienen brachte. Die pro 1883 vertheilten Dividenden betragen 19/431 Millionen Gulden gegen 20*511 Millionen Gulden im Vorjahre und kommen einer Verzinsung des in Aktion gestandenen Aktienkapitals von 279725 Millionen Gulden mit 6*94ü/„ (gegen 7-33% im Vorjahre) gleich. Die durchschnittliche Rentabilität des Bank-Actienbesitzes ist daher erneuert, u. z. um o,39ü/„ gesunken. Sämmtliche Bankinstitute, mit Ausnahme der Wiener Bankgesellschaft, kamen für eine 5- und mehrprozentige Verzinsung ihrer Coupons auf; die Extreme der Verzinsung waren 2 und i2-5"/0; eine grössere Dividende als im Vorjahre vertheilte nur die Anglo-österr. Bank. Für den Aktiencoupon zahlten: 1882 1883 Die österr. Boden - Kredit-Anst. 10 „ Kredit-Anstalt..... 15 „ Lombard- 14. Eskomptebank 8 „ Österr. Hypothekenbank . 4 „ niederösterr. Eskompte-Ge- Gulden Gulden 10 «4 8 12-5 8-75 8 8 8 4 Seilschaft......45 9 37 TA Der W'-r-r Giro- und Kassen Verein ..... Die östet/.-ungar. Bank . . Depositenbank . . . » Verkehrsbank .... Central-Boden-Kreditbank „ Union-Bank..... Der Wiener Bankverein . . Die österr. Länderbank . . „ Anglo-österr. Bank . . Wiener Bankgesellschaft 1882 1883 Gulden °.'„ Gulden 0,, .6-5 8-25 14-5 7-25 43 7* 166 43 '5 7"5 14 7 9"5 6-78 9'5 6-78 16 8 13 6-5 7 7 6 6 7 7 6 6 7-6 6-4 7-012 5V 5 4-16 6 5 7 3'5 4 2 Grosses Aufsehen machte in Oesterreich-Ungarn im Jahre 1884 der Vorfall mit der „Galizischen Rustical-Kreditanstalt". Nachdem schon seit längerer Zeit über dieses Institut ungünstige Gerüchte im Umlauf waren, brach schliesslich die Kata strophe herein. Die Januarfälligkeiten konnten nicht eingelöst werden, deshalb fiel plötzlich der Kurs der Pfandbriefe sehr bedeutend. Nur dadurch, dass die Rustical-Kreditanstalt von der Galizischen Rusticalbank 200.000 Fl. und von dem galizischen Landesausschuss aus Landesmitteln 1 50.000 Fl. Vorschuss empfing, vermochte sie nachträglich die Coupons UT*d die verloosten Pfandbriefe einzulösen. Die „Neue Freie Fresse" bemerkte zu diesem Vorfall, dass die Aufmerksamkeit der Börse durch dieses Ereigniss, welches selbst in Oesterreich als einzig in seiner Art bezeichnet wer-den dürfe, ganz besonders in Anspruch genommen wurde. Fdne Hypothekar-Anstalt ist plötzlich ausser Stande ihren Verpflichtungen rechtzeitig nachzukommen; Pfandbriefe, die Zuflucht, welche Waisen und Wittwen für ihre Kapitalien aufsuchen , wären beinahe nothleidend geworden; ein Institut, Welches mit der Atisübung des kostbarsten Privilegiums aus- 526 Oestorreich- Ungarn, gestattet ist, muss an die öffentliche Hülfe appelliren, damit nicht durch einen Ruin eine Panik erzeugt werde. Sind wir inmitten einer Krisis, hat der wirtschaftliche Zusammenbruch alle seine Schrecken entfesselt ? Nein! es giebt nur ein Institut in Galizien, welches seinen Pfandbriefbesitzern nicht weniger verspricht, als eine „sechsprozentige Verzinsung", einen Antheil an der Dividende, welcher im Vorjahre ein halbes Prozent betrug, und eine Amortisation in fünfzehn Jahren. Welchen Zinsfuss muss eine Bank ihren Schuldnern auferlegen, um den Gläubigern solche Zahlungen leisten zu können? Wo ist die Quelle des ökonomischen Uebels in Galizien? In der Schankstube oder im Pfandbriefbureau? Ist es ein Wunder, wenn durch die segensreiche Wirksamkeit dieser Bank fast dreitausend Grundwirthschaften exe-cutiv veräussert wurden, wenn das Institut schliesslich auf den Ruinen so vieler bäuerlichen Höfe selbst zu Grunde geht?" Im Jahre 1883 machte die österreichische „Assekuranz" abermals einen Entwickelungsfortschritt und diese Kntwickelung vollzog sich trotz vielfacher Hindernisse, welche sich den Anstalten entgegenstellten. Hierzu gehören in erster Linie die bedeutenden Abgaben an den Staat in Form von Stempelgebühren und verschiedenartigen Steuern, zu welchen sich im verflossenen Jahre noch eine neue Abgabe zu Gunsten der Feuerwehren gesellte. — Die Gesellschaften lassen zwar einen Theil dieser Abgaben, nämlich den Stempel und die Feuerwehrsteuer, direkt von den Versicherten tragen, um nicht die Prämien erhöhen zu müssen, aber es ist natürlich, dass eine Vertheuerung der Versicherung nicht zu weiterer Popularisirung derselben beitragen kann. Ausserdem wird die Gesellschaft neuestens auch noch von einer anderen Gefahr bedroht, nämlich die Steuerbehörden wollen jetzt den Tausenden von Versicherungsagenten eine Steuer auferlegen. Infolge dessen langten aus diesen Kreisen zahlreiche Reklamationen an die I >er Geldmarkt etc. 527 Compagnien ein, worin die Beschwerdeführer mit Niederlegung der Vertretung drohten, wenn sie diese Steuer aus Eigenem entrichten müssen. Selbstredend können aber die Gesellschaften für ihre Agenten, von denen manche 5000 bis 6000 besitzen, nicht die Steuer bezahlen, denn sie würden eine derartige Belastung ihres Budgets nicht ertragen. Die Österreich - ungarischen Versicherungs-Gesellschaften unterscheiden sich in überwiegender Mehrzahl dadurch von den gleichartigen Unternehmungen des Auslandes, dass sie an der heimathlichen Scholle haften bleiben und ihre Geschäfte nicht über fremde Länder ausdehnen. Bloss in Italien, wo einige Compagnien seit Beginn ihrer Thätigkeit operiren, m Deutschland, wo zwei bis drei Lebensversicherungs-Gesellschaften in einigen Provinzen arbeiten, und endlich in einigen fremdländischen Städten haben sich österreichisch-ungarische Versicherungsanstalten niedergelassen. — Das Prinzip der Re-ciprocität, auf Grund dessen in Gemässheit des Gesetzes vom 29- November 1865 ausländische Versicherungsgesellschaften 2um Geschäftsbetriebe in Oesterreich zugelassen wurden, hat ■sich für die österreichisch-ungarischen Compagnien zum Nachgebe gestaltet, weil diese von der Reciprocität beinahe gar keinen Gebrauch machen, trotzdem sie die gleiche Aktionskraft, wie die ausländischen Anstalten besitzen, Während amerikanische, englische, französische und belgische Assekuranz-Anstalten Zweigniederlassungen in Oesterreich-Ungarn gründeten, ist es noch keiner einzigen einheimischen Anstalt in den Sinn gekommen, auf diese Länder ihren Geschäftsbetrieb auszudehnen. — Wir finden daher, dass mit Schluss des Jahres 1884 in Cisleithanien circa 50 fremdländische Versicherungs-Gesellschaften thätig waren, wovon ungefähr zwei Drittheile das direkte und die übrigen das indirekte Rückversichern ngs-Geschäft kultiviren. Die „Feuerversicherung" hebt sich von Jahr zu Jahr, und besonders die Landbevölkerung, welche zum Theil noch der Association, gleichgültig in welcher Form, widerstrebt, lernt allmählich die wohlthätige Wirkung der Feuerassekuranz schätzen. Dies zeigt sich umsomehr in jenen Ländern, wo der Bauer bisher den Versicherungsschutz nur bei den, die Urform aller Assekuranz repräsen-tirenden Orts- oder Bezirksvereinen, welche man gewöhnlich „Bauernvereine" nennt, suchte. Derartige Vereine giebt es in Oesterreich mehrere Hundert. So besitzt z. B. allein Ober-Oesterr^'ch ungefähr 140. — Alle diese Vereine verschwinden natürlich immermehr mit der zunehmenden Krkenntniss der Unzulänglichkeit dieser Institutionen. Das Feuergeschäft ist jedoch lange nicht so lukrativ, als man im Allgemeinen glaubt. — Die Konkurrenz der Gesellschaften hat allmählich die Prämien auf die äusserste Grenze der Zugeständnisse an die Versicherten herabgedrückt. — In Oesterreich-Ungarn versichert man aber nicht nur billig, sondein auch gut. In Schadenfällen sind nämlich die Compagnien ganz ausserordentlich coulant, und dies hatte solche Dimensionen angenommen, dass die ungarische Regierung vor einigen Jahren den Gesellschaften Vorstellungen über ihre zu weit reichende Facilität bei Liquidirung von Feuerschäden machte und darauf hin wies, dass dieselbe erfahrungsgemäss zu spekulativen Brandstiftungen anreize.— Diese zahlreichen Brandstiftungen, sowohl spekulative, wie böswillige, von dritter Hand herrührende, kommen aber auch ebenso häufig in Cisleithanien vor und verschlechtern das Geschäft. — Vielfach hat man sich schon mit dieser Frage beschäftigt und ist zu dem Resultat gelangt, dass in dieser Beziehung, hauptsächlich was die auf dem platten Lande in erschreckender Menge zunehmenden Brandlegungen betrifft, eine Verschärfung der Vorschriften über das Vagabundenwesen unbedingt nothwendig ist. — Die so häufigen Brandstiftungen werden sich aber erst thatsächlich verringern, wenn mit der wachsenden Kultur auch das Rechts- und Sittlicbkehsg üb1 Ihm- Geldmarkt etc. 520 ■gehoben wird. — Ein weiterer, die Versicherungsgesellschaften schädigender Uebelstand ist, dass in Oesterreich-Ungarn, mit geringen Ausnahmen, von Gebäuden nur die der Zerstörung 61 u. s. w. — Nur ausnahmsweise kommen Bestimmungen vor, welche gebietender oder verbietender Natur sind. Die Uebertretung der im Handelsgesetzbuche vorkommenden gebietenden oder verbietenden Vorschriften hat die Folge, dass die Rechtshandlung wirkungslos ist, z.B. Art. 7, 43, 112 etc., oder dass eine Strafe oder Verpflichtung zum Schadenersatz eintritt, z.B. Art. 16—21, 23, 25 etc. Hier tritt die Wirkung ein, dass nicht bloss das Handelsbuch die beweisende Kraft verlieren, sondern dass auch der Kaufmann der leichtsinnigen Crida schuldig erkannt werden kann, $ 486 St.-G. 47, 71—81, 86—89 u.s.w. Oder es tritt die Ungültigkeit des Rechtsaktes und eine Verpflichtung zum Schadenersatz oder eine Ordnungsstrafe ein, z. B. Art. 27, 178 , 197 u. s. w. Das österreichische Handelsgesetzbuch ist keineswegs ausschliesslich ein Gesetz für Kaufleute, denn es giebt Handels, sachen, wie z. B. I landelsgesellschaften, die auch von Nichtkaufleu ten eingegangen werden können; ausserdem giebt es Handelsgeschäfte, Art. 271, die auch dann als solche anzusehen, mithin nach dem I fandelsgesetzbuche zu beurtheilen sind, wenn sie auch von einem Nichtkaufmanne geschlossen Werden. — Ebenso hat das I landelsgesetzbuch selbst dann, Wenn das Geschäft nur auf Seite des einen Contrahenten ein Handelsgeschäft ist, auf beide Contrahenten Anwendung. In Handelssachen kommen, insofern dieses Gesetzbuch keine Bestimmungen enthält, die 1 landelsgebräuche und in deren Ermangelung das allgemeine bürgerliche Recht zur Anwendung. — Da durch das Handelsgesetzbuch nicht alle früheren I landelsgesetze aufgehoben wurden, so bilden auch diese noch in Kraft bestehenden früheren Handelsgesetze "eben dem ,,Handelsgesetzbuche" eine Eutscheidungsquelle. — Das allgemeine bürgerliche Recht findet in Handelssachen gewöhnlich erst dann Anwendung, wenn weder das Handelsgesetzbuch, noch die neben dem Handelsgesctzbuche bestehenden Handelsgesetze oder die Handelsgebräuche eine Entscheidung enthalten und nur dann, wenn das I landelsgesetzbuch selbst auf die Landesgesetze hinweist , bilden diese allgemeinen Landesgesetze entweder eine dem Handelsgcsetzbuche vorhergehende oder alleinige Entscheidungsquelle. — Die österreichische Wechselordnung datirt vom 1. Mai 1S50 und wird „deutsche Wechselordnung" genannt. Zur Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit sind in Oesterreich-Ungarn die „Handelsgerichte" und die „Gerichtshöfe erster Instanz", Handels-Senate eingeführt. — In der Türkei dienen die österreichischen Con-sulargerichte zur Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit. — An Orten, wo sich kein Handelsgericht oder zur Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit bestimmter Gerichtshof erster Instanz befindet, können die dahin gehörigen Streitigkeiten mit Ausnahme derjenigen aus Wechselstreitigkeiten auch bei den zuständigen gewöhnlichen Gerichten angebracht werden. Das ungarische Handelsgesetzbuch hat im § 3 den Begriff „Kaufmann" in folgender Weise festgestellt: Als Kaulmann im Sinne dieses Gesetzes ist anzusehen, wer im eigenen Namen Handelsgeschäfte gewerbsmässig betreibt. — Nach den früheren österreichischen Gesetzen gehörten zu den Kaufleuten jene Personen, deren gewerbsmässige Beschäftigung in dem Umsätze beweglicher Sachen in unveränderter Form bestand. Das Geschäft des Kaufmanns war also blos eine Vermittelung zwischen Consumenten und Producenten! — Das Handels* gesetzbtich hat den Begriff erweitert und sagt: „Eine rechtliche Vermuthung dafür, dass Derjenige, welcher einmal Kaufmann geworden ist, dies auch geblieben sei, besteht nicht, denn die „Kaufmannseigenschaft" beruht lediglich in der Thatsache, dass Jemand im eigenen Namen Handelsgeschäfte betreibt." Ms ist daher derjenige nur als Kaufmann anzusehen, der Handelsgeschäfte gewerbsmässig betreibt. Das Gesetz verlangt zum Begriffe eines Kaufmanns kein formelles Erforderniss, 11. z. weder die Eintragung in das 1 landelsregister. noch die Zuständigkeit zu einer Staats- oder Gemeindebehörde, noch eine besondere Concession. Es ist gleichgültig, ob derjenige, auf dessen Namen das Gewerbe betrieben wird, selbst beim Betriebe thätig ist, ob das Gewerbe auf eigene oder fremde Rechnung geht, ob er es allein oder in Gesellschaft mit anderen betreibt. — Zum Begriffe eines Kaufmanns gehört also wesentlich, dass er die Handelsgeschäfte im eigenen Namen gewerbsmässig betreibe, daher ist der Commissionär, der Spediteur und der Frachtführer als Kaufmann anzusehen, keineswegs aber der Procurist oder der Handlungsbevollmächtigte.—Doch sind unter der Bezeichnung Kaufleute nicht blos die eigentlichen Handelsleute, sondern auch jene Gewerbsleute, wie Apotheker, Wirthe u. dgl., zu verstehen, die gewerbsmässig Handelsgeschäfte betreiben. — Die in Betreff der Kaufleute gegebenen Bestimmungen gelten in gleicher Weise in Betreff der Handelsgesellschaften, besonders auch der Actiengesellsc haften, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens in Handelsgeschäften besteht. Dieselben beziehen sich auch auf die öffentlichen Banken in den Grenzen ihres I landelsbetriebes, unbeschadet der für sie bestehenden Verordnungen. Das Handelsgesetzbuch unterscheidet zwei Gattungen von Kaufleuten: Vollberechtigte Kaufleute, „Vollkaufleute", und „minderberechtigte Kaufleute". Vollkaufleute sind diejenigen, auf welche die Bestimmungen über Firma, Frocuren und Handelsbücher Anwendung haben. Vereinigung zum Betriebe eines Handelsgewerbes, auf welches die bezeichneten Bestimmungen keine Anwendung finden, gelten nicht als Handelsgesellschaften. — „Minderberechtigte Kaufleute" sind aber diejenigen, auf welche die Bestimmungen über Firma, Frocuren und Handelsbücher keine Anwendung haben. — Den Landesgesetzen ist es vorbehalten, diese Klassen von Kaufleuten näher zu bestimmen. Der Art. 10 lautet wörtlich: „Die Bestimmungen , welche dieses Gesetzbuch über die Firmen, die Handelsbücher und die Procuren enthält, finden auf 1 locker, Trödler, Hausirer und dergleichen Handelsleute von geringerem Gewerbsbetriebe, ferner auf Wirthe, gewöhnliche Fuhrleute, gewöhnliche Schiffer und Personen, deren Gewerbe nicht * ^tr.rreich-Ungnrn. «J5 über den Umfang des Handwerksbetriebes hinausgeht, keine Anwendung etc. Nach der österreichischen Handelsgesetzgebung haben die „minderberechtigten Kaufleute" weder das Recht noch die Pflicht, ihre Firma zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden oder Bücher zu führen, und sind gesetzlich unfähig, einen Procuristen im Sinne des Handelsgesetzbuches und mit den Wirkungen desselben zu ernennen. Sollte demungeachtet ein „minderberechtigter Kaufmann" einen Procuristen ausdrücklich oder stillschweigend ernannt haben, so ist derselbe nur als „Handlungsbevollmächtigter" anzusehen. — Bei Bestimmung der Pflicht zur Firmaprotokollirung ist nicht die Seelenzahl der Katastral-gemeinde, sondern jene der Ortschaft massgebend, in welcher das Gewerbe betrieben wird. — Bei Beurtheilung der Firmapflicht eines Kaufmanns ist der Betrag der gesammten direc-ten Steuern, sowohl Erwerbs- als Einkommensteuer, massgebend. Zu den schon im früheren Abschnitt besprochenen Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, welche gegen Ende des Jahres 1883 bereits in Oesterreich die Zahl von 1515 in Ungarn von 357 erreicht hatten, wovon in Oesterreich 1120 Vorschussvercine, 235 Consumvereine, 41 gewerbliche, 61 landwirtschaftliche Genossenschaften und 49 diverse Vereine mit einer Mitgliederzahl von 550.000 und einem Kapital von 246 Millionen bestanden, kam im Jahre 1883 noch eine „Handelsgenossenschaft" mit beschränkter Haftung hinzu, welche sich die Förderung des Mehlexportes zur Aufgabe stellte, und eine Genossenschaft, die den An- und Verkauf, die Bewirthschaftung und den commissionsweisen V7erkauf von Liegenschaften in Bosnien und der Herzegowina bezweckt. „Als Lehranstalten für den Handel" giebt es in Oesterreich die Handelsakademien in Wien, Linz, Graz, Prag, Chrudin, Triest und Budapest. Ausserdem bestehen noch 75 Handelsschulen, u. z. 49 in Cis- und 26 in Transleithanien. — Eine in das Unterrichtsgebiet einschlagende Consequenz der neuen Gewerbeordnung war die vom k. k. Handelsministerium am 17. September 1883 erlassene Verordnung, worin diejenigen gewerblichen Lehranstalten bezeichnet wurden, deren Zeugnisse zum Antritt handwerksmässiger Gewerbe berechtigen, ferner die zugehörige Durchführungs-Verordnung des k. k. Unterrichtsministeriums vom to. October 1883. Uie Wiener Handels-Akademie hatte in den Jahren 1881 bis 1883 folgenden Lehrer- und Schülerstand: Schüler Schüler Lehrkräfte am Arif. am Schi, am Anf. am Sehl. des Schuljahres des Schuljahres 1881/82 188283 Handels-Akademie Einjähriger Lachems .... Abendeurs f. kaufmännische Lohrgegenstände . 28 36 1881/82 554 516 86 73 94 1882/83 6t I 588 64 55 — 88 Das Laboratorium der Akademie für Waarenkunde, welches den neuen Bestimmungen zufolge allen Studirenden jedes Jahrganges der Akademie und des Facheurses zugänglich ist, Würde im Schuljahre 188283 von 194 Hörern, gegen 55 im Vorjahre, besucht. Die Gremial-Handelsfachschule der Wiener Kaufmannschaft zählte: Schüler Lehrkräfte am Auf. am Schi. des Schuljahres l88l/82 26 I.335 1-238 [88283 22 1.288 I,IJ3 443 (. >esterrcich-Ungaru. Von i 106 geprüften Schülern erhielten im letztgenannten Schuljahre 154 Vorzugszeugnisse, 731 Erste Classe. An den vom Gremium veranstalteten Specialcursen befanden sich: Schüler am Anfange am Schlüsse des Schuljahre- 1 881/82 l88 283 Abendeurs..... 75 5« 51 - Commiscurs..... 3i 20 30 — Französischer Spracheurs 56 3<5 1" - Englischer Spracheurs 16 15 Mit strenger Handhabung der Schulordnung wurde bis zum Schlüsse des Schuljahres an der Anstalt ein sehr befriedigender Unterrichtsbesuch erzielt. Gerade so wie in Deutschland und in der Schweiz bildet auch in Oesterreich die „Ueberfüllung im Kaufmannsstande" eine vielfach erörterte Frage. Diese Ueberfüllung beruht allerdings zum Theil auf den eigentümlichen volkswirtschaftlichen Verhältnissen unserer Zeit, andererseits aber auch auf einer gewissen Einseitigkeit in der Wahl der Berufsrichtung. Doch der Ueberfüllung stehen aber auch in Oesterreich-Ungarn andererseits leider nur allzuhäufig die gerechtfertigten Klagen vieler Prinzipale gegenüber, dass es ihnen sehr schwierig wird, gewisse Posten mit durchaus tüchtigen, verlässlichen Arbeitskräften zu besetzen. Ganz tüchtigen jungen Kaufleuten ist nämlich heut zu Tage in den zahlreichen Bankinstituten und ähnlichen Anstalten Carriere er öffnet, welche vielfache Vortheile gegenüber der Verwenduni! bei Privaten, besonders aber die unter den gegenwärtigen Verhältnissen so werthvolle Existenzsicherheit bietet. Ausserdem gewährt das zunehmende Agentenwesen, wie wir schon an früherer Stelle erörtert haben, immer mehr Gelegenheit zur Selbstständigkeit, ohne im Allgemeinen den Besitz bedeutenderer Mittel zu erfordern. — Daher herrscht in Oesterreich-Ungarn an hervorragenderen Hilfskräften, die eine Verwendung bei Privatunternehmungen suchen, kein Ueberfluss, wohl aber an Kräften zweiten und dritten Ranges. Dabei ist hervorzuheben, dass dieser Ueberfluss namentlich in Schreibkräften obwaltet, während routinirte Magazineure, Verkäufer etc. wiederum nach den Aussagen vieler Prinzipale keineswegs allzuhäufig sind. Also finden wir auch hier wieder die Spuren des unserer Zeit anhaftenden Vorurtheiles, der Beschäftigung mit der Feder allzu hold zu sein. Der Grund liegt theilweise in den Handelslehranstalten, welche einseitig bestrebt sind, Buchhalter, Correspondenten etc. heranzubilden, nicht aber Handelsbeflissene, welche durch hinlängliche theoretische Ausbildung geeignet sind, jeden Zweig der weitumfassenden kaufmännischen Thätigkeit zu erfassen und zur Zufriedenheit zu versehen. — Es sind eben so ziemlich dieselben Zustände wie in Deutschland, nur mit dem Unter schiede, dass hier die Ueberfüllung vorzugsweise darauf zurückzuführen ist, dass eine grosse Anzahl ungenügend vorgebildeter junger Leute in den Kaufmannsstand eintreten, die in einem anderen Berufe kein Fortkommen finden. Diese soeben geschilderten eigenartigen Verhältnisse und die theilweise Ueberfüllung des Arbeitsmarktes bestimmen denn auch naturgemäss in Oesterreich-Ungarn „die Art der Entlohnung". Während die geringe Zahl wirklich tüchtiger Hülfskräfte gegenüber anderen Berufsklassen verhältnissmässig zu hoch entlohnt werden, finden diejenigen untergeordneten Ranges häufig, da ihr Angebot zu gross, nur ein äusserst geringes Einkommen, wodurch ein unzufriedenes Proletariat geschaffen wird, das nur zu sehr mit allen „Staat- und Gesell. schaft- umstürzenden Parteien" kokettirt und in vieler Beziehung noch gefährlicher für die Ruhe und das sichere Gedeihen der Monarchie ist, wie das Arbeiterproletariat. — Ueberhaupt ist Oesterreich-Ungarn leider nur zu sehr mit einer erschreckenden Masse arbeits- und existenzloser Kopfarbeiter und sogenannter Intelligenz überfüllt, wozu übrigens der zahlreiche verarmte Adel ein beträchtliches Kontingent liefert. - - Gerade so wie in den meisten modernen Kulturstaaten der Erde, herrscht auch in Oesterreich-Ungarn die Krankheit unserer Zeit, die Arbeit „mit der Feder", als das Ideal menschlicher Thätigkeit anzusehen und es förmlich für eine Schande zu halten, sich mit dem Pfluge oder Handwerksgeräth das tägliche Brod zu verdienen. Der Bauer, wenn er einige Felder mehr als den gewöhnlichen bäuerlichen Besitz inne hat, will nicht mehr Bauer, sondern „Grundbesitzer, Oekonom" heissen, nur noch die Landwirtschaft leiten, die Arbeit schlecht und recht seinen Knechten überlassen; und der Handwerker macht es gerade so. Er ist leider nicht mehr, wie früher, stolz darauf Meister zu sein, sondern giebt sich wenn es ihm auf geradem und krummem Wege gelungen ist, ein paar kleine Maschinen in seiner Werkstatt aufzustellen und einige Arbeiter mehr zu beschäftigen, am liebsten den Titel r,Fabrikant" weil er sich einbildet, dass es vornehmer ist! — Die Handarbeit muss eben wieder in allen Kulturländern zur vollsten Ehre, zum vollsten Ansehen gelangen, dann wird nicht jeder Bauer und Handwerker, statt seine Sohne in seinem Berufe zu tüchtigen Männern heranzubilden, sich, wie es jetzt geschieht, womöglich jeden Kreuzer vom Munde absparen, um seinen Sohn ,,studiren" zu lassen, oder ihn zum Kaufmann oder irgend einen anderen Kopfarbeiter zu machen. Die Folge des jetzigen, total falschen, die menschliche Gesellschaft nur schädigenden Systems ist, dass der Bauer oder Handwerker, welcher sein bischen Vermögen, oder seine paar ersparten Kreuzer zur Heranbildung seiner Kinder als Kopfarbeiter verwendet, häufig Menschen schafft, die, hinausgesetzt aus ihrer mit der Muttermilch eingesogenen und von Jugend auf anerzogenen Stellung, unzufrieden mit ihrem neuen Lebensberuf sind, weil ihnen die Welt, in die sie künstlich versetzt wurden, völlig fremd, weil die zu ihrer Erziehung verwendeten Mittel nicht hingereicht haben, sie für ihren Wirkungskreis vollkommen auszubilden und sie daher zu Menschen gemacht wurden, die im grossen Ganzen blos unbedeutende Stellungen einzunehmen vermögen, da es ihnen an allen Ecken und Enden an dem dazu erforderlichen Wissen gebricht, Sie sind daher in ihrer künstlich geschaffenen Stellung nur „Halbmenschen", können es, wenn sie kein hervorragendes Talent besitzen, nicht weiter bringen und fühlen sich dabei im höchsten Grade unglücklich, umsomehr, da sie gar kein Vermögen besitzen, weil ihr Erbtheil für ihr „Studiren" verwendet wurde. — Man blicke nur in die Existenz so mancher dieser Tausenden von Menschen und man wird sehen, wäe wir recht haben! — Wie Mancher seufzt, ach hätte mich mein Vater nur zu Hause in der Landwirthschaft oder in seiner Werkstube behalten, es wäre jetzt besser mit mir! — Und diese Leute, die leider zu spät ihr Unglück, dass durch falschen Ehrgeiz und Unklugheit der Eltern hervorgerufen wurde, einsehen, sprechen gewiss die Wahrheit, denn sie haben es praktisch in der bitteren Schule des Lebens erprobt. Hätte der Bauer oder Handwerker, der seinen Sohn in die Stadt zum Studiren schickte, um aus ihm einen halbfertigen, besitzlosen, mit sich und der ganzen Welt unzufriedenen Kopfarbeiter und sogenannten „Intelligenzproletarier" zu machen, den Sohn bei sich auf dem Bauernhofe oder in der Werkstube behalten, aus ihm einen tüchtigen Bauer oder Handarbeiter gemacht und ihm schliesslich das bischen Vermögen, die paar Sparkreuzer, welcher er zu seinem „Studiren" verwendete, als Betriebsmittel zur Vergrösserung oder Verbesserung der Bauernwirthschaft oder der Werkstube gegeben, so hätte er ganz sicher seinem Sohne und dem Staate einen grossen Dienst erwiesen, somit sich selbst ein bedeuten- des Verdienst erworben, denn der Sohn wäre wahrscheinlich ein glücklicher, zufriedener Mensch und der Staut um einen durchaus tüchtigen, besitzenden Bürger reicher geworden. Und selbst dann, wenn der Bauer oder Handwerker hinreichendes Vermögen hat, seinen Sohn vollkommen ausstudiren zu lassen und ihm auch noch eine Geldsumme auf dem Lebenspfade mitzugeben, wird in vielen Fällen doch noch nicht der erwartete Zweck erfüllt, sondern es werden dann häufig nur „Mittelmenschen" geschaffen, die sich und dem Staate blutwenig in ihrer künstlich hervorgerufenen Stellung nützen und besser zu Hause auf dem Bauernhofe oder in der Werkstatt ihren Platz ausgefüllt hätten. — Nicht die Schule allein vermag den Menschen zu erziehen, für einen Beruf heranzubilden, sondern der grösste Theil daran fällt den Kitern zu, bleibt der häuslichen Erziehung zu vollbringen. Die Eltern sind es, die den Menschen mehr oder minder z um Menschen machen, die Schule kann nur f ö r d e r n I Y. Das Verkehrswesen. - Der Fischfang und die Korallenfischerei. kurze geographische Beschreibung des Landes in Bezug auf das Verkehrswesen. — '■nndstrassen und Chauseen {Beschaffenheit, Art der Erhaltung), — Eisenbahnen \Längt der Schienenstränge, Betriebsmittel, Dividenden, Depots und Werkstätten, Leistungsfähigkeit, Fahrpreise und Frachtsätze, Fahrgeschwindigkeit,- Zustand der ^ihnkörpcr, des rollenden Materials und der Objecte; im Bau begriffene und trojcctirte neue Linien; hervorragende A uns/bauten). — Das Postwesen (Post-■'"'kehr, Porto, Postsparkassen). — Das Felegraphenwesen (Drahtlänge, De-Pßschenverkehr, Tarife). — Die Kanäle. — Die fluss- und Seeschiffahrt (Anzahl der Schifte im fahre, die Hafen und wichtigeren Landestellen). k&ndstrassen, Chausseen und Eisenbahnen in Oesterreich-Ungarn. Das Terrain Oesterreich-Ungarns ist im grossen Ganzen gebirgig oder bergig, denn im Südwesten erheben sich die ^'l'en, welche mit ihrer Centraikette, sowie den dieser nörd-]ch und südlich vorgelagerten Zügen Tirol und Vorarlberg, Salzburg, die südlich von der Donau gelegenen Theile Ober-l'nd Niederösterreichs, Steiermark, Kärnthen, Krain und Görz füllen, ja, sich sogar bis nach dem westlichen Ungarn, Kroatien und Slavonien erstrecken und ihre höchsten Punkte im 3905 Meter hohen „Ortler" in Tirol und im 3787 Meter hohen „Grossglockner", an der Kärnten-Salzburger Grenze, erreichen. — Im südlichen Krain schliessen sich die Kalkgebirge des Karst an, welche in einer Höhe von 1200—1580 Metern durch das Küstenland, die Militärgrenze und Üalmatien nach der Türkei ziehen. — Im Osten dehnen sich in bogenförmige?' Richtung über Schlesien, Mähren, Galizien, Ungarn, die Bukowina und Siebenbürgen bis nach der Militärgrenze die Karpathen aus, welche in den Granitkolossen der Tatrakette, in der „Gerlsdorfer- und Lomnitzer-Spitze" bis 2539 und 2511 Meter emporsteigen. — Schliesslich wird der Nordwesten des Reiches von den Sudeten, in Midiren, Schlesien und Böhmen erfüllt, die im Riesengebirge in der „Schneekoppe", 15 80 Meter, ihren höchsten Punkt erreichen und mit dem Erz- und Fichtelgebirge sowie mit dem Böhmerwalde in Verbindung stehen — Die grösSten Ebenen in Oesterreich-Ungarn finden wir in Ungarn und Galizien u. z. hat die grosse ungarische Ebene, wie wir wissen, 93.600 [ [Kilometer. Die wichtigsten Hauptstromsysteme bilden mit ihren schiffbaren Nebenflüssen die Donau, 1372 Kilometer lang, welche von Passau bis Orsova das Reich durchströmt und während ihres Laufes zum Schwarzen Meere den Inn, die Traun, Ens» Leitha, Raab, Drau, Save, March, Waag, Gran, Theiss mit der Maros, Bega und Temes aufnimmt, ferner die Weichsel mit dem Dunajec, San und Bug; und schliesslich die Elbe mit der Moldau und Egen 1 lingegen haben der Dnjestr und die EtsCh keine schiffbaren Nebenflüsse. — Der Rhein bespült Oesterreich nur auf einer 26 Kilometer langen Strecke. — Schiffbare Küstenflüsse des Adriatischen Meeres sind der Isonzo, die Zermagna, Kerka, Cettina und Narenta. — Bosnien und die Herzegowina besitzen 7 schiffbare Flüsse, über die 73 Brücken geschlagen sind und bei welchen 38 Fahren in Verwendung stehen. — Unter den schiffbaren Kanälen sind am wichtigsten in Ungarn der „Bacser- und Franzenskanal" zwischen Donau und Theiss, und der „Begakanal" zwischen Bega, Temes und Theiss; in Niederösterreich aber der „Wiener-Neustädterkanal" l^ie Monarchie besitzt viele Binnenseen, namentlich haben die Alpen und Karpathen zahlreiche Bergseen. "Die bedeutendsten Seen im ganzen Reiche sind der ..Platten-" und „Neusiedler-See" in Ungarn; der Czirknitzersee, 165 [^Kilometer, in Krain ist wegen seines periodischen Ablaufens merkwürdig. — Ausgedehnte Sümpfe giebt es hauptsächlich, wie wir schon im II. Abschnitt hervorgehoben haben, in Ungarn. In Folge der eben geschilderten Terrainverhältnisse war denn auch die Herstellung der Landverkehrswege in der Monarchie mit grossen Kosten, sowie beträchtlichem Aufwand an Arbeitskraft verbunden und hat in glänzendster Weise die Genialität der österreichisch-ungarischen Strassen- und Lisen bahningenieure an den Tag gelegt, denn die meisten dieser bauten sind wahre Meisterwerke in jeder Beziehung. Das „Landstrassen-Netz" Cisleithaniens ist viel dichter llnd besser wie das transleithanische. Freilich müssen wir berücksichtigen, dass es bei der eigenartigen, tief sandigen Terrain Beschaffenheit Ungarns, ausserordentlich schwierig und mit enormen Kosten verknüpft ist, wirklich gute, solide Chausseen herzustellen und zu erhalten. Aber es geschah in dieser Beziehung, seitdem Transleithanien selbständig geworden, auch viel zu wenig, ja man hat sogar das Strassennetz, welches unter dem so vielfach in Ungarn angefeindeten Bach'schen Regime und den deutschen Beamten in seinen Hauptrouten Erblich musterhaft'gehalten wurde, — denn das muss man zugeben, Minister Bach verstand es, Ordnung zu halten, — v erfahr 1 osen lassen. Daher muss in Ungarn für das Land-strassennetz noch sehr viel geschehen, denn obwohl gerade diese Reichshälfte in den letzten Jahren ausserordentliche Anstrengungen zum Ausbau seiner Schienenwege gemacht hat, Was in früheren Zeiten leider vollkommen vernachlässigt wurde, So genügt das doch noch immer nicht und beeinträchtigt im höchsten Grade den für die Volkswirtschaft so ausserordentlich nothwendigen leichten Frachtenverkehr zu allen Jahreszeiten in sämmtlichen Gegenden des platten Landes. Das Landstrassennetz Cisleithaniens, besonders in den auf höherer Kultur stehenden Provinzen kann hingegen im grossen Ganzen wirklich vortrefflich genannt werden und dieser gute Zustand wird noch durch ein ausgezeichnetes Baumaterial erleichtert, welches die zahlreichen, fast überall in unmittelbarer Nähe befindlichen Steinbrüche bieten. — Doch wird noch überdies von Seite der Regierung und der Provincialverwaltung beständig emsig an dem Weiterausbau und der Vervollkommnung des Landstrassennetzes gearbeitet. So mächt sich z. B. in Tirol, welches in Kunststrassen und Wegen noch immer beträchtlichen Mangel leidet und in dieser Beziehung der Schweiz bedeutend nachsteht, seit einigen Jahren hauptsächlich in Anlegung neuer und Ausbesserung alter Wegstrassen ein reger Eifer bemerkbar. Ausser der Münsterthalstrasse, die eine leichtere Verbindung zwischen dem Etschlande und Ober-engadin bezweckt und deren Ausbau auf der diesseitigen Strecke bereits von dem Landesausschuss genehmigt wurde, ist jetzt auch der Bau einer Strasse aus dem Thal der Iseh nördlich vom Pusterthal, in das Defereggenthal, nachdem derselbe schon vor Jahren beschlossen, aber wegen Streitigkeiten unter den betreffenden Gemeinden unterblieben war. durch die Initiative der Bezirkshauptmannschaft von Lienz von neuem angeregt und durchgesetzt worden, so dass nunmehr mit dem Bau begonnen wurde. Auch die in unmittelbarer Nähe von Bozen mündende Strasse ins Eggenthal, welche vom Hoch-wasser 1882 zerstört und wiederhergestellt wurde, soll über Welschhofen hinaus über den Caressa-Pass bis Lassa weitergeführt werden. Der genannte Pass bietet eine wichtige strategische Position, ausserdem wird durch die projektirte Verlängerung das an schönen Aussichten auf den Rosengarten, die Rothwand, den Latemar und die Alpe Castelunga reiche Eggenthal in seinem hinteren Theile bequem zugänglich gemacht. Nebst diesen offiziellen Bestrebungen um die Herstellung von Strassen und Wegen in Tirol macht sich auch die lobenswerthe Thätigkeit von privaten Vereinen, besonders Oes „Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins'- und des »Oesterreichischen d'ouristen-CIubs", geltend. Da in Bosnien und der Herzegowina sich die Landverkehrswege nach allen Richtungen ohne irgend ein dem Manzen zu Grunde gelegtes System durchkreuzen, so bildet das dortige Wegnetz ein konfuses Gewirr, in dem sich der fremde nur mit grosser Schwierigkeit zurecht zu finden vermag, ^eberdies haben die Landstrassen noch die Kigenthümlichkeit, dass sie, ohne Rücksicht auf das Terrain, beinahe schnurgrade geführt sind. — Die Landesregierung hat aber eine besondere Thätigkeit entwickelt, so dass die Beaufsichtigung, Ausbesserung und Instandhaltung der hergestellten Strassen gesichert sind. — Gegenwärtig bestehen in Bosnien und der Herzegowina C1rca i 54281 Kilometer für Wagen benutzbare Strassen. Davon werden durch das Militär-Kommando 11 grössere, 1375 Kilometer lange Strassen erhalten; unter Aufsicht der Civilbehörde stehen hingegen 51 verschiedene Strassen mit einer Länge v°n 108383 Kilometer. Die an erster Stelle erwähnten Strassen besitzen vornehmlich in militärischer Beziehung Wichtigkeit, während die unter Aufsicht der Civilbehörden stehenden Linien Zllmeist kommerzielle oder administrative Bedeutung haben. Gegenwärtig wird das Adriatische Meer mit Bosnien und der Herzegowina durch vier Haupthandelsstrassen verbunden u- z. von Metkowic über Mostar nach Serajewo; von Spalato über Livno und Travnik nach Serajewo; von Xengg nach "ihac; und von Ragusa nach Trebinje. Es existirt noch eine Grifte Strasse, welche von Macarsca über Vergorac nach Lju* "*nje führt, doch benutzt dieselbe der Verkehr nur wenig. Das „Eisenbahnwesen" in „Oesterreich-Ungarn" hat Slcl* in dem letzten halben Jahrhundert, hauptsächlich aber seit i&66, unendlich gehoben. — Die 1825 —1827 erbaute „Linz-Hudweiser", später bis Gmunden ausgedehnte Pferdebahn war die erste Eisenbahn auf dem Kontinente, doch hatte sie nur lokale Bedeutung, besonders für den Salztransport nach Böhmen. — Schon am 7. September 1824 erhielt der Professor „Anton Ritter v. Gerstner" das ausschliessliche Privilegium zum Baue einer zwischen Mauthausen und Budweis die Donau mit der Moldau verbindenden Holz- und Eisenbahn. Im September 1828 wurde der Ausgangspunkt dahin abgeändert, dass die Bahn statt nach Mauthausen nach Linz (Urfahr) führen sollte. Die Verkehrseröffhung erfolgte in mehreren Abschnitten. Am 7. September 1827 wurde die erste Theilstrecke von Budweis nach Trojem und am 1. August 1832 die letzte Theilstrecke von Lest nach Linz und hiermit die ganze Linie Linz-Budweis dem Betriebe übergeben, der lange mit Pferden geführt wurde, bis in späteren Jahren an deren Stelle die Dampfkraft trat.— Seit dem Jahre 1838 begann aber in Oesterreich der Ausbau des grossen Eisenbahnnetzes, wodurch durch Wien wieder ein Mittelpunkt des Welthandels wurde. Die Ferdinand-Nordbahn, welche 1839 bis Lundenburg reichte, die Wien-Gloggnitzer Bahn, die 1842 bis zu dem letztgenannten Orte befahren wurde, und die Linien Wien und Bruck, 1846 eröffnet, waren die ersten Bahnen in Oesterreich. — Einen hochinteressanten Einblick in die Fortschritte des Eisenbahnwesens seit dem letzten halben Jahrhundert bietet das „Museum" der Kaiser Ferdinands - Nordbahn. Diese hat nämlich in einem eigens dazu hergerichteten grossen Local, in der Leopoldstadt, am Tabor, ein hochinteressantes Museum begründet. In dem verhältnissmassig kurzen Zeitraum von 50 Jahren, dass der Kontinent und speziell Oesterreich die Eisenbahnen kennen, hat der Eisenbahnbetrieb so viele und so mächtige Umwälzungen erfahren und Fortschritte gemacht, und es haben m mentlich die technischen Hilfsmittel des Eisenbahnwesens So zahlreiche Wandlungen und Verbesserungen erlebt, dass der Gedanke nahe lag, die aus kleinen Anfängen hervorgegangene ungeheure, allmähliche Entwicklung dieses Eisenbahnwesens gewissermassen chronologisch vor Augen zu führen und diejenigen Objekte, welche als die Marksteine des Fortschritts auf dem Eisenbahngebiet zu gelten haben, der Gegenwart und Zukunft als kostbare Reliquien zu erhalten. Das Museum umfasst natürlich in erster Reihe eine Kollektion alter Fahrbetriebsmittel, und zwar eine Lokomotive alter Konstruktion, aus dem Jahre 1842, englischer Provenienz, sowie Typen der ältesten Personen- und Lastwagen; ganz vollständig ist diese Kollektion indess nicht, denn manche der interessanten aller-altesten Typen sind bereits total ausgestorben, und man bedauert besonders, dass eine alte Lokomotive mit Gabelsteuerung, die noch vor einigen Jahren zu Rangierdiensten auf dem Nordbahnhofe verwendet wurde, vielleicht das einzige damals noch <-'xistirende Exemplar dieser Gattung, der Cassirung verfallen ttiusste. — Eine Serie alter Arbeitsmaschinen, wie sie in den alten Werkstätten der Nordbahn Verwendung gefunden, zeigt m drastischer Weise die grossen Fortschritte auch der I Iilfs-rnittel maschineller Bearbeitung. Lbcnso grosses fachliches Interesse nehmen die in historischer Reihenfolge aufgestellten Muster aller wichtigsten Theile der Fahrzeuge, der Oberbaugegenstände etc. in Anspruch; jede Form, jede, auch die Kleinste Dimension hat ihre Geschichte, und es bedurfte tausendfältiger Erfahrung und mühsamster Beobachtung, bevor sich 'ür alle diese Details bestimmte Normen herausbilden konnten, die übrigens nicht selten bald wieder neuen Fortschritten Weichen mussten. — In gleicher Weise entsprechend sind auch alle jene Objekte vertreten, die in das Eisenbahnbauwesen anschlagen; neben den Modellen der alten hölzernen Donaubrücke sehen wir die Pläne der Eisenkonstruktion der neuen "nicke und anderer ihrer eisernen Schwesterbauten. — Sehr anregend ist auch die Darstellung der allmählichen Vergrösse-''ung und Entwicklung der bedeutendsten Bahnhöfe; sie zeigt, wie wenig man noch bei der ersten Anlage der Hahn den kolossalen Aufschwung des Verkehrs der Gegenwart geahnt hat. — Kxemplare alter Wechselkonstruktionen, Profile aller der unendlich verschiedenen Schienengattungen, Schienenstossver-bindungen etc., wie sie seit dem Bestehen der Bahn in Anwendung gekommen, dann eine ausserordentlich reichhaltige Sammlung von Eisenbahnbaumaterial aller Art, sind in natura ausgestellt. — Der Aufnahme ins Museum harren noch die Zeichnungen der meisten alten Fahrbetriebsmittel der Bahn und aller ihrer neueren Normalien. — Das Unternehmen verwirklicht, wie man sieht, in erschöpfender Weise den Gedanken des Generalinspektors der Nordbahn, „Herrn v. Eichler", die gesammten Hilfsmittel, mit welchen das riesig emporgewachsene Eisenhahnverkehrswesen in den letzten Dezennien die Welt umzugestalten vermochte, in historischer Reihenfolge dem Auge und dem Studium vorzuführen und es in „lebenden" Exemplaren der Zukunft aufzubewahren. Wie enorm sich das Eisenbahnnetz im letzten halben Jahrhundert in Oesterreich-Ungarn gehoben hat, zeigen nachfolgende Ziffern. Dieses Reich besass: 1843 1863 1883 — Kilometer: Staatsbahnen Privatbahnen Zusammen 378 5-262 3.942 15-793 19-735 Davon waren für den öffentlichen Verkehr im Betriebe am 1. Januar 1883 Kilometer: Staatsbahnen im Privatbahnen im Staatsbetr. Privatbetr. Staatsbetr. Privatbetr. Zusammen Oesterr. 335 642 2.03] 8.903 11.911 Ungarn 2.965_—_222 4-^37_7.824 Oest-Ung.3.300 642 2.253 13-54° '9-735 Einschliesslich Bosniens hatte aber Oesterreich-Ungarn im Jahre 1883 20,332 Kilometer Bahnlänge, davon entfielen auf Bosnien 291 Kilometer Staatsbahnen. — Die Ausbreitung der Eisenbahnanlagen in Oesterreich-Ungarn, sowie das Verhältniss derselben zu dem Flächeninhalte und die Einwohnerzahl beträgt: Eisenbahn- i Km Auf i Km Auf länge am Hahn i Km- Hahn 100.000 l.Jan.l8&3 kommtauf kommen kommt auf Bewohner Km Kin'- Km Halm Bewohner Km Bahn Oesterreich . 11.911 25*2 0-039 1.859 538 Ungarn . . . 7.824 41-2 0.024 2.011 49-7 Oesterr.-Ungarn 19.735 31.5 0*031 1.919 52*0 Das Eisenbahnwesen wird in beiden Staatsgebieten Oesterreich-Ungarns nach gleichen Grundsätzen behandelt — Auf die Staatsgebiete und Länder der Monarchie entfielen: 1.330 Km 667 „ 206 „ 418 « 267 „ 273 » 610 „ Böhmen............. 4.029 320 „ 117 » 105 „ Oesterreichisches Staatsgebiet..... I I.9U Km 7.213 ,. 611 „ Ungarisches Staatsgebiet...... 7-^24 „ Oesterreichisch-ungarische Monarchie . . 19.735 Km Betrachten wir dagegen zur Vergleichung das gesammte europäische Bahnnetz. Dieses hatte Ende 1883 e'ne Gesammt-länge von 183.188 Kilometer, davon entfielen auf Deutschland 35-9o7, Großbritannien und Irland 30.179, Frankreich 29,688, rreich-Ungatn. 86 Russland 25.111, Oesterreich-Ungarn 20.850, Italien 9.453,. Spanien 8.251, Schweden und Norwegen 7.978, Belgien 4.269, die Schweiz 2.752, die Niederlande und Luxemburg 2.523, Dänemark 1.800, Rumänien 1.517, Portugal 1.494, die Türkei mit Rumelien 1.170, Bulgarien 224 und auf Griechenland 12 Kilometer. — Oesterreich-Ungarn nimmt somit unter den europäischen Staaten in dieser Beziehung die „fünfte" Stelle ein. Der Personen- und Güterverkehr in Oesterreich-Ungarn betrug: Personen Gütertonnen Jahr im Ganzen pro Km im Ganzen pro K in Oesterreich . 1882 34,756.800 2.918 47,152.560 3.959 Ungarn . . 1882 9,977-47Q 1.275 10,689.000 1.366 Oesterr.-Ung. 1882 44,734.270 2.267 57,841.560 Oesterreich hat zweimal bahnbrechend und bestimmend im Eisenbahnbau gewirkt; die erste grosse und schwierige Alpenübersetzung ist österreichisches Werk. Bevorder Semmering mit einem Schienenwege überzogen wurde, hatte kaum Jemand gewagt, an die Möglichkeit der Ueberwindung solcher enormen Schwierigkeiten zu denken, daher wurde der „Semmering" zum ersten Muster für Gebirgsbahnen.— Die österreichische Regierung erbaute die Semmering-Bahn in den Jahren 1848—53 unter der Leitung des genialen Ingenieur „Karl von Ghega". Die Bahn von Gloggnitz bis Mürzuschlag ist 57 Kilometer lang, hat 15 Tunnel und 18 Viaducte von bedeutender Ausdehnung; die Maximalsteigerung beträgt 1:40, und die Baukosten beliefen sich auf circa 370.000 Fl. pro Kilometer. — Es ist schon an und für sich unendlich schwierig, Alpenwege herzustellen, weil man nur an wenigen Stellen und mit grossen Hindernissen über die Alpen schreiten kann, daher gehören die Kunststrassen über diese Gebirgsrücken zu den grossartigsten Werken neuerer Baukunst. Noch schwieriger aber war die Semmering-Bahn über die Thäler, Schluchten, Klippen und Hänge eines 1560 Meter hohen Berges zu führen, sie gegen Wildwässer, Ueberschwenmiungen, Bergstürze zu schützen, ihre Steigung zu verringern und doch den Pass zu erreichen, Tunnels zu sprengen und Viaducte zu bauen, deren Bogen wieder auf Bogen ruhen. Mit dieser Eisenstrasse über den Semmering kann sich keine der vielgerühmten Römerstrassen messen, von denen eine auch über den Semmering führte, obschon die Römer den Brenner als I lauptverkehrs-strasse vorzogen. — Von Gloggnitz an, wo das Thal eng wird, beginnt die Alpenstrasse. — In Schlangenwindungen zieht sich die Bahn durchs Schwarzthal, indem sie beim Bayerbach-Via-duct sich rückwärts nach dem Eichkogel wendet, um dann in ziemlich gerader Richtung zur kalten Rinne zu eilen, wo sie wieder rückwärts geht und im Bogen die Passhöhe erreicht In ungeheueren Bogen umkreist die Bahn die Bergrücken, Vorsprünge und Höhen und bricht sich durch mehrere Tunnels den Weg; dann fliegt sie in sanften Windungen am Eiskogel hin. — Endlich gelangt sie zu den steilen Thalschluchten der Atlitzgräben. Eine Zeit lang folgt sie in weit ausschweifenden Bogen dieser Felsenwindung, dann zeigt sie zwei gewaltige Viaducte, deren stolze Bogen wölbung den 16 Klaftern hohen Schienenweg trägt, bis sie endlich durch eine Felsenwand in einen über 100 Klaftern langen Tunnel dringt, um aus dein unteren Atlitzgräben in den oberen zu kommen. — Kaum hat die Bahn diese Schwierigkeiten überwunden, indem für ihre Bogenlinien eine angemessene Steigung ermittelt ist, so treten ihr andere Hemmnisse in Gestalt steiler, kahler, zerbröckelnder Felswände an tiefen Waldbächen entgegen. Längs diesen Felswänden muss sie entlang klimmen, die Schluchten und breiten Senkungen überbrücken, dort eine Felsenwand durchbohren. 1 J;i das Gestein jener Wände viele Risse und Sprünge hatte, so war zu befürchten, dass es mit der Zeit durch die Erschütterung der Bahnzüge immermehr gelockert und endlich 86* ganz auseinander gerüttelt werden möchte, daher war man gezwungen, hier bei der Weinzettelwand den Weg tief hinein in die Felswand zu sprengen, und diese Wand durch Pfeiler und Mauern zu stützen, um sie vor dem Auseinanderfallen zu sichern, so dass drei Tunnels durch Gallerten zu einem langen Haupttunnel vereinigt werden. — Von da fliegt die Lokomotive zur kalten Rinne, über deren Klüfte sie mit Hülfe gewaltiger Viaducte von zwei übereinander gebauten Bogenstellungen gelangt. Nun stürmt die Bahn weiter längs der steilen Weinzettelwand, deren Wände durch Mauerwerk vor dem Zerbröckeln und Abrutschen gesichert sind. Endlich schiesst der Schienenweg unter dem Passe in einen 763 Klaftern langen ausgemauerten Tunnel, bis die Bahn bei Mürzzuschlag sich an die steierische anschliesst. Steigung, Krümmung und Unterschwellung und alles Technische ist mit der grössten Sorgfalt berechnet, und selbst für die Wasserspeisung der Maschinen gesorgt, zu welchem Zwecke die Bergwasser gesammelt, geklärt und durch Pumpenwerke oder Röhren weiter geleitet werden. Bei den grossen Eisenbalmbauten denkt man vorzugsweise an die technischen Schwierigkeiten der Bahn selbst, an die Vermessungen der Höhen, an die Berechnung der Bogen, des Steigens und Fallens, weniger aber an die mühevollen Versuche, überhaupt eine Bahnlinie aufzufinden, sowie an die unendlichen Schwierigkeiten, welche die Herbeischaffung des Materials macht. Je unwegsamer die Gegend ist, umsomehr nehmen die Schwierigkeiten zu, man bedarf Massen Materials, Tausende von Arbeitern, bald fehlt es an Wegen und Unterkunftsorten, bald stören Elementarereignisse den Weiterbau, und es werden dadurch die Herstellungskosten bedeutend gesteigert, so dass schon die Erbauung einer gewöhnlichen Bahnstrecke die grösste Umsicht voraussetzt.— Mit welch grossartiger Thatkraft, mit welchem Ueberblick mussten daher die Erbauer der Semmeringbahn ausgerüstet sein! Aber nicht blos grossartig ist dieses Werk, es ist auch schön; alle Construktionen an Häusern, Viaducten, Tunneln U. s. w. genügen nicht allein ihren materiellen Zwecken, sondern sie erfreuen auch den ästhetischen Sinn durch die Leichtigkeit und Anmuth der Verhältnisse. - Die Viaducte in der halten Rinne und im Atlitzgraben überraschen ebensowohl durch die Kühnheit und Seltsamkeit der Anlage, als durch den vollendeten Geschmack ihrer Architektur, dabei trägt alles den Stempel der Festigkeit und Dauerhaftigkeit in so ausreichendem Masse, und die Fahrt selbst geht mit so viel Ruhe und Sicherheit vor sich, dass unter gewöhnlichen Verhältnissen nirgends ein Gefühl von Unbehagen über die Gefährlichkeit der Bahn entstehen kann. — Und so vereinen sich denn hier Natur und Kunst, um in dem Geiste des sinnigen Beschauers einen Eindruck der vollsten Bewunderung hervorzurufen. Auch die zweite grosse Alpenbahn baute Oesterreich. Im Jahre 1867 wurde der Schienenweg über den „ Brenn er" eröffnet, welcher in technischer, militärischer und cornmercieller Beziehung gegenwärtig noch die wichtigste ailer Alpenbahnen ist, wenn ihr auch von der Gotthardbahn die Palme geraubt wurde. Ihre Länge von Innsbruck bis Bozen beträgt 16 l/2 Meilen, ihre Höhe auf dem Brennerpass über dem Meere 1.367 Meter. Innsbruck liegt 578 Meter über dem Meere und es steigt die Bahn von da an im Maximum mit 1 : 40; Bozen, der südliche Endpunkt, liegt 255 Meter, und das Maximum des Falles beträgt 1 : 44. — Die Anlage der Brennerbahn unterscheidet sich von den anderen Alpenbahnen, Mont-Cenis, Gotthard wesentlich dadurch, dass der eigentliche Gebirgspass nicht mittelst eines Tunnels unterfahren wird, sondern dass die Bahn bis zur höchsten Höhe ZU Tage geführt wurde. — Von Innsbruck steigt die Bahn Jm Sillthal aufwärts und geht jenseits im Lisackthal abwärts> mr Eingangsthor hinter Innsbruck bildet der Bergiseltunnel, welcher 700 Meter lang ist und durch den historisch berühmt gewordenen Berg führt. Aber noch durch grössere Tunnel, 566 Gest «Teich-Ungarn, wie z. B. der 950 Meter lange Mühlbachtunnel, der längste der ganzen Bahn, rollt die Lokomotive hinweg über Viaducte, in Schlangenlinien der Passhöhe zusteigend. -— Wahrhaftig grossartig und kühn sind die Bauten. Die Ueberraschungen, welche die Fahrt bietet, entziehen sich jeder Beschreibung. Jetzt geht es in einen engen Tunnel, im Laufe des Berges wendet sich die Bahn und plötzlich fahren wir in den sonnigen Tag hinaus, ruhig auf das Ziel los. Endlich sind wir auf dem Brennerpass angelangt, neben uns liegt der fischreiche Bren-nersec mit seinem grünen Wasser, auf uns herab schauen die Bergriesen, deren Häupter bis in den Sommer hinein mit Schnee bedeckt sind. Beinahe eine ganze Meile zieht sich nun die Bahn auf der Ebene hin, und wir erblicken auf der linken Seite den Ursprung der Sill, die durch Inn und Donau dem schwarzen Meere zueilt, auf der rechten die Quelle des Eisacks, der mittelst der FCtsch sich in die Adria ergiest. — Prächtige Wasserfälle erhöhen noch den Reiz der Gebirgslandschaft. — Nun verlassen wir rasch den Brenner, hinunter gehts ins romantische Eisackthal, das von der Franzensveste völlig abgeschlossen wird. Unterhalb dieses weht schon ein anderer Wind, die Luft ist milde, die Vegetation weiter vorgerückt, Kastanien, Wein, Orangen zeigen sich den Blicken und verkünden, dass wir bald in das wälsche Land eintreten. —- Zwischen Schelleberg und der nächsten Station Gossensass befindet sich eine der interessantesten Stellen der Bahn. Die letztere liegt fast senkrecht 178 Meter tiefer, die Bahn wendet sich in scharfer Curve rechts in das hier mündende Pflersch-thal, senkt sich allmählich an der nördlichen Bergwand und dringt dann mittelst eines 763 Meter langen „Kehrtunnels" in die Bergwand hinein, aus der sie tiefer unten in entgegengesetzter östlicher Richtung wieder hinausführt. Die Durchbohrung des „Arlbergs" beweist, dass man in Oesterreich-Ungarn nicht nur, wie wir schon mehrfach hervorgehoben haben, auf der Höhe der technischen Leistungen steht sondern auch die in anderen Ländern gemachten Erfahrungen zu benutzen wusste, denn einen solchen Berg in wenig mehr als 3 Jahren zu durchbohren, ist eine bisher nicht für möglich gehaltene Leistung und kann mit gerechtem Stolze als echt österreichisches Werk bezeichnet werden! — Doch die am 19. September 1884 in ihrer Gesammtlänge eröffnete Arl-bergbahn ist, wie wir wissen, auch von eminenter handelspolitischer Bedeutung und in verschiedenen Staaten Europas beschäftigte man sich eingehendst mit dieser Frage. So brachte z. B. das „Journal des Debats" einen Specialbericht über die Arlbergbahn, welcher die Beziehungen derselben zu den französischen Gebieten ausführlich erörtert. Es wird darin erwähnt, ,,dass die Zahl der Güterzüge, da die Bahn eingeleisig, täglich nicht zehn überschreiten kann. Was die Ableitung des Verkehrs in südlicher Richtung von den bisherigen Routen betrifft, so werde dieselbe wahrscheinlich nicht sehr bedeutend sein. Die Frachten, welche Triest nach den mittäglichen Häfen Frankreichs passiren lässt, bestehen grösstentheils aus Getreide und I lolz, also schweren Gütern, bei denen die Billigkeit des Transports von grösster Bedeutung ist. So werden z. B. jährlich von der Station Sisseck in Kroatien 12.000 Wagen Fassdauben nach Cette beladen, für welche der Seetransport wahrscheinlich den Vorrang über den Arlberg behauptet. Was die Weine anbelangt, so wird allerdings eine gewisse Ablenkung stattfinden. Für die Viehtransporte ist die Route über den Arlberg die günstigste, aber die meisten Transporte dieser Art kommen nicht aus dem Süden. Auch die Beförderung von Baumwolle, welche sonst über Marseille ging und nun den Weg über Triest einschlägt, wird der neuen Linie zufallen» und dies könnte für die betreffenden französischen Bahnen ■einen bedeutenden Verlust hervorbringen, denn die Spinnerei-und Weberei-Industrie ist in Voralberg hoch entwickelt. In Bludenz werden über 1200, in Feldkirch Tausende von Arbeitern durch diese Industrien beschäftigt. Viel bedeutender ge- staltet sich die Ablenkung, welche von Norden aus dein Arl-berg zufallen wird. Die Abkürzung ist so bedeutend, dass die baierische Route für den Frachtenverkehr nach Vorarlberg, Schweiz und mittägliches wie südliches Frankreich, ausser für ganz schwere Güter unnütz wird. Indess auch hier darf man sich keiner zu grossen Illusion überlassen, denn die Viehtransporte aus Russland und Deutschland sind gezwungen, die alte Route zu benützen, weil sich der grosse Fleischmarkt in Paris befindet und die Arlbergroute nur wenig abkürzt. Leider bieget die Letztere keine Tarifermässigung, weil alle interessirten Kisenbahndirektionen übereingekommen sind, keinen Tarifkampf eintreten zu lassen, ohne dieses Uebereinkommen hätten die baierischen Linien ihre Tarife herabgesetzt und ihre Güterzüge beschleunigt, und die neue Route würde mit Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt haben. Obwohl die Arlbergroute also hinsichtlich des Frachtentarifs nur eine untergeordnete Rolle spielt, findet man doch wieder ganz andere Verhältnisse beim Personenverkehr, denn es ist nur nothwendig, dass die Schweizer Hahnen ihren Schlendrian aufgeben und Expresszüge herstellen, um aus der Arlbergroute die rascheste und pittoreskeste Schienenverbindung zwischen Frankreich und Oesterreich nebst seinen Hinterländern zu schaffen. — Aber ebenso wie die Arlberg-bahn den österreichischen Güterverkehr mit der Schweiz und Frankreich unabhängig von Deutschland gemacht hat, ist es auch mit dem französischen Verkehr geschehen und alle die verkehrspolitischen Hemmnisse, welche bislang im Verkehre (>esterreich-Ungarns mit Frankreich und umgekehrt bestanden, haben im grossen Ganzen ihr Ende erreicht." Im schweizerischen Verkehre ist bekanntlich der Ilaupt-interessent neben dem österreichischen Staatseisenbahnbetrieb und den baierischen Staatsbahnen die österreichische Südbahn, deren natürliche Verlängerung nach dem Westen die Arlberg-bahn bildet, während die ungarischen Bahnen hauptsächlich wegen ihrer Interessen-Solidarität mit den österreichischen Bahnen im allgemeinen zu Gunsten der Arlbergroute inter-veniren. Jn die Mitbewerbung um den süddeutschen, insbesondere um den südbadischen und um den französischen Verkehr, thei-len sich aber auch die schweizerischen und süddeutschen, sowie die badischen, württembergischen und elsassdothringischen Bahnen. Die Befürchtungen, welche man von dem Einfluss der Arb bergbahn für den Verkehr der baierischen Bahnen hegt, erscheinen bei näherer Prüfung nur dann gerechtfertigt, wenn Oesterreich absichtlich seine Tarifpolitik zu Ungunsten der baierischen Bahnen einrichtet. Es ist nämlich die Linie Wien-Bodensee über die Gisela- und Arlbergbahn um u6 Kilometer länger, als diejenige über die baierischen Bahnen, nämlich /65 Kilometer gegen 649 Kilometer. Hierzu kommt aber noch, dass wegen der zu überwindenden Steigungen die Gisela- und Arlbergbahn weit schwierigere Betriebsverhältnisse darbieten. Nach einer mathematischen Berechnung kommt der Mehraufwand an Zugkraft auf der Arlbergbahn einer Entfernung von 103 Kilometer, und auf der Linie Bischofshofen-Wörgle 49 Kilometer gleich. Nach dieser Berechnung wäre die baierische Linie um den Werth von 268 Kilometer näher, als die rein österreichische. Beide Routen gehen bis Wels und dann führt die eine nach Salzburg und Bregenz, die andere nach Braunau und Lindau. In Wirklichkeit ist die Entfernung Wels-Bregenz 552 Kilometer und Wels-Lindau 436 Kilometer. Nach jener bellen Werthberechnung aber käme ein Unterschied von 59 Procent zu Gunsten der baierischen Linie heraus, welcher nahezu der Entfernung von Wien nach Budapest gleichkäme. — Immerhin wird aber der Ausfall, den die baierische Eisenbahnrente durch die Arlbergbahn erleidet, auf circa 4 Millionen Mark geschätzt, denn die baierische Staatsbalm hat allein, nach getroffener Vereinbarung, vom Transitverkehr zwischen Oesterreich-Ungarn "ach der Schweiz ungefähr ?0\, nach Frankreich 6o"/0 und nach Süddeutschland 2 5 (7(! an die Arlbergroute abzutreten. — Bei aller Freundschaft, welche in den massgebenden Kreisen Italiens gegenwärtig für Oesterreich-Ungarn gehegt wird, hat die Eröffnung der Arlbergbahn doch kein sympathisches Echo südlich der Alpen zu erwecken vermocht. Man verhehlt sich eben nicht, dass diese Bahnstrecke über kurz oder lang einen entschieden abträglichen Einfluss auf die Bedeutung der Apen-ninenhalbinsel als Vermittlerin des Transitverkehrs zwischen Abendland und Morgenland üben muss. —■ Gegenwärtig bildet bekanntlich der italienische Hafenplatz Brindisi die Kopfstation des orientwärts gravierenden europäischen Eisenbahnnetzes, wie lange aber Brindisi diese hervorragende Stellung wird behaupten können, hängt nur von der Zeitdauer ab, welche bis zum Anschluss der österreichisch-ungarischen Eisenbahnen an die türkischen Schienenwege und die Herstellung einer direkten Verbindung bis nach Salonichi verstreicht, Salonichi als Eisenbahn-Endstation bedeutet für Italiens verkehrspolitische Bedeutung in internationaler Beziehung eine schwere Beeinträchtigung, das ist aber noch nicht Alles, da in Griechenland schon jetzt das Projekt erwogen wird, Athen mit Salonichi in direkte Eisenbahnverbindung zu bringen. Dann würde Athen, oder vielmehr der Piräus, Kopfstation der europäischen Bahnen in der Richtung auf die Levante, Egypten, Indien und China werden, und der gesammte Strom des Verkehrs zwischen Orient und Occident seinen Weg durch Griechenland, die Türkei, Oesterreich-Ungarn via Arlbergtunnel nach der Schweiz nehmen, um endlich Amsterdam, Antwerpen, London, Paris auszumünden. Ita,.en, jetzt der Träger des internationalen Durchgangsverkehrs, würde künftig nur noch eine Art Sackgasse bilden. — Auch in St. Petersburger Handelskreisen schreibt man der Arlbergbahn eine nicht unerhebliche Bedeutung für die russische Handelsbewegung zu, denn vermittelst dieses Eisenbahnweges, der Oesterreich-Ungarn eine von den deutschen Eisenbahnen unabhängige direkte Kommunikation mit Frankreich gestattet, können auch russische Waaren nun im Transi i M das südliche Frankreich gelangen. Dass Oesterreich-Ungarn zum Schutz für den Absatz seines eigenen Getreides in der Schweiz und Frankreich einen Transitzoll für das russische Getreide einführen würde, befürchtet man nicht, denn man glaubt, Oesterreich-Ungarn würde mit einer solchen Politik seinen Eisenbahnen schaden und eine Prämie für die deutschen Bahnen schaffen. -— Doch wird dem gegenüber aus anderen russischen Kreisen behauptet, dass es für die russischen Fix-porteure kaum je lohnend sei, wenigstens nicht in gewöhnlichen Zeiten, den Getreideexport ins südliche Frankreich auf dem Wasserwege zu Gunsten der neugeschaffenen Route aufzugeben. Der Bau der Arlbergbahn wurde im Sommer 1880 begonnen und auf der Strecke Bludenz-Landeck im Herbst 1884 eröffnet. Die durch ihren kühnen Bau. ihre zahlreichen Brücken, Tunnels etc. bewundernswerthe Bahn ist bis auf die zweigeleisige Strecke im grossen Tunnel eingeleisig. Die durchschnittliche Steigung auf der Westseite, nämlich Bludenz-Eangen beträgt 3O°/0fl, während sie auf der Gotthardbahn nur 2f)"/00 ausmacht; hingegen beträgt sie auf der Ostseite, Landeck, St. Aton 25°/,M). Die Stationen haben folgende Entfernungen, u z. Bratz 6-85 Km., Hintergasse iimi Km., Dalaas '5' 11 Km., Danöfen 20-22 Km., Langen 25-60 Km. Hier tritt die Bahn in den grossen, 10.248 Meter langen „Arlberg-tunnel". Dieser Tunnel, welcher grösser als der Gotthardtunnel ist, denn letzterer hat nur 14.812 Meter Länge, wurde am 14. Juni 1880 begonnen und am 19. November 1883 durchgeschlagen. Er steigt mit i5°/oo °is über die Mitte, also um 1.310 Meter über dem Meere und um 487 Meter unter dem Arlbergpass, und senkt sich dann mit 2%«, 35"85 Km. bis St. Anton. Hierauf geht die Bahn abwärts durch das Stanzer Thal zur 4198 Km. entfernten Station Fettneri, dann folgt nach 48-19 Km. Flirsch und nach 52-37 Km Strengen. — Weiter an der steil abfallenden Süd- seite des Thals windet sich der Schienenstrang durch je einen 55 Meter und 202 Meter langen Tunnel; unmittelbar darauf folgt eine kühne, 86 Meter hohe und 255 Meter lange Brücke über die aus dem Parznaunthal hervorströmende Trisanna. Nun kömmt die 57*37 Km. entfernte Station Pians-Paznaunthal und dann geht es über den Inn nach dem 63-65 Km. fernen Landeck. Bereits im Jahre 1870 wurde durch den früheren Leiter des Triester Hafenbaues, Ingenieur Pontzer, dem österreichischen Handelsministerium eine Denkschrift vorgelegt, welche in überzeugender Weise darzulegen suchte, dass eine Tunnel-lirung des Arlberges der Uebersetzung desselben durch eine Bahn mit Steigungen i : 40 und noch mehr vorzuziehen sei. Auch der österreichische Ingenieur- und Architektenverein sprach sich in einem fachmännischen Gutachten für diesen Vorschlag aus. — Das erste von der österreichischen Regierung aufgestellte Project über den Durchbruch des Arlberg-tunnels stammt aus dem Jahre 1871-, dasselbe enthielt bezüglich der Untertunnelung des Arlberges fünf Varianten in zwei Projecten für die Eisenbahn Innsbruck-Bludenz. Eine vom österreichischen Handelsministerium einberufene Conferenz, welche am 22. Februar 1872 zusammentrat, erörterte das Project nach seinen verschiedenen Varianten in baulicher, betriebstechnischer und finanzieller Hinsicht und sprach sich nahezu einstimmig für den tiefsten Tunnel und für eine durchgängige zweigeleisige Anlage aus. Der damals von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf über den Bau der Arlbergbahn wurde aber nicht angenommen und erst im Jahre 1879 fasste man den Bau der Bahn ernstlich ins Auge. Am 7. Mai 1880 sanctionirte der Reichsrath die Arlbergbahn-Vorlage und am 16. Mai 1880 erfolgte von Seiten der Regierung die Anordnung der Inangriffnahme des Baues. — Mit der Leitung des gewaltigen Unternehmens wurde die k. k. Direction für Staats-cisenbahnbetrieb beauftragt, welche sofort das Bauprogramm aufstellte, nach welchem die 72*8 Km. lange Thalbahn Inns-bruck-Landeck im Herbste 1882, die beiden Zufahrtsstrecken Landeck-St. Anton, 277 Km., und Langen-Bludenz, 25*8 Km , im Sommer 1884 und der 10.240 Meter lange Tunnel durch den Arnberg im Herbste 1885 vollendet sein sollten.—Die Arbeiten für den Sohlen- und Firststollen wurden rücksichtlich der Voreinschnitte am 14. Juni 1880 an der Ostseite, am 22. Juli an der Westseite begonnen. Am LI. November 1880 erfolgte die Offertenausschreibung über die definitive Vergebung des Tunnelbaues. Die Kosten waren für die östliche Tunnelhälfte mit 5,960.103 FL, für die westliche Hälfte mit 6,028.403 Fl. und jene der Ausmündungsstrecken mit 107.688 Fl. festgestellt; als Vollendungsfrist wurde Mitte August 1883 bestimmt und für Ueberschreitung dieser Frist ein Pönale von 800 Fl. per Tag, für jeden Tag Zeitgewinn aber eine Prämie Von 800 Fl. angesetzt. — Von den zwei eingegangenen Offerten wurde die von der Unternehmung Ceconi und Brüder Läpp angenommen. — Die Unternehmung förderte das Werk unter Anwendung der vortrefflichsten technischen Hilfsmittel und begünstigt durch die natürlichen Verhältnisse, in einer überraschend schnellen Weise, so dass das grosse Werk schon im Herbste 1884, also um circa 1 Jahr früher als ursprünglich berechnet, vollendet warl — Das doppelte Geleise im grossen Arlbergtunnel ruht auf einem eisernen Oberbau, System Haindl, und wurden die erforderlichen 7.200 Metercentner eisernen Schwellen von der Alpinen-Montangesellschaft geliefert. Die baierische Regierung hatte mit einem solchen eisernen Oberbau auf einer 30 Km. langen Strecke sehr günstige Erfahrungen gemacht. — Die Endpunkte de* Arlbergtunnel -Kabels wurden nach i4tägiger Arbeit in Langen und St. Anton eingeführt. Dieses Tunnel-Kabel ist das drittlängste der Welt! Die vom Reichsrathe für dasselbe bewilligte Summe betrug 94.000 Fl, — Zwei eisengepanzerte Kabclstränge enthalten bei einem Durchmesser von 3 '/2 Centi- metern und einer Länge von 10.270 Meter, drei und sieben Kupferleitungen, während das dritte mit Blei umgebene Kabel drei Leitungen führt; demnach sind im Ganzen 13 Leitungsadern vorhanden. Das vierte einaderige Kabel, an der nördlichen Tunnelwand in Mannshöhe aufgehängt, wird den Zweck haben, die am Ende eines jeden Kilometers aufgestellten Signalglocken zu betreiben. Die zuerst genannten drei Kabel, welche in getheerten hölzernen Schläuchen zwischen dem Geleise und der südlichen Tunnelwand eingebettet liegen, enthalten sowohl den Staatstelegraphen als auch die Bahnbetriebsleitungen. — Die Fahrt durch den Arlbergtunnel nimmt mit den Personenzügen 21—24 Minuten in Anspruch; dabei ist die Luft im Tunnel rein und der Rauch belästigt selbst nicht bei offenem Fenster. — Die Einnahmen der Arlbergbahn wurden auf ungefähr 15.000 FL pro Km., d.i. bei 136-6 Km. aut etwa 2 Milk Gulden jährlich, die Ausgaben auf die Hälfte der Einnahmen sammt 1.700 Gulden pro Kilometer für stationäre Bedürfnisse, also zusammen auf beiläufig 1,200.000 Gulden und die Reineinnahme demgemäss auf 800.000 Gulden veranschlagt, was ungefähr 2°/(l des Anlagekapitals ausmacht. Man rechnet daher vorderhand noch nicht auf einen gewinnbringenden Betrieb. Das „Centraiblatt für Eisenbahnen und Dampfschifffahrt" schätzt nach den Resultaten des ersten Betriebsmonats die Jahreseinnahmen der Arlbergbahn, einschliesslich Dampfboot-und Trajectbetrieb, niedriger als z. B. die der Vorarlberger- und Sehlesischen Centraibahn. — Freilich kann der erste Betriebsmonat nicht als massgebend angesehen werden, er zeigt aber immerhin, dass die Erhaltung der bestehenden, weitgehenden Erwartungen zunächst nicht in Aussicht steht. Kaum dass der Arlberg durchbohrt ist, denkt man in den Kreisen der österreichischen Ingenieure auch schon daran, zwei andere grossartig gedachte Alpen-Projekte ihrer Durchführung näher zu bringen. Es handelt sich da um die Tunellirung des „Predil" und die Ausführung der „Tauern-Bahn", welche den alte- Sten und kürzesten Weg zwischen Süddeutschland und dem Küstengebiete des Adriatischen Meeres wieder dem Weltverkehr erschliessen würde. Zu den Zeiten, in welchen Augsburg als erste Handelsstadt emporragte, war die Verbindung Villach-Spital-Radstadt-Augsburg diejenige, welche den Verkehr zwischen Deutschland und Italien ausschliesslich vermittelte. Die stets wachsende Konkurrenz auf dem Weltmarkte zwingt Oesterreich, jeden Vortheil, der in der kürzeren Distanz gelegen, auszubeuten. Das Projekt der Tauernbahn ist auf eine sehr bedeutsame Abkürzung zwischen den nördlichen Gebieten Oesterreichs und Italien berechnet, daher wird nunmehr von Seiten der österreichischen General-Inspection für Eisenbahnen das Studium der Tauern-Bahn sehr eifrig betrieben, allerdings vorerst nur auf dem Papier, von Tracircn kann noch nicht die Rede sein, denn dazu wird es erst kommen, wenn einmal vollständige Klarheit über die finanziellen Mittel erlangt sein wird. Die Baukosten sind auf 70 Mill. veranschlagt. —Die Bahn hat eine grosse Mission und diese besteht darin, den Verkehr Deutschlands mit dem Orient über die österreichischen Grenzen zu lenken, so dass wohl früher oder später an die Ausführung des Projectes geschritten werden muss. Die Bahn hätte eine Länge von etwa 280 Kilom. und würde, von Görz ausgehend, den Predil durchbrechen, in Tarvis einmünden und von da aus, Anschluss an die Rudolfsund Südbahn findend, über die Malnitzer-Tauern nach Gastein zur Salzkammergut-Bahnlinie bei Schwarzbach führen. — Andererseits beschäftigt man sich auch in Südtirol vielfach mit dem Project einer Tauernbahn, welche östlich von der Brennerroute Nord- und Südtirol verbinden soll. — Dass eine derartige Verbindung für den deutsch-österreichischen Verkehr von grösstem Werth sein und namentlich die Beziehungen Triests zu Deutschland bedeutend fördern würde, liegt auf der Hand, weshalb es auch begreiflich erscheint, dass namentlich der letztere Platz ein grosses Interesse für das Zustandekommen des neuen Verkehrsweges an den Tag legt. Bei dem im Vordergrund stehenden Project handelt es sich um eine ganz auf Tiroler Gebiet liegende Linie, die, von Lienz an der Puster-thal-Linie ausgehend, nordwärts durch das Isel-Thal bis Win-disch-Matrey und dann durch den zu durchbrechenden Velber-Tauern nach Mittersill und Kitzbüchel führen würde. Die Tracirung dieser Strecke ist während des Sommers bereits ausgeführt worden. — Ebenso fühlt man immer mehr das Be-dürfniss einer neuen Bahnverbindung zwischen Oesterreich und Bayern; es wurde daher in jüngster Zeit eine neue Vorconces-sion für eine Bahnlinie verliehen, welche die Verbindung von Salzburg über Hellbrunn und Anif bis zur Reichsgrenze bei St. Leonhard-Gartenau herstellen soll, zum weiteren Anschlüsse an eine auf bairischem Gebiete zu erbauende Linie nach Berchtesgaden. Unter weiteren Eisenbahnprojekten und -Neubauten sind hervorzuheben der Bau der Linie Ferpelje-Triest. Dieser wurde zwar vom österreichischen Abgeordnetenhause beschlossen, hat aber noch nicht begonnen, doch hält die Regierung den Zeitpunkt bereits für gekommen, um die tarifpolitischen Auseinandersetzungen mit der Südbahn beginnen zu lassen. Es hat zu diesem Zwecke mit dem Director der Südbahn eine Berathung stattgefunden, deren Gegenstand wesentlich tarifpolitischer Natur war. Die Südbahn kann selbstverständlich über die Art und Weise dieser Verhandlungen, wie über deren Resultate nicht im Vorhinein EntSchliessungen fassen, die Berathungen selbst müssen erst über die erreichbaren Ergebnisse die nöthige Klarheit schaffen. — Für die nächsten Jahre ist auch ein ziemlich umfangreicher Eisenbahnbau in der Karlsbader Gegend beabsichtigt, wodurch dieses Weltbad ein Mittelpunkt des Eisenbahnverkehrs wird, denn nicht weniger als 4 neue Bahnen sollen dort einmünden. Nachdem die Stadtvertretung die Anlegung eines Centraibahnhofes auf der Donitzer Flur und die Errichtung einer Personenhaltestelle in der Stadt selbst, auf der sogenannten Heiligen-Geist-Wiese, genehmigt und dadurch die Einverleibung der Stadt Karls bad in das Eisenbahnnetz erst ermöglicht hat, dürfte auch an der baldigen Ausführung und der Rentabilität der 4 Bahnprojekte nicht mehr zu zweifeln sein. Die eine Linie Elbogen-Karlsbad-Giesshübl ist behördlicherseits genehmigt und wird von der österreichischen Localbahngesellschaft gebaut. Das zweite Projekt Johanngeorgenstadt - Bärringen - Karlsbad wird jedenfalls in allernächster Zeit durch Mithilfe eines Bankinstitutes gesichert. Was die dritte Balm zwischen Tepl und Neuhof, zur Verbindung von Karlsbad und Marieubad, anbelangt, so wird zwar die Ablösung des Baugrundes keinerlei Schwierigkeiten finden, da die meisten Besitzer sich sehr entgegenkommend gezeigt haben, allein es sind noch finanzielle Bedenken zu beseitigen. Die vierte nach Karlsbad mündende Bahn, Rakonitz-Karlsbad, wird mit Unterstützung einer Berliner Bankfirma hergestellt und wahrscheinlich schon im nächsten Frühjahr begonnen werden. Um die Kosten recht billig zu machen, ist die ursprünglich festgesetzte Richtung wesentlich abgeändert worden. Dieselbe beginnt in Rakonitz, Endstation der Bahn Protivin-Rakonitz, geht das Jechnitzthal entlang nach Fladen, kreuzt dort die Pilsen-Prisener Bahn, berührt die Orte Alberitz-Lubenz, Liebkowitz, Chiesch, Waltsch-Duppau und wendet sich dann nach Giesshübl, um hier Anschluss an die erstgenannte Strecke zu gewinnen. — Andererseits soll wieder die erst vor wenigen Jahren erbaute Eisenbahn, welche Siebenbürgen mit Rumänien verbindet und von Kronstadt nach Pojesti führt, theilweise verlegt werden. Alljährlich ist diese Bahn auf rumänischem Gebiete durch die Hochwasser partiellen Störungen ausgesetzt, welche den Verkehr in erheblichster Weise schädigen. Diese Uebelstände rühren von der gewählten Trace her, welche mit dem Eintritt der Bahn in die Karpathen der Prahova, einem wilden Gebirgsfluss, eine bedeutende Strecke folgt; daher beabsichtigt die General- 0esttr1-e4ch-Uiigniu. 37 direction der rumänischen Eisenbahnen, die Linie theilweise anders zu traciren. Diesbezügliche Studien werden jetzt angestellt, so dass bald mit den Arbeiten begonnen werden kann-Neuerdings beschäftigt sich in hervorragender Weise die niederösterreichische Mandelskammer mit dem Bau einer serbisch-bosnisch-dalmatischen Transversalbahn und es liegen ihr darauf bezügliche eingehende Referate schon seit längerer Zeit zur Begutachtung und Beschlussfassung vor. Die Begründung eines solchen Eisenbahnbaues wird nach allen Richtungen hin versucht. Es wird angeführt, dass der fortschreitende Bau der serbischen und der bevorstehende Bau der bulgarischen Bahnen die Gefahr näher gerückt hat, dass der bestehende österreichisch-ungarische Importhandel aus Serbien und Bulgarien nach Wien und Budapest einer- und via Sissek nach Fiume und Triest andererseits allmählich nach Salonichi gelenkt werde, wodurch auch der Export nach Serbien und Bulgarien nachtheiligen und schädlichen Einflüssen unterworfen sein würde. — Dalmatien mit Bosnien und der Herzegowina besitzen, wie wir wissen, nur Strassenverbindungen mit den nächstgelegenen Häfen, es fehlen somit Impulse für die österreichische Rhederei und steht zu befürchten, dass die occupirten Länder in ihrer wirtschaftlichen Entwickelung still stehen und dauernd dem Reiche zur Last fallen werden. Der Bau der Schmalspurbahn Serajewo-Mostar-Metkovich vermag diesen Uebelständen nur in sehr geringem Masse abzuhelfen. — Eine von den serbischen Bahnen ausgehende, durch Bosnien an verschiedene Punkte der dalmatischen Küste führende Transversalbahn würde den doppelten Zweck haben, die Ablenkung des Handels in den nördlichen Balkanländern nach Salonichi, einem fremden Hafen, zu Gunsten fremder Interessen zu vermindern, die längst ersehnte Verbindung der von der Natur so reich bedachten dalmatischen Küste mit ihren Hinterländern zu bewerkstelligen und dem einheimischen Seehandel dieselben Bedingungen des Gedeihens zu bieten, wie sie dem italienischen zu Theil werden und trotz der von der Natur minder bedachten Küste zu so wesentlichen Erfolgen führten. — Oesterreich-Ungarn steht heute vor der Alternative, dass bei Herstellung einer serbisch - bosnisch - dalmatischen Transversalbahn Wien und Budapest den Verkehr mit den nördlichen Balkanländern nachSalonichi zum überwiegendenTheile verlieren, der Import dieser Länder zum grossen Theile von Oesterreich-Ungarn abgelenkt wird und die Österreich-ungarische Küste die Verbindung mit den occupirten Hinterländern , die einzig mögliche Bedingungen ihres Gedeihens, auf die Uauer einbüsst. — In nicht zu ferner Zeit werden auch über dieses Projekt nähere Daten an die Oeffentlichkeit dringen; jedenfalls sind in jenen Gegenden wesentliche Arbeiten im Eisenbahnbau bald bevorstehend und es wird im richtigen Erkenntniss der Lage rüstig daran gearbeitet werden müssen, auch jenen seither noch dem Weltgetriebe fern liegenden Ländern mit dem Schienenstrange neues Licht und Leben zuzuführen, den Wohlstand zu heben und die Reste einer halbbarbarischen Zeit mit ihren alten Ueberlieferungen und Gewohnheiten zu verwischen. Dem Lisenbahntechniker winken dort neue Lorbeeren, die er sich an der Hand der neuesten Erfahrungen sicher wird erringen können. — Nach den Anschauungen und Aeusserungen des Ministers Kailay soll sich die Entwickelung des Eisenbahnwesens in Bosnien und der Herzegowina in folgender Weise gestalten: Ausser der bereits bestehenden Linie Brod-Serajewo und der im Bau begriffenen Linie Mostar-Metkovic wäre vor Allem die Verbindung zwischen Mostar und Serajewo herzustellen, da hierdurch das ganze Land mit dem Meere in Verbindung gebracht würde. Da jedoch Metkovic immer nur für kleinere Seeschiffe zugänglich ist, wäre es von besonderer Wichtigkeit, von der Station Gabella der Linie Mostar-Metkovic eine Abzweigung der Bahn in südlicher Richtung bis nach Gravosa, dem Hafen von Ragusa, zu führen. Von nicht minderer Bedeutung wäre eine Bahn, welche, von der Station Buna ausgehend, sich über Nevesinje bis Gacko, also bis an die montenegrinische Grenze, erstrecken würde. Diese Linie könnte den ganzen Verkehr nach dem nördlichen Montenegro vermitteln. Ein wichtiges Interesse würde befriedigt, wenn weiter eine Bahn von Serajewo in östlicher Richtung bis an die Grenze des Sandschak gebaut würde, um daselbst, sowie in Nord-Albanien, dem Österreich-ungarischen Handel ein leicht zugängliches und vortheilhaftes Absatzgebiet zu eröffnen. Endlich wäre es von Wichtigkeit, wenn von der Station Doboj der Bosna-Bahn bis zudem im Entstehen begriffenen Salz-und Sudwerk bei Tuzla eine Bahn angelegt würde, welche dann durch eine Verzweigung bis zur Drina, also bis zur serbischen Grenze, gefühlt werden konnte. Diese Linie würde nicht müden Verkehr des fruchtbaren Sprecca-Thales, sondern auch einen grossen Theil des Verkehrs nach dem westlichen Serbien vermitteln können. Das in solcher Weise gekennzeichnete Netz von Bahnlinien wäre geeignet, Bosnien als wirtschaftliches Gebiet mit allen angrenzenden Ländern in unmittelbare Verbindung zu bringen und hierdurch der österreichisch-ungarischen Industrie und dem Handel ganz neue Gebiete zu eröffnen, wie auch die occupirten Provinzen politisch fester an die Monarchie zu ketten. Mit welchen Mitteln diese Bahnen gebaut werden sollen, zog Minister Kailay im Budgetausschuss der österreichischen Delegation nicht in nähere Erwägung. Ueberhaupt wird das Interesse, welches Deutschland und Oesterreich-Ungarn dem Oriente entgegenbringen, immer grösser und intensiver, denn der Orient ist für die Industrie und den I landel der nächstliegenden Länder von hoher Bedeutung. Die westeuropaischen Staaten haben diese wirtschaftliche Bedeutung längst eingesehen und mit Erfolg zum 1 lauptobjecte ihrer politischen und diplomatischen Unternehmungen gemacht. England und Frankreich beherrschen den Handel im Orient und es ist demnach jetzt ein beschwerlicher Wettstreit mit einem nicht zu unterschätzenden Gegner zur wirtschaftlichen Eroberung des Orients nothwendig. Die Ursachen dieses ZuStandes liegen namentlich im Mangel entsprechender Verkehrswege, in den Schifffahrtshindernissen der Donau und in dem Fehlen von Anschlussbahnen an die bereits fertigen Strecken der türkischen Eisenbahnen. Mit dem Abschluss der Convention in der Wiener Conferenz, der sogenannten „Conferenz ä quatre", ist nun in 1 lin-sicht auf die Herstellung der Eisenbahnanschlüsse nach dem Orient ein bedeutender Schritt vorwärts gethan worden, welcher die Beendigung dieser Angelegenheit wesentlich näher rückt. Bis zum i. October 1884 hatten die Balkanstaaten den Nach weis zu liefern, dass sie die Ausführung der auf ihr Gebiet fallenden Linien gesichert haben. Die Ausführung selbst soll bis 15. October 1886 vollendet sein. — Das Interesse Deutschlands und Oesterreichs erstreckt sich aber über die Balkanhalbinsel hinaus auch auf den asiatischen Continent. Hier öffnet sich der Industrie ein mächtiges Absatzgebiet, natur-gemäss hängt aber auch hier wie überall die Einbeziehung in das moderne Verkehrsgebiet von der Anlage der Eisenbahnen ab. Von den kleinasiatischen Hafenplätzen wird der Verkehr in das Innere des Landes gegenwärtig meistens durch Lastthiere bewirkt und kostet bei dieser Beförderung der Tonnenkilometer circa 1 Mark. Eisenbahnlinien waren Ende 1 883 nur drei im Betriebe und zwar Skutari-Ismid 31 Kilometer, Smyrna-Alascher 174 Kilometer und Smyrna-Sarykä 230 Kilometer. Nach dem General-projecte des genialen Ingenieurs Wilhelm Pressel aus den Jahren 1872/73 war für ganz Türkisch-Asien ein Eisenbahnnetz von 5000 Kilometern geplant, welches bei einer Bauzeit von 6—10 Jahren 4'/2 Millionen Francs kosten sollte. Die projectirten Linien waren, Anatolische Linien: Skutari-Ismid-Leike-Eskischer-Angora, Mudamia-Brussa-Eskischer, Eskischer-Kutahia-Karahissar-Konja, Samsun-Amasia-Tokat-Sivas, eventuell Sivas-Kaisarieh-Akserai-Konja und Akseral-Nidje-Acana. Syrisch-mesopot a mische Linien: Tripolis-Koms-Kamali-Aleppo-Anitas, Suedich-Antiocha-Aleppo, Alexandrette-Kailan-Djerilis- Aintab. Kurdisch-mesopotami.sehe Linien: Biredjik-Ursa-Diarbekr-Mardi, Urfa-Mardi, Mardi-Mosul-Erbil-Kerkuk-Deh-Abbas-Bagdad. Leider sind von diesen Strecken nur die oben erwähnten drei Linien zur Ausführung gelangt. Auch für eine indische Ueberlandbahn hatte Pressel zwei Alternativtracen vorgeschlagen, eine kleinasiatisch - mesopotamisch - persische mit 2774 Kilometern und eine kieinasiatisch-armenisch-persische mit 2280 Kilometern. Betrachten wir uns nun die Einnahmen-Ausweise der Österreich-ungarischen Bahnen vom 1, Januar bis 30. November 1883, so finden wir folgendes: Gemeinsame Bahnen. Durchschnittliche Länge vom 1. Januar bis 30. November 5529 Kilom., gegen 1882 -f- 216 Kilometer, bminahmen aus dem Personentransport 17,952.013 Fl. -f- gegen 1882 = 506.805 Fl. Einnahmen aus dem Gütertransport 60,287-672 Fl. -f- gegen 1882 = 2,394.829 Fl. Gesammte Transporteinnahmen 78,239.685 Fl. -f- gegen 1882 = 2,901.634 Fl. Gesammt-Transporteinnahmen per Kilometer 14.151 Fl. -f- gegen 1882 = 29 Fl. — Oesterreichische Bahnen. Durchschnittliche Länge vom 1. Januar bis 30. November 9241 Kilometer -j- gegen 1882 = 185 Kilom. Einnahmen aus dem Personentransport 23,859.803 Fl. -j- gegen 1882 = 808.146 Fl. Einnahmen aus dem Gütertransport 90,090.048 Fl. -|- gegen 1882 = 3,027 Fl. Gesammte Transport -einnahmen 113,949.851 Fl, -j- gegen 1882 = 3,835.421 Fl. Gesammte Transporteinnahmen per Kilometer 12,331 -(- gegen 1882 — 172 Fl. — Die verringerten Kilometer-Funnahmen bei den gemeinsamen Bahnen fallen auf die Kaschau-Oderberger Bahn und auf die Oesterreichisch-Ungarische Staatsbahngesellschaft, welche Letztere um 213 Kilometer gewachsen ist, ohne dass in den ersten Zeiten nach der Eröffnung der neuen Linien der Verkehr schon entsprechend folgen konnte. Im Allgemeinen ist im Jahre 1883 keine so bedeutende Einnahmesteigerung zu verzeichnen als im Jahre 1882 gegen 1881. F"s hat sich also im Jahre 1883 die Zunahme der Einnahme-Ziffern gegenüber dem besonders günstigen 1882 gemässigt und ist die Progression eine langsamere geworden. — Eine Zusammenstellung der Einnahmen der österreichischen Bahnen im Jahre 1883 er-giebt per Kilometer folgende Reihenfolge, doch beschränken Wir uns dabei nur auf die am meisten Interesse erweckenden Bahnen. Ferdinands-Nordbahn43>532Fl, Aus.sig-Teplitz36.539 Fl, Dux-Bodenbach 24.983 Fl., Galizische, altes Netz, 23.792 Fl., Böhmische Westbahn 18.400 FL, Staatsbahn, eigene Linie, 18.400 Fl., Südbahn 17.790 Fl., Graz-Köflach 17.324 Fl., Elbe-thalbahn 16.914 Fl., Buschtiehrader 13.733 FL, Nordwestbahn 13.440 Fl., Böhmische Nordbalm und Turnau - Kraluv - Prag 11.193 FL, Prag-Dux 9.979 FL, Pilsen-Priesen 8.296 Fl., Lem-berg-Czernowitz-Jassy (Czernowitz-Suczawa) 7.497 FL, Rudolfsbahn 6.510 FL Eine bedeutende Kluft trennt die Ferdinands-Nordbahn selbst von der dividendenreichen Aussig-Teplitzer, und eine noch viel gewaltigere diese von der Dux-Boden-bacher. Bekanntlich sind hinsichtlich des Dividendenerträgnisses noch ganz andere Verhältnisse als die Kilometer-Einnahmen massgebend, namentlich die Grösse des Actiencapitals, der Schulden und der Ausgaben. — Im grossen Ganzen kosten die österreichisch-ungarischen Bahnen gerade so wie die russischen Bahnen den betreffenden Staaten grosse, weit in die Millionen reichende Zuschüsse So ist z. B. die Arlbergbahn wohl die theu erste Gebirgsbahn, welche bisher in Oesterreich gebaut wurde, und schon die Rudoltbahn, die wegen weniger schwierigen Terrains bedeutend billiger hergestellt werden konnte, rentirt so schlecht, dass im Budget pro 1884 nahezu 6 Millionen Gulden mehr Ausgaben derselben als Einnahmen präliminirt sind, und das nach einem mehr als zehnjährigen Bestände. Mit der Galizischen Transversalbahn geht es nicht besser, weil sie abseits der Hauptstrasse liegt. Die Actionaire der Dniester Bahn haben nie einen Kreuzer Zinsen gesehen, vielmehr auch ihr Capital verloren, da die Bahn schliesslich für einen Bagatellpreis weiter verkauft wurde; die Actien der Albrechtbahn verzinsen sich mit i Procent und stehen 110 bis 120 Fl. unter Pari; die Ungarisch-Galizische bahn endlich, welche auch schon ungefähr ein Jahrzehnt besteht, zahlt zwar 5°/0ige Zinsen an ihre Actionäre, aber nicht aus ihren hinnahmen, sondern aus dem Staatssäckel. Zu den zehn Gulden jährlicher Dividende, die der Actionair erhält, muss der Staat, der ein 5°/0iges Erträgniss dieser Aktien garantirt hat, nicht etwa blos einen Theil beitragen, sondern er zahlt die ganzen zehn Gulden. Die Reineinnahme der Bahn beträgt nicht einmal einen Kreuzer per Aktie, ja noch mehr, auch das ganze Zinsenerfordernis s für die Prioritäten muss der Staat hergeben, denn die Einnahmen der Bahn selbst sind auch nicht genügend, den Prioritäten eine, wenn auch noch so geringe Verzinsung zu bieten. Und die Galiziscbe Transversalbahn kann gleichfalls nur als ein das Deficit des Staates künftig vermehrendes Unternehmen betrachtet werden. — Der Staatsvoranschlag in Oesterreich für das Jahr 1884 präliminirt als Erforderniss für Verkehrsanstalten, u. z. an Subventionen für den österreichisch-ungarischen Lloyd und für die Zittau-Reichenberger Bahn, sowie an 4%igen Vorschüssen an die vom Staate garantirten Eisenbahnen den Betrag von 13,802,800 Fl., das ist um 29.340 Fl. weniger als im Jahre 1883. Die für die einzelnen Bahnen präliminirten 4"/()igen Vorschüsse sind aus folgender Darstellung ersichtlich: Voranschlag Differenz gegen pro d;is binanzgeset/ 1884 pro 1883 Gulden. Gulden. Lemberg-Czernowitzer Bahn 1,347.000 — 419.OOO Franz-Josefbahn I 7 I .OOO — 2O9.OOO Rudolfbahn 5,972.000 + 652.OOO Karl-Ludwigbahn 1,000.000 -}- I42.OOO Mährisch-schlesische Nordbahn . 282.OOO -|- 200O 5O.OOO .. — Voranschlag Differenz gegen pro das Finanzgesetz 1884 pro I883 Gulden. Gulden. Südnorddeutsche Verbindungs- Bahn....... 530.OOO -f '85.000 Ungarisch-galizische Bahn: Garantievorschuss .... 948.700 — 20.300 Betriebsdeficit-Vorschuss . — 36.000 Ungarische Westbahn . . . 309.000 — 3.000 Vorarlberger Bahn: Garantievorschuss . . . 670.000 ■— 7-990 Betriebsdeficit-Vorschuss . — — 57.000 Albrechtbahn....... 883.000 -|" 9-000 Mährische Grenzbahn .... 334.000 — 61.000 Staatsbahn (Ergänzungsnetz) . 524.000 45.000 Die Subvention für den Oesterreichisch-ungarischen Lloyd wurde mit Fl. 657.000 Fl. eingestellt wie im Vorjahre, u. z. die Subventionen für die Fahrten nach Ostindien mit 43 7.000 Fl. und an Vergütung der Suezcanal-Gebiihren 220.0OO Fl. Gold. Der Agioverlust bei den in Gold zu zahlenden Beträgen von 290.OOO Fl. ist mit 55.100 Fl. berechnet. Für Rückzahlungen von Garantievorschüssen sind präliminirt bei der Kaschau-Oder-berger Bahn 335.000 Fl, und bei der Brünn-Rossitzer Bahn 23.000 Fl. Auch im Jahre 1883 wurde die „Verstaatlichung der Bahnen" fortgesetzt und eine gleiche Eisenbahnpolitik wie bis dahin befolgt. Es entfällt auf das Jahr 1883 und besonders auf die letzten Wochen desselben eine ganz hervorragende Ver-staatlichungsthätigkeit. Wenn die Bahnlinien, über welche jetzt Unterhandlungen zur Verstaatlichung schweben, in Staatseigenthum übergegangen sein werden, wird auch der österreichische Staat einen sehr bedeutenden Bahncomplex besitzen und einen mächtigen Einfluss auf die Gestaltung des gesammten Eisenbahnwesens auszuüben vermögen. In Galizien allein wird er iooo Kilometer Bahn sein Eigen nennen und in Böhmen und Mähren nicht weniger, dazu kommt dann noch das Netz der westlichen Staatsbahnen mit der Arlbergbabn. — Aus dem nachstehenden Verzeichniss ist der ziffernmässige Bestand des österreichischen Staatsbahnnetzes, welches ausser dem vom Staate erworbenen oder gebauten auch die nur im Betriebe desselben befindlichen Linien in sich schliesst, ersichtlich: Länge in Kilo Ol. Capital in fl. öst. W. Franz-Joseph-Bahn...... . . 7I5762 98,276.600 Elisabeth-Westbahn..... . . 943.080 172,267.1 I 7 Rudolf-Bahn........ 805.69I I38;7I6.300 Vorarlberger Bahn..... . . 97.O78 13,396.600 Brauna-Strasswalchaner Bahn • • 37-543 875.OOO Nied ^österreichische Staatsbahn . . 15744' 9,258.630 . . 14.043 953.283 Tarvis-Pantofel....... . . 24.926 3,565.324 Arlberg-Bahn....... . . 136.600 35,6oO.OOO Dalmatiner Bahn...... • • 105.733 10,972.23) Istrianer Bahn....... . . 143421 1 2,760.468 Herpelje-Triest....... . . — 3,340.000 111.781 2,450.57] . . I44-946 16,021.623 . . I45-722 13,385.642 Unterdrauburg-Wolfsberg . . . . 38.098 1,918.834 • • 20.533 800.000 Kriegsdorf-Römerstadt .... • • L3761 512.454 Mürzzuschlag-Neuberg .... . . 11.494 557-079 Albrecht-Bahn....... 182.620 23,032.000 Mährische-Grenzbahn .... . . 117.239 17,000.000 Galizische-Transversal-Bahn . . . . — 20,984.000 Abzweigungen derselben . . . . . — 1 1,500.000 Bezüglich der Lösung der so hochwichtigen „Nordbahn- frage'' hat die Regierung dem österreichischen Abgeordnetenhause am 20. Januar 1885 ein mit der Direktion der „Kaiser-^erdinands-Nordbahn" getroffenes neues Uebereinkommen vorgelegt, wonach der letzteren eine Concession zum Fortbetriebe bis 1940, also für die Dauer von nicht ganz 5 5 Jahren ertheilt werden, und nach Ablauf dieses Zeitraumes das gesammte im Betriebe der Nordbahn befindliche Bahnnetz, einchliesslich der noch auszubauenden Strecken und Lokalbahnen, in das Eigenthum des Staates übergehen soll. Da zu diesem Bahn-netze auch die Mährisch-schlesische Nordbahn gehört, deren Concession erst im Jahre 1965 abläuft und deren Prioritäten daher im Jahre 1940 noch nicht vollständig getilgt sein werden, so verpflichtet sich die Nordbahn, vom 31. December 1886 an, alljährlich 63.063-02 Fl. in Silber und 19.648*52 Fl. in Noten zur Bildung eines Fonds zu verwenden, aus welchem die nach dem Jahre 1940 noch aushaftenden Prioritäten verzinst und getilgt werden sollen. Ebenso verpflichtet sich die Nordbahn, die vom Staate für die Mährisch-schlesische Nordbahn erhaltenen Garantievorschüsse in der Höhe von 8,088.657-21 Fl. binnen sechs Monaten zurückzuerstatten und für die Zukunft eine weitere Garantie nur in dem Falle zu beanspruchen, wenn die Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals der genannten Strecke aus dem Ertrage des Gesammtnetzes nicht gedeckt Verden könnte. Desgleichen verpflichtet sich die Nordbahn für die Belassung der vor dem Jahre 1940 verfallenden Strecken Fkoridsdorf-Jedlesee, Gänserndorf-Marchegg und Oderberg-Grenze bis zum genannten Jahre, dem Staate binnen sechs Monaten einen Betrag von 1,314.732 Fl. zu bezahlen. — Die Nordbahn Verpflichtet "sich ferner, innerhalb der neuen Concessionsdauer das gesellschaftliche Kapital vollständig zu tilgen, so dass im Jahre 1940 die Bahn dem Staate völlig lasten ^rei übergeben werden kann. Die Uebergabe hat mit Ausnahme des Fahrparks, für welchen der Staat den Schätzwerth zu bezahlen haben .soll, ohne Entgelt zu erfolgen. Ks steht aber dem Staate vom i. Januar 1904 an das Recht zu, das in Rede stehende Bahnnetz abzulösen, u. z. soll der Ablösungspreis nach dem Durchschnittsertrage der letzten sieben Jahre, von denen man die zwei ungünstigsten ausscheidet, berechnet werden. — Bis zum Tage des Heimfalls oder der Ablösung der Bahn soll dem Staate das Tarifbestimmungsrecht zustehen, jedoch mit der Beschränkung, dass die Tarife nicht niedriger angesetzt werden dürfen, als jene der westlichen Staatsbahnen, und dass den Aktionären eine Dividende von 112 Fl. jährlich, das ist io2/3 Procent vom Nennwerth der Aktie zufliesen müssen. Betrachten wir die vorstehenden Hauptbestimmungen des Uebereinkommens etwas näher, so müssen wir staunen, dass die Regierung, trotz des offenkundigen Wunsches der Bevölkerung, doch wieder nicht die Verstaatlichung der Nordbahn in erster Linie ins Auge gefasst hat. Als Grund dieser Unterlassung wird angegeben, dass es streitig sei, ob die Nordbahn-Gesellschaft nicht doch ein Recht auf Erneuerung des Privilegiums habe. Dies ist aber keineswegs der Kall, weil die Nordbahn die Bedingung, unter welcher sie allenfalls auf die Privilegiums-Erneuerung Anspruch erheben konnte, nicht erfüllt, weil sie sich nicht als nützlich bewährt, sondern vielmehr durch ihre übermässig hohen Tarife weite Kreise der Bevölkerung empfindlich geschädigt hat. Ueberdies ist die Nichtausübung des Verstaatlichungsrechtes eine Schädigung des Staates, weil demselben dadurch die sehr bedeutenden Vortheile entgehen, welche ihm aus dem Selbstbetriebe gerade dieser Bahn unzweifelhaft erwachsen würden. — Abgesehen hiervon ist aber das vorliegende Uebereinkomnien durchaus nicht derartig abgefasst, dass es als für den Staat vortheilhaft bezeichnet werden könnte. Dass die Nordbahn sich zur Zahlung zweier Beträge von zusammen etwas über neun Millionen verpflichtet, mag wohl dem Finanzminister für den Augenblick ganz angenehm sein, aber der Staat hat keinen Gewinn davon, denn der Garantievorschuss per acht Millionen niusste ja so wie so bezahlt werden, wenn auch erst in einer späteren Zeit, und was die Summe von 1*3 Millionen betrifft, so ist dieselbe einfach eine Entschädigung für den Gewinn, Welcher dem Staate entgeht, indem er die betreffenden Strecken noch über den Heimfallstermin hinaus der Nordbahn zum Betriebe überlässt. Nun hat sich zwar die Staatsverwaltung das riecht vorbehalten, die Balm im Jahre 1904 abzuäsen, aber unter welchen Bedingungen! Während er jetzt im ungünstigsten Falle, im Wege des Enteignungsverfahrens, den Schätzwerth des zu übernehmenden Bahnkörpers sammt Zu-gehör zu zahlen hätte, verpflichtet er sich in dem vorliegenden Uebereinkommen, im Jahre 1904 den gewiss auch dann noch viel höheren Ertragswerth zu bezahlen, und, damit die Aktionäre ja nicht zu kurz kommen, sollen bei Bemessung desselben die zwei ungünstigsten Be-häebsjahre ausgeschieden werden, nicht aber auch die zwei günstigsten, wodurch vielleicht doch einigermassen das Gleichgewicht hätte hergestellt werden können. — Dass aber der Eftragswerth viel höher sein wird als der Sachwerth der Bahn, geht schon daraus hervor, dass den Aktionären für die ganze Dauer der neuen Concession eine Dividende von 1 12 dulden zugestanden wird, das sind io-/.{ % vom Nenmverthe der Aktien! — Auch in einer ganz eigentümlichen Weise ,st die „Tarifhoheit" des Staates gewahrt, dieser darf nämlich ni,r dann den Tarif herabsetzen, wenn den Aktionären Jhre [O2/8°/0 gesichert sind und selbst in diesem Falle darf er mit den Tarifsätzen nicht unter jene der westlichen Staats-bahnen herabgehen, trotzdem der Betriebs-Koefhcient der Nordbahn ein weit günstigerer ist, da sie ebenes Terrain befährt, Jene aber zum Theile reine Hochgebirgsbahnen sind. ■— Die Regierung behauptet, der Staat würde zur Ablösung bedeutende Geldmittel benöthigen, die er nicht besitzt. Doch damit ist es auch nicht so schlimm, denn in Wahrheit braucht der Staat nicht einen Kreuzer Baargeld zur Verstaatlichung. Ks könnten einfach die Aktien gegen Staatspapiere umgetauscht werden, wodurch der Staat gar nicht erst an den Geldmarkt heranzutreten braucht, die Aktionäre aber haben bei einer derartigen Transaktion keinen Schaden, denn sie würden ja das Baargeld, welches sie andernfalls bekämen, doch wieder fruchtbringend anlegen wollen, und es ist gar nicht einzusehen, warum nicht diese Anlage eben in Staatspapieren geschehen sollte. Allerdings müsste der Staat nötigenfalls ein Machtwort sprechen, aber ist denn das so ganz unmöglich, — etwa deshalb weil die Nordbahn eine Rothschildbahn ist? — Man sieht also, wenn man die Sache genau bei Licht betrachtet, dass durch das vorliegende Uebereinkommen das Interesse des Staates nicht gewahrt ist, dass dieses Uebereinkommen nur der Nordbahngesellschaft zu Gute kommt, daher vom Standpunkt der Interessen der Volkswirthschaft des Reiches rechtmässiger Weise unannehmbar ist. — Wir sind wirklich gespannt, zu welchen Schlussergebnissen die Verhandlungen im Reichsrathe führen werden und ob die Interessen für das Wohl des Landes, welches in unzähligen Petitionen an das Parlament und die Regierung dringend die Verstaatlichung verlangt, oder die Apathie und egoistische persönliche Interessen der einzelnen Volksvertreter den Sieg erringen werden. Je mehr aber die Verstaatlichung vorschreitet, desto brennender wurde auch die Entscheidung der Frage über die „Organisation" der Verwaltung dieses Netzes von Staatseisenbahnen, eine Frage, die man in Oesterreich allerdings zu einer nationalen und politischen gemacht hat. Zum Vortheil der Sache selbst sind diese Kämpfe, die eine völlige Verschiebung der Gesichtspunkte zur Folge gehabt haben, entschieden nicht, denn sie zogen Kreise in Mitleidenschaft und Aufregung, die oft durchaus keine Kenntniss von den einschlagenden Verhält- nissen haben und in der merkwürdigsten Weise über Centrali-Sation und Decentralisation ihr Urtheil hören Hessen. — So verlangen z. B. die galizischen Polen von der österreichischen Regierung schon seit längerer Zeit die Decentralisation des Eisenbahnwesens und die Verlegung der Direktionen der galizischen Bahnen nach Lemberg. Bald darauf stellten aber auch die Slovenen ein ähnliches Verlangen, denn im Laibacher Gemeinderath s beantragte ein nationaler Führer eine Petition an das Handelsministerium, damit dasselbe in Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse Laibach zum Sitze einer Staatseisenbahn-Direktion für die südlichen Linien bestimmen möge. Gleichzeitig ward an die krainische Handelskammer die Aufforderung gerichtet, sich dieser Petition anzuschliessen. Auch wurde der nationale Bürgermeister Graseiii ersucht, im Vereine mit den krainischen und übrigen slovenischen Reichsraths-Abgeordneten aus Kärnten, der Südsteiermark und dem Küstenlande zur Erzielung der in der Petition vorgetragenen Wünsche die entsprechenden Schritte zu thun. Der Antrag Hribar's wurde mit minutenlangen stürmischen Ziviorufen aufgenommen!! Wir sehen daher, mit welch' mannichfachen Schwierigkeiten der österreichische Handelsminister zu kämpfen hat. Doch Hess er sich durch all' diese Dinge in seiner Thätigkeit nicht beirren und berief bereits am 4. November 1884 den österreichischen „Staatseisenbahnrath" zur ersten Session ein, denn als weitere Consequenz der fortschreitenden Verstaatlichung war die definitive Einführung des Eisenbahnressorts in den allgemeinen Verwaltungskörper eine absolute Notwendigkeit. — Ob die Zergliederung des staatlichen Betriebsnetzes in elf verschiedene, abgesonderten Direktionen untergestellte Gruppen, Welche zur Berücksichtigung der lokalen Wünsche und Bedürfnisse angewiesen sind, das geeignete Mittel ist, der als leitende Stelle eingesetzten „General-Direktion" die erforder-1]che Garantie zur Erhaltung der auf dem Eisenbahngebiete 592 < >esterreich-Ungaru. so erwünschten Einheitlichkeit zu gewähren, wird von vielen Seiten bezweifelt. Dagegen wurde der Contact der Staatsverwaltung mit der technischen und wirtschaftlichen Praxis durch die den geänderten Umständen entsprechende Reorganisation des Staatseisenbahnrathes zum Vortheil des Reiches aufrecht erhalten. Wie ausserordentlich umfangreich übrigens die Thätigkeit des österreichischen Handelsministeriums auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens ist und mit welcher Sorgfalt dieselbe durchgeführt wird, geht am Besten aus dem Berichte dieser Behörde über ihre Thätigkeit im Jahre 1883 hervor. Der wirklich hochinteressante Bericht, den wir aber leider wegen Raummangels nicht näher erörtern können, beginnt mit der Darstellung der Eisenbahn-Politik, wobei besonders betont wird, dass an der Eisenbahn-Verstaatlichung festgehalten würde. Im weiteren Verlauf giebt er eine Zusammenstellung der Länge des jetzigen Staatsbahnnetzes, die Uebernahme der in Privatbetrieb gewesenen Staatsbahnen und weiter hierauf Bezügliches. Zu den Projekten übergehend, konstatirt er die durch Staatsorgane vorgenommene Tracirung der Linien für den Lokalverkehr: Berhometh-Wiznitz, Hliboka-Berhometh, I ladikfalva-Straza, Horo-denka-Zaleszczyki, Luzan-Zaleszczyki und Nepolokontz-Sadowa, sowie für eine Variante der Linie Janowitz-Tans der böhmischmährischen Transversalbahn. — Von Privatpersonen wurden beim Handelsministerium 74 Gesuche um die Genehmigung zur Vornahme von technischen Vorarbeiten für neue Linien eingebracht. Die Zahl der ertheilten Bewilligungen betrug 55 gegen 57 Jahre 1882. — In Beziehung auf internationale Eisenbahnangelegenheiten erwähnt der Bericht, dass das internationale Eisenbalmfrachten-Transportrecht noch nicht zu Stande gekommen sei, dagegen aber der Abschluss der Conference ä quatre zu verzeichnen ist. Die Verhandlungen wegen Eisenbahnanschlüssen mit Sachsen und Preussen wurden im Jahre 1883 nicht beendet. Die Mittheilungen über den Eisenbahnbau beziehen sicli in der Hauptsache auf die Arlbergbahn und die galizische Trnns\ ersalbahn. — Besonders wichtig ist der den Tarifen gewidmete Theil des Berichtes, worin die auf diesem Gebiete hervortretende Tendenz nach Ermässigungen konstatirt und zü eingehenden Erörterungen in dieser Beziehung Gelegenheit genommen wird. Im weiteren Verlaufe erwähnt er sodann die im Jahre 1883 stattgehabte Tarif-Enquete, ferner den am I. Mai 1883 herausgegebenen Nachtrag zum Betriebs-Reglement und die in Betreff des Fahrordnungswesens und des Sekundärbetriebes getroffenen Massnahmen. — Ueber die „Grundzüge der Vorschriften für den Betrieb auf Lokalbahnen" bemerkt der Bericht, dass dieselben mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Anlage und Ausrüstung von Lokalbahnen nicht für sämmt-liche derlei Bahnen in allen ihren Punkten unveränderlich beobachtet werden können, sie stellen gleichsam einen mittleren Durchschnitt dar, auf dessen Basis das Mehr oder Weniger leicht festgestellt werden kann. — Schliesslich behandelt der Bericht noch die im Jahre 1883 abgeschlossenen Anschlüsse und Betriebsverträge, sowie das Sanitäts- und Rettungswesen auf den Eisenbahnen, welches in Oesterreich ganz besonders ausgebildet worden ist, geht sodann auf Zoll-angelegenheiten über und endigt mit allgemeinen Verkehrsangelegenheiten, indem er in aller Kürze das Wichtigste aus diesen Zweigen anführt. Die Eisenbahnverstaatlichung in Ungarn dürfte mit der Uebernahme der A1 föld-Fiumaner Eisenbahn vorläufig als abgeschlossen zu betrachten sein, was um so richtiger erscheint, da es in Ungarn, von den gemeinsamen Eisenbahnen abgesehen, kaum eine Eisenbahn giebt, deren Uebe rnahme in Staatsbetrieb gegenwärtig dringend erscheint. Ungarn ist seit dem Jahre 1867 fortwährend bestrebt gewesen, auch in ökonomischer Beziehung ein ganz selbstständiger Staat zu werden. Deshalb wurde auch Fiume zum Triest Ungarns erhoben und das Eisenbahnwesen ganz unter die Macht Oeaterreich-Ungnrn. JiS des Staates gestellt. Als selbstständiges Zollgebiet ist Ungarn ohne den Fiumer Hafen und ohne Staatsbahnen nicht denkbar, daher wurden trotz sehr ungünstiger Staatsfinanzen alle nothwendigen Opfer gebracht, um in der I land der ungarischen Regierung die Machtfülle zu vereinen, welche die Verfügung über die Eisenbahnen gewährt. — Wie überall, hat jedoch auch in Ungarn die Eisenbahnverstaatlichung ihre Schattenseiten, Sehr charakteristisch für die auftauchenden Bedenken ist eine Ausführung des „Pester Lloyd", welche sagt, dass es an der Zeit sei, eine längere Ruhepause sowohl in der Verstaatlichung der Eisenbahnen wie in der Fortsetzung von Staatsbahnbauten eintreten zu lassen, damit die Schuldenlast nicht ins Ungemessene vermehrt werde. Die Pause sei aber deshalb unbedingt noth-wendig, weil sich der Staatsbetrieb jetzt erst wirtschaftlich und finanziell zu bewähren haben wird. Die wirthschaftlichen und staatspolitischen Gesichtspunkte sind hier massgebend gewesen, und wer dieselben richtig zu erfassen vermag, wird nicht gleich in laute Klage darüber ausbrechen, dass die vielen Hunderte von Millionen, die der Staat in seine Eisenbahnen steckte, sich mit kaum „ r8 Procent" verzinsen; aber so ganz gleichgültig ist dieser Umstand doch nicht, denn es wird für die Pflege der wirthschaftlichen Interessen ein sehr hoher Preis bezahlt. Graf Szapäry hat in richtiger Erkenntniss dieser Sachlage die Verstaatlichung wirksam eingedämmt, was indessen nicht gleichbedeutend sein soll mit Stillstand in der Entwicklung der Verkehrsmittel. Unter dieser Entwicklung muss man nicht immer nur die Vermehrung der Mittel verstehen, ebenso wichtig ist die richtige Ausnutzung der Mittel, insbesondere die Pflege des Lokalverkehrs. Dieser erscheint noch jetzt als der wunde Punkt des ungarischen Staatsbetriebes. Auch ist nicht zu verkennen, dass das Uebertragen des staatsmonopolistischen Princips auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens die private Thätigkeit beinahe lahmgelegt und zumeist auf kleine Lokalbahnen gedrängt hat. Doch dürfte darin bald eine Wandelung eintreten, denn das glückliche Beispiel der ()fen-Fünfkirchener Eisenbahn liefert den Beweis, dass in Ungarn noch Kaum und Gelegenheit zur Betätigung der Privatspekulation vorhanden ist. — Ob die ungarische Regierung derartigen Bedenken Rechnung tragen wird, ist der Zukunft anheim zu geben. Thatsache ist, dass die ungarische Regierung seither mit grosser Energie unter schwierigen Verhältnissen ein Staatsbahnnetz von mehr als „4000 Kilometer" geschaffen hat und das Eisenbahnwesen des Landes beherrscht. Die österreichischen Eisenbahnen besassen am Schlüsse des ersten Halbjahres 1884 an Fahrbetriebsmitteln 2786 Lokomotiven, 2264 Tender, 309 Schneepflüge, 5906 Personenwagen und 73.836 Lastwagen. Die grösste Anzahl Lokomotiven hatten: die k. k. Direktion für Staatseisenbahnbetrieb in Wien 460 Stück, die Südbahn 408 Stück, die österreichisch-ungarische Staatseisenbahn-Gesellschaft 365 Stück, ausschliesslich der ungarischen, für welche weitere 318 Stück vorhanden sind, die Kaiser Ferdinands-Nordbahn 353 Stück, die österreichische Nordwestbahn 201 Stück etc. Die meisten Personenwagen waren vorhanden: bei der k. k. Direktion für Staatseisenbahnbetrieb 1293 Stück, bei der Südbahn 881 Stück, bei der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft 610 Stück, nur für die österreichischen Linien, für das gesammte Netz aber 1006 Stück, und bei der Kaiser Ferdinands-Nordbahn 596 Stück etc. Die grösste Zahl der Lastwagen hatten: die Kaiser Ferdinands-Nordbahn mit 12.283 Stück, die k. k. Direktion für Staatseisenbahnbetrieb mit 9315 Stück, die Südbahn mit 8745 Stück, die österreichisch-ungarische Staatseisenbahn-Gesellschaft mit 8342 Stück speciell für die österreichischen Linien und 15.271 Stück für das ganze Netz, die österreichische Nordwestbahn mit 4932 Stück. — Aber vom relativen Standpunkt besitzen in Oesterreich-Ungarn die meisten Lokomotiven die Aussig-Teplitzer Bahn, die Dux-Bodenbacher Bahn, 38* die Kaiser Ferdinands-Nordbahn und die österreichisch-ungarische Staatsbahn-Gesellschaft. Die meisten Personenwagen finden sich bei der Aussig-Teplitzer Bahn, der Kaiser Franz-Joseph-Bahn, der Kaiser Ferdinands Bahn, der Graz-Köflacher Eisenbahn und der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft. Die meisten Lastwagen kommen auf die Aussig-Teplitzer Buhn, Dux-Bodenbacher Bahn, Kaiser Ferdinands-Nordbahn, Graz-Köflacher Eisenbahn und Prag-Duxer Eisenbahn pro Kilometer Bahnlänge. Man sieht also hieraus, dass die Aussig-Teplitzer Bahn mit ihrem Fahrzeugpark überall voransteht, ein Beweis dafür, welch enormen Verkehr aller A rt sie auf ihren ver hält nissmässig kurzen Strecken zu bewältigen hat. Die österreichisch-ungarischen Eisenbahnen sind im grossen Ganzen im Besitz vortrefflicher, nach den modernsten technischen Fortschritten eingerichteter Depots und Werkstätten, ja sie erzeugen sogar zum Theil ihr Material selbst, das Uebrige wird vorherrschend von der einheimischen Industrie producirt. — Am 31. December 1883 lief der Cartell-Vertrag der österreichischen Lokomotiv-Fabriken ab, ohne dass von irgend einer Seite die Fortsetzung des Cartell-Verhältnisses vorgeschlagen worden wäre. Auch seither ist nichts für die Erneuerung des Cartells geschehen, obgleich die Auflösung formell nicht ausgesprochen wurde; so ist das Cartell doch tatsächlich als aufgelöst zu betrachten, denn sämmtliche österreichischen I .okomotiv-Fabriken — es sind dies die Maschinenfabrik der österreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaff, die Floridsdorfer Fabrik, die Wiener-Neustädter Fabrik und die Firma Krauss u. Comp, in Linz — waren mit Bestellungen für das Jahr 1884 und darüber hinaus so gut versehen, dass keine derselben es für notwendig hielt, sich bezüglich der weiterhin zu erwartenden Bestellungen zu binden. - Vor einiger Zeit hatten andererseits die Verhandlungen wegen Erneuerung des Cartells der österreichischen Schienenwerke begonnen. Das Cartell kam im Jahre 1S7S zu Stande, wurde damals für drei Jahre, vom I. Januar 1879 bis Hude December 1881, abgeschlossen, sodann auf weitere drei Jahre erneuert und hatte daher bis Ende 1884 Gültigkeit. Die Beschlußfassung über die Erneuerung des Cartells hatte sechs Monate vor Ablauf desselben zu erfolgen und die rechtzeitig in dieser Beziehung vorgenommenen Verhandlungen führten zu dem Resultate, dass das Cartell auf drei Jahre erneuert, demnach bis Ende 1887 verlängert wurde. Einzelne Mitglieder des Cartells haben wohl Modifikationen gewisser Vereinbarungen beantragt, eine wesentliche Abänderung oder gar eine Auflösung des Cartells wurde von keiner Seite vorgeschlagen. Das Cartell umfasst sieben Werke, und zwar die beiden Walzwerke der Alpinen Montau-Gesellschaft, die länger Eisen-In-dustrie-Gesellschaft, das Teplitzer Walzwerk, das 'besehener, das Ternitzer und das Witkowitzer Walzwerk. 1 >as Ternitzer Walzwerk producirt keine Schienen, wird aber von den anderen Werken in vollem Masse baar entschädigt. Im allgemeinen ist in Oesterreich-Ungarn das gesammte Bahnmaterial in vortrefflichem Zustande, besonders das rollende steht in seiner Construction und inneren Einrichtung vollkommen auf der Höhe der Zeit, auch ist man beständig bestrebt, Ver besserung, wo immer nur möglich, zu erproben oder einzuführen. So haben z. B. die ungarischen Staatsbahnen mit Bewilligung des Communications-Ministers zu Zwecken des Petroleumtrans ports, dessen Steigerung in Folge der Errichtung der Raffinerie in bäume und des Baues einer Raffinerie in Budapest zu erwarten ist, bei der Ganz'schen Waggonfabrik 100 Stück Caissonwaggons für den Petroleumtransport bestellt. Durch die Anschaffung dieser Waggons, welche den betreffenden Fabriken in Jahresmiethe gegeben werden sollen, ersparen diese die sehr bedeutenden Tara-Frachtkosten der Fässer, was eine sehr wesentliche Begünstigung der Fabrikation bedeutet. — Als Ergänzung zur Wiener elektrischen Ausstellung wurde eine Lokomotivbeleuchtungseinrichtung, System Sedlaczek- Wikullil, ausgeführt von S. Schlickert in Nürnberg, auf einer Personenzugslokomotive der k. k. österreichischen Westbahn montirt und während eines Monats für einen, jeden Abend 7 Uhr 45 Minuten nach Rekawinkel abgehenden, fahrplan-mässigen Personenzug mit einer nur kurzen Unterbrechung während der Vollmondstage in Anwendung gebracht. Diese Beleuchtungseinrichtung besteht in der bekannten Schuckert-schen Flachring-Dynamo-Maschine; welche mit einer Vier-Cylinder-Maschine, System Abraham, direkt gekuppelt, auf den Lokomotivkessel montirt ist, während an der Stirnseite der Lokomotive der Reflektorkasten mit Lampe angebracht wurde, welch letztere bis jetzt als die einzige Konstruktion bezeichnet werden darf, die trotz der heftigen Bewegungen einer Lokomotive eine stetige Regulirung des Lichtbogens bewirkt, also ein ruhiges und gleichmässiges Licht sowohl während der Fahrt als während des Stillstandes der Maschine erzeugt. Zufolge Einladung des Präsidenten der k. k. Direktion für Staats-eisenbahnbetrieb, Hrn. Alois Czedik v. Bründelsberg, an summt-liehe in Wien domicilirenden Eisenbahnverwaltungen, sowie an die wissenschaftliche Kommission der Ausstellung und sonstige Interessenten, war den 27. Oktober Abends am Westbahnhofe ein Extrazug bereit gestellt, an welchem sich etwa achtzig Personen betheiligten. Der Zug wurde 7 Uhr 5 Minuten abgelassen, fuhr über Purkersdorf und Rekawinkel bis über die zwei Rekawinkeler Tunnels hinaus und von hier aus wieder zurück. Denjenigen 1 lerren, welche ein ganz besonderes Interesse für die Sache hatten, war Gelegenheit geboten, abwechselnd auf der Maschine zu fahren und direkt von hier aus die eminente Wirkung dieser Beleuchtungseinrichtug zu beobachten. Die Beleuchtung war eine brillante, namentlich auch in den Tunnels und selbst in den starken Bahncurven, für welch' letztere die Lampe auf sehr einfache Weise entsprechend eingestellt werden konnte. Die gerade Bahnstrecke war auf etwa 1 Kilometer Distanz beinahe tageshell beleuchtet, so dass jedes etwaige I Jinderniss wie bei Tage deutlich sichtbar war. I )ie Bedienung der Einrichtung ist eine höchst einfache, das Maschinenpersonal bäum beschwerende, da letzteres lieber und sicherer auf cinei gut beleuchteten Strecke als in die dunkle Nacht hinein fahrt. Auch ist das Maschinenpersonal durch die Beleuchtung veranlasst, seine Aufmerksamkeit in erhöhtem Masse der Bahnstrecke zuzuwenden, obgleich das Licht in keiner Weise blendend wirkt, sondern mild und gleichmässig die Bahnstrecke erhellt. Von der Lokomotive aus konnte man beobachten, dass das Bahnbewachungspersonal durch den Lichtstrahl durchaus nicht genirt wurde. — Alle Theilnehmer waren der Ansicht, dass dieses Beleuchtungssystem eine grosse Zukunft habe, weil durch Verwendung desselben die Sicherheit des Eisenbahnbetriebes ganz wesentlich gefördert, d. h. Unglücksfälle auf der freien Bahn und bei der Einfahrt in Bahnhöfe vermieden werden. Da die Eisenbahnverwaltungen. abgesehen von dem bedeutenden Werth ihres Betriebsmaterials, für die ihnen anvertrauten Menschenleben verantwortlich sind, so wird hoffentlich in nicht sehr ferner Zeit die Rücksicht auf den Kostenpunkt im Interesse des Publikums nicht mehr die allein massgebende sein, und das elektrische Licht dann auch hier den Sieg über die Dunkelheit erringen. — In Folge dieser ausserordentlich günstigen Resultate beabsichtigte die k. k. Gencraldirektion der österreichischen Staatseisenbahnen, im nächsten Jahre auf zwei ihrer Sekundär bahnen die elektrische Lo-komotiv-Beleuchtung einzuführen und dürfte diese Beleuchtungsart, wenn sie sich im praktischen Dienste bewährt, wohl bald eine grössere Verbreitung finden. — Auch die Oesterreichische Nordwestbahn will auf ihrem Bahnhofe in Königsgrätz in der nächsten Zeit die elektrische Beleuchtung einführen und sollen zu diesem Zwecke in dem 1100 Meter langen Bahnhof 12 Bogenlampen mit einer Lichtstärke von 12.000 Normalkerzen aufgestellt werden. Die Anlagekosten berechnet man auf ungefähr 24.000 Fl. — Die 600 1 Jestereeich-Ungvn. Betriebskosten für 12 elektrische Lampen, inbegriffen die Bezahlung eines geprüften Maschinenwärters und eines Heizers, betragen ungefähr 5800 Fl, jährlich, während sich die Betriebskosten für 100 Petroleumlampen mit zusammen nur 2400 Normalkerzen Lichtstärke auf circa 6500 Fl. belaufen. — Ferner wurde in jüngster Zeit der neue, für den Personen-, Gepäck- und Eilgutverkehr eingerichtete Personen-Bahnhof in Budapest eröffnet. Derselbe dient zur Verbindung der in Budapest einmundenden Linien der ungarischen Staatsbahnen und waren die Kosten dieses Prachtbaues auf 488.000 Fl. veranschlagt. — Der Bahnhof wird durch 70 Bogen- und 644 Glühlampen erleuchtet; eine Bogenlampe gleich 606, eine Glühlampe gleich 12 bis 20 Normalkerzen. Zur Herstellung dieses grossartigen Bahnhofes dienten 308.000 Quadratmeter Flächenraum und be-trägt die Länge der im Bahnhofe befindlichen Schienen 26 Kilometer. Und so könnten wir noch viele andere Verbesserungen anführen, wenn uns der Raummangel nicht Beschränkung auferlegen würde. In letzter Zeit wurde ein Vorkommniss bei den österreichischen Staatsbahnen vielfach besprochen, welches wir nicht unerwähnt lassen wollen, weil es ein zu eigenthümliches Streiflicht auf gewisse Zustände wirft. Im vorigen Jahre hatte nämlich die Generaldirection sämmtliche an der Elisabeth-und Rudolf-Bahn gelegenen Bahnhofsrestaurationen an die im Jahre [882 gegründete „Oberösterreichische Lnndcsprodukten-Gesellschaft in Linz", eine klerikale Genossenschaft mit beschränkter 1 Iaftung, verpachtet und zwar vorläufig probeweise auf ein Jahr. Da nun das fahrende Publikum allgemein über die schlechten Bahnhofsrestaurationen klagte, so forderte die Generaldirection mehrere grosse Restaurants in Wien zu einer Offert-Ueberreichung auf, um mit der Landesproducten-Gesell-schaft zu brechen. Es trat denn auch ein Konsortium der ersten Weinhändler und Wirthe zusammen, welche einen Fonds von einer halben Million Gulden zusammenschössen und der Generaklirection ein sehr vorteilhaftes Angebot stellten. Das Consortiuin erhielt auch alsbald eine halbe Zusage, die jedoch wieder zurückgezogen wurde, mit dem vertraulichen Bedeuten, dass die Concessionen, welche die kandesprodukten - Gesellschaft zugestanden, von dem Wirths-Consortium unmöglich gemacht werden könnten. 1 [insichtlich dieser Concessionen deutet man nun in informirten Kreisen auf die Wichtigkeit hin, welche die klerikalen Stimmen Überösterreichs bei der nächsten Wahl für das Ministerium haben werden. Im Oktober vorigen Jahres hat sich im österreichischen Bahnverkehr eine kleine Revolution vollzogen, nämlich die Einführung der kürzeren „ Lieferfristen der deutschen Bahnen", die von der Geschäftswelt schon längst herbeigesehnt wurde. In Folge dieser Verordnung erhielten die Stationsvorstände der österreichischen Eisenbahnen von Seiten der Directionen den Auftrag, in ihrem Bereiche .Mies aufzubieten, damit die Manipulationen bei dem Auf-, Abgabe- und Transitodienste die größtmögliche Beschleunigung erfahren. Ausserdem wurde die Lieferungszeit für Viehtransporte der Lieferungszeit für bdigut gleichgestellt. — Doch sind die Lisenbahnverwaltungen natürlich von der Verordnung wenig befriedigt, denn dieselbe zwingt sie zu einer Ausgabe-Belastung der Verwaltung, da sie nunmehr verpflichtet sind, um die kürzeren Lieferfristen einzuhalten, anstatt der gewöhnlichen Güterzüge mit grosser Bruttobelastung, Eilbahnzüge mit schnellerer Fahrzeit, aber geringerer Belastung in Verkehr zu setzen. — Nachdem die Lieferfristangelegenheiten definitiv entschieden waren, beanspruchten die österreichischen Bahnen Uebergangs- und Annahme-Bestimmungen für einzelne Fälle, wo ausländische Bahnanschlüsse oder österreichische Verkehrsrücksichten die Einhaltung des kurzen deutschen Liefertermins unmöglich machen. Das österreichische Handelsministerium war gern bereit, den Bahnverwaltungen diese Concessionen zu machen und verlangte von den- selben die Vorlage jener einzelnen Fälle, für welche Verlängerung der Lieferfrist gewünscht wurde. Die Eisenbahn-verwaltungen begnügten sich jedoch nicht mit der Angabe der allernothwendigsten Ausnahmsfalle, sondern gingen weiter und unterliessen es überdies, eine Begründung ihrer Wünsche zu geben, so dass der Handelsminister sich einer solchen Unmasse von Ausnahmefällen gegenüber sah, dass deren Bewilligung die Aufhebung der ganzen Verordnung auf Einführung der deutschen Lieferfrist en hervorgerufen hätte. Das Ministerium theilte demnach den Eisenbahnen mit, dass es absolut jedes Ansuchen einer Bewilligung von Ausnahmen für Einhaltung der Lieferfristen abweisen und erst dann derartige Ausnahmen bewilligen werde, bis sich nach längerem Zeitraum durch die Erfahrung herausstellen werde, für welche Fälle und für welchen Zeitraum eine Verlängerung der Lieferfrist riöthig sei. Ebenso wurde im Jahre 1883 vom Staatsbetriebe zur Förderung der Interessen der Produktion und des I landels eine „Reduktion der Frachttarifsätze" eingeführt. Diese Ermässigung ist, wenn auch nur auf den Localverkehr und einzelne Ausnahme-Tarife beschränkt, bei der grossen Anzahl von Handels-Gewerbebetrieben, welche notorisch unter den Anomalien der österreichischen Frachtverhältnisse in ihrem Aufschwünge gehemmt sind, für die Volkswirtschaft des Reiches eine hochschätzbare Erleichterung, und da in Folge dessen auch die Privatbahnen sich zu manchen, der Geschäftswelt bisher vorenthaltenen Concessionen veranlasst fühlten, so sehen wir endlich den Reformgedanken in ein Gebiet gedrungen, welches in Oesterreich-Ungarn zum Schaden der dortigen industriellen und commerciellen Espansion, trotz des einstimmigen Rufes aller betheiligten Kreise, bisher absolut unzugänglich geblieben war! Es ist nur zu hoffen, dass sich dieser Gedanke im Sinne der Anträge und Wünsche der Tarif-Enquete noch weiter Bahn brechen und hauptsächlich auch im Bereiche der Schiffahrtsgebühren zur Geltung gelangen Werde, bezüglich welcher von der Geschäftswelt im Interesse der commerciellen Mission Oesterreich-Ungarns, besonders im Oriente, noch manche Erleichterung der Transportbedingungen beansprucht wird. — Zu einer derartigen universellen Lösung der Tariffrage fordert aber auch die in das Jahr 1883 fallende Vollendung der Triester Hafenbauten, einer monumentalen Schöpfung hochwichtiger verkehrspolitischer Natur auf. Hat das Zurückbleiben des österreichischen Seeemporiums zur Nachholung der Versäumnisse in seiner Ausrüstung gedrängt, so zeigt andererseits der durch die energische Tarifpolitik der ungarischen Regierung erwirkte, ausserordentliche Aufschwung Fiumes, welch' mächtiger Hebel noch zur Hebung Triest's in Bewegung gesetzt Verden muss. — Soll das besser ausgestattete Triest der 'hm zugedachten und zukommenden Vermittlerrolle vollkommen entsprechen, so muss es nicht allein mit seinem Hinterlande in billige Verbindung gesetzt sein, sondern auch selbst zUr See überall hin billig verfrachten. — Als Beweis übrigens, Wie in Oesterreich-Ungarn die nun einmal in Angriff genommene Tarifermässigung Fortschritte macht, mag dienen, dass ln jüngster Zeit, auf Anregung der ungarischen Staatsbahnen, ein neuer ermässigter Getreide-Mehltarif für Budapest-Wien und die österreichischen Stationen nördlich und westlich von Wien in Kraft trat. Hierbei wird Budapest-Wien loco circa 66 Kreuzer, Wien-Transito 64 Kreuzer pro 100 Kilogramm dem ab Wien ermässigten Localtarif der österreichischen Staatsbahnen eingerechnet werden. — Die Ferdinands-Nord-bahn hat ebenfalls erhebliche Tarifermässigungen für den Ex-P0l"t mährischen und böhmischen Getreides nach der Schweiz und Frankreich eintreten lassen. In Bezug auf die auswärtige Tarifpolitik Oesterreich-Ungarns finden wir, dass die Österreich-ungarischen Eisenbahnen ln einer kürzlich abgehaltenen Konferenz über den jüngsten Vorschlag der preussischen Staatsbahnen, die beiderseitigen Kündigungen bis Ende März 1885 zu prolongiren, verhandelt haben. Dabei beschlossen die österreichischen Bahnen, der proponirten Fristerstreckung zuzustimmen, indem ja auch sie keinen Abbruch der directen Verkehrsbeziehungen wünschen. In dem bezüglichen Antwortschreiben wurde -jedoch betont, dass die österreichischen Bahnen, im Gegensatze zu der preussischen Auffassung, mit der Kündigung des Berliner Ueber-einkommens keineswegs auch eine Kündigung der directen Tarife beabsichtigten, wie solche denn auch tatsächlich ohne ein derartiges Uebereinkommen Jahre hindurch anstandslos bestanden; sie sind überdies, um den Wünschen der preussischen Staatsbahnen nach Thunlichkeit zu entsprechen, nicht abgeneigt, bezüglich einer paritätischen Behandlung der Umschlagroute mit den directen Bahnstrecken auch fernerhin eine Vereinbarung einzugehen, wenn auch deutscherseits eine ähnliche Zusage gemacht wird. Diese letztere Bemerkung bezieht sich auf den dem deutschen Import nach Oesterreich dienenden Donau-Umschlag bei Regensburg, welcher deutscherseits mehrfach begünstigt wurde, während dies den österreichischen Bahnen bezüglich des Elbe-Umschlages unbedingt verwehrt werden soll. — Der l^arifkonflict mit den rumänischen Bahnen drohte zu einem Konflicte mit den deutschen Bahnen zu führen. Die österreichischen und die ungarischen Transitbahnen, welche am Verkehre zwischen Deutschland und Rumänien betheiligt sind, hatten die Verbandtarife per i. Oktober 1884 gekündigt. Den Anlass zur Kündigung gaben die Tarife für Eisen, welche sich für den Export von Deutschland nach Rumänien billiger stellten, als für den Export von Oesterreich nach Rumänien. Die rumänischen Bahnen hatten nämlich den deutschen Bahnen einen wesentlich niedrigeren Einheitssatz eingeräumt, als den österreichischen Bahnen. Diese erklärten nun, nachdem die Kündigung erfolgt war, neue Verbandtarife sowohl für den Verkehr zwischen Deutschland und Rumänien über Oesterreich-Ungarn, als für den Verkehr zwischen Oesterreich-Ungarn und Rumänien nur dann aufstellen zu wollen, wenn gleiche Einheitssätze die Grundlage bilden. Die rumänischen Bahnen zeigten sich geneigt, auf diese Forderungen einzugehen. Ks fanden Konferenzen statt, welche zu dem Resultate führten, dass die rumänischen Bahnen sowohl für den Verkehr mit Deutschland als für den Verkehr mit Oesterreich-Ungarn die Parität zugestanden. Den rumänischen Bahnen wurde dafür die Concession gemacht, dass man im Verkehre mit Wien der Route über Verciorova eine grössere Transportquote zuwies, als der Route über Predeal, obwohl die beiden Routen gleich lang sind. Auf Grund der principiellen Vereinbarungen wurde zunächst ein Ausnahmetarif für die im Exporte wichtigsten Artikel. Eisen und landwirthschaftliche Maschinen, ausgearbeitet. Der neue Tarif sollte am i. August ins Leben treten. Die Sache schien damit geordnet, als plötzlich von Seiten Rumäniens die erwähnte Begünstigung der Verciorovaer Route, welche für die rumänischen Bahnen im Vergleiche mit Predeal mehr als den doppelten Antheil liefert, auch für andere über Pest bediente Verkehrsrelationen verlangt wurde. Die österreichischungarischen Bahnen, insbesondere die ungarische Staatsbahn, lehnten dieses Begehren ab, und so kam es, dass der neue Österreich-ungarische Eisentarif nicht eingeführt werden konnte und dass für den sehr bedeutenden deutsch-rumänischen Eisen-yerkehr gar keine directen Tarife bestanden. Dies macht den deutschen Exporteuren die Benutzung des natürlichen Weges über Oesterreich-Ungarn unmöglich und veranlasste die deutschen Bahnen, welche in der Haltung der österreichisch-ungarischen Bahnen eine Feindseligkeit gegenüber Deutschland erblicken, nicht nur zu einer sehr gereizten Sprache, sondern auch zur Androhung von Repressalien. Daher fand in jüngster Zeit ein lebhafter Schriftenwechsel über die ganze Angelegenheit statt. In einer der letzten Zuschriften erklären die betheiligten deutschen Bahnen, für den Fall, dass seitens der österreichisch-ungarischen Bahnen das gewünschte Entgegenkommen nicht bewiesen werden sollte, in allen anderen, weit wichtigeren Verkehrsbeziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn rücksichtslos vorgehen zu wollen. Sie kündigen ferner an, dass bereits Vorbereitungen getroffen sind, um den Export nach Rumänien ausschliesslich über die russischen Bahnen und zwar trotz des grossen Umweges zu wesentlich geringeren Sätzen zu leiten, als jetzt gelten. Zur gütlichen und möglichst günstigen Erledigung der ganzen Angelegenheit wurden schliesslich für den 25. und 26. September Konferenzen der betheiligten österreichischen, ungarischen, deutschen und rumänischen Bahnen nach Budapest einberufen. — Ein interessanter Schachzug gelang übrigens in neuester Zeit der österreichischen Südbahn. Seit Monaten bereits hatte man in München spe-culirt und calculirt, russisches Getreide ab Odessa nach Süddeutschland zu dirigiren, besonders war es aber die baierische Handelsbank, welche sich der Realisirung dieser Idee annahm. Endlich hat das Projekt in letzter Zeit concrete Formen angenommen und es wurden mit Odessaer Kaufleuten und Rhedern Verträge abgeschlossen, nach welchen das bezügliche Getreide, hauptsächlich Mais, per mare via Venedig versandt werden sollte. Im letzten Augenblicke jedoch legte die österreichische Südbahn sich ins Mittel und es gelang ihr, durch Aufstellung entsprechender Tarife, die betreffenden Güter nach Triest und auf ihre Linien zu dirigiren. Triest gewinnt dabei freilich nur die Facchinage, die Südbahn aber die Verfrachtung von mindestens 300 Wagen oder 60.000 Zollcentner Getreide. Ausser den soeben besprochenen normalen Eisenbahnen gibt es in Oesterreich-Ungarn auch noch „Dampf-Tram-ways". Obwohl die derartig betriebene Strecke 1 Iietzing-Perch-tedsdorf vorläufig nur dem localen Personenverkehre dient, so ist mit derselben doch in Oesterreich-Ungarn ein Bahnsystem eingeführt, welches, wie die in Oberitalien mit demselben ge- machten Erfahrungen beweisen, denn die Provinz Mailand besitzt bereits 310 Kilometer Dampfstrassenbahnen, berufen erscheint, durch Ausfüllung der zwischen der Normalcisenbahn und dem Pferdebetriebe bestehenden Lücke, auch bei der Frachtenbefördeiung eine bedeutende Rolle im Verkehrswesen zu spielen. — Die im Dienste von Montanwerken, Industrie-Etablissements u. s. w. stehenden „Schleppbahnen" in Oesterreich erhielten während des Jahres 1883 in Folge der Eröffnung neuer und Verlängerung bestehender Anlagen eine Vermehrung von 71 Bahnen mit 55.397 Kilometer Länge, während andererseits 13 Strecken mit 13.546 Kilometer Länge theils abgetragen oder gänzlich aufgelassen wurden. Unter den in Abfall gekommenen Anlagen befinden sich die zu den Elbe-Umschlagplätzen in Tetschen und Laube führenden 0'8o8 Kilometer und 3-521 Kilometer langen, nunmehr in die Kategorie der Hauptbahnen einbezogenen Schleppbahnen der böhmischen Nordbahn, beziehungsweise der österreichischen Nordwestbahn, sowie die auf ungarischem Territorium gelegene 0-23 Kilometer lange Schleppbahn der Ersten ungarisch-galizischen Eisenbahn in I lomonna. — Der tatsächliche Zuwachs an Schleppbahnen beläuft sich demnach auf 58 mit 41.851 Kilometer Länge. — Der Gesammtbestand dieser Bahnen betrug am Schlüsse des Jahres 1883, 804 Anlagen mit 696.019 Kilometer, gegenüber von 746 Linien mit 654.168 Kilometer Länge im Vorjahre. Das Post- und Telegraphenwesen in Oesterreich- Ungarn. Wie wir wissen, bilden für den gegenseitigen Austausch der Correspondenzen ihrer Postanstalten sämmtliche Kulturstaaten der Erde, nach dem internationalen Vertrage vom '• Juni 1878, den „Weltpostverein". Neben diesem besteht 608 (»esterreich-L ligam seit i.Juli 1850, zwischender österreichisch-ungarischen Monarchie und dem deutschen Reiche und Luxemburg ein engerer Postverband, welcher durch den Vertrag vom 7. Mai 1872 geregell ist und die Feststellung gleichmässiger Bestimmungen für die Taxierung, sowie postalische Behandlung der Brief- und Fahrpostsendungen zum Zwecke hat. — Oesterreich besitzt aber auch das Recht zur Ausübung des Postregals im Fürstenthum Liechtenstein. — In beiden Staatsgebieten der österreichischungarischen Monarchie gelten für das Post- und Telegraphenwesen gleiche gesetzliche Normen, doch sind die Postmarken, obwohl im Werthe gleich, von einander verschieden. — Die Zahl der Postanstalten und der Briefpostverkehr betrug im Jahre 1881: Briefpostverkehr in Tausenden Stück: Zahl der Briefe und Waaren-i'ost- < 'orivspclz.. proben. österr. anstalten karten Drucksach. Zeitungen Zusammen Staatsgebiet 4.033 296.368 45.359 75-979 417.706 ungar. Staatsgebiet. 2.414 93.058 12.357 36.747 142.162 Oesterreich-Ungarn 6.447 389426 57.716 112.726 559.868 Auf eine Postanstalt entfallen in Oesterreich circa 5.491. in Ungarn 6,520, in Oesterreich-Ungarn 5.876 Linwohner. In dieser Beziehung steht die Monarchie unter den Staaten Europas an 9. Stelle. — i<\uf je einen Einwohner kommen in Oesterreich 134, in Ungarn 60, in der Gesammtmonarchie 103 Briefe. Oesterreich Ungarn nimmt hierin unter den europäischen Staaten den 8. Rang ein. — Um Gelegenheit zu einem höchst interessanten Vergleich zu bieten, bringen wir nachstehend einen von der „Statistique generale du Service postal" veröffentlichten Ausweis über die gesammten Posteinnahmen der verschiedenen Staaten für das Jahr 1882 und ausserdem noch zur bequemeren Vergleichung die diesen Zahlen ent- sprechenden Verhältn is s w e rt h e, die Einnahmen Deutschlands als Einheit gleich ioo angenommen: Verhältniss- Vereinigte Staaten Franken zahlen v. Amerika 220,579.892 103-5 Deutschland . . 213,1 I I.I42 IOO Grossbritannien . 182,524.000 85-6 Frankreich . . . 154,253.661 72-4 Russland . . . 60,941.468 28-6 Oesterreich . . . 47.876630 22'5 Italien .... 32,660.886 »5*3 Englischdndien . 23,746.024 in Ungarn .... l8,400.203 8-6 Schweiz .... 17,106.436 8-02 Spanien .... 14,902.639 6-99 Belgien .... [2,754.276 5-98 Niederlande . . 9-910-374 4-65 Japan ..... 9,007.987 4-26 Schweden . . . 7,886.IOO 370 Dänemark . . . 6,177.560 2-90 Rumänien . . . 4,076.92 1 1-91 ' Mexiko .... 3,615 -yß 1 -696 Algier u. Tunesien 1,346.111 1-570 Portugal . . . 3,018.868 1-417 Argent. Republik- 2,319.469 ro88 Egypten . . . 2,215.713 1 -040 Chili..... 1,709.100 0-802 Griechenland . . 904.522 0-424 Bulgarien . . . 483733 0-227 Luxemburg . . . 445-5*5 0209 Persien .... 372.200 0-175 Guatemala . . . 186.513 0-088 Havai .... 115.500 0054 Honduras . . . 20.485 0-0096 Oest«rreicli-Une;arn. 39 Nach der letzten Zusammenstellung- von Statistiken der europäischen Postverwaltungen bestehen in Europa 63.000 Postanstalten, also bei 328 Millionen Einwohnern 1 Postanstalt auf 5.206 Einwohnern. Postbriefkasten sind 213,000 aufgestellt. Ein Personal von 300.000 Köpfen versieht den Dienst. Der Briefverkehr ist auf jährlich 6554 Millionen Stück gestiegen. Die Einnahmen der Post betragen 628 Millionen Mark, die Ausgaben dagegen 507 Millionen Mark, so dass die Post den europäischen Ländern einen Gewinn von 121 Millionen Mark jährlich bringt. — Deutschland hat die meisten Briefkasten, nämlich 61.665 Stück, dann kommt Frankreich mit 53.182 Stück, England mit 30.000 Stück. Bulgarien hat nur 116 Briefkasten. Die meisten Postanstalten besitzt England, nämlich 15.456, dann kommt Deutschland mit 12.548, Frankreich mit 6.158, Bulgarien hat nur 48 Postämter. — Der Briefverkehr Englands mit 1853 Millionen Stück ist der grösste, dann kommt Deutschland mit 1.437 Millionen Stück, Frankreich mit 1.319 Millionen Stück. Bulgarien hat nur etwa 1 Million Briefe jährlich. — Finanziell steht sich die Postverwaltung in England am besten; ihr Ueberschuss beträgt jährlich 56 Millionen Mark, dann kommt Deutschland mit 23 Millionen Mark, Frankreich mit 15 Millionen Mark. Russland dagegen muss 5 '/2 Millionen Mark Zuschuss zur Post leisten; ausserdem muss auch noch Bulgarien und Serbien zulegen. Alle übrigen Länder haben hingegen bedeutende Ueberschüsse. Somit ist die Post fast durchgehends ein gutes Geschäft. In Bezug der Verbesserung des Postwesens geschah in Oesterreich-Ungarn in letzter Zeit ausserordentlich viel und dieses Institut reiht sich würdig an das der übrigen Kulturstaaten. — Ueberblicken wir jetzt den Österreich-ungarischen „Posttarif": Gewöhnliche Briefe. Drucksachen, Waaren- 8 Geschäfts- Muster. c Papiere. Bennennung wicht ramm, g der C et ■c •s. u •= - 0 Länder. C c B D 0 U 1 1 3 jj ■ — ni w. P i> öS kr. kr. kr. c kr. ° kr. kr. Im Localverkehr eines bis 20 3 6 2 bis 50 2 bis 250 5 5 Postamtes „ 250 6 9 „ 250 5 Oesterreich-Ungarn u. „ 20 5 10 2 m 50 2 „ 250 5 10 Liechtenstein, .. 250 10 15 2 „ 2 50 5 Deutschland mit p L5 5 10 2 „ 500 10 m 250 5 10 Elsass-Lothringen, H 259 10 15 2 „lOOO 15 Bosnien- für je für je für je Herzegowina, 15 5 10 2 50 2 50 2 10 Montenegro, für je für je lür je 50 2 7 '4 4 5o 2 10 Serbien aus Ungarn für je 5 für je für je 15 10 4 5? j> 50 2 10 Serbien aus für je fürje fü je Oesterreich, 15 7 ' 4 50 2 50 2 10 SS Nach den übrigen für je fürje fürje * europäischen Staaten 15. 10 20 5 50 3 50 3 10 Nach d. übrigenStaaten für je oder fürje fürje des Weltpostvereins "5 10 oder 20 30 5 oder 8 50 3 oder 6 50 3 oder 10 Seit i. August [88o wurden in Oesterreich-Ungarn auch „Correspondenzkarten mit bezahlter Rückantwort'' eingeführt, welche per Stück 4 Kreuzer kosten, aber nur im internen Verkehre, dann im Verkehre mit Bosnien und der Herzegowina, sowie im Wechselverkehre mit Deutschland zulässig sind. Nach dem Sandschak Novibazar bezahlt man für derartige Karten 10 Kreuzer. Zu den Correspondenzkarten nach den Ländern des Weltpostvereins, mit Ausnahme Deutschlands, Serbiens und Montenegros, sind eigene Blanquette mit dem eingeprägten Stempel von 5 Kreuzern in rosarother Farbe aufgelegt. Diese Karten werden auch nach denjenigen überseeischen Ländern und Colonien verwendet, nach welchen die Correspondenzkartentaxe mit S Kreuzer festgesetzt wurde, nur ist in diesem Falle das Ergänzungsporto durch Aufkleben einer 3 Kreuzer-Briefmarke auf der Adressseite zu entrichten. Das ähnliche gilt für Montenegro und Serbien, wobei die inländischen Correspondenzkarten verwendet werden. — Seit 1. Oktober 1880 sind auch Correspondenzkarten mit bezahlter Rückantwort nach einem grossen Theil der Staaten des Weltpostvereins zulässig. Derartige Karten, mit bezahlter Rückantwort kosten nach der argentinischen Republik und nach den niederländischen Colonien 16 Kreuzer, sonst 10 Kreuzer. Für dieselben sind eigene Formulare mit der eingeprägten Marke von 5 Kreuzer auf der Tour- und Retourkarte aufgelegt und müssen dieselben bei ihrer Verwendung nach der argentinischen Republik und nach den niederländischen Colonien mit je einer Ergänzungsmarke von 3 Kreuzer auf der Tour- und Retourkarte versehen werden — Die „Recom-mandation der Correspondenzkarten" kann gegen die gewöhnliche Recommandationsgebühr stattfinden, die Marke für die Recommandation ist auf die Rückseite aufzukleben. Ausserdem werden Correspondenzkarten auch „per Express" bestellt. ,,Bost an Weisungen" im Inlande bis 200 FT übernehmen alle Postämter Oesterreich-Ungarns zur Zahlung an. Bei den ärarischen Postämtern werden Postanweisungen bis zum Betrage von iooo Gulden, nach Wien und Budapest bis 5000 Fl. angenommen. Die bei der Aufgabe zu entrichtende Gebühr für inländische Postanweisungen beträgt, ohne Unterschied der Entfernung, für Beträge: bis 5 Fl. 5 Kr. bis 1000 Fl. i Fl. 50 10 „ 2000 h 1 „ 50 • » •50 n 20 h „ 3000 1» — 11 300 h 30 n „ 4000 n 2 >? 500 i> 50 11 „ 5000 » 3 „ Von allen österreichisch-ungarischen Postämtern können auch Postanweisungen bis 200 Fl. = 400 Mark oder 500 Eres, nach allen Postanstalten in Deutschland, Helgoland und Luxemburg, Belgien, Frankreich, Italien, den Niederlanden der Schweiz und den Vereinigten Staaten angenommen und aus diesen Ländern an Postämter in Oesterreich - Ungarn zur Zahlung angewiesen werden. Die bei der Aufgabe zu entrichtende Gebühr für ausländische Postanweisungen beträgt z.B. nach Deutschland, Helgoland und Luxemburg: bis 40 Fl. 20 Krz. bis 120 Fl. 60 Krz. „ 50 >, 25 „ „ 130 „ 65 „ „ 60 „ 30 „ „ 140 „ 70 „ „ 7° » 35 „ » 150 ,, 75 „ 80 „ 40 „ „ 160 „ 80 „ „ 90 „ 45 » „ '70 „ 85 „ „ 100 „ 50 „ „ 180 „ 90 „ „ 110 „ 55 „ „ 190 „ 95 bis 200 Fl. 1 Fl. Nach Belgien, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Rumänien und der Schweiz bis 20 Fl. 20 Krz. bis i io Fl. „ 3° - 30 „ >• 120 „ „ 40 H 4° m » *3° M „ 5° * 5o „ „ 140 „ „ 60 „ 60 „ „ 150 „ Fl. 10 Krz. 20 „ /O „ 70 „ „ 160 „ „ 80 „ 80 „ „ 170 „ „ 90 90 „ „ 180 „ „ 100 „ 1 Fl. „ 190 „ 11 11 30 4o 50 60 70 80 ff ff bis 200 Fl. 2 Fl. Nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika und nach Canada kann man die Postanweisungen, welche an das Postbureau in Basel zu addressiren sind, nur bis Basel frankiren. Für die Weiterbeförderung von Basel bis zum Bestimmungsorte in Amerika wird die Taxe, welche für je 10 Frcs. 20 Cent, beträgt, von dem angewiesenen Betrage in Abzug gebracht. „Briefe mit Werthangabe" gelangen nach den unten angeführten Landern und unter dem dort als höchst zulässig angegebenen Betrage unter Versicherung des Werthinhaltes zur Versendung. Dieselben dürfen nur Werthpapiere, Papiergeld, Coupons, aber kein gemünztes Geld, Pretiosen oder zollpflichtige Gegenstände u. dgl. enthalten und müssen in einem Couvert von festem Papier mit hinreichender Anzahl von Siegeln verwahrt sein. Die Adresse ist in französischer Sprache zu verfassen, und oben mit der Aufschrift „Lettre de valeur" zu versehen. Die dafür entfallenden Gebühren bestehen aus der Recepiss-Gebühr von 10 Kreuzer und allen fällsiger Retour-Recepiss-Gebühren; aus der Gewichtstaxe, wie für gewöhnliche Briefe, nach den betreffenden Ländern und schliesslich aus der Werthstaxe mit dem nachfolgend angegebenen Betrage: Für je Nach den Ländern Für je 15 (iraniiii. 200 Frcs. 80 Fl Höchst zuläs^igei Betrag. Kr. Kr. Fr. Belgien IO 8 Dänemark mit Farör und Island . . . . IO 8 unbeschränkt Dänische Col., Grön- land und Westindien 20 L3 >> Egypten nur nach grösseren Orten . IO 10 5000 Frankreich mit Algier und Tunis .... IO 8 10.000 Französische Kolonien 20 LS IO OOO Helgoland .... IO 8 unbeschränkt Italien nur nach grös- seren Orten . . . IO 5 5.000 Luxemburg .... IO 8 10.000 Niederlande .... IO 8 10.000 Norwegen .... IO L3 unbeschränkt Portugal mit Madeira und Azoren . . . 10 15 IO.OOO Portug. Col. Scutiago, S.Thomas u. Loanda 20 23 5.OOO Rumänien .... IO 5 IO.OOO Rumänien aus der Bu- 5 5 IO.OOO Russland..... 10 5 unbeschränkt Schweden..... 10 10 10 8 „ Serbien..... 7 5 5.000 Spanien mit Balearen • u. Canarien . . . 10 10 5.000 010 < >esterreich-l*ngam. Es kostet daher z. B. ein Brief nach Belgien, 250 Gramm schwer, im Werthe von 3000 Eres., 3 Fl. Durch „Postaufträge" können Geldbeträge bis zu 200 Fl. österr. Währung eingezogen werden : Aufträge über höhere Beträge behandelt die Post unbestellbar. Den Postauftrag übersendet man unter Couvert an das Postamt des Bestimmungsortes. Die Taxe für einen Postauftrag ist dieselbe, wie für einen recommandirten Brief (i$Krz.) desselben Gewichtes. — Der eingezogene Betrag wird nach Abzug der Postanweisungsgebühr durch Postanweisung an den Aufgeber übermittelt; die Ausfüllung des Fälligkeitstages geschieht nach Belieben des Absenders. —. Mit der „Fahrpost" werden befördert : Gemünztes Gold oder Silber bis 60 Kilogramm, Papiergeld, Werthpapiere und Frachtsendungen bis 50 Kilogramm. — Geldbriefe mit österreichischen Banknoten über 200 Fl. und bis 250 Gramm können offen, zum Nachzählen, gegen Entrichtung der anderthalbfachen Werthstaxe, alle anderen Sendungen nur verschlossen, nach Angabe aufgegeben werden. Bei offen aufgegebenen Briefen haftet die Postanstalt für den richtigen Inhalt, bei allen anderen für Uebergabe mit unverletzten Siegeln und unverletzten äusserem Zustand. Für ;,Sperrgut", d. h. solchen Sendungen, welche sehr umfangreich und dabei zu leicht sind, wird die Gewichtstaxe um die Hälfte erhöht. Der „Fahrposttarif" für Sendungen in Oesterreich-Ungarn und Deutschland theilt sich in eine Gewichtstaxe und in eine Werthstaxe für Geld- und FYachtsendungen. Bei der Gewichtstaxe ist stets die Werthstaxe und umgekehrt, bei der Werthstaxe die Gewichtstaxe hinzuzurechnen. Die Gewichtstaxe nimmt als Basis der Berechnungen die Entfernung in Zonen und Meilen an und unterscheidet in dieser Beziehuug sechs Klassen. „Nachnahmesendungen" im Inlande können nach allen Postorten Oesterreich-Ungarns bis zum Betrage von 200 FT,. nach den ärarischen Postämtern aber bis 500 Fl. versendet werden. Hierzu dürfen nur die amtlichen, mit dem Nachnahmeschein vereinigten Frachtbriefe, welche sammt Stempel 6 Kreuzer kosten, Verwendung finden. Die zu entrichtende Provision beträgt z. B. bis zu 10 ¥\. 6 Kreuzer, bei 60 Fl. 34 Kreuzer, bei 350 FL 1 Fl. 50 Kreuzer und bei 500 Fl. 2 Fl. ]0 Kreuzer. Derartige Nachnahmesendungen müssen binnen 14 Tagen bezogen werden. Die eingezahlten Nachnahmebeträge sind aber binnen zwei Monaten, vom ersten des den Aufgabetag folgenden Monats angerechnet, durch den Aufgeber zu beheben, widrigenfalls sie an den Aufgabeort zurückgehen. — Mittelst der „Nachnahmekarten" kann die Einziehung rückständiger Forderungen bis zum Betrage von 200 beziehungsweise 500 Fl. bewerkstelligt werden, wozu eigens angefertigte Formulare, mit einer lO-Kreuzer-Marke versehen, Verwendung finden. Ausser der 10-Kreuzer-Gebühr für die Nachnahmekarte ist nur noch die vorherberegte Provision zu entrichten. — Nachnahmesendungen nach dem Auslande können von allen österreichisch-ungarischen Postämtern nach Deutschland, Helgoland und Luxemburg, dann der Schweiz bis zum Betrage von 75 FT angenommen werden und von dort einlangen. Die Ein- und Auszahlung erfolgt in Oesterreich-Ungarn in Banknoten österr. Währung, in Deutschland, Helgoland, Luxemburg und der Schweiz in der landesüblichen Goldwährung, dabei findet die Umrechnung nach dem jeweiligen Wiener Börsencurse statt. Ausser der entfallenden F'ahrpostgebühr, wird für den einzuhebenden Betrag eine Provision von 2 Krz. für jeden Gulden, mindestens jedoch 6 Kreuzer erhoben. Nachnahmesendungen, welche binnen 7 Tagen nicht übernommen werden, gehen an den Aufgabeort zurück. Die Behebung des eingegangenen Nachnahmebetrages hat binnen 2 Monaten vom ersten des den Aufgabetag folgenden Monates an gerechnet stattzufinden. Die am 12. Januar 1883 in Oesterreich eingeführten „Post- Sparkassen" sind ein ausserordentlich segenbringendes Institut, denn in Folge derartiger, über das ganze Reich vertheilten Sparstellen wurde der gesammten Bevölkerung die Möglichkeit geboten, durch Zurücklegung entbehrlicher minimaler Geldbeträge einen pupillar sicheren Sparpfennig für den Nothfall anzusammeln; es ist mithin der Selbstassecuranz im Wege der Sparanlage der weiteste Spielraum geboten. — Die Institution der Postsparkassen in Oesterreich hat sich in der kurzen Zeit ihres Bestandes schon so eingebürgert und ist gleichzeitig so populär geworden, dass man sich schwer vorstellen kann, wie dieselbe im heimischen Wirtschaftsleben jemals fehlen konnte. Die Erfolge des ersten Jahres sind ganz ausserordentlich, ja sie sind weitaus grösser als in irgend einem anderen Staate im Beginn der Wirksamkeit von Postsparkassen, und gleichzeitig ist auch diese hochwichtige Institution vermöge der vortrefflichen Organisation, die ihr von vornherein gegeben wurde, frei geblieben von den Kinderkrankheiten, die anderwärts nur mit Mühe und grossen materiellen Opfern seitens des Staates geheilt werden konnten. — Da schon vor Ablauf des ersten Jahres ihres Bestandes die österreichischen Postsparkassen auf den überraschend hohen Einlagestand von rund fünf Millionen Gulden netto angelangt sind, so ist dies wohl ein sprechender Beweis für ihre zweckmässige Organisation, vor allem aber für das unbedingte Vertrauen, welches die Bevölkerung aller Klassen in dieselbe von Anbeginn gesetzt hat und täglich neu bethätigt. Dieses Vertrauen basirt auf den weitreichenden und unanfechtbaren Garantien, mit denen der Staat die ihm zur Verwaltung und Fruchtbarmachung übergebenen Gelder umgeben hat, und ferner auch auf dem leichten und zweckmässigen Fimctioniren der Postsparkassen, deren Einrichtung das möglichst grösste Aus* mass von Vortheilen und Bequemlichkeiten sichert. — Durch die Postsparkassen sind die unzweckmässigen, oft ganz absonderlichen, stets aber unwirthschaftlichen Sparmethoden, welche in den breiteren Schichten der Bevölkerung landesüblich waren, wenn auch nicht ganz verdrängt, so doch wesentlich eingeschränkt worden, und es ist wohl nicht zu zweifeln, dass bei Darbietung einer solchen Fülle von Spargelegenheiten, wie sie durch die Errichtung der Postsparkassen in Oesterreich endlich bewirkt wurde, durch die absolute Sicherheit der Anlage, wie sie durch die Garantie des Staates geboten ist, wie durch das den Verhältnissen völlig entsprechende Zinsenerträgniss, die Ansammlung der kleinen Kapitalien in Oesterreich künftig ausschliesslich nur im Wege der Postsparkassen sich vollziehen wird. — Neben der Erweckung und kräftigen Förderung des Sparsinnes, welcher, nach den bisherigen Resultaten der Postsparkassen zu urtheilen, in der österreichischen Bevölkerung in weit höherem Maasse vorhanden ist, als die Pessimisten zugeben möchten, hat die Institution der Postsparkassen jetzt schon den wirtschaftlich nicht hoch genug zu veranschlagenden Nutzen gebracht, dass die Rentenanlage, welche sie in so vortheilhafter Weise vermittelt, popularisirt worden ist. — Nach Abschluss des ersten Geschäftsjahres ergab sich, dass der Ge-sammtbetrag der Einlagen seit Beginn der Amtstätigkeit die Höhe von 8,176.889 Fl. erreicht hatte. Zu dem am Schlüsse des Monats November vorhandenen 1,706.360 Einlagen im Betrage von 7,281.432 Fl. sind während des Monats December 114.387 Einlagen im Betrage von 895.456 Fl. hinzugekommen. Die Postsparkasse hat somit im zwölften Monat ihrer Amtstätigkeit eine weitere bedeutende Vermehrung, sowohl in der Zahl, als auch im Betrag der Einlagen, aufzuweisen. Die Zahl der Rückzahlungen war im Monat December 24.198 im Betrage von 569.578 Fl., also höher als in den früheren Monaten. Der durchschnittliche Betrag einer Einlage belief sich im December auf 7-82 Fl., während derselbe im November 6-92 FI., im October 5-32 Fl. betrug; derselbe ist also bis jetzt immernoch im Steigen begriffen. Der Anweisungsverkehr hat eine normale und entsprechende Entwickelung genommen. Das Rückzahlungsverfahren in kurzem Wege, welches von den hierzu bestimmten Sammelstellen, Zahlstellen, fast ausnahmslos in zufriedenstellender Weise gehandhabt wird, wurde im Monat December in 5108 Fällen, gegen 1387 vom (6. bis letzten November, und im Betrage von 39,238.53 Fl., gegen 9.651*31 FL vom 16. bis letzten November, benützt. Im Monat December wurden 13.400 neue „Büchel" ausgegeben und 5.894 saldirt; die Zahl der Einleget1 ist daher um 7.506 gestiegen. Das Postsparkassen-Amt hat demnach am Schlüsse des ersten Jahres seiner Thätigkeit 353.053 Einleger, gegen 345,547 Ende November, zu verzeichnen; diese Zahl ist also ebenfalls im erfreulichen Steigen begriffen. — Der Nettobetrag der Einlage nach Abschlag aller Rückzahlungen hat sich mit binde December auf 5,230.838 FI. gehoben, wonach sich das durchschnittliche Guthaben eines Einlegers auf 14-81 Fl. stellt. — Die Thatsache, dass das durchschnittliche Guthaben aller Einnehmer stetig wächst, ist, wie der dem Handelsminister erstattete Bericht besagt, ein überzeugender Beweis, dass die Einleger der Staatssparkasse wirkliche Sparer sind, welche ihr Guthaben durch wiederholte Zulagen nach und nach vergrössern. Auch die Zahl jener Einlagebüchel, welche gegen neue umgetauscht werden mussten, weil sie bereits durch Einlagen verbraucht waren, steigt stetig: sie bezifferte sich im December auf 345, während sie im November 330 betrug. — Auch das „Staatspapiergeschäft" für Rechnung der Einleger verfolgte im Monat December seinen stetigen Entwicklungsgang. Die Zahl der Ende November bestehenden Rentenbüchel war 2503; im Monat December wurden 346 Rentenbüchel ausgegeben und 59 Rentenbüchel saldirt; daher sind mit Ende December 287 Rentenbüchel zugewachsen und stellt sich somit deren Anzahl mit Ende December auf 2790. — Im Monat December hatte die Hauptkasse des Amtes einen Umsatz von 1,016.659 Fl, Re£en 1,016.632 Fl. im Vormonate, und die Tageskasse für Einlagen und Rück- Zahlungen einen Umsatz von 629.015 Fl., gegen 149.032 FL im Vormonate. Veranlagt waren zusammen 5,133.800 Fl., hiervon 3,425.750 Fl. in einheitlicher und 1,634.400 Fl. in österreichischer Notenrente. In „Bosnien und der Herzegowina" wurde nach der Occupation der Postdienst vollkommen nach militärischen Grundsätzen organisirt. Die Regierung reducirte bedeutend die Beförderungsgebühren und stellte die Sicherheit des Verkehrs dadurch her, dass sie alle Postsendungen nur unter militärischer Bedeckung befördern Hess. Da sie ausserdem, wie wir schon früher hervorgehoben haben, auf das energischste bestrebt war. so schnell wie möglich, ein gutes Strassennetz zu schaffen, so kam auch die Post sehr bald in die Lage, auf den meisten Linien die Briefe, Werthgegenstände, Packete und Reisende auf wohlkonstruirten Wagen befördern zu können. Nur in solchen Gegenden, wo die einzelnen Ortschaften durch schwer zugängliche Bergpfade und Fusswege miteinander verbunden werden, findet die Beförderung durch lasttragende Thiere statt. — Im Jahre [881 gab es in Bosnien bereits 51 systematisch fungirende Postämter. In diesen waren 56 Beamte beschäftigt und zum l'ostdienste wurden 395 Wagenpferde, 76 lasttragende Thiere, sowie 173 Vehikel verwendet. Unter den Vehikeln befanden sich auch 53 Wagen, welche allen modernen Anforderungen entsprachen. — Im Jahre 1880 wurden 638.382 recommandirte Briefe und 133.442 Postwagensendungen im Lande aufgegeben und 178.904 recommandirte Briefe und 197.424 Postwagensendungen eingehändigt.— Postanweistingen fanden zu dieser Zeit nur nach Oesterreich-Ungarn Weiterbeförderung, ihr Gesammtwerth betrug 3,617.225 Fl. Diese Zahl beweist jedenfalls einen beträchtlichen Verkehr und einen erfreulichen Fortschritt der Verschmelzung des bosnischen Handels mit dem österreichisch-ungarischen Markte.— Der grösste T heil dieser Sendungen wurde freilich von den Eingewanderten, Beamten, Offizieren und in Garnison liegenden Soldaten, aufgegeben, aber man merkt doch sichtlich von Tag zu Tag, dass auch die Eingeborenen immer mehr die Post für ihre Zwecke benützen, weil dieselbe nicht nur billig, sondern auch verlässlich, pünktlich ist. — Anfangs hatte die Post in den occupirten Provinzen nicht nur mit schlechten Kommunikationen, sondern auch mit Ueberfällen zu kämpfen, da aber die Regierung in letzterer Beziehung ausserordentlich streng vorging und der Post hinreichend starke Militäreskorten zur Verfügung stellte, so ist es endlich jetzt doch so weit gekommen, dass die Post im grossen Ganzen sicher verkehren kann. Um die internationale „Telegraphie" im Allgemeinen, besonders aber durch Annahme gleichförmiger und ermässigter Tarife zu fördern und zu verbessern, sind die europäischen Staaten seit i. Januar 1866 zu einem „Telegraphenverbande" vereinigt, welcher gegenwärtig auf dem internationalen Tele-graphenvertrage vom 22. Juli 1875 fusst. — Zwischen Oesterreich - Ungarn und Deutschland werden überdies noch die gegenseitigen Beziehungen des Telegraphen verkehr s durch das Specialübereinkommen vom 2. Februar 1879 geordnet. Im Jahre 1882 gab es in Oesterreich-Ungarn: Stationen, länien und Drähte, Telegraphenstationen Staatslinien Stationen. Länge Auf Länge Anzahl auf in Kilom. 100 der Staats- Einwohner Kilom. drähte in Länge Kilom. Oesterreich: Dieses unterhält auch die Telegraphenverwal- tung im Fürsten- thum Liechtenstein 2.696 8.210 23-5447 7-8 63.525-2 13-430 14.569-3 4-8 38.III-8 Oesterreich-Ungarn . 3.868 9.770 38.114-0 6-i 101.637-0 Der Depeschenverkehr betrug im Jahre 1882 u. z. Depeschen insgesammt ä 1000 Einw. Oesterreichisches Staatsgebiet . . 6,611.629 298 Ungarisches Staatsgebiet .... 2,883.919 183 Oesterreich-Ungarn...... 9,495-54-8 25J In Cisleithanien bezifferte sich am Ende des Jahres 1882 die Gesammtzahl der gebührenpflichtigen Telegramme auf 5,638.631. Mit der internationalenTransit-Correspondenz (488.525 Stück, darunter 3577 dringende) und den 9130 auf Eisenbahn-Telegraphenlinien ohne Vermittlung von Staatsstationen gewechselten Telegrammen beträgt die Gesammtsumme der gebührenpflichtigen Telegramme 6,136.286 Stück; hiervon zählt der inländische Verkehr 3,723.338 und der Verkehr mit dem Auslande 2,412.948 Telegramme. Der Vergleich der ausgegebenen, angekommenen und transitirenden Telegramme gegen das Vorjahr (5,784.672 Stück) zeigt eine Zunahme von 351.614 Stück, oder von 61 Procent. — Die aufgegebenen Telegramme haben um 267.304 Stück, die angekommenen internationalen Telegramme um 39.929 zugenommen; der internationale Transitverkehr hat sich um 44.38] Telegramme vermehrt. Die Anzahl der dringenden Telegramme hat sich von 120.967 im Jahre 1881 im Vorjahre auf 104.756 verringert. Im Jahre 1883 betrug bereits die Drahtlänge, einschliesslich Bahn- und Privatdraht, in Oesterreich-Ungarn, Bosnien und der Herzegowina 153.606 Kilometer. Der „Tarif für gewöhnliche Telegramme" beträgt, wenn sie zwischen zwei Telegraphen-Stationen verschiedener Ortschaften gewechselt werden, eine Grundtaxe von 24 Kreuzern, ohne Rücksicht auf die Länge und den Bestimmungsort des Tel egrammes, mehr eine Worttaxe von 2 Kreuzern für Jedes Taxwort. Pur „Localtelegramme" zwischen zwei Staats- oder Eisenbahn-Telegraphen-Stationen desselben Ortes, eine Grundtaxe von 12 Kreuzern, ohne Rücksicht auf die Länge des Telegrammes, mehr eine Worttaxe von 1 Kreuzer für jedes Taxwort. — Bei „besonderen Telegrammen", u. /.. für „collationirte" Telegramme, die anderthalbfache Taxe eines gewöhnlichen Telegrammes. Für „frankirte Antworten", die für das Antwort-Telegramm entfallende Grund- und Worttaxe. Für eine „Empfangsanzeige", die Grund- und Worttaxe, wie für ein zehnwortiges Telegramm. Beim „Tarif für den ausländischen Telegraphenverkehr" kostet z. B. eine Depesche nach Algier und Tunis via Schweiz oder Italien-Frankreich-Marseille 18 Kreuzer Taxwort und 90 Kreuzer Zuschlag; nach Australien via Italien-Malta-Suez-Madras 6 Fl. 45 Krz., via Russland-Sibirien-Amur 9 Fl. 88 Krz.; nach Nordamerika via Brest oder Valencia (Angloamerikanischer Kabel) nach den Stationen in der ersten Zone (Stadt New-Vork etc.) 57 Kreuzer per Taxwort u. s. w. Bei den „Geldanweisungstelegrammen" ist Jedermann berechtigt, die Auszahlung des beim Aufgabe-Postamte erlegten Geldbetrages an den Adressaten bei der Postanstalt des Bestimmungsortes auf telegraphischem Wege zu veranlassen, doch dürfen dieselben den Maximalbetrag von 500 Fl. nicht übersteigen. — Für „telegraphische Postanweisungen" ist zu entrichten die Anweisungsgebühr, u. z. für Beträge bis S Fl. 5 Kr., von mehr als 5 Fl. bis 50 Fl. 10 Kr., von mehr als 300 Fl. bis 500 Fl. 50 Kr.; ferner bezahlt man für die Uebertragung des Telegramms im Aufgabeorte vom Postamte zur Telegraphenstation 10 Kr.; dann die Telegraphenbeförderungsgebühr und bei Beträgen von mehr als 200 Fl. bis einschliesslich 500 Fl. auch noch die Taxe für ein 20 wortiges, die richtige Ankunft des Anweisungs-Telegrammes anzeigendes Antwort-Telegramm, und schliesslich bei Anweisungen, die nicht poste restante lauten, die Expressbestellgebühr von 15 Kr. In „Bosnien und der Herzegowina" wurde nach der Occupatioa das Telegraphenwesen, gerade so wie die Post, militärisch organisirt, und wir finden die Post- und Telegraphenämter in der Regel miteinander vereinigt. — Gelegentlich der Occupatio!) betrug die Länge der Telegraphenlinien iooo Kilom. Ende 1880 hatte das Telegraphennet/, bereits 2000 Kilometer Drahtlänge, und es waren 56 Beamte, 52 Hilfsbeamte, 54 Con-troleure und 37 Soldaten, die letzteren als Boten und Kanzleidiener, beschäftigt. — Bei den Telegraphenämtern in Banjaluka, Mostar, Serajewo, Tuzla und Travnik wurde auch Nachtdienst eingeführt. — Zur entsprechenden Verbindung der bosnisch-herzegowinischen Telegraphenlinien mit der österreichisch-Ungarischen Monarchie errichtete man 10 verschiedene Linien. ■— Die Zahl der im Jahre 1880 aufgegebenen Privatdepeschen betrug 178.684, wovon 40.164 nach Oesterreich-Ungarn und 2387 in das Ausland gingen, die übrigen dienten dem Binnenverkehre. — Da vor einigen Jahren in Bosnien jährlich kaum einige Hundert Privatdepeschen aufgegeben wurden, so bezeichnet dieser Ausweis einen ganz erstaunlichen Aufschwung. — Die Regierung sah sich daher veranlasst das Telegraphenwesen ö) den occupirten Provinzen noch beträchtlich zu erweitern, und im Jahre 1883 gab es in diesen Ländern bereits 69 Telegraphen-amter und 3180 Kilometer Drahtlänge. Wenn wir berücksichtigen, dass zur selben Zeit in dem strebsamen Serbien nur 60 Telegraphenämter mit einem Liniennetz von 3135 Kilometer I-änge bestanden, so sehen wir, dass der Fortschritt in dieser Beziehung in Bosnien und der Herzegowina wirklich beträcht-'ich ist. Die Fluss-, Kanal- und Seescliifffaliit. Je mehr Oesterreich-Ungarn seit neuerer Zeit sein Eisenbahnnetz ausbaut, um so empfindlicher macht sich aber auch andererseits der noch immer herrschende Mangel an hinreichenden ()er wesentliche Vortheil der Kettenschifffahrt besteht also darin, dass sie bei sehr starken Gefällen „zu Berg" zu fahren auch dort ermöglicht, wo die frei schwimmenden Dampfer mit deren Schleppzügen nicht mehr vorwärts kommen. So finden z. B. Raddampfer bedeutende Schwierigkeiten bei Gefällen, wie sie die Llbe vom Niedergrund bis Aussig besitzt; ja sie müssen sogar auf das Schleppen der Lastkähne vollständig verzichten, in Gefällen, wie sie z. B. von Mannheim bis Heilbronn auf dem Neckar vorkommen. Selbstverständlich muss die Stärke der Kette stets den gegebenen Verhältnissen der Tiefe und der Stromgeschwindigkeit des Flusses angepasst werden. So sind z. B. die einzelnen Glieder der in die Elbe gelegten Kette ungefähr so gross, wie ein Handteller, und haben eine Eisenstärke von 2 ';2 Centimeter, während das Gewicht jedes einzelnen Gliedes etwas mehr als ein Kilogramm beträgt. 1 )ies ergiebt für die bis jetzt mit Kette belegte Strecke der habe ein Gewicht von mehr als io Millionen Kilogramm. •- Auch der Bau der Kettendampfer muss unter den oben erwähnten Umständen von dem gewöhnlicher Flussdampfer abweichen. Sie sind, da sie sich meistens nur an der Kette stromauf- und stromabwärts bewegen, vorn und hinten symmetrisch gebaut, führen auch, der höheren Manövrirfähigkeit wegen, vorn und hinten je ein Steuer. Ihre Dampfmaschine besitzt in der Kegel 100-150 Lferdekraft und bewegt die beiden Trommeln auf Deck gemeinschaftlieh nach einer Richtung. -Je stärker die Gefälle und je grösser der Schleppzug, um so energischer legt sich die vordere Trommel in die stark gespannte Kette: Glied auf Glied mit ihrer stahlharten Oberfläche erfassend und sich und den ganzen Schleppzug an ihr stromaufwärts windend. — Der von Wind und Wetter sowie anderen Zufälligkeiten unabhängige Schleppdienst auf der Elbe wird so gehandhabt, dass jeder Kettendampfer die von ihm gezogenen 10 oder 12 Schiffe, welche, durch Taue miteinander verbunden, einen stattlichen Schiffszug bilden, so lange stromaufwärts fährt, bis ihm ein anderer entgegenkommender Kettendampfer diese Last abnimmt; dann wird Station gemacht, was an jedem beliebigen Punkte der Kette geschehen kann, und der frei gewordene Motor kehrt zurück, bis er stromabwärts den nächsten Schleppzug trifft, den er dann wieder stromaufwärts fährt. So reichen sich die Dampfer die Lasten einander zu und schaffen sie an den Ort ihrer Bestimmung. — Wenn es einmal erwünscht ist, dass ein Dampfer ganz frei von der Kette fahren soll, zu welchem Zwecke die Mehrzahl der Dampfer auch noch mit einer Schraube versehen ist, so wird einfach ein Ketten-scbloss gelöst, wie man auf jedem halben Kilometer ein solches antrifft, oder es ward nöthigenfalls ein Glied der Kette mit einem Meissel zerschlagen, und nachdem man die Kette von den Trommeln genommen, vereinigt man ihre beiden Enden wieder durch ein einfaches Kettenschloss. — Die Idee dieser Kettenschifffahrt ist viel älteren Datums als die Dampfschifffahrt. Das erste deutsche Versuchsschiff dieser Art wurde 1866 vom Director der Vereinigten Hamburg-Magdeburger Dampfschifffahrtscompagnie „Graff" für den Lokaldienst durch die Magdeburger Brücken in Dienst gestellt. In den darauf folgenden Jahren fand die Kettenschleppschifffahrt der Oberelbe die erste Ausdehnung auf eine grössere Strecke des nicht kanalisirten Elbstromes. Der kühne und unternehmende Schöpfer dieser Anlage ist der noch heute an der Spitze der gesammten deutschen Kettenschifffahrt der Elbe stehende Ingenieur, Generaldirector „E. Bellingrath", in Dresden. — Bis zum Jahre 1871 war die Elbe von Magdeburg bis zur böhmischen Grenze, bis 1872 von der böhmischen Grenze bis Aussig und 1870 — 1874 von Magdeburg bis Hamburg durch drei verschiedene Gesellschaften auf eine Gesammtlänge von 668 Kilometer mit der Kette belegt worden, und es wurde durch 28 Kettenschiffe der Dienst verseilen. — Im Jahre 1883 ist durch eine Fusion verschiedener Gesellschaften die „Deutsche Elb-schifffahrtsgesellschaft Kette" mit dem Sitze in Dresden erstanden, in deren I landen der gesammte, auf 630 Kilometer sich erstreckende, deutsche Elbkettenbetrieb vereinigt ist. Man erhält den besten Begriff von der Leistungsfähigkeit der Kettenschi ff fahrt, wenn man berücksichtigt, dass ein einziger Kettendampfer im Stande ist, die Last von mindestens einem halben Dutzend unserer gewöhnlichen Güterzüge selbst gegen den schärfsten Strom mit solcher Schnelligkeit zu ziehen, dass er zu dem Wege von Hamburg nach Dresden kaum mehr als eine Woche braucht. — Es sind auch gegenwärtig auf der Elbe vielfach, an Stelle der kleineren Segelfahrzeuge von 2000 4000 Centner Tragkraft, grosse Schleppkähne von 8000 bis 10.000 Centner Tragkraft getreten. — Die Kettenschifffahrt ist daher ein vorzügliches Mittel, regelmässig grosse Lasten auf schnellströmenden Flüssen zu befördern. Der Rechnungsabschluss des Jahres 1883 der ElbeschifT-fahrtsgesellschaft „Kette" fiel sehr günstig aus, denn die Ein nahmen betrugen circa 900.OOO Mk. Plus (im ganzen 4% Mill. Mk.) und auch der Netto-Ueberschuss gestaltete sich annähernd um denselben Betrag höher als im Jahre 1882, trotzdem das beförderte Quantum nicht wesentlich grösser als in 1882 gewesen ist, weil im Jahre 1882 eine annähernd gleiche Summe durch die Refactien als Folge des Concurrenzkampfes verloren ging. Von dem etwa 1,600.000 Mk insgesammt betragenden Ueberschuss wurden nur 600,000 Mk. vertheilt, hingegen [,000.000 Mk. dem Reserve- und Erneuerungsfonds überwiesen. Die Gesellschaft hat bei einem Actiencapital von 7.200.000 Mk. keine Schulden und hatte im Jahre 1882 bereits IO Vj Millionen Mark investirt. Ausserdem verfügt sie gegenwärtig über mehr als i Million Mark in Consols und Bankguthaben. Die äusserst glinstigen Resultate, welche man auf der Elbe mit der Kettenschilffahrt erzielte, legte den Gedanken nahe, dieses vortheilhafte Verkehrsmittel nicht nur Elbe aufwärts bis Leitmeritz-Prag oder Melnick-Prag auszudehnen, sondern auch auf der Donau von Pressburg bis Ulm einzuführen. In folge dessen hat der Ingenieur „Eyth" in Ulm vor Kurzem eingehende Untersuchungen auf der Strecke Wien-Ulm angestellt. In .seinem, dem „Wiener Donauverein" erstatteten Gutachten erklärte er den Wasserstand für genügend und den Grund des Fluss-bettes für die Legung der Kette besonders günstig. Man braucht nur Schiffe von geringerem Tiefgang als auf dem Neckar, womöglich aus Stahl herzustellen. Für die Ueber-windung gefährlicher Stellen mit felsigem Untergrund, wie sie sich bei Vilshofen. namentlich aber in der berühmten Stromschnelle bei Grein finden, macht Eyth eingehende technische Vorschläge. — Die hauptsächlichsten Hindernisse, welche sich bisher dem Unternehmen entgegengestellt haben, sind nicht technischer, sondern wirtschaftlicher Art, indem namentlich die Donau -Dampfschifffahrts-Gesellschaft wegen ihrer Tarifverträge mit den Eisenbahnen die Fortsetzung der Ketten-schifffahrt auf der oberen Donau zu verzögern und zu hintertreiben suchte: Hei schönen Tagen herrscht überhaupt auf den grossen Flüssen des Reiches ein lebhafter Schifffahrtsverkehr aller Art. So passiren z. B. auf der Elbe täglich viele Fahrzeuge, ja es wird sogar bei mondhellen Nächten, wenn es nur irgendwie das Strombett erlaubt, selbst während der Nacht gefahren. Ausser den vielen mit ()bst befrachteten Schiffen kann man auch eine ganz besondere Art von Fahrzeugen, nämlich die sogenannten „Karpfenschiffe" auf dem Strome schwimmen sehen. Sie befördern aus dem Innern Böhmens, sogar von Budweis aus, eine Unmasse von Karpfen und anderen Fischen, hauptsächlich noch Weissfische, und zwar auf eine ganz eigentümliche Weise. Diese Fahrzeuge sind Flösse, welche nur einen Rahmen bilden: innerhalb dieses Rahmens ist aus starken Pfosten und Brettern ein grosser Kasten gebildet, in welchem die Fische aufbewahrt und so, immerwährend mit frischem Wasser versehen, auf die leichteste und bequemste Weise bis an die entferntesten Stationen befördert werden können. Die meisten dieser Sendungen gehen nach Hamburg. Freilich ist die Beförderung für die Schiffer eine ganz besonders anstrengende und wegen der fortwährenden Feuchtigkeit eine sehr aufreibende, die aber dementsprechend auch besser bezahlt wird. — Der Schifffahrtsverkehr im Jahre [883 gestaltete sich auf den Elbeplätzen bei Tetschen folgendermassen: In Tetschen-Bodenbach sind 874 Schiffe mit 1,785.233 Meter-Centner Gütern angekommen,, 582 Schiffe mit 951.046 Meter-Centner abgegangen; in Laube 574 Schiffe mit 741.040 Meter-Centner Gütern angekommen 519 Schiffe mit 1,123.939 Meter-Centner abgegangen; in Rosa-witz 1 143 Schiffe mit 141.831 Meter-Centner Gütern angekommen und 1020 Schiffe mit 3822 Meter-Centner Gütern und 19.933 Wagen Kohle (ä 100 Meter-Centner) abgegangen. Ausserdem wurden 46.200 Stück Rund- und Langhölzer abgeflösst. Der Rosawitzer Hafen war, allerdings nur für kurze Zeit, stark, d. h. ganz voll besetzt, und zwar mit drei Dampfschiffen, 1 Baggermaschine, 151 Schiffen, 93 Booten und 6 Landungs brücken. Neu erbaut wurden in derselben Zeit im Tetschener Bezirke 1 1 grössere, 94 kleinere Fahrzeuge und 4 Boote. — Der Elbeverkehr im Monat October 1884 erreichte eine ganz ausscrgewöhnliche Höhe. War schon die Ausfuhr im gleichen Monate des Vorjahres gegen das Jahr 1882 um 12,614.820 Kilogramm gestiegen, so war doch 1884 wieder gegen den Monat Oktober des Jahres 1883 eine Steigerung des Exportes um 12,904.453 Kilogramm zu verzeichnen, was um so erfreulicher ist, als an dieser Ziffer der Rohzucker mit einem Quantum betheiligt ist, das ein erfreuliches Zeichen für die Besserung der heimischen Zucker-Industrie bildete. Der Export an Rohzucker im Monat Oktober erreichte die Höhe von 12,189.593 Kilogramm gleich circa 1220 Wagenladungen. — In dem gleichen Monate des Vorjahres ruhte die Zuckerausfuhr fast gänzlich, denn es wurden im Ganzen nur 281,585 Kilogr. exportirt. Aber auch der Export an Getreide und Mehl hat eine wesentliche Steigerung erfahren, denn von dem ersteren wurden gegen den gleichen Monat 1883 um 4,253.549 Kilogr. und von letzterem um 551,684 Kilogramm mehr Elbe abwärts verschifft. Die Ziffer der im Oktober 1884 ausgeführten Kohle ist fast dieselbe, wie jene des Kohlenexportes im Oktober 1883. Der Gesammtexport im Monat October 1884 betrug 168,316.520 Kilogramm gegen 155,412.520 Kilogramm im Oktober [883. Hiervon entfallen auf Braunkohle 1 21,977.500 Kilogramm nach diversen Relationen, Rohzucker 12,189.593 Kilogramm nach Hamburg, Getreide 9,239.749 Kilogramm nach diversen Relationen, Mehl 651.654 Kilogramm, Raps 1,340.728 Kilogramm, Hafer 904,886 Kilogramm, Malz 30,000 Kilogramm, Bohnen 149,948 Kilogramm, Graphit 54,603 Kilogramm, getrocknetes Obst 450,723 Kilogramm, Fassholz 71.300 Kilogramm und 14,120.063 Kilogramm diverse Stückgüter nach Hamburg; 2,050.958 Kilogramm frisches Obst und 323.000 Kilogramm Gurken nach Berlin ; endlich 1,738.900 Kilogramm Basaltsteine, 2,597.085 Kilogramm Sandsteine, 28.230 Kilogramm Brennholz und 397.600 Kilogramm Bretter nach Dresden. Der Grenzverkehr beim Hauptzollamte Schandau stieg von 87 Millionen des Jahres 1860 auf 12-4 im Jahre 1870, auf 28-3 Millionen Centner im Jahre 1880 und überstieg am Schlüsse des Jahres 1884 32 Millionen Centner, was von circa 13.000 Schiffsladungen bewältigt wurde. — Einen besonders wichtigen Punkt im gesammten Elbeverkehr bildet die sächsische Umschlagstelle „Riesa", wo alljährlich eine grosse Anzahl Elbkähne, welche von Hamburg herauf kommen, ihre Frachten löschen. Die letztere besteht in der Hauptsache aus Petroleum, Roheisen und Getreide. Das Roheisen kommt zum grössten Theile aus Schottland und England per Schiff nach Hamburg, wird dort in Elbkähne verladen und mittelst der Kette stromaufwärts nach Riesa geschleppt, woselbst es dann in Eisenbahnwagen umgeladen und seinem Endbestimmungsorte zugeführt wird. Die Eisenwerke in Chemnitz und Zwickau erhalten ein bedeutendes Quantum dieser Eisensendungen. Das ankommende Petroleum geht vorzugsweise an Risaer Spediteure, während das Getreide, welches zumeist in den Kähnen lose verladen ist, in Riesa gesackt und verwogen wird und nunmehr an die sächsischen grossen Mühlenbesitzer bei Zwickau, Würzen etc. zur Verfrachtung kommt. — Zwei grosse Dampfkrahne und mehrere Handkrahne sind beschäftigt, das Umladen zu bewerkstelligen, und bietet der Elbkai Riesa ein Bild regsten Verkehrslebens. --Wie bedeutend ein solcher Umschlagplatz ist und welches schwerwiegende Interesse jede Eisenbahnverwaltung haben muss, ihn sich frequent zu erhalten, geht daraus hervor, dass ein einziger grosser Elbkahn voll Roheisen oder Getreide (wir haben allerdings die grössten Kähne im Auge) ausreicht, um zwei mittlere Eisenbahngüterzüge mit Belastung zu versehen. Einen beträchtlichen Antheil an dieser bedeutenden Vermehrung des Verkehrs auf der Elbe haben die österreichischen Eisenbahnen, denn diese mussten darauf bedacht sein, sich die Massentransporte, welche von Oesterreich-Ungarn nach Deutschland, beziehungsweise den deutschen Ostseehäfen alljährlich gehen, in Anbetracht der thätigen Concurrenz der adriatischen Seehäfen, durch Herabsetzung der Beförderungskosten zu erhalten, sowie neue Transporte heranzuziehen; sie Hessen in Folge dessen eine Unterstützung der Elberoute eintreten, um tlurch gegenseitige Ergänzung der Eisenbahnen und Elbeschifffahrt billige Frachten bei gleichzeitiger rascher Beförderung zu ermöglichen. Die Umschlagplätze in Aussig, Bodenbach, Raube und Tetschen sind in Folge dessen zu einer gross- 636 < ^estcrreich-Unyarn. artigen Bedeutung gelangt, da die daselbst von der Eisenbahn zum Schiff und umgekehrt übergehenden Quantitäten einen ansehnlichen Theil des gesammten Güteraustausches der grossen in Betracht kommenden Gebiete ausmachen. In neuerer Zeit ist auch noch in Lobositz ein weiterer Umschlagplatz hinzugekommen, der den Interressen der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft dient. — Das grösste Aufsehen erregte aber die österreichische Nordwest-Schifffahrtsgesellschaft mit der von der österreichischen Nordwestbahn unweit Tetschen errichteten Umschlagstation Laube. Die letztere war kaum dem Betriebe übergeben, so reichte sie schon nicht mehr für den grossen Verkehr aus, der sich auf derselben entwickelte. Im Anfange waren hierbei nicht geringe Schwierigkeiten zu uberwinden, denn zur Fortbewegung der mit der Bahn kommenden Güter auf dem Flusse mussten, ehe die Nordwest-Schifffahrtsgesellschaft ihre Transportverhältnisse in der jetzt bestehenden Weise geregelt hatte, zahlreiche Schiffseigenthümer engagirt werden, die ihre Tarife sehr oft änderten, so dass der Handelswelt die Möglichkeit benommen war, ihre Frachten zu calculiren. Die neue Schifffahrtsgesellschaft vereinbarte deshalb mit den österreichisch-ungarischen Eisenbahnverwaltungen feste, möglichst billige Tarife und führte nach Einrichtung von Eilgutdampfern die bisher bei der Schiffsverfrachtung noch nicht in Gebrauch gewesene Garantie für Lieferungszeit ein. Die Transport-Leistungsfähigkeit der Nordwestgesellschaft ist heute eine bedeutende, denn ihre Schiffe haben einen Fassungsraum von mehr als i Million Zoll-Centner und ihre Stationen in Prag, Aussig, Laube, Tetschen, Schandau, Dresden, Riesa, Magdeburg und Hamburg sind mit allen erforderlichen Lade-und Landungseinrichtungen versehen. Diese der Handelswelt gebotenen Vortheile werden jetzt in umfassender Weise benutzt und lassen auch noch eine weitere Ausdehnung des Verkehrs er-erwarten, um so mehr, da die vorzügliche Regulirung wesentlich dazu beiträgt, dass die Transporte in regelmässiger Weise und Die Fluss- Kanal- und SecscliitTfahri. 637 in einem derartigen Umfange bewältigt werden können. — Doch ist in neuester Zeit die „Oesterreichische Nordwest-Dampfschimahrt-Gesellschaft" in andere I lande übergegangen, denn sie hatte der ,,Sächsischen Dampfschiff- und Maschinenbau-Anstalt in Dresden", welche von einer Actien-Gesellschaft betrieben wird, ein Kaufangebot auf das ganze Unternehmen gemacht, welches auch von den Actionären der sächsischen Gesellschaft aeeeptirt wurde. Die Nordwest-Schifffährt-Gesellschaft übernahm hierauf am i. November 1884 alle Activen und Passiven der Gesellschaft, sowie die Kosten der Liquidation der letzteren. Der Kaufpreis betrug 590.625 Mark. Von besonderem Werthe für die Llbe ist auch die Verfrachtung Mamburgs, denn dieser gew altige I landelsplatz versendet jetzt einen sehr grossen Theil seiner Colonial- und fremdländischen Importen per Elbe nach dem deutschen Hinder-ande und bleibt die Elbe nunmehr in den meisten Frachtartikeln Siegerin gegenüber den Eisenbahnen. - Stromabwärts hat die Elbe an der Totaleinfuhr nach Hamburg aus Mittel und Oberdeutschland die Hälfte oder über die Hälfte der Frachten bei Weizen, Gerste, Kartoffelmehl, getrockneten Früchten, Sprit, Zucker, Dungstoffen, Hausteinen und Stabholz, Raps- und Rübesaat, Rüböl und Lumpen, während stromaufwärts besonders Steinkohlen, Roheisen, Farbholz, Harz, Getreide, Reis, Soda und Petroleum mehr als auf den Eisenbahnen verfrachtet werden. Die wichtigste Wasserstrasse Oesterreich-Ungarns ist aber die „Donau", welche nach der Wolga der grösste Strom Kuropas genannt werden kann, denn ihre schiffbare Strecke beträgt sammt der ihrer Nebenflüsse circa 747 Kilometer. — Seit den Bestimmungen des Pariser Friedens [856, die durch den Vertrag zu Herlin am 13. Juli 1878 bestätigt wurden, sind die Donaumündungen für die Schiffe aller Nationen geöffnet und stehen unter dem Schutze der europäischen Donau-commission, welche ihren Sitz in Galatz hat. Die Donau bietet den deutschen Kisenbahnen Gelegenheit, ihre Transporte von den Nordseehäfen nach Oesterreich-Ungarn und darüber hinaus via Regensburg auf das Wasser zu bringen und durch Beihilfe der Donau - Dampfschifffahrts - Gesellschaft mit billigen Gesammtfrachtsätzen nach den höchst wichtigen Stationen an der mittleren und unteren Donau zu befördern. Leider hat aber die Donau noch heute in ihrem Laufe durch österreichischungarisches Gebiet verschiedene der Schifffahrt ungünstige Stellen, obwohl man sich schon seit Jahren in Oesterreich-Ungarn bemüht, die „Regulirung des Eisernen Thores" aus dem Stadium der Projecte herauszubringen. — Neuerdings hat wieder der Donau-Verein in seinen „Actenstücken zur Regulirung der Stromschnellen der Donau zwischen Moldova und Turn-Severin" eine Arbeit des österreichischen Genie-Majors „J. Lauer" veröffentlicht, welcher die Frage der Regulirung der gesammten Kataraktenstrecke auf Grund seiner neuen Sprengmethode behandelt. Die Arbeit Lauer's ist sehr instructiv, mit zahlreichen Tabellen, Plänen und erläuternden Illustrationen ausgestattet und greift auf die Geschichte der Regulirungsprojecte bis zu den dreissiger Jahren zurück. Lauer, dessen Methode Unterwasser-Sprengungen, selbst bei starker Strömung, ermöglicht, erklärt sich gegen die Anlage von Seitenkanälen und Schleussenwerken und durchaus für die Aus-Sprengung einer Fahrbahn in den bisher die Schifffahrt gefährdenden und hindernden Felsenriffen bis auf 75 Meter Breite und 2 Meter Tiefe beim niedrigsten Wasserstande. Nach seiner Aufstellung, welche auf der Annahme von 240 Arbeitstagen im Jahre fusst, wäre es ganz gut möglich, die Sprengungen innerhalb vier Jahren auszuführen. Die auszusprengenden Massen berechnet der Verfasser bei Szenta auf 7500 Kubikmeter, bei Kozla-Dojke auf 79.000, bei Izlas-Tachtalia mit 79.000, bei Greben mit 140.000, bei Jucy mit 20.000 und beim Eisernen Thor selbst mit 94.500 Kubikmeter Felsgestein, im Ganzen also auf 420.000 Kubikmeter. Die Kosten veranschlagt er mit Die FIuSB-, Kanal- und Seeschifffahri. 639 12 Fl, per Kubikmeter, im Ganzen daher auf 5,040.000 Fl. — Nunmehr soll dem ungarischen Reichstage in Angelegenheit der Regulirung der Donau ein Gesetzentwurf zugehen, nach welchem die Durchführung der bezüglichen Arbeiten innerhalb 10 Jahren mit einem Kostenaufwande von höchstens 15 —16 Millionen Gulden erfolgen soll. Was die Regulirung des Eisernen Thores betrifft, so hat die ungarische Regierung die Absicht, die nicht mehr als 9 bis 9L/2 Millionen Gulden betragenden Kosten durch ein besonderes Anlehn zu decken, dessen Zinsen durch die einzuhebende Peagegebühr gedeckt w erden sollen. Jedenfalls wird die Regierung die Regulirung des Eisernen Thores selbst durchführen und sich das Ein-hebungsrecht der Gebühren vorbehalten. — Die Regulirung umfasst die Beseitigung aller Hindernisse, und es soll beim Eisernen'Thore auch ein für tiefgehende Segelschiffe genügend offener Canal hergestellt werden. Die regelmässige Dampfschifffahrt auf der Donau wurde schon im Jahre i 83 1 eröffnet, sie ist also älter, als die erste Eisenbahn Oesterreich-Ungarns. Die „Erste k. k. priv. Donau - Dampfschifffahrtsgesellschaft", concessionirt im Jahre 1830, welche den grössten Theil des gesammten Personen- und Frachtentransportes auf der Donau bewältigt, ist eine der bedeutendsten Unternehmungen dieser Art Sie befährt mit ihren Dampfern die „Donau" von Regensburg bis Sulina, 3357 Meilen; die „Drau" von Bares bis Draueck 20*5 Meilen; die „Theiss" von Tisza-Füred bis Slankamen, 81 Meilen ; den „Franzenskanal" 154 Meilen; den „Begacanal" 15 Meilen; die „Save" von Sissek bis zur Savespitze, bei Belgrad, 79*4 Meilen, deren Nebenflüsse 8-2 Meilen; das „Schwarze Meer", von der Sulinamündung bis Odessa, 24 Meilen, mithin zusammen 5792 Meilen—4393-5 Kilometer. Bereits im Jahre 1878 besass die Gesellschaft 193 Dampf boote, sowie 699 eiserne Schleppboote und beförderte circa 3,200.000 Personen und 29 Millionen Centner Waaren. — Ende November 1883 hatte sie aber 186 Damptboote von 16.784 Pferdekräften. 727 eiserne Schleppboote, 1 1 hölzerne Transportschiffe und 5 Raggerschiffe mit 89 Pferdekräften. Es wurden von ihr in diesem Betriebsjahre auf längere Strecken befördert: 1,907.579 Personen (-f-158.783 gegen 1882), mit den Ueberfuhr- und Localschiffen 1,678763 Personen (-J- 90.698) und 1,644.427 Tonnen Güter (— 30.435 T.) hiervon waren 861.033 Tonnen Kaufmannsgüter (— 25.635 T.); 585.264 Tonnen Körnerfrüchte (— 10.131 T.) und 198.130'ronnen Regiekohle (-"- 5.331 T.). Ausserdem wurden befördert 4494 lebende Thiere, 6.835 ^tück Borstenvieh und 9,618.267 El. an Geld- und Werthsendungen. — Die gesammte Kohlenerzeugung der gesellschaftlichen Bergwerke betrug in diesem Jahre 4,488.637 Meter-Centner (-[-414.084 Meter-Centner gegen 1882). Die Briquettesfabrik lieferte 309.008 Meter-Centner (— 40.409 Meter-Centner). Die Eisengiesserei erzeugte 786 Meter'Centner diverse Gusswaaren, die Metallgiesserei 3572 Kilogramm verschiedene Gusswaaren. — Der Pensionsfonds bezifferte sich am 30. November 1883 auf 3,145.269 Fl. (-f- 5.376 Fl.) Das Anlage-Kapital der Gesellschaft betrug zur selben Zeit 44,776.450 Fl. Die ganzjährige Dividendenzahlung belief sich in den Jahren 1881, 1882 und 1883 auf 26-25, 3i4SO und 31-50 Fl., also 5, 6 und 6ü/0- — Die Bilanz am 30. November 1883 ergab eine Activa von 50,988.548-50 Fl. dem eine ebensolche Passiva gegenüberstand, dabei betrugen die Einnahmen 14,098.481-15 Fl. worunter die Passagiergelder mit 2,617.549-59 Fl. und die Waarenfrachten mit 10,578.895-96 Fl. die höchsten Posten einnehmen. Unter den Ausgaben figuriren die „Schiffsaus-gaben" mit 7,202.933-87 Fl. — Der Reingewinn in diesem Zeiträume betrug 1,790.422 Fl, davon wurden 1,512.000 Fl zur Einlösung des arii I. Juli 1884 fälligen Coupons mit 31-50 Fl, per Actie bestimmt und der Rest auf neue Rechnung übertragen. Durch die Arlberg-Bahn werden bekanntlich das Bodenseebecken und die umliegenden Gebiete in eine engere und directe Verbindung mit Oesterreich-Ungarn gebracht, in Folge dessen auch die Schifffahrt auf dem Bodensee eine erhöhte Bedeutung gewinnt. Es nehmen jetzt, da auch die unter Staatsbetrieb stehende österreichische Bodensee-SchifTfahrt ihreThätig-keit begonnen hat, sämmtliche Uferstaaten an dem Verkehr auf dem grossen Binnensee Theil. Oesterreich setzte vorläufig zwei Dampfboote und vier Trajectkähne, mit Geleisen für je acht Eisenbahnwagen versehen, in Betrieb; im Frühjahr 1885 wurde ein weiteres Dampfboot vom Stapel gelassen. Bayern besitzt an Betriebslahrmitteln 6 Dampfboote, i Traject-fähre. 3 Trajectkähne und 5 Schleppkähne; Württemberg 7 Dampfboote. 1 Trajectfähre und 3 Schleppkähne; Baden 7 Dampfboote, 1 Trajectkahn und 3 Schleppkähne; die Schwei/. (Schweizerische Xordostbahn-Gesellschaft) 6 Dampfboote und 4 Schleppkähne. Ausserdem besteht eine SchiflTahrts-Ge-sellschaft, welche den Verkehr auf dem Untersee und dem Rhein vermittelt, und überdies giebt es noch eine Anzahl Privaten angehörender Segelschiffe, die indess nur dem eigentlichen Localverkehr für minderwerthige Producte dienen. — Wie wir hieraus ersehen, ist die Schifffahrt auf dem Bodensee ziemlich entwickelt und steht derselben reichliches Material für die Personen- und Güterbeförderung zur Verfugung. Von Bregenz finden nunmehr täglich zwei directe Fahrten (eine mit Trajectkahn) nach Constanz, zwei weitere directe Fahrten (eine mit Trajectkahn) nach Friedrichshafen und endlich eine Fahrt nach Lindau statt. Das österreichische Handelsministerium hatte die Lieferung des SchifTsparkes für den Personen und Trajectdienst ab Bregenz auf dem Bodensee an die Allgemeine Oesterreichische Baugesellschaft übergeben, deren gemeinsame Offerte unter vier eingelangten, wie gesagt, die billigsten Preise enthielt. Der Schiffspark besteht aus einem Salondampfer, zwei k'emorqueur- und Pas.sagior-Dampfbooten und vier Trajectkähnen für je acht Waggons. Die Preise dieser Schiffe belaufen sich zusammen auf 478000 Fl, franco 41 042 f lesterreich-TJngam, I [afen Bregenz schwimmend. IJic beiden Remorqueurs und vier Trajectkähne wurden am i. August 1884, der Salondampfer im April 1885 abgeliefert. — Schon kurze Zeit nach Eröffnung der österreichischen Schifffahrt auf der Bodenseelinie, Bregenz-Eriedrichshafen-Constanz, ward an eine Erweiterung der Dampfschifffahrt gedacht, indem die Verwaltung der „Schweizerischen Nordostbahn" mit der „Oesterreichischen Verwaltung" Verhandlungen anknüpfte, welche zu dem Fr-gebniss führten, dass bereits vom 15. Oktober 18S4 an ein Trajectdienst zwischen Bregenz und Romanshorn eingerichtet wurde. Bezüglich der „Seeschifffahrt" gelten in beiden Staatsgebieten der österreichisch-ungarischen Monarchie gleiche gesetzliche Normen; die Handelsschiffe beider Reichshälfte führen eine und dieselbe Flagge und werden gleichmäs.sig behandelt. — Die Handelsflagge ist getheilt, der eine Theil ist horizontal roth, weiss, rothgestreift mit dem österreichischen, der andere horizontal roth, weiss, grün gestreift mit dem ungarischen Wappen im Mittelstreifen. — Im Jahre 1883 hatte: Fahrzeuge Tonnen Oesterreich 2.023 242.669 Ungarn 333 70.293 ( Österreich-Ungarn 2.356 312.962 Vergleichen wir den Stand der Segelschiffe mit dem der Dampfer, so finden wir folgendes Verhältniss: Segelschiffe Tonnen Dampfer Tonnen Oesterreich 1.9II 169.166 112 73.503 Ungarn 319 64.181 14 6.112 Oesterreich-Ungarn 2.230 233.347 126 79.615 Der Schifffahrtsverkehr in den wichtigeren Häfen Oesterreich-Ungarns betrug 1881: Fingelaufen Ausgelaufen Schiff« Tonnen Schiffe Tonnen (Österreich. Staatsgeb. 47.796 6,301.519 47-505 6,299.1 20 Auswärtiger Verkehr 8.492 1,628.733 8.629 1,647.420 Küstenver- kehr . . 39-304 4,672.786 38.876 4,651.700 Ungarisch. Staatsgeb. 5-957 54O.45O 6.O47 587.587 Monarchie 53-753 6,841.969 53-552 6,886.707 af e n: (] 882) Triest . . 6.978 1,226.369 6.938 1,238.497 Fi ume 2.679 398.318 2.716 406.089 Zara . . . 1.687 302.614 1.691 303.4OO Spalato . . 2.157 29O.928 2.119 288.413 Pola . . . 1.863 263.292 1.867 263.974 Rovigno 1.820 233.7OI 1.814 33-354 Curzola . 904 218.354 896 218.281 Pirano 2.606 213.163 2.612 213.120 Gravosa . . 902 208.499 902 208.499 Lussinpiccolo 702 2OO.749 708 203.109 Fine sehr wichtige Rolle im Seeverkehr der .Monarchie spielt die „D a m p f s c h i ff f a h rt s - G e s e 11 s c h a f t des österreichisch-ungarischen Lloyd" (Societä di Navigazione a Vapore del Lloyd Austro-Ungaricoj, welche im Jahre 1833 in 1 riest auf Anregung „K. L. von Brucks" durch den Zusammentritt der Triester Seeversicherungs-Gesellschaften gegründet Wurde, um die Interessen derselben und die der österreichischen 1 landelsschjtffahrt überhaupt wahrzunehmen. Im Jahre '836 erweiterte man den Lloyd durch Errichtung einer -Aktiengesellschaft für Dampfschifffahrt", welche gleichzeitig von der Regierung concessionirt wurde. Gegenwärtig besteht derselbe aus drei Sektionen, u. z. je einer für das Seeassekuranz- 41* 644 (>eiterreicli-L' ngAru. wesen und Tur die Dampfschiffahrt, sowie aus einer literarisch artistischen Sektion. Der Lloyd besitzt in Triest ein Arsenal mit grossartigen Etablissements für Schiff- und Maschinenbau. Ende des Jahres 1883 hatte die Gesellschaft 83 Dampfer von 20.850 Pferdekräften und 109.429 Brutto Tonnen-Gehalt im Verkehre, ausserdem 3 Dampfer im Baue. Wir finden beim „öst.-ungar.-Lloyd" mit jedem Jahre eine Zunahme der Flotte nach Zahl der Schiffe und nach deren Tonnengehalt, eine Erweiterung des Betricbsfeldes, sowie eine Vermehrung der Transportmengen, daher auch die gesteigerte Fähigkeit der Gesellschaft, den Anforderungen des Verkehrs, sowie den Zielen der Staatsverwaltung gerecht zu werden. Die Fortschritte in der vierjährigen Periode von 1880 bis 1883 einschliesslich in den Jahren 1880 und 1883 werden durch folgende Ziffern veranschaulicht: Tonnengehalt 83.417 und 109.429, Reisende auf eine Meile befördert 101,811.518 und 106,374.431, Tonnen auf eine Meile befördert 5,365,794.219 und 7,673,025.749, Fracht per Tonne und Meile in Kreuzern österreichischer Währung 00.094 und 00.076, mithin Zunahme der Tragfähigkeit der Flotte 25 Procent, der Passagierzahl trotz der Konkurrenz 5 Procent, des Güterquantums 43 Procent, Abnahme der Frachtkosten 1 7 Procent. — Ungeachtet der Konkurrenz der vielen fremdländischen, reichlichst subventionirten Gesellschaften, sowie der ungünstigen Sanitätsverhältnisse hat der Lloyd weder an Macht noch an Anseilen eine Schmälernng erfahren. Die wirklichen Leistungen sind grösser als seine Verpflichtungen gegenüber der Staatsverwaltung, besonders erhöhte er die Normalgeschwindigkeit auf den Linien nach Konstantinopel, Alexandria und Bombay, von denen die zwei ersteren mit 9, die letztere mit 8 Meilen per Stunde befahren werden sollten, aus eigenem Antriebe und auf eigene Kosten auf 10 Meilen, ebenso die Eilfahrt nach Dalmatien von 8 auf 9 Meilen. Ausserdem hat der Lloyd die verträgsmässige Linie Triest-Singapore aus freien Stücken bis Hongkong aus- Die Flow-, Kanal- und Seeschifffahrt. 645 gedehnt und führt anstatt der bedungenen 6 Fahrten jährlich 12 Fahrten üus. — Der wirkliche Gehalt der Dampfer des Lloyd übersteigt das vertragsmässige Erforderniss der Grösse der Schiffe um 50 Procent, und die Zahl der in Activität stehenden 1 )ampfer ist eine so grosse, dass nicht nur dem regelmässigen Dienste, sondern auch ausserordentlichen Anforderungen entsprochen werden kann. — Der Lloyd ist auch stets bestrebt, den Anforderungen des Handelsstandes nachzukommen und unterliess es niemals, praktische Versuche anzustellen, ja hat dieselben sogar so lange auf eigene Kosten fortgesetzt, bis sich auf Grund der Erfahrungen ein positives Ur-theil über deren Durchführbarkeit gewinnen liess, wie dies z. B, die Versuchsfahrten nach Tunis, Spanien sowie Nord- und Südamerika beweisen. Aber nicht selten hatte man es mit ephemeren Projecten einzelner Industriellen, Kaufleute und Spediteure zu thun, bei denen meistens nur lokale Gesichtspunkte zur Geltung gelangen wollten, und diesen konnte der Lloyd vernünftiger Weise natürlich nicht nachkommen. - Das Gesellschaftskapital der Compagnie bezifferte sich Ende 1883 auf 18,536.000 Fl., am 9. Mai 1883 beschloss aber die Generalversammlung eine Vermehrung des Aktienkapitals durch Ausgabe von 12.000 Aktien ä 525 Fl. Osten". Währung und ermächtigte den Verwaltungsrath, diese neuen Aktien vorbehaltlich der den Aktionären eingeräumten Rechte successive zu den jeweilig erreichbar günstigsten Bedingungen, jedoch nicht unter den Parikourse auszugeben. Die Verhältnisse waren aber der Aktienbegebung keineswegs günstig, sodass dieselbe unterblieb. Deshalb beantragte der Verwaltungsrath die Aufnahme eines Prioritäts-Anlehens per 1,500.000 Fl. österr. Währg in Gold zu den möglichst besten Bedingungen, was man auch acceptirte. Diese Anleihe wurde im Laufe des Jahres 1884 begeben, so dass das Gesellschaftskapital nach dieser Operation sich auf 20,036.000 Fl. bezifferte. — Die Dividenden betrugen in den Jahren 1881 1883 35, 40 und 21 Fl, also &66, 7-619 und 4('(]. — Die Bilanz des Betriebsjahres [883 weist eine Aktiva von 26,443.49474 Fl. und eine ebensolche Passiva nach. Unter den Einnahmen, welche sich auf 1 i,21 2.289*33 Fl. belaufen, figuriren die Ergebnisse der Fahrten mit 9,129.324-28 Fl. Unter den Ausgaben nimmt die Rubrik „Besoldung und Beköstigung der Officiere und Mannschaft" mit 2,032.174-84 Fl. die erste Stelle ein. Vom Gesammtreingewinn per 1,578,610 Fl. wurden 1,270.200 Fl. vom Werthe der Dampfer abgeschrieben, 92.780 Fl. als Dotation dem Assekuranzfonds, 12.600 Fl. dem Pensionsfonds zugewiesen, 35.000 Fl. als Fmolumente, 15.000 Fl. für die Revisoren bestimmt und der Rest per 166.530*42 Fl., nebst 337469-58 Fl. aus dem Reservefonds im Gesammtbe-traee von 504.000 Fl. als Dividende gezahlt. Die „Adria" ungarische Seeschifffahrts - Aktien-Gesellschaft in Fiume, gegründet t 881, hat ein Aktienkapital von 2.500.000 Fl. in 12.500 Aktien a 200 Fl. — Laut dem in der 2. Generalversammlung vom Juni [884 erstatteten Geschäftsberichte machte die Adria mit 7 eigenen, 18 gecharterten und 26 Vertragsdampfern, 241 Fahrten (4- 17 gegen 1S82). Die Bruttofrachten-Einnahme für die mit den eigenen Schiffen geführten Güter betrug 1,043.979 FL, jene der gecharterten Schiffe 992.159 Fl. Von der befahrenen Seestrecke von 726.049 Seemeilen haben die eigenen Dampfer [41.152 Meilen zurückgelegt. — Der gesammte Waarentransport im Jahre 1883 belief sich auf 170.839 (-j- 13.541) Gewichtstonnen, 9.097 (-f-3.434 Kubikmeter) und 3,386.853 Stückwaare (-}- ca. 2,300.000). Diese Zunahme kommt zum überwiegenden Theile dem Verkehre Fiumes zu Gute. — Die Gesellschaft zahlte im Jahre 188283 12 Fl. Dividende, also 6"/,. — Die Bilanz vom 31. December 1883 weist eine Aktiva von 2,878.450*20 Fl. und eine ebensolche Passiva nach, die eigenen Schiffe sind darin mit 1,933.521 Fl. veranschlagt. — Die Gesammtein-nahmen bezifferten sich auf 334.980 FL, davon betrugen die Einnahmen der eigenen Schiffe 172.328 Fl., die Staatssub- Die Fluss-, Kanal- und See&chifffahrt. 647 venlion 150.CXX) Fl. und die diversen Erträgnisse 12.652 Fl. — Die Ausgaben waren mit 597.606 Fl. angesetzt, somit betrug der Verlust nach Abzug des Gewinnübertrags vom Jahre 1882, 261.259 Id. — Um aber die Seeverkehrsver-hältnisse Oesterreich-Ungarns noch zu erweitern, wurde in neuester Zeit von der ,,Südbahn" ein Uebereinkommen mit der Newcastler Dampfergesellschaft Ward und Holtzapfel wegen einer regelmässigen Dampferverbindung zwischen Triest einerseits und New-Vork, London, Leith und Newcastle on lyne andererseits abgeschlossen, und das österreichische 1 [andelsministerium ertheilte diesem Uebereinkommen seine ausdrückliche Zustimmung. Dieses Uebereinkommen hat den Zweck, den Verkehr aus dem Centrum des Reiches über Triest gegenüber der 1 lamburger Route konkurrenzfähiger zu gestalten. Es wurden einheitliche Tarife ab Wien nach den genannten überseeischen Plätzen festgesetzt, welche jedoch nur als Maximaltarife zu gelten haben, indem die Dampfer-Kompagnie die entfallende Schilffahrts-Rate nach ihrem Ermessen von Kall zu Fall ermüssigen kann. Zwischen Triest und New-York verkehrt nunmehr monatlich ein Dampfer in jeder Richtung, ebenso ein Dampfer jeden Monat gemeinsam nach den drei 1 läfen London, Leith und Newcastle. Die Abmachung zwischen der Südbabn und der Dampfergesellschaft wurde auf ein Jahr abgeschlossen und wird, wenn keine Kündigung erfolgt, von Jahr zu Jahr stillschweigend verlängert. Im neuen Hafen von Triest, welcher von der österreichi-Südbahn erbaut wurde, erfolgte in neuester Zeit die Schluss-steinlegung. Schon im Jahre 1862 legte die Südbahn das erste Projekt zum Ausbau des Triester Hafens der Regierung vor, einige Jahre darauf begann der bau, den seit 1869 Ober - Inspektor T. Bömches führte. Durch den Neubau wurde die nordöstliche alte Rhede, vom Molo del Sale an, durch drei 215 Meter weit vorspringende, 80—93 Meter breite Moli in 3 grosse Bassins mit zusammen 355 Hektaren Wasser- 1)48 < )e*terreich-Ung&rrj, fläche und 2800 Meter Quai-Entwickelung umgewandelt. Zum Schutze gegen Bora- (Ost-), Scirocco- Südost-1 und Libeccio-(Südwest-) Stürme führte man einen mit der Uferlinie parallel laufenden, im offenen Meere stehenden, 1.090 Meter langen Damm auf. Derselbe ist vom Ufer 310 Meter entfernt, hat eine d^otalhöhe von 20 Metern und ist in der Sohle 61-62, in der Krone 19 Meter breit. Von seinem nordwestlichen Ende 148 Meter entfernt, dem Molo 1 gegenüber, wurde rechtwinkelig ein 75 Meter langer Quermolo angebaut und dadurch eine 95 Meter breite geschützte Einfahrt hergestellt. — Sämmt-liche Bassins sind auf 8—13 Meter Wassertiefe ausgebaggert worden; überdies ward noch ein besonderes Petroleum-Bassin hergestellt. Die Kosten dieses Riesenwerks betragen 14,600.000 Fl. — Gleichzeitig mit diesem Hafenbau hat die Südbahn auch ihren briester Bahnhof den Anforderungen der Neuzeit entsprechend total umgebaut und in seinem gesammten Niveau um 7 Meter tiefer gelegt, sowie mit geräumigen und zweckentsprechenden, architektonisch hervorragenden Gebäuden verschen. Der Triester Kaufmanns: stand in erster Linie hat vollauf Grund, dieser auf ihrem Gebiete wohl einzig dastehenden Leistung seine volle Anerkennung zu zollen, und es ist zu wünschen, dass die Hebung des allgemeinen Verkehrs den Hoffnungen auch entsprechen wird, die die Südbahn bestimmten, ein solches Werk durchzuführen. „FTume", die einzige Seehafenstadt Ungarns, liegt malerisch am Ende des Quarnero-Golfes. Sie besitzt drei Häfen, u. z. den Porto canale Fiumara, den Porto nuovo mit grossen Magazinen auf den Molos, und einen Petroleumhafen. Da die transleithaniscbe Regierung, wie bekannt, ausserordentlich viel für die Hebung Fiumes thut, so haben Handel und Gewerbe einen grossen Aufschwung genommen, und es arbeiten hier zahlreiche industrielle Etablissements, darunter die grosse Tor pedofabrik von „Whitehead". Der Fischfang und die korallenüscherei 049 Der Fischfang; und die Korallenüscherei in den tie-wässern Oesterreich-Ungarns. i lochwichtig ist im Küstenlande der Fischfang im Meere, wo es bei 250 verschiedene Gattungen Fische giebt. Makrelen, Sardellen und Thunfische werden gesalzen und bilden einen wichtigen 1 landelsartikel. — Nicht unbedeutend ist der Fischfang auch in den Binnengewässern Oesterreich-Ungarns. Die Donau, Drau und Save sind die fischreichsten Flüsse, in ihnen findet man Dachse, Schule, Karpfen und die gewöhnlichen Gattungen flechte. — In den Gebirgswässern giebt es viele Forellen, doch hat die Fischzucht im Allgemeinen in Tirol einen Rückgang erfahren. In früheren Zeiten wurden nämlich von Klöstern, vom Landesadel und vom I lof massenhaft Fische gegessen und darum in Tirol viele Teiche angelegt, doch später wurde nicht nur jede Pflege verabsäumt und die Teiche verwahrlost, sondern auch die Holztriftung macht den haschen in den Bächen ausserordentlichen Schaden. Seit den letzten Jahren schenkt man übrigens der Fischerei in Tirol wieder einige Aufmerksamkeit, und in Innsbruck entstand sogar ein Verein für künstliche Fischzucht. — Auch in Galizien vernachlässigt man seit etlichen Decennien bedeutend die Fischzucht, eigentliche Fischwirtschaft finden wir nur im äussersten Westen, doch wurde in neuester Zeit in Krakau ein Verein zur Hebung der 1 eichzucht mit zahlreichen Filialen gegründet. — Der Fischfang in Bosnien ist frei, Fische werden ziemlich stark kon-sunairt, da sie zur Zeit der griechischen Fasten für die Angehörigen dieser Konfession die Fleischspeisen liefern. Die zahlreichen Flüsse in Bosnien haben sehr schmackhafte Fische, es kommen hier und da sogar Forellen vor, doch bringt der Fischfang den Finwohnern wenig ein. An der dalmatinischen Küste wird ziemlich lebhaft die Korallenfischerei betrieben. Zu diesem Zweck hat jede Barke eine Maschine, welche aus zwei kreuzweise übereinander gelegten Balken von 4i/3 Ellen Länge besteht. In der Mitte befestigt man einen 60 — 70 Pfund schweren Stein, welcher, an ein Tau gebunden, die Maschine bis auf den Meeresgrund herabsinken lässt An den äussersten Enden der vier Kreuzesarme hängt ein 12 Pfund schweres Netz von starkem Ilanl strick mit grossen, vier Zoll weiten Maschen, deren jede, da sieben Reihen solcher Maschen übereinander liegen, achtundzwanzig Zoll hoch werden kann. Unter dem Kreuz befinden sich ausserdem noch vier börsenähnliche Netze von demselben Strickwerk, aber von nur je 5 Pfund Schwere, und zwischen ihnen, um zu verhindern, dass sie sich nicht untereinander verwickeln, gehen in der Richtung des Kreuzes Schnüre. — Ein starkes, 48 Fuss langes Tau hält diese Maschine in der Mitte und ist am äussersten Ende mit einem Ringe versehen, durch welchen ein anderes Tau von 2-, 3- und 400 Fuss läuft — Will man Korallen fangen, so muss das Meer ruhig sein. — Sobald es das Wetter erlaubt, fahren die bäscher vom Lande ab und auf 6—10 Meilen in die See hinaus. Gewisse Bergspitzen, einige Vorgebirge und hier und da eine alte Eiche sind die Merkmale, welche sie zu den unterseeischen Felsenriffen führen. — Fast mit mathematischer Genauigkeit legen sie dort an, hier lässt der Fischer die Maschine herabsinken, und hat diese den Grund erreicht, so hält er das Tau in der Hand und dreht seinen Körper, ohne sich viel von der Stelle zu entfernen, nach verschiedenen Seiten, indem er bei jeder Wendung die Maschine hebt und senkt. - Dadurch werden die Korallenpflanzen, welche an dem Riffe hängen, von demselben losgerissen und in dem Netze festgehalten. Dann zieht der Fischer mit einigen seiner Gefährten die Maschine wieder herauf, und rindet entweder reiche Ausbeute oder seine Hoffnung getäuscht. — War der Fang gut, so beginnt er seine Arbeit um dasselbe Riff von neuem, fand er nichts, so sucht er eine andere Stelle auf. — Mitunter bringt die Maschine Der Fischfang und die Korallenfischerei. 051 mehr als 8 Pfund Korallen herauf, andere Male gar nichts. Und wählend so der Korallenfischer vom Morgen bis zum Abend, mitten auf dem Meere, den glühenden Strahlen der Sonne ausgesetzt, unermüdlich sein schweres Handwerk treibt, besteht seine Kost aus nichts, als einem Zwieback im Meerwasser eingetaucht und Wein mit Wasser gemischt. — Nach der Durchschnittszahl der Ausbeute während der letzten zehn Jahre beläuft sich die Korallenfischerei der „ZIarhier" jährlich auf 2.000 Pfund Korallen jeder Grösse und der Ertrag auf 12.000 Gulden, wovon jedoch dreiviertel für die Kosten abgehen. Der grösste bang in einem Jahre während dieser Zeit betrug 3.195, der kleinste nur 950 Pfund. Die in Dalmatien gefischten Korallen zeichnen sich durch grössere Festigkeit und durch ihre frische purpurrothe Farbe vor allen im Adriatischen Meere gefundenen aus. — Das Pfund wird roh auf der Messe von Sinigaglia für /'.^ Gulden verkauft, während es in Livorno und Genua mehr als 8 Gulden kostet und bearbeitet, die Unze mit 8—15 Gulden bezahlt wird. — Aber leider muss dieser Gewinn Fremden überlassen werden, da in Dalmatien, dem Lande der Korallen, die Kunst der Bearbeitung derselben, wenn nicht gänzlich unbekannt, so doch im grossen Ganzen unbenutzt geblieben ist. Daher kommt es, dass ein ganzer Korallenberg, Welcher im Oktober 1843 nach „Zlarin" gebracht wurde, bearbeitet über hunderttausend Gulden werth gewesen wäre, dem glücklichen Finder nicht mehr als 12.000 Gulden einbrachte. Gegenwärtig rüstet man sich in österreichischen Sportpreisen zu einer grossen internationalen Ausstellung, welche die Gebiete der Jagd, der Fischerei und der Ornithologie umfassen und in der Rotunde des Wiener Praters veranstaltet werden soll. Ursprünglich war das Unternehmen für das Jahr '885 in Aussicht genommen, aber auf Wunsch des Kronprinzen Rudolf, der das Protectorat übernommen und eine Kollision mit der Landesausstellung in Budapest vermieden wissen wollte, hat man die Ausführung auf das Jahr 1886 verschoben. Die Ausstellung soll vom Mai bis September dauern. — Nachdem die Vorberathungen aus dem theoretischen Stadium herausgetreten sind, haben der österreichische Jagdschutz-, der Fischerei- und der Ornithologische Verein ein Aktions-Komitee gebildet, das, mit Männern, wie Graf Wilczek, an der Spitze, nunmehr die Verhandlungen mit dem Auslande leitet. Für die Betheiligung an der Jagdausstellung sind ausser österreichischen Jägern bereits französische und deutsche Jagdrevierbesitzer, u. A. der Herzog von Ratibor, gewonnen; die kürzlich dort stattgehabte Fischerei-Konferenz bot willkommene Gelegenheit zur Besprechung der Fischerei-Ausstellung. Für die historische Abtheilung dürften namentlich die preussische und sächsische Regierung ihre Museumsschätze zur Verfügung stellen. Tl. Der Staat. Regierungs/or»!. — Staatsgrundgcsetz. — Die herrschende. Dynastie und das Staatsoberhaupt — Die Residenzen, d. k. u. k. Garden und die Ritterorden. — Die Landesfarben und das Landeswappen, — Die Volksvertretungen (Delegationen. Reichsrath, Reichstag und Landtage). — Die Staatsverwaltung (Ministerien, Prc-vui'Jat- und Gemeindeverwaltung). — Der Beamteusta.'/d (Rangklassen, Gagen l"id andere Gebühren) und der Peamtt-nverein der ästet r.-ungar. Monarchie. — Der Staatshaushalt (Staatsschulden. Jahresbudget, Steuern und Zölle. — Das Geld, Gewicht, Längen-, Flächen-, llohlmaassc und die Stempelmarken). Regtorungsform. Staatsgmndgesetz. - Die herrschende Dynastie und das Staatsoberhaupt, die Residenzen, die k. u. k. Garden und die Ritterorden. Die Landesfarben und das Landeswappen. (Oesterreich-Ungarn führt den alternativ officiellen Titel »Oesterreichisch-Ungarische Monarchie" und „Oesterreichisch-Ungarisches Reich". Es ist ein Kaiser- und Königthum, d. h. sämmtliche unter dem Scepter des Kaisers Von Oesterreich und apostolischen Königs von Ungarn verfassungsmässig vereinigten Königreiche und Länder bilden zu sarnmen eine „Realunion", deren beide Staatsgebiete durch dieselbe Dynastie und durch gemeinsame Angelegenheiten zu samnienhängen. Die eine Reichshälfte ist das Kaiserthum Oesterreich, auch Ci.sleithanien oder das österreichische Staatsgebiet genannt; es umfasst die im Reichsrathe vertretenen Länder. Der andere Theil ist das Königreich Ungarn, Transleithanien oder im weiteren Sinne das ungarische Staatsgebiet, welches die Länder der ungarischen Krone in sich schliesst. — Leide Reichshälften haben folgende Angelegenheiten gemeinsam, u. z. die auswärtigen Angelegenheiten, bei denen aber die internationalen Verträge der Genehmigung beider Parlamente, also des österreichischen „Reichs rat h es" und des ungarischen „Reichstages" bedürfen; das Kriegswesen, jedoch mit Ausschluss der Rekrutenbewilligung, Gesetz gebung über die Wehrpflicht, der Verfügung betreffs der Dis-locirung, Verpflegung und der nicht militärischen Verhältnisse des Heeres; und schliesslich das Finanzwesen bezüglich der gemeinschaftlich zu bestreitenden Ausgaben. — Ausser diesen „gemeinsamen Angelegenheiten" giebt es noch solche, welche nach ..gleichartigen Grundsätzen" behandelt werden, nämlich die commerziellen Angelegenheiten, speziell die Zollgesetzgebung; die Gesetzgebung über die mit der industriellen Production in enger Verbindung stehenden indirecten Abgaben; die Feststellung des Münzwesens und des Geldfusses, die Verfügung über jene Eisenbahnlinien, welche das Interesse beider Reichs hälften berühren und endlich die Feststellung des Wehrsystems. Zu den wichtigeren „G r u n d g e s e t z e n" in der österreichisch-ungarischen Monarchie gehören in „Ci.sleithanien" die pragmatische Sanction des Kaisers Karl VI. vom 19. April 1713 bezüglich der Thronfolgeordnung, der Unzertrennlichkeit und Untheilbarkeit der Monarchie; das Diplom des Kaisers Franz Josef 1. vom 20. October 1860 über die Einführung der constitutionellen Regicrungsform; das Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867, betreffend die Organisation der Reichsvertretung, theilweise abgeändert durch das Gesetz vom 2. April 1873; das Staatsgrundgesetz vom 21. December t 867 über die allgemeieun Rechte der Staatsbürger, dessen Bestandtheile die RegieniDgsforni etc. 655 beiden Gesetze vom 27. October 1862 zum Schutze der persönlichen Freiheit und des Hausrechts bilden; das Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867 über die Einsetzung eines Reichsgerichts; das Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867 über die richterliche Gewalt; das Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867 über die Ausübung der Regierungs- und der Vollzugsgewalt; das Staatsgrundgesetz vom 2 L. December 1867 bezüglich der gemeinsamen Angelegenheiten der Monarchie; die Reichsrathswahlordnung vom 2. April 1873, abgeändert durch das Gesetz vom 4. October 1882; die Landesordnungen und Landtagswahlordnungen für die einzelnen Länder vom 26. Februar 1861, durch spätere Gesetze modificirt, während in Schlesien die Landtagswahlordnung vom 22. Nomember 1875 massgebend ist. In „Transleithanien" gehören zu den wichtigeren Grundgesetzen die ungarischen Gesetzartikel I, II und III vom Jahre 723 über die Anerkennung der pragmatischen Sanction und zugleich die Sicherung der legislativen und administrativen Selbstständigkeit Ungarns; der ungarische Gesetzartikel X vom Jahre 1790/91 betreffend die Unabhängigkeit Ungarns; der ungarische Gesetzartikel XII vom Jahre 1790/91 bezüglich der Ausübung der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt; der ungarische Gesetzartikel III vom Jahre 1847/48, betreffend die Einsetzung eines verantwortlichen Ministeriums; der ungarische Gesetzartikel IV 184748 über die Reichstagssitzungen; der ungarische Gesetzartikel V vom Jahre 184748, behandelnd das Wahlgesetz für die Repräsentantentafel, modificirt und ergänzt durch die Gesetzartikel XXXIII vom Jahre 1874, XXXIX vom Jahre 1876, X und XI vom Jahre 1877; die ungarischen Gesetz-artikel VII vom Jahre 1847/48 und XLIII vom Jahre 1868, betreffend die L htion Siebenbürgens mit Ungarn; der ungarische Gesetzartikel IX vom Jahre 1847/48 bezüglich der Authebung c'er Robot und des Zehents; der ungarische Gesetzartikel XII v°m Jahre 186567 betreffend die gemeinsamen Angelegen- heilen mit Oesterreich; der ungarische Gesetzartikel XVII vom Jahre 1865/67 bezüglich der Gleichberechtigung der Israeliten; die ungarischen Gesetzartikel XXX vom Jahre 1868, XXXIV vom Jahre 1873 und XV vom Jahre 1881 betreffend den staatsrechtlichen Ausgleich zwischen Ungarn und Kroatien Slavonien; die ungarischen Gesetzartikel XXVII vom Jahre 1873 betreffend die Provinzialisirung der banatischen und XL vom Jahre 1882 betreffend die Provinzialisirung der kroatisch-slavonischen Militärgrenze; der ungarische Gesetzartikel I vom Jahre 1875 über die Incompatibilität; der ungarische Gesetzartikel XII vom Jahre 1876 bezüglich der Aufhebung der politischen Selbstständigkeit des siebenbürgischen Königsbodens; der kroatisch-slavonische Gesetzartikel II vom Jahre 1870 betreffend die Landtagsordnung und das Wahlgesetz vom [5. Juli 18S1 für Kroatien und Slavonien; das Gesetz vom 10. Januar 1874 über die Verantwortlichkeit des kroatisch-slavonischen Banus. In Oesterreich-Ungarn sind alle Staatsbürger vor dem Gesetze gleich. - Die sogenannten „Grundrechte" oder allgemeinen Rechte der Staatsbürger garantiren den Schutz der persönlichen Freiheit und des Hausrechts, die Freizügigkeit, das Auswanderungsrecht, das freie Recht zum Erwerbe und Besitze des Eigenthums, die Unverletzlichkeit des letzteren, die Freiheit des Grundeigenthums, das Recht der freien Meinungsäusserung (insbesondere die Pressfreiheit), die Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit, das Petitions-, das Versammlungs und das Vereinsrecht. Aus dem Princip der Glaubensfreiheit folgt, dass der Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte von dem Religionsbekenntnisse unabhängig ist. Für „Bosnien und die Herzegowina" gelten als Grundgesetze der Berliner Friedensvertrag vom 13. Juli 1878, wodurch die Verwaltung dieser Provinzen und das ßesatzungs-recht im „Sandschak Novibazar" der österreichisch- ungarischen Regierung überlassen wird, ferner die Convention der Türkei Regierungsfonn etc. 657 mit Oesterreich-Ungarn vom 21. April 1879 wegen Bosnien-Herzegowina und Novibazar. In der österreichisch-ungarischen Monarchie herrscht die Dynastie „Habsburg-Lothringen". Wie in allen europäischen Monarchien ist auch in diesem Reiche eine gesetzlich bestimmte Ordnung der Erbfolge eingeführt, und das Recht der Succession beruht auf der Primogenitur und der Linealerbfolge. — Die „Thronfolgeordnung" ist eine „gemischte'1, d. h. die Prinzessinen und Prinzen, welche durch Frauen mit der Dynastie verwandt sind, können nur dann succediren, wenn der Mannstamm des Herrscherhauses in allen Zweigen erloschen ist. In Jen ,.Grund- und Hausgesetzen" ist vorgeschrieben, dass der Kaiser von Oesterreich und König von Ungarn der römisch-katholischen Kirche anzugehören hat. — Im Falle als die regierende Dynastie in allen erbberechtigten Personen erlöschen sollte, hat über die österreichischen Länder der letzte Stammerbe das Verfügungsrecht, während in Ungarn dem Reichstage das Recht der Wahl einer neuen Dynastie zusteht. — Das Recht der Erbfolge ist nicht durch ein gewisses Alter bedingt, aber die wirkliche Ausübung der Souveränetätsrechte ist an die Gross jährigkeit gebunden, welche bei dem Monarchen oder Thronfolger erst mit dem vollendeten 18. Lebensjahre eintritt. — Wenn die Erbfolge einen noch minderjährigen Succedenten trifft, oder wenn der Monarch durch längere Zeit verhindert ist, selbst zu regieren, so tritt an seine Stehe im ersten Falle eine Vormundschaft, in beiden Fällen eine Regentschaft, über deren Bestellung vom vorigen oder verhinderten Monarchen selbst das Erforderliche angeordnet wird. In Ungarn ist auch die Krönung, verbunden mit der Beschwörung der Verfassung, gesetzlich eingeführt. — Der Monarch übt aL Staatsoberhaupt das ausschliessliche Recht der obersten Leitung des Staates aus. — Die Person des Monarchen ist heilig, unverletzlich und über jede Verantwortlichkeit erhaben. Oesterrslch-Üngarn! 42 Dagegen ist das Ministerium für die Amtshandlungen und für die Einhaltung der Verfassung der Volksvertretung verantwortlich, daher muss eder Regierungsact, um giltig zu sein, von den Ministern unterzeichnet werden, wodurch dann die Verantwortlichkeit übernommen wird. — Die Aussprüche und Verfügungen des Monarchen sind inappellabel, d. h. eine Berufung und Beschwerdeführung ist unzulässig. -- Als gesetzliche Ehrenrechte gebühren dem Monarchen persönliche Ehrenbezeigung, die Führung eines feierlichen Titels und des Staatswappens, der Besitz des Hofstaates, die Verleihung der Ritterorden, sonstiger Ehrenzeichen, des Adels und anderer Auszeichnungen und die Ausübung des Münzrechts. — Die vollziehende Gewalt gebührt ausschliesslich dem Kaiser, doch hat die Volksvertretung insofern Einfluss auf dieselbe, als sie über Aufrechthaltung und Bewahrung der Verfassung und verfassungsmässigen Rechte zu wachen berufen ist. — Der Monarch hat besonders das Recht der Begnadigung und Strafmilderung, er führt als oberster Kriegsherr den Oberbefehl über das Heer, erklärt Krieg, schliesst Frieden und andere Verträge mit fremden Regierungen ab. — Der Monarch handhabt die Staatsgewalt oder Souveränetät im Innern des Staates und in seinen Verhältnissen nach Aussen. Die Sou-veränetäts- oder Hoheitsrechte äussern sich formell als gesetzgebende und als vollziehende Gewalt; die erstere kann vom Monarchen nur im Vereine mit der Volksvertretung ausgeübt werden, u. z. derartig, dass zu jedem Gesetze die Uebereinstimmung des Monarchen und der Volksvertretung erforderlich ist, und nur in ausserordentlichen Fällen können Verordnungen mit provisorischer Gesetzeskraft erlassen werden, welche aber der nachträglichen Genehmigung der Volksvertretung bedürfen. — Der Monarch besitzt das Recht des absoluten Veto, d. h. er kann einem von der Volksvertretung gefassten Beschluss die Bestätigung versagen. Das „Staatsoberhaupt" der österreichisch-ungarischen Monarchie ist Kaiser Franz Josef I., geboren zu Schönbrunn am 18. August 1830. Derselbe übernahm nach der Thronentsagung seines Oheims Kaiser Ferdinand 1. und nach der Thronfolge-Verzichtleistung seines Vaters, des Erzherzogs FVanz Karl, am 2. December 1848 die Regierung und wurde am 8. Juni 1867 zu Budapest als König von Ungarn gekrönt. Der „Grosse Titel" Sr. k. u. k. Apostolischen Majestät lautet: Franz Josef 1., von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich; König von Ungarn und Böhmen, Dahnatien, Kroatien, Slavonien, Galizien, Lodomerien und lllyrien; König von Jerusalem etc. Erzherzog von Oesterreich; Grossherzog von Toscana und Krakau, 11 erzog von Lothringen, von Salzburg, Steier, Kärnthen, Krain und der Bukowina; Grossfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradišča; Fürst von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Nieder-Lausitz und in 1 Strien ; Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc.; Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark; Grossvvojwod der Wojwodschaft Serbien etc. — Der kleine Titel ist folgender: Franz Josef L von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich, König von Böhmen u. s. w. und Apostolischer König von Ungarn. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Elisabeth (Amalia Eugenia), Tochter des i lerzogs Max Josef in Bayern, wurde am 24. Dec. 1837 zu Possenhofen geboren und am 24. April 1854 mit Sr. Majestät dem Kaiser Franz Josef I. zu Wien vermählt. — Der Kronprinz und Thronfolger Erzherzog Rudolf (Franz Karl Josef), k. k. Feldmarschall-Lieutenant und Vice-Admiral, geboren zu Laxenburg am 21. August 1858, vermählte sich mit der Erzherzogin Stefanie, Tochter Sr. Majestät Leopold IL, König der Belgier, am 10. Mai 1881. — Das österreichische Kaiser- 42* « 660 (»estcrreich-l'ngarn. haus zählt gegenwärtig ausserdem 30 lebende Erzherzoge und 37 lebende Erzherzoginnen. — Der gewöhnliche Aufenthalt Ihrer Majestäten ist in der „Hofburg" zu Wien und den benachbarten Lustschlössern, sowie in der „königlichen Burg" in Budapest und dem Jagdschlosse „Gödöllö." — Die k. k. Hofburg in Wien, gewöhnlich „die Burg" genannt, ist schon seit Anfang des 13. Jahrhunderts die Residenz der Fürsten des Hauses Oesterreich. Sie besteht aus einem grossen Gebäude-complex aus verschiedenen Jahrhunderten. In der Mitte des inneren Burghofs, auch „Franzensplatz" genannt, steht das von Kaiser Ferdinand [846 errichtete, nach Marchesis Entwürfen in Mailand gegossene Denkmal Kaiser Franz Josef II-, weiches denselben in antikem Gewände, auf einem mehrfach abgestuften Sockel von geschliffenem Granit, an dessen Ecken allegorische Figuren und Basreliefs angebracht sind, darstellt. Die Inschriften auf der Vorderseite sind Worte aus des Kaisers Testament: „A morem meum populiš meis." An der S.-W.Seite des Burghofs, im sogenannten „Leopoldinischen Tract", welcher nach dem Brande im Jahre [668 vom Kaiser Leopold 1. erbaut wurde, befindet sich die ehemalige „Residenz" mit dem prächtigen Rittersaal, dem historischen Controlorgang, in dem Tosef II. allgemeine Audienz ertheilte, und den Gemächern, welche Maria Theresia und Josef II. bewohnten. Nördlich dieses Gebäudes steht der Reichskanzleipalast, von Fischer und Erlach 1728 erbaut; hier ist das Staatsarchiv untergebracht und im 1. Stock hat der Kaiser Franz Josef seine Wohngemächer. Rechts an den Franzensplatz stösst der „kleine Amalienhof1" welcher, Ende des 17. Jahrhunderts erbaut, von der Kaiserin Elisabeth zeitweilig bewohnt wird. — Der Durchgang links in der südöstlichen Ecke des Franzensplatzes, mit dem in Gold und Farben prangenden Wappen, führt in den „Schweizerhof" ; an der Grabenbrücke befinden sich zwei kleine sleinerne Löwen mit Wappenschildern, links das Habsburger Wappen, rechts fünf Lerchen oder eigentlich Adler, das uralte Wappen des Erzherzogthums. Links in der Ecke des Schweizerhofs ist der Eingang zur „Schatzkammer", in dieser befinden sich nebst vielen anderen höchst werthvollen und interessanten Gegenständen die Kleinodien des österreichischen Kaiserhauses, nämlich die österreichischen Kron -Insignien: Krone, Scepter und Reichsapfel aus der Zeit Rudolfs II., sowie die Krone der Kaiserin, 1867 neu gefasst; ferner eine beinahe unschätzbare Sammlung Edelsteine, unter ihnen, in einer brillanten Hutagraffe befestigt, der berühmte II3V3 Karat schwere „Florentiner" Diamant, welcher einst im Besitze Karls des Kühnen von Burgund war und, wie die Sage lautet, nach der Schlacht bei Murten von einem Bauer gefunden und an einen Berner Kaufmann für 1 FL verkauft wurde, später aber in den tos-canischen Schatz gelangte. Ausserdem bewahrt die Schatzkammer der Hofburg eine Sammlung höchst werthvoller Ordensdecorationen, darunter ein Toison - Orden, „Goldnes Vliess", aus i 50 Brillanten, in dessen Mitte der 42 '/2 karatige sogenannte „Frankfurter" Solitär strahlt; ferner die Ordensschleifen mit dem Grosskreuz des Militär-Maria-Theresia-Ordens, den 548 Brillanten schmücken und deren Mitte ein 26 Karat schwerer „rosenrother" Diamant bildet. Prachtvoll sind auch das kaiserliche Taufzeug, die Krönungs- und I .ehensschwerter sowie die Krönungsgewänder ; die Insignien Napoleons I. als König von Italien, vor denen die silberne, vergoldete 5 Centner schwere Wiege des Königs von Rom steht; die Kleinodien und Reliquien des heiligen römischen Reichs deutscher Nation, welche früher in Aachen und Nürnberg aufbewahrt wurden, u. z. Krone, Scepter, Reichsapfel, Schwert, Dalmatika, Alba, Stola, Gürtel Krönungsmantel, Evangelienbuch, I landschuhe, Strümpfe und Schuhe, das Schwert des heiligen Mauritius, sowie die Reliquien, welche bei der Krönung vorgezeigt wurden, nämlich die Lanze, ein Stück vom Kreuz Christi u. s. w. — Rechts von der Schatzkammer gelangt man in die „Burgkapelle", welche, ursprünglich 1449, im gothischen Stil erbaut wurde; von hier 662 (»eslerreich-L'ngam. führt der „Augustinergang" zum Josefsplatz und zur „Augustinerkirche." In der Mitte des Josefsplatzes erhebt sich das 1806 von Kaiser Franz errichtete, auf einem Granitsockel ruhende „Reiterstandbild" Kaiser Josefs IL, aus Krz, von Zauner; an den Langseiten desselben sind zwei grosse Reliefs, auf den Aufschwung des Ackerbaues und Handels hindeutend, und an den Granit-Ecksäulen 16 kleine Bronze-Medaillons in Relief, Ereignisse aus des Kaisers Leben darstellend, angebracht. Zwischen Burg- und Ringstrasse auf dem grossen äussern Burgplatz, auch „Heldenplatz" genannt, steht rechts das Denkmal des Erzherzogs Karl, u. z. der Erzherzog auf vorspringendem Pferd, mit hochgeschwungener Fahne, eine Hinweisung auf jenen be rühmten Moment bei Aspern, nach Fernkorn's Modell 1860 in Wien gegossen mit der Inschrift: „Dem siegreichen Führer der Heere Oesterreichs, errichtet von Franz Josef I. Links erhebt sich das im Jahre 1865 aufgestellte, ebenfalls von Fernkorn modellirte Denkmal des Prinzen Eugen von Savoyen als General im Kostüm der Zeit, — Das „äussere Burgthor", 1822 von Nobile erbaut, hat fünf Durchgänge mit zwölf dorischen Säulen, an der inneren Seite ist der Wahlspruch des Kaisers Franz zu lesen: .Justitia regnoruin fu ildamen t um." Dasselbe wird, nach dem von Semper entworfenen Plan des Ausbaues der Burg, durch „zwei neue Tracte" längs des Hofgartens und des Volksgartens mit dem „Leopoldinischen Tracte" verbunden werden, wozu, nach der Seite des Hofgartens, bereits der Anfang gemacht wurde. — Man hatte schon früher die Absicht, die Burg auszubauen, es war aber der ausdrückliche Wunsch des Kaisers, „dass sein Haus zuletzt, an die Reihe komme." — Das k. k. Lustschloss „Beivedere", ebenfalls in Wien, wurde in den Jahren [693—1724 nach Hildebrands Plänen durch den Prinzen Eugen von Savoyen erbaut und von diesem bis zu seinem Tode bewohnt. Es besteht aus zwei Gebäuden, dem „unteren Belvedere", welches die Ambraser und Antiken-Sammlung enthält und dem „oberen Belvedere" oder eigentlichen Schloss mit der Gemälde-Gallerie. — Der im französischen Stil terrassenförmig angelegte Garten hat im unteren Theil schattige Alleen, im oberen Rasenplätze» Springbrunnen und Blumenbeete. Die seit 1777 im Belvedere aufgestellte Gemäldegallerie erhielt ihren gegenwärtigen Umfang , circa 1500 Bilder, im 18. Jahrhundert durch Vereinigung aller Sammlungen. In ihr sind die verschiedenen Richtungen der vergangenen Kunst durch Meisterwerke vertreten. Die Hauptstärke liegt jedoch in den Venezianern, Dürer und Rubens, denn in dieser Hinsicht wird die Belvedere-Sammlung von keiner anderen Gallerie übertroffen. Seit einiger Zeit vermehrt man nur noch die Abtheilung für neuere Meister. — Das in der Nähe Wiens gelegene „kaiserliche Lustschloss Schönbrunn" war ursprünglich ein Jagdschloss des Kaisers Matthias, 1619; der jetzige Bau wurde unter Leopold I. nach Plänen von Fischer von Erlach begonnen und unter Maria Theresia 1744-—50 vollendet. — Napeleon 1. hatte hier 1805 und 1809 se'n Hauptquartier aufgeschlagen, und am 22. Juli 1832 starb in diesem Schlosse sein Sohn, der 1 [erzog von Reichstadt, in demselben Zimmer, welches sein Vater bewohnt hatte. Der grosse Garten ist im französischen Geschmack des 18. Jahrhunderts angelegt. Auf einer 237 Meter hohen Anhöhe befindet sich eine 95 Meter lange und 19 Meter hohe Säulenhalle, als Gloriette, von deren Plattform man eine herrliche Aussicht nach Wien geniesst. Links von der Hauptallee finden war die „römische Ruine", den Obelisk und den „schönen Brunnen", nach welchem das Schloss benannt wurde. In der Ecke rechts befindet sich die Menagerie, ein zoologischer Garten älteren Stils, daneben der botanische Garten, reich an Palmen und exotischen Pflanzen, nebst einem grossen neuen Palmenhaus. — Das alte Gebäude des gleichfalls in der Umgebung Wiens, an der Schwechat und dem Wiener-Neustädter Canal gelegene „kaiserliche Lustschloss Laxen bürg" wurde 1377, das neue 1600 aufgeführt. Ausser prachtvollen Obst- und Blumengärten giebt es hier auch noch einen über 400 Hektar grossen hark, welcher, gerade so wie der Schdnbrunner, dem Publikum stets geöffnet ist. Das reichgeschmückte Schloss enthält viele althistorische und Kunstgegenstände. Von den Zinnen des Thurmes hat man eine weite Aussicht auf die südlich gelegenen steirischen Alpen, den Schneeberg und das östlich sich erhebende Leitha-gebirge. Die königliche Burg „Kiraly pälota* in Budapest wurde von Maria Theresia erbaut, brannte aber im Jahre 1849 zum Theil ab und wurde dann mit grösserer bracht wiederhergestellt. Sie enthält 203 Zimmer; im ddironsaal findet die Eröffnung des ungarischen Reichstags statt, in einem Zimmer des linken Flügels werden die ungarischen Reichs-lnsignien, u. /.. die Krone des heiligen Stefan, Scepter, Reichsapfel, Schwert und Krönungsmantel aufbewahrt. 1 )er Schlossgarten, mit schöner Aussicht auf Pest, reicht bis zur Donau hinab und endet in einen prachtvollen Burgbazar. — Das 35 Kilom. von Budapest an der Eisenbahn nach Kaschau gelegene „königliche Lust* schloss Gödöllö", ein Lieblingsaufenthalt Ihrer Majestäten, wurde als ungarisches Nationalgeschenk dem Kaiser Franz Josef I bei Gelegenheit der Krönung zum König von Ungarn dargebracht. Es hat zwar keine hervorragend schöne Architektur, erhebt sich aber in reizender Lage inmitten seines prachtvollen Parks mit umfangreichem Thiergarten. — Die „ K ö n i g 1 i c h e B u r g" in Prag, welche sich auf der Ostseite des Hradschiner Platzes befindet, besteht aus einem ausgedehnten Gebäudecomplex, dessen Grundstein Karl IV. gelegt hatte und das 1484—1502 VVladislaw IL, in der Mitte des 16. Jahrhunderts aber Ferdinand I. weiter baute und 1757—75 Maria Theresia vollendete. Besonders interessant sind hier der 68 Meter lange, 19 Meter breite, 13 Meter hohe Wladislawsche- oder Huldigungssaal, der in den Jahren 1484—1502 erbaut und im 16. Jahrhundert zeitweise zu Turniere benutzt wurde, ferner die alte Statthalterei, die Regierang8fomi etc. ÖÖ5 Hauskapelle, der deutsche und der spanische Saal. Aus dem Fenster der „alten Landtagsstube" liess am 23. Mai 161.S Graf Thum die kaiserlichen Statthalter Martinitz und Slawata hin abwerfen, was die erste Veranlassung zum 30jährigen Krieg bildete. — Anschliessend an den Schlossgarten erhebt sich das „Belvedere," eine grossartige Villa, welche Kaiser Ferdinand 1534 für seine Gemahlin Anna im italienischen Renaissancestil hatte errichten lassen und dessen grosser Saal moderne Fresken aus der böhmischen Geschichte nach Cartons von Rubens schmückt. — Prachtvoll ist auch das im Jahre 1592—1724 erbaute umfangreiche „Kaiserliche Re-sidenzschloss" in Salzburg. Theils als Ehrenwache für Ihre Majestäten, theils zur I tandhabung des Sicherheitsdienstes beim allerhöchsten Hoflager, bestehen in Oesterreich-Ungarn die „k. u. k. Garden," welche von hohen Generälen befehligt werden. Die k. k. »Erste Arcieren-Leibgarde" und die „Königl. ungarische Leibgarde," sind nur aus Offizieren, vom Oberlieutenant aufwärts, formirt. Die crstere, 1763 errichtet, hat silbernen Helm mit weissem Büffelhaarbusche, ponceaurothe Röcke, Aufschläge und Kragen von schwarzem Sammet, gelbe Knöpfe, weisse hirschlederne enge Beinkleider und hohe Reiterstiefel. — Die Königl. ungarische Leibgarde wurde 1760 als „Königl. ungarische adelige Leibgarde" aufgestellt, 1810 reorganisirt, 1850 aufgelöst, 1867 wieder errichtet und 186S „Königl. ungarische Leibgarde" benannt. Bire Uniform besteht aus Kaipak mit grünem Tuchsacke und Reiherbusch, hochrother Attila und Beinkleider mit reicher Silberverschnürung, Pantherfell und gelbe Csizmen. — Die „k. k. Trabanten-Leibgarde", errichtet 1767, rekrutrirt sich aus Unteroffizieren des stehenden Heeres; sie hat Pickelhaube mit weissem Büftelhaarbusche, ponceaurothe, goldbordirte Röcke mit Aufschlägen und Kragen von schwarzem Sammet, gelbe Knöpfe, weisse, enge, hirschlederne Beinkleider, hohe Reiterstiefel, deutsche Schwerter und Hellebarden. — Die „k. k. Leibgarde- Reiterescadron", ebenfalls nur aus Unteroffizieren zusammengesetzt, wurde 1849 aufgestellt; sie hat Pickelhaube mit schwarzem Rosshaarbusche, dunkelgrüne Röcke mit scharlachrother Fga-lisirung, vergoldete Achselschnüre, Schuppen-Epaulettes, gelbe Knöpfe, weisse hirschlederne enge Beinkleider, hohe Reiterstiefel. — Schliesslich giebt es noch die gleichfalls nur aus gedienten Unteroffizieren sich rekrutirende „k. k. Hofburgwache", errichtet 1802, mit Pickelhaube und schwarzem Rosshaarbusche, dunkelgrünen Röcken mit scharlachrothen Aufschlägen und Kragen, vergoldeter Achselschnüre, Schuppen-Epaulettes und gelbe Knöpfe. Letztere wurde in allerneuester Zeit reorganisirt. — Während die k. k. erste Arcieren- und die königl. ungarische Leibgarde die Ehrenwache vor den inneren Appartements Ihrer Majestäten versehen und die k. k. Trabanten Leibgarde den Wachdienst auf den inneren Corridoren besorgt, begleitet die Leibgarde-Reiterescadron den Kaiser im Felde, bei Manövern etc. Abtheilungen von ihr werden im Mobilisirungsfalle auch den Armeecommandanten zugewiesen. — Die k. k. Hofburgwache verrichtet den polizeilichen Sicherheitsd'.'st beim kaiserlichen I loflager, bewacht die 1 löfe und Fing' ngsthore. Gegenwärtig giebt es in Oesterreich-Ungarn 8 "v terorden u. z. der Orden des goldenen Yliesses. ToisonorJ _n, nur in einer Klasse im Jahre 1429 gestiftet, blos für Souveräne und die höchsten Würdenträger der katholischen Religion bestimmt; der Maria-Theresiaorden, gestiftet 1757, für Offiziere zur Belohnung tapferer Thaten, in 3 Klassen; der königl. ungarische St. Stefansorden, gestiftet 1764, in 3 Klassen; der Leopolds-Orden, gestiftet 1808, in 3 Klassen; der Orden der eisernen Krone, gestiftet 1816, in 3 Klassen; der Franz-Josefsorden, gestiftet 1849, mit 3 Graden; das militärische Llisabeth-Theresien-stiftkreuz, gestiftet 1750, in einer Klasse. — Ausserdem wird von der Kaiserin an Damen des hohen Adels der „Sternkreuzorden', gestiftet 1668, in einer Klasse verliehen. Unter Oesterreichs Auspicien stehtauch der deutsche Ritter- RegioruDgafonn etc. 667 "i'icn, welcher im Jahre 1840 erneuert wurde. In jüngster Zeh erliess der Kaiser eine Verordnung, welche die bisherigen (»rdensstatuten der drei älteren Ritterorden des (Caiserstaates derartig abändert, dass mit der Verleihung eine Standeserhöhung nicht mehr verbunden ist, und die noch bestehenden Hofrechte für die künftigen Ordensritter präcisirt, Diese Rechte bestehen vor Allem in dem kragen der Ordensdecoration, eines eigenen Ordenskleides und in den Gnadenbezeigungen seitens des Kaisers für den Stefans-Orden. In den Statuten heisst es: „Damit der Orden nicht allein mit den nöthigen Vorzügen versehen, sondern auch sämmtliche Ritter unsere besondere Zuneigung desto vollkommener erfahren QlÖgen, so bewilligen wir aller gnädigst, dass dieselben, im Falle sie bei uns Audienz suchen, solche, ohne sich bei dem Oberstkämmerer anmelden zu dürfen, u. z. wenn wir in der Burg sind, im Rrtirozimmer, in Schönbrunn aber in dem Spiegelzimmer zu erhalten die Gnade gemessen sollen. Den Klein-Creutzen soll bei Ordensfesten, da sie bei unserer Ankunft und Abreise zum I landkuss zugelassen werden, in die geheime Raths-Stube, wohin den Gross-Creutzen und Commandeuren je und allezeit zu kommen erlaubt ist, der freie bantritt gestattet Werden. Ueberdies gestatten wir den Klein - Creutzen zu mehrerer Bestätigung unserer für dieselben hegenden Gnade, nicht nur bei Hoffesten und Ordinari-Appartements, sondern auch bei den Spiel- und kleinen Appartements zu erscheinen. Ferner gestatten wir, dass, wenn in unserem als Grossmeister Namen Dekrete an die Gross-Creutze erfolgen, sie darin zu desto mehrer Bezeigung unsere Gnade mit der Benennung »unsere Coniuts*" (cognati nostri) benannt werden sollen. An dem Ordensfeste werden die Gross-Creutze mit uns zur Tafel zu sitzen die Gnade gemessen, die Commandeure und Klein-Creutze aber durch den dapiferorum magistru m (Hofküchcn-nieisteri bei unserem Hofe bewirthet werden.1* — Die Statuten des Leopoldordens sind denen des St. Stelänsordens nachgebildet, doch hebst es in denselben noch : „Nach vollzogener Aufnahme werden die Gröss-Creutze zum Merkmal und Bezeigung der Gnade vom Grossmeister (Kaiser) umarmt. Die Klein-Creutze haben an allen Ordensfesten Eintritt in die Geheimratbsstube, wohin die Gross-Creutze und Commandeurs allzeit zu kommen berechtigt sind." — In den Statuten des Ordens der „Eisernen Krone" heisst es: „Jedem Ritter ist gestattet, sein Geschlechtswappen mit dem Ordenszeichen zu verzieren und sich des auf solche Art geschmückten Wappens zeitlebens bei allen Gelegenheiten zu bedienen. Die Ritter der ersten Ciasse werden vom Kaiser bei der Verleihung umarmt. Ritter der dritten Classe haben an Ordensfesten Zutritt in die Geheime Raths-Stube, wohin Ritter der ersten und zweiten Classe immer zu kommen berechtigt sind. Auch erhalten die Ordensritter ohne Unterschied des Standes Zutritt bei den Hoffesten und den sogenannten Appartements. Ritter der ersten Classe werden mit der Benennung „unser Vetter" beehrt." — Man sieht, es bleiben den zukünftigen Ordensrittern noch Ehren- und Gunstbezeigungen in Fülle gewahrt, um einen Orden zu be-gehrenswerthem Besitz zu machen. Das „Staatswappen" ist ein dreifaches, das kleinere ein schwarzer Doppeladler mit ausgebreiteten Flügeln, goldenen Schnäbeln und Raffen, rothen Zungen und goldenen Kronen auf den Köpfen, in der rechten Klaue hält er das Staats-schwert und das goldene Scepter, in der linken den goldenen Reichsapfel. Ueber den beiden Köpfen schwebt die Kaiserkrone; auf der Brust des Adlers befindet sich das k. k. Familien- und Hauswappen in einem dreimal gespaltenen Schilde' und zwar rechts im goldenen Felde ein rother, blau gekrönter, aufrechtstehender, nach rechts gewendeter Löwe Habsburg, in der Mitte ein silberner Querbalken im rothen Felde Oesterreich, links in goldenem Felde ein rother Schrägbalken mit drei gestümmelten Adlern Lothringen. Das Familienwappen ist von den Insignien des goldenen Vliesses, des Maria-Theresien-, des Stefans-, des Leopolds- und des Ordens der Eisernen Krone Umhängen. - - Das mittlere Wappen hat auf den ausgebreiteten klügeln und dem Schwänze des Adlers zehn Wappenschilder der österreichischen Provinzen. — Das grosse Wappen enthält goldenen Hauptschilde den kaiserlichen Adler, welcher auf ""er Brust einen zweimal senkrecht- und ebenso oft quer-getheilten Schild mit neun Sectionen trägt, die wieder in mehrere Felder zerfallen, welche die Wappenzeichen des Hauses, der Provinzen und der Anspruchsländer zeigen; der Hauptschild ist mit der Kaiserkrone bedeckt, mit den Insignien der genannten ( h den umhangen und von zwei goldenen, schwarz-geflügelten Greifen mit ausgeschlagenen rothen Zungen und schwarzen Hälsen gehalten. — Die „Reichsfarbeir' sind schwarz und gelb, die „I la usfarben" Oesterreichs aber weiss und roth. Die Volksvertretung und das parlamentarische Leben. In Oesterreich-Ungarn bat jeder der beiden Staatsgebiete eine eigene Reichsvertretung, welche in Cisleithanien „Reichs-rath", in Transleithanien „Reichstag" genannt wird; ausserdem giebt es aber auch noch in den einzelnen österreichischen Ländern und in Kroatien-Slavonien „Landtage". — Das Gesetzgebungsrecht beider Reichsvertretungen in den „gemeinsamen Angelegenheiten, wird von „zwei Delegationen", einer österreichischen und einer ungarischen, ausgeübt. Jede derselben ist aus 60 Mitgliedern, je 20 vom österreichischen I Eerrenhause und der ungarischen Magnatentafel und je 40 vom öster-reichischen Abgeordnetenhause und der ungarischen Reprä-Sentantentafel, auf 1 Jahr gewählt, zusammengesetzt. Diese Delegationen werden alljährlich vom Monarchen abwechselnd nach Wien oder Budapest einberufen. Der Wirkungskreis des „Reichsraths", in den sämmt-liche Länder Cisleithaniens ihre Vertreter senden, umfasst alle Gegenstände der Gesetzgebung, welche sämmtlichen Ländern dieses Staatsgebiets gemeinschaftlich sind. Dazu gehören die Genehmigung von Staatsverträgen, das Militärvvesen, die Zustimmung zur Verwendung der Landwehr im Kriegsfalle ausserhalb des österreichischen Staatsgebietes, alle Staatsfinanzen, das Geld-, Münz- und Zettelbankwesen, die Zoll- und Handelsangelegenheiten, das Telegraphen-, Post-, Eisenbahn-, Schifffahrts- und sonstiges Reichscommunicationswesen, das Credit-, Hank-, Privilegien-, und Gewerbewesen, das Maass und Gewicht, der Marken- und Musterschutz, das Medicinalwesen, das Staatsbürger- und Heimathsrecht, die Fremdenpolizei, das Passwesen und die Volkszählung, die confessionellen Verhältnisse, das Vereins- und Versammlungsrecht, die Presse, der Schutz des geistigen Eigenthums, die Universitäten und andere vom Staate erhaltenen Hochschulen, die Grundsätze für die Volksschulen und Gymnasien, die Justizpflege, die Organisation der Gerichts- und Verwaltungsbehörden, das allgemeine Recht der Staatsbürger und die Reichsverfassungssachen. — Der österreichische Reichsrath gliedert sich in das „Herren-" und „Abgeordnetenhaus". — Mitglieder des Herrenhauses sind durch Geburt, die grossjährigen Prinzen des kaiserlichen Hauses; ferner mit erblicher Würde, die grossjährigen 1 läupter jener inländischen, durch ausgedehnten Grundbesitz hervorragenden Adelsgeschlechter, welchen der Kaiser die erbliche Reichsrathswürde verleiht; sodann vermöge hoher Kirchenwürde alle El*" bischöfe und jene Bischöfe, denen fürstlicher Rang zukommt ' und schliesslich auf Lebensdauer jene ausgezeichneten Männer, welche der Kaiser wegen ihrer Verdienste um Staat, Kirche, Wissenschaft oder Kunst in das Herrenhaus beruft. Gegenwärtig zählt das Herrenhaus im Ganzen 209 Mitglieder. — Das Haus der Abgeordneten hat hingegen 353 Mitglieder, welche von den in den Landesordnungen enthaltenen Wählerklassen, u. z. des grossen Grundbesitzes, in Tirol des adeligen grossen Grundbesitzes, der Aebte und Pröpste, in Dalmatien der Höchstbesteuerten, der Städte, Märkte und Industrieorte, der Handelsund Gewerbekammern und der Landgemeinden, in den letztgenannten indirect, sonst direct, auf die Dauer von 6 Jahren gewählt werden. —- Wahlberechtigt ist jeder eigenberechtigte österreichische Staatsbürger männlichen Geschlechts, der das 24. Lebensjahr vollendet hat und das Wahlrecht zum Landtage besitzt, wobei in der Wählerklasse des grossen Grundbesitzes vier Fünftel des zu zahlenden Realsteuerbetrages auf die Grundsteuer entfallen sollen, und in den Wählerklassen der Städte- und Landgemeinden der Minimalcensus auf die jährliche Entrichtung von mindestens 5 Fl. an landesfürstlichen directen Steuern ausgedehnt ist. — In der Wählerklasse des grossen Grundbesitzes, beziehungsweise der Höchstbesteuerten, können auch Frauen und activ dienende Alilitärpersonen das Wahlrecht, aber nur durch Bevollmächtigte, ausüben. — Wählbar sind alle Männer, welche die österreichische Staatsbürgerschaft seit mindestens 3 Jahren besitzen, das 30. Lebensjahr zurückgelegt haben, wahlberechtigt oder in den Landtag wählbar sind. — Der Reichsrath wird alljährlich einberufen. Zum Zwecke der Landesvertretung bestehen in Cisleithanien die „Landtage". In ihren Wirkungskreis gehören nicht nur alle diejenigen Gegenstände der Gesetzgebung, welche ausser der Thätigkeit des Reichsrathes liegen, sondern auch die Anordnungen in Landesangelegenheiten einschliesslich der Finanzen, die Aufsicht über die Bezirksvertretungen und Gemeinden in Tirol und Vorarlberg, die Mitwirkung bei der Regelung des Landesvertheidigungs- und Schiessstandwesens und die Zustimmung zur Verwendung der Landeschützen im Kriegsfalle ausserhalb des Landes. Ausserdem ist aber den Landtagen noch gesetzlich gestattet, den einen oder anderen ihnen zugewiesenen Gegenstand der Gesetzgebung dem Reichsrathe zu 672 < >esterreich-UDgai n, überlassen. — Jedes Land hat seinen Landtag, ja selbst die mit anderen zu einem Verwaltungsgebiete vereinigten Länder, wie z. B. Görz und Gradiska, Istrien und Vorarlberg. Für die Stadt Triest sammt Gebiet fungirt dej" Stadtrath als Landesvertretung. — Die Landtage setzen sich zusammen aus den Erzbischöfen und Bischöfen, den Rectoren der Universitäten, den Abgeordneten des grossen Grundbesitzes, in Tirol den Abgeordneten des adeligen grossen Grundbesitzes, in Dalmatien den Abgeordneten der Höchstbesteuerten, den Abgeordneten der Städte, Märkte und Industrieorte, den Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammern und schliesslich den Abgeordneten der Landgemeinden. In Tirol kommen noch die Ab geordneten der Aebte und Pröpste hinzu. — Die Abgeordneten der Landgemeinden gehen aus der indirecten Wahl hervor, alle übrigen Wahlen sind directe. In Vorarlberg fehlen die Abgeordneten des grossen Grundbesitzes. Die Funktionsdauer der gewählten Mitglieder des Landtags ist auf 6 Jahre festgesetzt. Der Landtag wird in der Regel jährlich einmal einberufen. — Bedingung für die Ausübung des activen Wahlrechts ist die österreichische Staatsbürgerschaft, der Vollgenuss der bürgerlichen Rechte, das Alter der Gross-jährigkeit, also das erlangte 24. Lebensjahr; in der Wählerklasse des grossen Grundbesitzes: der Besitz von land- oder lehentäflichen Gütern, von denen jährlich an landesfürstlichen R.ealsteuern, mit Ausnahme des ausserordentlichen oder Kriegs Zuschlages, in Böhmen. Mähren und Schlesien wenigstens 250 F"t in Böhmen darunter an Grundsteuer mindestens 200 Fl., in Nieder-Oe.sterreich wenigstens 2oO Fl, in Tirol mindestens 50 Fi» in den übrigen Kronländern wenigstens joo Fl. zu entrichten sind (den Bedingungen des Census sind nicht unterworfen die schlesischen Fürsten und gewisse geistliche Würdenträger in der Bukowina); in der Wählerklasse der Höchstbesteuerten in Dalmatien die Zahlung von directen Steuern im jährlichen Betrage von mindestens 100 Fl. (im Kreise Cattarö 50 FL); in der Wählerklasse der Städte, Märkte und Industrieorte das Gemeindewahlrecht und in Gemeinden mit 3 Wahlkörpern die Angehörigkeit zum ersten und zweiten und im dritten die Zahlung von mindestens 10 Fl. an directen Steuern, in Graz von mindestens 15 Fl., in Tirol und Vorarlberg dagegen in der Regel nur von 5 FL, in Gemeinden mit weniger als 3 Wahlkörpern, sowie in Galizien, der Bukowina und in Dalmatien die Angehörigkeit zu den ersten zwei Dritttheilen aller nach der Höhe ihrer directen Steuerpflicht gereihten Gemeindewähler, und in Mähren endlich, ohne Rücksicht auf Wahlkörper, die Zahlung von wenigstens 10 Fl. an directen Steuern (in Brünn von 20 Fl.), diesen werden dann noch jene Personen angereiht, welche nach ihrer persönlichen Eigenschaft, ohne Rücksicht aul Steuerzahlung, das Wahlrecht in der Gemeinde besitzen, wie Seelsorger, öffentliche Beamte, nichtactive Offiziere, Professoren und Lehrer, Doctoren u. s. w, (in krag sind nur die Angehörigen zum ersten und zweiten Wahlkörper wahlberechtigt); in der Wählerklasse der Landgemeinden, das Gemeindewahlrecht, in Gemeinden mit 3 Wahlkörpern die Angehörigkeit zum ersten und zweiten, in Gemeinden mit weniger als 3 Wahlkörpern sowie in Galizien, der Bukowina und Dalmatien die Angehörigkeit zu den ersten zwei Dritttheilen aller nach der I löhe ihrer directen Steuerpflicht gereihten Gemeindewähler, in Mähren ohne Rücksicht auf Wahlkörper, die Zahlung von 5 Fl. an directen Steuern, endlich überall der Besitz des Gemeinde-Wahlrechts wegen persönlicher Eigenschaft, ohne Rücksicht auf Steuerzahlung; für die Handels- und Gewerbekammern die A.n-gehörigkeit als Mitglied oder als b.rsatzmann dieser Institute. In Xieder-Oesterreich und Schlesien sind übrigens in Stadt-und l andgemeinden mit weniger als 3 Wahlkörpern, ausser den vorgenannten ersten zwei Dritttheilen, auch noch jene Wahlberechtigt, welche einen Minimalcensus von 10 Fl. nachweisen. Mit Ausnahme einiger Gemeinden können Frauen und Nichteigenberechtigte das active Wahb Ocstcreich-Unüarn. 43 recht durch Bevollmächtigte oder Vertreter ausüben-Active Militärpersonen, ausschliesslich der Militärbeamten, sind nur als Grundbesitzer berechtigt, an den Wahlen, und dann nur durch Bevollmächtigte, theilzunehmen. Als Abgeordneter ist Jeder wählbar, welcher österreichischer Staatsburger, 30 Jahre alt ist, im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte sich befindet und in einer Wäblerklasse des Landes wahlberechtigt ist. Ausschliessungsgründe vom activen und passiven Wahlrechte sind Verbrechen, die Uebertretung des Diebstah's, der Veruntreuung, der Theilnahme hieran und des Betrugs, in Galizien auch das Vergehen der verschuldeten Crida. Der „ungarische Reichstag" ist in Bezug auf die Gesetzgebung Ungarns und Siebenbürgens, sowie der Legislative Kroatiens und Slavonitns competent, doch bei letzteren Ländern nur in jenen Angelegenheiten, welche nicht in die Autonomie derselben fallen. - Der Reichstag besteht aus zwei Rammern, der „Magnaten tafel", dem Überhause und der „Repräsentantentafel", dem Unter- oder Abgeordnetenhause. — Mitglieder der Magnatentafel sind die in Ungarn begüterten Lrzherzöge, die katholischen und griechisch-orientalischen Lrz-bischöfe und Bischöfe, der Erzabt des Benedictinerstiftes von Martinsberg, der Propst der Prämonstrasenserabtei voh Jäszo, der Dompropst von Agram, die 13 Reichsbarone, die Ober-gespäne sämmtlicher Comitate, der Gouverneur von bäume, die eigentlichen Magnate, d. h. alle nicht unter väterlicher Gewalt stehenden Fürsten, Grafen und Freiherren, die sieben-bürgischen Regalisten und 3 Repräsentanten des kroatisch-sla vonischen Landtags, im Ganzen also gegenwärtig 730 .Mitglieder. Die „Repräsentantentafel'" besteht aus 413 Abgeordnetender Wahlbezirke in den ungarischen und siebenbürgischen Comitaten undStädten, sowie aus 40 Abgeordneten aus Kroatien und Sla-vonien, zusammen also aus 453 Mitgliedern, welche auf 3 Jahre gewählt werden. Bei 31 Mitgliedern, die in die Repfäsen- tantentafei gewählt sind, ist das Stimmrecht für die Dauer ihres Mandats suspendirt. — Die Wahlen sind direct, jedoch wählt Kroatien-Slavonien die Abgeordneten aus der Mitte seines Landtages. Der Reichstag wird jährlieh einberufen.— Das „active Wahlrecht" besitzen alle eingeborenen oder eingebürgerten, wenigstens 20 Jahre alten, selbstständigen männlichen Einwohner des Landes, ohne Unterschied der gesetzlich anerkannten Religionen, welche in den Städten ein 1 laus mit 3 unter die Hausmicthssteuer fallenden Wohnungs-theilen, oder ein Grundstück, dessen Reinerträgniss mit 16 Fl. Grundsteuer belegt ist, besitzen; in den übrigen Gemeinden eine sogenannte Viertelsession oder „Gründe" gleicher Ausdehnung inne haben, in Siebenbürgen eine Grundsteuer von einem reinen Einkommen von 72 Fl. rität unzweifelhaft gewonnen. Sie war es, welche das Österreichische Staatsgebiet nach schweren äusseren Katastrophen aufbauen half und dasselbe wieder Z;ihlungs-, kredit- und wehrfähig, folglich bündniss-fähig gemacht hat. - Wo sind denn die czechischen oder Polnischen Verdienste, die nur annähernd diesen Leistungen gleichkommen i Len Anlass zum Sturze der Verfassungspartei vd> bekanntlich ihre 1 laltung gegenüber dem Wehrgesetze und der Occupation Bosniens, doch wenn man sich der ganzen «iseenirung jenes Sturzes erinnert, so wird man zu der Ansicht gelangen, daSS wahrscheinlich auch ohne jene Vorfälle ihr Schicksal kein anderes gewesen wäre, denn eine jede, lange 1,1 der Herrschaft gebliebene Partei entwickelt in sich gewisse schwächen und häuft gleichzeitig gegen sich gewisse Animositäten an, die einen Moment des Straucheins der Partei ''bw arten und benutzen, daher fiel die grosse, an Ehren und Siegen reiche Partei, und GrafTaaffe übernahm die Geschäfte. Alle diese Erinnerungen an die früheren österreichischen Verfassungskämpfe wurden wieder lebendig und trugen dazu Dei. eine Annäherung der Partei an den leitenden Minister zu Verhindern, welche derselbe anfangs zu suchen schien. I )as Eisen weckte eben das Eisen und der Kampf wurde ein so heftiger, je weitere Kreise von Personen und Hingen, Herrenhaus. Wahlsystem, Verwaltungsorganismus, Schulgesetz u. s. w. in die ^Versöhnungsaction" des Ministerpräsidenten einbezogen wurden, Je mehr man überhaupt hinter dem neuesten System das bekannte „alte System" zu erkennen glaubt. Im Reichsrath, u'° jedoch längst nicht mehr der Schwerpunkt der Taaffe'schen ^ction hegt, stützt sich das Ministerium auf Polen, Czechen ^"d Klerikale, aus ihnen hat es seine Majorität gebildet. Die t )e&tcrre?eh-Ungarn. Richtung, die Ziele und die Taktik dieser Gruppen werden wir in einem späteren Abschnitt erörtern, so viel sei aber hier bemerkt, dass wir beim besten Willen, den Bestrebungen der Polen und Czechen gerecht 7,u werden, und bei aller Rücksicht für diese Bestrebungen, wenn jene Völker auf einer iso-lirten Insel und nicht in Oesterreich wohnten, wir uns doch nicht für überzeugt halten können, dass ihre letzten 1 loflf* nungen und genügend ausgesprochenen Tendenzen mit dem österreichischen Staatsgedanken übereinstimmen! — Aus diesem Gegensatze und aus der gänzlichen Verschiedenheit der innersten Ziele dieser Parteien resultirt auf Seiten der Majorität wie des Ministeriums der Mangel eines festen, klaren zielbewussten Programms, woraus sich dann weiter die Politik „von Kall zu Fall" und die Notwendigkeit für den Grafen Taaffe ergiebt, die konstitutionellen Dienste der Polen, Czechen und Klerikalen durch Gegenleistungen zu verdienen. So lange die Verfassungspartei die Mehrheit hatte, galt in Oesterreich der englische Constitutionalismus, prüfte man Vorzugs-w eise das Budget und suchte dasselbe mit der Steuerkraft des Landes in Linklang zu bringen. Gegenwärtig wird fast unbesehen jede Forderung der Regierung bewilligt und die Compensation kommt nicht dem Staate oder den Steuerträgern, sondern einzelnen Parteigruppen zu Gute! Das ist daher schon mehr amerikanischer oder mexicanischer Constitutionalismus! — Ganz sicher versucht der leitende Minister, dessen patriotische Gesinnung nicht einen Augenblick bezweifelt werden kann, diese Gegenleistungen nach Möglichkeit herabzumindern: ohne Zweifel ist er auch ganz gewiss bestrebt gewesen, diesen interessirten Patriotismus durch uninteressirten zu ersetzen. Aber, wie die polnischen Forderungen einer „polnischen Lisenbahnverwaltung" und die neueste czechische Forderung nach weiteren Aenderungen des Wahlsystems beweisen, waren diese Versuche bisher von wenig F^rfolg begleitet. Macaulay's berühmter Spruch, „dass die politische Weisheit in dem Maasse der Zugeständnisse sich äussere", hat zwar auch in Oesterreich seine grundsätzliche Berechtigung, aber jenes Maass wird doch ganz sicher dann über schritten, wenn die Theile an die Reichsgewalt die Zumuthung stellen, an ihrer eigenen Vernichtung selbst zu arbeiten. Und doch geht dieses japanische Duell nun schon eine Weile fort, denn nicht nur durch Zugeständnisse schwächt sich die Ccntralgewalt, sondern auch dadurch, dass unter der förderalen Parteiherrschaft die particularen Gruppen sich verdichten und verstärken. Graf Taaffe fühlt sich befriedigt bei dem Gedanken, dass es ihm gelungen sei, die Czechen in den Wiener Reichstag zu bringen und überhaupt die Föderalisten zu Stützen der Centralgewalt zu machen, er hätte Recht, wenn wirklich die Umwandlung der nationalen Parteien in politische erfolgt wäre: das ist nicht entfernt der fall, Die Czechen sind nicht in Wien, um durch Con-trole der Centralgewalt ihre constitutionelle Pflicht zu erfüllen, sondern um ihren nationalen Particularismus durch möglichst günstige Ver wer t hu ng ihrer Stimmen zu stärken, denn sie haben ihre alten Ziele nicht aufgegeben. Was aber die Czechen unter Föderalismus verstehen, hat die Massenversammlung vom 22. Juni iie Volksvertretung c-tc. „Magyaren", welche, beispielsweise wie Petüfi, Vamberv, Mun-kaczy u. A., slawischer oder semitischer Abkunft sind und ursprünglich ihre magyarischen Xamen gar nicht geführt haben. Die 1 leimath Pulszky's ist das Karpathenstädtchen Eperies unfern der galizischen Grenze, wo noch gegenwärtig viel mehr polnisch als magyarisch gesprochen wird. Daraus geht zweifellos hervor, dass der „Magyare" Pulszky eigentlich polnischer Abkunft ist und ursprünglich jedenfalls Pulski hiess. Die politische Vergangenheit dieses Publicisten ist eine sehr bewegte. Im Jahre 1848 zählte er unter Ludwig Kossutll zu den extremsten Revolutionsmännern Ungarns und war unter der revolutionären Regierung des slowakischen Advokaten auch „Unterstaatssecretär" und „ausserordentlich bevollmächtigter Uivilcommissariu.s". — Welcher Art indess die „Opposition" Pulszky's war, geht am besten aus einem Rundschreiben hervor, welches er an verschiedene Budapester Blätter gerichtet. Darin sagt er unter vielem anderen: „Vergebens suchen wir in der Reform des Oberhauses ein logisch durchgeführtes Princip; es ist schwer zu ergründen, was dieses Oberhaus eigentlich re-präsentiren soll, Wenn es auf historischem Grunde aufgebaut würde, fehlen ja darin in Folge des Census gerade jene Fa-milieti, welche mit der Geschichte Ungarns am innigsten verknüpft sind. Wenn der Grossgrundbesitz die Basis des Oberhauses bilden soll, warum bleiben dann aus demselben die Grossgrundbesitzer fort, welche keinen Magnatentitel besitzen' Es ist aber auch keine Interessenvertretung, wie im Wiener Herrenhause, wo der Handel, die Industrie, die Gelehrsamkeit, die Spitzen des Bürgerstandes ihre Vertreter haben. Alles dies kommt in der geplanten Oberhausreform nicht vor. Trotz der Betonung der geschichtlichen Basis wird der Hälfte der jetzigen Magnaten der Sitz im Oberhause entzogen, von allen historischen Familien Siebenbürgens bleiben nur drei durch fünf oder sechs Personen vertretene Geschlechter im Oberhause; die Nachkommen der bürsten von Serbien finden darin keinen Oesterreich-Ungarn. 44 Platz. Ebenso werden die Titular-Bischöfe und die ()ber gespäne vermindert, dagegen erhalten sechs protestantische Bischöfe, sechs Inspektoren, ein Unitarier und ein Jude Sitz und Stimme. Ein Viertel, eventuell ein Drittel wird auf den Vorschlag des .Ministeriums vom Könige ernannt, und dieses soll den Geist der Neuzeit in das alte Haus einführen. Alles dies beruht auf keinem bestimmten Grundprincip, von Logik kann hier keine Rede sein; die Wissenschaft kann darin nur einen flachen Opportunismus entdecken; aber so, wie sie ist, kann die Reform im Oberhause wie im Unterhause ohne grosse Schwierigkeiten durchgeführt werden und die verjüngte Institution wird ihrem Zwecke hinreichend entsprechen, denn die geplante Reform des Oberhauses ist unlogisch, sie wird bestehen." Das ist, wie man sieht, von dem alten Revolutionär Pulszky eine höchst sonderbare Oppositionelle Auffassung, die nur in der Form paradox und oppositionell klingt, im Grunde aber der Oberhausreform des heute allmächtigen Minister-Präsidenten Tisza allen Vorschub leistet. Deshalb wurde auch das Rundschreiben Pulszky's von allen ungarischen Oppositionsblättern mit grosser Entrüstung aufgenommen und sehr derb beurtheilt. Nicht mit Unrecht weisen letztere darauf hin, dass der „Oppositionsmann" Franz Pulszky es stets mit der bestehenden Macht hielt. Im Jahre i 848 schwärmte er für Ludwig Kossuth und heute für den Minister-Präsidenten Tisza. Obwohl auch in Cisleithanien das Parlament ein ganz eigenes Bild innerer Zerwürfnisse, Fraktionspolitik und Inkonsequenz liefert, so wahrt es doch noch immer im grossen Ganzen den parlamentarisch guten Ton und die Wahlen für das Parlament sind nicht so sehr der Käuflichkeit und der Wahlintriguen ausgesetzt, wie in Transleithanien, denn das ungarische Abgeordnetenhaus wimmelt, wie kein anderes, von den gewaltsamsten, brutalsten Auftritten. Ein würdiges Seitenbild desselben ist der kroatische Landtag, mit seinen Skandalen der Starcevich'schen Partei. Erdreistete .sich doch vor einiger Zeit 1 lerr Starcevich in einer Sitzung der Majorität zuzurufen: „Viele von Euch, die hier^ mit Orden geschmückt sitzen, haben längst verdient, nach „Lepoglava", das kroatische Garsten oder Stein zu wandern. Das Volk ist so erbittert, dass es lieber mit Schaufeln und Hauen aufstehen, als sich von solchen Lumpen, Gaunern und Dieben betrügen lassen wird." Dem Präsidenten aber, der ihn, als er geendet hatte, mit einem milden Verweise bedachte, dankte er dafür, dass er ihm die Wahrheit habe sagen lassen! Ungarn hat ohne Kroatien und der Militärgrenze 415 Wahl bezirke, wobei jeder Bezirk ein Steuercentrum bildet. — Gegen die Wahlmissbräuche wurden Gesetze geschaffen, welche aber nicht strenger als in England sind, und doch vermag es kein Gesetz der Welt zu verhindern, dass die Wahlen Geld kostet]. Der Seelenkaul, die Geldbestechung waren in Ungarn bis zu der Einführung des neuen Gesetzes öffentlich, seit 1868 aber geheim. Doch nicht allein die Bestechung kostet Geld, sondern auch die ganz „moralische" Wahl, denn das Volk kann zum Mittelpunkt der Wahl nicht zu Fuss kommen, man muss ihm Wagen bestellen, die Arbeit darf nicht vernachlässigt werden, es muss also der Taglohn bezahlt werden, man kann auch nicht ohne Zeche bleiben bis Abends, oft bis zum anderen Morgen, es muss daher für Speise und 'krank gesorgt werden, und dies gilt nicht allein für die Wahlen, sondern auch bei den Programmreden, Kandidaturen etc; die Fahnen und dergleichen gar nicht gerechnet, denn diese sind im Ver-hältniss zu den vorher bezeichneten Ausgaben nur Kleinigkeiten - Man darf sich also nicht wundern, dass der billigste Be. zirk dem betreffenden Kandidaten 3000 Fl. kostet. Die etwas theueren Bezirke geben leein Mandat unter 10.000 Fl. Es giebt Bezirke für 20- bis 30000 Fl., ja es gab Fälle, wo der durchgefallene Kandidat 60- bis 80.000 Fl. ausgegeben hat. 44* Da nun gewöhnlich Gegenkandidaten aufgestellt werden, meistens 2, oft auch 3, verschlingen auch die billigsten Bezirke 6000 Fl. im Durchschnitt, die mittclmässigeii 10.000 Gulden, die theuersten noch viel mehr. Den Durchschnitt dürfen wir auf 10.000 Fl. setzen, so kommen die 413 Mandate auf 4,130.000 Fl". Da seit 1 <%o Ungarn, eingerechnet der letzten Wahl, neun Wahlen gehabt hat, so kostet die Ausübung dieses wichtigen verfassungsmässigen Aktes der Nation 36 Millionen Fl.... Ungarn könnte damit sein Deficit für einige Zeit decken! — Sehr häufig arten in Transleithanicn auch die Wahlen zu wilden Wahlexcessen aus, welche, wie wieder die letzten Wahlen den Beweis lieferten, an Brutalität erstaunliches leisten. So wurde z. B. in Szegedin Markgraf Pallavicini, als er mit seinen Anhängern, von Szegvar kommend, in Mindszent anlangte, von einem betrunkenen, mit Stöcken bewaffneten Pöbelhaufen in gewalttätigster Weise an dem 1 halten seiner Programmrede verhindert. Die Anhänger der liberalen Partei flüchteten in das Haus des Stuhlrichters, die Tumultuanten verfolgten dieselben aber, insultirten den Führer der Gendarmen, warfen die Gendarmen zu Boden und begannen das Thor des Stuhlrichterhauses zu stürmen. Als sie jetzt auch noch auf die Gendarmen schössen, erwiederten dieselben das Feuer mit sieben Schüssen, wodurch drei Personen getödtet und mehrere andere verwundet wurden. Ja in Kroatien liess sich die Bevölkerung sogar zu noch gröberen Ausschreitungen gegen die regierungsfreundliche Partei hinreissen, denn es wurden denselben in der Gemeinde Vojnics die Fruchtfelder abgemäht und die Feldfrüchte vernichtet, in Skrad verwehrte man dem Geistlichen den Eintritt in die Kirche, und den Ungarn und Serben der Nachbar-gemeinde wurde das Mahlen auf der Mühle unter lebensgefährlichen Drohungen v e r b O t e n. In einigen Ländern des österreichischen Staatsgebiete-wie in Steiermark, Tirol, Böhmen und Galizicn, giebt es auch „BezirksVertretungen", welche aus den auf 3 Jahre gewählten Repräsentanten des grossen Grundbesitzes, der Höchst-besteuerten der Industrie und des Handels, der übrigen Angehörigen der Städte und Märkte und der Landgenieinden gebildet werden, in deren Wirkungskreis alle inneren, die gemeinsamen Interessen des Bezirks betreffenden Angelegenheiten fallen. Die Gesetze über die Bezirksvertretungen datiren von [864 bis 1869, während die grundsätzlichen Bestimmungen zur Regelung des „Gemeindewesens" im österreichischen Staatsgebiet das Reichsgesetz vom 5. März 1862 vorzeichnet, auf deren Basis in den einzelnen Ländern besondere Gemeindeordnungen in den Jahren 1863 bis 1866 erlassen wurden. — Ausserdem besitzen aber auch noch die Landeshauptstädte und gewisse andere Städte eigene Gemeindestatuten. — In Galizien und der Bukowina kann der vormals herrschaftliche Grundbesitz von dem Gemeindeverbande gesondert und als „Guts-L,ebiet" constituirt werden. -•- In jeder Gemeinde bestehen der „Gemeindeausschuss", in den Städten mit Statut Gemeinderath, Stadtrath, Stadtverordnetencollegium genannt und der „Gemeindevorstand". Ersterer, von den wahlberechtigten Gemeindemitgliedern auf 3 Jahre gewählt, ist in allen Gemeindeangelegenheiten das beschliessende und überwachende Organ; letzterer, vom Gemeindeausschusse in der Regel ebenfalls auf 3 Jahre berufen und aus dem Gemeindevorsteher, Bürgermeister und mindestens 2 anderen Mitgliedern gebildet, ist mit der Verwaltung und Executive betraut. An Stelle der letzteren tritt in den Städten mit Statut eine Körperschaft, „Magistrat", „Bürgermeisteramt", welche entweder blos aus Beamten oder theils aus diesen und aus Ausschussmitgliedern zusammengesetzt ist. - - Das „active Wahlrecht" in der Gemeinde geniessen alle jene Gemeindemitglieder, welche österreichische Staatsbürger sind und eine directe Steuer entrichten; ferner die Seelsorger, öffentlichen Beamten, Professoren, Lehrer, Doc-toren u. s. w. — Zur Ausübung des passiven Wahlrechts ist 694 ( U-stcrreicli-Ungarn. das 24. in bestimmten grösseren Städten das 30. Lebensjahr nothwendig. In den Städten mit Statut bedarf die Wahl der Bürgermeister der kaiserlichen Bestätigung. Man unterscheidet den „selbstständigen" und den „übertragenen" Wirkungskreis der Gemeinde; ersterer umfasst Alles, was das Interesse der Gemeinde zunächst berührt und worüber von ihr nach freier Selbstbestimmung angeordnet werden kann; letzterer ist die Verpflichtung der Gemeinde zur Mitwirkung für die Zwecke der Staatsverwaltung. In „Ungarn" mit Siebenbürgen unterscheiden sich die „Municipien", Jurisdictionen, streng von den „Gemeinden". Die ersteren sind Gemeinden höherer ()rdnung, welche die Selbstverwaltung der eigenen inneren Angelegenheiten ausüben, die Staatsverwaltung vermitteln und sich auch mit anderen Gegenständen öffentlichen Interesses, ja sogar mit Landessachen in Form von Begutachtungen, Vorstellungen und IV-titionen beschäftigen. Derartige Municipien sind die „Comitate" und die mit Municipalrecht begleiteten Städte, „königl. Freistädte." — Jedes Municipium wird von dem „Municipal-ausschusse" vertreten, der zur einen Hälfte aus den Höchstbesteuerten, zur anderen aus Mitgliedern, welche auf 6 Jahre gewählt werden, zusammengesetzt ist und unter dem Vorsitze des Obergespans in der „Generalversammlung" zusammentritt, an der auch die Beamten des Municipiums theilnehmen. — In jeder Gemeinde bestehen eine „Repräsentanz" zur einen Hälfte aus den Höchstbesteuerten, zur anderen aus den auf 6 Jahre Gewählten gebildet, und ein „verwaltender Vorstand", Magistrat, dessen Mitglieder in den Städten von der Repräsentanz auf 6 Jahre, in den Landgemeinden von der Wählercommunität auf 3 Jahre gewählt werden. — Die Verfassung der ungarischen Municipien gründete sich auf den XLII. Gesetzartikel vom Jahre 1870, jene der ungarischen Gemeinden auf den XVIII. Gesetzartikel vom Jahre 1871, theil-weise modificirt durch den V. Gesetzartikel vom Jahre 1876. -*■ Für die Hauptstadt Budapest, wo statt des Obergespanes cm „Oberbürgermeister" an die Spitze der Municipalverwaltung gestellt ist, gilt der XXXVI. Gesetzartikel vom Jahre 1872. — In den Gemeinden ist jeder 20jährige Gemeindebewohner, welcher seit 2 Jahren Steuern zahlt, Gemeindewähler; ist derselbe grossjährig und in den Städten zur Reichstagsabgeordnetenwahl befugt, so kann er zum Gemeindevertreter gewählt werden. In den Municipien besitzen alle zur Reichstagsabgeordnetenwahl berechtigten Bewohner das active und passive Wahlrecht. In „Kroatien und Slavonien" besteht in jedem Comitate eine Comitatsgeneral Versammlung, „Com i t a t s-S k ups C h ti na" genannt, welche aus den Vertretern der Vicegespanschaften und aus jenen Comkatsangehörigen gebildet wird, denen im Landtage Virilstimmen gebühren. — In jeder Gemeinde ist die Beschlussfassung demJGemeindeausschusse, in den Städten dem Gemeinderath, die Verwaltung, u. z. in der Stadt dem „Magistrate", auf dem Lande dem „Gemeinderichter" zugewiesen. — In Kroatien und Slavonien beruht die Comitatsverfassung auf dem XVII. Gesetzartikel vom Jahre 1870 und auf dem Gesetze vom 15. November 1874. — Die durch das letztgedachte Gesetz geschaffenen „V icegespanschafts - Versammlungen", zusammengesetzt aus den Vertretern der Gemeinden und der Höchstbesteuerten, sind hauptsächlich nur zur Aufsicht, Bestätigung und Lntscheidung betreffs verschiedener Gemeindesachen, zur Controle über die Verwaltung der Gemeinden und der Vicegespanschaften bestimmt. — Die Verfassung der Städte ist auf dem Gesetze vom 28. April 188E, jene der Landgemeinden auf dem XVI, Gesetzartikel vom Jahre i87obasiit. — Die Wahlen gelten auf 3, für die Vertretungen und Bürgermeister in den Städten auf 4 Jahre. — Im vormaligen Grenzgebiete besitzt jede Stadt einen auf 6 Jahre gewählten „Stadtrath" und einen „Magistrat", jede Landgemeinde einen auf 3 Jahre gewählten „Gemeinderath" sowie ein „Gemeinde- a m t", und jede der 6 Districtsgemeinden eine aus Abgeordneten der ländlichen Ortsgemeinderäthe gebildete „Vertretung" Im vormaligen kroatisch-slavonischen Grenzgebiete sind die Städte- und die Landgemeindeordnung vom 8. Juni 1871 in Wirksamkeit. Die Staatsverwaltung. - Die Beamten. Die Verwaltung der beiden Staatsgebiete „gemeinsamen Angelegenheiten" obliegt den drei kaiserlichen und königlichen gemeinsamen Ministerien, mit dem Sitze in Wien, nämlich dem „Ministerium des kaiserlichen Hauses und des Aeusseren", von welchem die Gesandtschaften und Consular-ämter in fremden Staaten dependiren, das „Reichs-Kriegs-ministerium" und das Reichs-Finanzministerium'1; letzterem ist auch die Reichscentralkasse unterstellt. Die Rechnungskontrole über die Geldgebarung der gemeinsamen Ministerien ist dem k. u. k. gemeinsamen obersten Rechnungshofe zugewiesen. Für das „österreichische Staatsgebiet" bestehen als oberste Centraibehörden sieben k. k. Ministerien, mit dem Sitze in Wien, nämlich das „Ministerium des Innern", auch für das Sanitätswesen, den Strassen-, Wasser- und Hochbau; das Ministerium für „Cultus und Unterricht" ebenfalls für die Angelegenheiten der Wissenschaften und Künste; das „Handelsministerium" auch für Handel, Gewerbe, Schifffahrt, Eisenbahnen, Posten und Telegraphen; das „Ackerbau ministeriu tu"-ebenfalls für Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Bergwesen, für die Domänen, Forste und Bergwerke des Staats, die Religionsund Studienfondsgüter: das „Landesvertheidigungsmi-nisterium" auch für die Angelegenheiten der Wehrpflicht, 1 Leeresergänzung, Verpflegung und Einquartirung der Truppen für die Landwehr, Gendarmerie und den Landsturm; das „J ti s t i z m i n i s t e r i u m" und schliesslich das „ Finan /,-mi n is t er iu ni", letzteres ebenfalls für die Salinen. — Den Ministerien gleichgestellt sind der „k. k. oberste Rechnungshof" und das „k. k. Reichsgericht" zur Entscheidung von Competenzconflicten sowie streitigen Angelegenheiten öffentlichen Rechts, und der „k. k. Verwaltungsgerichtshof." im „ungarischen Staatsgebiete" giebt es 9 königlich ungarische Ministerien, ferner bezüglich der in die Autonomie Kroatiens und Slavoniens fallenden Gegenstände, u. z. innere Angelegenheiten, Cultus, Unterricht und Justiz, die ,,k. Landesregierung" in Agram. Letztere, welcher der Banns vorsteht, zerfällt in 3 Sectionen, nämlich für die inneren Angelegenheiten und das Landesbudget, für Cultus und Unterricht, und für die Justiz. Ihr sind der 1 .andessanitätsrath, der Landesculturrath, der Landes-schulrath, der statistische Landesrath, das Landesrechnungsamt und die Landescasse beigegeben. — Die ungarischen Ministerien bestehen aus dem Ministerium des „Inneren", blos für Ungarn und Siebenbürgen; dem „Ministerium für Cultus und Unterricht", ebenfalls nur für Ungarn und Siebenbürgen, dem „Ministerium für Ackerbau, Gewerbe und Handel", auch für das Forst- und Bergwesen und die Seeschirffahrt, u. z. für das ganze ungarische Staatsgebiet, mit Ausnahme von Landes-cultur und Gewerbewcsen in Kroatien und Slavonien; dem „Ministerium für öffentliche Arbeiten und Communi-kationen", ebenfalls für Rosten und Telegraphen, u. z. für alle ungarischen Länder, mit Ausnahme der speciellen kroatisch-slavonischen Bauten; das „L an d es ver t heidi g u ngsministe-rium", für alle Länder der ungarischen Krone, mit derselben Competenz, wie das gleichnamige österreichische Ministerium; das „Justizministerium", nur für Ungarn und Siebenbürgen; das »Finanzministerium", für das ganze ungarische Staatsgebiet; das „königlich kroatisch-slavonische Ministerium", ohne Portefeuille; und schliesslich das „Ministerium am Allerhöchsten Hoflager", als Vermittlungsglied zwischen Sr. Maj- 698 < >estejTeich-Ungam. und der ungarischen Regierung, sowie zwischen den ungarischen und österreichischen Ministerien. Letzteres hat seinen Sil/, in Wien, alle anderen ungarischen Ministerien befinden sich in Budapest. - - Selbstständig sind der „künigl. ungarische Staatsrechnungshof". — Den ungarischen Ministerien unterstehen vi. /..: dem Ministerium des Innern der „Landessanitätsrath"; dem Ministerium für Cultus-LJnterricht der „Landesunterrichtsrath", der „Landeskunstrath" und der Landesausschuss für Kunstdenkmale"; dem Ministerium für Ackerbau u. s. w. der „statistische Landesrath", das „statistische Landesbureau", die „Centralaichungscom-m i ss ion", die „Seebehörde in Im ume"; dem Communi kationsministerium, welchem ein technischer Rath beigegeben ist, die „Generalinspection für Eisenbahnen" und die „Direction der Staatseisenbahnen"; dem Finanzministerium die „Staatscentralkasse", die „Finanzpröcuratur" und die Centraldirectionen der Tabakregie und der k. k. Eisen, werke sowie das 11 auptpun zieru n g samt. In „Bosnien - Her zegow i na" führt das österreichisch-ungarische „Reichsfinanzministerium" die oberste Leitung der Staatsverwaltung, diesem untersteht direct die „k. u. k. Landesregierung in Serajewo", welche die höchste Behörde im Lande selbst bildet. Letztere besteht aus 3 Abtheilungen : für die innere Verwaltung, für die Finanzen und für das Justizwesen. Der Finanzabtheilung sind die Lundes-kasse, die Katastralschätzungsdirection, das Tabakinspektorat und die Berghauptmannschaft untergeordnet. — Post und Telegraphenwesen ressortiren von der Militärverwaltung, u. z. zunächst von dem Corpscommando in Serajewo. — Die Reformen, welche Minister von Kailay in der Verwaltung Bosniens eingeführt hat, bestehen in der Rückkehr von dem alten österreichischen Bureaukratismus, den man 1879 in die occupirten Pro" vinzen verpflanzt hatte, zu den ehemaligen primitiven, last patriarchalischen Administrationssystem. Der frühere Minister erblickte in den Bewohnern Bosniens blos Steuerzahler und hallen sie demnach auch nur nach der Höhe der Steuern, die sie zu zahlen im Stande sind, gewürdigt. Herr v. Kailay Hess sieh aber von dem richtigen Grundsatze leiten, das.s man dem urwüchsigen Volke wohl erst dann die Lasten der Civilisation aufladen dürfe, wenn man früher auch für die Bedürfnisse desselben gesorgt hatte. Hinsichtlich der „gemeinsamen Angelegenheiten'1 in der österreichisch-ungarischen Monarchie bestehen nur für das Kriegswesen ,,gemeinschaftliche Provinzialbehörden". — In Cis-leithanien giebt es für die politische Verwaltung, d. i. für die in das Ressort der Ministerien des Inneren, des Cultus-Unterrichts und der Landesverteidigung fallenden Geschäfte, ferner für die Angelegenheiten der Land und Forstwirthschaft, des Handels und der Gewerbe, als Oberbehörden die politischen Landesstellen, welche in den grösseren Ländern „k. k. Stat t-haltereien", in den kleineren „k. k. Landesregierungen" genannt werden. Einer jeden dieser politischen Oberbehörden ist ein Landessanitätsrath beigegeben. Für Südtirol sind, jedoch unter Beschränkungen die Statthaltereigeschäfte der „Statthaltereiabtheilung in Trient" zugewiesen. - Der Landeschef, „Statthalter" oder „Landespräsident", fungirt als Präsident des Landesschulraths und der Finanzlandesbehörde. Unter den Statthaltereien oder Landesregierungen als Behörden erster Instanz stehen die 327 „k. k. Bezirkshauptmann-schaften" und in den von letzteren eximirten 32 Städten mit eigenen Gemeindestatuten die Communalämter, „Magistrate" u. s. w. In unterster Linie haben alle „Gemeindevorsteher", im übertragenen Wirkungskreise, bestimmte Geschäfte der staatlichen Administration zu besorgen und die Ortspolizei zu handhaben. In 7 grossen Städten sind .,k. k. Polizeidirectionen" und an 7 Orten selbstständige »Pohzeicommissariate" errichtet. - Statthaltereien bestehen in Wien für Niederösterreich, in Linz für Oberösterreich, in Graz für Steiermark, in Triest für das österreichisch-illyrische Küstenland, in Innsbruck für Tirol und Vorarlberg, in Prag für Böhmen, in Brünn für Mähren, in Lemberg für Galizien und schliesslich inZarafür Dalmatien. Landesregierungen finden wir zu Salzburg für das gleichnamige Herzogthum, zu Klagenfurt für Karathen, zu Laibach für Krain, zu Troppau für Schlesien und 7Ai Czernowitz für die Bukowina. — Für die Finanzverwaltung sind in den einzelnen Ländern die ,,k. k. Finanzlandes* directionen" und die „k. k. FTnanzdirectionen" als Oberbehörden bestellt. „Finanzlandesdirectionen" bestehen in Wien, Graz, Innsbruck, Prag, Brünn, Lemberg und Zara. Fi-nanzdirectionen in Linz, Salzburg, Klagenfurt, Laibach, Triest, Troppau und Czernowitz. — Am Sitze jeder Finanzlandesbehörde, mit Ausnahme von Troppau, befindet sich eine Finanz procuratur und eine staatliche Landeskasse, Landeshauptkas.se> Finanzlandeskasse oder Landeszahlamt. ...... Von welchen als erste Instanz für die directe Besteuerung die Bezirkshaupt" mannschaften, mit beigegebenen Obersteuerinspectoren und Steuerinspectoren, nebst den I iauptsteuerämtern und Steuerämtern, in den Landeshauptstädten die Steueradministrationen und Steuerlocalcommissionen, für die indirecten Steuern und anderen Finanzsachen die Finanzbezirksdirectionen, Finanzoberinspectoren und Finanzinspectoren, mit dem Haupt- und Nebenzollämtern u. s. w., dependiren. In den Gebieten der Finanzlandesdirectionen sind Finanzbezirksdirectionen, in jenen der Finanzdirectionen Finanzoberinspectoren und Finanzinspectoren wirksam. — Für das Communikationswesen bestehen 10 Postdirectionen, darunter 5 auch für Telegraphen, 5 Telegraphen-directionen, 7 Oberbahnbetriebsämter für die Staatsbahnen und 8 Hafen- und Seesanitätscapitanate; für das Aichwesen 10 In-spectorate; für die Handhabung des Berggesetzes 4 Berghauptmannschaften und schliesslich für die Verwaltung der Staatsgüter 6 Forst- und Domänendirectionen. Die politische Verwaltung Ungarns mit Siebenbürgen hat eine andere Organisation als wie jene in Kroatien und Sla-vonien. In Ungarn-Siebenbürgen ist sie den 88 Municipal-bchörden in den Comitaten, „Comitatsbehörden", und in den königl. Freistädten „Magistraten" überlassen, deren Vorstände, die „Obergespänc", die Repräsentanten der executiven Gewalt sind und vom Könige, in der Hauptstadt aber von der Generalversammlung ernannt werden, während die eigentlichen Municipalbeamten, von welchen der „Vicegespan-', in der Freistadt Bürgermeister genannt, die ganze Verwaltung leitet und die „Stuhl rieh t er" die Administration in den 424 Landbezirken besorgen, vom „Municipalausschusse" auf6Jah're gewählt werden. — Die Bürgermeister jener Städte, welche nicht Freistädte sind, unterstehen dem Vicegespan. — Das Fiümaner Stadtgebiet wird vom königlichen Gubernium verwaltet. Ungarn-Siebenbürgen zerfällt in 63 Comitale und 25 mit Municipalrecht bekleidete Städte, königliche Freistädte. — In der Hauptstadt Budapest wird die Stelle des Obergespans vom „Oberbürgermeister" versehen. - Im Schosse der Municipien sind ,,Verw altungsausschüssse" gebildet, welche behufs harmonischer Handhabung der allgemeinen Verwaltung mit der Leitung gewisser Agenten derselben betraut sind, in bestimmten Fällen die Disciplinargewalt ausüben und als Appellationsbehörden entscheiden. Ihre Mitglieder sind der Obergespan als Vorsitzender, der Vicegespan, in der Freistadt Bürgermeister, und 4 andere höhere Municipalbeamte, der königliche Steuerinspector, der volkswirtschaftliche Referent, der erste Beamte des Staatsbauamts, der Schulinspector, der Staatsanwalt, der Forstinspector, 10 von der General Versammlung auf 2 Jahre gewählte Mitglieder und in der Haupt-Stadt der Oberstadthauptmann der Staatspolizei. In die Competenz des Verwaltungsausschusses gehören Bemessung und Einhebung der directen Steuern, Strassen-, Brücken- und Hochbauten, Forstpolizei, Entscheidung von Streitfällen zwischen Jen Communicationsorgnnen und Privaten» Besuch der Volks- 1<)2 l testerreich-Ung&m schulen, Ertheilung von Ehelicenzen an Wehrpflichtige, Beurlaubung oder Entlassung aus dem Militärverbande, Ueber-wachung der Gefängnisse, Appellation in Privatangelegenheiten gegen Entscheidungen der Gemeinde oder des Vicegespans u. s. w. In Kroatien und Slavonien wird die pcditische Verwaltung unmittelbar unter der Landesregierung von den „Vice-gespanschaften" in den 20 Verwaltungsbezirken, den „Bezirksämtern" in den 23 politischen Bezirken des vormaligen Grenzgebietes, und von den „Magistraten" in den 21 städtischen Municipien gehandhabt. — Die Leitung jener Vice-gespanschaften, welche in den Hauptorten der 8 Comitate ihren Sitz haben, steht den „Obergespänen" der betreffenden Comitate zu. Diese Obergespiine haben zugleich die Oberaufsieht über die anderen Vicegespanschaften ihres Comitatssprengels. Die Vorstände der Bezirksämter in den 6 Disiricthauptorten des früheren Grenzgebiets gemessen als „Distrtctsleitet" einen erweiterten Wirkungskreis. Ausserdem giebt es noch andere Verwaltungsbehörden im ungarischen Staatsgebiete, u. z. im Ressort des Unterrichtsministeriums die S Districts-Oberstudiendirectorate für die Mittel-schulen, und die Schulinspectorate für die Volksschulen in den Comitaten und der Hauptstadt; im Ressort des Handelsministeriums die 14 Lorstinspectorate, die 4 Eorstdirectionen und 4 Oberforstämter, die 7 Berghauptmannschaften und unter der Seebehörde in bäume die 6 Hafenämter; im Ressort des Communicationsministeriums die 68 Staatsbauämter, die 16 Klussingenieurämter, die 8 Post- und 4 Telegraphendirectionen; im Ressort des hänanzministeriums die 16 königlichen Linau/-directionen mit den Zollämtern, die 66 königlichen Steuer-inspectorate, für die directen Steuern, mit den Steuerämtern, ferner die 2 Montan-, 6 Domänen- und 15 Katasterdirectionen. — Dem „Chef der Landesregierung" in Bosnien-Herzegowina sind, ausser seinem zugleich militärischen Stellvertreter, ein Hofrath und zwei Rechnungsräthe beigegeben, von welchen der eine speciell mit der Leitung der Justiz-abtheilung betraut ist. Las weitere Conceptspersonnl der ge-sammten Landesregierung besteht aus einem Baurath, einem Sanitätsrath, einem Schulrath, sechs Regierungssekretären, vier Yicesekretären, sieben Concipisten und fünf /.um Theil auswärts beschäftigten Concepts-Praktikanten, dann einem Vice-sekretär und Conzipisten, welche mit einem ()fficiale die Dra-gomanatsgeschäfte besorgen. - Las technische Personal besteht ausser dem Baurathe aus einem Oberingenieur, einem Adjunkten und zwei Praktikanten. Der Manipulationsdienst wird von [3 Beamten mit einigen Diurnisten versehen. - - Bei den „Kreisbehörden" sind ausser dem Kreisvorsteher je ein Kreis-kommissar, ein Kreisarzt, Thierarzt, Ingenieur, Ingenieuradjunkt und Praktikant, sowie ein Dolmetsch nebst zwei Manipulations-beatnten angestellt; einigen Kreisbehörden sind auch türkische „Kaimakame" zugetheilt. Bei den „Bezirksbehörden" finden wir ausser dem Bezirksvorsteher einen Adjunkt, welcher hauptsächlich als Richter fungirt, und in den grösseren Bezirken auch ein zweiter Adjunkt für politische Geschäft, ferner ein bis zwei Kanzlisten. In einigen wichtigeren Be/.irksorten befinden sich auch Bezirksärzte und exponirte Thierärzte. Die Bezirksbehörden an den Orten, wo die Kreisbehörden und Kreisgerichte residiren, werden mit Ausnahme des Bezirks Serajewo, blos von Adjunkten geleitet. — Die ,Exposituren" sind nur mit einem Adjunkten oder einem türkischen Mudir nebst einem Diurnisten besetzt. — Leider war es nicht möglich, auch in Bosnien-Herzegowina einen Theil des administrativen Dienstes den Gemeinden zur Besorgung anzuvertrauen, weil nur eine geringe Anzahl derselben die dazu noth-Wendigen Geldmittel und intellektuellen Kräfte besitzen. Jedoch hat die Stadt Serajewo ein eigenes Gemeindestatut und ausserdem besteht in 49 Städten und Märkten emonstratoren der önologisch-pomologischen Staatslehranstalt, die Assistenten, Wagmeister und Bergbau-Eleven des Montanwesens, die Baumeister der Staatsgestüte. An Jahresgehalt bezieht die erste Beamtenrangklasse 12.000FI.. die zweite 10.000 El., die dritte 8000 Fl., die vierte 7000 Fl., die fünfte 4.500, 5.500 und 6000 Fl., die sechste 2.800, 3.200 und 3.600 Fl., die siebente 2000, 2.200 und 2.400 Fl., die achte 1.400, 1.600 und 1.800 Fl., die neunte 1.100, 1.200 und 1.300 Fl., die zehnte 900, 950 und 1000 FL, endlich die elfte 600, 700 und 800 Fl. — Die Aspiranten, Auscultanten, Practicanten u. s. w. erhalten Adjuten. — Ausserdem bestehen „Functions-Zulagen*; so bekommt z. B. der Ministerpräsident 14.000 hl; der Minister, der I. Präsident des obersten Gerichts, der Präsident des obersten Rechnungshofes und der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes 10.000 Fl; die Statthalter von 5—10.000 Fl., jedoch letztere Summe nur der Statthalter von Böhmen; der Präsident des obersten Gerichtshofes 3000 Fl.; die Oberlandesgerichtspräsidenten in Wien, Prag und Lemberg 3000, in Zara 1000, hingegen jeder der übrigen 200O Fl.; die Landespräsidenten 4000 FL; die Sections-Chefs der Ministerien 3000 FL; die General-Procuratoren und Senats-Präsidenten des obersten Gerichtshofes 3000 FL; der Polizei-Präsident in Wien 2000 FL ; die Vicepräsidenten der Wiener, Prager und Lemberger Finanz - Landesdirection sowie der General-Director der Tabakregie 1000 FL Funktionszulage. — Für die fünfte bis elfte Rangklasse besteht auch eine „Ac-tivitäts-Zulage", welche sich wieder, je nach der im Aufenthaltsort herrschenden Theuerung, in 4 Classen unterscheidet. Zur 1. Classe gehört Wien; zur 2. Brünn, Graz, Krakau, Lemberg, Prag, Triest, die Orte im Polizeirayon Wien sowie alle Orte, deren Bevölkerung mehr als 50.000 Pänwohner zählt; zur 3. Baden, Franzensbad, Carlsbad, Marienbad, Teplitz in Böhmen sowie alle Orte, deren Bevölkerung weniger als 50.000 und mehr als io.OOO Einwohner zählt; schliesslich zur 4. alle Orte mit einer Bevölkerung unter 10.000 Einwohner. — Für Wien beziffert sich diese Activitäts-Zulage bei der 5. Rangklasse auf 1000, bei der 6. auf 800, bei der 7. auf 700, bei der 8, auf 600, bei der 9. auf 500, bei der 10. auf 400 und bei der 11. auf 300 El. Bei der 2., 3. und 4. Classe wird je 60, 50 und 40 Procent von den für die erste Classe bemessenen Beträgen ausgezahlt. — Die Regierung ist auch ermächtigt, einzelne Orte ausnahmsweise aus der 4. in die 3. und aus der 3. in die 2. Classe zu versetzen. — Auf das gesammte Staats-Lehrpersonal und auf die Bibliotheks-Beamten, sowie auf jene Beamte, deren Bezüge auf einem vertragsmassigen Ueberein-kommen beruhen, haben die Bestimmungen über diese Ac-tivitäts-Bezüge keine Anwendung. — Ueberdiess beziehen die Beamten auch noch Diäten und Tagegelder (beschränkte Diäten), die ersteren betragen bei der 1. Rangklasse 20 FL, bei der 2. 17 FL 50 Kr., bei der 3. 15 FL, bei der 4. 12 Fl. 50 Kr., bei der 5. 10 Fl. 50 Kr., bei der 6. 8 FL, bei der 7. 6 Fl. 50 Kr., bei der 8. 5 FL, bei der 9. 4 FL, bei der 10. 3 FL 50 Kr. und bei der 11. 3 Fl. — Die Tagegelder erhalten nur die 6 letzten Rangklassen, 14. z. die 5. Rangsklasse 7 FL, die u. 2 Fl. 50 Kr. — Den Auscultanten, Practicanten, Eleven und Aspiranten gebührt die Diäte nach der 11. Rangklasse. Die Beamten zahlen auch Einkommensteuer, welche nach dem Jahresgehalt berechnet wird. Von der Entrichtung der Einkommensteuer ist der Beamte so lange befreit, als er zur Zahlung von Diensttaxen verhalten ist, und er hat nur in dem Falle, wenn die Diensttaxe pro Jahr den an Einkommensteuer auffallenden Betrag nicht erreichen würde, das Minus als „Einkommensteuer" zu entrichten. Dagegen ist von dem Gehalt1 nebst der Diensttaxe auch dann die entfallende Einkommensteuer zu erlegen, wenn dem Beamten zur Zahlung der Diensttaxe ausnahmsweise ein längerer Termin als der mit § 223 des Taxgesetzes vom 27. Januar 1884 festgesetzte Zeitraum eines Jahres bewilligt wurde, in welchem Falle dann auch mit der 13. Diensttax-Rate die Zahlung der Einkommensteuer beginnt. — Die bei der monatlichen Berechnung der Einkommensteuer sich ergebenden Bruchtheile werden bei der ersten Gehaltsbehebimg und im Monat Januar eines jeden Jahres in Abzug gebracht. — Das Ausmass zur Percentualbemessung der Einkommensteuer sammt Zuschlägen bestimmt jährlich das Finanzgesetz. Der Minister des Aeusseren plant eine gründliche Reorganisation des gesammten Consularwesens, was eigentlich schon längst hätte geschehen sollen, denn dieses lässt wirklich vieles zu wünschen übrig, und hat den Delegationen ein neues Besoldungssystem für die Consular-beamten vorgelegt, worin auf die Nothwendigkeit hingewiesen wird, die Consularvertretung in Bezug auf materielle Dotirung mit jenen der anderen Grossmächte wenigstens annähernd gleichzustellen. Die Regulirung soll nach folgenden Grundsätzen durchgeführt werden: vollkommene Gleichstellung der Consularbeamten mit den Beamten des Ministeriums des Aeusseren, Anwendung des Systems der Quinquennal-zulagen, Einreihung jener Consularbeamten, welche in einer und derselben Rangklasse jetzt schon ein Ouinquennium vollstreckt haben, in die höheren Gehaltsstufen und endlich Variabilität der Functionszulagen und Bemessung derselben je nach dem Dienstorte. Der gesammte Mehraufwand beziffert sich auf 46.675 Fl. Ausserordentlich fördernd für die sociale Lage des Beamtenstandes, besonders aber der niederen Rangklassen, welche auf ein kleines Jahreseinkommen angewiesen sind, wirkt der „Erste allgemeine Beamten-Verein der Österreichisch-ungarischen Monarchie", von dem wir bereits mit einigen Worten beim Abschnitt über das Genossenschaftswesen in Oesterreich-Ungarn gesprochen haDen, urjd der in Bezug auf vortreffliche Organisation und Soliditä1 seines Gebahrens, sowie den Resultaten, die er alljährlich erzielt, wirklich musterhaft und einzig in seiner Art dasteht. — Dieser Beamtenverein ist eine auf reellsten Grundlagen beruhende Gegenseitigkeits-Anstalt, welche ihrer Natur nach mit dem Ausschluss jeder Gewinnverthei-lung an Actio, näre einzig und allein im Interesse der Mitglieder folgende Zwecke anstrebt, u. z. Vorsorge für den Erkrankungsfall durch Ertheilung von Krankengeldern; für den Lebens- und Todesfall durch Versicherung von Capitalien und Renten, wozu Aussteuer-Versicherungen, Kinderpensionen, Begräbnissgelder, Wittwen- und Waisen-Pensionen, Erbschafts-Capitalien u. s. w. gehören; durch Invaliditätspensionen (Renten für Erwerbsunfähige); durch Entgegennahme von Spareinlagen behufs Ertheilung von Vorschüssen; durch Förderung und Wahrung anderer materieller sowäe geistiger Interessen des Beamtenstandes; endlich durch Vermittlung von Dienstes-Cau-tionen, eventuell auch von Dienstplätzen, insofern besondere Garantien vorliegen. — Die Prämiensätze sind die billigsten. Als .Mitglieder können dem Vereine beitreten: Staatsbeamte, Offlciere, Landes-, Gemeinde-, Herrschafts-, Eisenbahn-, Bank- und Assekuranzbeamte, Buchhalter, Cassierer, Comp-toiristen, sowie überhaupt Privatbeamte aller Kategorien, dann Seelsorger, Lehrer, Erzieher, Advocaten, Aerzte u. s. w. Die Beitrittsgebühr beträgt nur 2 Fl.— An den Vereins abtheilungen können auch Nichtbeamte theilnehmen, insofern sie durch Mitglieder zugeführt werden. - • Die Mitglieder üben das Recht der ,,Selbstverwaltung und Controle" aus durch die General-Versammlung, sowie durch den von letzterer gewählten Verwaltungsrath und Ueberwachungs-Ausschuss. — Die günstigen Verhältnisse des Vereines, der von Jahr zu Jahr beträchtlich an Mitgliederzahl zunimmt, ergiebt sich aus folgendem Stand Ende des Jahres 1883: Zahl der Mitglieder 73.421; Vereinsfilialen (Localausschüsse) 95; Vereinsärzte, Bevollmächtigte und Agenten 2.672. Abgeschlossene Versicherungen, a z. Capital per Fl. 39,934.749, Renten per Fl. 150.498; Vermögen der Vorschuss-Consortien 6,859.904 FL; die zur Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen vorhandenen Fonds betrugen mehr als 5,942.097 Fl. und schliesslich die ausgezahlten Versicherungssummen seit der Gründung 4,3 12.550 FL — Die Beitrittserklärungen für alle Zweige der Vereinsvvirksam-keit werden von der Centralleitung in Wien, dann von allen Localausschüssen und Vereinsagenten angenommen. Der Staatshaushalt. Nach Frankreich, Grossbritannien, den Vereinigten Staaten von Amerika und Russland hat Oesterreich-Ungarn die meisten .Staatsschulden-' unter allen Grossmächten, was hier um so drückender wirkt und wie ein Wurm am edelsten Lebensnerv des Reiches nagt, weil dasselbe vorherrschend Agrarstaat, die Bevölkerung vielfach verarmt ist und die Hülfsquellen lange nicht so zahlreich wäe in den anderen soeben genannten Staaten sind. — Die gesammte „allgemeine Staatsschuld'1 Oesterreich-Ungarns betrug Ende December 1883 und Ende Juni 1884, bei Umrechnung der verzinslichen Schuldtitel auf ein 5percentiges Capital in öster reichischcr Währung laut des von der Staats-schulden-Controls-Commission veröffentlichten Ausweises: Ende Dec. 1SK3 Ende Juni 1884 Fl. Kr. Fl. Kr. Consolidirte .Schuld . . 2.674,157.592-93.., 2.683,944.438-91 Schwebende Schuld . . 62,84^.394-21 88,318.027-84 Capitalisirte Zahlungen . . 13,920.967-20 13,917.40720 im Ganzen 2,750,926.95434 2.786,179837 95 mit einem jährlichen Erfordernisse für Zinsen und Renten') ') Ungarn leistet seit 1868 zur Bedeckung der Zinsen für die bis dahin Ende Dec. 1883 Ende Juni 1884 Fl. Kr El. Kr. (nach Abrechnung der Steuer) von Fl. 69,252.32995 bezw. Fl. 70,550.297'12.. in Noten „ 44,448.349-07., „ „ 44,453.571-29,. in Silber) (kl. Münze ) zus. Fl. 113,700.679-02., bezw. Fl. 115,003.868-42 Die Schuldenlast der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder betrug: Consolidirte Staatsschuld. Ohne C a p i t a 1 s - R ü c k z a h 1 u n g. In Noten verzinslich. Steuerfreie Renten - Obligationen auf Grund des Ges. vom 11. April 1881 122,273.900— 154,019.900-— In Gold verzinslich. Rente-Obligation auf Grund des Ges. v. 18. März 1876 272,680.160'—') 272,680.160-—') 394,954.060-— 426,700.060-— vorhandene allgemeine Staatsschuld einen dauernden, einer weiteren Aenderung nicht unterliegenden Jahresbeitrag von El. 29,188.000, darunter in klingender Münze El. 11,776.000; ferner als fixen jährlichen Beitrag zu den <'apitaI.->-Rück-xahlungen jener Schuldtilel, die ihrer Natur nach (wie Lotterie-I'apiere) zur Umwandlung in die im Jahre 1867 geschaffene einheitliche Rentenschuld nicht geeignet sind (die zu diesen Rückzahlungen erforderlichen Geldmittel werden jährlich durch die Ausgabe von Obligationen der einheitlichen Rentenschull aufgebracht) Kl. 1,000.000 <>. W. in Noten und EI. 150.000 in klingender Münze, Letztere sind zur Amortisation des mit der allgem. osterr. Boden-Credit-Anstalt contrahirten und nahezu zur Hälfte auf ungarischen Cameralgütern intabulirten Domänen-Anlehens bestimmt, dessen Verzinsung in dem festgesetzten fixen Jahresbeiträge von Fl. 29,188.000 inbegriffen ist.) Die durch diese Tilgung in Wegfall kommenden Interessen, sowie die von den Coupons und Lotterie-gewinnsten der Staatsschuld zu entrichtenden Steuern haben dagegen den im Reichsrathe vertretenen Ländern zu Gute zu kommen. ') Capitalsbetrag El. 340,850.200. Gegen Capital s •Rückzahlunj Ende Dec. iSSj Ende Juni [884 Fl. Kr. Fl. Ki. In Noten. Gegen Verlosung. Donau-Regulirungs-Anlehen per Fl. 24,600.000, wozu der Staatsschatz !/a als Concurrenzbeitrag zu leisten hat ...... 7,312.666-66,- 7,312.666-66., Donau-Regulirungs-Anlehen per FL 6,000.000, wovon auf den vom Staatsschatze zu leistenden gleichen Concurrenzbeitrag nach der bisherigen Emission entfallen........ 1,986.266-66.. [,966.40p.— Ohne Verlosung. Darlehn der österreichisch-ungarischen Bank auf die Dauer d. Bankprivilegiums 79,448.402-46 79,448.402-46 88,747.33579 88,727.469-12., In Silber. Antheil des Staatsschatzes von Gulden 1 5,000.000 an dem Prioritäts-Anleitender Südbahn-Gesellschaft per Fl. 50,000.000 zur Herstellung d. Eisenbahn-Linien Villach-Franzensfeste und St. Peter-Fiume . . . 14,763.887-43 14,763.887-43 Summe der consolidirten Staatschuld..... 498,465.283 22 530,191.416'55., Schwebende Schuld. Ende Dec. 1883 Ende Juni 1884 In Noten. K Kr. Fl. Kr. Cautionen und Depositen . 1,443.175-59 1,475.264-94 Im Umlaufe befindliche Schatzscheine: Rückzahlbar v. [.Mai l88l angefangen..... io.ooo- — io.ooo- — Rückzahlbar v. I.Juli 18S2 angefangen..... 28.000- 28.000- 1.43'- '75-59_1,5 i 3^64-94 G es a mm t - Summe der Schulden derReichs- rathsRinder ... 499,94645881 531.704.68149, Der Stand der „ungarischen Staatsschuld" betrug am Ende des Jahres 1882: Fl. Kr. Grundentlastungsschuld........ 214,358.16371., 1868er Eisenbahn-Anlehen...... 76,888.800- — Pfandbrief-Anlehen der Gomörer Eisenbahn 5,859.600-— Weinzehent-Ablösungsschuld...... 15,598.823-15 1871er 30 Millionen Gulden-Anlehen . . . 24,340.000-— 1872er 54 Millionen Gulden-Anlehen . . . 46,239000-(>stbahn-Prioritäts-Anlehen und Staats-An- lehen............. 84,335.700 — Ablösungs-Anlehen von Romanential- und Rodegründen.......... 2,133.780 — 6 uld üsterr. Währung. I.978.089 1,244.667 I.O5O I.O5O Zusammen Die Ergebnisse des Budgets stellen sich daher wie folgt: Ordentliches Erforderniss . . . Ausserordentliches Erforderniss Daher G e s a m m t - E r f o r d e r n i s s Hiervon ab die Einnahme des Zollgefälles nach Abzug des Regiekostenpauschales und der Ver-zehrungssteuer-Restitutionen in den beiden Reichstheilen, dann nach Abschlag des an die Landesregierung Bosniens und der Herzegowina gesetzlich zu entrichtenden Zollpauschales . . Bleiben zu bedecken Hiervon werden vorerst 2'' , d. i. 7,002.439 8,172.922 109,075.161 7,002.439 106,997.747 8,172.922 116,077.600 115,170.869 18,434.740 17,063.070 97,642.860 98,107.799 1,952.857-20 1,962.15 5*98 zu Lasten des ungarischen Staates abgezogen. Von dem Reste per.....95,690.002-80 96,145.643-02 beträgt die von Oesterreich zu leistende Quote ä 70%........66,983.001-96 67,301.950-11 und die auf Ungarn entfallende Quote a 30" '„ . . 28,707.000-84 28,843.862-91 Für das ausserordentliche Heereserforderniss der in Bosnien und der Herzegowina stehenden Truppen wird für das Jahr „1885'" lm Voranschlag der Betrag von FL 6,325.000 (— Fl. 982.000 gegen 1884) beansprucht (wovon auf Oesterreich Fl. 4,338.950 und auf Ungarn Fl. 1,987.050 entfallen. Ferner wurde ein Nachtragscredit von Fl. 10.060 für das Jahr 1884 für das Ministerium des Aeusseren bewilligt. Das Budget der Verwaltung von „Bosnien und der Herzegowina für das Jahr 1885", welches gleichzeitig mit dem Voranschlage des gemeinsamen Budgets für das Jahr 1885 den Delegationen überreicht wurde, ist in seinen Hauptcapiteln folgendermassen zusammengesetzt: Er fordern i ss Bedeckung Fl. Kl. Centraileitung . . . 152.700 — Innere Verwaltung . 3,883.654 301.282 Finanz-Verwaltung . 3,386.375 7,655.210 Justiz-Verwaltung . . 469.910 1.500 Summe . . 7,892.639 7,95 7.992 Hiernach ergiebt sich ein Ueberschuss mit Fl. 65.353. Der Staatsvoranschlag „Cisleithaniens" für das Jahr .,1885" war, wie folgt, zusammengesetzt: Allerhöchster Hofstaat .... 4,650.000 CabinetsKanzlei Sr. Majestät. . 75°12 Reichsrath........ 1,116.444 Reichsgericht....... 24.OOO Ministerrrath ....... 1,028.627 715.200 Beitragsleistung zum Aufwände für die gemeinsamen Angelegenheiten ......... 89,387439 Ministerium des Innern .... 18,964.609 1,132.297 „ für Landesverteidigung ......... 9,537-754 218.461 Ministerium f. Cultus u. Unterricht 19,506.091 5,355-24r> 4u* Erfordern i ss Bedeckung Fl. Fl. Ministerium der Finanzen . . . 106,598.786 408,278.172 Handels-Ministerium..... 85,760.954 67,304.810 Ackerbau-Ministerium .... 13,973,8*6 10,928.158 Ministerium der Justiz .... 20,832.886 682.862 Oberster Rechnungshof .... 153.000 — Pensions-Etat....... 15,961.800 71.254 Subventionen und Dotationen . 10,925.230 134.500 Staatsschuld........ 120,462.518 8.982,073 Verwaltung der Staatsschuld . . 934.200 14.600 Einnahmen aus der Veräusserung von unbeweglichem Staatseigenthum .........' — 91.500 Netto-Antheil an den bis zum 1. Juli 1884 aufgelaufenen Rein erträgnissen der Linie Pilsen Klattau-Eifenstein (Art. 3. d. Ges. vom8.Juni 1884, R.-G.-Bl.Nr.91) 907.828 Summe. . . . 519,893.166 504,816.961 Deficit . . . 15,076.205 Der Staatsvoranschlag „Transleithaniens" für das Jahr ,, 1 88 5" betrug: Ausgaben. Ordentliche Ausgaben: Fl. Allerhöchster Hofstaat.......... 4,650.000 Cabinets-Kanzlei............ 75-°l2 Reichstag............... 1,239.254 Gemeinsame Angelegenheiten....... 28,530.079 Centrai-Pensionen............ 91*630 Pensionen............... 4,432.312 Staatsschulden............. 105,547.647 Uebernommene Schulden bei Verstaatlichung ga- rantirter Eisenbahnen.......... 11,45 1.491 Fl. Eisenbahn-Zinsengarantie-Vorschüsse..... 7»3°6-37^ Innere Verwaltung Kroatiens und Slavoniens . . 6,011.408 Staatsrechnungshof........... 110.100 Minister-Präsidium........... 333-93° Ministerium am Allerh. Hoflager...... 54-275 Minister f. Kroatien u. Slavonien sammt Personal 36.080 Ministerium des Innern.......... 10,168.429 Finanzministerium............ 5^-3,0-^7 Communications-Ministerium: Ministerium............. 14,726.233 Staatsbahnen............ 23,711.260 Handelsministerium........... 10,048.806 Cultus- und Unterrichtsministerium..... $f$.l5'23] Justizministerium............ 10,918.688 Landesvertheidigungs-Ministerium...... 7»447-I51 Zusammen . . . 308,776.270 Transitorische Ausgaben und Investitionen. Transitorische Ausgaben: Ministerium am Allerh. 1 loflager...... 2.000 Ministerium des Innern ......... 49-978 Finanzministerium............ 842.697 Ci mimunications-Ministerium........ Handelsministerium...... .... 468.450 Cultus- und Unterrichts-Ministerium..... T38-452 Landesvertheidigungs-Ministerium...... 499.000 Staatsrechnungshof........... — Zusammen . . . 2,000.577 Investitionen. Bau des Parlamentshauses........ 800.000 Minister-Präsidium........... S-°°° Ministerium des Innern.......... 14.487 . Fl. Finanzministerium............ 7,4^3 9°4 Communications-Ministerium: Ministerium............. 5,541.000 Staatsbahnen ............ 8,364.960 Handelsministerium........... 563-5°° Cultus- und Unterrichtsministerium..... 148.02 5 Justizministerium............ 100.000 Zusammen . . . 23,020.876 Ausserordentliche Ausgaben für gemeinsame Angelegenheiten........ 4,195.805 E i n n a h m e n. Ordentliche Einnahmen. Staatsschulden............. 16,004.863 Staatsrechnungshof........... l<77° Ministerium am Allerh. Hoflager...... 3°° Ministerium des Innern.......... 805.210 Finanzministerium............ 250,425.946 t a mimunications-Ministerium: Ministerium............. 11,250,558 Staatsbahnen ............ 23,771.260 Handelsministeritim........... 10,114.223 Cultus- und Unterrichtsministerium..... 535-739 Justizministerium.........., ■ 644.933 Landesvertheidigungs-Ministerium...... 270.213 Zusammen . . . 313,825.017 Transitorische Einnahmen. Ministerium des Innern.......... u-243 Finanzministerium............ 12,081.435 I landelsministerium........... 400.000 Zusammen . . . 12,492.678 Bilanz. Ordentliche Ausgaben.......... 308,776.270 Kl. Transitorische Ausgaben......... 2,000.577 Investitionen............. 23,020.876 Ausserordentliche gemeinsame Ausgaben . . . 4,195.805 Zusammen . . . 337i993-528 Ordentliche Einnahmen.......... 313,825.017 Transitorische Einnahmen......... 12,492.678 Zusammen . ," . 326,317.695 G esammt- Ausgaben........... 337,993-528 Gesammt-Einnahrhen........... 326,317.695 Deficit .... 11,675.833 Das Budget Cisleithaniens zeigt die höchst erfreuliche Thatsache, dass die Befestigung der Staatswirthschaft zwar langsame aber sichere Fortschritte macht, und man kann mit Recht hoffen, dass die Staatsfinanzen unter normalen Verhältnissen bald geregelt sein werden. Andererseits beabsichtigt aber die Regierung der Verstaatlichung eine wesentlich weitere Ausdehnung zu geben, man will nämlich das Netz der westlichen Staatsbahnen zu einem Eisenbahnkörper von rund 4000 Kilometer gestalten. Zu diesem Zwecke sollen bedeutende Summen neuer Staatstitres zur Emission gelangen; die Staatsschuld soll durch neue beträchtliche, wenn auch fu n-dirte Beträge erhöht und das Budget eventuell durch die über die jetzigen Maximal - Garantien hinausreichenden Kaufrenten belastet werden. Es handelt sich also um die Erwerbung von Kisenbahnen in der Aus dehnting von etwa 2400 Kilometern, mit einem Capital von rund 400 Millionen Gulden. Das sind Operationen von colos-salem Umfange, welche in so inniger Verbindung zu einander stehen, dass der Reichsrath nothwendig über den ganzen Plan der Verstaatlichung*-Actien mit sich ins Reine kommen muss. Es ist eine wichtige Entscheidung, vor welche das Parlament gestellt wird, nicht blos in eisenbahn-politischer Hinsicht, sondern vor Allem mit Rücksicht auf die staatsfinanzielle Tragweite, welche die Creirung von nahezu einer halben Milliarde Gulden neuer Staatstitres hervorruft. Ueberblickt man die Resultate der Finanzpolitik in Trnns-leithanien, so findet man, dass sich z. B. in der Zeitperiode von 1878 bis 1882 die Nettod^innahmen von 160-15 au^ 1$9'45> also um 29*30 Millionen Fl. erhöht und die Ausgaben dagegen von 186-8 Millionen Fl. auf 194-3 Millionen, d. i. um 75 Mill. vermindert haben, so dass das Endresultat eine Besserung der Bilanz um 218 Millionen Fl. nachweist. Das interessanteste ist dabei, dass dieses Resultat trotz der riesigen Opfer erzielt wurde, durch welche Ungarn die drückende schwebende Schuld im Betrage von 153 Millionen Fl., welche auf die Staatsguter intabuiirt war, zurückgezahlt hat, und trotzdem, dass Ungarn in den Jahren 1878—1882 für die Bestreitung der Occupations-kosten 48-4 Millionen Fl. verausgabt hat. Auch entfallt in diese Periode der ausserordentliche Zuwachs des ungarischen Staatseisenbahnnetzes, womit dessen Linien irt ein systematisches Ganze zusammengefasst und der ungarische Verkehr von den ausländischen Verkehrsinstituten unabhängig gemacht wurde. Alles dies erforderte mit einem Mal eine Erhöhung der Staatsschuldenzinsen im Laufe des Jahres 1878 von 7802 Mill. Fl. auf 91-39 Millionen, d. i. um 13-27 Millionen Fl. Seit dem Jahre 1879 erhöhte sich aber die Staatsschuldenlast blos um 24 Millionen Fl, während sich die Staatseinnahmen in diesem Zeiträume von 161-38 auf 189-45, d. i. um 28-03 Millionen FL also im Vergleich zur Schuldenlasterhöhung während derselben Zeit verzwölffachte. — Neben der Schuldenlast verdient auch die Erhöhung der Ausgaben besonders hervorgehoben zu werden. In den beregten fünf Jahren erhöhten sich in Mill. FL» die Pensionserfordernis.se um 043, die autonomen Ausgaben Kroatiens um 074, Inneres, wegen Einführung der Gendarmerie um 1.28, Catasterarbeiten um 1-30, Wasserstrassen 0*54, Unter- richtswesen um 09, Justizwesen um c/6, Landesverteidigung um 038, Diosgyörer Stahlfabrik 8'82. Ks sind dies zum grossen Theil vorübergehende Auslagen und solche, die für Verbesserung der Administration, für Culturinteressen und theils directe, theils indirecte productivc Anlagen gemacht wurden. Von den 29 Millionen Kl. Kinnahmelpus entfallen dagegen 123 Mill. Kl. auf solche Kinnahmezweige, welche mit keiner höheren Besteuerung verbunden waren, 17 Millionen Kl. dagegen theils auf neue, theils auf erhöhte Besteuerung. Im Vergleich zur Staatsschuldenlast-Krhöhung resultirt eine Mehreinnahme von 1327 Millionen Kl. Nachdem aber die Kinanzpolitik der Regierung dahin gerichtet ist, dass das wenig erträgliche Staatsvermögen veräussert wurde, und statt dessen ein Vermögen m Kisenbahnen und anderweitigen Staatsunternehmen in den Besitz des Staates übergeht, welches von Jahr zu Jahr einträglicher wird, besteht der Kortschritt nicht nur in der Herabminderung des Deficits von 264 auf 48 Millionen Fl., sondern auch in der fortwährend steigenden Rentabilitiit des Staats* Vermögens. — Auch die ungarische Budgetvorlage per [885 hat eine günstige Aufnahme gefunden, weil dasselbe eine weitere Besserung der Verhältnisse des ungarischen Staatshaushaltes beweist. — Es ist gewiss ein ausserordentlicher Kortschritt, dass trotz der grossen Wasser- und Eisenbahnbauten und anderer cultureller Arbeiten, der bedeutenden Steigerung der Verwaltungsatislagen und der Ausgaben für das Unterrichtswesen, der Zunahme der ordentlichen Auslagen um 3,296.060 Kl. und der Eisenbahn-Betriebsausgaben um 7 Millionen Kl. hauptsächlich in Folge der Verstaatlichung weiterer Eisenbahnen, also trotz Investitionen in der 1 [Ohe von 23 Millionen FL, welche sich blos aus dem Grunde um 3*9 Millionen geringer beziffern als im Vorjahre, weil die Budapest-Semliner und die Budapest-Neu-Szönyer Bahn bereits vollendet worden sind, das Budget für 1885 gegenüber dem Ueberschuss des Jahres 1884 von 223.190 Kl. ein Mehr von 5,048.747 Kl. im Ordi- narium aufweist und das Gesammtdeficit (die ausserordentlichen Auslagen inbegriffen) blos 11,675.833 Fl. beträgt, so dass die Bilanz sich um 8,986 Fl. günstiger stellt als im Jahre 1884. Es muss bei der Beurteilung des Budgets berücksichtigt werden, dass der Finanzminister bei seinen Aufstelhingen die Einnahmen im Vergleiche zu den tatsächlichen Ergebnissen eher zu gering als zu hoch bezifferte. Allerdings figurirt die unter dem Titel der Tilgungsquote der Staatschuld aufzunehmende Anleihe, wie in der Regel, tinter den Einnahmen; allein, wenn man auch diese 10,000.000 Fl. betragende Summe in Betracht zieht, beziffert sich das gesammte Erforderniss, welches Ungarn im Jahre [885 vom Geldmarkte beanspruchen muss, auf nur 221/, Millionen, während im Jahre 1884 35 Millionen, im Jahre 1882 sogar 46 Millionen erforderlich waren. Diese Daten beweisen zur Genüge den erfreulichen Aufschwung, welchen die ungarischen Finanzen innerhalb einer kurzen Zeit genommen haben, obgleich gerade in diesem Zeiträume die Flussregulirungs-arbeiten, die Organisirung und der Ausbau des Staatseisenbahn-netzes grössere Dimensionen angenommen haben. So wurden tue Budapest-Semliner und die Budapest-Neu-Szönyer Bahn innerhalb dieser drei Jahre ausgebaut, und in dem Budget pro 1885 sind nahezu 5 Millionen für Flussregulirungen und s , Millionen für Bahnbauten und Anschaffungen von Bahnbetriebsmitteln ausgeworfen. Wenn daher Ungarn, trotz solcher Investitionen, in der Lage ist, die Tilgung seiner Schulden vorzunehmen, so dass sein Creditbedarf beinahe um eine Million weniger beträgt, als seine ausserordentlichen Investitionen, und trotzdem auf die innere Verwaltung und die staatliche Ent-uickelung im Jahre 1885 um IO'/j Millionen mehr verwendet werden können als im Jahre 1884, so beweist dies jedenfalls die Entwicklungsfähigkeit des Landes. Da Oesterreich-Ungarn, wie wir schon mehrfach hervorgehoben, vorherrschend Agrarstaat ist, so erfordert natürlich die Amortisirung und jährliche Verzinsung der colossalen Staatsschuld, sowie die Deckung der verhältnissmässig sehr bedeutenden übrigen Ausgaben des Staatshaushaltes eine höchst empfindliche Anspannung der ,,Steuerkraft" der Bevölkerung. Dabei verfallt man aber leider noch immer in den grossen Fehler, beständig an der Besteuerung zu experimentiren. So legte der cisleithanische Finanzminister vor einiger Zeit dem Abgeordnetenhause Entwürfe einer Erwerbs-, Einkommen- und Capitalrentensteuer vor, für welche die Linke jede Wahl in die Commission verweigerte und die Rechte nicht die geringste Lust zeigte, sich mit einer neuen Belastung ihrer Wähler zu beeilen. — Auch in Trans -leithanien sind die Lasten, unter denen Staats- und Volks-wirthschaft seufzen, schwer zu tragen. Es soll nicht geleugnet werden, dass der Aufschwung der wirtschaftlichen Produktion in Ungarn ein sehr beträchtlicher ist, allein die Anforderungen, welche der Staat an die Leistungsfähigkeit der Länder stellt, sind noch grösser und die Steuerquellen werden in einer Weise in Anspruch genommen, dass die Abgaben schon lange nicht mehr von den Reinerträgnissen entrichtet, von dem Ueberschuss gedeckt werden, sondern an dem Marke des Nationalvermögens selbst zehren. Dies ist um so bedauerlicher, als auch der Finanzminister durch die regel- und methodelose Weise, nach welcher die Steuergelder genommen werden, wo sie zu finden sind, oder auch dort wo sie nicht zu finden sind, einer zukünftigen gründlichen und rationellen Steuerreform die Wege sperrt. Zti dieser planlosen Irrfahrt zur Ausuchung von Steuerquellen kommt noch der für Ungarn allzugrosse, wenn auch produktive Aufwand hinzu, mit welchem das Land den Eisenbahnbau und den Betrieb eines sehr umfassenden Schienennetzes sowie noch andere Verkehrsbauten zu bestreiten hat. — Der in neuester Zeit von der Regierung eingebrachte Gesetzentwurf bezüglich der Erhöhung der allgemeinen Finkommensteuerzuschläge wurde im Finanzausschuss des ungarischen Abgeordnetenhauses ohne grundsätzliche Aenderungen angenommen. Auch die liberale Reichstagspartei hat ihn gebilligt, aber die Oposition hat dagegen gestimmt, weil sie grundsätzlich gegen jede Steuererhöhung ist. — Der Zweck des Gesetzentwurfes ist, den auf 26 Millionen FL veranschlagten Abgang der ordentlichen Kinnahmen zu decken und damit das Deficit aus dem Ordinarium zu beseitigen. Der Kinanzminister hofft auf einen Krlös von ca. 3 Millionen aus der vorgeschlagenen Steuererhöhung. Diese vertheilen sich so, dass 810.000 FL auf die bisher steuerfreien Parzellen der Grundbesitzer entfallen und 2,100.000 FL durch eine minimale Erhöhung sämmtlicher directen Steuern aufgebracht werden sollen. Zugleich wird aber dafür gesorgt, dass die bisher unverhältnissmässig hoch besteuerten Objecte, sowie das kleine Reineinkommen bis zu 400 Fl. entlastet werden. Zum Theil bezweckt somit das neue Steuergesetz eine gerechtere Vertheilung der Steuerlasten. Unerschwinglich ist nach den ungarischen Einschätzungen die neue Steuer durchaus nicht, denn das wirkliche Reineinkommen ist bei einer nur halbwegs rationellen Bewirthschaftung drei Mal bis vier Mal so hoch, als es eingeschätzt ist, so dass beim Grund und Boden der Steuersatz bedeutend unter den im Gesetze vorgeschriebenen ausfällt. Bei der Haussteuer ist dies zwar weniger der Fall, aber eben deshalb ist hier die Steuer vorwiegend auf das steuerfreie Einkommen gelegt. Die Neubauten gemessen eine Steuerfreiheit auf dreissig Jahre hinaus, es ist deshalb nur recht und billig, dass das aus solchen Häusern stammende Reineinkommen auch zur Bestreitung der Staatskosten herangezogen wird. Was die Steuererhöhung für die zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Unternehmen betrifft, so kann diese schon deshalb begründet erscheinen, weil in Ungarn solche Unternehmen im Vergleich zum Auslände fast durch- gängig' eine sehr hohe Verzinsung des Anlagekapitals gewähren. Hin ganz eigentümliches Streiflicht auf die „Art der Steuereintreibung" in Cisleithanien wirft die im österreichischen Abgeordnetenhause am 14. März 1885 gehaltene Rede des Abgeordneten „Schöffel", der unter anderen Folgendes sagte: „Ich habe bereits vor zwei Jahren die Mängel und Missbräuche bei den Steuerbehörden geschildert. Das Haus hat damals eine Resolution angenommen, „die Regierung werde aufgefordert, die Reform der Steuerämter und die Ge-bahrung bei denselben in Erwägung zu ziehen." Seitdem ist so ziemlich Alles beim Alten geblieben. Ich sage: „so ziemlich", denn etwas ist wirklich geschehen. Die Finanz-landesdirection hat in einer Encyklica, die sie alljährlich vom Stapel lässt, ausser der üblichen Weisung, die Steuern rechtzeitig und mit allen Mitteln einzutreiben, auch noch im vollen Bewusstsein, dass Solches absolut nicht möglich ist, verordnet, dass die Steuern rechtzeitig vorgeschrieben und bei der Herein-treibung von Rückständen mit Nachsicht vorzugehen sei. Man geht nun tatsächlich bei der Eintreibung von Steuern etwas gemässigter nnd nachsichtiger zu Werke. Dafür aber grenzt der Eifer bei der Vorschreibung von ganz unerhörten Steuern schon an den Wahnsinn. Ich erlaube mir da auf einzelne allgemeine Fälle hinzuweisen. Niederösterreich wurde bekanntlich bei der Grundsteuer-Regulirung am härtesten mitgenommen. Das genügt aber den Steuerorganen noch lange nicht; sie martern ihr armes Gehirn ab, um ausser den gewöhnlichen auch noch aussergewöhnliche Steuern zu erfinden. So nuiss derjenige, der eine Grundparcclle pachtet ausser der Grundsteuer auch die Einkommensteuer vom Pachtschilling bezahlen, und es wird ihm auch noch die Einkommensteuer vom anzuhoffenden Erlöse der Fechsung vorgeschrieben! — Auf der ganzen Welt giebt es keinen Grund und Boden, der im Stande ist, ein solches Erträgniss abzuwerfen, dass die dreifache Steuer gedeckt werden könnte. — Unsere Waldbauern sind die ärmsten Geschöpfe unter den Bauern, denn ausser einer Hütte, einigen Joch Wiesen und zwei Stück Kühen besitzen sie nichts. Haben sie neben ihrer 1 lütte noch einen Kartoffel- oder Krautacker, wird er regelmässig vom 1 lochwild verwüstet. Kine Einwendung dürfen sie nicht machen, sie dürfen auch nicht einen Wildschaden beanspruchen, denn sonst wird ihnen der Streubezug entzogen. Haben sie aber keine Streu, so haben sie kein Vieh, haben sie kein Vieh, so haben sie auch keinen Hunger. Um sich zu helfen, nehmen die Bauern von den grossen Waldbesitzern einige Klafter Holz auf Credit und verfrachten sie, indem sie ihre Kühe einspannen, in die Stadt, um das Holz zu verkaufen. Dieser geringe Profit wird aber auch noch besteuert! — Die Steuerorgane arbeiten mit solcher Hast und solchem Eifer an dem Ruin des Bauernstandes, dass bei mir wirklich schon der Verdacht rege geworden ist, dass es zwischen den Anarchisten, die mit Schrecken die Gesellschaft erschüttern, und den gemässigten Socialistcn, die auf die Käulniss der Gesellschaft speculiren, noch eine Mittelpartei giebt, die im binanzministerium, oder in den Kinanz-Kandesdirectionen, oder in den Steuer,-Administrationen ihren Sitz hat und deren Aufgabe es ist, durch masslose Steuerausbeutung den Mittelstand zu ruiniren und ihn geradezu in die Arme der Anarchie zu treiben. Bei der Ver-zehrungssteuer auf Fleisch und Wein ausserhalb der geschlossenen Orte haben die Finanzorgane eine Schraube ohne linde erfunden. ■— Mit dieser Schraube wurde die Verzehruiil;s Steuer in der Umgebung von Wien seit fünf Jahren um 50 Rercent hinaufgeschraubt. Ausserdem erfinden die Stetierorgane jährlich neue Steuern, um auch die directen Steuern zu erhöhen und sie wachsen zu machen. Das sind Zustände, wie sie für die Dauer absolut nicht weiter fortbestehen können! Viel schlimmer ist es in dieser Beziehung aber noch in Transleithanien, denn hier kommt häufig die rücksichtsloseste Härte zur Anwendung. So ereignete [sich z. B. im ()ctober 1884 Folgendes: Nicht ferne von jenem Dorfe, in welchem Baron Rakowina seine Besitzungen hat, amtirte eine Steuer-Commission, diese hatte, so erzählt das „Budapester Tageblatt", das Arbeitsvieh aller armen Bauern, welche in Folge der schlechten Ernte ihre Steuerrückstände nicht bezahlen konnten, exequirt und ging eben daran, einige hundert Stück Rindvieh im Wege der öffentlichen Feilbietung zu verkaufen. Es hatten sich nur wenige Käufer bei der Licitation eingefunden und Baron Rakowina erstand sämmtliche Ochsen und Kühe zum Spottpreise von 6000 Fl. Er Hess sich den Ankauf von der Steuerbehörde amtlich bestätigen und gab den armen Bauern am nächsten Tage ihr Vieh leihweise zurück, wofür er sich eine Kleinigkeit bedang. Die Steuercommission hatte das Vieh, wie gesagt, spottbillig verkauft und die Steuerforderung erschien in Folge dessen nicht gedeckt. Was that nun diese Commission: Sie wartete, bis Baron Rakowina verreiste, exequirte während seiner Abwesenheit das ihm gehörende, jedoch, da den Bauern geliehen, in deren momentanem Besitze befindliche Vieh und schrieb sofort eine öffentliche Feilbietung aus. bis kamen Fleischhauer von nah und fern und um einige Tausend Gulden wurden Ochsen und Kühe so zu sagen verschleudert! — Der Baron kam von seiner Reise heim, und nachdem er den 1 hatbestand constatirt, reiste er nach Agram, wo er dem Chef der Steuerbehörde die An gelegenheit vortrug. Dieser war natürlich nicht wenig entsetzt, zumal die eingeholten amtlichen Informationen die Angaben des Freiherrn von Rakowina vollinhaltlich bestätigten. Et telegraphirte nach Budapest und der Finanzminister antwortete sofort, man möge einen Ausgleich um jeden Preis zu Stande bringen. Baron Rakowina verlangte seine Ochsen und Kuhe, diese aber in natura aufzubringen erschien unmöglich« zumal dieselben schon längst den Weg alles Fleisches gewandelt waren. Man bot io.ooo, 20.000, 30.000 Gulden, doch der Baron begnügte sich erst mit 50.000 Gulden, wofür er Vieh kaufte und dasselbe den Bauern wieder leibweise über-liess. Als der Baron die Schadensersatzsumme einstrich, sagte der Chef der Steuerbehörde: „Ich hohe, Sie werden discret sein". Die Antwort war: „Ich wäre gerne discret, wenn Sie oder der Finanzminister die Summe aus eigener hasche bezahlen würden, da aber die Bürger des Staates die Leichtfertigkeit der Steuerbehörde bezahlen müssen, werde ich diese Geschichte allen Leuten erzählen, die dieselbe hören wollen." Im „österreichisch - ungarischen Zolltarif" geniesst Deutschland die Rechte der meistbegünstigten Nationen. — Tarifverträge bestehen ausserdem zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien vom 27. December 1S7S bis sJ.Dec 1S87, von da ab jeder Zeit kündbar mit einjähriger Frist, Mit Spanien vom 3. Juni 1880, dieser Vertrag läuft mit dem 29. März 1887 ab. — Aus den früheren Abschnitten über I landel und Industrie geht klar hervor, welche Hauptartikel höheren oder niederen Zolltarifen unterworfen sind, es ist daher nicht nothwendig und würde nur ermüden, wollten wir uns hier in eine eingehende Aufzählung der mannigfachen Tarifsätze einlassen. — Nach dem „Zolltarifgesetze" ist jede eingeführte Waare zollpflichtig, soweit sie nicht ausdrücklich als zollfrei erklärt wurde, und unterliegt jenem Zolle, welcher im Kinfuhrzolltarife für die Tarifnummer, zu der die Waare gehört, vorgezeichnet ist. — Wo im Tarife nicht ausdrücklich Anderes bestimmt wird, sind bei Verzehrungssteuerpflichtigen Gegenständen nach MaSSi gäbe der bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen noch die inneren Staats-, Landes- oder CommunalVerbrauchsabgaben und Zuschläge zu entrichten. — Für die Waarendurchfuhr ist ein Zoll nicht zu bezahlen. — Bei der Ausfuhr unterliegen 1 >er Staatshaushalt.. 737 nur die im Ausfuhrzolltarif angeführten Gegenstände dem daselbst vorgezeichneten Zolle. — Waaren, welche aus Staaten kommen, die österreichische und ungarische Schiffe oder Waaren österreichischer und ungarischer Provenienz ungünstiger behandeln, als jene anderer Staaten, unterliegen bei der Hinfuhr, ausser dem im Tarife enthaltenen Zolle, einem Zuschlage von 3 Procent desselben, und wenn sie in dem Tarife als zollfrei erklärt sind, einem im Verordnungswege zu bestimmenden specifischen Zolle von 15 Procent des Handels werthes der Waare. Der Regierung ist es jedoch gestattet, Ausnahmen dieser Massregel im Verordnungswege eintreten zu lassen. — Aus verschiedenen Stoffen zusammengesetzte Waaren, die nicht zu den kurzen Waaren gehören oder nicht sonst im Tarife besonders belegt sind, deren Bestandteile unter verschiedene Tarifnummern gehören, sind nach ihrem llaupt-bestandtheile, und wenn derselbe zweifelhaft ist, nach demjenigen Bestandteile zu verzollen, welcher im Tarife höher belegt wurde. — Die Ein- und Durchfuhr von Gegenständen der Staatsmonopole, wie Kochsalz, Schiesspulver, Tabak und Tabak-iäbrikate, ist nur gegen Erlaubniss der kompetenten Behörde gestattet. — Die Regierung hat die Ermächtigung, die Zölle für Getreide und Hülsenfrüchte bei schlechtem Ernte* ausfalle im Inlande für alle oder einzelne Fruchtgattungen zeitweilig an allen oder einzelnen Grenzen unter den gegen Missbrauch schützenden Controlen und Beschränkungen, ausser Kraft zu setzen. Von der Entrichtung des Einfuhrzolles sind befreit: Die für den unmittelbaren Gebrauch des Kaisers bestimmten Gegenstände; die Artikel, welche zum unmittelbaren Gebrauche der am k. u. k. Hofe akkreditirten diplomatischen Personen bestimmt sind, nach Massgabe der besonderen Vorschriften; Tabakblätter für Staatsfabriken, Kochsalz, Schiesspulver und Tabakfabrikate für Staatsniederlagen oder von Bewohnern der Umgebungen der Zollausschlüsse, aus Verschleiss- Oesterreich-Unj:arii. 47 statten der Zollausschlüsse erkauft; die Habseligkeiten der Einwanderer aus dem Auslande und aus den Zollausschlüssen, sowie auch Maschinen und Maschinenbestandtheile, Fabriks-geräthschaften und Handwerkszeug derselben, wenn sie für deren eigenen Gebrauch bestimmt, ihren Verhältnissen angemessen sind und Spuren fortgesetzten Gebrauches an sich tragen; Ausstattungsgegenstände für Personen, die in Folge ihrer Verehelichung in das Zollgebiet übersiedeln, wenn sie deren Verhältnissen entsprechen (von dieser Zollfreiheit werden jedoch ausgeschlossen alle Verzehrungssteuer-Gegenstände und Verbrauchsartikel, Vieh, unverarbeitete Zeuge und Halbfabrikate, dann rohe Stoffe); Erbschaftseffekten, u. z. Einrichtungsstücke^ Haus, Tisch- und Küchengeräthe, Kleidungen, Bett-. Leib* und Tischwäsche, gebrauchte Fabriksgeräthschaften, gebrauchtes I landwerkszeug u. s. w., insofern sie zum eigenen Gebrauch des Erben dienen und seinen ^Verhältnissen angemessen sind (aber auch von dieser Zollfreiheit sind die vorher angeführten Verzehrungssteuer-Gegenstände und Verbrauchsartikel ausgeschlossen); Gegenstände der Kunst und Wissenschaft, welche für Sammlungen öffentlicher, wissenschaftlicher und artistischer Anstalten bestimmt sind; und schliesslich Werke der im Auslande sich aufhaltenden österreichisch-ungarischen Künstler. Kerner sind „zollfrei" zu behandeln die Effekten der Reisenden, nämlich Wüsche. Kleidungsstücke, Bett-, Reise-, Gold- und Silbergeräthe und andere Kostbarkeiten, Werkzeuge der Handwerker, sowie Geräthe und Instrumente der Künstler, Kleidungsstücke und Wäsche der Fuhrleute und Schiffer, Bücher, Nahrungsmittel, Arzneien zum Verbrauche während der Reise, schliesslich 35 Gramm Tabak oder 10 Stück Cigarren (die Begünstigung der gebührenfreien Einfuhr von 10 Stück Cigarren hat aber nur für diejenigen Cigarrensorten Anwendung, welche nicht über 21 Cm. lang und an der dicksten Stelle nicht über 13 Mm. Durchmesserhaben) d. h. wenn diese-Gegenständc nur zum eigenen Gebrauch des Reisenden be stimmt und hinsichtlich der Beschaffenheit und Menge dem Bedarfe, dem Stande und sonstigen Verhältnissen desselben angemessen sind. Auch ist der zollfreie Bezug von gebrauchten i lausgeräthen und Einrichtungsstücken Reisenden und im öffentlichen Dienste stehenden Personen, welche sich längere Zeit in Oesterreich-Ungarn aufhalten wollen und diese Absieht glaubwürdig darthun, gestattet. — Die gleiche Begünstigung gemessen auch Inländer, die nach längerem Aufenthalte ausserhalb des Zollgebietes in dasselbe zurückkehren. Zollfrei sind weiter noch die Tränsportmittel, als Wagen der Reisenden, die zum Personen- oder Waarentransporte dienen; die Vagen, Schlitten und Schubkairen, Saumkörbc, Butten und ähnliche Vorrichtungen zum Lasttragen: und die Zug- und Lastthiere sowie Wasserfahrzeuge (letztere mit Ein-schluss der darauf befindlichen Inventarstücke, wenn die Schiffe Ausländern angehören oder die inländischen Schiffe dieselben "der gleiche Inventarstücke einführen, als sie beim Ausgange an Bord hatten), d. h. unter der Bedingung, dass die Personenwagen deutliche Spuren des Gebrauches an sich tragen und im Uebrigen aus den transportirten Personen und Warnen dem Orte der Bestimmung, der Richtung, den Transportmitteln, der Beschaffenheit des Transportes hervorgeht, dass es sich wirklich um eine Personen- oder Waarenbeförderung und nicht um eine zum Zwecke der gebührenfreien Einbringung des Transportmittels unternommene Fahrt handelt. Ferner sind noch zollfrei der Proviant der ein- und auslaufenden Schiffe, worunter auch das Bier für die auf der Donau verkehrenden Schiffe und Schiffszüge begriffen ist; Musterkarten und Muster in Abschnitten oder Proben, welche nur zum Gebrauche als solche geeignet sind, jedoch ausschliesslich aller Proben von Ltbak und Konsumtibilien; die Umschliessungen und Behältnisse, in welchen die zti verzollende Waare verpackt ist, mit •Ausnahme, wenn dieselbe nach den Bestimmungen über die Tara zur Waare selbst gerechnet werden oder wenn eine •17* Witare in Umschliessungen oder Behältnissen vorkommt, in denen sie der Form und Beschaffenheit nach nicht verpackt zu werden pflegt und welche höher belegt sind, als die Waare selbst; endlich alle Waaren, die weniger als 25 Gramm wiegen oder von denen die einzuhebende Zollgebühr weniger als 2 Kreuzer beträgt, (Im Falle von Missbräuchen kann diese Erleichterung bei einzelnen Personen oder gewissen Grenzstrecken zeitweise aufgehoben werden.) — lieber-diess sind vom Zolle befreit alle Waaren, welche in amtlichen Niederlagen gänzlich verdorben sind (wenn die W'aare nur dergestalt verdorben ist, dass sie für ihre ursprüngliche Bestimmung nicht mehr geeignet ist, z. B. Wein, welcher noch als Essig verwendbar erscheint, kann die kompetente Finanzbehörde üb entsprechende Zollermässigung bewilligen; diese Zollbefreiung, beziehungsweise Zollermässigung, kann aber auch für die durch die Postverwaltung bereits verzollten Waaren zugestanden werden, welche noch vor der Ausfolgung an den Adressaten verdorben sind); die zum Bau und zur Ausrüstung von Schiffet) erforderlichen Gegenstände im Sinne des Gesetzes vom 30. März 1S73; Waaren und Gegenstände, welche zur Veredelung, Reparatur oder Bearbeitung im Zollgebiete eingeführt werden, unter der Bedingung, dass die Wiederausfuhr der veredelten, reparirten oder bearbeiteten Waaren u nd Gegenstände binnen einer gewissen, im Vorhinein von der Finanzbehörde festgesetzten Frist geschieht und die Identität der ein- und wieder ausgeführten Waaren sicher gestellt werden kann; Waaren mit Ausnahme von Verzehrungsgegenständen, die aus dem Zollgebiete auf auswärtige Märkte und Messen oder auf ungewissen Verkauf ausgeführt und unverkauft zurückgebracht werden; Waaren, welche zum Verkaufe in das Ausland ohne Anwendung des „Loosungsverfahrens" gesendet werden und wegen unvorhergesehener Hindernisse unverkauft zurückgelangen, ohne dort in den freien Verkehr gesetzt worden zu sein (dasselbe gilt aber auch für Waaren, die im Auslande in den „freien Verkehr" gesetzt wurden, wenn durch das anhaftende Fabrikszeichen, Marken u. dergl. oder in Ermangelung dessen aus der äusseren Beschaffenheit zweifellos hervorgeht, dass sie ein aus dem Auslände zurückgelangtes Erzeugniss des österreichisch-ungarischen Zollgebietes sind und durch beigebrachte Behelfe die Identität glaubwürdig dar-gethari erscheint); schliesslich die für Ausstellungen im Inlande und zu Versuchszwecken für öffentliche Anstalten oder zu vorübergehender Benutzung im nachgewiesenen öffentlichen Interesse eingehenden Gegenstände, wenn sie wieder exportirt werden. Die Wirkung der mit i. Juni 1882 in Oesterreich-Ungarn in Kraft getretenen „Differentialzölle", welche für gewisse Artikel durch niedrige Zollsätze die Einfuhr zur See befördern sollten, ist erstaunlich. Ja eine Vergleichung der Hinfuhrmengen des Jahres 1881 mit denen des Jahres 1882 liefert geradezu überraschende Resultate, denn im Jahre 1881 wurde nur der vierte Theil des Imports jener Waaren, für welche die Differentialzölle eingeführt worden sind, über österreichischungarische Häfen effectuirt, während in der Periode Juni 1882 bis Mai 1883 mehr als die Hälfte dieses Imports den Seehäfen zufiel. Die Einfuhren zur See partieipiren an der Gesammt-einfuhr im Jahre 1881 mit 25 Procent, in der Periode Juni 1882 bis Mai 1883 mit 52 Procent. Vom I.Juni 1882 bis Ende-Mai 1883 wurden eingeführt in Metercentnern: Procente Im Ganzen Zur See vom Totale 2.625 868 3 3 "07 275.667 161.002 58-41 2.165 422 19-49 20.499 16.541 80-69 Reis zum Poliren . . . , 42.952 3 «454 89'5 3 Reis zur Stärkefabrikation 16,746 4-225 25-23 I'rocente Im Ganzen Zur See vom Tutale Palmöl, Cqcosnussöl, vegeta- bilischer Talg . . II.O53 H-23 Indigo...... /■923 2.65 I 33'4Ö Sil 186 Zusammen 447-053 235402 52-65 Die absolute Ziffer der Zunahme des zur See erfolgten Imports dieser Waaren ist 112.888 Metercentner, was einer Steigerung der Bezüge „via mare" um 92-14 Procent gleichkommt. Dieses Resultat, ist um so höher anzuschlagen, als im allgemeinen ein Rückgang der Importe anlässlich der in den Monaten Januar bis Mai 1S82 erfolgten Vorrathanhäufungen eintrat, so dass bei der Einfuhr zu Lande ein die Zunahme der See-Importe, 112.888 Metercentner, weit übersteigendes Minus, 149.394 Metercentner, zum Vorschein kommt. Von den bewilligten Zollnachlässen entfallen auf Kaffee allein 483.006 Fl., auf Gewürze 82.705 Fl., auf Reis 10.670 FL, auf Indigo 7953 Kl., auf Palm- und Cocosnussöl 5527 Fl., auf Theo 4220 Fl., auf Cacao 3472 Fl. und auf Cochenille 558 FL, was zusammen 598.111 FL ergiebt. — Am 13. Mai 1885 wurde dem österreichischen Abgeordnetenhau.se eine „neue Zoll-vorlage" zur Begutachtung unterbreitet, die einen weiteren Triumph der schutzzöllnerischen Bestrebungen bedeutet. Da die Regierung durch diesen neuen Tarif der inländischen Industrie einen weiteren sehr ausgiebigen Schutz angedeihen lassen will, so befinden sich natürlich die industriellen Kreise Oesterreich-Ungarns in sehr gehobener Stimmung. — Durchblickt man die Positionen des Tarifes, dann erscheinen die Schwierigkeiten sehr begreiflich, mit denen der Finanzminister Ungarn gegenüber zu kämpfen hatte, um mit seinen Anträgen durchzudringen! — Die Hauptproducte, auf welche die erhöhten Zölle Anwendung finden, sind Fette und Fettsäuren, Speiseessig, Cacao und Chocolade, Baumwollgarne und Baumwoll- waaren, Woll- und Seidenwaaren, diverse Holz-, Lein- und Metallfabrikate und Chemikalien. Die beträchtlichsten Zollerhöhungen haben erfahren „nicht besonders benannte Lein waaren" von 20 auf 50 Fl., Franzbranntwein und Cognac von 24 auf 40 FL, Cacao und Chocolade von 50 auf 60 FL, Gestickte Webwaaren tind Spitzen von 200 auf 250 Fl., Leinenzwirn für den Detailverkauf von 30 auf 35 Fl., Leinen, Damast von 40 auf 80 Fl., Seiden- und Glanzseidenwaaren von 400 auf 500 FL, Sammtbänder von 200 auf 400 Fl., künstliche Blumen von 170 auf 400 FL, Hartgummiwaaren von 30 auf 50 Fl., Barfümerien von 50 auf 75 Fl. Die Zölle auf Getreide und Mehl werden den deutschen Zöllen vollkommen gleichgestellt. — Ueber die sehr beträchtliche Erhöhung der Zölle auf Baum woll waaren äussert sich der Motivenbericht folgendermassen: „Die Aenderungen, welche im Baumwollen-Tarife beantragt werden, erfolgen von verschiedenen Gesichtspunkten. Die Aufhebung des Appreturverkehres zum Bedrucken in Deutschland mit Ende 1882 war ein Moment von grosser Tragweite, dessen Nachwirkungen in den letzten beiden Jahren genau beobachtet werden mussten. In den Jahren 1881 und 1882 waren noch 13.070 beziehungsweise 13.551 q österreichische Rohwaare in Deutschland bedruckt und zollfrei in Oesterreich wieder eingelassen worden; ausserdem kamen in diesen beiden Jahren noch 3083 und 3322 q bedruckte und buntgewebte Waarc zu den Zöllen von 60, 70, 80 und IOO Fl. herein. Dass sich nun die Einfuhr von verzollter Druckwaare, einschliesslich buntgewebter, in den Jahren 1883 und 1884 auf 5765, beziehungsweise 9919 q gehoben, also beinahe verdreifacht hat, zeigt deutlich, dass schon im Jahre 1882 eine Erhöhung der Druck waarenzölle angezeigt gewesen wäre, um der Gefahr zu begegnen, dass nicht statt der auf österreichischer Rohwaare gedruckten Gewebe, in steigendem Masse Gewebe importirt werden, von welchen weder die Druck-, noch die Webearbeit österreichisch ist." — Auf die Ergebnisse der Einfuhrstatistik der beiden letzten Jahre gestützt, beantragte die Vorlage somit bei den Tarifnummern 128, 129, 130 und 131 für bedruckte etc. Gewebe Zollerhöhungen von 60 auf 70 Fl., von 70 auf 80 Fl., von 80 auf 90 Fl. und von 100 auf ]2oFl. Diese Ziffern dürften nicht nur mit Rücksicht auf die Nothw endigkeit eines höheren Schutzes für das Bedrucken, sondern auch in Consequenz der Garnzollerhöhungen erforderlich sein. Eine zweite wichtige Aenderung des Baum-wollwaarentarifes erfolgte dadurch, dass die bei der Revision des Jahres 1882 nur in der Tarifnummer 128 b) und c) erreichbar gewesene Unterscheidung im Zolle zwischen gebleichten und gefärbten Geweben, nun auch in den Tarifnummern 129 und 130 durch Einschaltung einer neuen Zollstaffel für die gefärbten Gewebe consequent durchgeführt wird. Der Schutz für das Färben ist hiernach in allen drei Positionen fast gleich hoch, und zwar derart bemessen, dass die Zollerhöhung zugleich ausreicht, das Aequivalent für die Garnzollerhöhungen zu bieten. Das kaiserliche Patent vom 1. Juni 1816, welches, nachdem der Staat am Ende seiner Hilfsquellen angelangt war, die Gründung der „Oesterreichischen Nationalbank" pro-klamirte, bestimmte in § 1 der Statuten dieses Instituts, dass von nun an nie mehr die Anfertigung eines neuen „Papiergeldes" mit Zwangswerth und Zwangsumlauf; oder irgend eine Vermehrung des gegenwärtig im Umlaufe befindlichen vorkommen solle. Wenn aber durch ausserordentliche Umstände Ausgaben, welche die gewöhnlichen Finanzmittel des Staates überschreiten, herbeigeführt werden, so hat die Finanzverwaltung darauf bedacht zu sein, derartige Ausgaben, ohne sich jemals eines Papiergeldes mit gezwungenem Umlaufe zu bedienen, durch Eröffnung neuer Zuflüsse oder andere ausserordentliche Hilfsmittel zu bestreiten. — Dieses Versprechen von Seiten der Regierung wurde auch wirklich formell bis zum Jahre 1866 gehalten, indem der Staat kein Papiergeld ausgab, aber man umging es sehr bald indirect, indem sich die Regierung Vorschüsse von der Nationalbank geben Hess, deren Betrag langsam wuchs, im Jahre 1829 bereits 106 Mill. Fl., 1847 126 Mill. Fl. überschritten hatte, im Jahre 1848 aber fast 179 Mill. erreichte, 1851 auf 294 Mill. gestiegen war und nach theihveiser Abtragung im Jahre 1858 bis auf 145 Mill. sank und infolge des darauf ausbrechenden italienischen Krieges 1859 wieder auf 300 Mill. Fl. stieg. — Die Verhältnisse zwangen daher die Nation albank, sich durch vermehrte Ausgaben von Banknoten zu helfen und deshalb war zu Anfang des Jahres 1848 das „Fdelmetallagio" erschienen und ist unter unaufhörlichen Schwankungen bis zum heutigen Tage geblieben. — Im Jahre 1865 war die Schuld bei der Bank wieder bis auf 144 Mill. abgezahlt, allein in Folge des im Jahre 1866 ausgebrochenen deutschen Krieges begann die Ausgabe von „Staatsnoten" neben den „Banknoten", von denen heute noch circa 358 Mill. Fl. im Umlaufe sind. — Seit dem Jahre 1873 spaltete sich das „Edelmetallagio" in Folge des Fallens des Silberpreises in ein „Silber- und Gold agio". — Knde 1878 hatte sich der gesunkene Silberpreis der-massen festgesetzt, dass die Parität /.waschen den Silbermünzen und den Staats- und Banknoten wieder hergestellt wurde. Da in Oesterreich-Ungarn gesetzlich die Silberwährung besteht, so wäre mit dieser Parität, welche sich bis zum heutigen Tage erhalten hat, faktisch eigentlich die Valuta wieder hergestellt, allein mittlerweile ist das Goldagio bis auf nahezu 20% gestiegen, so dass im Vergleich zu den Ländern der Goldwährung und Doppelwährung, in welch letzterer das Gold massgebend ist, gegenüber dem Auslande doch keine Besserung eingetreten ist. Gegenwärtig herrscht in Oesterreich-Ungarn noch der „Zwangskurs", es ist daher schwer anzugeben, wie viel Metallgeld sich noch in den Händen der Bevölkerung befindet. Da aber die Silbergulden seit 1878 mit dem Papier- gelde pari stehen, man bei besonderen Konjunkturen sogar gegen Noten Agio zahlen musste, so hat die Regierung zu ihren Silberzinszahlungen neue Ausmünzungen vornehmen lassen, infolge dessen wieder für 40 bis 50 Millionen Silbergulden in Oesterreich-Ungarn mehr im Umlauf sein mögen. Im Jahre 1857 hat Oesterreich-Ungarn die Conventionswährung aufgegeben und das Dezimalsystem sowie die neue österreichische Währung nach dem 45-Guldenfuss angenommen — Nachdem sich im Jahre 1865 die „lateinische Münzunion'- gebildet hatte, zeigte sich Oesterreich-Ungarn den Bestrebungen derselben entgegenkommend, indem es .de h ent-schloss, neue Goldmünzen im Werthe von 8 Fl. und 4 Fl öste reichischer Währung von gleichem Schrot und Korn, wie die 20- und 10-Frankenstücke zu prägen. Es gilt daher gegenwärtig in ()esterreich-Ungarn ein Gulden österreichischer Whig.. Silber, a 100 Neukreuzer nominell = 2 Mark, faktisch bei stetem Goldagio = ca. 170 Mark. In Gold 8 Fl. = 20; 4 Fl. = 10 Eres., d.i. 16-20, 8" 10 Mark.— 155 8-Fl.-Stücke = 1 kg Münzgold, , „ fein Gehalt. — Seit neuester Zeit beabsichtigt man aber in der Gesammtmonarchie ein „neues Münzsystem" einzuführen. Die Initiative zu dieser einschneidenden Massregel ging von Ungarn aus; der ungarische Finanzminister Graf Szapary gab im Finanzausschusse auf die Anfrage eines Abgeordneten die präcise Antwort: „Die Regierung beschäftigt sich nicht bloss mit der Frage der Aen-derung der österreichisch - ungarischen Münzeinheit, sondern sie wird bald darüber einen concreten Gesetzentwurf vorlegen". Diese Worte fanden ihre Bestätigung durch eine analoge Erklärung des österreichischen Finanz-ministers Dr. v. Dunajewsky. — Nur ist man noch nicht vollkommen schlüssig, ob das „Franc-" oder „Marksystem" zur Einfuhrung gelangen soll, da beide grosse Vortheile bieten. — Damit aber die ganze Umstaltung des Münzsystems wirklich segenbringend für die Volkswirtbschaft des Reiches wirkt, muss vorher die „Valuta" regulirt werden. So lange dies nicht geschieht, bleibt das Ganze nur eine halbe Mass regel! — Nicht allein die Regelung des Finanzwesens, sondern auch die des Geldwesens verursachte beträchtliche Schwierigkeiten in Bosnien und der Herzegowina. — Da der „Kainies" vollständig entwerthet war, verfugte die Regierung gleich nach der Occupation, dass diese Münze nicht mehr als Zahlungsmittel bei den öffentlichen Kassen gelte und die Landesregierung ihren Kaimenbesitz zu veräussern und in österreichisch-ungarische Staats- und Banknoten umzuwechseln habe. — 1 lingegen ward im Sinne der Convention mit der Türkei die Annahme aller effektiven Gold-, Silber- und Scheidemünzen anerkannt, deren Werthverhältniss zur österreichisch-ungarischen Währung lixirt und der Werth des türkischen „Zwanzigpiasterstückes", Silber medyidis. mit Rücksicht auf die 2°/0 Coulance-abnützung auf i Fl, 74 Krz., der Werth des österreichischen Silberguldens hingegen auf 11 Piaster festgestellt. Beim Gewicht, Längen- und Flächenmass, beim Hohlmass für Wein, Getreide etc. hat Oesterreich-Ungarn das „Metrische System" mit den französischen Namen angenommen. Die „Stempelmarken" wurden in Oesterreich in neuester Zeit einer Aenderung unterworfen; in Folge dessen hat das österreichische Finanzministerium eine Verordnung erlassen nach welcher vom i. Januar 1SS5 an geänderte Stempelmarken aller Kategorien (mit Ausnahme der Zeitungsstempelmarken zu t und 2 Kreuzer) zur Ausgabe gelangen. Diese Marken sind sowohl in Farbe wie in der Ausführung von den bisher ge brauchten verschieden und zeigen in dem unteren farbigen Felde die Jahreszahl 1885. Die bisherigen Stempelmarken werden am letzten bebruar 1885 vollständig ausser Verschleiss gesetzt und wird der Verbrauch derselben nach diesem Termine als Stempelhinterziehung angesehen nntl bestraft. Die auf den Postbegleitadressen befindlichen Stempelzeichen erhielten auch die Jahreszahl 1885 aufgedruckt, doch kann bei diesen erst der Vorrath an alten Formularen aufgebraucht werden. Die Postmarken sind gleichfalls erneuert worden. In Bezug auf die graphische Ausführung der „Coupons der österreichisch-ungarischen Werthpapiere" sagt ein Fachmann in der ,,Neuen Freien Presse": „Unterzieht man die massenhaft circulirenden Coupons unserer Werthpapiere vom graphischen Standpunkte einer genauen Durchsicht, so muss man sich die berechtigte Frage stellen, wieso es kommt, dass dieses Feld von den Fälschern noch so wenig ausgebeutet wurde! Die vor einiger Zeit entdeckte Fälschung der österreichischen Rentencoupons kommt dem Fachmahne nicht überraschend. Die typographische Herstellung derselben ist eben eine äusserst primitive, der kleinsten Winkeldruckerei ermöglicht, und lässt die Leitung unserer Staatsdruckerei im Vergleiche mit den Renten-Titers anderer Staaten beispielsweise des Königreichs Italien, in sehr trübem Lichte erscheinen. Die Privatverwaltungen aber, die sich mit Emissionen von Werthpapieren befassen, mögen sich den vorgekommenen Fall, der nicht vereinzelt bleiben dürfte, ztir Warnung dienen lassen. Das System zur Einberufung von Conctirrenz zur Erzielung eines billigen Preises, wäe es vielseitig auch in diesem Falle befolgt wird, ist hier absolut nicht am Platze. Nur vertrauenswürdigen, in diesem Fache erprobten Etablissements ist solche Arbeit anzuvertrauen, tind Sparsamkeit kann für die betreffende Emissionsstelle die unberechenbarsten Folgen nach sich ziehen." YII. Das Schulwesen und die Institute für Wissenschaft und Kunst. Hervorragende wissenschaftliche und Kuust>amin!itn;cn. Das Schulwesen, Im Jahre 1880 hatte das österreichische Staatsgebiet noch unter IOOO Einwohnern 445 Analphabeten, das imgarische hingegen 595. — Im Jahre 1882 gab es in Cisleithanien 16.915 Volksschulen und auf 10.000 Einwohner kamen 1153 Elementarschüler, in Transleithanien aber in gleichem Zeiträume 16.050 Volksschulen und 1004 Elementarschüler. -— Vergleichen wir dagegen die Verhältnisse in den übrigen Staaten, so finden wir /.. B, auf je 10.000 Einwohner bei: Deutschland 1881 57.000 Volksschulen 1570 Elementarschüler, Frankreich 1880 /^."^A ?> ]33° » Russland 1880 38.739 „ 232 „ Italien 1882 49.932 „ 732 Wir sehen daher ans dieser Gegenüberstellung, dass Cis-leithanien dem ungarischen Staatsgebiete auch in dieser Beziehung voraus ist, dass aber Oesterreich-Ungarn, Deutschland, Frankreich und den Von uns nicht näher erörterten Staaten, wie Belgien, Dänemark, Grossbritannien und Irland, den Niederlanden, Schweden, Norwegen, der Schweiz und den Vereinigten Staaten nachsteht und nur die übrigen Länder übertrifft. — Doch muss lobensw erth hervorgehoben werden, dass seit den letzten Jahrzehnten in Oesterreich-Ungarn ausserordentlich viel zur I lebung des Schulwesens geschah und es ist daher um so mehr zu bedauern, dass sich in neuester Zeit in Cisleithanien, wie wir später sehen werden, eine rückschrittliche Bewegung wieder kund gab. In den letzten Decennien hatte man auch, wie wir zum Theil bereits in den früheren Abschnitten erörterten, einen besonderen Nachdruck auf die Entwicklung des gewerblichen Schulwesens gelegt, um dadurch die volkswirthschaftlichen Verhältnisse im Reiche so viel wie möglich zu heben. — Die gesammte Regelung und Reform dieses gewerblichen Unterrichts, über (.las wir schon in den früheren Abschnitten einiges erzählt haben, ist im grossen Ganzen das Werk des durch seine hierauf bezüglichen Schriften in weitesten Kreisen wohl bekannten „Harons von D umreich", des Referenten für Schulangelegenheiten im österreichischen Unterrichtsministerium, der sich hierfür wie Wenige befähigt zeigte. — Schon baust Kaunitz gab als Botschafter am französischen Hofe den ersten Anstoss zur Gründung einer Manufactur-Zeichenschule in Wien, welche nach 2Sjährigem Bestände 1786 mit der Akademie der bildenden Künste vereinigt wurde. 1770 errichtete die Regierung auch die Real-I landelsakademie in Wien und vereinigte sie 1815 mit dem Polytechnikum, — 1767 wurde in Frag eine Spitzenklöppel-schule eröffnet, die aber bald einging. — Kaiser Kranz I. gründete die ersten technischen Institute zu krag 1806 und Wien 1815, wodurch die Grossindustrie zur obersten Aus- bildung in den exaeten Wissenschaften und gewerblichen Künsten einen mächtigen Aufschwung erfahren sollte. — Um ein mittleres Mass gewerblicher Bildung zu vermitteln, wie solches die Majorität des Bürgerthums braucht, reorganisirte man 1851 die „Realschulen". Diese sollten einerseits dem Gewerbestande die Gelegenheit bieten, die für seinen Beruf notlugen Kenntnisse zu erwerben, andererseits aber auch für höhere Schulen vorbereiten. Letztere Tendenz trat allmählich gerade so wie auch in anderen Ländern, mehr in den Vordergrund, und 1868 wurde offiziell als Zweck der Realschulen erklärt: Line allgemeine Bildung mit besonderer Berücksichtigung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Disciplinen zu vermitteln und für höhere Fachschulen vorzubereiten. Die Bedürfnisse des Gewerbestandes bleiben aber dabei unberücksichtigt. — 1864 wurde das österreichische „Museum" für Kunst und Industrie in Wien errichtet, um die I lebung und Veredelung des Geschmackes durch Belehrung, sowie eine dem Consumenten und Broducenten gleichzugängliche Sammlung guter Vorbilder zu fördern, da es aber überall an ausführenden Kräften, nämlich an Künstlern und Lehrern, fehlte, so wurde mit dem Museum im Jahre 1867 eine Kunstgewerbeschule zur Erziehung kunstgebildeter Kräfte für die Bedürfnisse der Kunstindustrie verbunden. — 1872 creirte die Regierung an dieser Schule einen besonderen Kurs zur I Ieranbiklung*von Lehrern und Lehrerinnen des Zeichenfaches für alle Schulgattungen. Auch gelangten auf Veranlassung des Museums eine Anzahl mittlerer gewerblicher Fachschulen zur Errichtung, und an den Volks- und Mittelschulen ward eine gründliche Reform des Zeichenunterrichts angebahnt sowie der Ausbildung der Lehrkräfte und der Herstellung von Lehrmitteln erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet. Schliesslich legte das Unterrichtsministerium 1875 in einer Denkschrift Expose über die Organisation des gewerblichen Unterrichts, die Notwendigkeit dar, ein industrielles Schulsystem" zu begründen, welches in den einzelnen fachlichen Richtungen tiefer eingeht und die praktische Seite stärker berücksichtigt. Zunächst empfahl diese Behörde die Beschaffung einer beschränkten Zahl grosser, musterhaft ausgesttateter Ge-w erbebildungsanstalten an wenigen Hauptpunkten des Reiches. Diese Anstalten sollten sichere Operationsbasen werden, von denen aus mit Erfolg in den umliegenden Gebieten nach und nach die kleineren gewerblichen Bildungsanstalteu organisirt werden könnten. So entstanden die unter dem Namen ,,k. k. Staatsgewerbeschulen" bekannten Anstalten, höhere Gewerbeschulen, in Verbindung mit „Werkmeisterschulen", oder blosse Werkmeisterschulen, an welche sich mustergültige Fortbildungsschulen anreihten. — Das ganze System des gewerblichen Unterrichts in Oesterreich beruht auf der Bfiege der gewerblichen Fortbildungsschulen und der Fachschulen. Die „Fortbildungsschulen" sind theils allgemeine, theils fachliche u. z. bezwecken erstere die allgemeine Bildung, letztere ergänzen die Werkstattlehre durch Vermittlung fachgewerblichen Wissens — Die „Fachschulen" sollen den Schülern in bestimmten gewerblichen Leistungen und für bestimmte Wirkungskreise im Gewerbeleben eine möglichst abgeschlossene Berufsbildung geben. Sie sind entweder „unvollständige" oder „vollständige". Unvollständige sind solche, welche sich in ihrem Unterrichts plane darauf beschränken, gewisse specielle Disciplinen, wie Schnitzen oder Modelliren zu lehren. Vollständige bachschulen werden hingegen diejenigen genannt, welche in drei halbjährigen Kursen für eine ganze Gruppe zusammengehöriger Gewerbe, wie z. B. Bau-, Maschinen- und Kunstgewerbe etc. die nothwendigen Grundlagen des Könnens und Wissens geben. — 1 )erartige vollständige Fachschulen sind die oben genannten „Gewerbeschulen". Sie gliedern sich wieder in höhere „Gewerbeschulen" und „Werkmeisterschulen", erstere stellen ihr Unterrichtsziel höher als die letzteren, denn sie sollen jungen Männern, welche sich einem ausgedehnten und höheren industriellen Betrieb widmen, die erforderlichen Kenntnisse in den technischen Wissenschaften und Künsten, zugleich aber auch einen Grad höherer allgemeiner Bildung bieten. Die Werkmeisterschulen vermitteln dagegen jenes Mass fachlichen, im Gewerbe unmittelbar zu verwendenden Könnens und Wissens, dessen der Werkmeister im Dienste der Grossindustrie und der kleinere selbstständige Arbeiter bedarf. — Diese „Staatsgewerbeschulen" waren bereits nach Verlauf einiger Jahre derartig erstarkt, dass man daran denken konnte, sie als Stützpunkte weiterer organisatorischer Wirksamkeit zu benützen und die kleineren Anstalten dem GesammtOrganismus einzufügen. Dies konnte aber so lange nicht verwirklicht werden, als ein Theil der Fach, schulen noch unter der Verwaltung des Mandelsministeriums stand, während die anderen Anstalten in das Ressort des Unterrichtsministeriums gehörten. Es wurde daher zum Zwecke einer einheitlichen Leitung und Verwaltung des gesammten gewerblichen Schulwesens bestimmt, dass vom Jahre 1882 an sämmtliche, dem gewerblichen Bildungswesen gewidmeten Credite im Etat des Unterrichtsministeriums vereinigt und von diesem unter Mitwirkung des I landels. ministeriums verwaltet werden sollten. Aufgabe des Handelsministeriums ist es nun, auf die Wahl geeigneter Orte und die Feststellung der praktischen Endziele für die gewerblichen Bildungsanstalten in Gemässheit der industriellen Bedürfnisse Finfluss zu nehmen, während dem Unterrichtsministerium obliegt, die Einzelheiten der Schuladministration im Geiste richtiger Didaktik und Pädagogik zu besorgen. — Für Angelegenheiten des gewerblichen Unterrichts wurde durch beide Ministerien ein fachliches Berathungsorgan, die „Centralkommission", eingesetzt, deren Beschlüsse das Unterrichtsministerium ausführt. Ebenso werden die Inspectoren der gewerblichen Lehranstalten stets im Einvernehmen der Oesterreich-Ungarn. 48 beiden Ministerien ernannt. — Als Fachorgan dient der Central-commission das „Centraiblatt", welches die für das gewerbliche Unterrichtswesen bezugnehmenden administrativen Massnahmen und Verordnungen sammelt, die Sitzungsberichte der Central-commission weiteren Kreisen zugänglich macht, durch die Veröffentlichung der von der Regierung und der Centrah commission als richtig anerkannten Principien das Chaos von Wünschen und Meintingen klärt und die Motive der einzelnen Verfügungen, so weit dies irgend möglich ist, darlegt. — In diesem Centraiblatt besitzt das österreichische gewerbliche Unterrichtswesen ein Fachorgan, wie kein anderes Land! In der ersten Sitzung der Centralcommission am 30. Januar 1882 sprach der Unterrichtsminister unter anderem folgende denkwürdige Wrorte: „Gegenüber den Schwierigkeiten, die sich allenthalben in ökonomischer, nationaler und politischer Hinsicht ergeben, sei als Lichtpunkt die Rührigkeit der Staaten auf dem Gebiete des gewerblichen Bildungswesens zu betrachten. Günstiger Fortschritt und ökonomischer Vortheil treffen hier zusammen, und das Ziel wäre die Stärkung der einzelnen Kraft und die Brechung des Vorurtheils, als sei ein bestimmter Stand nur auf ein gewisses geistiges Niveau beschränkt. Von diesem Gesichtspunkte aus müsse die Vereinigung sämmtlicher Gewerbeschulen in dem Ressort des Unterrichtsministeriums als ein entschiedener Fortschritt bezeichnet werden, weil dadurch die Grundidee des gewerblichen Schulwesens, die durch den Unterricht geförderte künstlerische tind technische Entwicklung zum Ausdrucke gelange. ( >esterreich wäre in dieser Beziehung gegen andere, namentlich die westlichen Staaten sehr zurück, obgleich es gewiss höchst bildungsfähige Elemente in seiner Bevölkerung besitze!" Die Centralcommission dient dem Unterrichtsministerium als Beirath und wird von demselben über organisatorische Angelegenheiten der gewerblichen Schulen, Lehrwerkstätten Versuchsanstalten u. s. w. einvernommen. In den Bereich der Berathung der Centralcommission gehören Gesetzvorlagen über den gewerblichen Unterricht sowie dessen Inspection, Errichtung und Regulirung gewerblicher Bildungsanstalten und Ausstellungswesen derselben. Die Mitglieder dieser Commission bestehen aus Männern, deren Leistungen auf dem Gebiete der Volks-wirthschaft, der Technik oder Kunst, oder deren didaktische Erfahrung oder genaue Kenntniss der industriellen Verhältnisse einzelner Länder und der besonderen Bedürfnisse bestimmter Gewerbe- und I landelszweige erwarten lassen, dass sie diese Interessen auch angesichts der Aufgaben des gewerblichen Bildungswesens wirksam vertreten werden. — Zum Zwecke der obersten Inspection für sämmtliche gewerbliche Fachlehranstalten sind 9 „Inspectoren" ernannt, u. z. 5 um die technische, 3 um die künstlerische und 1 um die didaktisch-pädagogische Richtung zu beurtheilen; für ihre Thätigkeit ist eine besondere Instruction massgebend. Zugleich wurde die Neu-constituirung der Centralcommission für den Zeichenunterricht verfügt. Bereits am 20. Aug. 1880 richtete das Unterrichtsministerium einen Erlass an alle Länderstellen, worin es auf die neue Organisation der Gewerbeschulen aufmerksam machte und besonders betonte, dass es unbedingt nothwendig wäre, den allzugrossen Andrang zu den „gelehrten" Schulen in das nützlichere und aussichtsvollere Bett „gewerblicher" Studien abzuleiten. „In mehreren Kronländern" sagt unter anderem diese Verordnung sehr richtig, „tritt diese Thatsache beharrlich hervor, dass aus den Ackerbau-, Handel-und Gewerbetreibenden Populationsschichten überaus zahlreiche Elemente in den Mittelschulen Aufnahme suchen, denen die materiellen und persönlichen Voraussetzungen fehlen, um aus den langjährigen und kostspieligen Studien den entsprechenden Vortheil für ihr ferneres Fortkommen erwarten zu können. Hieraus erwächst der 48* Staatsverwaltung" und besonders den Unterrichtsbehörden die Pflicht, einer Tendenz der Bevölkerung entgegenzuwirken, welche einerseits der Bodencultur und dem Gewerbewesen die werthvollsten Kräfte entzieht und andererseits ein unfruchtbares und unzufriedenes Proletariat erwerbsloser Gebildeter erzeugt. Diese volkswirtschaftlich nachtheiligen und social ungesunden Zustände erscheinen um so bedenklicher, als sie in den am dichtesten bevölkerten Kronländern am meisten hervortreten. Um nur aus einem Lande Beispiele anzuführen, so hat sich in Böhmen die Zahl der Schüler an den Gymnasien und Realschulen von 15.224 seit 1874 auf 19.400 erhöht, welcher Summe die auffallend kleine Zahl von 270 ganztägigen Schülern gegenübersteht, welche die drei Tages-Gewerbeschulen Pilsen, Reichenberg und Prag besuchen, und selbst wenn man die Handelsschulen und die landwirthschaftlichen Lehranstalten mitzählt, findet man in allen diesen Schulen zusammen höchstens 1000 Schüler. Oesterreich verwendete für die soeben erörterte Schulreform in der Finanzperiode 1883 die Summe von 1,060.000 FL u. z. sind darin 300.000 Fl. als einmalige extraordinäre Ausgabe eingesetzt, während das bisher bestandene Ordinariuni von 660.000 Fl. um 100.000 FL erhöht wurde. Wie gering verhältnissmässig diese Summe ist, geht daraus hervor, dass sie den fünfhundertsten Theil des Gesammtbudgets ausmacht. — Das Reformprogramm v. Dumreicher's enthält eine grosse Anzahl vortrefflicher Darlegungen. So hebt dasselbe z. B. hervor, dass die Erfahrungen bezüglich der Staatsgewerbeschulen-durchweg günstige gewesen waren und den Beweis liefern, dass ihre Organisation die richtige ist, wenn auch einzelne Lücken hier noch auszufüllen bleiben. In den Fachschulen zeigt sich vielfach, dass die geistigen Grundlagen des Faches nicht gegeben oder pädagogisch unrichtig und in einzureichendem Masse geboten sind. Da aber Fachschulen neben der Werk statte überhaupt nur dann Berechtigung haben, wenn die pädagogisch richtige Vermittlung der theoretisch eingreifenden Fächer gesichert ist, ergiebt sich eine Anzahl von Bedürfnissen bezüglich der Ausbildung und Weiterbildung der Lehrer. In letzterer Beziehung wurde schon im Jahre 1883 ziemlich umfang reich vorgegangen, da an fünfzig Lehrer den Staatsgewerbe schulen in Reichenberg, Bilsen und Prag zur Weiterausbildung überwiesen worden sind. In ersterer Beziehung wird ein besonderer Werth daraufgelegt, dass die Fachlehrer praktisch und theoretisch auf der Höhe der Zeit stehen, dass sie in Industrieländern thätig gewesen sind, um den Industriellen auch wirkliche Berather sein zu können. — Eine weitere Ausbildung des Fachschulnetzes soll zunächst nicht angestrebt, sondern vielmehr die vorhandenen Schulen entsprechend ausgestattet und wirksam gemacht werden. Scheint an einem Orte wirklich das Bedürfniss nach einer solchen Schule zu sein, so soll zunächst ein tüchtiger und strebsamer Arbeiter durch Stipendien in die Eage gesetzt werden, sich geschäftlich und handwerklich auszubilden, um dann später zu erproben, ob in der Bevölkerung die Factoren für ein gedeihliches Einwirken der Schule gegeben sind. — Vielfach werden derartige Schulen als eine Art Unterstützung erbeten und man hat nicht bloss in Oesterreich die Erfahrung gemacht, dass eine solche Schule nur dann segensreich wirken kann, wenn das Bedürfniss nach Belehrung und Weiterbildung wirklich vorhanden ist. — Sehr dringend macht sich die Nothwendigkeit, passende Lehrmittel, Zeichenvorlagen und Gypsmodelle zu beschaffen. Nach dieser Richtung wurden bereits umfassende Anstrengungen gemacht. Besonders befähigte Lehrer beurlaubte man für längere Zeit, um ihre ganze Kraft und Zeit der Beschaffung von solchen zweckentsprechenden Originalblättern zu widmen, welche als Staatseigenthum den verschiedenen Fachschulen überwiesen werden, und man hofft in circa 3 Jahren einen passenden Grundstock einer solchen Sammlung beisammen zu haben, welche die Bedürfhisse aller Fachschulen befriedigt. — ban ausführliches Programm für diese Sammlung ist bereits fertig gestellt, und die Kosten ihrer Herstellung sind auf 73.300 Fl. veranschlagt, welche Summe sich auf 3 Jahre vertheilt. — Weitere Vorschläge des Reformprogrammes betreffen die räumlichen Entwicklungsbedingungen der Anstalten, das Stipendienwesen, das Ausstellungswesen der gewerblichen Lehranstalten: überall zeigt sich der klare Blick des Organisators, der sein Hauptaugenmerk zunächst auf das jetzt wirklich Erreichbare lenkt, ohne die Weiterbildung des Gesammt-organismus aus dem Auge zu verlieren. — In der am 9. März 1SS5 abgehaltenen Sitzung der Centralcommission für Angelegenheiten des gewerblichen Unterrichts wurde auch noch ausser zahlreichen anderen höchst wichtigen Vorschlägen, wie die Erweiterung der Wiener Staatsgewerbeschule durch Abendeurse für Gesellen und Meister, von Baron v. Dumreicher über das Project der Organisirung allgemeiner Handwerker schulen berichtet. Derselbe sagt, „da bis jetzt nur gewerbliche Fortbildungsschulen und gewerbliche Ausbildungsschulen bestehen, so fehlen die .Anstalten für die gewerbliche Vorbildung." Liese sollen nun die „allgemeinen Handwerkerschulen" sein, welche, im unmittelbaren Anschlüsse und in Verbindung mit den letzten Jahren der Volksschule durch theoretischen Unterricht und praktische Uebungen diejenigen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln haben, welche als Vorbildung für die Erlernung eines handwerksmässigen Gewerbes wiin-schenswerth sind. In diesen Schulen werden Knaben nach zurückgelegtem 12. Lebensjahre aufgenommen, wenn sie den Nachweis liefern, dass sie den sechsten Jahrescurs der Volksschule mit gutem Erfolg absolvirt haben. Besonders betonte Baron v. Dumreicher die grosse Bedeutung dieser Schulen für die Regelung des österreichischen Lehrlingswesens, das sich bekanntlich jetzt in sehr schlechten Verhältnissen befindet. In den allgemeinen I landwerkerschulen wäre es dann möglich, für einen tüchtigen Nachwuchs für den Gewerbestand zu sorgen und eine breite Basis für das gesammte gewerbliche Bildungswesen zu gewinnen! — Diese Anschauung wurde auch allgemein von der Commission mit dem Bemerken als richtig anerkannt, dass die geplanten Handwerkerschulen nicht nur in pädagogischer, sondern auch in gewerblicher und socialer Richtung eine grosse Bedeutung haben würden. — Bei genauer Prüfung all' dieser Dumreicher'schen Reformvorschläge kann man sich der Ueberzeugung nicht entschlagen, dass Oesterreich auf diesem Wege in die Reihe jener Staaten eintritt, welche das bestausgebildete gewerbliche Schulwesen besitzen, und das will viel sagen, denn ein geordnetes fachgewerbliches Bildungssystem hat eine unendliche Bedeutung für den Nationalwohlstand eines Landes. Gehen wir jetzt zu den anderen Schulen Oesterreich-Ungarns über, so finden wir, dass mit Rücksicht auf den Umfang und das Ziel des ertheilten Unterrichts ..niedere" und „höhere" Volksschulen bestehen. Während die ersteren, nämlich die allgemeinen Volks-, Elementar- oder Primarschulen, die Bestimmung haben, den Kindern jene Kenntnisse beizubringen, welche einem jeden vernünftigen Menschen für das bürgerliche Leben nothwendig sind, haben die letzteren, die Bürger-, Sekundärschulen u. s. w. die Aufgabe, entweder die Jugend für höhere Lehranstalten vorzubereiten, oder denjenigen, welche diese nicht besuchen, eine über den Unterrichtskreis der niederen Volksschulen Innausreichende Bildung zu geben. Die Krrichtung und Krhaltung der Volksschulen obliegt im allgemeinen den Gemeinden, obgleich der Staat und die Provinzen häufig Zuschüsse leisten oder hier und da allein die Kosten tragen. — In Oesterreich-Ungarn ist der Besuch der Volksschulen obligatorisch, d. h. es sind alle im schulpflichtigen Alter stehenden Kinder gezwungen, die Volks- schulen zu besuchen, wenn sie nicht einen Privatunterricht gemessen, der den öffentlichen ersetzt. — In Cisleithanien dauert die Schulpflicht vom „6.—14.'' Jahr", mit Ausnahme von Istrien-Galizien, Bukowina und Dalmatien, wo sie gerade so wie in Transleithanien nur bis zum i 2. Lebensjahr reicht, während sie im vormaligen Grenzgebiete mit dem 13. Jahre endet. — Die Anzahl der Schüler in den Volksschulen der einzelnen Länder des österreichischen Staatsgebietes betrug 1880: Länder [nsgesamnit Auf 1000 h'inw Niederösterreich 281.387 121 Oberösterreich 102.660 136 Salzburg 20.11 5 1 22 Steiermark 134.954 1 1 I Kärnthen I lO Krain 41-374 86 Illyr. Küstenland 46.806 72 Tirol und Vorarlberg 120.930 132 Böhmen 152 Mähren 337721 »57 Schlesien 83.689 '47 Galizien 292.515 49 Bukowina 16.468 29 Dalmatien 15.165 32 Die Vertheilung der Lehrer und Lehrerinnen, sowie der Schüler nach dem Geschlecht war im Jahre 1880 bei den Volksschulen: Lehrende Knaben Mädchen Zusammen Oesterreich 52.203 1,209.040 1,168584 2,377.624 Ungarn 23.996 936.170 800.173 1,736.343 Oesterreich-Ungarn 76.199 2,245.210 1,968.757 4,113.967 Jedenfalls ist es sehr traurig, dass in Oesterreich-Ungarn mit dem Schulwesen auch die Nationalitätenfrage auf die ge- hässigste Weise verquickt wird. Besonders heftige Angriffe muss aber der „deutsche Schulverein" erleiden. Dieser gliederte sich im Jahre 1883 in 892 Ortsgruppen; von diesen entfielen auf Wien und Niederösterreich 133, auf Oberösterreich 53, auf Salzburg 7, auf Steiermark 87, auf Kärnthen 39, auf Krain 5, auf Görz und Triest 2, auf Tirol und Vorarlberg 15, auf Böhmen 393, auf Mähren 115, auf Schlesien 41 und auf die Bukowina 2. Inzwischen sind noch sehr viele neue < Ortsgruppen, namentlich Frauen- und Mädchenortsgruppen, dem deutschen Schulvereine zugewachsen, so dass die Zahl 1000 demnächst erreicht werden wird. — Die Stärke der einzelnen Ortsgruppen ist natürlich ebenso verschieden wie ihre Leistungsfähigkeit, bis giebt Ortsgruppen, die nur zwanzig Mitglieder zählen, aber auch solche von mehr als 1000 Mitgliedern. Linzeine kleine Ortsgruppen bringen nur so viel Gulden auf, als es beitragspflichtige Mitglieder giebt, andere Ortsgruppen wieder entwickeln eine Opferfreudigkeit, die geradezu in Erstaunen setzt, namentlich sind das die Ortsgruppen in Böhmen und Mähren. —■ In zahlreichen Fällen wurden vom Verein Unterstützungen und Subventionen für Schulbauten, Schulgründungen, Lehrergehalte, Kindergärten, Bibliotheken, Lehrmittel, deutschen Religionsunterricht und Schulgeld gewährt, besonders in Böhmen, Mähren, Schlesien, Steiermark, Krain und Südtirol. In letzterem Lande hat man jetzt fast allen deutschen Gemeinden an der italienischen Sprachgrenze oder im italienischen Sprachgebiete zu deutschen Schulen verholfen, namentlich denjenigen südlich von Bötzen, im oberen Fersinathale bei Trient, auf dem Nonsberge und bei Fogaras. Nur wenige in der Italienisirung stark begriffene deutsche Gegenden sind noch nicht in das Arbeitsfeld des deutschen Schul Vereins einbezogen worden, und neue Vereinsschulen sowie Kindergärten und neue Classen an schon bestehenden Vereinsschulen wurden an zahlreichen Orten Oesterreichs eröffnet. — Besondere Befriedigung gewährte es, dass die Ortsgruppe „Innsbruck" an die Bewohner Tirols eine Aufforderung gerichtet hat, dem deutschen Schulvereine, der für Tirol bereits mehr als 40.000 Fl. bewilligt habe, durch zahlreiche Beitritte aufrichtige Sympathie zu bezeugen und dessen Ziele thatkräftig zu fördern! — Wäre die Betheiligung der deutschen däroler an den Aufgaben des Wiener Schulvereins eine eben so rege, wie die der Deutschböhmen, so müssten stall der bisherigen 15 Ortsgruppen bereits 90 in Tirol vorhanden sein. Einen sehr erfreulichen Zuwachs erhält der Deutsche Sc hui verein zu Wien, wie wir schon früher hervorgehoben haben, durch die in sehr vielen grösseren und kleineren Orten sich vollziehende Bildung von Mädchen- und Frauen* Ortsgruppen. In Graz in der Steiermark wurde die erste derartige Ortsgruppe constituirt; dieselbe fand solchen Beifall und Anklang, dass sie bald über 1700 Mitglieder zählte, welche in wenigen Monaten die Summe von fast 5000 Fl. dem Cen-tralvorstande in Wien erreichen konnten. In Lin/., Zwei: . Klagenfurt, Laibach, Brünn, Troppau, Tratenau, Reichenbei-g. Leitmeritz, Warnsdorf u. a. O. ahmte man das Beispiel von Graz mit sehr günstigem Erfolge nach; allerwärts regte es sich nun in den deutschen Krauenkreisen Oesterreichs, für nationale Zwecke eine Gabe beizusteuern. — Dem Schulverein muss natürlich ein weiteres Wachsthum der Ortsgruppen, Mitglieder und namentlich der Einnahmen um so willkommener sein, als in der letzten Zeit viele Unterstützungsgesuche zurückgewiesen oder für günstigere Zeiten zurückgelegt werden mussten, da leider die Einnahmen des Vereins mit den sich fort und fort häufenden Ausgaben nicht gleichen Schritt hielten, obwohl die Einnahmen im Jahre 1884 an Spenden, Jahresbeiträgen und einmaligen Beiträgen sich auf circa 300.000 Fl. bezifferten. — Der Schulverein hat ein eigenes Organ, welches aber in letzterer Zeit eine bedeutende Aenderung dadurch erfuhr, dass man die bei der grossen Auflage höchst kostspielige Veröffentlichung der Namen der Vorstandsmitglieder der Ortsgruppen fortan weglässt und durch ein in kleinerer Auflage alljährlich erscheinendes Verzeichniss ersetzt, welches bloss den Ortsgruppen unentgeltlich überreicht wird. Durch diese Aenderung gewinnt man Platz, um den „Mittheilungen" einen auch in weiteren Kreisen interessanten Inhalt zu geben. — Nach getroffenem Einver-ständniss mit dem Postsparkassenamte hat der deutsche Schulverein auch beschlossen, bei dem jährlich etwa 40.OOOO Fl. belaufenden Geldumsatz des Vereins den Checkverkehr einzuführen, wodurch die Kassengebahrung sowohl der Centrale als auch sämmtlicher Ortsgruppen wesentlich erleichtert wird. -Häufig hat der deutsche Schulverein, Wie gesagt, mit unendlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, ehe er rein deutschen Gemeinden oder den Deutschen in einem Orte mit gemischter Bevölkerung zu einer deutschen Bildungsstätte verhelfen kann, so war z. B. schon längst von der Ortsgruppe Laibach die Gründung einer deutschen Privatschule in der genau 600 Jahre alten deutschen Gemeinde „Zarz" bei Bischoflaak in Oberkrain geplant worden. I )ie Alten und Erwachsenen dieser kleinen deutschen Sprachinsel sprechen alle noch ihr bajuwarisch Deutsch, hingegen ist die Jugend allerdings, da seit 18/5 nur slowenisch unterrichtet wurde, mehr oder weniger slavisirt. Im September des Jahres 1884 hatte man alle Schwierigkeiten, welche der Errichtung einer deutschen Privatschule in Zarz im Wege standen, so weit beseitigt, dass ein deutscher Lehrer in das Gebirgsdorf geschickt werden konnte. Aber der slowenische Pfarrer des Ortes — denn in ganz Krain haben sämmtliche deutschen Gemeinden ohne Ausnahme slowenische Geistliche — wusste doch noch in letzter Stunde alles zu vereiteln. Als der Unterricht beginnen sollte, verbreitete sich plötzlich unter den Zarzer Frauen das Gerücht, der neue Lehrer wolle unter der Bevölkerung Irrlehren ausstreuen und die Leute zu Ketzern machen. In folge dessen entstand eine derartige Aufregung, dass der deutsche Lehrer schleunigst nach Laibach zurückkehren und die Errichtung der deutschen Brivatschule aufgegeben werden musste. Es wird daher Zar/, gerade so wie so viele andere deutsche Gemeinden in Krain, die der Slowenisirung gänzlich verfallen sind, für die deutsche Sprache vollkommen verloren gehen. In dem krainischen Städtchen „Tsc her nem bei" wollte man für die Kinder der ansässigen Deutschen, welche meistens aus Gewerbetreibenden und Handwerkern bestehen, eine deutsche Volksschule gründen, nachdem die Kinder in der slavischen Stadtschule bereits Gefahr liefen, vollständig slavisirt zu werden, denn der Director und die Lehrer der Stadtschule verboten den Kindern selbst ausserhalb der Schule deutsch zu sprechen und der Katechet schärfte ihnen täglich ein, nur slavisch zu beten, denn das deutsche Gebet höre Gott nicht, weil er von den Deutschen und Juden nichts wissen wolle! — Unter solchen Umständen war es also hohe Zeit, an die Errichtung einer deutschen Volksschule zu denken, wozu der Wiener Deutsche Schulverein auch die nöthigen Einleitungen traf. Es gelang indess nur unter grossen Schwierigkeiten, im Hause eines deutschen Kaufmannes ein Local ausfindig zu machen, welches sich für den Schulzweck eignete. Kaum war es aber in dem Städtchen bekannt geworden, dass im Hause des deutschen Kaufmannes eine deutsche Schule errichtet werde, so gab es so heftige Scandale, dass die gute Absicht des deutschen Schulvereins schliesslich doch unterbleiben musste. — Ueberhaupt ertönt aus den Reihen der Slowenen und Czechen immer heftiger der Ruf nach Auflösung des deutschen Schulverein-S in Wien. Auf den Landtagen zu Graz und Laibach erheben die slowenischen Wortführer die gehässigsten Anschuldigungen gegen den Verein, der doch nur bezweckt, die exponirten deutschen Gemeinden an der Sprachgrenze und im fremdsprachigen Gebiete deutsch zu erhalten, der sich bisher von allen politischen Parteibestrebungen vollständig fern gehalten und nicht ein einziges Mal seine von der obersten Behörde be- stätigten Satzungen überschritten hat. — Auch in Böhmen und Mähren hetzen die slavischen Zeitungen ohne Unterlass gegen den deutschen Schulverein, und in einer stattlichen Reihe von Petitionen an den Landtag in Prag wird die Beseitigung, die Unterdrückung des Vereins begehrt. Das Geheimniss der Schmerzensschreie über den deutsch-nationalen Verein ist ziemlich durchsichtig: der czechische Schulverein, über den nur wenige Deutsche ein Wort des Tadels verloren, hat von vornherein so angemessene Anstrengungen gemacht, er hat so wahllos in jede deutsche Gemeinde eine slavische Schule hineingesetzt, dass er sich vor der Unmöglichkeit befindet, alle diese kostspieligen und überflüssigen Schulen zu erhalten; der deutsche Schulverein hingegen hat sorgsam mit seinen Mitteln gespart und gewirthschaftet, er schuf sich eine breite Grundlage von gegen tausend Ortsgruppen, stützt sich auf eine Mitgliederzahl von hunderttausend Seelen und festigte die deutsche Sprachgrenze, so dass nur noch wenige deutsche Dörfer der deutschen Zunge verloren gehen werden. Weil nun die Czechen nicht im Stande sind, ihre grossen Prätensionen aufrecht zu erhalten, wird von den Führern der fanatischen Jung-czechen das Schlagwort ausgegeben, dass von der Regierung die Vernichtung des verhassten deutschen Schulvereins, dieser grossen deutschen Culturschöpfung, zu verlangen sei. Einige föderalistische Organe Oesterreichs stimmen diesen czechischen Bestrebungen ebenfalls zu, nur meinen sie, es empfehle sich im öffentlichen Interesse, sowohl den deutschen, wie den czechischen Schul verein aufzulösen! Doch auch in anderer Richtung machen sich die Bestrebungen der Czechen nach czechischen Schulen überall geltend, denn kaum hatten sie die Errichtung einer czechischen Brivatvolksschule in Wien durchgesetzt, so planen sie auch schon die Gründung öffentlicher czechischer Schulen au Kosten der österreichischen Hauptstadt. Im Bezirke Favoriten fand eine von zahlreichen c/.echisclien Kitern besuchte Versammlung statt, in welcher folgende Resolution gefasst wurde: „Wir versammelten c/.echischen Kitern des 10. Wiener Bezirkes beschliessen in Erwägung, dass czechische Kinder bloss auf Grundlage eines in ihrer Muttersprache er-(heilten Unterrichtes derart erzogen werden können, dass sie zu ordentlichen österreichischen Bürgern erwachsen; in fernerer Erwägung, dass von der Privatschule des Vereins „Komensky" an hundert Kinder wegen Unzulänglichkeit des Raumes zurückgewiesen werden mussten und dass dieser Verein nicht die Mittel hat, für alle czechischen Kinder dieses Bezirkes Schulen zu errichten; und dass wir dieselben Schulzuschläge zahlen, wie die deutschen Mitbürger dieser Stadt, mit allen gesetzlichen Mitteln dafür einzustehen, dass im 10. Wiener Bezirke aus Gemeindemitteln eine öffentliche czechische Schule zur Errichtung gelangt. Zu diesem Zwecke werden wir eine mit den Unterschriften sämmtlicher czechischen Eltern versehene Eingabe an den Landesschulrath richten, damit dieser Anstalt treffe, dass die Gemeinde Wien für alle diese Kinder öffentliche czechische Schulen errichte. Sollte diese Eingabe nicht den gewünschten Erfolg haben, so wird eine Betition an das Unterrichtsministerium eventuell eine Beschwerde an das Reichsgericht eingereicht werden!" — Ks sollen sich also nunmehr in Wien dieselben Vorgänge wiederholen, welche den Czechen in Deutschböhmen so grosse Erfolge gebracht haben. Ein czechischer Agitator sammelt mit Mühe und Noth eine Anzahl Kinder für eine czechische Privat-Volksschule; ist das geschehen, so wird jener Paragraph der Schulgesetze angerufen, welcher bestimmt, dass schon für „vierzig anderssprachige Kinder" die Gemeinde eine Schule errichten muss. Auf Grund dieser Bestimmung soll also Wien verhalten werden, die czechische Privatschule im 10. Bezirk auf eigene Kosten zu übernehmen. Der Appetit der Czechen geht aber noch viel weiter, denn die oben erwähnte Resolution stellt auch die Forderung, das» die Gemeinde Wien für alle czechischen Kinder öffentliche czechische Schulen errichten solle. Czechen leben aber in Wien nicht bloss im 10. Bezirk, wie leicht lässt sich daher bei nachhaltiger Agitation in jedem Wiener Bezirk die nöthige czechische Kinderzahl zusammenbringen, damit die Forderung nach Errichtung einer öffentlichen czechischen Schule geltend gemacht werden kann! So erwächst Wien die angenehme Aussicht, in allen Bezirken czechische Schulen zu unterhalten!! Aber nicht allein mit dem eben geschilderten nationalen Hader hat das Schulwesen zu kämpfen, sondern auch die Ultramontanen trachten jede freiere, fortschrittliche Bestrebung derselben, die wahrlich ohnehin schon auf ein äusserst kleines Mass beschränkt ist, zu hemmen und den leitenden Kreisen auf Schritt und Tritt Schwierigkeiten zu bereiten. So hatte z.B. in neuerer Zeit der nunmehr verstorbene Bischof Rudigier einen äusserst heftigen Angriff gegen die „aus Deutschland eingeschmuggelten antikatholischen und unpatriotischen Schulbücher" gerichtet, „tue ganz geeignet seien, das religiöse und patriotische Gemüth der österreichischen Schuljugend zu vergiften". Um diese Behauptung auf ihren Ursprung zu prüfen, muss man freilich wissen, dass zur Zeit der allgemeinen, durchgreifenden Schulreform in Oesterreich, welche ein Verdienst der nun längst abgetretenen deutsch-liberalen Regierung ist, allerdings manche Schulbücher aus Deutschland aus dem einfachen Grunde eingeführt wurden, weil die damals kaum überwundene Epoche des Concordats der liberalen Schulreform in Oesterreich fast keinerlei brauchbare Schulbücher hinterliess. Um neue zu verfassen und herauszugeben dazu war die Zeit im Hinblick auf die Dringlichkeit der wichtigen Reform zu kurz, und so entschloss man sich denn, eine Reihe Schulbücher aus Deutschland einzuführen, aus denen indess alles sorgfältig entfernt wurde, was für die österreichischen Verhältnisse nicht passend schien. — Dafür hatten aber Bischof Rudigier und die übrigen Ultramontanen keinerlei Anerkennung; sie verlangten vielmehr die gänzliche Beseitigung der ihnen so verhassten deutschen Schulbücher und ihren Ersatz durch „christkatholische, österreichisch-patriotische", unter welcher Bezeichnung natürlich im ultramontanen Sinne verfasste verstanden werden. In den bezüglich dieser Agitation von den Ultramontanen in ihren Organen veröffentlichten Artikeln wird selbstverständlich mit der denkbar grössten Gehässigkeit gegen Deutschland und deutsches Wesen vorgegangen; so wird beispielsweise in dem Grazer ultramontanen Organe die Bildung in Deutschland eine „völlig einseitige, pedantische, dieVerrohung und den crasse sten Unglauben befördernde" genannt, welche die Deutschen mit einem so „abstossenden Dünkel" erfüllen, dass sie t,allen übrigen Nationen Europas mit Recht auf das Tiefste verhasst seien". Auch über die in den Schulbüchern befindlichen „Lesestücke" fährt der ultramontane Artikelschreiber mit grossem Grimme her; da hat er unter Anderem ein Lesestück ausgespäht. das sich auf eine Episode unter König Friedrich dem Grossen bezieht. „Wras soll nur dieser preussi-sche König!" heisst es da, „dieser Erzfeind Oesterreichs, der allen Leuten einen Gott „nach ihrer Facon" empfahl, in einem österreichischen Schulbuche? Die Schamröthe muss jedem patriotischen (Österreicher in die Wangen steigen, wenn er in den Schulbüchern seiner Kinder solche Dinge liest. Also fort mit diesen abscheulichen Büchern, je rascher, desto besser!" — Es kommen noch weit stärkere fanatische Ausfälle gegen deutsche Fürsten, Helden, Dichter und Gelehrte in den Grazer und Linzer ultramoutanen Organen vor, die wir aber lieber verschweigen wollen. — Ausserdem ward in Tirol wieder ein neuer Schulsturm in Scene gesetzt, die Klerikalen forderten nämlich sämmtliche Gemeinden Tirols auf, an den Landesrath, wie an den Reichsrath Bittschriften einzusenden, deren Inhalt in folgenden 4 Punkten gipfelt: Die Schule muss wieder eine ganze katholische werden, da auch das Land katholisch ist; die Candidaten des Lehrerstandes müssen nach katholischen Grundsätzen gebildet werden; die alten guten Schulbücher sollen neu aufgelegt und wieder eingeführt werden; und schliesslich hat der 7. und 8. Schuljahrgang auszufallen, weil diese Hinrichtung für die bäuerlichen Verhältnisse Tirols eine unerträgliche Last ist. Dafür soll aber wieder die sogenannte „Feiertagsschule" eingeführt werden, zu deren Besuch alle Schüler bis zum vollendeten 16. Jahre verpflichtet sind! Ein sonderbares Seitenstück zu diesen eigenartigen, jedenfalls für unsere moderne Zeitrichtung, die, ganz abstralürt v< >n den herrschenden liberalen Anschauungen, schon aus nationalökonomischen Gründen eine möglichste Hebung der Volksschulen nach jeder Richtung verlangt, gelinde gesagt, unpassenden Agitationen der Ultramontanen auf dem Gebiete des Schulwesens ist die im höchsten Grade traurige materielle Lage der Schullehrer in Tirol. Der jährliche Durchschnittsgehalt eines Lehrers beträgt in Deutschtirol 182 Fl., in Welschtirol nur 164 Fl., also per Tag ungefähr 50 Kreuzer. — Die Nebeneinkünfte sind gleichfalls gering: so kann der Kirchendienst in Deutschtirol pro Jahr und Kopf auf 58 Fl., in Welschtirol auf 1 Fl. veranschlagt werden. In Deutschtirol gemessen die meisten Lehrer, namentlich die an den einclassigen Schulen, allerdings freie Wohnung und Freiholz; in Welschtirol kommt dies nur in einzelnen Fällen vor. Die Pensionsverhältnisse sind ganz erbärmlich; da die Gemeinden den Ruhegehalt zu zahlen haben, so müssen die Lehrer häufig den Rechtsweg beschreiten, um die ihnen gesetzlich zukommende sehr niedrige Bension zu erhalten. Für Lehrerwittwen beträgt die Bension im günstigsten Falle pro lag 8 Kreuzer. Nur die Städte Innsbruck, Bozen, Trient und Roveredo haben die Gehaltsfrage der Lehrer in einer entsprechenden Weise geordnet. Angesichts solcher Thatsachen richteten 1 100 Lehrer Tirols eine Denkschrift an den Landtag, um Oeas „Realgymnasium" vertritt die Stelle des Untergymnasiums und der Unterrealschule und besitzt einen vierjährigen Kursus; öfters sind mit ihm jedoch auch Obergymnasial- und Ober-realklassen verbunden. — Im Jahre 1S81 82 betrug der Stand aller dieser Lehranstalten: Lehranstalten C testerreich Ungarn Zusammen Gymnasien (Ober- und Unter-Gym- nasien vereint)...... I06 I 1 1 217 Selbstständige Untergyninasien 23 42 65 Summe der Gymnasien . . 129 153 282 IO 3 13 „ mit Obergymnasiab 18 5 23 Realgymnasien mit Oberrealschul- I — rßl& Realgymnasien mit Obergymnasial- und Oberrealklassen .... 7 — 7 Summe der Realgymnasien . 36 8 44 Selbstständige Realschulen . . . 63 28 9i Selbstständige Unterrealschulen L" 11 28 Summe der Realschulen . . 80 39 119 Hauptsumme aller Anstalten 245 200 445 Die Zahl der Lehrer und Schüler bezifferte sich in diesem Zeiträume: < testerreich Ungarn Zusammen Lehrer Schüler Lehrer Schüler Lehrer Schüler Gymnasien 2553 40.993 2037 34.910 4590 75.903 Realgymnasien 657 9632 94 1165 751 10.797 Realschulen 1415 15.251 524 5752 1939 21.003 Summe: 4625 65.876 2655 41.827 7280 107.703 Im Sommer 1883 haben zuiB ersten Male die Maturitätsprüfungen an den Mittelschulen in Ungarn nach den Vorschriften des ungarischen Mittelschulgcsetzes stattgefunden. Die Regierung in Budapest hatte zu diesen Prüfungen eine Reihe von Vertretern entsendet, welche über die Schülerleistungen eingehenden Bericht erstatten sollten. Diese Berichte gaben nachträglich Veranlassung zu einer im officiösen „Nemzet" erschienenen Arbeit, indem namentlich diejenigen Stellen von grosserem Interesse sind, welche über die Prüfungsergebnisse in der deutschen Sprache handeln. „Bei den schriftlichen Autgaben in der deutschen Sprache", heisst es in diesem vortrefflichen Artikel, wiederholen sich die mangelhaften Leistungen, die im Lateinischen hervortraten, u. z, nicht nur bei den reformirten Anstalten der rein magyarischen Gegenden, wie z. B. im Alföld; sondern, was auffallender ist, auch bei einigen Anstalten der Evangelischen, welche doch vom deutschen Wort und von der Berührung mit Deutschen durchaus nicht abgeschlossen sind. So konnte beispielsweise, im deutschen Oedenburg, die Prüfungskommission die deutschen Arbeiten und überhaupt den Erfolg des deutschen Sprachunterrichts nur in einer Reihe mit dem lateinischen stellen, dfther „nur bei grosser Nachsicht einigermassen geigend finden". — Ein anderer Berichterstatter in Budapest klagt ebenfalls über die mangelhaften Leistungen im Deutschen: 780 ( >csterreich-l ngar: „Ueber die deutschen Arbeiten kann ich nicht viel Gutes sagen: die Aufgabe war zwar nicht die zweckmässigste, aber Schüler, welche so deutsch schreiben, wären auch mit einer anderen Aufgabe nicht glücklich gewesen. Wahrhaft überraschend erschien jedoch die Unbewandertheit vieler Schüler im Gebrauch der deutschen Sprache; viele Arbeiten waren voll, von bis /ur UnVerständlichkeit fehlerhaften Ausdrücken und Wendungen. Schon zeigen sich auf Schritt und Tritt die Wirkungen der Vernachlässigung der modernen Sprachen und insbesondere des nachlässigen Unterichts in der deutschen Sprache." In seinem Berichte über das Gymnasium in Rosenau sagt derselbe Brüfungskommissär: „Die deutschen Arbeiten haben nicht einmal meine durch die Verhältnisse ohnehin herabgeminderten Forderungen befriedigt, denn mit Ausnahme einiger besserer und mittelmässiger Arbeiten waren die eingereichten Arbeiten so schwach, dass ich eine energische Verwahrung oder protokollarische Erklärung hinsichtlich ihrer Annahme nur deshalb nicht gemacht habe, weil die bisherigen Verhältnisse einen einigermassen befriedigenden Erfolg nicht möglich gemacht haben. In der Conferenz sah ich mich indessen veranlasst, meinen Besorgnissen bezüglich der Vernachlässigung der deutschen Sprache, sowie meiner Ueberzeugung Ausdruck zu geben, dass man auch im Gymnasium mit dem Unterricht der einzigen obligaten modernen fremden Sprache nach grösseren Erfolgen streben müsse." — Alexander Imre. der Regierungsvertreter für die reformirten Gymnasien in De-breezin und 1 IodmejöA'ascharhely, findet am meisten in die Augen springend die Schwäche der Schüler in der lateinischen und deutschen Sprache. „Bedeutend erschien die Zahl derjenigen Schüler, welche nicht einmal die elementarsten Formen im Lateinischen treffen konnten; ähnlich scandalös war auch die Unbewandertheit in der deutschen Sprache. Es scheint, als verfolge die öffentliche Meinung diese beiden am erfolgreichsten." Wie aus diesen Thatsachen hervorgeht, rächt sich jetzt jene Massregel der ungarischen Regierung, welche nach i S67 hunderte von tüchtigen deutschen Lehrern, die sich nicht inagyarisiren wollten oder nicht schnell genug die magyarische Sprache aneignen konnten, ihrer Stellung an den ungarischen Mittelschulen enthob und ins Elend trieb. InCisleithanien war noch bis vor Kurzem das höhere Schulwesen in Schlesien hauptsächlich deutsch; die czechische Propaganda hat es aber auch hier verstanden, für ihre Pläne bezüglich der Mittelschulen den Hoden zu ebnen. Der czechische Schulverein, der bei verbal tu issmässig geringer Mitgliederzahl sehr bedeutende Summen aufbringt, errichtete vor zwei Jahren ein czechisches Untergymnasium in Troppau, das anfangs nur den Charakter eines Privatinstitutes hatte. Diese Anstalt war die erste czechische Mittelschule in Schlesien; wie die nöthige Schüleranzahl für dieselbe geworben wurde, ist aus ähnlichen Vorgängen in deutsch-böhmischen und deutsch-mährischen Städten bekannt. Vor einiger Zeit hat nun das Unterrichtsministerium dem czechischen Untergymnasium in Troppau das Recht der OefTentlichkeit verliehen. — Nach einigen Jahren wird es dann dem Staate zur Erhaltung übertragen werden, ganz wie jetzt die deutschen Bürgerschaften von Reichenberg, Dux, Nürschau, Leitmeritz, Trautenau u. s. w., auch genöthigt sind, die czechischen Brivatschulen auf Gemeindekosten zu erhalten. Aus dem czechischen Untergymnasium entwickelt sich selbstverständlich mit der Zeit ein Obergymnasium; schliesslich werden die Czechen erreichen, dass ihnen die eine oder andere deutsche Mittelschule Schlesiens ausgeliefert und somit der Czechisirung überantwortet wird. Damit kommt man dann auf der Bahn der Slawi-sirung Schlesiens ein gutes Stück vorwärts. - Im czechischen Lager ist man natürlich mit dem Verlaufe der Dinge ganz zufrieden! — Den „böhmischen Nebenländern'' Mähren und Schlesien wird immer mehr der slawische Stempel aufgedrückt, und wenn nach einem Jahrzehnt die „Gleichberechtigung" ganz durchgeführt sein, man in jeder reindeutschen Stadt czechische Schulen , in jeder deutschen Dorf- und Stadtschule czechischen Unterricht finden wird, und schliesslich alle deutschen Beamten, die das slawische Idiom nicht verstehen, beseitigt und durch Czechen ersetzt sein werden, d annergiebtsich die Wiederher s tellun g des„bÖ h mischen Staatsrechtes", wie es seinerzeit unter Hohenwart geplant war, ganz von selbst! In Oesterreich-Ungarn bestehen gegenwärtig i i Universitäten, u. z. je eine in Wien, Graz, Innsbruck, Lemberg, Krakau, Czernowitz, Budapest, Klausenburg, Agram und zwei, eine deutsche und eine böhmische, in Prag. Jede Universität hat gewöhnlich 4 Facultäten, eine theologische, welche nur in Czernowitz griechisch-orientalisch, sonst aber überall katholisch ist, eine rechts- und staatswissenschaftliche, eine medicinische und eine philosophische Facultät. Ausnahmsweise fehlt den Universitäten in Lemberg, Czernowitz und Agram die medicinische, der Hochschule in Klausenburg die theologische Facultät, und es bestehen dafür an der letztgenannten eine philosophisch-philologisch-historische und eine mathematisch-naturwissenschaftliche Facultät. — Die Zahl der Brofessoren und Docenten sowie der Studirenden betrug an den Universitäten Oesterreich-Ungarns im Wintersemester 1882/83 i Stiftunjjs- Leh- Studi- jähr rende rende Rudolf-Albrcchts-Universität in Wien . . '365 258 50OO Königl. Universität in Budapest .... «635 I50 3260 Karl-Ferdinands-Universität in Prag}: * hJbohm. L34S 1882 94 46 X694 1054 branzcns-Universität in Lemberg . . . I784 56 987 Karl-branzens-Universität in Graz . . . 1586 105 965 Jagellonische-Universität in Krakau . . . 1364 65 8ll Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck 1673 76 686 Stiftungs- Leh- Sludi- jahr rende reiule Königl. Universität in Klausenburg . . . 1872 55 430 Franz-Josefs-Universität in Agram . . . 1874 38 416 Franz-Josefs-Universität in Czernowitz . . 1875 36 270 Summa: 979 15-573 Vergleichen wir dagegen den Stand der übrigen Universitäten Europas im Studienjahre 1882/83, so finden wir, dass Deutschland 20 bezw. 22 Universitäten mit 2011 Kehrenden und 25.442 Stu-direnden hatte; England besass 8 eigentliche Universitäten und 7 sogenannte Colleges, welche insgesammt 509 Lehrer und 18.170 Studirende aufwiesen. Frankreich hat bekanntlich keine staatlichen Universitäten, sondern nur Facultäten und zwar 13 juridische, 11 medicinische, 15 medicinische Vorbereitungsschulen und 30 Facultes des sciences et lettres, welche insgesammt 1184 Lehrer und 1 5.526 Studirende aufweisen, ausserdem giebt es in Frankreich 5 katholische Universitäten. Italien besass 17 Staats- und 4 freie Universitäten mit 1655 Lehrern und 11.728 Studirenden; Kussland 8 Universitäten mit 709 Do-centen und 10.305 Studenten; Schweden-Norwegen 4 Universitäten mit 243 Lehrern und 3425 Studenten; Holland 5 Uni-niversitäten mit 192 Lehrern und 1685 Studenten; Belgien 4 Universitäten mit 253 Lehrern und 4072 Studirenden; die Schweiz 6 Universitäten mit 375 Docenten und 2031 Studenten; Spanien 10 Universitäten mit 475 Docenten und 13.722 Studenten und Rumänien 2 Universitäten mit 87 Docenten und 693 Studenten, Portugal, Griechenland, Serbien und die Türkei haben nur je eine Universität Am 11. Getober 1884 erfolgte durch den Kaiser im Beisein der Erzherzoge, Minister, Staats- und Stadtbehörden, zahlreicher in- und ausländischer Professoren, Abgeordneten und des Erzbischofs mit Geistlichkeit die feierliche Schlussstein-tegung der Wiener Universität. 1 heses prachtvolle Gebäude, eine Währe Zierde Neu-Wiens, ist das Werk des genialen Architekten „Ferstel", der sich bereits durch die Erbauung der „Votivkirche und zahlreiche andere Bauten glänzende Verdienste um die monumentale Verschönerung der alten Kaiserstadt erworben hat. Die Universität ist in dem edlen vornehmen Style der toskanischen Frührenaissance gehalten und in glücklicher Weise wurde hier der Palaststyl den speciellen Zwecken einer Hochschule dienstbar gemacht. — Die Universität bildet ein mächtiges Viereck mit Räumen für die meisten Auditorien und die Sammlungen der Universität. Zu dem mit Sculpturen geschmückten Borticus, aus dem man in das Vestibül mit durch zwei Stockwerke erfüllender Aula tritt, führen eine Rampe und eine Freitreppe. — Auf die Ansprache des Rectors erwiderte der Kaiser mit dem Ausdruck der Freude, die Heimstätte der ersten Bildungsanstalt des Reichs so glänzend vollendet zu sehen und wünschte, dass die Jugend, indem sie sich der grossen, für die Bildungsstätte aufgewendeten Opfer dankbar erinnere, in allen Zweigen der Erkenntniss der Liebe zu dem gemeinsamen Vaterlande erstarken möge. Es werde seinem Herzen wohlthun, in den Fortschritten an echter Wissenschaft und Tugend die Bürgschaft einer glücklichen Zukunft zu erkennen. In dieser Hoffnung versichere er Lehrern und Schülern für allezeit seine besondere Gnade und Fürsorge! -— Die Rede wurde mit begeisterten Hochrufen aufgenommen, die sich wiederholten, als der Kaiser nach Schluss der Feier das Gebäude verliess. — Im grossen Ganzen bildet die Oe-schichte der Wiener Universität eine Episode in dem grossen Kampfe zwischen geistlicher und weltlicher Macht, sie stand anderthalb Jahrhunderte unter der Herrschaft der Jesuiten, um dann dreiviertel Jahrhundert eine Dressiranstalt für Beamte und Advokaten zu sein. Nur die medicinische Facultät diente auch vor der Umwälzung des Jahres 1848 der echten Wissenschaft. -Eine philosophische Facultät existirte nur dem Namen nach, ,,Bhilosophisches Denken und Forschen" war zu jener Zeit aufs Strengste in Oesterreich verpönt und kaum war das, was geboten wurde, philosophische Propädeutik. — Die Philosophie, welche damals aus zwei Jahrgängen bestand, war eine Fortsetzung des Gymnasiums, daher weniger ein selbständiges Studium und eine Facultät für sich, sondern das vorbereitende Studium für die anderen Facultäten, und es konnte Niemand medicinische, juridische oder theologische Studien treiben, der nicht früher diese philosophischen absolvirte hatte. Während in allen anderen Facultäten, mit Ausnahme der theologischen, kein Religionsunterricht ertheilt wurde, bildete dieser in der philosophischen einen Lehrgegenstand, wie jeder andere. Charakteristisch ist es auch, dass nur jene 1 lörer verpflichtet waren, im ersten Jahre Naturgeschichte und im zweiten Weltgeschichte zu studiren, welche nicht in der Lage waren, das Schulgeld zu bezahlen. — Das Jahr 1848 verhalf, sowie dem ganzen geistigen Leben in Oesterreich, auch der Universität zu einem grossen Aufschwünge. Am 23. März wurde Freiherr v. Sommaruga zum Unterrichtsminister ernannt, und schon am 30. März erliess er ein Rundschreiben, in welchem er die Universitäten und sonstige wissenschaftliche Corporationen aufforderte, ihm Vorschläge bezüglich der Reform des gesammten Unterrichts zu machen. — Kaum begann die Universität ihre neue Freiheit zu gemessen, noch war keine der geplanten Reformen eingeführt, als sich auch schon der alte F'eind der freien Wissenschaft regte, denn bereits am 15. Juni 1849 überreichten die in Wien versammelten Bischöfe Oesterreichs eine Denkschrift, um Alles wieder rückgängig zu machen. Sie sagten darin unter vielem anderen: „Der Staat vermag seine Kraft nur aus der Religion zu schöpfen, und wenn die Staatsgewalt es unternimmt, selbständig über den Unterricht zu verfugen, so zerstört sie, anstatt ZU bauen. — Während der Protestantismus der Auflösung rasch entgegengeht, steht die katholische Kirche unerschütterlich auf dem Felsen, welchen Gottes bland gebaut hat. — Das preussische Unterrichswesen verdient wenig Beachtung, denn es hat die Probe der Oesterreich-Unjjarn. 50 Erfahrung nicht bestanden. Der Staat der Intelligenz trug die kläglichste Ohnmacht und Zerrissenheit der sittlichen Ueberzeugungen zur Schau. — Der Entwurf der Grundzüge des Unterrichtswesens in Oesterreich, der dem preussischen nachgeahmt ist, entstand, als die Fieberwuth der Revolution sich ihrem Höhepunkte näherte u. s. w." — Diese Denkschrift verfehlte auch nicht ihre Wirkung, denn wenige Wochen, nachdem sie eingereicht worden, übernahm Graf Leo Thun das Ministerium für Unterricht und Cultus. Er hatte letzteres Portefeuille noch dazu genommen, weil er glaubte ersteres allein nicht mit Erfolg leiten zu können, und doch wäre es jedenfalls für Oesterreich besser gewesen, wenn er sich mit dem Unterrichtsministerium allein begnügt hätte, denn als Chef des Ressorts für Cultus hat er eifrig zum Abschluss des Concordats mitgewirkt. — Während der Leitung des Unterrichtsministeriums erwarb er sich um die Reform der Studien an den Universitäten Oesterreichs, speciell aber an der Wiener Universität grosse, ja wir können mit Recht sagen, unsterbliche Verdienste, obwohl auch nicht zu bestreiten ist, dass ihm da und dort das Concordat stark im Genicke sass. Er war es, der die Universität aus ihrem Verfalle hob, er schuf aus einer, mit .Ausnahme der med i ein i sehen und wenigen Disciplinen an der staatswissenschaftlichen Facultät, mittelmäs-sigen, verkommenen Unterrichtsanstalt eine wirkliche Universität. Und als die Zeit des Concordatsabschlusses kam und ein vom Staatsrathc im Jahre 1856 entworfener Contre-reformplan die Universität wieder in ihren früheren Zustand zurückversetzen wollte, war er es, der dieses Schriftstück ad acta legte. Die Unterrichtsverhältnisse an der Wiener Universität haben sich seit den letzten Decennien bedeutend gebessert, und es wurden sehr tüchtige Professoren für die verschiedenen Lehrstühle gewonnen; immerhin bleibt aber noch Manches zu wünschen übrig, was hier zu erörtern uns jedoch zu weit führen wurde. Dahin gehören z. B. die noch immer erfolglosen Bestrebungen der in Wien docirenden evangelischen Professoren der Theologie, in den Universitätsverband aufgenommen zu werden. Diese Bestrebungen sind fast so alt, wie die Reformation; allerdings haben sie nach der Gegenreformation lange Zeit geschlummert, aber sie erwachten sofort wieder zu neuem Leben, als im Jahre 1781 Kaiser Josef II. confessionelle Duldung gewährte. Seitdem ist wieder mehr als ein Jahrhundert verflossen, ohne dass dem Miss-verhältniss ein Ende gemacht worden wäre — immer fanden sich neue Hindernisse, die eine räumliche und gesetzliche Vereinigung der evangelisch - theologischen Lehranstalt oder Facultät mit den übrigen Theilen der Wiener Universität verhinderten. Kaiser Josef selbst musste den Verhältnissen Rechnung tragen, erklärte er doch, die Beseitigung der drei Thürme des zur evangelischen Kirche umgewandelten Nonnenklosters müsse deshalb verfügt werden, „weil man den Vor-urtheilen anderer auch etwas nachgeben müsse!" Später Wurden die Vorurtheile keineswegs geringer und die Hoffnungen der evangelischen Theologen bezüglich der Universität sanken immer mehr. Erst die letzte Zeit, besonders der Universitäts-Neubau gab neue Zuversicht, und thatsächlich wurden auch in dem Ferstel'schen Entwurf für die evangelisch-theologische Facultät einige 1 lörsäle reservirt, ja die Minister Giskra und Stremayr gaben sogar bindende Zusagen auf Erfüllung des langgehegten Wunsches, damit war aber auch Alles geschehen! — Die neue Universität in Wien ist jetzt fertig, aber die evangelisch-theologische Facultät haust noch immer in ihren alten dumpfen Räumen, und wie es scheint, wird sie auch noch lange vom Universitätsverbande, von der Rectorenwahl u. s. w. ausgeschlossen sein. Störend auf die ruhige Entwicklung der Wiener Universität wirkte auch in neuerer Zeit die „Massen - Affaire", welche schliesslich zu einer Disciplinaruntersuchung geführt hatte, die 788 (. »esteneich-Lugarn. manch' sonderbare Zustände an das Tageslicht förderte, sowie andere Demonstrationen und Skandale, die sich auf dem Gebiete des in ()csterreich-Ungnrn ja leider chronisch gewordenen Nationalitätenhaders abspielten und bis zur heutigen Stunde noch nicht beendet sind. So ist die kaum erreichte Einigung der nationalen Studentenschaft in Wien bereits wieder zerstört, und auf dem S. 1). G vom 4. December 1 (884 drückte der Vertretet- einer conservativen Burschenschaft im Namen sämmt-licher das Ansuchen aus, die Wiener „Progressburschenschaften" möchten im Interesse der nationalen Sache auf die Bezeichnung „Burschenschaft" verzichten. Dieses Ansuchen wurde von den progressislischcn Burschenschaften als gänzlich unberechtigt zurückgewiesen, worauf die Conservativen ihren Austritt aus dem S. I). C. erklärten. Eine Deputation der Burschenschaft ,,Thuringia" begab sich nun am 19. Dec. zum Universitätsrector, um demselben die mit Rücksicht auf das Verhalten der conservativen Burschenschaften gelegentlich der letzten unerquicklichen Vorgänge an der Universität beschlossene Auflösung der Thuringia anzuzeigen. Dem Ersuchen, diesen Beschluss durch öffentlichen Anschlag an der Universität der Studentenschalt bekannt zu geben, wurde auch entsprochen. Die Zustände an der „Prager Universität", der ältesten deutschen Hochschule, zu der bis Anfang des 15. Jahrhunderte Studenten aus allen Theilen Kuropas strömten, sind derartig unerquickliche, dass sie in neuerer Zeit wiederholt im Abgeordnetenhause zur Sprache gebracht wurden, ja einer der Abgeordneten führte sogar bittere Klage über die Verhältnisse an der deutschen Universität in Prag, wie sie sich seit dei Errichtung der czechischen Universität herausgebildet hatten. Dieser Abgeordnete sagte unter anderem: „Die deutschen Professoren in Prag sind wahre Märtyrer der Wilsen schaff geworden. Anstatt sich ihrer Lehrthätigkeit und ihren Forschungen hingeben zu können* sind sie gezwungen, tagtäglich einen Kampf um ihr Dasein, ja um ihr gutes Recht zu führen. Dabei habe sich auch noch ein anderes merkwürdiges Verhältniss herausgebildet, während alle anderen Universitäten in Oesterreich direct nur mit dem Ministerium verkehren, habe sich in Prag ein Zwischenglied in der Person des Statthalters eingeschoben, aus dessen Erlässen nie zu entnehmen sei, was seine Anschauung und was die des Ministeriums ist. Die Frage der gemeinschaftlichen Benützung des botanischen Gartens in Prag hätte man in unbefriedigter Weise durch Theilung gelöst Auch an der theologischen Fa-cultät in Frag wären die Verhältnisse derartige, das s ■de weder den Deutschen, noch den Czechen entsprechen können." — Der Rector der deutschen Universität in Prag sah sich auch veranlasst, in Folge der Vorgänge während seiner Amtsführung, besonders aber durch den in der Immatriculations-Frage der Theologen von Oben auf ihn ausgeübten Zwang, die Rectoratsgeschäfte niederzulegen. — Das Unterrichtsministerium hatte bekanntlich trotz einer an dasselbe gerichteten Vorstellung des akademischen Senats entschieden, ilass das Gelöbniss bei den Theologen nicht der Rektor, sondern der Dekan der theologischen Facultät abzunehmen habe. Jene Verfügung war ein Eingriff in ein gesetzlich gewährleistetes Recht der Universität, demnach von grosser principieller Bedeutung, die um SO grösser erscheint wenn man erwägt, dass durch eine derartige Verfügung* welche hinsichtlich einer allen Studenten gleichmässig obliegenden Verpflichtung für die Theologen eine Ausnahmsbestimmung" schafft, ein Riss in die Structur der Universität herbeigeführt wird, der, ob gewollt oder nicht, zunächst eine Sonderstellung der theologischen Facultät herbeiführen muss. Es bedarf dann nur noch der Wiederholung ähnlicher Verfügungen bei passenden Gelegenheiten, um eine vollständige Destruction des Organismus der deutschen Universität in Brag herbeizuführen und damit ein heissersebntes Ziel der cze- chiscbcn Fanatiker in greifbare Nähe zu rücken. -Auch bei dem Inslebentreten der medicinischeri Facultät der czechischen Universität in Prag hatten sich Schwierigkeiten wegen Unterbringung der czechischen Augenklinik ergeben und war eine zeitweilige Einrichtung dahin getroffen Wörden, dass die bisherige Augenklinik der deutschen Universität einen Theil ihres Bestandes an die czechische abtreten musste, in Folge dessen der verdiente Leiter derselben, Brof. Dr. 1 lasner. von seiner Stellung zurücktrat. Neuerdings hat nun die Statt halterei die 1 lerrichtung des zur Unterbringung beider Kliniken eigens angekauften Hauses auf dem Karlsplatz angeordnet. Die nöthigen Bauarbeiten wurden bis Ende März [885 fertig gestellt, so dass die Uebersiedlung der beiden Kliniken aus den bisherigen beschränkten Räumen bei Beginn des Sommersemesters durchgeführt werden konnte. Zu den neuesten Plänen der Ultramontanen in Oesterreich gehört jetzt die Errichtung einer „katholischen" Universität in Salzburg. Als sie zum Beginn der neuen Aera das Einlenken der Regierung in ihre Bahnen sahen, traten sie noch vorsichtig mit ihren Wünschen hervor, sie versuchten nur an dem Fundament der modernen Unterrichtsverfassung zu rütteln und erreichten mit Hilfe ihrer slawischen Verbündeten auch wirklich die Einschränkung der gesetzlichen Schulpflicht und die Wiederherstellung der geistlichen Bevormundung der Schule. Heute planen die Klerikalen bereits einen Hauptstreich gegen die Hochburgen der Wissen scharten und der freien Forschung, denn die katholische Universität zu Salzburg soll ein geistiger Brennpunkt der rückschrittlichen Bestrebungen in Oesterreich, ein Bollwerk und zugleich eine Rüstkammer des ultramontanen Gedankens in den Alpenländern werden. Die Ultramontanen wissen ganz genau, was sie bezwecken, wenn sie auf Schleichwegen die Stätten der Wissenschaft in ihren Besitz zu bringen suchen. — Auf den deutschen Universitäten werden seit Jahrhunderten die grossen Schlachten gegen die Dunkelmänner geschlagen und siegreich ausgefochten, dort wurden die Fesseln des freien Gedankens gesprengt. Der Arbeit dieser deutschen Hochschulen suchte Rom seit jeher, wenn auch vergebens, mittelst der katholischen Universitäten entgegenzuwirken. Zu Freiburg im Breisgau, Ingolstadt und Mainz vertheidigte man im Zeitalter der Reformation die Grundsätze des Ultramontanismus, zu Salzburg, Innsbruck und Bamberg wurde später der Kampf gegen die neuen Ideen geführt. Jetzt sehen die Ultramontanen Oesterreichs abermals die Nothwendigkeit ein, ihre wankende Sache mit den I lilfsmitteln der Wissenschaft auszustatten, und mit einem wahren Feuereifer treten sie für die „freie" katholische Universität in Salzburg ein! — Als „Canonicus Lechner" im oberösterreichischen Landtage zu Linz den Antrag auf Errichtung einer katholischen Universität in Salzburg einbrachte, suchte er denselben folgendermassen zu begründen: „Es besteht für uns keine andere Universität, als die in Wien, diese ist mit Zuhöhrern überfüllt und hat den Nachtheil, sich in einer grossen, der Corruption ausgesetzten Weltstadt zu befinden, wo überdies das Leben sehr theuer ist. Viele Beamte, die ihre Söhne einem höheren Studium zuführen wollen, können die Mittel kaum aufbringen, um dieselben in Wien studiren zu lassen. Es wäre daher zu wünschen, dass in einer Stadt eine Universität errichtet werde, wo man billig leben kann, und zwar zunächst eine katholische Universität. Es ist bekannt, dass auf der Wiener Universität sehr Vieles, was nicht mit der Wissenschaft im Zusammenhange steht, was sogar gegen die Wissenschaft ist, betrieben wird-Die Demonstrationen, die sich vor zwei Jahren in Wien er. eignet haben, sind ja bekannt. Es ist dem Studium gewiss nicht zuträglich, sondern sehr abträglich, wenn die Studirenden. statt mit der Wissenschaft sich zu beschäftigen, mit politischen Demonstrationen sich abgeben, und wenn sie, statt zu studiren, in Kneipereien und dergleichen gegen gewisse Professoren, die ihnen nicht genehm sind, demonstriren und nahezu einen Aufruhr an der Universität machen. Dieses Alles aber bringt das politische Leben in Wien, dann der Verkehr der grossen Weltstadt mit sich; ja es sind Leute dort beisammen, namentlich von einer gewissen Rasse, die in Wien dominirt, welche die Studenten in ihr Gewebe hineinziehen. Uebrigens haben diese grossen Universitäten eine Richtung eingeschlagen, die ich sehr einseitig nennen muss, auch vom Ständpunkte der Wissenschaft aus, nämlich die, welche rein auf den Unglauben ausgeht. Ks ist fast so weit gekommen, dass nur der Ungläubige sich Gebildeter nennen zu dürfen glaubt, und das glaubt man schon selbst auf dem Lande. Das kann der Wissenschaft gewiss nicht dienlich sein, wenn dort ein solcher Geist eingesogen wird. Ks wird daher gewiss kein Schade sein, w enn auch der Wahrheit an der Universität obgelegen und ein ehrlicher Kampf mit den Waffen der Wissenschaft gekämpft wird, der Wahrheit zur Lhre. Der Wissenschaft könnte es nur förderlich sein, wenn nicht alle Niederträchtigkeit dieser vermeintlichen Wissenschaft ihr entgegengestellt wird. Zudem haben die Väter wohl ein Recht, dass ihre Sohlte, wenn sie auf die Universität kommen, dort nicht zu Grunde gerichtet werden. Ks ist aber bei den Strömungen, die an der Wiener Universität herrschen, beinahe unmöglich, dass einer ungeschädigt herausgeht, und es gehört ein fester Charakter dazu, um allen diesen Versuchungen zu widerstehen. Es wäre sehr wünschensw erth, dass dieser Gedanke, der angeregt worden ist, in Salzburg diese alte Universität wieder ins Leben zu rufen, verwirklicht werde. Dann möchte ich noch anführen für Salzburg, damit man nicht meine, ich sei kein oberösterreichischer Patriot, da ich sie nicht für Linz beantrage: Salzburg hat einige Vorzüge, welche die Stadt Linz nicht hat. Einmal bestand dort schon eine Universität, es sind dazu Gebäude vorhanden, eine bedeutende grosse Bibliothek und dann ist es, weil es eine katholische werden soll, der Sitz eines Erzbischofs seit den ältesten Zeiten, der auch den Titel Primas von Deutschland und eine grosse Kirchenprovinz hat; überdies besitzt Salzburg" eine sehr schöne Lage, die auch den Geist fördern würde. Es liegt nicht in einer trostlosen Ebene, sondern in der frischen Natur; auch würde Salzburg an der Grenze von Oesterreich eine besondere Anziehungskraft auf Bayern und das Deutsche Reich üben, da viele die katholische Wissenschaft vorziehen würden! — Die Lebensmittel sind in Salzburg nicht theuer, und es würde dort viel leichter durchzukommen sein. Das sind die Gründe, die mich bestimmen, diesen Antrag zu stellen, den ich der Beachtung und Unterstützung der kaiserlichen Regierung empfehle." — Dieses langgeplante Brojekt einer katholischen Universität in Salzburg ist nun endlich so weit gediehen, dass die katholische ecclesia militans in Deutsch' i and und Oesterreich nunmehr zur Ausführung zu schreiten gedenkt. Wie man aber in ultramontanen Kreisen das Insleben-treten dieser „römischen Universität deutscher Nation" ermöglichen will, darüber giebt das „Vaterland" folgende Auskunft: „Da in Salzburg eine theologische bacultät besteht, handelt es sich nur um die Schaffung der drei weltlichen Lacultäten. Zunächst würde man zur Gründung der historisch-philosophischen Eacultät schreiten, für welche eine Summe von 600.000 bis 700.000 El. ausreichend ist. In Wien liegt jetzt beim Kultusministerium ein Fonds von 319.000 El., der von der aufgehobenen Salzburger Universität herrührt. Diese Summe wollen die Interessenten reklamiren; ferner sind in Deutschland 150.000 Mark für eine freie katholische Universität gesammelt worden, welche man zu erhalten hofft, und der Rest würde durch Geldsammlungen aufzubringen sein" — Am 28. December 1884 erfolgte auch bereits in Salzburg der Zusammentritt des „Vereins zur Gründung einer katholischen Universität". In dieser verglich der Landeshauptmann Graf Chorinsky die beabsichtigte Gründung der Universität mit der Christianisirung Westafrikas und sprach über den Zusammenhang zwischen physischer und geistiger Kultur. — Es wurde schliesslich der Versammlung mit-getheält, dass sich bereits 2 Stifter, 22 Wohlthäter und 500 zeitliche Mitglieder zum Beitritt in den Verein gemeldet hatten und dass das Gesammtergebniss der bisherigen Sammlungen bis nun 1900 Fl. beträgt. An Speciallehranstalten bestehen in Oesterreich-Ungarn ausser den bisher in früheren Abschnitten schon genannten oder später noch hervorzuhebenden: Die öffentliche Lehranstalt für die orientalischen Sprachen in Wien; ferner die 13 Rechtsakademien in Bressburg, Kaschau, Grosswardein-Raab, Hermannstadt, Erlau, Fünfkirchen, Debreczin, Kecskemet, Marmaros-Sziget, Saros-Patak, Papa und Eperies; von diesen sind die erstgenannten 5 Rechtsakademien Staatsanstalten, die zu Erlau und Fünfkirchen bischöfliche und die anderen evangelisch-confessionelle Institute; dann die „k. u. k. orientalische Akademie in Wien zur Heranbildung von Candidaten für den diplomatischen und Consular-dienst im Orient", welche sich eines weitverbreiteten Rufes erfreut. Ueber die Reorganisation dieser Akademie, welche durch ihre Vereinigung mit dem „Theresianum" eine? ganz neuen Gestaltung entgegengeht, sagt der „Bester Lloyd": >,Der dualistische Charakter dieses Instituts wird durch die successive Aufnahme aller Zweige des ungarischen Rechtsstudiums und durch die Einführung des ungarischen Sprachunterrichtes scharf markirt. Es wird auch den slavischen Sprachen erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt, dagegen beabsichtigt man, um die Kräfte des jungen Nachwuchses für den Consular-dienst etwas zu schonen, den Unterricht in den orientalischen Sprachen einzuschränken." — Ausserdem bestehen auch noch die k. k. Bergakademien zu Leoben und Brzibram, die königl. ungarische Bergakademie zu Schemnitz, die 9 Bergschulen, u. z. ö in Oesterreich, 3 in Ungarn; ferner die Akademie der bildenden Künste zu Wien (Staatsanstalt) und Prag; die Landes Zeichnungsakademie zu Graz; die k. k. Kunstschule zu Krakau; die Musikconservatorien zu Wrien und Prag; die Landesmusik-akademien und das Conscrvatorium für dramatische Kunst zu Budapest; und schliesslich 182 Gesang- und Musikschulen in Oesterreich. — Ausser all' diesen soeben aufgezählten Lehranstalten der verschiedensten Art giebt es in Oesterreich-Ungarn auch noch zahlreiche Vereine, die sich die Pflege der Wissenschaft zur Aufgabe gestellt haben, unter ihnen nimmt die „Geographische Gesellschaft in Wien", welche sich eines Weltrufs erfreut, eine hervorragende Stellung ein. Die Kunst und die Kunstsammlungen) die wissenschaftlichen und Ivunstvereinc. Wie wir aus den früheren Abschnitten und soeben auch aus der beträchtlichen Anzahl der Lehranstalten für Kunst gesehen haben, geschieht in Oesterreich-Ungarn, hauptsächlich aber in Cisleithanien, seit neuerer Zeit viel zur Förderung der Kunst, und besonders Wien hat seit einigen Jahrzehnten eine Kunstbedeutung gewonnen, die man nach der Oede der unmittelbar vorangegangenen Zeit keineswegs erwartet hätte. Zwar besass die alte Kaiserstadt an der Donau seit Ende des 17. Jahrhunderts eine Kunstakademie, doch hatte diese an der gegenwärtig in Europa so grossartig entwickelten Kunst nicht den geringsten Antheil, denn Füger wandelte andere Bahnen als Cornelius, Overbeck; auch Karl Russ, Krafft, L. Schnorr be-sassen nicht die Kraft, den akademischen Schlendrian zu durchbrechen. Daher verliessen die jungen Talente ihre Heimath und suchten sich in Rom, München und Paris weiterzubilden. In den tonangebenden Kreisen war eigentlich die längste Zeit nur die seichte Nachahmung des englischen Bortraitstils „Lawrence", eingebürgert und angesehen, und es ist erst das Verdienst „Karl Rabis", der seit der Revolution 1848 nach Wien übersiedelte, in die Wiener Malerei frisches Leben gebracht und sie wieder zu monumentaler Würde, zu stylvollem Lrnste emporgehoben zu haben. Doch hätten Rahl und der einsam wirkende Genosse ()verbeck\s, „Kührich," der erst in den letzten Lebensjahren seine volle Kraft entfaltete, die Wiener Kunst auf die Dauer nicht in Aufschwung erhalten können, wenn nicht günstige äussere Verhältnisse hinzugetreten wären, wie die im grössten Massstabe unternommene Stadterweiterung und die Anlage von zahlreichen Prachtbauten, welche der Architektur Aufgaben in so reichem Masse und so gewaltigem Umfange zuführten, dass sie noch viele Jahre brauchen wird, um dieselben zu beenden. Ueberdies hatten die eigenartigen „vorkrachlichen" wirtschaftlichen Verhältnisse Reichthümer mit leichter Mühe in Privathänden angehäuft, die naturgemäss zum Lebensgenuss aufforderten und daher veranlassten, sich auch die Künste dienstbar zu machen. — In Folge dessen wairde Wien wie mit einem Schlage ein wichtiger Kunstmarkt, die Privatsammlungen mehrten sich, Künstler wanderten zu, und so entstand in kurzer Zeit ein Kunstleben, dem auch der äussere Glanz nicht fehlte. — Das für zahlreiche Miether eingerichtete, vielstöckige, aber äusserlich palastartig gestaltete „Zinshaus" und die einheitlich sowie nach künstlerischem Gesetze durchgefühlte Decoration der inneren Räume, also die ornamentale Richtung in Plastik und Malerei, das zu reicher Blüthe entwickelte Kunsthandwerk, zeigen die Eigenart der Wiener Kunst. — Bei den modernen Kirchenbauten wurde zuerst die romanische, später, seit der Berufung Fr. Schmidts aber hauptsächlich der gothische Styl zur Anwendung gebracht. — Die Staats- und Communalbauten zeigen hingegen entweder antike oder Renaissanceformen, je nachdem die Entwürfe Uansen's oder Semper's vorherrschen. Semper, Hansen, Schmidt, in Verbindung mit I Iasenauer und dem verstorbenen Ferstet, van der Null, von Siccardsburg und Romano sind die berühmtesten Namer der Wiener Architektur. — Der Sculptur wurde aber andererseits bis zur heutigen Stunde nur selten Gelegenheit zu hervorragenden Arbeiten gegeben. Gasser, Fernkorn, Pilz und Kundmann haben unter den einheimischen Bildhauern das Reste geleistet, neuerdings wurde jedoch „Zumbusch" aus München berufen, um der Sculptur frischeres Leben einzuhauchen. — Unter den Malern der Gegenwart sind die Colo-risten in den Kreisen der Kunstfreunde am beliebtesten und angesehensten. Viele kamen aus München, andere genossen Pariser Schule, und nur wenige haben in der alteren Wiener Kunst, wie Friedländer in Waldmüller, ihre Wurzeln. — Die vornehmste Gruppe bilden Rabis Schüler, Griepenkerb Fisen-menger, Gaul etc. Durch sie, sowie durch Lauf berger u. a. wurde auch die monumentale Malerei vorzugsweise nach des Meisters Tode weiter gepflegt. Weitere Celebritäten sind der leider nur zu früh verstorbene Makart, ferner Angeli durch seine Bildnisse aus der Hofwelt bekannt geworden, Pettenkofen, R.Alt, Felix, Hoffmann, Lichtenfels, Deferegger, Karger u. s. w. Am reichsten an Kun.stschätzen ist Wien, und unter ihnen stehen die „Sammlungen in der k. k. I lofburg" an erster Stelle. So besitzt z. B. das Antiken-Cabinct, nebst vielen höchst werthvollen Gegenständen, die „Apotheose des Augustus" mit 20 Figuren, die zui- Zeit der Kreuzzüge in Jerusalem gefunden und später für 12.000 Ducaten von Kaiser Rudolf II. gekauft wurde. Keiner das grösste bekannte (roldgefässe, welches 614 Ducaten Gewacht bat: und die grosse Toison-( )rdenskette mit 49 in Muscheln geschnittenen Bildnissen der habsburgischen Fürsten von Rudolfi, bis Ferdinand III. — Am Burgring, dem Burgplatz gegenüber, erheben sich die neuen „k. k. Hof-Museen", zwei übereinstimmende Gebäude im formfreudigen Hochrenaissancestil nach bläuen vom „Semper" und „Hasenauer", welche, wenn erst die 1 lofburg aufgebaut sein wird, in schöner architektonischer Beziehung zu dieser stellen werden. Stolz ragen ihre mächtigen Kuppeln in die Höhe, auf ihnen die Kolossalstatuen des lichtspendenden I lelios und der die Häupter erleuchtenden Minerva; von den Dächern blickt ein Kranz Standbilder von Künstlern und Naturforschern aller Zeiten hernieder; und am Hauptportal des Kunstmuseums sind die herrlichen Figuren der Architektur und Kunstindustrie von „Kundmann" angebracht. — Der westliche Theil der Museen ist für die naturhistorischen, der östliche für die kunst-historischen Sammlungen bestimmt, jedoch sind die Sammlungen darin noch nicht vollständig aufgestellt. — Auf dem Platze zwischen den beiden Museen wird ein grossartiges Denkmal der Kaiserin Maria Theresia, in der Art des Friedrichs-Denkmals in Perlin, nach „Zumbusch's Entwurf, seine Aufstellung erhalten. —- Im „älteren Palast des Erzherzogs Albrecht" auf der Augustinerbastei befindet sich die berühmte Sammlung von Kupferstichen und Handzeichnungen, welche Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen angelegt und Erzherzog Karl fortgeführt hatte. In Bezug auf Handzeichnungen kann sie wohl eine der reichsten ganz Europas genannt werden, denn sie enthält 24.000 Blätter, darunter 150 von Rafael, 160 von Dürer, 150 von Rubens etc. Besonders beachtenswerth sind unter ihnen das Portrait des Kaisers Max 1., die sogenannte „grüne Passion", der I iase, die Blume etc. von Dürer, sowie eine grosse Anzahl Federzeichnungen und anderer Skizzen erster Meister. Die Kupferstichsammlung enthält über 200.000 Blätter in Foliobänden, worunter besonders die älteren Meister sehr reichhaltig vertreten sind, unter ihnen ragt hervor die Krönung Maria. Niello von Finiguerra, das Werk des Marc Anton, Raimondi in Prachtdrucken etc. — Die „neue k. k. Akademie der bildenden Künste" wurde in den Jahren 1872—76 von „Hansen" im Renaissancestil erbaut, der Sockel ist massiver Quader, die Stockwerke sind verputzter Ziegelbau mit Hausteingliederung und reicher Terracotta-Ornamentik. Die Fenster der Facade alterniren mit Nischen, in denen Thonnachbildungen der berühmtesten antiken Statuen stehen; am oberen Geschoss /.wischen den Fenstern befinden sich allegorische Einzelgestalten in Fresco von Eisenmenger. — Diese Akademie ward unter Leopold 1. gegen binde des 17. Jahrhunderts gegründet, erfuhr jedoch im Laufe der Zeit wiederholte Reorganisationen; ihre jetzige Verfassung als Hochschule der Kunst erhielt sie im Jahre 1872, doch verlegte man sie erst 1876 aus dem St. Annagebäude in den Neubau am Schillerplatze. Ueber die Freitreppe an der Facade gelangt man zu nächst in das säulengetragene Vestibül und von diesem direct in die Aula, zugleich Hauptsaal des Museums der Gipsabgüsse, in welchem ausser einer reichen Sammlung von Abgüssen antiker, mittelalterlicher und moderner Sculpturwerke, auch mehrere beachtenswerthe Originalwerke sich befinden, wie z. B, der „Torso einer Hera", griechische Arbeit der besten Zeit, das Bleimodell von Fischer's Anatomie, Reliefs, Büsten und Statuen von Raphael, Donner, Beyer, Zauner u. a. m. Im Mezzanin, an der Südseite, befindet sich die „Bibliothek", sowie die Sammlung von Kupferstichen und Handzeichnungen, unter welch letzteren besonders die nachgelassenen Werke Jos. A. Koch's, Landschaften aus Italien, Illustrationen zu Dante etc., buhrich's Zeichntingen zum „verlornen Sohn", der Nachlass Genelli's und Prachtblätter von Schnorr, Steinte, Schwind, Wächter, Schwanthaler, Rottmann u. a. hervorzuheben sind, während unter den Stichen die berühmte Hüsgen'sche Dürersammlung mit Dürers Haarlocken u. a. bedeutenden Kunstwerth besitzen. Der grösste Theil der im ersten Stock aufgestellten Gemäldesammlung ist ein Geschenk des „Grafen Anton Lamberg" vom Jahre 1821. Sie umfasst fast alle Schulen, doch sind unter ihnen die Holländer des 17. Jahrhunderts, wie der Delft'sche van der Meer, van Goijen. Ruisdael, Willem van de Velde besonders gut vertreten. Die zweite Schenkung deš Kaisers Ferdinand vom Jahre 1835 enthält S4 Bilder meist aus der venezianischen Schule. An diese reihen sich dann noch eine Anzahl von der Regierung angekaufte Bilder, ferner mehrere Bortraits und einige Compositionen von 1 L Füger. — Rechts am Stubenring befindet sich das „k. k. Oester: reichische Museum für Kunst und Industrie" und die , K u n stgew erbeschule", welche [868—71 und 1875- 77 im italienischen Renaissancestil nach „Ferstel's" Planen erbaut wurden. Sie sind aus Ziegelrohbau aufgeführt, die Gliederungen und Umrahmungen an dem ersteren Gebäude besteht aus I laustem, an dem letzteren aus Terracotta, am Museum erblicken wir zwei Sgraffitofriese nach „Laufberger" und 33 Ma-jolica-Medaillen mit Köpfen berühmter Künstler und Kunsthandwerker; an dem Verbindungsgange zwischen beiden Gebäuden erhebt sich das Kolossalbild der Pallas Athene nach „Laufberger" über einen Brunnen. Im Lrdgeschos.se des Museums befinden sich zu beiden Seiten eines quadratischen Arcadenhofs je vier Ausstellungssäle, ferner im ersten Stock Bibliothek-, Ausstellungs-, Vorlese- sowie Sitzungssäle und im zweiten Stock die Vorbereitungsschule. — Das Oesterreichische Museum wurde 1863 nach dem Vorbilde des „South Kensington Museums" gegründet; es hat die Bestimmung, wie wir schon an anderer Stelle mehrfach hervorgehoben haben, die kunstgewerbliche Thätigkeit durch Anschauung. Belehrung. Schrift und Wort, sowie durch Heranbildung tüchtiger Praktiker zu fördern. Durch die im Detail häufig vorgenommenen Acn-derungen in der Anordnung der Sammlungen wird so viel wie möglich die stufenweise Entwicklung der Technik und des StyL zur Darstellung gebracht. Im Säulenhof parterre und auf der Gallerie sehen wir figurale Plastik, meist in Gipsabgüssen nach älteren und neueren Werken. Im 1. Saal Goldschmiedekunst und verwandte Arten der Kunsttechnik, wie Email, Niello etc., darunter japanesische, chinesische, indische und orientalische Goldschiedearbeiten; im 2. Saal Thonarbeiten aller Länder der Erde und der verschiedensten Zeiten; im 3. Glas; im 4. Möbel kleine Plastik und Weberei. In einzelnen Cabinetten dieser Abtheilung sind Möbel, Geräthe, Oefen etc. eines Styls zusammengestellt und in Wandschränken werden Gewebe, Stickereien, Spitzen, Kostüme etc. abwechselnd ausgestellt. Im 5. Saal finden wir nichtedle Metalle, darunter grossere Gitter in Schmiede- und Gusseisen, Bleifiguren, Kronleuchter aus Stahl und Bergkrystall, Bronzen barbarischer, etruskischer und anderer Herkunft bis zur Gegenwart; Zinn- und Kupfer-gefässe, Schlösser und Schlüssel, Beschlägarbeiten etc.; im 6. Saal eine wechselnde Ausstellung moderner Arbeiten des In- und Auslandes; der 7. Saal wird von Gegenständen der Buchausstattung und Wandmalerei erfüllt, Einbände, Miniaturen, Druckbogen, Kack- und Lederarbeiten, Geflechte, Tapeten etc. liegen hier auf; im 8. Saal stehen Gipsabgüsse von architektonischen Details, ornamentalen Werken, kleineren Figuren,. Gelassen etc.; im Q. Saal schliesslich finden wir wieder eine wechselnde Ausstellung der zeichnenden und reproducirenden Künste, ferner Zimmereinrichtungen in verschiedenen Stylen und Textilarbeitern Die Bibliothek umfasst 16.000 Bände der Fach-litteratur und 15.000 Blätter, Zeichnungen, Stiche, Photogra-phien etc. Der Lese- und Zeichensaal ist täglich Jedermann geöffnet, die Benutzung der Sammlung wird überhaupt in der liberalsten Weise gestattet. — Die ., Liechtensteins che Gern äldegallerie" im alten fürstlichen Gartenpalais kann entschieden die bedeutendste unter den Wiener Privatsammlungen genannt werden, denn sie enthält über [400 Gemälde. Die I lauptstärke der Gallerte ruht in der grossen Zahl bedeutender Werke von Rubens und van Dyck. So zeugen z. B. die 6 De-cius-Bilder voh eingehendem Studium der Antike; zwar sind sie nicht durchgehends die eigenhändige Arbeit Rubens, gehören aber doch zu dem Besten, was von diesem Meister existirt; auch die altniederländischen Bilder verdienen aufmerksame Beachtung. — Viel Schönes enthält ebenalls die Gemälde- Oesterreich-Ungar». 51 gallerie im „gräflich H arrach'schen Palais*' auf der Freyung, und die im „gräflich Schönborn'schen Palais". In ersterer befinden sich Bilder von Josef Vernet, Claude Lorrain. Salvator Rosa, Lucas Kranach und anderen Meistern. In dem mit korinthischen Säulen - Borticus geschmückten Budapester Nationalmuseum sind die wichtigsten wissenschaftlichen Sammlungen Budapests vereinigt, u. z. die Sammlungen ungarischer Alterthümer, die naturwissenschaftliche und etn«>-graphischen Sammlungen und die Gemäldesammlung. Die naturwissenschaftliche und etnographische Sammlung enthält unter anderen die von Johann Xantus 1869 70 in Ostasien Indien und Amerika gesammelten Gegenstände, zusammen ungefähr 3000 Stück. Die Gemäldesammlung umfasst circa 400 Nummern, darunter manches hübsche Bild, aber wenig ausgezeichnetes; doch zeichnet sie sich dadurch aus, dass in ihr die modernen ungarischen Maler, wie Szckely, Marko, Meszöly, Barabas, Munkäcsy, Zichy u. s. w. zahlreich vertreten sind. — Die vom Grafen Stefan Szechenyi gegründete „Akademie'' in Budapest verfolgt den Zweck, die ungarische Sprache und Wissenschaft, mit Ausnahme der Theologie, zu pflegen. Sie hat ihren Sitz im „Akademie-Palast", einem geschmackvollen, in den Jahren 1862 — 64 nach „Stülers" Plänen aufgeführten Renaissance-Bau mit elegantem, von verschiedenfarbigen Marmorsäulen getragenem Vestibül, das eine Statue Franz Deaks in Gips ziert. Gegenwärtig zählt die Akademie 300 Mitglieder. Sie besitzt eine sehr umfangreiche Bibliothek. — Im 2. und 3. Stock des Akademie-Balastes befindet sich die „ Land es -Gemäldegallerie", dies ist die frühere Esterhazy-Gallerie, welche 1865 von der Nation für 1,300.000 Fl. angekauft wurde; sie enthält gegen 800 Bilder, darunter 6 Murillos, ferner 5000 Kupferstiche und 2000 Handzeichnungen. — Interessant ist in Budapest auch das landwirtschaftliche und Lehrmittel* museum. In „Prag" besitzt das „böhmische Museum" mehrere '.verthvolle Sammlungen. Sehenswerth ist hier auch das „Museum Carolino-Augusteum" mit der Antikenhalle, dem Münzcabinet, der Musikhalle mit einer reichen Sammlung musikalischer Instrumente der drei letzten Jahrhunderte und noch zahlreichen anderen Sammlungen.— Das Landes-Museum „Ferdinandeum" in „Innsbruck", ein Privatinstitut, von circa 400 Mitgliedern gegründet und erhalten, wurde 1883 um ein Stockwerk erhöht und mit neuer Renaissance-Facade versehen. Dasselbe enthält leine grosse Anzahl Gegenstände aus oder über Tirol, wie Alterthümer, Waffen, Sculpturen, Grödnur-Arbeiten, Gemälde und Handzeichnungen, meist nur von Tiroler Malern, ferner die durch ein Vermächtniss an das Ferdinandeum gekommene ,,Tschager'sche Gemäldesammlung" mit ii2 Nummern, darunter Bilder von Defregger, van der Neer, Tintoretto, Ruisdael, Rubens u.s.w.— Fine Stunde von Innsbruck entfernt auf einem Vorsprung des Mittelgebirges erhebt sich das schöne Schloss „Ambras" oder Amras, welches im 13. Jahrhundert erbaut wurde und seinen weitbekannten Namen dem Erzherzoge Ferdinand, Sohn des nachmaligen Kaisers Ferdinand I. und Gemahl der schönen Bhi-lippine Welser, verdankt. Dieser kunstbegeisterte Fürst erweiterte das Schloss bedeutend und füllte es mit den reichsten Kunstschätzen; seine hier angelegte Sammlung von historischen Rüstungen, seit 1806 in Wien, ist noch heute ein Unicum, wie überhaupt vieles vom Besten und Kostbarsten der Wiener Sammlungen und der Bibliothek aus Schloss Ambras stammt. Später wurde das Schloss immer mehr vernachlässigt, bis es endlich von Erzherzog Karl Ludwig in den 50er Jahren zum Wohnsitz erwählt und von Grund aus wiederhergestellt wurde. 1880 vermehrte man beträchtlich die im Schlosse befindlichen Kunstgegenstände durch solche aus den kaiserlichen Sammlungen in Wien und Laxemburg, und eröffnete schliesslich im Jahre 1882 Schloss Ambras als Museum. Dasselbe enthält jetzt eine reichhaltige Waffensammlung, eine Möbelsammhing öl* 804 OeStemich-Ungarn. in 6 Sälen, eine kunstgewerbliche Sammlung und schliesslich eine historische Portrait-Gallerie in 9 Sälen. Die „Kupferdruckerei", welche fast einzig und allein nur mehr in Wien betrieben wird, nimmt mit jedem Jahre mehr ab, weil ihr die vielen anderen graphischen Verfahren, welche billiger zu erzeugen gestatten, fast auf allen Gebieten mit Glück Concurrenz machen. Mit Ausnahme der „Gesellschaft für vervielfältigende Kunst", die durch ihren Verlag die eigene Druckerei reichlich beschäftigt, giebt es jetzt nur mehr wenige Firmen, die ihre Pressen zu beschäftigen im Stande sind. — Die „Lithographie" arbeitet in Wien unter sehr unlohnenden Preisen. Im allgemeinen sind die lithographischen Etablissements, namentlich die grösseren, fortgesetzt bestrebt, die zunehmende Einengung ihres auf der ursprünglichen .Stein druck Technik basirten Wirkungskreises durch Aufnahme und eifrige Pflege des Farbendruckes möglichst zu parallelisiren, u. z. sowohl mittelst Herstellung von Zierbildern für Wohnräume, als auch mittelst Erzeugung von Buch-Illustrationen. Etiquetten, Placaten,, Annoncen 11. dgl. Die Leistungen in diesen Richtungen weisen eine erfreulich zunehmende Entwicklung auf, besonders gilt dies von Oelfarbendruckbil-dern, deren Produktion an Gediegenheit der Ausführung rüstig dem gesteckten Ziele zuschreitet, und die ausländische Concurrenz immer mehr aus der Monarchie verdrängt. Als sicherer Beleg für diesen Erfolg kann angesehen werden, dass die mit der Anfertigung der bisher vom Auslande importirten besseren Arbeiten beschäftigten Unternehmungen thatsächlich mehr zu tliun hatten. Trotzdem verdrängt aber immer mehr die Herstellung von Illustrationen zu grösseren Werken, namentlich von Anschauungsbildern für den Unterricht, die Reproduktion von guten Bildern zum Zwecke des Zimmerschmuckes. Dies ist natürlich nicht geeignet, die hohe Stufe, welche die Chromolithographie in Oesterreich einnimmt, vollkommen zur Geltung zu bringen und man muss nur bedauern, dass eine Anzahl vorzüglicher, künstlerisch gebildeter Chromolithographen theilweise gezwungen ist, ihr Können auf geringere Arbeiten zu verwenden. Die Ursache dieser Verhältnisse liegt zum Theil in der überall 7, 11 Tage tretenden Abneigung der Künstlerschaft, richtiger der Maler, gegen diese graphische Kunst, in deren Aufblühen die meisten der letzteren nicht ohne Grund eine empfindliche Schädigung der Mittelmässigen in ihren Kreisen ansehen. Dadurch hat sich leider ein Vorurtheil entwickelt, welches der heimischen Kunstindustrie jederzeit, besonders aber bei Gelegenheit der letzten Ausstellung der graphischen Künste in Wien, ganz besonders zum Schaden gereicht, denn auf dieser Ausstellung wurde die Chromolithographie, eine der in Oesterreich entwickeltsten graphischen Künste, von den bildenden Künstlern einfach zurückgewiesen. - Ks ist begreiflich, dass die beinahe täglich mehr hervortretenden Fortschritte der in der Verbindung mit der Photographie und der Lichtwirkung überhaupt reproducirenden Fächer eine bessere Garantie für die genaue Wiedergabe der Umrisse und der Details in der Zeichnung des zu reproducirenden Originals bieten, als dies bei jeder anderen Vervielfältigungsart, so auch der Chromolithographie, der Fall sein kann. Aber der Laie wird doch eine künstlerischen Anforderungen entsprechende Reproduktion irgend eines Meisterwerkes in Farben aus mehrfachen berechtigten Gründen, einer farblosen vorziehen, und aus dieser Ursache wäre es Atifgabe der massgebenden Factoren, einer Decadence des Oelfarben-druckes vorzubeugen. — Die in so anerkannt hervorragender Weise wirkende Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in Wien ist jedenfalls in erster Reihe berufen, diesem Zweige mit ihren mächtigen Hülfsmitteln unter die Arme zu greifen! Als höchst erfreuliche Thatsache muss hervorgehoben werden, dass der „Holzschneidekunst" in der letzten Zeit, trotz der sie noch immer hemmenden Verhältnisse, wie z. B. Oesterreich-l'ngani. der Zeitungsstempel und das bestehende illiberale Pressgesetz, reichliche Bestellungen guter I lolzschnitte zukamen, so dass die vorhandenen tüchtigen Kräfte ausreichende und lohnende Beschäftigung fanden. — Hingegen ist im Consum von gering werthigen Holzschnitten eher eine Abnahme zu konstatiren, weil diese Arbeiten durch die sonstigen zahlreichen Verviei fältigungsverfahren billiger hergestellt werden können. — ban grosses Thätigkeitsfeld bietet vorläufig auch noch die „Land-schaftsphotographie", welche im Yerhältniss zum Borträtfache noch wenig cultivirt erscheint, obwohl die Qualität der Erzeugnisse allen Anforderungen entspricht. Die Erleichterung und Vereinfachung, welche die Photographie durch den sich immer mehr Bahn brechenden „Gelatine-Emul-sionsprocess" erfahren hat, dürfte auch auf die Hebung und Förderung der Landschaftsaufnahme wesentlichen Einiluss üben, denn in erster Linie werden durch dasselbe Dilettanten aus wissenschaftlichen, künstlerischen und kunstverständigen Kreisen herangezogen, ein Umstand, dem beispielsweise England seine hochentwickelte Landschafts-Bhotographie verdankt; auch in Frankreich finden wir den Dilettantismus stärker vertreten als in Oesterreich-Ungarn, was besonders der Optik. Mechanik und Kunsttischlerei zu gute kommt. — Die Erzeugung der Brom-silber-Gelatine-Trockenplatten hat ebenfalls weitere Fortschritte gemacht, und man darf mit Recht hoffen, dass der Bedarf Oesterreich-Ungarns binnen Kurzem im Inlande. hauptsächlich in Wien, gedeckt wird, besonders da die in Oesterreich-Ungarn erzeugten Platten den ausländischen weder in der Qualität noch im Preise nachstehen. Allerdings macht auch die Selbsterzeugung der Platten durch den Photographen infolge der stets rasch und ausfuhrlich publicirten Verbesserungen des \ erfahrens durch hervorragende Fachmänner, sowie durch die „Photographische Gesellschaft in Wien" grössere Fortschritte, doch wird gewiss auch hier bald die Wahrheit des Satzes, „dass nur die Theilung der Arbeit sich als rationell erweist", zur Geltung kommen. — Am erfreulichsten ist die grössere Thätig-keit der Photographen auf dem durch beständige Verbesserung der neueren Druckverfahren vervollkommneten Gebiete der Reproduktion von Kunst- und Kunstindustrie-Gegenständen. — In erster Linie haben es die von einer Reihe tüchtiger Firmen ausgeübte Zinkographie und Heliotypie zu grösster Vollkommenheit gebracht. Besonders erfuhr die Anfertigung druckfähiger Cliches, direct nach Naturaufnahmen oder Zeichnungen mit Halbtönen durch die Firma „Angerer und Göschl" wesentliche Verbesserungen, indem dieselben die bisher nur auf Umwegen und mit grossen Kosten erreichbare Auflösung der zarten Halbtöne in Linien oder Punkte zum Zwecke der Herstellung eines Buchdruck-Cliches, wie z. B. in München Meisenbach's Verfahren, jetzt auf dem Wege einer verbesserten Methode durch eine einzige Aufnahme erzielten. — Auch der „Lichtdruck", welcher durch die verhältnissmässig leichtere und billigere Herstellung von Drucken zur Illustration von Kunst-lind wissenschaftlichen Werken, Breisblättern, Katalogen u. s. w. immer häufiger zur Anwendung kommt, macht stete Fortschritte, ohne bisher die Leistungen einzelner Münchener und Dresdener Firmen vollständig zu erreichen. In neuester Zeit gelangte auch in Wien der schon vor einigen Jahren von den härmen Obernetter und Albrecht in München erfundene „Lichtdruck-Farbendruck", womit eine rasche und billigere Erzeugung von farbigen Bildern und Gegenständen nach der Natur möglich wird, ohne zu befürchten, dass dadurch dem lithographischen Farbendrucke eine namhafte Concurrenz entsteht, durch den Hofphotographen „J. Löwy" zur Einführung. — Gleich den vorbenannten Druckmethoden erfreut sich auch die Heliogravüre einer immer grösseren Verbreitung, und die hervorragenden Leistungen des k. k. militär-geographischen Institutes, sowie einiger Wiener Firmen, fanden bei der internationalen graphischen Ausstellung in Wien, obgleich sie auf derselben sehr stiefmütterlich behandelt wurden, die lebhafteste Aner- kennung der Fächmänner und hatten den Vergleich mit den ausländischen Erzeugnissen durchaus nicht zu scheuen. — Von bleibendem bedeutenden Einfluss auf die Fortentwicklung und Hebung der Photographie wird Jedenfalls das neu errichtete, vom k. k. Handelsministerium sub-ventionirte „Versuchs-Atelier für Photographie" sein. Auch die „Ton- und Schauspielkunst" findet in Oesterreich-Ungarn sorgsame Pflege, und die Monarchie hat in dieser Beziehung eine Reihe weltberühmter Namen aus älterer und neuerer Zeit, wie Mozart, Haydn, Liszt, Strauss, Millöcker u. s. w. aufzuweisen. — Besonders ist die musikalische Begabung Wiens längst erwiesen. Ihre Autorität ist aber nicht allein im Werthe der betreffenden Kritik, sondern auch ganz besonders im Tonverständniss der gesammten Bevölkerung ausgeprägt. In Wien singt Alles von den exclusiv-aristokratischen Kreisen angefangen bis herab zu den Gassenjungen, welche hinter der Militärmusik durch die Strassen ziehen. — Ja man kann mit Recht behaupten, dass das Orchester der Wiener Hofoper wohl das Beste der ganzen Welt ist und die Operetten von Strauss, Millöcker etc. haben die Pariser Epigonen Offenbach's längst aus dem Sattel geworfen. — In den absolut populären Concerten Wiens nehmen die Militärkapellen, welche wirklich hervorragend Künstlerisches leisten, da ihre Mitglieder nicht nur wohlgeschulte Musiker, sondern zum Theil musikalische Talente sind, eine sehr bedeutende Stellung ein. Eine dieser Kapellen wird vom Kapellmeister „Kral" dirigirt, der wegen mehrerer Compositionen, wie der Marsch „Hoch Habsburg", „Maria - Theresia - Gravotte" etc., die durch die melodische Anmuth und technische Zierlichkeit der Behandlung des Themas den bekannten Melodien von Strauss und Millöcker den Rang ablaufen, ausserordentlich populär geworden ist. Verfolgen wir die Spuren jener Pioniere, die auf dem Gebiete des gegenwärtig in so üppigem Gedeihen .begriffenen musikalischen Vereinswesen in Oesterreich bahnbrechend gewirkt, die zerstreuten Kunstkräfte zu gemeinsamem Wirken gesammelt und verbunden haben, so finden wir, dass in dieser Beziehung nicht etwa die tonangebende Residenzstadt mit ihren reichen Kunstmitteln, ihrer Legion von Musikbeflissenen, an der Spitze marschirte, sondern dass es das kleine Laibach in Krain war. Schon 1702 wurde in dieser Stadt von dem Schrannengerichts-Assessor und krainischen Batrizier Johann Berthold v. 1 löfTer die „Academia Bhilo-I larmonicorum" gegründet, aus welcher sich die jetzige „Philharmonische Gesellschaft" herausbildete. Es ist dies 73 Jahre früher, als die „Wittwen-Societät der Musiker", der jetzige „Haydn- Verein", der Nestor unter den Musik-Vereinen Wiens und Oesterreichs, ins Leben gerufen wurde und 110 Jahre vor der Begründung der „Gesellschaft der Musikfreunde" des österreichischen Kaiserstaates. — Die 1794 aus der Academia Philo-] larmonicorum hervorgegangene Philharmonische Gesellschaft in Laibach entwickelte sich aus sehr bescheidenen Anfangen und überschritt in der ersten Zeit ihres Bestehens nicht einmal die Grenzen dilettantischer Versuche. Erst allmählich erweiterte sich ihr Wirkungskreis; wie in Krystallen schössen immer neue Mitglieder an, und mit den gesteigerten Schwierigkeiten der gestellten Aufgaben wuchs auch die künstlerische Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. So wurde 1S i S eine Sing- und Yiolinschule errichtet; zehn Jahre später folgte dieser eine Schule für Blas- und Bass-Streichinstrumente. 1S3S trat eine Schule für Männergesang ins Leben, und 1848 ging daraus ein Männerchor hervor, als Zweigverein der Philharmonischen Gesellschaft. Im Jahre 1857 aber wirkte bei den Concert-Pro-ductionen schon ein eingeübter Frauenchor mit. — Die gleiche Anspruchslosigkeit, wie bei der Begründung, jedoch strenge und beharrlich das vorgesteckte Ziel verfolgend, zeichnete auch in der Folge alle von künstlerischem Geiste beseelten musikalischen Kundgebungen der Philharmonischen Gesellschaft aus, unablässig bemüht, einen veredelnden und bildenden Kinfluss auf ihre Umgebung zu nehmen. Bald drang ihn Ruf über die Grenzpfähle des Landes hinaus und erweckte auch an anderen Orten den Nachahmungstrieb, denn neun Jahre nach der Gründung der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach entstand, ihren Satzungen nachgebildet, in dem nahen Klagenfurt ebenfalls eine Philharmonische Gesellschaft, und i S18 wurde der Musikverein in Innsbruck, 1819 der in Graz, 1821 der in Linz und 1824 der in Görz gegründet. Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien nahm Fühlung mit dem Stammverein in Laibach, ja selbst Leipzig, damals der Mittelpunkt des deutschen Musikhandels sowie der musikalischen Journalistik, konnte das Wirken eines so allgemein geachteten Musik-Instituts nicht länger ignoriren und die dort erscheinende „Allgemeine Musikalische Zeitung" unter Friedrich Rochlitz brachte in ihrem neunzehnten Jahrgange, 1817, ehrenvolle Erwähnung der künstlerischen Bedeutung der Laibacher Philharmonischen Gesellschaft, die während der langen Zeit ihres Bestandes mit allen Machthabern im Reiche der Töne in Verbindung stand und deren Mitglieder zu sein sich Vater Haydn und Beethoven zur Ehre anrechneten. Im Wien der 40er Jahre, dessen circa hunderttausend Bewohner in dem engen, durch hohe Mauern und Ausfallsthore begrenzten Stadtkern ameisenartig krabbelten, wo man für einen Silberzwanziger soviel wie heute für einen Gulden erhielt, waren auch die Theater altväterlich eingerichtet, und das Burg, Kärntnerthor- und Leopoldstadt-Theater hatten ein unscheinbares primitives Gepräge. Heut zu Tage ist es anders geworden. Die im grossartigsten Massstabe in Scene gesetzte Stadtverschönerung hat prachtvolle neue Theater geschaffen, welche zum Theil auch in Bezug ihrer künstlerischen Leistungen zu den besten der Welt gehören, aber leider ging in diesem kolossalen Umschwung des Theaterlebens auch die echte Wiener „Volksbühne", die durch den genialen Nestroy einen solch hohen Glanzpunkt erlangt hatte, so ziemlich verloren. — Das „k. k. 1 lofopernhaus" in Wien ist ein Frachtbau im Styl der französischen Frührenaissance, nach Plänen von ,,van der Null" und „Siccardsburg" in den Jahren 1861 —1869 von Stork und Guggitz erbaut. Die ebenso reiche wie geschmackvolle Decoration des Inneren wurde von Schwind, Engerth Rahl und anderen hervorragenden Künstlern ausgeführt. In dem prächtigen Treppenhause befinden sich Medaillon-Porträts der Erbauer, von Cäsar; auf der Brüstung sind Marmorstatuen der sieben freien Künste, von 11. Gasser angebracht. An den mit Opernscenen von Schwind und Büsten berühmter Tondichter reich decorirten Foyer stösst eine nach der Strasse hin offene Loggia, gleichfalls mit Fresken, Scenen aus der Zauberflöte, von Schwind, und fünf Bronzefiguren, Heroismus. Drama, Bhantasie, Komik und Liebe, von Ilähnel in Dresden, der auch die beiden Flügelrosse auf den Postamenten rechts und links oberhalb der Loggia modellirt hat. Der Zuschauerraum, welcher 3000 Personen Platz bietet, ist in Gold und Farben, sowie mit Deckengemälden von Rah] glänzend de-corirt. Der Vorhang für die tragische Oper, die Orpheussage wurde nach Cartons von Rahl, für die heitere Oper nach Zeichnungen von Laufberger gemalt. An den Logenbrüstungen sind 30 Medaillon Porträts hervorragender Mitglieder der Wiener Oper angebracht. — Auf der Ringstrasse, gegenüber dem Rathhause, erhebt sich das neue Ilofschauspielhaus, ein schöner Renaissancebau mit reichem Säulenschmuck nach Plänen von „Semper" und „Ilasenauer"; ferner das Musikvereinsgebäude von Theophilus Hansen. In Budapest wird jetzt ein prachtvolles grosses neues Theater gebaut, bei dem die neuesten Verbesserungen im Theaterbau und in der Maschinerie zur Anwendung kommen werden. Das neue „böhmische Nationaltheater" in Prag nach „Zitek's" Plänen im Renaissancestyl erbaut, brannte leider im Jahre 1881, kur/, vor der Einweihung, im Inneren vollständig aus, wurde aber wieder hergestellt und 1884 eröffnet. —-Ausserdem giebt es noch in den verschiedenen Städten Oesterreich-Ungarns zahlreiche Vereine zur Beförderung der Tönkunst, denen mehr oder minder geschmackvolle Gebäude und Säle zu diesem Zweck 7.ur Verfügung stehen.— Bevor wir diesen Abschnitt schliessen, wollen wir jedoch nicht zwei echt österreichisch-ungarische Musikspecialitaten unerwähnt lassen, den „Wiener Strauss" mit seinem berühmten, wirklich meisterhaft geschulten Orchesterj und die '„ungarischen Zigeunermusikkapellen", welch' letztere in der Regel aus 4 — 12 Mann bestehen. Bei der ungarischen Musik, beim Csardas, bedarf der Zigeuner keiner Unterweisung, man singt oder pfeift ihm die Melodie vor und sofort -spielt sie der Primgeiger nach und die Begleitung folgt erst versuchend, dann aber bei der zweiten und dritten Wiederholung schon mit voller Sicherheit und Freiheit. Seine gross t e Meisterschaft entfaltet der Zigeuner in dieser Musik aber durch seine Geige! Den Namen des Autors kennt der Zigeuner nur in Ausnahmefällen, man muss ihm einige Takte des Stückes vorsingen oder vorpfeifen, wenn er erfahren soll, was man von ihm verlangt; ebenso kündigt der Vorgeiger seiner Kapelle jedesmal durch einige vorgespielte Takte das Musikstück an, welches sie dann sofort vortragen. Thatsache ist, dass kein anderer Musiker den Charakter der ungarischen Nationalmusik in gleicher Weise auszudrücken vermag, als der Zigeuner. Musikkenner bewundern den lebendigen Geist, das warme Gefühl, welches die Zigeunermusik beherrscht. Der Zigeuner wird bei seinem Spiel durch keine Aufmerksamkeit für das Notenblatt von der vollen I lingabe an sein Instrument zurückgehalten, ihn selber erfasst aber die Gewalt der Töne, die seinen Saiten entströmen. Vom eigenen Spiel begeistert und erwärmt, senkt sich sein Haupt immer tiefer und tiefer zu seiner Violine hernieder, bis zuletzt seine Wange auf derselben ruht; mit vorgebeugtem Körper führt er jetzt seinen Bogen und lauscht mit leidenschaftlicher Hingabe den entlockten zauberischen Tönen, so dass ein schulgerechter Virtuos vor diesem warmen Ausdrucke des lebendigen Gefühls, vor diesem Versenken in die Tonwellen, vor diesem Verschmelzen des Musikers mit seiner Kunst zurückstehen muss. YIII. Das Gerichts-, Polizei-und Gefängnisswesen, Die Rechtspflege handhaben in „Cisleithanien" der „k. k oberste Gerichts- und Cassationshof zu Wien" als höchste Instanz die 9 „k. k. Oberlandesgerichte" als zweite Instanzen; die 65 „k. k. Landes- und Kreisgerichte, Gerichtshöfe, für wichtgere Rechtsfälle als erste Instanzen; die bei diesen gebildeten „Geschwornen-gerichte" für die mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen und für alle politischen sowie Pressvergehen und andere Vergehen; und schliesslich die 921 „k. k. Bezirksgerichte"; als Linzelgerichte. In „Ungarn und Siebenbürgen" die königl. Curie" in Budapest, als die letzte Instanz in Civil- und Straf rechtssachen; die beiden „königlichen Tafeln" zu Budapest für Ungarn, einschliesslich Fiume, und zu Maros-Vasarhely für Siebenbürgen als zweite Instanzen; die 66 „königl. Gerichtshöfe", die 374 „königlichen Bezirksgerichte" und für Pressvergehen die 10 „Geschworenengerichte" als erste Instanzen; die ^Friedensrichter" und „Gemeindegerichte" für Bagatellsachen. In „Kroatien und Slavonien" die „königliche Septemviraltafel" zu Agram als höchste Instanz; die „königliche Banaltafel", ebenfalls in Agram, als zweite Instanz; die 12 „königl. Gerichtshöfe" und das Geschwornengericht für Pressvergehen etc. als erste Instanz; und schliesslich die 60 „königl. Bezirksgerichte" sowie die „Ortsund Friedensgerichte" für Bagatellsachen. — Ausserdem bestehen in Oesterreich-Ungarn noch „besondere Gerichte"; zu diesen gehören die Militärgerichte, die Handelsgerichte, die geistlichen Gerichte, hauptsächlich für Ehesachen, die Berggerichte, die Seegerichte, die Gerichte für finanzielle Uebertretungen, die Staatsgerichtshöfe für Vergehen der Minister oder für Staatsverbrechen u. s. w. Das österreichische „Strafrecht" hat sich im engsten Zusammenhange mit dem deutschen Strafrecht entwickelt. Sehr frühzeitig schon, noch vor der „Carolina", der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karl V. vom Jahre 1532, die den Mittelpunkt des aus einheimischem, römischem und kanonischem Rechte zur Ausbildung gelangten gemeinen deutschen Strafrechtes bildet, regte sich die österreichische Strafgesetzgebung. Jedoch wurden vom österreichischen Landesfürsten bis zur Kaiserin Maria Theresia stets nur für einzelne österreichische Länder Strafgesetzbücher erlassen und erst während der Regierung der Kaiserin Maria Theresia trat eine entschiedene Wendung in der Geschichte der österreichischen Strafgesetzgebung ein. — Die von Maria Theresia erlassene peinliche Gerichtsordnung vom Jahre 1768 „Constitutio Criminalis There-siana", Strafgesetz und Strafprocessgesetz, ist von einschneidend doppelter Bedeutung, weil sie das österreichische Strafrecht wenigstens in den deutschen Erblanden, centralisirt. — Derunter Maria Theresia mächtig zum Durchbruch kommende Gedanke der Reichseinheit musste auch zur Einheitlichkeit in der Kodifikation drängen. An Stelle der in den einzelnen österreichischen Ländern bestehenden verschiedenen Strafrechtsquellen sollte in den deutschen Erbländen Oesterreichs, für welche die peinliche Gerichtsordnung erlassen wurde, ein einheitlich gemeinsames Gesetz treten. — Andererseits liegt die Bedeutung der Theresiana in der Los- lösung des österreichischen Strafrechtes von dem gemeinen deutschen Rechte, in welcher Richtung Beuern mit dem „Codex juris Bavarici criminalis" im Jahre 1731 bereits vorangegangen war, und wozu der auf Grund des gemeinen deutschen Strafrechts erwachsene Strafzustand auch herausforderte. — Die „Theresiana" schliesst die Subsidiarität des gemeinen Rechtes, aber auch die Gewohnheit ausdrücklich aus und will ein geschlossenes, in sich beruhendes Gesetz sein. — Oesterreich hatte sich vom gemeinen Rechte losgetrennt, ein in sich selbst zurückgezogenes, unabhängiges, allerdings aber auf dem gemeinen Rechte beruhendes und mit demselben enge zusammengewachsenes Bartikularrecbt begründet, dagegen aber den Bartikularismus im eigenen Körper überwunden und sich zum Kinheitsrechte erhoben. — Im übrigen steht die Theresiana, obwohl sie vereinzelte Fortschritte kund giebt, auf dem Niveau der früheren Gesetzgebung. Dies gilt nicht nur von der Weitläufigkeit und Ungeschicklichkeit der Anlage, denn das Gesetz ist ein starker Folioband, sondern auch von dem Inhalte, wie Beibehaltung der Folter, der Hexerei und Zauberei als Verbrechen, Häufung der Todesstrafe zum grossen Theile mit den schauerlichsten Verschärfungen und furchtbarer Härte der Strafen. Doch war dabei die Analogie als rechtliche Unterlage der Bestrafung zugelassen. Der von Maria Theresia angebahnten Rechtseinheit giebt davon Kaiser Josef II. im Jahre 1787 für den ganzen Umfang des Reiches erlassene allgemeine Strafgesetz „über Verbrechen und deren Bestrafung" (in Ungarn und Nebenländern, sowie in Sieben bürgen erhielt es indessen keine Geltung) noch bestimmteren Ausdruck. Es kommt aber auch darin der Theresiana gleich, dass es neben sich kein Subsidiarrecht anerkennt; in allen andern hebt es sich, nur das materielle Strafrecht behandelnd — denn für das Brocessrecht erging im Jahre 178S eine besondere Kriminal gerichtsordnung — weit über dieselbe hinaus. Vor allen ist der Geist ein anderer! Die Zeit der Aufklärung war angebrochen, Boccario Voltaire, Filangieri hatten der Welt eine andere Richtung gegeben. Josef II. schloss sich den Reformgrundsätzen des Zeitalters an, verwirklichte dieselben aber weder überall glücklich, noch mit der erforderlichen Konsequenz. — Schon in dem Jahre 1776 war diese sogenannte „peinliche Frage", die Tortur, beseitigt worden und das Josefinische Gesetz hebt nach dem Vorgange Toskanas die Todesstrafe für das ordentliche Verfahren gänzlich auf, setzt aber an ihre Stelle eine sehr harte Freiheitsstrafe, wobei sie bestrebt ist, den Umkreis der Strafbarkeit einzuengen, vor allem aber die richterliche Willkür, welcher bis dahin der weiteste Spielraum offen stand, auszuschliessen. Dieses Bestreben führte in erster Reihe zu dem Verbote der Bestrafung nach der Analogie: „Bestraft darf nur werden, was durch das Gesetz ausdrücklich als strafbar er-kärt ist." Hiermit ist einer der bedeutendsten Grundsätze des modernen Strafrechtes zuerst gesetzlich ausgesprochen worden, welcher der österreichischen Gesetzgebung nicht mehr verloren ging. — Auch der Form und Fassung nach lenkt das Josefinische Gesetz in die Weise der neueren Gesetzgebung ein, denn die Fassung ist gedrängt, frei von Kasuistik, die Sprache im Verhältnisse zu den älteren Gesetzen, namentlich der Theresiana, einfach und gemeinverständlich. Von dem Josefinischen Gesetze, dem keine lange Dauer beschieden war, obwohl es im grossen Ganzen noch immer die Grundlage der späteren österreichischen Strafgesetze blieb, ist der Uebergang zu dem heute geltenden österreichischen Recht ein fliessender. — Schon unter der Regierung Leopolds II. wurde der Entwurf eines neuen Strafgesetzes in Angriff genommen, unter Franz b fertig gebracht, im Jahre 1796 zuerst für Westgalizien als „Strafgesetzbuch" und dann am 3. September 1803 als „Strafgesetz über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen" für die gesammten Oesterreich-Ungarn. 52 deutschen Erbländer publicirt. Später ward dann das Gebiet seiner Geltung, mit Ausnahme Ungarns und der Militärgrenze, wesentlich auf den ganzen Kaiserstaat ausgedehnt. Dieses Gesetz, welches auch wieder den Process aufnimmt, charak-terisirt sich besonders durch Wiedereinführung der für Hochverrath schon im Jahre 1795 restituirten Todesstrafe auch für gemeine Verbrechen, dagegen andererseits durch erhebliche Milderung der Freiheitsstrafen und besonders durch Einräumung eines weitgehenden richterlichen Milderungsrechtes. Im Allgemeinen trägt es aber die Züge seiner Zeit ! Die nach den Ereignissen des Jahres 1848 eingetretene Aenderung in den staatsrechtlichen Verhältnissen Oesterreichs, insbesondere die beabsichtigte Ausdehnung derselben auf Ungarn, ausgesprochen im 33. Absätze der mit kaiserlicher Ent-schliessung vom 31. December 1851 festgesetzten Grundsätze für die organischen Einrichtungen in den Kronländern des österreichischen Kaiserstaates, erforderte die Umarbeitung des hauptsächlich mit Bezug auf das Strafensystem ohnehin wesentlich durchbrochenen Gesetzes vom Jahre 1803, deren Ergebniss das mit kaiserlichem Patent vom 27. Mai 1852 für den ganzen Umfang des Reiches mit alleiniger Ausnahme der Militärgrenze kund gemachte, gegenwärtig in Kraft stehende, jedoch in Ungarn seit neuerer Zeit wieder ausser Wirkung getretene Strafgesetz über Verbrechen, Vergehen und Ueber-tretungen war. Ein Gesetzgebungswerk, das sich selbst nur als neue ergänzte Ausgabe des Strafgesetzbuches vom Jahre 1803 bezeichnet und blos das eigentliche Strafrecht betrifft. Der Process, für welchen schon im Jahre 1850 eine eigene Processordnung ergangen war, ist ausgeschieden. Schon der Umschwung, welcher sich in den Verfassungs-zuständen Oesterreichs Anfang der ober Jahre vollzog, hätte auch das Bedürfniss einer Reform des Strafrechtes wachrufen müssen, umsomehr, da hierzu noch die Erkenntniss trat, dass das geltende, der I lauptsache nach aus dem Anfange des Jahrhunderts stammende Gesetz dem Geiste der Zeit, und den Anforderungen der fortgeschrittenen Wissenschaft nicht mehr entspreche. In der That wurde an die Neugestaltung herangetreten und Justizminister „von llaye" legte im Jahre 1867 dem Abgeordnetenhause des Reichsrathes einen dahin abzielenden Gesetzentwurf vor, der sich jedoch möglichst dem bestehenden Strafgesetz anlehnte. Derselbe scheiterte! — Bevor er zur Erledigung kam, wurde das Abgeordnetenhaus im Mai 1870 aufgelöst, und die von dem neu eintretenden Justizminister „Dr. Glaser" im Jahre 1872 einberufene Commission entschied jetzt für die Ausarbeitung eines neuen Entwurfs auf neuer Basis und für möglichst weitgehende Annäherung an das neue deutsche Reichsstrafgesetzbuch. — Am 7. Nov. 1874 wurde auch wirklich der neue Entwurf von dem Justiz-minister Dr. Glaser eingebracht. Das Abgeordnetenhaus wählte nunmehr zur Vorberathung des Entwurfes einen Ausschuss, der von diesem erstattete Bericht kam jedoch in der Vollversammlung nicht zur Verhandlung, denn im Mai 1879 wurde der Reichsrath abermals aufgelöst. Später ward dann dieser Entwurf vom gegenwärtigen Leiter der Justiz, „Dr. Brazak'1 mit nur wenigen Modifikationen reproducirt, abermals vom neu konstituirten 1 lause dem Ausschusse zugewiesen, um seiner endlichen Erledigung entgegenzugehen. So steht Oesterreich zur Stunde noch mitten im WTerke der Reform, während Ungarn schon seit 1880 seinen Strafkodex besitzt. Auf dem in neuerer Zeit in Prag abgehaltenen, sehr zahlreich besuchten „österreichischen Advokatentag' wurde eine lange Reihe von Beschlüssen gefasst. Die wichtigsten derselben betrafen die „Reformen des Administrationsverfahrens", welche als eine der dringendsten Aufgabe der Justizgesetzgebung betrachtet wurden. — Ferner erklärte man als höchst nothwendig die Erlassung eines Gesetzes wegen Ilintanhaltung der Executionsführung auf Pensions- 82n Ooterrekli-1 livarn. bezüge der Wittwen und Waisen; die Erweiterung der Erb ansprüche der Ehegatten unter einander; eine Abänderung des § 1330 des bürgerlichen Gesetzbuches; das Vertretungsrecht der Advokaten vor den obligatorischen Schiedsgerichten; die Erwerbung der österreichischen Staatsbürgerschaft seitens nicht österreichischer Advokaten; und die vorbereitenden Schritte zur Bildung eines österreichischen Juristentages. Die Schluss resolution endlich lautete: es ist eine Gewissenspflicht für alle, welche zur Mitwirkung an der Gesetzgebung berufen sind, ohne Unterschied der Partei, für die schleunigste Beseitigung des Nothstandes auf dem Gebiete des Civib processes durch Einführung eines wahrhaft mündlichen und öffentlichen Verfahrens Sorge zu tragen. — Doch auch die Regierung in Cisleithanien ist nicht unthätig, um die Verhältnisse der Rechtspflege, die übrigens ver-hältnissmässig recht gute und humane genannt werden können, noch immer so viel wie möglich zu verbessern. So bat sie z. B. in neuerer Zeit dem Abgeordnetenhause eine Gesetzvorlage über die Entschädigung unschuldig Verurtheilter zur Verhandlung vorgelegt. Die vom Kaiser im „ungarischen Reichstage" verlesene Thronrede weist auf die Notwendigkeit hin, die Strafgesetz gebung durch die Regelung des strafgerichtlichen Verfahrens zu ergänzen und ein bürgerliches Gesetzbuch zu schaffen. Ueberhaupt lässt die in Transleithanien geübte Rechtspflege noch immer viel zu wünschen übrig, obwohl auch in Cisleithanien, wie aus den letzten Parlamentsverhandlungen nur zu deutlich hervorgeht, manches nicht so ist, wie es sein sollte. Als Beweis dafür mag eine in neuerer im „Uegyvcdi Közlöny" erschienene treffende Schilderung über den Zustand der Rechtspflege und die Befähigung der Richter in Ungarn dienen, worin folgendes berichtet wird: „Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses und die Herren Beamten sagen, der Advokat arbeite theuer und schinde die Parteien mit den übermässigen Expensen. Weit gefehlt! Der Advokat kann seine Parteien nicht schinden, denn thut er dies, so bringt er sich um seine Clientel. Sein ohnehin schmal gewordener Verdienst würde aufhören. Und dann regelt ja das Honorar des Advokaten entweder ein vorausgehender schriftlicher Vertrag oder die Willkür des Gerichtes. Die ungarische Rechtspflege wird vertheuert und überhaupt verschlechtert dadurch» dass sehr vielen Richtern die zu ihrem Behufe erforderliche Fähigkeit fehlt. Bei der im Jahre 1871 erfolgten Reorganisirung der Gerichte ist fast jeder untere Bernte zum Unterrichter ernannt worden, sobald er neben irgend welchem Stuhlrichter infolge der Volkswahl im activen Dienste war. Unter diesen Unterrichtern giebt es viele, welche die Rechtswissenschaften nicht studirt haben. Es giebt auch Bezirksrichter und Beisitzer der Gerichtshöfe, ja selbst Gerichtspräsidenten, die entweder gar kein Jus studirt oder nur die alten abgekommenen Gesetze vor 30—40 Jahren auf einem schwachen Collegium oder Lyceum gehört haben, dann 10—12 Jahre ausser Dienst waren, alles Rechtswissen ausgeschwitzt hatten und darnach von der neuen ungarischen Regierung aus politischen Bartei- oder sonstigen Rücksichten oder Absichten zur Rechtspflege berufen worden sind. Diese unfähigen Richter sprechen unter schwachen Vorsitzern oder als schwache Einzel- und Unterrichter die auffallend vielen verfehlten Urtheile, welche durch die höheren Instanzen gewöhnlich aufgehoben werden. Diese I lerren sind nicht einmal im Stande, nach der Weisung der höheren In stanzen vorzugehen. Es ereignet sich sehr oft, dass das Urtheil zweimal, sogar dreimal in ein und derselben Sache aufgehoben wird. In anderen Fällen fand der gerichtliche Augenschein in einem entfernten Gebirge wiederholt mit grossen Kosten statt, die an Ingenieure und Zeugen gezahlt werden mussten, weil die leitenden Richter nicht im Stande waren, die richtige Austragung zu treffen und die entsprechende Aufnahme des Terrains zu bewirken. In anderen Fällen muss man staunen, wie die Richter in Rechnungsprocessen sich nicht zu orientiren, wie sie die Rechnungsprocesse nicht aufzufassen verstehen und durch unrichtiges Urtheilen und Anordnen den Parteien gros stund unnöthige Auslagen autbürden. — Man sieht da. wer die Vertheuerung der Processe verursacht, die schwachen Richter sind es. Die vielen Frgänzungs-, Tagsatzungs-Arbeiten und Stempel, die zahlreichen Frgänzungs Augenscheine und die vielen Appellationsarbeiten und Stempel sind die Folgen des Rechtsprechens unfähiger und schlecht disciplinirter Richter. Diesen Fehlern in der Organisation der Justizbehörde scheint die hohe Justizverwaltung gar nicht abhelfen zu wollen. Die Gerechtigkeit gegen das Volk aber und die Reputation der ungarischen Rechts pflege verlangen dringend, dass endlich diese I lätschelung der unfähigen richterlichen Individuen aufhöre. Die Justizverwaltung muss es doch selber empfinden und einsehen, dass ihre Aufgabe nicht die Unterstützung schwacher Richter, sondern die Verbesserung der Justiz ist. Fast möchte man zweifeln, dass sie es einsehen, denn die Beschwerden gegen die schwachen Richter werden nicht beachtet. Selbst die höheren Gerichts instanzen haben in vielen Fällen die schwachen Richter so weit in Schutz genommen, dass sie, wo der ungeschickte, fahrlässige und das Gesetz blindlings ver letzende Richter eclatant in die verursachten Kosten hätte verurtheilt werden müssen, nicht verurtheilt haben, ja den Grundsatz ausgesprochen, der Richter könne wegen seiner Auffassung des Gesetzes nicht verantwortlich gemacht werden. Die Bestimmungen über die Verantwortlichkeit der Richter stehen gut geordnet auf dem Papier. Zur Anwendung kommen sie nicht. Bei solchen Vorgängen wird die ungarische Justizpflege immer schlecht und theuer sein. Man darf sich wundern, wenn man sieht, wie die Bürger und besonders die Fremden vom Abschliessen von Rechtsgeschäften in Ungarn abgeschreckt werden. Fürwähr, es ist zu wünschen, dass dem Hätscheln der Unfähigen im Richterstande ein Ende ge macht werde! Ja der Schlendrian in der ungarischen Rechtspflege geht sogar so weit, dass man nicht selten vollkommen vergisst, die durch Gerichtsbeschluss frei zu lassenden Personen in Freiheit zu setzen. Darüber sagt der „Pester Lloyd": „Derartige Fälle haben sich im abgelaufenen Jahre allein mehrere Male ergeben. In der Strafsache einer Frau S., die wegen Verdachtes des Diebstahls detinirt war und in deren Process Gerichtsrath A. als Untersuchungsrichter fungirte, wurde im Herbst 1883 constatirt, dass dieselbe, entgegen dem Bescheide des Untersuchungsrichters, der ihre Freilassung verfügt, noch durch mehrere Monate in Untersuchungshaft gehalten und dass später nur durch Zufall die Sache aufgeklärt wrorden war. Aehnlich verhält es sich nun mit einem Falle, in welchem Gerichtsrath B. als Verhandlungsrichter, Vice-Staatsanwalt Dr. S. als öffentlicher Ankläger fungirte und in dem es sich erst bei der Schlussverhandlung herausstellte, dass der vom Untersuchungsrichter auf freien Fuss gestellte Angeklagte aus dem Grunde nicht auffindbar war, weil derselbe ungeachtet jenes untersuchungsrichterlichen Bescheides noch immer — im Fortunagefängnisse sass. Ein weiterer Fall ist ferner der, dass die Acten in einer Strafsache vom Gerichts-hofe nach Monaten an das IV.—X. Bezirksgericht abgegeben wurden, da in der strafbaren I landlung blos eine Uebertretung gefunden werden konnte, und als der Bezirksrichter die Angeklagte vorladen Hess, da konnte dieselbe nirgends aufgefunden werden. Später stellte es sich heraus, dass dieselbe widerrechtlich „aus Vergesslichkeit" im Fortunagefangnis.se zurückbehalten worden war. — Ja, ein Schuhmacher, der zu 0 Wochen Gefängniss verurtheilt war, musste sogar 6 Monate sitzen, weil man in dem Certilicat für den Gefängnissinspector statt 6 Wochen „6 Monate" geschrieben hatte". — Das sind wirklich fast russische Zustände! Gleichzeitig mit der Herstellung der äusseren Ruhe und Ordnung in Bosnien-Herzegowina musste es die Sorge der Regierung sein, auch die Rechtspflege auf Grund vollkommener Gleichberechtigung aller Konfessionen wieder zu regeln. Zunächst war es dringend geboten, jene Uebelstände im Justizwesen zu beseitigen, die der Bevölkerung in früherer Zeit Anlass zu beständigen Klagen gegeben hatten, besonders in Betreff des richterlichen Personals. Es wurden daher zu allererst die Gerichtshöfe durchgehends mit richterlichen Funktionären besetzt, die man aus Oesterreich-Ungarn herangezogen hatte, was auch sofort einen günstigen Einfluss hervorrief. In „Bosnien-Herzegowina" üben die Rechtspflege ausser der Justizabtheilung der Landesregierung, mit deren Leitung einer der dem Chef der Landesregierung beigegebenen Hofräthe speciell betraut ist, das k. u. k. „Obergericht zu Serajewo" mit einem Leiter und sechs Rathen; die „6 k. u. k. Kreisgerichte" mit zusammen 15 Rathen; und schliesslich die mit den 42 k. u. k. Bezirksämtern verbundenen „Bezirksgerichte". — Die Organisation des Justizdienstes in der untersten Instanz konnte sich jedoch erst allmählich vollziehen. Während die neugeschaffenen Gerichtshöfe bereits mit Anfang Juli 1879 zu tunktioniren begannen, war es doch nicht zu vermeiden, dass die Gerichtsbarkeit in den Bezirken der ersten Zeit zum Theil noch den früheren türkischen Richtern, „Kadis", jedoch unter Oberaufsicht der Bezirksvorsteher überlassen werden musste. Erst im Laufe des Jahres 1880 ward es möglich, auch sämmt-lichen Bezirksbehörden zur Besorgung der Justizgeschäfte je einen geprüften Richter aus Oesterreich-Ungarn beizugeben. — Die Kreisgerichte sprechen unter Zuziehung von Beisitzern aus der Bevölkerung auch in I Bändels- und Wechselstrcitigkeiten Recht. — Der Instanzenzug ist durchaus ein zweifacher, wobei die Kreisgerichte in den meisten Angelegenheiten noch als Gericht i. Instanz, das Obergericht aber als 2. und letzte Instanz fungiren. — Die innere Einrichtung und der Geschäftsgang bei den Gerichten wurde durch eine im März 1881 erlassene Gerichtsinstruktion geregelt. Diese Instruktion normirt auch die Gerichtssprache und weist in dieser Beziehung den Richter an, mit den Barteien in der Landessprache zu verkehren. Es ist dem letzteren aber auch gesetzlich gestattet, sich der deutschen oder ungarischen Sprache zu bedienen, in welchen Sprachen dann auch die Verhandlungen und Erledigungen stattfinden. Der innere Verkehr der Gerichte geschieht in deutscher Sprache, aber die Requisitionsschreiben von Oesterreich-Ungarn, welche in ungarischer oder einer anderen Landessprache verfasst sind, dürfen nicht zurückgewiesen werden. — Mit Rücksicht auf die religiösen Gebräuche und Gewohnheiten der Bevölkerung wurde für die Familien- und erbrechtlichen Angelegenheiten der Mohamedaner die frühere „geistliche Jurisdiktion" beibehalten. Um jedoch den organischen Zusammenhang der Gerichte nicht zu stören, fügte man die geistlichen „Scheriat-Gerichte" in den Rahmen der ordentlichen Gerichte ein und liess ferner eine Aenderung in der Dotirung dieser vormaligen türkischen Richter insofern eintreten, als man das zu mannigfachen Missbräuchen Anlass gebende Sportelwesen abschaffte, sämmtliche Gebühren der Landeskasse zuführte und den richterlichen Funktionären fixe Gebühren anwies. Diese Scheriatgerichtsbarkeit ist gegenwärtig derartig organisirt, dass den Bezirksbehörden und Kreisgerichten je ein „Kadi" als Scheriatsrichter, dem Obergerichte aber ein „Muffetisch" und ein Kadi als Scheriatsrichter 2. Instanz beigegeben sind. — Da fast alle auswärtigen Staaten bald nach der Occupation ihren Konsular - Funktionären in Bosnien-Herzegowina die bisherige Gerichtsbarkeit über ihre dort lebenden Landesangehörigen entzogen und den dortigen Landesgerichten überwiesen, so steigerte sich natürlich bei letzteren sehr bedeutend der Verkehr. Sehr bald machte sich auch das dringende Bedürfnis-nach einem neuen Strafgesetzbuch für Bosnien-Herzegowina fühlbar, es wurde daher unter thätiger Mitwirkung der Regierung beider Reichshälften ein solches geschaffen und mit i. September 1879 in Wirksamkeit gesetzt. Bei Ausarbeitung desselben diente das „Militärstrafgesetzbuch" zum Vorbilde, welches allein den Charakter einer beiden Reichshälften gemeinsamen Strafrechtsnorm besitzt. — Das neue bosnische Strafgesetz behandelt nur Verbrechen und Vergehen, während die Untersuchung und Bestrafung der Uebertretungen den politischen Behörden vorbehalten bleibt. Es trägt in den Bestimmungen über Bigamie und Ehebruch den besonderen religiösen Satzungen der Mo-hamedaner Rechnung, enthält hingegen andererseits jene schweren Strafbestimmungen des Militär-Strafgesetzes hinsichtlich des Verbrechens des Raubes, der Brandlegung und des Diebstahles, deren Beibehaltung durch die gestörten Sicherheitsverhältnisse des Landes geboten war. An die Erlassung des Strafgesetzes reihte sich dann noch die Schaffung eines Strafverfahrens, für welches bis dahin keinerlei Normen vorhanden waren. — In die mit 1. Januar 1880 ins Leben gesetzte „Straf-processordnung" für Bosnien konnten doch noch nicht die modernen Institutionen, wie Schwurgerichte, Staatsanwaltschaft, aufgenommen werden, weil deren Einführung in diesen Ländern vorerst nicht zeitgemäss erschien. Dieselbe spricht den Grundsatz aus, dass die strafbaren Handlungen von Amtswegen zu verfolgen sind, trägt aber in dem Verfahren auch dem Anklage princip Rechnung und beruht auf den Grundsätzen der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens. — Für Verbrechen und alle schweren Vergehen fungiren die „Kreisgerichte", für mindere Delikte die „Bezirks" bchörden" als Unterrichts- und Erkenntnissgerichte. Auch in der Strafproccssordnung nahm man auf die religiösen Vorschriften und Gebräuche der Mohamedaner entsprechende Rücksicht. Hinsichtlich des „civilrechtlichen Verfahrens" waren die vorhandenen Vorschriften äusserst dürftig. Während sich die Regierung die Schaffung einer „Civilprocessordnun g" unter Zugrundlegung eines möglichst abgekürzten mündlichen Verfahrens für einen späteren Zeitpunkt vorbehielt, war sie andererseits bedacht, dort, wo es an Normen gänzlich fehlte oder die vorhandenen Vorschriften ungenügend erschienen, den Anforderungen des gesteigerten Verkehrs und einer geregelten Justiz durch Erlassung entsprechender provisorischer Vor. schriften, wie z. B. durch Verordnungen über die Erhebung, Sicherstellung tind Verwaltung des Waisen-Kuranvermögens> und über die Beglaubigung von Urkunden, Abschriften und Unterschriften Rechnung zu tragen. Auch traf man mit den Regierungen der beiden Staatsgebiete Oesterreich-Ungarns Vereinbarungen über die gegenseitige Vollstreckbarkeit der civilgerichtlichen Erkenntnisse, welche die ersten, wenn auch geringfügigeren Schritte zur Anbahnung der Rechtsgleichheit Bosniens und der österreichischungarischen Monarchie bildeten. — Grösseren Schwierigkeiten begegnete man auf dem Gebiete des „materiellen Civilrechts". Die Jurisdiktion der türkischen Gerichte ruhte fast ausschliesslich auf den Satzungen des Korans und dem Usus. An einer Kodifikation des Civilrechts fehlte es fast gänzlich, die wenigen vorhandenen Gesetze aber lagen fast ausschliesslich in türkischem Texte vor und konnten nur mit grosser Mühe und Zeit, daher erst allmählich durch Uebersetzungen zugänglich gemacht werden. Die Regierung berief daher eine Commission, bestehend aus Richtern und Justizbeamten, welche sich mit den bosnischen Verhältnissen in der Praxis vertraut gemacht hatten, und Juristen beider Reichshälften unter dem Vorsitze eines bewährten Justizmannes aus Oesterreich-Ungarn zusammen, deren Aufgabe es war, auch in dieser Beziehung die erforderlichen Gesetze zu schaffen. — In letzterer Zeit wurde dann auch noch mit grossem Erfolge das Bagatellverfahren bei Streitsachen unter 50 Gulden, mit mündlichem Verfahren und Anwesenheit von zwei Bei-räthen, die von den verschiedenen Confessionen der Bevölkerung gewählt werden, eingeführt. Das Volk nimmt nun massenweise an der Wahl der Beiräthe Theil, und an einem früher festgestellten und kundgemachten Tage wird im Mittelpunkte des Uorfes Gericht gehalten. Die „öffentliche Sicherheit und Ordnung" wird in Oesterreich-Ungarn von der „Polizei" und der „Gensdarmerie" gehandhabt, welche in beiden Reichshälften dem „Ministerium des Inneren" unterstehen. Die erstere gliedert sich wieder in die uni-formirte „Sicherheitswache" und in das „Detektivcorps". — Wie wir bereits aus einem früheren Abschnitt wissen, bestehen in 7 grossen Städten Cisleithaniens Polizeidirectionen und an 7 anderen Orten selbständige k. k. Pohzeicommissariate. ferner in Budapest ein Oberstadthauptmann der Staatspolizeii Diesen Behörden unterstehen die „Sicherheitswache" und das „Polizei-Agenten-Institut" ihres Amtsbereiches. —- Die Cis" leithanische Polizei ist im grossen Ganzen vortrefflich, besonders seit dem auch die Wiener Polizei in neuerer Zeit einer gründlichen Reorganisation unterworfen wurde; ja das Wiener Detektivcorps gehört sogar wegen seiner ausserordentlichen Findigkeit und Geschicklichkeit in der Vigilirung und Entlarvung von Verbrechern mit zu den besten Europas. Anders ist es aber wieder in Budapest. Die dort in letzterer Zeit vorgekommenen Amtsenthebungen und Verhaftungen wegen grober Missbräuche in der Bolizeiverwaltung erregten nicht nur ungemeines Aufsehen, sondern bewiesen auch auf das Eklatanteste die dort herrschende Corruption. Ein bereits hoch in den Fünfzigern stehender Polizeirath wurde sogar von mehreren Zeugen beschuldigt, zu Taschendieben, Falschspielern und Einbrechern mittelbare Beziehungen unterhalten zu haben. Ihm sei es zuzuschreiben, das s die meisten Verbrechen unaufgedeckt blieben, dass Diebe und Einbrecher ungestört ihr Unwesen treiben und dass selbst der grösste Verbrecher sich leicht aus dem Polizei-Gewahrsam befreien konnte. Aehnlieher Dinge wurden auch zwei Concipisten beschuldigt. - Ferner überführte man einen Geheimpolizisten, der vor Jahren einmal in Berlin war, als Theilhaber in ein Getreide-Commissionsgeschäft eintrat, als dessen Bevollmächtigter bald darauf nach Ungarn zurückkehrte, von dort aus seine Berliner Firma um bedeutende Summen betrog und in Folge dessen eine dreijährige Kerkerstrafe in der Waitzner Landesstrafanstalt zu verbüssen hatte, in seiner jüngsten Stellung als Detectiv mit den Gaunern in zahlreichen Fällen gemeinsame Sache gemacht zu haben. Interessant ist, dass gerade dieser Polizeiagent bei den grossen „Postdiebstählen" dazu verwendet wurde, um nach den Thätern zu forschen! Kannte er dieselben, so hat er gewiss gegen gutes PCntgelt Alles dazu beigetragen, um sie dem Arme der Gerechtigkeit zu entziehen. Die schmachvollen Vorgänge, welche bei diesen Untersuchungen in Budapest zu Tage traten, machen es denn auch begreiflich, warum man der Thäter nicht habhaft werden konnte: sie erklären die schwankende Haltung der Polizeiorgane, die heute irgend einen Verdächtigten als ganz schuldlos erklärten, der gestern noch mit voller Bestimmtheit als der Thäter bezeichnet wurde. — Als erstes Opfer hat natürlich die Budapester-Polizeikrise den Polizeipräsidenten gefordert! Wie arg aber die Zustände in der Polizei der ungarischen Hauptstadt waren, geht aus einer, dem „Pester I Aoyd" zugegangenen Mittheilung hervor, wonach der zur Untersuchung der Geschäftsführung der Polizei entsendete Ministerialkommissar, nachdem er die Geschäftsführung der Strafabtheilung und des Gefängnissamtes gründlich untersucht hatte, nicht nur erhebliche Restanzen vor gefunden, sondern auch zu dem Resultat gelangt war, dass man sowohl die mittelbare wie unmittelbare Aufsicht vollständig vernachlässigt hatte. In „Serajewo" wurde eine „Polizei-Direction" an der Seite des mit besonderen Befugnissen ausgestatteten Stadtmagistrats errichtet. Die Gensdarmerie in Oesterreich-Ungarn besteht aus der „k. k. Gensdarmerie'1 in Cisleithanien, der „k. ungarischen Gensdarmerie" und dem „k. ungarisch-croatisch-slavonischen Gens-darmerie-Commando zu Agram". Sie rek ruti rt sich aus gut conduisirter Mannschaft und Unterofficieren der Armee, wird von Officieren befehligt, die zum grössten Theil früher als Officiere im stehenden Heere gedient hatten und untersteht der Landesverwaltung in Bezug auf ihre Dienstleistung. Doch ist sie streng militärisch organisirt und was die cisleithaniscbe betrifft, nicht nur vortrefflich disciplinirt, sondern sogar im vollsten Sinne eine Elitetruppe zu nennen. — Die „k. k. Cisleithaniscbe Gensdarmerie" gliedert sich in ein „Gensdarmerie-Inšpektorat zu Wien", dem ein Feldmaxschall-Lieutenant vorsteht, ferner in 14 „Landes-Gensdarmerie-Commanden", welche wieder in Abtheilungs-Commanden zerfallen. In Wien, Prag, Innsbruck, Brünn, Lemberg, Graz, Triest, Linz, Zara, Troppau, Salzburg, Laibach, Czernowitz und Klagenfurth bebefindet sich je ein Landes-Gensdarmerie-Commando. — Die Uniform ist Jägerhut mit Federbusch und Granate, dunkelgrüner Waffenrock mit krapprother Egalisirung und gelben Knöpfen mit der Nummer des Landes-Gensdarmerie-Commandos, blaugraue l'antalons und Mantel. Als Waffe führt die Gensdarmerie Repetir-gewehr, System „Kropatscheck" mit 1 laubajouett. — Die „k. ung. Gensdarmerie" ist noch einer gründlichen Reorganisation unterworfen, welche nicht auf einmal, sondern den Umständen angemessen durchgeführt wird. Sie besteht aus 6 Gensdarmerie-Districten, die wieder in Flügelcommanden zerfallen. Das Com mando je eines Gensdarmerie-Districtes, welches von einem Oberst oder Oberstlieutenant befehligt wird, befindet sich in Budapest, Kaschau, Pressburg, Stuhlweissenburg, Szegedin und Klausenburg. Im ersten und zweiten District, also in Klausenburg und Szegedin, ist die Gensdarmerie bereits organisirt. Ueber die Reihenfolge und den Zeitpunkt der Organisation in den noch übrigen vier Districten hat die Legislative bei Verhandlung über das Budget des Ministeriums des Inneren erst Beschluss gefasst.— Das „königlich ung. croatisch-slavo-nische Gensdarmerie-Commando zu Agram" hat Flügelstationen in Agram, Lssegg, Betrinia und Ogulin; ausserdem noch 8 Zugsstationen. Sie wird von einem Obersten befehligt, dem ein Oberstlieutenant als inspicirender Stabsofficier zur Seite steht. — Die Adjustirung und Bewaffnung der transleithanischen Gensdarmerie ist merkwürdigerweise im grossen Ganzen gerade so wie die der cisleithanischen. Mit der Aktivirung der Civilverwaltungsbehörden in „Bosnien-Herzegowina" fiel denselben natürlicherweise auch die Aufgabe zu, für die Aufrechthaltung der öffentlichen Sicherheit Sorge zu tragen, daher mussten Vorkehrungen getroffen werden, welche ihnen die Erfüllung dieser Aufgabe ermöglichten, zugleich aber die Kriegsverwaltungen in den Stand setzten, die Occupationstruppen ohne Gefahr zu vermindern. — Zu diesem Zwecke wurde, unter Zugrundelegung der früher bestandenen Institution der „Zaptie" an die Aufstellung eines „Gensdarmeriecorps" geschritten. Aber auch hierfür fehlte es im Lande an einer genügenden Anzahl verwendbarer Leute, man war also gezwungen, die Mehrzahl der Offi-ciere und einen Theil der Mannschaft aus Oesterreich-Ungarn heranzuziehen. Durch Amalgamirung dieser Leute mit den Kinheimischen gelang es schliesslich, ein Corps zu formiren, welches mit dem Lande von jeher gründlich vertraut ist und strengeren dienstlichen Anforderungen vollkommen entspricht. — Das Corps zählte im Jahre 1883 1900 Mann, darunter 1300 Landeseingeborene, von denen 316 Mohamedaner waren, und 600 Uebergetretene oder Zugetheilte aus der k. k. Armee und den Gensdarmeriekörpem Oesterreich-Ungarns. — Die Wirksamkeit dieses Corps ist äusserst zufriedenstellend, denn die Sicherheitsverhältnisse Bosniens-Herzegowina haben sich, wie wir wissen, seit der Occupation bedeutend gebessert. Im grossen Ganzen werden die Häftlinge in den ,,Gefängnissen" Oesterreich-Ungarns recht human behandelt, was zum Theil seine Begründung in dem von Natur äusserst gut-müthigen Charakter der Oesterreicher hat. Ein grosser Theil der Gefängnisse des Reiches, besonders in Cisleithanien. befinden sich in aufgelassenen Klöstern oder alten Burgen, welche man zu diesem Zwecke hergerichtet hatte. Eines der schwersten Gefängnisse Oesterreich-Ungarns ist die Karthause „Walditz", in dessen Gruft einst die Leiche des berühmten Wallenstein an der Seite seiner ersten Gemahlin viele Jahre ruhte. Man nennt dieses Gefängniss in Oesterreich schlechtweg ,Karthaus". In dieses kommen nur diejenigen Verbrecher Cis-leithaniens, welche zu wenigstens zehn Jahren schweren Kerker verurtheilt werden, um hier ihre Strafzeit abzubüssen. Meistens sind es Raub- und Meuchelmörder, Räuber, Brandstifter, quali-ficirte rückfällige Diebe oder Banknotenfälscher. — Früher gab es in Karthaus nur eine gemeinschaftliche Haft, den Tag verbrachten die Sträflinge in den Arbeitssälen, die Nacht in gemeinschaftlichen Schlafsälen. — Seit einigen Jahren ist aber auch die „Einzelhaft" eingeführt, freilich nicht in so ausgedehntem Umfange wie in den Strafanstalten von „Graz" und „Stein". In Stein giebt es 340 Banzelzellen, in Karthaus in einem sehr zweckmässig eingerichteten Neubau nur 63. — Jeder Sträfling, der jetzt nach Karthaus eingeliefert wird, verbringt das erste Jahr seines dortigen Aufenthalts in der Einzelhaft, in welcher zwei Tage gleich dreien sind, die in gemeinschaftlicher Halt zugebracht werden. Die durch die Einzelhaft erzielten Resultate sollen glänzend sein, denn der nur auf den Verkehr mit dem Director angewiesene Sträfling nimmt unter dem civilisirten Einfluss dieses letzteren ein sanfteres, milderes Wesen an und wird, wenn er später in den gemeinschaftlichen Verband tritt, unzugänglicher für die Versuchungen, die von den demoralisirenden Genossen ausgehen. — Die Behandlung in Karthaus ist eine humane, ohne jedoch ins Kxtreme zu verfallen. Jeder Häftling wird zur Arbeit verwendet, zu welcher er Lust, Talent oder Vorkenntnisse besitzt. In Karthaus giebt es eine Weberei. Schuhmacherwerk-statte, Tischlerei und Druckerei. Die Räume sind gross, licht und luftig, die b.in/.elzellen sogar fast comfortabel. Am Tage wird in den letzteren die Lagerstätte an die Decke angeschraubt, damit sich der Häftling nicht müssig umherwälzen kann; durch einen Druck an eine Art Telegraphen kann der Häftling jedem Augenblick den Aufseher herbeirufen. Bei dem gemeinschaftlichen Ausgange, der täglich eine Stunde dauert, sehen sich die I läftlinge, dürfen jedoch mit einander nicht sprechen und müssen auf Ci Schritte Distanz je einer hinter dem andern hergehen. — Der Garten, in welchem sich die Einzelhäftlinge bewegen, ist von den Höfen, in denen die in gemeinschaftlicher Haft lebenden sich in den sogenannten „Luftstunden" ergchen, durch eine hohe Mauer getrennt und eine Art blumenreicher Ziergarten. — In allen Räumen, in den Arbeits- und Schlafsälen, in den Einzelzellen, sowie in den Küchen und Krankenzimmern herrscht musterhafte Reinlichkeit, überall erkennt man auf den ersten blick, däss sich die Anstalt einer vortrefflichen Administration erfreut. - Nützliche, gtite, lehrreiche Bücher findet man in jeder Zelle. In Karthaus hört man kein Kettengerassel, die schwersten Verbrecher bewegen sich frei, und als Disciplinäf-sträfe figürlrt nur die Strafzelle, welche in besonders flagranten Fällen in eine Dunkelzelle umgewandelt wird. — Zu Revolten, bei denen das Militär von den Feuerwaffen hätte Gebrauch machen müssen, kommt es selten, übrigens sind auch jetzt Oesterreich-Ungarn. 53 leichter Gährungen im Keime zu ersticken, da dafür gesorgt wurde, dass man einzelne Räume dadurch isoliren kann, dass man eiserne Gitter, ähnlich den eisernen Sicherheitsvorhängen in Theatern, im Momente der Gefahr herablässt, welche die Gänge hermetisch absperren und verhindern, dass die Widerspenstigen mit den noch ruhigen Kiementen in den anderen Abtheilungen in Verkehr treten.— Die seit einer Reihe von Jahren fortgesetzten Beobachtungen haben ergeben, dass die überwiegende .Mehrzahl der Strafgefangenen, welche die österreichischen Strafanstalten füllen, aus Verbrechern aus Gewinnsucht besteht. Nach den statistischen Ausweisen von 1868—1872 befanden sich unter den in den Strafanstalten zur Strafabbüssung eingelieferten Sträflingen im Durchschnitt 71.8°/0 Männer und 73.2°,, Weiber, wrelche wegen Diebstahls, Raubs, Betrugs, Veruntreuung oder Mitschuld oder Theilnahme an derartigen Verbrechen verurtheilt waren. — Ferner ist es eine durch vieljährige Erfahrungen constatirte Thatsache, dass die Verbrecher aus Gewinnsucht das bei weitem grösste Contingent der Rückfälligen bilden, deren Anzahl eine bedenkliche Höhe erreicht hat, denn unter den während der letzten 4 Jahre in die Strafanstalten abgelieferten Sträflingen befanden sich durchschnittlich 59.1 "/0 männliche und 52.5weibliche Individuen, welche bereits früher eine Strafe wegen Verbrechens oder Vergehens abgebüsst hatten. — Um auch geistig auf Besserung der Sträflinge hinzuwirken, hat das Ministerium für Cultus und Unterricht mit dem Erlass vom ] 6. November 1871 angeordnet, dass die Bezirks- und Landesschulinspektoren für Volksschulen von nun an auf ihren Inspektionsreisen auch die Sträflingsschulen in den Strafanstalten und gerichtlichen Gefangenhätisern ihres Bereiches zeitweise zu besuchen, dabei den mit der Besorgung und Leitung des Unterrichts betrauten Lehrern mul sonstigen Angestellten des Staates mit Winken und Rathschlägen *m die Hand zu gehen und jene Wahrnehmungen, welche wesentliche Mängel im Unterrichtswesen der Sträflingsschulen betreffen, der Oberstaatsanwaltschaft sowie den übrigen com-Petenten Behörden mitzutheilen haben. — Der bisherige Zustand der Gefängnisse in Bosnien - Herzegowina bedurfte allerdings eine gründliche Verbesserung, doch konnte sich eine solche nur durch grosse Investitutionen nach einer längeren Reihe von Jahren durchführen lassen. Man mtisste sich daher vor der Hand darauf beschränken, den dringendsten Bedürfnissen durch Adaptirung der bestehenden Gefängnisse und durch bessere Verpflegung der Sträflinge abzuhelfen. — I [insichtlich des civilrechtlichen Verfahrens waren die vorhandenen Vorschriften äusserst dürftig. IX. Das Kirchenwesen. Die hervorragendsten monumentalen Kirchenbauten und ihre innere Ausschmückung, Klöster, Religiöse Orden und Stiftungen. In den österreichischen Staaten giebt es 29,236.000 Katholiken, einschliesslich Altkatholiken, 400.000 Protestanten. 493.000 Griechisch-Orientalen, 2000 andere christliche Confe>-sionen, 1,005.000 Israeliten und 8000 andere Confessionen. -In den Ländern der St. Stefanskrone 9,413.000 Katholiken, 3,173.000 Protestanten, 2,446.000 Griechisch-Orientalen, 65.000 andere Christen und 641'.000 Israeliten. — In Bosnien und der I lerzegowina 449.000 Mohatuedaner, 497.000 Griechisch-Orien-tale, 209.000 Katholiken und 3000 Juden. Die höchste geistliche Gewalt wird in der römisch-katho-Eischen Kirche von ihrem Oberhaupte, dem „Papste", zu Rom ausgeübt, welchem das Collegium derCardinäle zur Seite steht. Die Cardinäle bilden unter dem Vorsitze des Bapstes das „heilige Collegium", in dem wichtige Angelegenheiten der römisch-katholischen Kirche berather) werden. Nur in ausser ordentlichen Fällen beruft der Papst ein allgemeines oder „ökumenisches Concil" zusammen, auf welchem die Cardinäle, Das Kirch envresen, Erzbischöte und Bischöfe, die Ordensgeneräle, Prälaten und Aebte mit bischöflicher Jurisdiction erscheinen und Gegenstände verhandelt werden, die den Glauben, die Lehre oder die Disciplin betreffen.— Unter dem Papste ist das Kirchenregiment den „Erzbischöfcn" und „Bischöfen" übertragen, die hierbei von den „Domcapiteln" und „Consistorien" unterstützt werden. Die Lrzbischöfe sind zugleich als Metropoliten über eine oder mehrere Lpiscopaldiöcescn, welche mit jener des Erzbischofs vereint eine kirchliehe Provinz ausmachen, gesetzt und in dieser Beziehung den Suffraganbischöfen übergeordnet. — Ausserdem haben aber noch die vom päpstlichen Stuhle unmittelbar abhängigen apostolischen Vicare und Prä-fecten, sowie die .Aebte und Prälaten „nullius dioeceseos" bischöfliche Jurisdiction. — Von den Erzbischöfcn können „Provinzialconcilien", von den Bischöfen „Diöcesansynoden" gemäss der Kirchengesetze abgehalten weiden. Die ersteren, unter dem Vorsitze des Metropoliten, aus den Bischöfen, Prälaten und anderen höheren Geistlichen zusammengesetzt, haben in Fragen der geistlichen Gesetzgebung und Disciplin mitzuwirken, während die letzteren, aus den Pröpsten, Seelsorgern und Ordensvorstehern gebildet, lediglich als die Versammlungen des Klerus einer Diöcese erscheinen, um dem Ordinarius bei der Leitung derselben mit Rath an die Hand zu gehen. Der gegenwärtige Bestand der obersten katholischen geistlichen Behörden in Oesterreich-Ungarn ist folgender: Krzbi- Su (Tralau- Apostolische Aebte schiife bisch'ife Vicariate null, dioeceseos ( »esterreich-Ungarn . . 14 47 ;Ajjj$ehr starken, fast 3 Meter im Durchmesser habenden Pfeiler als Träger. Zu den schönsten und interessantesten Theilen des kunstvoll eingerichteten Inneren gehinen der Hochaltar von schwarzem Marmor mit einem Altarbild, „die Steinigung des heiligen Stephanus" von „Bock"; die reichgeschnitzten Chorstühle aus dem XV. Jahrhundert; und vor den Stufen zum Priesterraum der Schliessstein der alten Fürstengruft, in welcher jedoch seit 200 Jahren nur noch die Fingeweide des Herrscherhauses beigesetzt werden. Unter der Stefanskirche befinden sich drei Gewölbe übereinander, ausgedehnte Katakomben mit /.ahllosen Schädeln und Knochen, von denen aber der grösste I heil mit Ausnahme des 1. und 2. Stockwerks verschüttet ist. Der 136 Mtr. hohe Stefansthurm, von dessen Gallerien, zu der 533 Stufen hinanführen, man eine weite Aussicht geniesst, wurde in den Jahren 1860—1864 von „Ernst" und dem Dombaumeister „Schmidt" umgebaut. Die Spitze zieren ein Kreuz und ein Adler, welche zusammen ein Gewicht von 178 Kgrm, haben und zu deren Vergoldung 264 Ducaten verwendet wurden. — Ein prachtvoller gothischer Bau ist auch die „Votivkirche", Heilandskirche zu Wien, zum Andenken an die Errettung des Kaisers aus Mörderhand im Jahre 1853, nach „Ferate.1V Plänen 1856—1879 erbaut. Sie ist dreischiffig mit Querschiff, Chorumgang und Kapellenkranz. Ueber der mit reichem Statuenschmuck gezierten schönen Facade erheben sich zwei schlanke? durchbrochene, 99 Mtr. hohe Thürme. Das in Gold und Karben reich decorirte Innere hat 78 gemalte Glasfenster. In der Salms" kapeile neben dem nördlichen Querschiffe steht das schöne Marmorgrabdenkmal des kaiserl. Feldhauptmanns Grafen Nikias Salm, Yertheidigers von Wien gegen Soliman II. im Jahre 1529. — In der im Jahre 1622 im Barockstyl erbauten ,,Kapuzinerkirche" befindet sich die „Kaiserliche Gruft" mit über 100 Särgen. — Als „Hofpfarrkirche" dient die 1330 begonnene, divischiffige gothische „Augustinerkirche", in deren Loretto-kapelle seit „Matthias" die Herzen sämmtlicher Kaiser und Kaiserinnen in Urnen aufbewahrt werden. Gegenüber dem Kircheneingang erhebt sich das prachtvolle Grabdenkmal der Erzherzogin Maria Christina, Tochter der Kaiserin Maria Theresia, von „Canova". An dieser Kirche war der einst berühmte Pater „Abraham a Sta. Clara", gestorben 1709, Prediger. Viel Interessantes bietet unter den zahlreichen Kirchen „Prags" die „Teynkirche", welche 1360 von deutschen Kaufleuten begonnen wurde und lange Zeit utraquistische Hauptkirche war. Im Innern am letzten südlichen Pfeiler sehen wir den Grabstein des dänischen Astronomen Tychö Brahe. Auf der Kanzel sollen Johann Nepomuk und Huss gepredigt haben. — Der Prager „Dom", unter Karl IV. 1344 begonnen, wird in neuester Zeit weiter ausgebaut. In seinem 36 Mtr. hohen Mittelschiff erhebt sich über dem Erbbegräbniss der böhmischen Könige das grosse „Königsdenkmal, unter Rudolf II., 1589, von „Colin" aus Marmor und Alabaster gefertigt. — Die ()st-Seite des Schlosses in „Krakau" wird von der gothischen „Schloss- oder Domkirche" gebildet. Diese wurde unter Casimir dem Grossen geweiht und war lange Zeit die Grabkirche der polnischen Könige und Helden, denen die romanische Krypta als letzte Ruhestätte diente. Rechts an der Ostseite des Schiffes befindet sich der Eingang zu einer 1788 von Stanislaus Augustus erbauten Gruft, in welcher in drei Särgen die drei tapfersten Polen Johann Sobieski, Josef Poniatowski und Thaddaeus Kosciuszko zum ewigen Schlafe gebettet sind. — Die Innsbrucker „Franziskaneroder Hofkirche", 1553 — 1563 im Renaissancestil erbaut, schmückt in Mitte des Hauptschiffes ein prächtiges „Grabmal" Kaiser Maximilian's, an dem mehrere Menschenalter gearbeitet wurde, bis es endlich 1583 vollendet war. Auf einem kolossalen Marmorsarkophag ist die Gestalt des Kaisers knieend dargestellt, das Ganze von 28 Helden, Ahnen des Kaisers, umgeben, die als Leidtragende und Fackelträger gedacht werden. — Ein interessanter Bau ist auch die „Hauptpfarr-oder Matthias-Kirche" in „Budapest" auf der Ofener Seite. Sie wurde ursprünglich im romanischen Styl, angeblich von König Bela IV. errichtet, aber im 14. und 15. Jahrhundert wieder grösstentheils umgebaut; der hohe Thurm mit dem Wappen des Königs Matthias Corvinus stammt aus dem 1 5. Jahrhundert. Diese Kirche war unter der Türkenherrschaft 150 Jahre lang Moschee und wurde dann im Jcsuitenstyl renovirt. Gegenwärtig ist eine gründliche Herstellung nach „Schuleck's" Plänen im Werke. Hier fand auch im Jahre 1867 die Krönung des Königs Franz Josef und der Königin Elisabeth statt. —- Prachtvoll ist ebenfalls die „Graner Domkirche", höchst malerisch auf einem Hügel, nahe bei der Mündung der Gran in die Donau, gelegen. Ein grossartiger Bau im italienischen Renaissancestyl unter dem hurst Primas Cardinal Rudnay 1821 nach „Kühnel's" Plänen begonnen, 1856 von Cardinal Szitow.sk>' vollendet. Das Langhaus ist t06 Mtr., das Querschiff 49 Mtr-lang und 19 Mtr. hoch; über der Vierung erhebt sich eine gewaltige, 97 Mtr. hohe und 26 Mtr. Durchmesser habende Kuppel nach Art der Peterskirche in Rom. Auf dem flachen Dache ragen die Statuen der vier Evangelisten und viele andere Standbilder empor. — Das grosse Hauptaltarbild, Maria Himmelfahrt, hat „Grigoletti" gemalt. In der ersten Kapelle rechts vom Eingänge befindet sich das prächtige Marmor-Grabmal des Erzherzogs Karl Ambrosius, Erzbischofs von Gran und Primas von Ungarn. Den Eingang in die Krypta zieren die Statuen des Friedens und der Unsterblichkeit von ,.Schrott". Ausserdem ist die Kirche sehr reich an kostbaren Messegewändern und Kirchenschmuck, von denen einzelne Stücke fast unbezahlbaren Kunstwerth haben. Obwohl Oesterreich - Ungarn ohnehin schon zahlreiche Klöster besitzt, denn z. B. das kleine Land Tirol hat allein 90 Klöster mit beinahe 2500 Mönchen und Nonnen, mehren sich doch noch in neuerer Zeit in fast allen Kronländern Cisleithaniens die Zahl der Ordensgenossenschaften sehr beträchtlich. Besonders auffällig ist aber der Zuzug der Ordensgenossenschaften nach Krain; so entstanden vor kurzem in Laibach ein Lazaristen-Kloster mit neuer Kirche sowie einige von Ordensschwestern geleitete Schulen. Französische Mönche haben sich in Neudorf in Unterkrain niedergelassen, ein Schulschwester-Institut mit Mädchenpensionat ist unlängst in Repune gegründet worden, und in Rudolfswerth werden die Schwestern von Notre-Dame eine grössere Mädchenschule errichten, welcher die dortige slowenische Gemeindevertretung auch ihre weltliche Schule zum Opfer bringen will. Ein Theil der Klöster Oesterreich-Ungarns erfreut sich, wie gesagt, grossen Reichthums an irdischen Gütern. Zu diesen gehört in erster Reihe die berühmte 1089 gegründete, von 1701 bis 1738 neu erbaute Benediktiner-Abtei „Melk", die mehr den Eindruck eines grossen Palastes, als eines Klosters macht, eine mit Gold und Marmor prachtvoll ausgestattete und wegen ihrer Orgel berühmte Kirche sowie eine Bibliothek von 30.000 Bänden besitzt. Ferner das reiche Brämonstratenser-stift „Strahow" in krag, auf dem höchsten Punkt der Stadt erbaut, eines der grossartigsten Klostergebäude, das überhaupt existirt. mit weiten Hallengängen und einer Kirche, in der sich das Grab des 1632 bei Lützen gefallenen Generais Pappenheim befindet. Ausser einer Gemäldegallerie hat 844 ()esterreich-Ungiirn. dieses Kloster eine schön geordnete Bibliothek mit 60.000 Banden und ioao zum Theil hochinteressanten Handschriften. — Dann das Kloster „Mariazell", in einem weiten von schönen Waldbergen umgebenen Bergkessel sehr malerisch gelegen, zugleich der besuchteste Wallfahrtsort Oesterreichs, wohin alljährlich über 200.000 Menschen pilgern. Den Mittelpunkt desselben bildet die grosse vierthürmige Kirche, Ende des 17. Jahrhunderts aufgeführt, während der schöne gothische Mittelthurm noch vom ersten Kirchenbau aus dem 14. Jahrhundert stammt. Die Schatzkammer dieses Klosters ist reich an kirchlichen Gefässen von edlen Metallen, Heiligenschreinen, Edelsteinen, Berlen, Schmuck-Altärchen aus kostbaren Steinen, alten Messebüchern u. s. w. Weit weniger mit weltlichen Glücksgütern gesegnet sind aber z. B. die Kapuziner, weil deren ()rdensregeln ihnen die Pflicht auferlegen, nur von Almosen zu leben. Diese Bettei-mönche, namentlich die Laienbrüder, wandern daher Jahr ein Jahr aus, besonders im Frühling und Herbst, im ganzen Lande, ja selbst hoch im Gebirge umher und bitten in Dörfern und Höfen um Gaben für ihre Klöster. Sie nehmen alles, was Keller, Speicher und Stall zu bieten vermag, und nichts ist zu viel, denn das Zuviel irgend eines Vorraths kann durch kundigen Tausch und Verkauf wieder in ein nöthiges (>bjekt umgewandelt werden. Da die Gaben in der Regel, hauptsächlich aber in der Erntezeit, reichlich fliessen und daher zu ihrer Fortschaffung auf längere Strecken der starke Rücken eines Trägers nicht genügt, so benutzen die Mönche Maulthiere oder Fuhrwerke als Beförderungsmittel. Die frommen Spender gehen nie leer aus, nebst dem Dank und Segen der Mönche erhalten sie stets auch eines jener schwarzen oder bunten Papierblättchen, worauf ein heiliges Bildchen oder ein kräftiges Gebet gedruckt ist und das dann sorgfältig in den Andachts-büchern oder eingerahmt, an der Zimmerwand aufbewahrt wird. Die seit dem Jahre 1870 in Oesterreich-Ungarn entstandene „altkatholische Kirche" betrachtet sich als in der römisch, katholischen Kirche stehend, obwohl der l'apst sie nicht anerkennt. — Die Rechte des Episcopats kommen dem Bischöfe" zu, und das einheitliche Organ ihrer Gemeinschaft ist die „Synode", welche aus den Briestern und Delegirten der Kirchengemeinden gebildet, alljährlich zusammentritt, und ausser dem Bischof den diesem zur Seite gestellten „Synodalrath" wählt. — In Bezug auf den Altkatholicismus macht sieh seit neuerer Zeit im Norden Böhmens eine religiöse Be wegung bemerkbar, von der zwar noch nicht abzusehen ist. welchen Umfang sie annehmen wird, die aber immerhin sehr beachtenswerth erscheint. Im Herbste 1871 nahm die sogenannte altkatholische Bewegung in Warnsdorf, Reichenberg, Liebenau und MafTersdorf ihren Anfang. Während sie in Warnsdorf festen Fuss fasste, so dass dort eine altkatholische Kirche erbaut, ein Pfarrer und Kaplan angestellt wurde und die Zahl der Altkatholiken [879 bereits 2600 betrug, verlor sie sich in den übrigen genannten Ortschaften im Sande und gewann keine weitere Ausbreitung. Erst nach zwölf Jahren begann sie wieder, und diesmal in Tannwald, einer kleinen katholischen Kirchengemeinde im Gablonzer Bezirke mit 3126 Seelen. Da der dortige Pfarrer für die Marienpredigten einen Jesuiten hatte kommen lassen, bemächtigte sich einiger ()rts bewohner eine gereizte Stimmung gegen den Pfarrer und die Religion, welche er vertrat, die sich einerseits in gehässigen, in der Warnsdorfer „Abwehr" zum Ausdrucke gebrachten Auslassungen äusserte, anderseits im Orte selbst Staub aufwirbelte lmd den Feuerwehrverein zu dem Beschlüsse drängte, sich an der Frohnleichnamsprocession nicht mehr zu betheiligen. Die Bewegung, einmal in Gang gebracht, gewann bald an Ausbreitung und verpflanzte sich auch in die benachbarten Pfarreien Albrechtsdorf, Josephsthal, Morgenstern und Bricht »witz. Schon im August 1883 hatte sich der Grundstock (bs sogenannten Altkatholicismus für das Isergebirge gebildet, mehrere trateii offen zum Altkatholicismus über und beriefen den altkatholischen Pfarrer in Warnsdorf zur Abhaltung eines Gottesdienstes in Tiefenbach und Maxdorn der am 27. Aug. auch im Gasthause „Zur Post'' stattfand und zahlreich besucht wurde. Der Leitmeritzer römisch-katholische Bischof liess eine gedruckte Abhandlung verbreiten, in welcher die Irrthümer des Altkatholicismus aufgedeckt wurden, die aber bis jetzt ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg erzielte. Die „griechisch-orientalische Kirche" hat in Oesterreich-Ungarn 3 „Kirchenprovinzen", Metropolien, u. z. die österreichische, Czernowitzer, die serbische, Karlowitzer, und die romanische, Hermannstädter, mit je einer Episcopalsynode. — Ueberdies vereinigen sich alle Bischöfe der Monarchie zum Zwecke der Wahrnehmung des „jus in sacra" zu einer „Generalsynode", in welcher das Präsidium dem Metropoliten von Karlowitz zukommt. Letzterer fuhrt den Titel eines „Patriarchen", und es sind ihm in spiritualibus alle griechischorientalischen Prälaten des Reiches untergeordnet. — Zur Be-rathung der inneren Angelegenheiten werden zeitweilig in den beiden ungarischen Kirchenprovinzen und in der Bukowina „Kirchenkongresse" einberufen, auf welchen die geistlichen Oberhirten und Vertreter des Priester- und Laienstandes erscheinen. — Sämmtlichen Metropoliten, Erzbischöfen und Bischöfen der griechisch-orientalischen Kirche stehen „Con-sistorien" zur Seite. Die griechisch-orientalische Kirche hat in . etrupo iten ni,schofe Weltgeistl. Mönche Nonnen id hrzbischufe b Oesterreich I 2 419 131 — Ungarn 2 8 3092 140 Oesterreich-Ungarn 3 10 35 11 27 t Somit entfällt je ein Weltgeistlicher auf 837 und je ein Mönch auf 843 Griechisch-Orientale. Bei der „evangelischen Kirche" ist in Oesterreich-Ungarn die „Synodalverfassung" eingeführt; nach dieser besteht eine Gesammtvertretung der Kirche, die „allgemeine Synode", welche über die kirchlichen Gesetze, unter Vorbehalt des Aulsicbts- und Genehmigungsrechts des Landesfürsten, Beschlüsse fasst. — In Oesterreich datirt die in Wirksamkeit stehende evangelische Kirchenverfassung vom 6. Januar [866. — Die „Generalsynode'-, welche in Oesterreich für das augsburgische wie für das helvetische Bekenntniss gesondert, für gemeinsame Fragen jedoch vereinigt thätig ist, wird in jedem sechsten Jahre nach Wien einberufen und besteht aus den Superintendenten", den „weltlichen Superintendentialcuratoren", den „Senioren", weltlichen Abgeordneten der Seniorate, and je einem „Brofessor" der evangelisch-theologischen Facultät. — In Transleithanien sind die obersten Kirchenvertretungen „die reformirte Synode" für Ungarn und Siebenbürgen, der „Genera leonvent" augsburgischer Confession für Ungarn und die „Landeskirchenversammlung" desselben Bekenntnisses für Siebenbürgen. Die „reformirte Synode" tritt zeitweilig in Debreczin zusammen und besteht aus i 14 Mitgliedern, nämlich 5 Superintendenten, 5 Oberkuratoren, 47 geistliche und 47 weltliche Abgeordnete der Kirchengemeinden, und 10 Vertreter der höheren Lehranstalten. — Der „Generalconvent" versammelt sich jährlich in Budapest und besteht aus den geistlichen und weltlichen Kirchenvorstehern. — Die Landeskirchenversammlung in Hermannstadt ist ähnlich, wie die österreichische Generalsynode zusammengesetzt. — In Ungarn-Siebenbürgen giebt es über, dies Districtual-, Seniorats- oder Decanats- und Ge-meindeconvente, in der lutherischen Kirche Siebenbürgens Bezirkskirchenversammlungen, Bresbyterien und Ge. meindeVertretungen. — Der evangelische Oberkirchenrath in Cisleithanien befindet sich in Wien; im ungarischen Staatsgebiet besteht ein „Reformirter Generalconvent"; 4 lutherische Superintendenturen und das lutherisch-siebenbürgische Landes, consistorium. — Die Zahl der evangelischen Geistlichen und ihre Verhältnisse zur Bevölkerung betrug im Jahre 1880: Evangelische i l ieistlichcr Geistliche auf evangelische Üewohner Oesterreich. Staatsgebiet 224 1700 Ungarisches „ 3443 921 Oesterreich-Ungarn 3667 974 Da nach der Volkszählung des Jahres 1SS1 von 907.964 Evangelischen Augsburger Confession, die dem eigentlichen Ungarn angehören, blos 220.565 magyarisch, 67S.399 aber nicht magyarisch verstehen und unter letzteren der grösste Theil nur slowakisch, die übrigen blos deutsch und wendisch können, so erscheint es jedenfalls sonderbar, dass der General-inspector bei der Eröffnungsrede des vor einiger Zeit in Pest abgehaltenen Generalconvents der vier ungarischen evangelischen Superintendenzen Augsburger Confession besonders betonte, dass die protestantische Kirche, eifriger als bisher, wenn auch mit anderen Mitteln als der Staat, der Verbreitung der magyarisch-nationalen Cultur dienen solle, und in derselben Versammlung der Theisser Superintendent den Antrag stellte: sämmtliche Matrikeln ausschliesslich in magyarischer Sprache zu führen, ja sogar einen doch zur Aeusserung seiner freien Ueberzeugung dahin gesandten Vertreter, der sich gegen den Zwang magyarischer Matrikeln aussprach, die Worte entgegenschleuderte: „Die Slaven seien keine guten Patrioten, wenn sie gegen diesen Antrag stimmen!" Also man sieht, auch hier macht sich der Nationalitätenhadcr auf das Heftigste geltend! Der „israelitische Cultus" ist mit mehr als 4-5 Procent der Bevölkerung Cisleithaniens und mit nahezu 4'i Procent der Bevölkerung Transleithaniens, am stärksten aber in der Bukowina i 1*8 Procent und in Galizien 11-5 Procent vertreten und besitzt in Wien, Budapest, Prag und anderen hervorragenden Städten der Monarchie grosse und reich geschmückte Synagogen. Die Regelung des Kirchenwesens in „Bosnien und der Herzegowina" war keineswegs eine leichte Aufgabe für die Regierung und ist zum Theil, was die Organisation der höheren mohamedanischen Hierarchie und die „Vakuf-Angelegenheiten" betrifft, auch noch nicht vollkommen geordnet. Blicken wir in die frühere Geschichte dieser Länder zurück, so sehen wir, dass der westliche Theil, besonders aber die Herzegowina, ganz katholisch war, hingegen der östliche der orientalischen Kirche angehörte und sowohl die Päpste, als die byzantinische Regierung die grössten Anstrengungen machten, um ihre Religion mehr zu verbreiten, was jedoch dem Lande nur zum Schaden gereichte. —■ Doch nicht allein hinsichtlich der An-ciennität, sondern auch, moralisch gebührt den Katholiken unter den alten Bewohnern Bosniens die Priorität, denn in der Geschichte dieses Landes bildeten sie den eigentlichen Kern der Bevölkerung, und die westlichen Grossmächte konnten in ihren dortigen Operationen nur mit diesem Elemente rechnen. Dass die Zahl der Römisch-Katholischen gegenüber den Griechisch-Orientalen stets in der Minderheit blieb, hatte zum grossen Theil darin seine Ursache, dass der Verkehr von Bosnien nach Byzanz leichter als nach Rom war. — Die Organisation der römisch-katholischen Hierarchie erfolgte in Bosnien-Herzegowina nach der Occupation in Uebereinstimmung mit dem heiligen Stuhle. Nach dieser übt der Kaiser das Ernennungsrecht bezüglich des Erzbischofs und der Bischöfe aus. —- Gegenwärtig giebt es in den occupirten Provinzen 3 römisch-katholische Bisthümer mit 76 Pfarreien und S Klöstern. Der Erzbischof ist berufen, die seine Konfession betreffendenen verschiedenartigen Anträge der Regierung vorzulegen. Der dortige „Franziskaner-Orden" bildet in diesen Ländern das verhältnissmässig gebildetste Element. Erst vor zwanzig Jahren errichteten die Franziskaner die Klöster zu Sutiska Rojenica und Kresevo mit Mühe und Gefahr aus ihren Ruinen wieder auf. Nach und nach vergrösserten und ergänzten sie dieselben und erbauten bei Travnik das „Gucjagoriaer", Ptlmwti Ii TTim'HM M bei Llvhö das „Goricaei"' und in der Herzegowina, westlich von Mostar, das „Siroki-Briger" neue Kloster. Von diesen Klöstern aus wurde die katholische Religion im ganzen Lande verbreitet und in den unterdrückten und verfolgten katholischen Bosniakeii die Liebe zur Religion ihrer Vorfahren gepflegt und erhalten. Hier erzogen sie die neuere Generation, die natürlich blos den elementaren Unterricht erhielt, die kirchlichen Studien aber in Italien oder Diakovar absolvirten. Je gesicherter sich die Thätigkeit des Franziskanerordens in Bosnien entwickeln konnte, umsomehr stieg auch die Zahl der Katholiken in diesem Lande. In der Mitte des i S. Jahrhunderts lebten in ganz Bosnien kaum 50.000 Römisch-Katholische, in der Mitte des 19, Jahrhunderts aber schon 190.000; während es 1850 kaum drei Kirchen in ganz Bosnien gab, entstanden in den darauffolgenden 20 Jahren „vierzehn" neue Kirchen. In den Klöstern führen die Franziskaner das regelmässige Ordens-leben, bemühen sich aber zugleich durch Sparsamkeit ihr ge ringes Vermögen immer fruchtbringender zu gestalten. Gegen:* über den anderen Rajahs hatten sie nicht nur den Vorzug, Steuerfrei zu sein, sondern auch immer Warfen tragen zu dürfen. In letzterer Zeit kam jedoch bezüglich der Steuern ein Ueber-einkommen zu Stande, nach welchem sämmtliche Klöster Bosniens als Zehnten 5000 Gulden zu zahlen haben, was im Verhältniss zu ihren Besitzt hü mern vollständige Steuerfreiheit bedeutet. - Das Haupt des Ordens bildet der „Prior", den sie alle drei Jahre aus ihrer Mitte frei wählen und dem sämmtliche Angelegenheiten des bosnischen Ordens unterstehen. Diesem Ordensprior sind die mit der Leitung der einzelnen Klöster betrauten „Guardians" verantwortlich, die wieder alle jene Gemeindegeistlichen kontroliren, welche zum Sprengel des Klosters gehören. Ueberdies verwalten die Guardians das Vermögen der Klöster und überwachen alle Besitztümer, die der Verwaltung der Gemeindegeistlichen anvertraut Sind'. — Diese < h-densbrüder vertraten zumeist die katholischen Das Kireheoweeen. 851 Einwohner ihren mohamedanischen Vorstehern gegenüber, und ihre Hauptbeschäftigung war, ausser der Ausübung der Seelsorge, der Unterricht. Bei der Geistlichkeit der Griechische Mentalen herrschte bis zur Occupation eine furchtbare Corruption, und ihre Geschäft -macherei drückte das Volk schwer, ja trug hundertmal mehr zur Demoralisirung und Verkümmerung desselben bei, als alle grausamen Verfügungen der Osmanen Her Stambuler Regierung gefielen aber diese Verhältnisse nicht nur deshalb vortrefflich weil dadurch ihre Einkünfte immer mehr stiegen, sondern auch weil sie wusste, dass es ihr bei dem Einflüsse des immer unterthänigen und dienstbereiten griechischen Klerus leicht war, die nur der Zahl nach mächtigen Rajahs zu beherrschen! — Das Einkommen des griechisch-orientalischen hohen Klerus in Bosnien war sehr bedeutend, es bestand aus zahlreichen Steuern und Gebühren, die unter verschiedenen Titeln von den Gemeinden und Popen eingetrieben wurden. — Ein bosnischer Bischof hatte eine jährliche Einnahme von 22 — 25.000 Gulden; dem gegenüber war aber das Einkommen der Bopen natürlich ein bedeutend geringeres. Die Abhängigkeit und Disciplin der Letzteren ist so bedeutend, dass der Bischof, wie es sogar in letzter Zeit noch häufig vorkam, den Popen, wenn ihm dieser nicht sofort gehorchte, in seinem Hause und vor den Augen des Volkes durch seine Diener Stockstreiche geben Hess, ja sich selbst nicht schämte, mit den eigenen geweihten Händen diese ehrenvolle Arbeit zu verrichten! — Zwar war auch der römisch-katholische Klerus, wie wir früher betont haben, keine wissenschaftlich gebildete Körperschaft und besass eine rohe t )rganisation, doch, mit dem griechisch - orientalischen Klerus verglichen, können seine Mitglieder wahre Musterbilder der Moral, Vertreter des Humanismus und der Bildung genannt werden. Während die griechisch-orientalische Geistlichkeit 54* stets bestrebt war, den Verordnungen und willkürlichen Verfügungen der Paschas bei ihren Gläubigen Geltung zu verschaffen und, um so lange wie möglich in ihrer gewinnbringenden Machtstellung zu bleiben, oft strengere Massregeln als selbst die Mohamedaner erliessen, vertrat der römisch-katholische Klerus, wo es nur immer anging, die Interessen seiner Gläubigen und alle seine Verfügungen zielten darauf ab, deren Page möglichst zu bessern. Um all* diesen corrumpirteri Verhältnissen beim griechisch-orientalischen Klerus in Bosnien - Herzegowina ein Ende zu bereiten und gesunde Verhältnisse zu schaffen, traf die Regierung schon am 31. März 1880 mit dem in Konstantinopel residirenden ökumenischen Patriarchen ein Abkommen, nach welchem das Ernennungsrecht des bosnischen Metropoliten dem Kaiser gebührt. Statt der „kanonischen Subvention", welche die bosnischen Kirchengrössen dem Konstantinopler Patriarchen jährlich zu zahlen verpflichtet waren, übernahm die Regierung die Entrichtung von „jährlichen 58.000 Piastern in Gold", dafür dürften aber keinerlei Gebühren mehr von dem griechisch-orientalischen Klerus in Bosnien gefordert werden. Erst jetzt wurde es möglich, einen im Lande geborenen und bei seinen Glaubensgenossen in hohem Ansehen stehenden Priester zum Metropoliten von Serajcwo zu ernennen und dadurch einen alten Wunsch der bosnischen Griechische )rientalen zu erfüllen. — Unter Mitwirkung und nach den Vorlagen des höheren griechisch-orientalischen Klerus kon-stituirte sich auch das „Seminar", welches wohl die besten Früchte tragen wird, wenn die Regierung ihr Kontrollrecht entsprechend ausübt. Gegenwärtig bestehen in Bosnien-Herzegowina 4 Eparchien mit 437 Pfarreien und 14 Klöstern der griechisch-orientalischen Kirche. -— Die einzelnen Gläubigen beobachten jetzt nur ihre eigenen Feiertage, während die Andersgläubigen ihren Beschäftigungen nachgehen. — Auch wurde gegen das Proselytenmachen eine sehr strenge Ver-< »rdnung erlassen. Den „spanischen Juden" Posniens und der,Herzegowina dient ein grosses Zinnner in der Wohnung des Genieindevorstehers als „Tempel", dessen Moblirung aus der unvermeidlichen Holzplatte, einem runden Tisch und einem kleinen Kasten, besteht, in welchem sich die mit Gold und Silber reich geschmückten, die heilige Schrift enthaltenden Gesetzesrollen befinden. Hier versammelt sich die Gemeinde, Gross und Klein, jeden Morgen und am Sonnabend drei Mal des Tages, denn vom Gottesdienst bleibt kein spanischer Jude weg und während dieser Zeit sowie den ganzen Sonnabend ist der Bazar geschlossen, ja es giebt keinen Preis, um den der spanische Jude denselben öffnen würde. Diese Leute sind überhaupt in Bezug auf Religion streng, dulden es nicht, dass Jemand gegen dieselbe verstösst und beobachten jede Vorschrift mit der grössten Gewissenhaftigkeit. In der Morgen dämmerung, ungefähr zur Zeit, wenn der Muezzin vom Lrker des schlanken Minarets mit melancholischem Gesänge die mo-hamedanischcn Bewohner aus allen Theilen des Ortes in die Dzamia ruft, sieht man auch die spanischen Juden in den Tempel eilen. Die „mohamedanische Religion" halte in Bosnien und der Herzegowina durch Jahrhunderte die I legemonie über alle anderen Confessionen ausgeübt, ihre I lerrschaft war während dieser Zeit schrankenlos, doch all' diese 1I 1 Ueber die „socialistische und anarchistische Bewegung" in ( testerreich giebt das im Abgeordnetenhause von der Regierung vorgelegte Expose folgenden Aufscbluss: „Schon längst hat die ausländische social-revolutionäre Presse Mass, Erbitterung und Leidenschaft unter der Arbeiterbevölkerung Oesterreichs zu erzeugen versucht. Als Johann Most im Herbst 1S79 in London die Zeitschrift „Freiheit", deren Verbreitung in Deutschland und Oesterreich-Ungarn mit allen Mitteln der List stattfindet, erscheinen Hess, und in derselben den Gedanken verfocht, dass die Arbeiter aller Länder nur durch gewaltsame Zerstörung der bestehenden staatlichen und gesellschaftlichen Zustände, nur durch Vernichtung des Privateigenthums und durch die Aufhebung aller Classen- und Ständeunterschiede eine Besserung der Lage der Arbeiter erlangen können, entwickelten sich auch innerhalb der österreichischen Arbeiterbevölkerung Tendenzen, welche einen nicht unbeträchtlichen Theil derselben nach und nach auf revolutionäre bahnen zu drängen suchen Durch Brandschriften, welche in vielen Tausenden von Exemplaren als Flugblätter unter die Massen Lei den verschiedensten Anlässen verbreitet worden sind, wurde nach und nach der Boden unterwühlt und unter dem Einflüsse von Emissären die Cluborganisation unter den Arbeitern vorgenommen, im Jahre 1SS1 begannen die „Freiheit" und andere Presserzeugnisse dieser Partei, die Arbeiter an das Studium der Chemie dringend zu mahnen und ihnen nahezulegen, mit welchem Erfolge I Dynamit im Kampfe gegen die Gesellschaft angewendet werden könne, und man möge nicht vor Mord, Brand und Plünderung zi rückscheuen. Diese continuitiiehen Aufreizungen zur offenen Gewalt trugen schon Ende des Jahres 1881 ihre Früchte. Am 4. December 1 SS 1 wurde nämlich in einem Gasthause in Wien ein Polizeikommissar, als er eine Versammlung, in der revolutionäre Reden gehalten wurden, auflöste, thätlich angegriffen und schwer verwundet. Ein Theil der Arbeiter, welcher besonnen genug war, das Verderbliche der revolu tionären Taktik zu erkennen, constituirte sich als Fraction mit gemässigten Tendenzen, konnte sich jedoch in Folge andauernder leidenschaftlicher Bekämpfung und angewendeter Mittel des Terrorismus nur in wenig erfolgreicher Weise entwickeln, da die Anarchisten alle Verstiche, die Lage der Arbeiter durch legislative Massregeln zu verbessern, in der schroffsten Weise als Palliativmittel perhorresciren, gegenüber welchen nur der völlige Umsturz der Gesellschaft anzustreben sei. Systematisch wurden in Wort und Schrift die schlimmsten Leidenschaften unter den Arbeitern angefacht und bei einem grossen Theile derselben eine jedes sittliche und rechtliche Gebot verachtende Gesinnung wachgerufen. Schon im Jahre 1882 zeigte das an einem Schuhmachermeister verübte Raubattentat, wie weit diese verderbliche Agitation um sich gegriffen hat. Die massgebendsten und gefährlichsten Wortführer der anarchistischen Partei wurden in Folge dieses am 4. Juli 1882 mit seltener Verwegenheit verübten Verbrechens und wegen hochverrätherischer Umtriebe in strafgerichtliche Untersuchung gezogen. — Seit dem Ausgange dieses Pröcesses wurde in gehobener Stimmung und mit deutlich wahrnehmbarer Zuversicht die revolutionäre Propaganda um so intensiver in die Massen getragen, und in einer Reihe von Schandthaten giebt die anarchistische Partei einerseits Lebenszeichen und andrerseits Beweise, wie weit schon die anarchistischen Theorien eine praktische Verwirklichung gefunden haben. Immer kecker und provokatorischer wurde das Verhalten der Parteiangehörigen gegenüber den behördlichen Organen und immer massloser die Aeusserungen der Parteipresse; Most frohlockte in der Nummer iS der „Freiheit" über die Haltung der „Genossen" in Wien, und illustrirt die Endziele der Anarchisten mit den Worten: „Und wenn man die heutige Welt nicht aus den Angeln heben kann, so wird man sie mit Dynamit sprengen". I Ja-Agitatoren setzten .Alles daran, die Arbeiter in ihrem Hasse 66* gegen die Gesellschaft zu erhalten, und errichteten eine ge heime Presse, deren Krzeugnisse das wirksamste Mittel hierzu bilden. Mit der Ueberschrift „Erste Freie Presse Cisleithaniens" erschienen neuerlich Brandschriften, welche massenhaft in Wien und in den Provinzen Verbreitung finden. Die mit den deutschen Genossen Hirten böhmischen Arbeiterführer proclamirten gleichfalls in einem böhmischen Flugblatte, dass dasselbe in der „prvni svobodna tiskarna v. Cechäch" (erste freie Druckerei in Böhmen) erzeugt wurde. —Am 10. Aug. 1S83 verübten zahlreiche Anhänger der anarchistischen Partei vor dem Amtsgebäude der Bolizeidirection unter nichtigem Vorwande einen Strassen-Excess, der nur durch das sofortige energischste Einschreiten der behördlichen (>rgane bewältigt werden konnte. In einer zahlreich verbreiteten Druck schritt wird auch zu „Thaten angeeifert" und mit den Worten geschlossen: „Nieder mit allen Tyrannen und ihren Schergen Nieder mit allen Ausbeutern und Volksbetrügern!" Die Nr. 34 der „Freiheit" vom 25. August 1 K83 bemerkt anlässlich der Verbreitung dieser Druckschrift, dass man bald „in Wien durch eine ganz besondere Bescheerung überrascht werden wird". — Am 2. September 1SS3 wurde eine Volksversammlung einberufen, Trotzdem man dieselbe behördlich untersagt, erschien doch eine zahlreiche Arbeitermenge am Versammlungsorte, welche nicht ohne Mühe zerstreut werden konnte. Bald darauf, am 6. September v. J., fanden die Excessc ihre Wiederholung, als eine Arbeiterversammlung in Fünfhaus neuerlich aus Rücksichten der öffentlichen Ruhe und Ordnung untersagt werden musste. Bei diesen Arbeiterversammlungen wurden Wachorgane verhöhnt, die einschreitenden Beamten beschimpft und revolutionäre Lieder gesungen. — Der Missmuth darüber, dass durch diese auf die Strasse getragenen Agitationen der in Aussicht genommene Zweck nicht erreicht wurde, reifte bei den Führern, welche sich nach aussen hin als „Executivcomite" bezeichnen, und nach allen Richtungen hin besonders mit zahlreichen Drohbriefen und Todesurtheilen terrorisirend wirken, den Plan, nach der von der „Freiheit" ausgegebenen Parole, nicht mehr in Massen, sondern einzeln terroristische Acte zu verüben und zu diesem Zwecke sich mit der Erzeugung oder Einschmuggelung von Dynamit zu befassen. Diese verbrecherischen Absichten und Pläne finden unverhüllten Ausdruck in einem neuen Flug-blatte, welches Ende October [883 sowohl mit deutschem, als auch mit böhmischem Texte erschienen ist. In demselben wird direct zur Ermordung von Polizeid Vganen aufgefordert, und die hierzu geeignete Taktik erörtert. Diesen Anregungen entsprechend, vereinigten sich in der That eine Anzahl Arbeiter behufs Erzeugung von Dynamit, suchten einen Chemiker für ihre verbrecherischen Pläne zu gewinnen, wurden jedoch in der Ausführung durch das Einschreiten der Behörde rechtzeitig gehindert. — Am 26. und 27. October 1883 wurde in einem geheimen Conventikel der Anarchisten in Lang-Enzersdorf im politischen Bezirk Korneuburg, an welchem Deligirte aus den meisten Kronländern sich betheiligten, ein neuer Actionsplan discutirt und hierbei tinter anderem beschlossen, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zur That gegen „Ausbeuter und behördliche Organe" zu greifen, durch solche Acte des Terrorismus die Bevölkeöung in fortwährender Aufregung zu erhalten und auf jede Weise die Revolution herbeizuführen! - Als Frucht dieser giftigen Saat ist die am 15. Decentber 1883 in Floridsdorf erfolgte Ermordung eines Polizeibeamten anzusehen, der ein Drohbrief vorausgegangen war. Die am 23. Januar dieses Jahres bei dem Wiener Landesgerichte erfolgte Verurtheilung eines Partei-führers, welcher eine geheime Presse verborgen hatte, wurde am folgenden Tage mit der Ermordung eines Polizei-Agenten " erw idert." — infolge all' dieser Vorkommnisse und Verbrechen, denen noch weitere gefolgt waren, sah sich die Regierung veranlasst, „Ausnahmemassregeln" zur Sicherung des öffent liehen Friedens zu verhängen, welche an Umfang und Schärfe ganz bedeutend die Vollmachten des deutschen Socialisten-gesetzes übertreffen. Die „Ausnahmemassregeln" wurden durch kaiserliche Verordnung auf Grund eines Gesetzes vom 5. Mai 1869 erlassen, und schon das bildete einen sehr bemerkenswerthen Unterschied gegen das deutsche auf dem gewöhnlichen Wege der Gesetzgebung zu Stande gekommene, alle paar Jahre der Zustimmung der Volksvertretung bedürftige Socialistengesetz. Aber auch materiell waren die Vollmachten der österreichischen Behörden ungleich weitergehend, denn es werden dadurch fünf Artikel des „Staatsgrundgesetzes", die Bestimmungen über die Freiheit der Person, die Unverletz-lichkeit des Hausrechts, die Sicherheit des Briefgeheimnisses, das Versammlungs- und Vereinsrecht, sowie die Pressfreiheit, einfach zeitweilig aufgehoben. Gegen Druckschriften, Vereine und Versammlungen besassen die Polizeibehörden von nun an geradezu unbeschränkte Vollmachten, ebenso bezüglich der Ausweisung und Internirung verdächtiger Personen, des Besitzes von Waffen, des Pass- und Meldungswesens u. dergl. Und was in Deutschland doch nur gegen socialdemokratische Bestrebungen, die in einer öffentlichen, Frieden gefährdenden Weise zu Tage treten, gestattet ist, kann in Oesterreich allen anderen missliebigen politischen Richtungen gegenüber zur Anwendung gebracht werden. Rechte der Presse und Versammlungsfreiheit existiren fortan nicht mehr, höchstens noch Duldung, aber damit nicht genug werden auch noch wichtige Bestimmungen der Gerichtsverfassung und des Strafprocesses suspendirt. Die Geschworenengerichte für die bedrohten Gerichtssprengel hob man zeitweilig auf, die 48stündige Frist, binnen welcher Verhaftete dem Richter vorgeführt werden müssen, wurde auf acht Tage erweitert; die Vorschriften über Freilassung gegen Caution oder Bürgschaft erklärte man für aufgehoben; Haussuchungen konnten ohne richterlichen Befehl stattfinden, dazu kam die unerhörte Massregel der Beschlagnahme und Oeffnung verdächtiger Briefe. Damit war der Polizeiwillkür in der That Thür und Thor geöffnet! — Selbstredend fanden diese Ausnahmemassregeln zahlreiche Gegner sowohl im Parlament als wie in der Tagespresse. Namentlich kehrte sich das leitende Wiener Blatt „Die Neue Freie Presse" gegen dieselben und sagte unter anderen: „Da es in dem Ermessen der Regierung steht, zu beurtheilen, ob in den Verbrechen welche sich ereignet haben, wirklich socialdemokratische Umtriebe zti erblicken seien, durch welche im Sinne des Gesetzes die persönliche Sicherheit in bedenklicher Weise gefährdet wird, so gebricht es der österreichischen Regierung nicht an der Möglichkeit, sofort und in ausgedehntem Masse die schärfsten Polizei- und Strafmassregeln anzuwenden, was freilich die Frage nicht aüsschliesst, ob dadurch der beabsichtigte Zweck, die Herstellung einer besseren öffentlichen Sicherheit erreicht werden kann. Jedermann weiss aber aus Erfahrung, dass auch ohne Ausnahmezustand, Dank der Fürsorge, mit welcher unmittelbar nach Schaffung der Staatsgrundgesetze jede einzelne der gewährten staatsbürgerlichen Freiheiten durch ein Sicherheitsschloss verwahrt worden ist, die Macht der Polizei und Behörden gerade in Oesterreich eine fast unbgrenzte ist. Es giebt keinen Verein, den sie nicht unter Berufung auf das Vereinsgesetz auf lösen, keine Versammhing, die sie nicht verbieten könnten. Durch das Recht der Beschlagnahme ist die Polizei in der Lage, in jedem einzelnen Falle die Pressfreiheit vollständig aufzuheben. Der Ueberwachung sicherheitsgefähr-licher Personen, der Ausweisung verdächtiger Ausländer, der Verhaftung von Leuten, die sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht haben, steht nichts entgegen. Die Wiener Sicherheit^-Behörden haben auch von diesen Befugnissen bisher den ausgedehntesten Gebrauch gemacht, aber die Erfolge, die sie damit erzielten, scheinen nicht von der Art zu sein, tun in der gleichen Richtung zu einem noch schärferen Vorgehen zu ermuntern. Die fortwährenden Beschlagnahmen socialistischer Zeitschriften haben nichts Anderes erzielt, als dass die Verbreitung der Umsturztheorien, seit sie öffentlich nicht mehr möglich ist, geheim betrieben wird; dabei stellt sich thatsächlich heraus, dass die so vertriebenen Flugschriften noch hundertmal wahnwitziger in ihrem Inhalte, noch hundertmal gefährlicher bezüglich ihrer Wirkung auf die Volksmassen sind! Seit die Vereine und Versammlungen fast jedesmal aufgelöst worden, hat die socialdemokratische Agitation in Wien den Charakter einer förmlichen Verschwörung angenommen, aber es scheint sehr fraglich, ob die Polizei auf Grund des Ausnahmegesetzes in der Lage sein würde, alle Fäden dieser Verschwörung blosszulegen und durch Massenverhaftungen die ganze Bewegung zu unterdrücken. Das, was die Wiener Polizei bisher gegen die socialdemokratische Agitation geleistet, berechtigt gerade nicht zu dem Glauben, dass sie nur des Ausnahmegesetzes bedürfe, um der Bewegung völlig Herr zu werden!" Im Reichsrathe war es aber ganz besonders die „deutsch-liberale Partei", welche gegen den verhängten Ausnahmezustand und seine durch den Ministerpräsidenten erfolgte Begründung sehr entschieden Stellung nahm und darauf hinwiess, dass hinsichtlich des Erlasses eines derartigen Gesetzes in (Oesterreich die Dinge ganz anders liegen als in Deutschland, da im ersteren Staate im Hinblicke auf seine gegenwärtigen inneren politischen Verhaltnisse, die Besorgniss nahe liegt, dass die Regierung-leicht die Absicht verfolgen könne, den Ausnahmezustand nicht allein gegen die Socialisten und Anarchisten in Anwendung zu bringen, sondern auch gegen andere missliebige politisch-nationale Parteien zu kehren, die thatsächlich mit der Social-demokrätie und den Anarchisten und ihrer Agitation gar nichts zu schaffen haben. Und als der Ministerpräsident in einer längeren Rede versicherte, „die Ausnahmegesetze seien nur aus- schliesslich gegen Diejenigen gerichtet, die das Leben und Ligenthum gefährden und die öffentliche Luhe und Ordnung stören" und es sei durchaus nicht zu besorgen, dass die von det Regierung ergriffenen Massnahmen auch in politischer Richtung zur Anwendung kämen und wer das glauben würde, beleidige ihn geradezu, hielt ihm der Abgeordnete „v. Schönerer" in seiner gewohnten drastischen Weise unter schallendem Gelächter und grossem Lärm im Hause vor, dass die Ausnahmegesetze nicht allein gegen die Socialdemokraten, sondern auch gegen das Deutschthum gerichtet seien, „denn der Vorsitzende des deutsch-nationalen Vereins in Wien habe eine Vorladung zur Polizei erhalten, wo man ihm bedeutete, es werde in Zukunft nicht mehr die einfache Anzeige einer Vereinsversammlung genügen, sondern es müsse mittelst eines gestempelten Gesuches um die Bewilligung der Versammlung unter Vorlage der genau bezeichneten Tagesordnung angesucht werden." — Herr von Schönerer glaubt durch diese Mittheilung, die natürlich den Grafen Taaffe in nicht geringe Verlegenheit setzte, den Beweis geliefert zu haben, dass unter solchen Umständen jede Ausübung des Vereins- und Versammlungsrechtes im Ausnahmegebiete, also in einem deutschen Kronlande und in der Residenzstadt Wien, während einer etwaigen Wahlbewegung als ganz tinmöglich bezeichnet werden muss! Originell und jedenfalls erwähnenswerth ist die Stellung, welche man in „Ungarn" gegen diese „Ausnahmemassregeln" einnahm. Kaum waren nämlich dort die in Wien ergriffenen Massnahmen gegen das verbrecherische Treiben der dortigen Socialdemokraten bekannt geworden, so kehrte sich die ge-sämmte tingarische Oppositionspresse „gegen" jene Verfügungen der österreichischen Regierung. Besonders waren es in Ungarn die antisemitischen Press« >rgane und die der Unabhängigkeitspartei, welche gegen die „Socialistenverfolgung" in Oesterreich donnerten und den „Wiener Hofräthen", welche ja eigentlich in Oestereich „über tue Köpfe der Minister weg regieren", jedes Verständniss „weltbewegender politisch-socialer Fragen" abspracben. Schliesslich wurden auch von jenen magyarischen Oppositionsorganen die aus Oesterreich vertriebenen Socialdemokraten ziemlich unverblümt eingeladen, den Schauplatz ihrer Thätig-keit nach Ungarn zu verlegen, das seit Jahrhunderten allen in Oesterreich Verfolgten Schutz und Gastfreundschaft gewährt habe. — Namentlich erwiesen sich die antisemitischen Blätter Ungarns den aus Wien und Umgebung ausgewiesenen Socialdemokraten gegenüber besonders freundlich und zuvorkommend. Das hatte aber seine guten Gründe, denn in Ungarn beabsichtigt die antisemitische und Unabhängigkeitspartei schon seit längerer Zeit die Socialdemokraten zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen das Ministerium Tisza zu gewinnen, ein Bestreben, das keineswegs ganz erfolglos geblieben ist! — Ein ansehnlicher Theil der eigentlich ungarischen Socialdemokraten hat sich nämlich ohne Unterschied der Nationalität wirklich dem Antisemitismus und somit indirect der Unabhängigkeitspartei angeschlossen, im Gegensätze zu den westeuropäischen Gesinnungsgenossen, welche bekanntlich von der antisemitischen Agitation, die sie für eine confessionelle halten, und von nationalen Fragen nichts wissen wollen. — Im Hinblicke auf die Erfolge, welche die ungarischen Antisemiten und Anhänger der Unabhängigkeitspartei in den socialdemokratischen Kreisen Ungarns erzielt hatten, glaubten sie auch durch den Einlluss der letzteren auf die aus Oesterreich nach Ungarn flüchtenden Socialdemokraten an diesen eine ansehnlich Verstärkung der Opposition gegen die gegenwärtige ungarische Regierung gewinnen zu können. Da die cisleithanische Regierung vom Parlamente keine erneuerte Zustimmung zur Verlängerung des Ausnahmezustandes erlangen konnte, legte sie schliesslich demselben am 20. Jan-1 SS5 zwei Gesetzentwürfe vor, deren einer Bestimmungen gegen gemeingefährliche soc'ialistische Bestrebungen, der andere Anordnungen gegen den gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen und die gemeingefährliche Gebahrung mit denselben enthält. Nach dem ersten dieser beiden Gesetzentwürfe sollen in Zukunft untersagt sein: Die Bildung von Vereinen, von welchen mit Grund anzunehmen ist, dass sie geeignet sind, socialistischen, auf den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung gerichteten Bestrebungen zu dienen, sowie die Theil-nahme an solchen Vereinen bei einer Strafe von drei Monaten bis zu zwei Jahren strengen Arrests (Art. 1); Die Abhaltung von Versammlungen (Wählerversammlungen, öffentliche Festlichkeiten und Aufzüge mit inbegriffen;, von denen mit Grund anzunehmen ist, dass sie den bezeichneten Bestiebungen zu dienen geeignet sind, dann die Theilnahme an denselben und die Ver* miethung von Räumlichkeiten hierzu, bei einer Strafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren strengen Arrests (Art. II); die Sammlung von Beiträgen zur Förderung der erwähnten Bestrebungen, sowie die Aufforderung zu einer solchen Sammlung, bei einer Arreststrafe von einem bis zu sechs Monaten (Art. IV). — In jedem dieser drei Fälle kann mit der Arreststrafe auch eine Geldstrafe von 100 bis 500 Fl. verbunden werden. Die Strafbarkeit der Theilnahme an Vereinen und Versammlungen obiger Art, sowie der Ueberlassung von Räumlichkeiten für dieselben soll selbstverständlich nur dann eintreten, wenn dem Theil-nehmer bekannt war, dass sie den in Rede stehenden Bestrebungen dienen. — Art. III desselben Gesetzes verfügt auch die Beschlagnahme von Druckschriften und Zeitungen, welche den mehrgedachten Bestrebungen dienen und die Einstellung de< weiteren Erscheinens solcher Zeitschriften, die auf Grund dieses Gesetzes zweimal beschlagnahmt wurden. Aul die unbefugte Fortsetzung der Herausgabe, sowie auf die Weiterverbreitung solcher Zeitungen und Druckschriften ist eine Arreststrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren und eine allfällige Geldstrafe von 100 bis 500 Fl. gesetzt. — Nach .Art. V sind Personen, welche sich die Agitation oder Förderung der mehrgedachten Bestrebungen zum Geschäfte machen oder wegen einer der durch dieses Gesetz verbotenen Handlungen verurtheilt wurden, für drei Jahre unter Polizeiaufsicht ZU stellen. — Den Inhabern von Gast- und Schankgewerben, Buchdruckern, Buchhändlern, Leihbibliotheks- oder Lesekabinets-Besitzern, dann solchen Personen, welche ein Geschäft im Umherziehen betreiben,, ist, wenn sie sich einer derartigen Agitation schuldig machen, nach Art.VI die Gewerbeberechtigung für eine bestimmte Zeit oder auch für immer zu entziehen. — Anklagen wegen Verletzung dieses Gesetzes kommen nicht vor das Schwurgericht, sondern vor die sonst zuständigen Gerichte (Art. VII). — Begünstigungen, welche sonstigen poli tischen Sträflingen zugestanden werden können, dürfen den auf Grund dieses Gesetzes Verurtheilten nicht gewährt werden Art. VIII]. —- Die Dauer dieses Gesetzes soll fünf Jahre, vom Tage der Kundmachung an gerechnet, betragen (Art. X). Durch das zweite der beiden Gesetze wird untersagt: tue Herstellung, Inverkehrsetzung und der Besitz von Sprengstoffen, sowie die Einführung derselben in das Geltungsgebiet dieses Gesetzes, ohne besondere behördliche Bewilligung, bei einer Arreststrafe von 14 Tagen bis zu sechs Monaten und einer allfälligen Geldstrafe von 10 bis 300 Fl.; die vorsätzliche Gefährdung des Eigenthums der Gesundheit oder des Lebens Anderer, und zwar bei einer Strafe von 10 bis 20 Jahren schweren Kerkers, wenn die Gefährdung den Tod eines Mensrhen nicht zur Folge hatte, bei lebenslänglicher schwerer Kerkerstrafe, wenn der Tod eines Menschen verursacht wurde, und bei Todesstrafe, wenn der Thäter die durch seine Handlung herbeigeführte Tödtung eines Menschen voraussehen konnte; die Verabredung zu einer derartigen Handlung, auch wenn die Ausführung derselben unterbleibt, bei einer Strafe von fünf bis zehn Jahren schweren Kerkers: die Herstellung, Anschaffung, Bestellung oder der Besitz tun Sprengstoffen oder Bestandteilen derselben, Schiesspulver ausgenommen, in der obigen Absicht oder die wissentliche Ueberlassung an andere Personen, bei einer Strafe von fünf bis zu zehn Jahren schweren Kerkers; die Aufforderung zu einem dieser Verbrechen, die Anpreisung derselben oder die Anleitung hierzu, bei einer Strafe von fünf bis zehn Jahren schweren Kerkers. Wer von einer dieser 1 landhingen in glaubhafter Weise Kcnntniss% erhält und es unterlässt, hiervon der Behörde Anzeige zu erstatten, macht sich, sofern er die Anzeige machen konnte, ohne dadurch sich selbst oder seine Angehörigen oder sonstigen gesetzlichen Schutzbefohlenen einer Gefahr auszusetzen, gleichfalls eines Verbrechens schuldig, welches mit Kerker von sechs Monaten bis zu einem Jahre und wenn die Unterlassung der Anzeige den Tod eines Menschen zur Folge hatte, bis zu fünf Jahren schweren Kerkers zu bestrafen ist. — Die Verurtheihing wegen einer der angeführten strafbaren 1 landlungcn, mit Aus« nähme der letzterwähnten, zieht Abschaffung, beziehentlich Stellung unter Polizeiaufsicht nach sich." Auf Grund des „Ausnahmegesetzes" w tua'en von der Wiener Polizei-Direction im Zeiträume vom 31. Januar 1884 bis Ende Februar 1885 369 Inländer ausgewiesen, abgeschafft und inter-nirt, hingegen Ausländer 34 abgeschafft. ■— Von all' diesen Atisgewiesenen erhielten jedoch 49 die Bewilligung zur Rückkehr. „breimaurer Rogen" dürfen nach dem Gesetze nur in Transleithanien bestehen. Die Freimaurer haben in diesem Saatsgebiete die „Grossloge von Ungarn für die drei Johannisgrade zn Budapest", welche am 30. Juni 1870 gegründet wurde, und die Roge des „Schottischen Grossen Orient von Ungarn", errichtet im Jahre 1872, ebenfalls in Budapest. — Zu beiden Verbindungen gehören Zweigvereine, die über das ganze Reich verbreitet sind; u. z. bestand Anfang des Jahres [885 erstere aus 25 „Johannis-Logen" und 2 ..Kränz- eben" mit 126S Brüdern; letztere aus 12 Logen mit 502 Brüdern. — Seit neuester Zeit werden aber zwischen den beiden Verbindungen Unterbandlungen wegen ihrer Vereinigung zu einer „Symbolischen Grossloge von Ungarn" gepflogen. Ein ganz eigenartiger Bund herrscht unter dem Namen „Bruderschaft" bei den „Siebenbürger Sachsen". Nach der Konfirmation wird nämlich der Junge bei seinem buntritt in das bürgerliche Gemeindewesen gleichzeitig Mitglied der „Bruderschaft." Das ist eine festgeordnete, durch strenge Gesetze „Bruderschaftsartikel" geregelte Gemeinschaft, welcher alle, der Schule entwachsenen Bauernburschen bis zu ihrer Verheirathung angehören und die durch frei gewählte „Beamte", das ge-sammte Leben der Brüder ausser dem 1 lause beaufsichtigen, Streite schlichten, Recht sprechen und begangene Verbrechen strafen lässt. Etwas .ähnliches besteht bei den „Banater Schwaben", aber im Sachsenlande finden wir dieses „Bruderschaftswesen" weit mehr geordnet. Das Haupt des Bundes ist der „Altknecht", ihm zur Seite steht der Wortknecht oder Redner der Bruderschaft, sowie zwei Amtsknechte, welche die beiden ihnen zugewiesenen Abtheilungen der Brüder überwachen und als öffentliche .Ankläger gegen die Schuldigen auftreten; die beiden Kellner „Irtenknechte", die bei öffentlichen Lustbarkeiten und gemeinsamen Mahlzeiten für Speise und Trank sorgen; und schliesslich der Schaffner, der die Stube oder Scheune bestellt, in welcher der Tanz stattfindet, und die Aufsicht über das sittliche Betragen in Rocken- und Spielstuben zu führen hat. — Alle 14 Tage versammelt sich die Bruderschaft zur Abhaltung des Gerichts-Tages. Diese Versammlung heisst der „Zugang." Die neu einzuführenden Brüder stellt der Wortknecht in der üblichen Weise der Bruderschaft vor. Nach ernsten Mahnungen, die Bruderschaftsgerechtigkeit zu halten und jeden guten Bruder zu ehren und zu achten, nimmt sie hierauf der Altknecht, welcher beim „Zugang" den Vorsitz führt, in die Bruderschaft auf. — Im Falle eines Vergehens I)ie politischen Parteien etc. trifft den schuldigen Bruder nur die halbe Strafe, wenn er sich selber anklagt, sonst treten die „Amtsknechte" als öffentliche Ankläger auf und der „Zugang" verwandelt sich in ein Geschworengericht. Von diesem geht die etwaige Berufung an die zwei „Knechtväter", Mitglieder des Bresbyteriums, und von da an das Pfarramt, respektive an das Presbyterium als letzte Instanz. Die Bruderschaft, welche ihre Fahnen und Trommeln hat, die bei feierlichen Anlässen vorangetragen werden, hält in Leid und Freud fest zusammen. — Gleich deu Bur sehen sind auch die konfirmirten Mädchen zvi einer „Schwesterschaft" vereinigt. XL Die Presse. Die Jagcspi'csse und der Buchhandel. Seit der Entfesselung des öffentlichen Lebens in Oesterreich-Ungarn hat wohl nichts einen grösseren Aufschwung genommen als das Zeitungswesen. — In den 40er Jahren gaben auf journalistischem Gebiete Bäuerle und Saphir den Ton an, nur dass der erstere ungleich grösseren Einfluss und sein Blatt, die ..Theaterzeitung", eine viel bedeutendere Verbreitung hatte als Saphirs „Humorist", denn die „Theater/.eitung" las jeder Wiener, und da sie jährlich 24 Fl. Conventionsmünze kostete, hat Bäuerle mit ihr ein glänzendes Geschäft gemacht-24 Gulden waren ja damals so viel, als wenn sich heute ein Zeitungseigenthümer So Gulden für sein Blatt bezahlen liesse. Freilich gab es damals keine Inserate, aber auch keinen Journalstempel. Die einzigen Inserate, die man in der „Theaterzeitung" findet, sind die Anzeigen der Güterlotterien Ab und zu wurde nämlich einer bevorzugten Bersönlichkeit in Oesterreich das Ausspielen eines kleinen Gutes gestattet und da schlug Bäuerle regelmässig die Reclametrommel. — Die Presse. 8! »7 Gegenwärtig beruhen in Wien die meisten Zeitung — gechäfte auf dem Tagesverschlei'ss, halbjährige Abonnements gehören zu den Seltenheiten, und man abonnirt monatlich, im besten Falle vierteljährlich. Bäuerle aber begnügte sich nicht einmal mit einem ganzjährigen Abonnement, sondern erfand das zwei-, drei- und fünfjährige Abonnement und stellte mehrjährigen Abonnenten besondere artistische Beilagen, Modebilder, colorirte Scenenbilder und Preisermässigungen in Aussiebt. — Saphir, der Herausgeber des „Humoristen", vergrösserte wieder sein Einkommen, indem er in Wien und in der Provinz „Akademien" veranstaltete, deren Schlusscadenz nach einem Concert in einer humoristischen Vorlesung bestand, die er selbst hielt. Da er ein gefürchteter, bösartiger Kritiker war, fand er immer Koryphäen, die in den von ihm arrangirten „Akademien" mitwirkten. — Ausser der „Theaterzeitung" und den „Humoristen" gab es in Wien noch einzelne belletristische J« airnale, wie die „Wiener Zeitschrift", der „Wanderer", der „Sammler", hingegen waren die „Wiener Zeitung" und der officiöse „Beobachter" die einzigen politischen Blätter. — Später, vor Anbruch des Jahres 1848, begann Gustav Heine, Heinrich I leine's, Bruder, das „Fremdenblatt" in Wien herauszugeben, das sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Dieses Blatt, welches Anfang des Jahres 1885 18.500 Auflage hatte, steht der cis-ieithanischen Regierung, sowie auch dem Minister des Auswärtigen nahe und wird bei Hof, sowie in den Kreisen der Aristokratie mit Vorliebe gelesen. — Unter den zahlreichen journalistischen Schöpfungen des Jahres 1848, die alle in mehr oder minder kurzer Zeit wieder verschwanden, ist die „Presse" die einzige jetzt noch bestehende Zeitung, doch erlebte sie während dieser Zeit bedeutende Wandlungen. — Bis zum Sommer 18641 wo ihre beiden Hauptmitarbeiter, Friedländer und Etienne, aus ihrer Redaktion ausschieden, und die „Neue freie Presse" gründeten, war sie das tonangebende und zugleich verbreitetste Blatt Wiens. — Nun begann aber OesterreicVia^'r.j:an\. Ol ein Konkurrenzkampf auf Leben und Tod zwischen den beiden rivalisirenden Blättern „Presse" und „Nene freie Presse", der schliesslich zum beträchtlichen Nachtheil der ersteren endete, da die Bedeutung derselben, sowie die Anzahl der Abonnenten, die in den besten Tagen weit über zwanzig Tausend betrug, von Tag zu Tag abnahmen. Gegenwärtig ist die „Presse" ein officiöses, von ausgezeichneten Kräften redigirtes Blatt mit 14.000 Aufl. Die „Neue freie Presse", deren Begründer leider nicht mehr zu den Lebenden zählen, hat sich in den 21 Jahren seines Bestehens zum hervorragendsten Journal Oesterreich-Ungarns emporgearbeitet. Sie ist zwar nicht das meist gelesenste Journal Wiens, denn sie hat blos 33.000 Auflage, während das „Tageblatt" 40.000, das „Interessante Blatt" sogar 5S.000 Auflage hat, aber dafür findet man die „Neue freie Presse" in jedem grossen Pariser Cafe, liest man sie in London und New-York, in Kopenhagen und Rom, überhaupt in allen Kulturländern der Erde, denn sie ist ein Weltblatt ersten Ranges im vollsten Sinne des Wortes. — In der inneren Politik der Monarchie vertritt sie mit allen Kräften den Standpunkt der österreichischen Verfassungspartei, in der äusseren aber die Ueberzeugung, dass Oesterreich-Ungarn schon darum die Türkei nicht fallen lassen dürfe, weil es sonst selbst der nächste kranke Mann wäre, der an die Reihe käme. — Ihrer energischen Haltung nach innen und aussen hat es jedoch die „Neue freie Presse" zu verdanken, dass sie das best gehassteste Blatt ist, welches die sogenannte „slavische Welt" kennt, denn sie klopft nicht nur die Czechen und andere Slaven Oesterreich-Ungarns sowie des Balkans, sondern, wenn es nothwendig, Luch die Russen! — Bei ihrer Gründung hat die „Neue freie Presse'' zu allererst damit begonnen, dem Roman in grossartiger, bis dahin nicht dagewesener Weise die Spalten ihres Feuilletons zu öffnen, denn bisher hatte man sich in Wien bios auf Uebersetzungen aus dem Englischen und Französischen beschränkt oder im günstigsten Fall einen I 'ic Presse, Lokalroman aufgenommen, der meistens auch wieder nur ein Kriminalroman war. Die „Neue freie Presse" bestrebte sich jedoch eifrigst blos vortreffliches in der Rumanliteratur zu bieten und scheute keine Kosten, sondern bezahlte Honorare bis zu 4000 Thaler. —• Natürlich sahen sich dadurch die übrigen bedeutenden Tagesblatter Wiens ebenfalls veranlasst, um wenigstens einigermassen die gefährliche Konkurrenz der neuen mächtigen Rivalin zu parallelisiren, auch neu geschaffene Romane renommirter deutscher Autoren anzukaufen und damit die Spalten ihres Feuilletons zu füllen, ja der Wettstreit zwischen den Blättern, die besten Romane zu besitzen, steigerte sich von Tag zu Tag dermassen, dass die. Autoren dabei recht gute Einnahmen erzielten. — Aber mit dem Eintritt des letzten grossen Wiener-Krachs, der in seinen weiteren Konsequenzen die Einnahmen der Wiener Tagespresse sehr bedeutend redu-cirte und sie so ziemlich gänzlich auf tue Abonnements sowie die nicht allzureichlich fliessenden Inserate beschränkte, trat in dieser Feuilleton-Roman-Konkurrenz ein plötzlicher sehr gewaltiger Rückschlag ein, d. h. die Regie gestattete vor der Hand nicht mehr den bisher getriebenen Luxus. Von allen Blättern war es aber wieder nur die „Neue freie bremse", die in Folge ihrer festen Position, welche sie sich bereits im Publikum erworben hatte, es riskiren durfte, den bisher so angelegentlich kultivirten Roman aus dem Feuilleton ihres Blattes wegzulasssen, während die übrigen Journale sich gezwungen sahen, um nicht beträchtlich an Abonnenten zu verlieren, ihn beizubehalten, dafür aber sehr bedeutend die Honorare der Autoren beschränkten. ..... Seit einiger Zeit hat jedoch die „Neue freie Presse" den Roman wieder in ihrem Feuilleton aufgenommen und bringt demnächst als Novität einen Roman Spielhagens, den sie für ungefähr 10.000 Mark erworben hat. bane weitere glückliche Schöpfung der neueren Zeit auf journalistischem Gebiet war das „Wiener Tageblatt", welches 57* (►esterreicb-Uogan». im Jahre 1X67 zuerst herausgegeben wurde, und in Wien, namentlich in den Vorstädten, zu den verbreitetsten Blättern, gehört. Es zeichnet sich durch seinen lokalen Theil, hauptsächlich aber durch seine von ganz ausgezeichneten K ruften redigirten Feuilletons aus; die Romane, welche e-täglich bringt, sind meistens dem Wiener Lokalleben entnommen. - Eine hervorragende Bedeutung besitzt auch die „Deutsche Zeitung", die jüngste unter den grossen Tages-blättern Wiens. Sie ist das Organ der Deutschen Oesterreichs, besonders der „Jungdeutschcn". Zu ihrer Gründung wurden \ 011 deutschen Kapitalisten, hauptsächlich aber Abgeordneten, grosse Summen gezeichnet, die jedoch leider, da das Unternehmen gleich anfangs nicht in die richtigen 1 lande gelegt war. sehr schnell zusammenschmolzen, wodurch die Existenz des Blattes schon nach zweijährigem Bestände sehr fraglich wurde und eine Krisis eintrat, die erst ihr Ende erreichte, als „Reschauer", ein früherer Mitarbeiter des Wiener „Tageblattes" und Verfasser mehrerer volksthümlicher Werke, die Redaktion des Blattes übernahm und es nach Verhält* nissmassig sehr kurzer Zeit derartig hob, dass es heut zu Tage 20.000 Auflage hat und sich namentlich in Deutschböhmen einer recht beträchtlichen Verbreitung erfreut, welche auch weit über die Marken Oesterreich Ungarns hinaus ragt.— Durch die „Deutsche Zeitung" geht ein frischer streitbarer Zug, das Blatt hat, wie man sagt, „Haare auf den Zähnen".— Ausserdem giebt es dann noch in Wien ausser zahlreichen anderen kleineren Blättern das „Illustrirte Wiener Extrablatt" mit 40.000 Auflage, die „Allgemeine Zeitung" mit 20.000, die „Heimath" mit 20.000, die „Morgenpost" mit 14.000. die „Vorstadt-Zeitung" mit 25.000, die „Wiener Presse" mit 1S.000 Auflage und die vortreffliche „Allgtm. Oesterr.-ungar. Literatur-Zeitung". Bis zum „Krach" war Wien mit volkswirtschaftlichen Wochenblättern förmlich überfüllt, von denen jedoch die M ehrzahl der sogen a n nt en ,.R e\ ad v er presse" angehörten und nach dem Mai 1S73 zu Hunderten eingingen.— Lin ähn-liches Schicksal erreichten auch die in der vorkrachlichen Zeit /ahlreich entstandenen Witzblätter, unter denen es viele ebenfalls nur auf Ausbeutung abgesehen hatten! -Das älteste Witzblatt Wiens ist der „Figaro" mit 8000 Auflage, welcher in der alten Kaiserstadt dieselbe Stellung einnimmt, wie der „Kladderadatsch" in Herlin; er führt bei aller Schlagfertigkeit einen guten Ton. — Seine später gegründeten Kollegen sind der „Floh" mit 18.000 und der „I lumoristicon" mit 13.000 Auflage. Sehr viel verlor der „Floh", als sich der durch seine vorzüglichen Zeichnungen so rühmlich bekannte Künstler „Klitsch" von ihm trennte. — Unter den illustrirten Journalen nimmt die „Neue illustrirte Zeitung", ein in jeder Beziehung wahrhaft künstlerisch ausgestattetes Blatt mit 36.000 Auflage, einen hervorragenden Rang ein. — Seit neuerer Zeit besitzt Wien auch eine stattliche Reihe sehr guter Fach-blätter und statistischer Jahrbücher, wie /. B. der Kompass, die „Bilanz" etc., welche durch ihre gediegenen fachwisscn--cliaftliehen Arbeiten sehr fördernd auf die gewerbliche und geistige Entwicklung des Reichs einwirken. Im Ganzen erscheinen in Wien gegenwärtig weit über 100 Zeitungen und periodische Druckschriften. Ausser dieser Wiener, die hervorragendste Rolle in der cisleithnnischen Presse einnehmenden, Journalistik finden wir dann noch eine ziemlich zahlreiche Tagespres.se in den übrigen Provinzen, die tbeils in deutscher Sprache, theils in den verschiedenen anderen Nationalsprachen des Reiches schreibt. Die meist gelesensten unter ihnen sind in Prag die „Bohemia" mit 10.000, die „Politik" mit 11.600, die „Ceska Politika" (ein böhmisches Beiblatt zur Politik; mit 23.000, das „Abendblatt" mit 50.000, der „Prazsky Dennik" mit 60.000 und die „Narodni Listy" mit 14.000 Auflage; in Oberösterreich die „Linzer-Tagespost" mit 5000 und der „Anzeiger" in Wels mit 4000: in Brünn die „Morgenpost" mit 12.000-. in Teschen die „Silesia" (lesterireich-Ungkrn. und „Gwiadzka Cieszynska", beide mit 2000; in Graz die ,,Tages-pÖst" mit 12.000; der „Sonntagsbote" und der „Feierabend", beide Beiblätter des „Volksblattes" mitje 10.000; in Innsbruck die „Nachrichten" mit fSöb und in Bozen das „Tiroler Volksblatt" mit 1700; in Triest der „L'Indipcndente" mit 6000; das „Triester Tageblatt" mit 5700 und „L'Adria" mit 5000; in Villach die „Kärnthner Allgem. Zeitung" mit 2000; die „Kla-geniiirter Zeitung" mit 1 1 50; in Lemberg der „Kurjer Lwowski" mit 6000; die „Gazeta Narodowa" mit 3500 und die „Dziennik polski" mit 3900 Auflage. — Unter dieser übrigen Presse Cisleithaniens spielt die Prager, wie wir bereits an der starken Auflage gesehen haben, eine hervorragende Rolle, da ein Theil dieser Blätter, wie die „Politik" ganz vorzüglich redigirt sind. — Eine grosse Anzahl der Wiener Journalisten mit rühmlich bekannten Namen stammt aus Böhmen, ganz besonders aber aus dem Prager Ghetto, welche entweder vorher in den Prager Redaktions-bureaux gearbeitet, also die Prager Schule durchgemacht hatten, oder gleich direkt nach Wien in die dortige Presse eingetreten waren und meistens ihr Glück gemacht hatten. — Las Lesepublikum dieser verschiedenen Tagesblätter in den übrigen Kronländern ist gewöhnlich mit Neuigkeiten und Sensationsnachrichten beinahe gleichzeitig mit dem Wiener Publikum bedient, denn es gehört zu den Nebenverdiensten der Wiener Journalisten, mit den Zeitungen in den Kronländern beständige Verbindung zu unterhalten und diesen das Wichtigste aus den Blättern, bei denen sie arbeiten, telegraphisch mitzutheilen, wobei dem Eigenthumsrecht des betreffenden Wiener Blattes, dem die Nachricht entnommen war, dadurch Rechnung getragen wird, dass das Provinzblatt, welches sie gleichzeitig bringt, die Quelle anführt. Zu den ältesten dieser Provinzblätter gehört die „Troppauer-Zeitung". denn sie begann am 1. Januar 1SS5 ihren 100. Jahrgang. — Anfangs erschien sie als zwangslose Neuigkeitsblätter, dann vom Jahre 1788 an l >ie Presse, 903 als regelmässig zur Ausgabe gelangende „Oesterreichische Kriegs- und Friedenschronik". Ihren jetzigen Titel erhielt sie erst einige Jahre später. Welch enormen Aufschwung die österreichische Presse seit iS(>3 genommen hat, ersieht man am .besten aus nachfolgender Statistik über die Anzahl der zur Abstempelung gekommenen einzelnen Exemplare. Länder....... 1863 1873 1883 Niederösterreich . . . 35.481.197 65,723.876 67,987.686 Oberösterreich .... 730.814 1,779.800 2,724.488 Salzburg...... 75.660 353-635 435-978 2,286.756 4,021.743 44I3-935 Kärnthen | Krain 1 56.870 88.788 665.155 42.494 522.310 1.2 89.91 5 1.5*2.375 3,813.590 Tirol und Vorarlberg 1,768.349 L793-633 2,402.660 — 1*5-833 254.100 7,946.835 12,933.280 19,468.470 Mähren | 1,692.851 2,808.245 4,132.063 Schlesien j 314.400 «»095.555 Galizien....... 2,541.680 2,045.260 2,976.809 lOOO 10.220 93-350 Zusammen 65,230.655 94,306.243 110,363.488 Ebenso wie sich im Östereichischen Staatsgebiet die Haupt-thätigkeit der Presse in Wien koncentrirt. ruht der Schwerpunkt der transleithanischen Presse in Budapest. Wir finden hier unter zahlreichen anderen Blättern den „Pester Lloyd'' mit 15.000 Auflage. (Alle hier gemachten Angaben über die Stärke der Auflage haben wir dem „Zeitungs-Katalog" der Annoncen-Expedition von ,.Rudolf Mosse, Herlin1- entnommen.) Das „Budapester d'ageblatt" mit 10.000. die illustrirte Zeitung ,,Budapest" mit 25.000, den „Egyetertes" mit 15.400, der „Elenzek" mit 10.000, das „Neue Pester Journal'' mit 24.000, der „Kcpes Neplap" mit 14.000, der ..Pesti Hirlap" mit 15.000-, der „Pesti Napld" mit 8000, die „Sonntagszeitung" mit 9600 und das „Politische Volksblatt" mit 19.000 Auflage; Blätter, die zum grössten Theil ganz vortrefflich redigirt werden. Ausserdem haben im ungarischen Staatsgebiete stärkere Verbreitung: in Fiume „La Bilancia" mit 3000, in Agram der ,.Pozor" mit 1700, in Esseck die ,,Drau" mit 1800, in I lermannstadt das ,,Siebenbürger Deutsche Tageblatt" mit 1430, in Gross*Kamsza der „Zalay Kötzleny'1 mit 2000, in Hold-Mezö-Vasarhely der „Közlöny" mit j 890, in Kaschau die „Kaschauer Zeitung" mit 3492, in Pressburg die „Pressburger Zeitung" mit 2600, in Steinamanger der „Dunantul" mit 3000 und in Temesvar der „Temesvarer 1 ,loyd" mit 2000 Auflage. — Im Ganzen giebt es im ungarischen Staatsgebiet ca. [63 Tagesblätter und periodisch erscheinende Druckschriften v m Bedeutung, davon entfallen auf Budäpest42.— In Südungarn entwickeltesten, trotz aller Magy arisirungsbestrebungen die deutsche Presse in recht erfreulicher Weise, denn es erscheinen in den bedeutendsten Orten Südungarns insgesammt 24 deutsche Zeitungen, davon 5 in Temesvar und je 2 in Werschetz und Gross-Kikinda. Sehr gute Dienste leisten dem Deutschthum die „Bacs-Bodrocher Presse" in Neusatz, die „Neue Werschetzer Zeitung" und der katholisch-konservative „Landbote in Temesvar". Leider muss das „Pressgesetz", welches der österreichischen Tagespresse auferlegt ist, als ein mit den Einrichtungen und Gesetzen eines wirklich liberalen Staates im Widerspruch stehendes bezeichnet werden, denn es wird wohl Niemand behaupten können, dass die in < Österreich noch immer aufrecht erhaltenen Pressbindernisse, wie die Zeitungs-Cautionen, die Stempelgebühren für jede einzelne Blattnummer sowie das sogenannte „objective Verfahren" seitens der Staatsanwaltschaften und Gerichte ZU den obersten Kennzeichen liberaler Presszustände gehören, dabei wollen wir von dem Geiste und der verclnusulirten 1 ie Presse 965 Stilisirung einer langen Reihe österreichischer Pressgesetz-Paragraphen gar nicht sprechen, weil diese nur als eine natürliche Folge der vorher erwähnten Hindernisse -gegen die freie Kntwickelung der Presse zu betrachten sind. Aber selbst dieser ganze, für einen liberalen Staat höchst bedenkliche „gesetzliche Apparat" scheint in Oesterreich zur Zähmung der Presse noch nicht ausreichen zu wollen, da es neben den Staatsanwaltschaften, Gerichten, Zeitungs-Gautionen, Stempelgebühren und dem Verbote, auf der Strasse sowie in öffentlichen Localen Zeitungen zu verkaufen, auch noch zwei „ministerielle Press-burcaux" giebt, welche im „vertraulichen" Wege dafür zu sorgen haben, dass keinerlei Mühen und Anstrengungen gescheut werden, um für die Regierung möglichst angenehme Artikel, Berichte und Telegramme in die verschiedeneu Plätter des In- und Auslands zu bringen. I )as eine dieser ministeriellen Pressbureaux dient für die inländische, das andere für die ausländische Presse. Der Mechanismus beider ist ein überaus verwickelter, die Fühlungs- und Leitungsdrähte verschlingen sich nach vielen Richtungen, w es halb eine Beschreibung des ganzen Apparates und seiner vielseitigen Thätigkeit uns zu weit führen würde, doch sei erwähnt, dass dieser eigenartige Pressmechanismus auch schweres Geld kostet, welches in Oesterreich jedes Jahr im Budget unter dem Gesammttitel „Dispositionsfonds" verlangt wird. Die Delegationen in Wien oder Pest und der österreichische Reichsrath sind auch stets so liebenswürdig, diesen „Dispositionsfonds" zu bewilligen; wenn sich auch ab und zu ein „factiöser" Oppositionsmann dagegen sträubt. — Als Beweis übrigens, wie eigenartig die Censurverhältnisse in ()esterreich-Ungarn beschaffen sind, mag folgendes dienen: Der Minister von Kailay, in dessen Kessort bekanntlich die Verwaltung Bosniens und der Herzegowina gehört, gab vor einiger Zeit eine serbische Geschichte heraus. Dieses vortreffliche Werk wurde später in Belgrad in's Serbische übersetzt und kam in den Buchhandel; als aber das erste Exemplar die Grenze des Occupations-gebiets überschritt, ward es von der dortigen Censur-behörde als gefährlich verboten! In ganz Deutschland giebt es keine Vereinigung wie die Wiener Schriftstellerverbindung „Konkordin", die ein Vermögen von mehreren hunderttausend Gulden, verbunden mit einem ansehnlichen Pensionsfonds, besitzt, der bereits mancher Wittwe, manchen hinterlassend! Kindern eines Schriftstellers zu gute kommt! — Ihre gegenwärtige günstige materielle Lage verdankt die Konkordia dem ausserordentlich beliebten Feuilletonisten „Wiener", der als Präsident der Konkordia im Jahre i Sj2, also gerade zur Zeit, wo die Börse sich im glänzendsten Fahrwasser und in der üppigsten Wechselbeziehung zur Presse befand, die Wiener Geldgrössen zu ansehnlichen Kapitalsspenden für die Fonds der Konkordia aufforderte. — Die Konkordia sorgt nicht allein für Wittwen und Waisen ihrer Mitglieder, sondern sie unterstützt auch manches Mitglied, dem es momentan schlecht geht, so lange, bis er wieder in das richtige Fahrwasser gelangt ist, denn die einstigen üppigen vörkrachlichen Zeiten, wo mancher Journalist die Ausgaben eines Grandseigneurs machen konnte, haben aufgehört und die früher überfüllten Redaktionsbureaux wurden nach dem Krach in ihrem Personal derartig reducirt, dass dort, wo früher drei Herren sassen, einer ihre Arbeit thun musste, ohne nur annähernd so viel zu verdienen, als er früher erworben hatte. — Die österreichisch-ungarische Schriftstellerwelt umfasst eine stattliche Reihe hervorragender Namen der älteren und neueren Zeit, wie Grillparzer, Anastasius Grün, Beton, Maurus Jokai, Ltienne, Johannes Nordmann, Emil Franzos, Rossegger, Max Wirth, Baron Schweiger-Lerchenfeld und noch viele andere, die auf den verschiedensten Gebieten der Literatur Vorzügliches geschaffen haben und noch schaffen. Seit neuerer Zeit ist auch der „Kronprinz Rudolf" zur Freude und dem Stol/ der österreichisch-ungarischen Schriftstellerwelt I >ie Tresse. 907 mit seiner „Orientreise" in ihre Mitte getreten. lieber dieses vortreffliche Werk, welches bereits im englischer, französischer und russischer Uebersetzung im Ruchhandel erschienen ist. sagt unter anderem die „Allgemeine Zeitung" sehr richtig: „Man wird diese Blätter aus Baiästina mit wirklichem Genüsse lesen, denn selbst für den Orientwanderer enthalten sie Neues; die hohe Stellung des Autors lieferte demselben manche Gelegenheit zur Beobachtung, die sich sonst kaum Jemandem bietet. Doch diese Gelegenheit muss man eben zu benützen wissen. Der Kronprinz hat regen Natursinn, ein frisches Auge und Empfindung für das Malerische; solches Rüstzeug macht den Schilderer. Er hat etwas von der Begeisterung und Zähigkeit des Forschers und dazu ein aussergewöhnliches, geistig wohl verarbeitetes Wissen; damit erwandert man sich hohen Genuss. Wie mit der Jagdbüchse, ist er auch mit der Feder trefflich, und man hat, liest man seine so anschaulichen Beschreibungen, fast immer das Gefühl, dass er gewiss auch mit dem Zeichenstift zu hantiren versteht, so knapp und überzeugend sind die Butler gegeben, Gern verweilt er bei seinen Jagdausflügen, auf welchen wir den schmucken Waidmann mit wahrem Vergnügen begleiten, wie hier beispielsweise auf seiner Hyänenjagd beim Mar-Elyäs-Kloster. Doch nicht allein nach Jagdbarem steht sein Sinn, er vertieft sich ebenso gern in die geschichtlichen Erinnerungen, welche den öden, melancholischen Fels-thälern Balästina's entsteigen, die er so stimmungsvoll zu schildern weiss." — Jetzt ist Kronprinz Rudolf mit der 1 leiausgabe eines grossartig angelegten Brachtwerkes „Oesterreich-Ungarn in Wort und Bild', an dem die hervorragendsten österreichisch-ungarischen Schriftsteller und andere Künstler betheiligt sind, beschäftigt. 1 )er Buchhandel Oesterreich-Ungarns befindet sich keineswegs in besonders günstigen geschäftlichen Verhältnissen, doch Würde auf dem Gebiete des Verlages in Wien, wo der Hauptsitz des Österreichischen Buchhandels ruht, in manchen speciellen Richtungen von namhafteren sowie Stich jüngeren Verlegern eine rege Thätigkeit entwickelt und insbesondere Colportage und gewerblich-technische Literatur mit Erfolg gepflegt, wozu die Wiener elektrische Ausstellung vielfachen Anstoss gab. - Dem entsprach auch die Zahl der in den Buchhandel gelangten Publikationen, welche sich für das ganze im Reichsrathe vertretene Ländergebiet 18X3 mit rund 4200 Nummern bezifferte, wovon 2400 auf Niederösterreich entfallen. In dieser Anzahl sind 658 selbständige neue Werke, 530 neue Auflagen und Kalender, 86 Fachzeitschriften, 754 Fortsetzungen, 214 Separatausgaben und 159diver.se Karten, Vorlagewerke und Kunst artikel inbegriffen, Von den Erscheinungen ausserhalb des Kronlandes entfällt die Mehrzahl auf die „slavischen Idiome", in denen eine grosse Verlags thätigkeit, vorzugsweise auf dem Gebiete der Uebersetzungen aus Cultursprachen entfaltet wurde. — Unter den österreichisch-ungarischen Buchhandel-Firmen, von denen Ilartleben, K. Gerold's Sohn Seidel, Oban & Schwarzenberg, Braimülller & Sohn, Alfred Holder & Sohn, k. k. Staatsdruckerei in Wien, Prochaska in 'besehen, Temski in Prag, die Verlagsexpedition der Akademie der Wissenschaften, der Franklin-Verein in Budapest, „Karmun", literarische und Druckerei-Aktiengesellschaft in Losoncz und die „Marmaroser" Buchdruckerei und Verlags*Aktien-Gesellschaft die bedeutendsten sind, ist die Verlagsfirma „Hartleben" jedenfalls die hervorragendste. Sie hat während eines nahezu hundertjährigen Bestandes mehr Verlagswerke in die Welt hinausgeschickt, als alle übrigen Verlagsgeschäfte Wiens, dabei wandte die Firma dem speciell in Oesterreich Producirten immer eine liebevolle Aufmerksamkeit zu. „Hammer-Purgstalls" grosse Geschichte des türkischen Reiches ist für sich allein schon ein Denkmal, das sich die Firma gesetzt hat. Die Absatzverhältnisse des österreichischen Buchhandels haben sich in den letzten Jahren wenig geändert, so dass der vermehrten Zahl der Publikationen ein entsprechendes Anwachsen der Ertragsziffer nicht gegenüber steht. Im wesentlichen unverändert hielten sich auch die Productionskosten. mit Ausnahme einer Steigerung" der Satzpreise, welche der letzte ..Setzerstrike" im Gefolge gehabt hat und die, an sich unerheblich scheinend, doch der localen Druck'Industrie manchen Schaden zufügte und viele Verleger veranlasste, die eigentlichen Brot- und Massenartikel ausserhalb des Kammerbezirkes herstellen zu lassen. Diesen Verhältnissen gegen über ist die zu Concessionen geneigte Stimmung der Papierfabriken höchst lobenswerth hervorzuheben, welche dem Verlagsbuchhandel die schwierige Aufgabe erleichtert, prächtige Ausstattung seiner Bücher mit billigem Preise zu verbinden, eine Tendenz, die immer mehr zur Herrschaft gelangt. — Im Sortimentsbuchhandel sieht sich die beständig noch anhaltende Fluth von Prachtwerken einem etwas übersättigten, meist auch wenig kaufkräftigen Publicum gegenüber, das daher um so lieber nach den billigen Collectionen greift, mit denen der Markt von Stuttgart. Leipzig und Prag aus überschwemmt wird. Doch scheint auch der Absatz „besserer fachlicher Literatur", der illustrirten und nicht i Hu strirten Wochenschriften, Revuen und verwandten literarischen Erscheinungen, wenn sie in Bezug auf Ausstattung den immer weitergehenden Ansprüchen der Bücherkäufer entgegenkommen, in Zunahme begriffen. - Hingegen hat der 1 lande! mit Schulbüchern einen neuerlichen Kuck gang erfahren, den man wohl hauptsächlich der nothgedrungeneiv Sparsamkeit zuschreiben muss, die weiten Kreisen der Bevölkerung durch gedrückte Erwerbsverhältnisse wider Willen aulerlegt wird — Die Ostermess-Abrechnung des Jahres 1884, welche jederzeit den Prüfstein für die Solvenz des Sortimentsbuchhandels bildet, verlief glatt und sogar befriedigender als im Vorjahre, denn mir wenige kleinere Firmen kamen ihren Verbindlichkeiten gar nicht oder doch nur ungenügend nach. — Die in der Er- 910 ' Österreich Ungarn, theilung neuer Concessionen eingetretene Beschränkung wird jedenfalls dazu beitragen, das Ueberwuchern jener Elemente zu verhindern, welche ohne die mindeste Befähigung und Vorbildung in den Buchhandel eingedrungen, dessen Ansehen und Existenzbedingungen schwer geschädigt haben. Die Verhältnisse des „Wiener Kunstmarktes" waren [883, wie in den früheren Jahren, ziemlich enge und beschränkt. Die Zahl der Amateure ist nicht sonderlich gross, die Dotirung der öffentlichen und Staatsinstitute eine dürftige und der Einfluss der politischen Zustände äussert sich immer mehr in dem leider geringer werdenden Interesse der höheren Gesellschaftskreise für centralisirte Kunstbestrebungen. — Bei künstlerischen Reproduktionen, Kupferstich, Radirungen u, s. w. überwiegt der Import von deutschen, französischen und englischen Erzeugnissen den Export Wiener Kunstverlagswerke. — Ausser der in Wien besonders vertretenen „Radirkunst" hat sich in letzterer Zeit auch die „Heliogravüre" derart vervollkommt, dass de die vorzüglichste künstlerische Wiedergabe gestattet. — Der „Musikalienhandel" ist dauernd vom Auslande abhängig und consumirt fortwährend namentlich deutsche Erzeugnisse. Wien producirt jedoch alljährlich eine Anzahl neue Erscheinungen leichten Genres» in welchen überallhin ein ziemlich lebhafter Export statfindet. XIL Das Sanitäts-Wesen, Spitäler, Irrenhäuser sowie andere grosse Anstalten und Stiftungen für humanitäre Zwecke. Das Klima. — Die Volksdichte, Geburten und die Mortalität, — Die Kur-Orte. — Das Armenwesen. In der österreichisch-ungarischen Monarchie ist das Klima im allgemeinen ein sehr gesundes, doch herrschen in den Sumpfgegenden Ungarns und Galiziens verschiedene Fieber. Die südliche oder wärmste Region erstreckt sich vom 42—46'' nördlicher breite, die mittlere oder gemässigte, welche die grösste Ausdehnung besitzt, vom 46—49", und die nördliche oder kühle Region über den 49" hinaus, Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Triest M'öc/, in Wien S-o8, und in Lemberg 5'59° R. — Da die „Volksdichte" in Oesterreich-Ungarn per F] Kilometer 61 Einwohner beträgt, so steht die Monarchie in dieser Beziehung unter den Staaten Europas ungefähr an 9. Steile. Em grossen Ganzen nimmt die Volksdichte m Oesterreich-Ungarn von West nach Ost ab, u. z. sind die industriellen Länder des Nordwestens, nämlich Niederösterreich, Schlesien, Böhmen und Mähren am dichtesten bevökert, dennl bei ihnen kommen 100 bis 118 Menschen auf i (H Kilometer; die geringste Volksdichte haben die Alpengebiete und Dalmatien. — Im allgemeinen leben auf einem Kilom. in Cisleithanien 74, im ungarischen Staatsgebiete 49 Ein- wohner, u. /.. in : Niederösterreich . . . 118 Steiermark...... 54 Schlesien ..... 1 10 Ungarn-Siebenbürgen . . 49 Böhmen...... 107 Krain....... 48 Mähren...... 97 Kroatien-Slavonien ... 45 Oesterr. illyr. Küstenland 81 Dalmatien...... 37 Galizien...... 76 Kärnthen...... 34 Oberösterreich .... 63 Tirol und Vorarlberg . . 31 Bukowina...... 55 Salzburg...... 23 Die bevölkertsten politischen Bezirke in Cisleithanien sind, abgesehen von der Umgebung Wiens und Triest's, in Böhmen Rumburg 366 Einwohner auf 1 [^Kilometer, Gablonz 272, Scbluckenau 256, Asch 214 und Reichenberg 221. Am dünnsten bevölkert sind die salzburgischen Bezirke Zell am See 12 und 'Parnsberg 13, die tirolischen Landeck 13, Imst und Lienz 14. Im Gebiete der St. Stefanskrone aber die Comitate Waras-din 95, Raab 79, Best-Bilis 78, Oedenburg 74, Pressburg 73 und Eisenburg 72; am schwächsten die Comitate Marmaros 22, Bistritz-Naszöd [24 und Csik 25. — In Bosnien-I Icrzegowina kommen auf einen fjjKilometer circa 23 Einwohner. In Oesterreich-Ungarn gab es mit Schluss des Jahres 1880 18,019.527 männliche und 19,263.699 weibliche Einwohner; somit entfielen auf je 1000 männliche Einwohner 1.034 weibliche, in Bosnien und der Herzegowina aber 869. — Die zahlreichste weibliche Bevölkerung haben Schlesien. Mähren, Böhmen und Krain, während in der Bukowina, im illyr. Küstenlande, in Dalmatien und Kroatien-Slavonien das männliche Geschlecht überwiegt. Die Volkszählung vom 31. December 1880 zeigt uns folgende Verhältnisse: Das Sankate -Wesen etc. Auf 1000 Männlich Weihlich milnnlK-lu- I'ersonen weibl. Im Reichsrathe vertr. Länder 10,819.737 i 1,324-507 I.O47 N'iederösterreich..... I.I^I.IM I,I79.5IO 1.02 5 3/4.226 3^5-394 1.029 Salzburg........ So. 780 82.790 i.O25 Steiermark....... 599.748 613.849 1.002 Kärntben....... 170.136 178.594 1.049 229.816 251.427 I.O94 Oesterr illyr. Küstenland . . 329.100 318.834 969 Tirol und Vorarlberg . . 449.704 462.845 1.029 Rohmen........ 2,677-932 2,882.887 '•°73 Mähren........ 1,028.445 1,124.962 1.094 Schlesien........ 268.1 71 297.304 1.108 2,934 595 3,024.312 1.003 Bukowina....... 286.342 285.329 962 Dalmatien ... ... 239.631 236470 987 Länder der ungär. Krone 7,799.790 7,939.192 1.018 Ungarn mit Siebenbürgen 6.833.470 6,978.976 1.002 bäume mit Gebiet .... 10.251 1 1 ■ 3 s 3 1.110 Kroatien und Slavonien . . 956.069 948.833 992 Summe für die Monarchie [8,619.527 19,263.699 1 -«34 In Cisleithanien kamen durchschnittlich in den Jahren 1865—1880 auf je 10.000 Einwohner 85. in Transleithanien 102 Trauungen, und ohne die Todtgeburten auf je 1000 Einwohner in ersterein Staatsgebiet 39, in letzterem 43 Geburten Davon entfallen, mit Ausnahme der Todtgeburten, auf IOOO weibliche Geburten in Cisleithanien 106, in Transleithanien 105 männliche Geburten. — Auf 1000 Geburten wieder, aus schliesslich der Todtgeburten, kamen im österreichischen Staatsgebiete 135, im ungarischen 72 uneheliche Geburten. Cisleithanien nimmt daher in dieser Beziehung unter den Oestensicha7i)j;nrii. 58 Staaten Eur/opas ungfähr den /weiten Rang ein, wahrend Bayern an erster mit 158 und Serbien mit 5 an letzter Stelle steht, was gerade nicht für eine grosse Moralität in der west-• leben Reichshälfte spricht. — Ferner entfielen im Jahresdurchschnitt auf 1000 Geburten im österreichischen Staatsgebiete 23, im ungarischen 14 Todtgeburten; in dieser Beziehving sind die Verhältnisse in Oesterreich-Ungarn noch ziemlich gunstig, denn im Vergleich mit den übrigen europäischen Staaten finden wir, dass die Niederlande die meisten, nämlich 51, hat, dann kommt Frankreich mit 45 : während in Spanien nur 1 Todtgeburt vorkommt. — Die Statistik über die Sterblichkeit der Bevölkerung zeigt uns, dass im Jahresdurchschnitte auf 1000 Linwohner, ohne die Todtgeborenen, in Cisleithanien 31, in Transleithanien aber 3S Sterbefalle kommen und Ungarn in dieser Beziehung; an der Spitze aller europäischen Staaten marschirt, während das österreichische Staatsgebiet die vierte Stelle einnimmt. — Berücksichtigt man endlich das Geschlecht der Gestorbenen, so ergeben sich auf i00 weibliche Todesfälle in Oesterreich-Ungarn 10S männliche, dem in Cisleithanien eine jährliche Bevölkerungszunahme von 0'93i in Ungarn von 0*37 und in t )esterreich-Ungarn von 9*66 Procent gegenüber steht. Während es in früheren Jahren, besonders im ungarischen Staatsgebiete, an einer hinreichenden Anzahl tüchtiger Aerzte auf dem platter- Lande fehlte, ist diesem Uebelstande seit neuerer Zeit so viel wie möglich abgeholfen worden, und man kann daher sagen, dass das Gesundheitswesen in ()esterreich-1 ngarn sich in mancher Beziehung gebessert hat, obwohl noch immer recht viel zu thun übrig bleibt. An den erforderlichen medicinjschen Hochschulen zur Heranbildung tüchtiger Aer/.te mangelt es zwar nicht in der .Monarchie, ja die Wiener medi-ci.pische Facultät, an der Coriphäen ersten Ranges, wie Prof. Billroth etc., lehren und die zu den besten der Weit gehört,, wird alljährlich von zahlreichen Höhrern aus allen Kulturländern der Erde besucht. - Viel zu wenig Aufmerksamkeit wird aber noch immer der Ueberwaohung und y*erbe.sserüng der sanitären Wohnungsverhältnisse auf dem platten Lande geschenkt. Während der Staat einerseits mit vollem Recht den Städteverwaltungen zur grössten Pflicht macht, auf das genaueste die dortigen Arbeiterwohnungen zu überwachen, kümmert er sich andererseits blutwenig, wie es auf dem platten Lande, hauptsächlich aber in den Hütten der armen Kleinhäusler und in den Unterkunftsräumen der Agra'r-lohnarbeiter, aussieht! Daher herrschen in dieser Beziehung, wie wir schon in früheren .Abschnitten gesehen haben, selbst in den auf hoher Kulturstufe stehenden Provinzen oft haarsträubende Uebelstände. Hier müssten die Behörden viel energischer eingreifen und einen entsprechenden Druck auf die ländlichen Gemeindeverwaltungen und Arbeitgeber ausüben. Dies ist um so nothwendiger. weil sich ein beträchtlicher Theil der grossen Bauernmasse ()ester. reich-Ungarns noch auf einem ziemlich niederen Standpunkte der Kultur befindet. An gut eingerichteten Spitälern, Irrenhäusern und anderen Anstalten für humanitäre Zwecke ist Oesterreich-Ungarn ziemlich reich, dabei werden noch beständig neue erbaut. Die Krankenpflege \ ersehen meistens ,,Barmherzige Schwestern", was in vieler Beziehung der Pflege durch angestellte Krankenwärterinnen, w ie z. B. in den Spitälern Deutschlands, vorzuziehen ist, denn die Krankenpflege, besonders in einem grossen Lazareth, wo täglich so und soviel Menschen an den verschiedensten Leiden und oft unter den unsäglichsten Oualen ihr Leben enden und die schwersten Kranken untergebracht sind, ist ein unendlich schweres Amt, stumpft nach kurzer Zeit selbst das feiner fühlende Herz des Weibes ab und erfordert daher zu der dazu unbedingt notwendigen hingehendsten Erfüllung der schweren Pflichten einen höheren Impuls, als ein vefhaltriissmässig guter Monatsgehalt. 1 >ieser 010 (>esterretcft-Unjjfa,rn. Impuls kann fremden Menschen gegenüber1, wö also gar keine anderen edleren Triebe, wie Eltern-, Geschwisterliebe, Freund schaft oder die Liebe selt)st, zur Geltung kommen, nur von einer fast zum Fanatismus gesteigerten Religiosität ausgehen, wie sie in den meisten Fällen die Nonne besitzt. INI.an erinnere sich nur an die unbeschreiblich hingebenden Leistungen der „Sacrecocure-Dameti" im Krimkriege und in anderen Feldzügen! — Derartige Zustande, wie sie bei einer Krankenpflege durch gezahlte Wärterinnen in Spitälern Deutschlands und anderer Länder vorkommen, wo, trotz der vortrefflichsten inneren Einrichtung und der zweifellos humansten Pflichterfüllung von Seiten der Aerzte, die Kranken sich doch höchst unbehaglich im Lazäreth befinden, weil sie von den Krankenwärterhmen-und Wärtern häufig auf das rücksichtsloseste behandelt'werden-und sehen müssen, wie schwere, mit dem Tode röchelnde Kranke häufig keinen kühlen Trank bekommen, nach dem sie 1 cch/.eu, damit sie die Retten nicht beschmutzen, ja auf die brutalste Art angeschrieen und von den Wärterinnen nicht nur herumgestossen , sondern noch lebendig, häufig bei Besinnung auf das sogenannte olIbett" gelegt werden, mit welchem man die Leichen aus den Krankensälen schafft, kommen gewiss in Laza-rethen, in denen Nonnen die Krankenpflege ausüben, in viel geringerem Masse vor. Unwillkürlich fragt man: Warum wird das nicht den Behörden oder leitenden Spitalärzten zur Anzeige gebracht, diese würden doch jedenfalls sehr energisch eingreifen? — Die Antwort ist sehr einfach: es sind eben nur arme Leute, denen eine solche Behandlung zu ddieil wird, und diese fürchten sich, solange sie im Spital liegen, vor einem Racheakt des Krankenwärterpersonals, sind durch ihr Leiden überhaupt in ihrer Energie gelähmt, wenn sie aber draussen sind, erwartet sie der Existenzkampf wieder in so hohem Grade, dass sie weder Zeit, Lust, noch Geldmittel in hin reichendem Masse besitzen, um einen Process gegen das brutale herzlose Wärterpersonal des Spitals anzustreben. Unter den schon früher beregten neuen Spitalbauten in Oesterreich-Ungarn nimmt das grosse, vortrefflich eingerichtete „Klisabeth-I lospitah' des ungarischen Kothen - Kreuz-Vereins, das erste Krankenasyl dieser Art, in Budapest, einen hervorragenden Rang ein. Die feierliche Schlussstcinlegung erfolgte am 19. October 1SS4 im Beisein des Kaisers Franz Josefs und mehrerer Mitglieder des Herrscherhauses. — Ursprünglich war als Baugrund für dieses Hospital ein von der 1 Iauptstadt geschenkweise angebotenes Terrain bestimmt, welches sich aber aus sanitären Rücksichten als ungeeignet erwies. Der Rothe Kreuz-Verein erwarb daher das im deutschen Theile zu Ofen, zwischen Raaba und Schöpfungsgasse gelegene, 48.200 [~J-Meter umfassende Terrain. Auf diesem, 47 Mtr. über dem Nullpunkte der Donau gelegenen Bauplatze, dessen 1 Unter grund die Abhänge des ()fener Adlerberges bilden, wurden die Gebäude des Hospitals in terrassenförmiger Anordnung errichtet. — Sämmtliche Hauten des I lospitals sind nach den Plänen und unter der Leitung des Professors , Alois 1 lau.ssmann", dem Budapest bereits so viele prächtige Bauten verdankt, ausgeführt. Der geniale Architekt hat sich beim Entwurf des Rothen-Kreuzspitals die Aufgabe gestellt, solid, einfach und praktisch mit Berücksichtigung aller sanitären Anforderungen und doch mit Wahrung des guten Geschmacks zu bauen. — Der ungarische Verein vom Rothen Kreuz verfolgte mit d er Begründung des Elisabeth Hospitals den Zweck, eine Stätte zur theoretischen und praktischen Aus. bihhing der Krankenpflegerinnen zu errichten, welche im Kriegsfalle ein Asyl der Verwundeten bilden soll, wo diese gleichzeitig Pflege und Heilung finden. Zur Ausbildung der Pflegerinnen dient das „Hospital", in welchem 120 Kranke Platz finden- In den zwei Officierspavillons befinden sich je 20 Betten, jedes in einem besonderen Zimmer aufgestellt; und in dem Pavillon • für chirurgische und innere Behandlung je 40 Betten, so dass auf jeden Krankensnal höchstens S Betten kommen. —• Gegenwärtig erfolgt die Krankenaufnahme in 3 Klassen, zu 6 Kl., 3 Fl. und 1 Fl. 50 Kr/„ für den Tag; ausserdem giebt es noch ,,Grunder- und Freibetten", über welche die Stadtbehörde verfugt- — Im Kriegsfalle wird das ..Hospital" durch die Baracken ergänzt, in welchem 680 Verwundete Aufnahme finden. Diese Baracken, nach dem Erbauer „1 laussmann Type" genannt, dienen im Frieden als Remise für die Verwundeten-Transportwagen des Rothen-Kreuz-Vereins. Gegenwärtig sind 5 Baracken fertig, die sofort aus Wagenrenhsen in luftige Krankensäle verwandelt werden können, da sich an beiden Seiten grosse Fenster befinden. Zu 5 weiteren Baracken hat man die Grundmauern gelegt, um den Bau im Nothfall in kürzester Zeit vollenden zu können. Eifl Isolirpavillon für 4—6 Betten ist mit Rücksicht auf etwaige Infektionskrankheiten errichtet worden. — Die Pavillons und Baracken stellte man mit ihren Längenachsen derartig in die Richtung der dort herrschenden Wind-;, dass die Fenster Vormittags und Nachmittags directes Sonnenlicht erhalten. — hur die Heizung und Ventilation wurden verbesserte „Panische Caloriferen" angewendet, die man über einem gewissen Wärmegrad nicht zu erhitzen vermag, wodurch das nach „Pouchct's" Untersuchungen gesundheitschädliche Verbrennen organischer Staubtheile verhindert wird. Die frische Luft wird durch die CaJoriferen gehütet und gelangt erwärmt in den Krankenraum, während die vereinigte Luft durch die Röhren ins Freie strömt. Man hat aber auch darauf gesehen, dass die natürliche Ventilation zur Geltung gelangt und im Sommer den Luftwechsel allein besorgt. — Bezüglich der Luftmenge wurden Pettenkofer s Berechnungen als Grundlage genommen, so dass für das Krankenbett und für die Stunde 100 150 Kubikmeter Luft erneuert werden. ■ Die Einrichtung der Krankensäle besteht aus ie 8 bequemen Eisenbetten, ebenso vielen basen- tischchen uncl Stühlen. Der Waschtisch mit 2 Schalen Hat halte uncl warme Wasserleitung. — Im Küchengebaudr. welches die Bewunderung aller Besucher erregt, nimmt die ,,Speisenküche", in welcher mit Dampf gekocht wird, den linken Flügel ein; neben derselben liegt das Arbeitskabinet des Kochs, eine Vorrathskammer, ein Speisezimmer des Dienstpersonais und der Waschraum. - Im rechten Flügel des Gebäudes, von der Speisenküche ganz abgesondert, liegt die mit Dampf und Maschinenkraft betriebene Waschküche, deren vortreffliche Apparate aus einer Chemnitzer Fabrik stammen. Der Dampf zu diesem musterhaften Betrieb wird im Kesselhau^e erzeugt, das sich hinter dem Küchengebäude befindet; hier liegt auch die Desinfektionskammer, Wo die Desinfcktions-apparate mit hohem Dampfdruck arbeiten. Zur Unterbringung von Requisiten, im Kriegsfalle von Monturen und Waffen, sind zwei Magazingebäude vorhanden, von denen ein-in Friedenszeiten Krankenpflegerinnen beherbergt. In der südlichen Ecke des Gebäudecomplexes befindet sich die Leichenkammer, deren A litte eine mit Majolica und Malereien geschmückte Einsegnungskapeile einnimmt, die von einem Glocken-thürmchen gekrönt wird. Im Garten sieht man ein Eisen-gesteile, das binnen einer halben Stunde in ein Zelt verwände',-, werden kann, welches 20 Verwundete zu beherbergen vermag. — Die Aussenwände sämmtlicher mit englischem Schiefer gv-deckten Gebäude besteht aus Rohziegelbau mit dem Unter schied, dass das Aufnahmegebäude, die Pavillons, Küche und Leichenkammer mit trocken gepressten, die anderen Gebäude mit gewöhnlichen Ziegeln bekleidet wurden. Alle [ 7 Gebäude sind durch Asphalt-Trottoirs mit einander verbunden, während das frei gebliebene Terrain für Gartenanlagcn, die auf Kosten des Erzherzogs Josef, des Grafen T. Karolyi und der Gräfin Livia Zisch)- hergesteilt wurden und erhalten werden, Ver-wendung fand. — Die Kostüme der Krankenwärterinnen sind einfach und praktisch und bewähren sich besonders, wenn i >osterrticli-rnt;;uii. dieselben zur Dienstleistung in Privathäuser gerufen werden-und bei schlechtem oder kaltem Wetter einen langen Weg zurücklegen müssen. I ksterreich-Ungarn hat sehr viele Heilquellen und Kurorte, von denen einige, wie Karlsbad, Franzensbad u. s. w\, Weltruf gemessen, denn lausende von Kranken aus allen Ländern der Welt pilgern alljährlich dahin, um Heilung von ihren schweren beulen ZU suchen und zu rinden. Der berühmte, bereits seit dem 13. Jahrhundert bestehende Kurort „Karlsbad", um dessen Quellen sich jedes Jahr circa 25.000 Kurgäste versammeln, liegt im nordwestlichen Böhmen, in einem engen, von der Tepl kurz vor ihrer Mündung in die Lger dureb-llossenen Thal, dessen tannenbewachsene Bergwände durch schöne wohlgepflegte Wege in allen Richtungen zugänglich gemacht wurden. Die Quellen kommen nahe der Tepl aus einem sehr festen Gestein, welche als „Sprudelschale"' oder „Sprudeldecke" bekannt, dort, wo es durchbrochen wird, heisses Wasser ausströmt. Wahrscheinlich befindet sich unter der Stadt, deren grösster Theil ja auf dieser Sprudeldecke erbaut ist, der „Sprudelkessel", ein grosser gemeinschaftlicher Behälter heissen Mineralwassers, dessen Dämpfe durch Oeff-nungen im Gestein einen Ausgang rinden. — Karlsbad besitzt 16 warme Quellen, die auf kleinem Räume neben einander entspringen; sie haben alle eine nahezu gleiche chemische Zusammensetzung und bestehen vorwiegend aus mineralischen Bestandteilen, nämlich schwefelsaures sowie kohlensaures Natrium und Kochsalz, bauen wesentlichen Unterschied rindet man bei ihnen nur im Wärmegrad, der zwischen 26" und 59 & dilierirt, und in dem davon abhängenden grösseren oder ge längeren Gehalt freier Kohlensäure. — Die älteste, reichste und beinahe heisseste Quelle, der „Sprudel" mit 58" R. giebt 1Ö59 Liter in der Minute; sie entspringt gerade so wie die nahe benachbarte „Hygiea-Quelle, 59" R., am rechten Ufer der Tepl. Von den Quellen des linken Ufers sind die wichtigsten der Mühlbrunncn 4&4% c'er Neubrunnen 48°, der Theresienbrunnen 47', der Marktbrunnen 34*4 die Kaiser-Karls-Quelle 33'6" und der Scblossbrunnen 42*3°; ibnen schliesseh sieb an die Quelle zur russischen Krone 27-18", der Bernardsbrunnen $1.6**, die Elisabethquelle 35*6°, die FelsenqüeJIe 47*6 die Spitalquelle 26", die Kurhausquelle 52", die Kaiserquelle 39*1" und die 1 loohberger-Quelle 32", — Ausser diesen warmen besitzt Karlsbad auch 2 kalte Quellen, nämlich unterhalb des Schweizerhofs den „Dorotheensäuerling" 10" und am Abhänge des Dreikreuzberges die Eisenquelle 6*8°. — Die warmen Quellen werden sowohl getrunken wie zum Baden benutzt, doch verwendet man zu letzterem Zwecke hauptsächlich Sprudelwasser, weil diese Quelle am ergiebigsten ist. hingegen dienen die kalten Quellen fast nur zu Bädern. In den sechs Badehäusern, die in verschiedenen Theilen der Stadt, welche sich von Jahr zu Jahr erweitert und zahlreiche schöne Gebäude zur I feilung, Unterkunft, Bequemlichkeil und Unterhaltung der Kurgäste besitzt, gelegen sind, weiden ausser Mineralbädern auch Moor-, Dampf- und andere Bäder verabreicht. — Mit den Karlsbader Quellprodukten wird auch ein umfangreicher auswärtiger Handel getrieben, denn alljährlich versendet man von den verschiedenen Quellen circa 3 Millionen Flaschen und von dem aus dem Sprudel gewonnenen Salz circa 40.000 Kilogr. — Während der Hauptsaison im Juni und Juli, wo die Trinkzeit schon um 5 Uhr Morgens beginnt, ist dann ein so gewaltiges Drängen bei den Hauptquellen, ,,Mühbrunnen'- und „Sprudel'1, deren Wasser wie schwache Hühnerbrühe schmeckt, dass man im Gänsemarsch erst nach länger als einer Viertelstunde wieder an die Reihe kommt. — Karlsbad ist ein Weltbad im vollsten Sinne und wenn wir den Menscheftstrom genauer betrachten, der in den Morgenstunden unter den Klängen der trefflichen Musik im (länseschritt durch die Colonnaden und Strassen fiuthet, so sehen wir eine Musterkarte fast aller Nationalitäten, nicht nur '.»22 ( les t erreich - üftgw I von Europa, sondern auch von ailen übrigen Kulturländern. Die Bedeutung und Wirkung seiner Quellen wird schon allein durch diese ausserordentlich grosse und ausgebreitete Frequenz von Genesung und Linderung Suchenden bewiesen. Karlsbad ist nicht, wie vor dem letzten Kriege Baden-Baden, Homburg oder Wiesbaden, ein Vergnügungsbad, sondern ein Kranken bad und die stereotyp gewordenen Worte: ,,Xach Carlsbad die Gelben!" bezeichnet wenigstens einigermassen eine Kategorie der Badegäste. — Es fehlt hier jedoch keineswegs an Unterhaltung, aber sie ist mehr stiller und gemüthlicher Art, und die Musik tritt, wie in allen böhmischen Bädern, auch hier in den Vordergrund, ist ja doch Böhmen das wahre Heimath-bind der Kammer- und Instrumentalmusik, wo jeder Bauer ein Instrument spielt, jede Familie ein Quartett oder mehr, jede noch so kleine Gemeinde ein Orchester bildet. Auch giebt es hier reich ausgestattete Leseanstalten und Ball jeden Samstag Abend. Was aber Karlsbad einen besonderen Reiz verleiht, das sind die prachtvollen Spaziergänge im Waldesschatten, kunstvoll angelegt und auf das Sorgsamste gepflegt, auf denen es sogar den Wohlbeleibten möglich wird, sich ohne Anstrengung zu den schönen Aussichtspunkten hinauf zu bewegen, sowie die herrlichen Fahrten in die reizende Umgegend an den Ufern der Tepl und Kger, wo man überall Frfrischungen und Mahlzeiten linden kann. Betrachtet man die lange Liste von chronischen Krankheiten, für welche Carlsbad mit vollem Rechte in Anspruch genommen wird, so sind es wesentlich solche Leiden, für die ein „Schlämmungsprocess-' in Anspruch genommen werden muss, d. h. wo vermehrte Ausscheidungen durch den Dann, die Haut und die Harnorgane nothwendig erscheinen. Die Gelben und die betten sind also hauptsächlich das Kontingent Carlsbad's, und die vielfachen Wagen welche längs des Spazierweges an der Tepl herumstehen, w<> man Bulletins über die Abnahme des Körpergewichts erhalten kann, bezeugen hinlänglich, weiches Interesse die meisten Gäste an diesen Wägungen nehmen. Kin anderer, von circa 10.000 Kurgästen jährlich besuchter Kurort Böhmens ist „Franzensbad", 7 kilom. nördlich von Eger. 1 her giebt es 10 Mineralquellen, weiche alkalisch salinische Eisensäuerlinge sind, die zum Trinken und Baden gebraucht werden, ausserdem aber auch noch die berühmten „Schlamm-und Gasbäder. — Ueber der Franzensquelle ragt ein Tempel empor, von dem ein langer Säulengang zum Kursaal führt. Im Park erhebt sich das von Graf Münch-Bellinghausen errichtete Standbild Kaiser Franz h, des Gründers des Bades, in Frzguss nach „Schwanthalers" Modell. — Bei den dortigen Moor- und Gasbädern finden wir wirklich musterhafte Einrichtungen. Die Franzensbader haben es verstanden, durch ihre Moorbäder eine früher durchaus werthlose Substanz zum Nutzen der leidenden Menschen und nicht: zum eigenen Nachtheil verwendbar zu machen. Der Moor ist wirklich eigenes Franzensbader Naturprodukt und die Bedingungen zu seiner Bildung treffen nur dort zusammen, weil eben nur dieser echte Moor durch die Einwirkung der Mineralquellen auf den Torf entsteht. Viele Orte haben Torf, aber keine Mineralquellen, andere haben Quellen aber keinen Torf und Karlsbad würde keinen Moorgrund bei Franzensbad angekauft haben, den schwarzen Schlamm nicht mit Eisenbahnzügen herüberschleppen, wenn man mit dem Sprudel allein Moorbäder herstellen könnte. Wenn man die Bildung des Moors recht begreifen will, muss man einen Besuch in der von Franzensbad etwa eine Stunde Weges entfernten „Soos*' machen, wo ,,Mattoni" eine Fabrik von Moorsalzen angelegt hat. Der Besuch giebt zugleich ein deutliches Bild des prähistorischen Zustandes der Franzensbader Gegend, als nur der Schlada-Brunnen existirte, dessen Wasser die Landleute heut zu Tage noch zur Erfrischung trinken, ohne aber davon besondere 1 leilwirkung zu erwarten. — Das Umwühlen des Moor- bodens, welches diese Strecken der Kultur zuführte, ist zugleich eine Lebensbedingung" für die Hader, denn frisch, wie man den Moor aus der Erde hebt, ist er zu diesem Zwecke vollkommen untauglich. Man muss den Moor im Herbst ausstechen und den Winter über auf Halden ausbreiten, bis das darin enthaltene Schwefeleisen wieder vollständig in Vitriol umgewandelt und düe Masse geruchlos geworden ist. — Wenn man auch zum Ausheben, Ausbreiten und späteren Zermahlen der Masse Maschinen verwendet, so steckt doch immer in jedem Moorbade schon eine ziemliche Menge Arbeitslohn, abgesehen von der Kapitalanlage und der mühsamen Herstellung des Bades selbst. — Diese Moorbäder haben aber, obwohl sie in eleganten ebenerdigen, höchst comfortabel eingerichteten Zimmern geboten werden, wenig einladendes. Ein stämmiger Mann schiebt einen mit schwarzer Erde halb gefüllten schweren Holzkasten auf einer Eisenbahn herein, die Erde ist jedoch trocken; daher lässt der Mann warmes Wasser einströmen und durchknetet, zerrührt den zähflüssig werdenden Schlamm, wodurch erst das Moorbad fertig wird. branzensbad besuchen fast ausschliesslich blutarme bleichsüchtige Frauen und Mädchen, Männer sind hier selten Gäste. Es ist mit seinen, wenig über die mittlere Bodentemperatur erwärmten Quellen mit Kohlensäure übersättigt, während die Karlsbader heissen Quellen um so weniger Kohlensäure enthalten, je wärmer sie sind. Doch haben die einzelnen Quellen der beiden Orte nur sehr geringe Verschiedenheiten in Bezug auf die Menge der aufgelösten Salze, ja, oft sind diese Verschiedenheiten derartig gering, dass sie innerhalb der Fehlergrenzen der Analyse liegen und man nur Mittelzahlen berechnen kann. Es enthalten in I o Liter Wasser (io.ooo Gramm), im Mittel-Gramm: Frankeiisbtfd Karlsbad Schwefelsaures Natron Kohlensaures Natron Chlornatrium 23.86 10.27 Franzensbad hat daher, wie diese Zahlen beweisen, mehr feste Bestandteile als Karlsbad. Setzt man nun die Menge \un Glaubersalz ■ 100, so enthalten beide Quellenkomplexe: Franzensbad Karlsbad Kohlensaures Natron 26.5 43.0 Chlornatrium 35.7 53.0 Kohlensaurer Kalk- 6.2 1-4 Franzensbad enthält also im Verhältniss zum Glaubersalz mehr Kochsalz, mehr kohlensauren Kalk und weniger Soda als Karlsbad. Ausser den böhmischen Bädern sind noch erw ähnensw erth die Bäder in der Umgebung des Budapester „Blockberges", wo z. B. im „Bruckbade", am Fusse dieses Berges, aus steilen Kalkfelsen drei starke, eisen- und schwefelhaltige warme 38° Quellen, entspringen, die dann im Bruckbad zu Bädern benutzt werden. —■ Das besuchteste der Ofener Schwefelbäder ist jedoch das „Kaiserbad" mit 1 1 Quellen, die eine Temperatur von 52—22" haben, in welchen sich grosse Schwimmbassins für Herren und Damen befinden. bin weiteres vielbesuchtes Bad Ungarns ist das in der Nähe Mehadias, an der österreichisch-rumänischen Grenze bei ( hsova, in Mitte eines romantischen Felsenthals gelegene ,. 1 lerkulesbad". mit stattlichen, sämmtlich auf Kosten des Staates, dem das Bad gehört, gebauten Logirhäusern. Dieses Bad, eines der stärksten Schwefelthermen, welche besonders gegen chronische und rheumatische Leiden wirken, war schon den Römern unter dem Namen „Thermae I lerculis" bekannt. Von den 24 heissen Quellen, die hier zu Tage treten und 41 — 62" C. haben, ist die bedeutendste die in Mannesstärke hervorströmende „Herkulesquelle". — Für die Annehmlichkeiten der Kurgäste, die zum grossen TheiJ aus rumänischen Bojaren bestehen, ist hier in jeder Beziehung Sorge getragen, und zahlreiche hübsche Spaziergänge durchziehen das Thal, leider wird aber der Sommeraufenthalt, durch die hier herrschende drückende Schwüle sehr beeinträchtigt. Weltberühmt ist auch ,.Wildbad Gastein'' in Salzburg p> seit der greise deutsche Kaiser alljährlich zum Kurgebrauch herkommt Der Ort liegt in einer Höhe von 991—1046 Meter ausserordentlich romantisch im engen Thale der Ache. inmitten hoher steiler Felswände, zwischen denen sich der Bach in zwei Fällen, der obere 63 Meter, der untere S5 Meter hoch, von der oberen Thalstufe unter donnerähnlichem Getöse herabstürzt und daher ausser den Krimmler wohl den imposantesten Wasserfall der österreichischen Alpen bildet. — Die schon im 7. Jahrhundert als heilsam bekannt gewesenen Quellen entspringen an der (istlichen Thalwaiid am Fusse des „Graukogls" und liefern täglich circa 35.000 Hektoliter Wässer, welches geruch- und geschmacklos ist und nur äusserst geringe feste Bestandteile, dafür aber eine erstaunliche Belebungskraft besitzt, die sich bei mangelnder Lebenskraft, Nervenschwäche, Gicht u. dgl. vielfach bewährt hat. — Nach dem, jetzt durch zahlreiche seit neuerer Zeit dort errichtete Vitien und andere hübsche Gebätide recht freundlich und schmuck aussehende Wildbad-Gastein kommen alljährlich ungefähr 6000 Kurgäste, die vorherrschend den höheren Ständen angellören. - Unter den Luftkurorten hat in neuerer Zeit, seitdem die Brennerbahn und die Linie Bozen-Meran beendet ist, auch „Gries- bei Bozen und „Meran* ausserordentlich gewonnen. Diese Orte werden von Brustkranken wegen ihres milden gleichmässigen Klimas und der vortrefflichen Molken- und Traubenkur, die sie hier im Frühjahr und Herbst durchmachen können, häufig zum Winteraufenthalt gewählt. - Wie bedeutend die Fremdenfrequenz Merans zunimmt, beweist, dass in der Wintcrkurliste des Jahres ($84/85 bereits 3357 Personen, also um 900 mehr als im Vorjahre eingetragen waren. Auch Görz gewinnt jetzt als Luftkurort immer grössere Wichtigkeit. Für die -.Armen" geschieht in Oesterreich-Ungarn, von i'as Sanität* - Wesen etc. <>27 Seite der lYivat-Mildthätigkeit sehr viel, besonders aber der Kaiser und die kaiserliche Familie spenden auf das freigebigste oft grosse Summen, wo es gilt Noth und Elend /ai mildern. — Auch die zahlreichen Klöster bleiben in dieser Beziehung keineswegs zurück, und täglich öffnen sich die Klosterpforten um die bekannte „Klostersuppe" an Bedürftige zti vertheilen. Aber andererseits tragen gerade die Klöster wieder dazu bei. den Bettel Systematisch gross zu ziehen! Wie oft hört man unter dem Bettlervolk die Worte: ,,Zti was soll ich arbeiten? Wenn ich Tags über betteln gehe und mir Mittags einen Topf Kloster.su ppe h'de, geht es mir weit besser, als wenn ich von Fruh-Morgens bis Abends arbeite und mich plager — Dass aber die Klöster wirklich systematisch den Bettel heranziehen, sieht man nicht allein in ()esterreich-Ungarn, sondern in allen Ländern der Welt; wo es viele Klöster giebt, man blicke nur nach Rom, Spanien, Moskau u. s. w.: überall wimmelt es förmlich von arbeitsfähigen kräftigen Bettlern. — In Oesterreich-Ungarn fehlt eben grade so wie in allen Kulturländern eine systematische Organisati on des A rmen we.sens, und selbst das so musterhaft und streng geordnete Deutschland leidet an weit über 2O0.OOO Menschen beiderlei Geschlechts fast jeden Alters, die bettelnd von Ort zu Ort das Reich durchziehen und wenn auch zum Theil Arbeit suchend, doch immerhin sehr ; lijüindlich der sesshaften Bevölkerung zur Last fallen und die Yolkswirthschaft des Reiches ausserordentlich schädigen, denn sie sind ein /.ehrendes vollkommen unproduktives Element. — So gut wie man in einem Kulturreiche der Gegenwart das Sanitäts- und Schulwesen sowie noch vieles andere zum Wohle des Ganzen centralistisch vom Sitze der Regierung leitet, sollte auch das „ A r m en w ese n bis ins kleinste Detail behördlich organisirt, centralistisch geleitet werden. - Wenn nur, ganz abstrahirt von allen anderen grösseren Gaben, die unzähligen Kreuzer, welche all- 028 (»ostcneicli-L"ugani. jährlich von mildthätigen Händen gespendet und zum grossen TliL'il von den Empfängern in den Branntweinschenken ver-trunken werden, in Sammelkassen fliesseji würden, so müsste alljährlich eine so enorme Summe zusammenkommen, dass für die wirkliche Noth dadurch ungeheuer viel geschehen könnte. — Andererseits wäre es aber auch unbedingt not h wendig, das ganze Bettler- und Vagabundenwesen auf das energischste und systematischste in die I [and zu nehmen. I )as erste, was zu geschehen hätte, wäre, die Spreu von dem Weizen, d. h. die wirklich Bedürftigen von den notorischen Tagedieben und professionellen Landstreichern zu scheiden, denn häufig leiden die wirklich unverschuldeten Armen, weil es in dieser Beziehung eben gar kein System, gar keine Organisation giebt. unter dem Ueberhandnehmen der Professionsbettler. - Die notorischen Professionsbettler und Vagabunden, von denen viele, Jahr ein Jahr aus,_fast ihr ganzes Leben bettelnd herumziehen ohne zu arbeiten, müssen, wenn sie noch arbeitsfähig sind, in ländliche Arbeitskolonien, wie man sie schon in Deutschland eingeführt hat, behördlich internirt werden, damit sie sich in erster Instanz wieder an das Arbeiten gewöhnen. Thun sie aber auch hier nicht gut, dann gebe man sie in die „ Zwangs, arbeitshäuser"; damit diese Leute jedoch hier nicht dem Staate zur Last fallen, formire man aus ihnen „ Arbeiterkompagnien u, die gegen sehr geringe Entlohnung zum Bau von kommunalen und staatlichen Verkehrswegen« wie Landstrassen, Eisenbahnen und Kanälen, verwendet werden. — Dadurch bauen der Staat und die Kommunen billig, was wieder dem Gesammtwohl zu statten kommt, und den freien Arbeitern wird wenigstens keine derartige Konkurrenz bereitet, als wenn man die Sträflinge, wie es jetzt geschieht, industriell beschäftigt. — Diese „Strafurbeitskompagnien" wären militärisch zu organisiren und die Leute mit aller Strenge zur regelmässigen, anhaltenden, fleissigen Arbeit zu zwingen. — Haben sie sich hier nach einiger Zeit gebessert, wirklich arbeiten gelernt, dann versetze man sie wieder „probeweise" in die ländlichen Arbeiterkolonien zurück und von dort aus erst, wenn sie thatsächliche Besserung bekundet haben, schenke man ihnen die Freiheit und übergebe sie mit 1 Iülfe der organi-sirten „ A rbeitsnachw eiseburea us", von denen wir später sprechen werden, dem bürgerlichen beben, um sie wieder zu würdigen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft zu machen. 1 )ie wirklich „Bedürftigen14 sind ebenfalls in zwei 1 lauptklassen zu scheiden, u. z. in die wegen Alters oder körperlichen Gebrechen total Arbeitsunfähigen und in arbeitsfähige Bedürftige; erstere gehören in Asylhäuser, wo man sie nach Massgabe ihres körperlichen Zustande.-, zu leichteren (Harten- und anderen häuslichen oder industriellen Arbeiten verwenden kann. — Diese Leute sollten aber nicht, wie es jetzt geschieht, der Gemeinde auf den Hals geschoben werden, wo sie, besonders auf den Dörfern, häufig sehr übel behandelt werden, und statt, dass man hinreichend und anständig für sie sorgt, sie zwingt aus bitterer Noth ihre Nahrung von Haus zu Haus zu erbetteln; sondern es müssten in jedem Verwaltungsbezirke, mehrere Asylhäuser auf dem platten Lande erbaut werden, zu welchem Zwecke man je ein mittelgrosses Gilt anzukaufen hätte, so dass die Anstalt sich so viel wie möglich als „üekonomie" selbst erhält, wie man es z. B. seit neuerer Zeit mit vielem Lrfolge in Deutsehland mit den Irrenhäusern gemacht hat, die mit ihren Kranken ein ganzes Gut bewirthschaften und nur zu schweren Arbeiten Agrarlohnarbeiter in Dienst nehmen. Unter „arbeitsfähigen Bedürftigen", deren es gegenwärtig leider in allen Kulturstaaten der Erde zu Tausenden und aber Tausenden giebt, verstehen wir Leute, die gesund, kräftig, oft auch recht brav und geschickt sind_ gerne arbeiten wollen, aber — beim besten Willen keine Arbeit bekommen Diese Leute werden dadurch in eine Oesterreich-Ungarn. !>.' solch traurige Lage versetzt, dass in den verschiedenen Gemeinden die Arbeitsnachweisungen noch nicht behördlich or-ganisirt sind, sie daher Tage lang vergeblich umherlaufen und da und dort fragen müssen, bis sie endlich durch Zufall einen Arbeitgeber finden. — Andererseits verfallen diese Leute häufig aber auch dadurch in den bittersten Nothstand, dass viele Arbeitgeber, bei denen sie vorsprechen und die sie wirklich beschäftigen könnten, ihnen keine Arbeit geben, weil sie sie nicht kennen und weil ihre Kleidung, ihre äussere Erscheinung heruntergekommen ist. Die Handarbeiter sind in dieser Beziehung manchmal noch besser daran als die Kopfarbeiter, da man bei ihnen auf derlei Dinge etwas weniger Rücksicht nimmt, aber die letzteren leiden unter diesen Verhältnissen, denen vielfach Vorurtheile zu Grunde liegen, unendlich, und es geht bei ihnen so weit, dass der jenige, dessen Toilette einmal herabgekommen ist, mag er nun der ordentlichste, tüchtigste und fleissigste Mensch sein. — fast überall abgewiesen wird! — Die Folge davon ist natürlich, dass gerade diese arbeitslosen aber arbeitstähigen und gerne arbeitenwollenden Menschen von Tag zu Tag immer mehr herabkommen und schliesslich total zu Grunde gehen, d. h. entweder die Morgue mit ihren Leichen oder die Gefängnisse füllen, oder die Zahl der Professionsbettler und Landstreicher alljährlich zum Schaden der Volkswirtschaft des Reiches um eine haarsträubende Ziffer vermehren, und da sie fähig und im höchsten Grade verbittert sind, den besten und gefährlichsten Zündstoff für jede Revolution abgeben, die heute oder morgen in Scene gesetzt wird. Das sind die Sansculotten, die Petroleummänner, die würdigen Mitglieder des nichts schonenden, nichts achtenden Mob, das Barrikadenfutter der revolutionären Agitatoren, das herumwandelnde Elend. Auf sie deuten die Macher der Revolution, um dem Volke zu beweisen, dass ein Umsturz der heutigen Staaten, die Schaffung des socialen Zukunftsstaates nothvvendig ist! Doch gerade dieser gefährlichsten Krankheit unserer modernen Zeit, den zahllosen unbeschäftigten Arbeitenwollenden kann durch eine richtige behördliche Organisation mit Beihülfe der besitzenden Bürger auf sehr einfache Art abgeholfen werden. — Es giebt bereits in Deutschland Vereine, denen sehr angesehene Bürger, ja selbst höhere Justizbeamte angehören, die sich der ausserordentlich humanen Thätigkeit gewidmet haben, ^entlassene Sträflinge", wenn sie berechtigte Hoffnung geben, dass man aus ihnen ordentliche Menschen machen kann, nach ihrer Entlassung aus dem Gefängniss, mit Hülfe ihrer zahlreichen Verbindung und ihrer einflussreichen Protektion unterzubringen, d. h. ihnen eine Stelle zu verschaffen. Dies gelingt auch recht oft und wir sehen dann den eigenthüm-lichen Fall, dass der Commis oder Cassirer, der seinen Prinzipal bestohlen und daher zu ein paar Jahren Zuchthaus verurtheilt worden war, wenige Tage, nachdem er seine Strafe abgebüsst hat, wieder eine recht gute, ja, oft von vielen beneidete Anstellung erhält, während hunderte sehr ordentliche tüchtige Menschen, die ohne eigenes Verschulden stellungslos wurden, Monate, oft Jahre lang vergebens nach Arbeit suchen! — Wir wollen uns keineswegs in Erörterungen einlassen, dass wir es hier, streng genommen, obwohl dem Ganzen sehr humane und kluge Absichten zu Grunde liegen, wieder mit einer von den unzähligen Ungerechtigkeiten zu thun haben, auf die wir im menschlichen Leben bei jedem Schritt und Tritt stossen, sondern wir haben das nur angeführt, um zu zeigen, wie segenbringend eine Verbindung angesehener Bürger wirken kann, und um zu sagen, dass man, ähnlich wie diese Vereine, auch Vereine für absolute Unterbringung unbeschäftigter Arbeitenwollender gründen soll, die in Verbindung mit den in dieser Richtung thätigen Behörden und einer Centraileitung am Sitze der Regierung des Reiches zu agitiren hätten. 59* Bis jetzt geben Private, die Vereine für Hausbettelei. I iulfsvereine und wie sie alle heissen mögen, den verarmten unbeschäftigten Arbeitenwollenden, wenn er ihre Hülfe anspricht, einen kleinen Geldbetrag, der im besten Falle gerade hinreicht, damit er einen oder ein paar d'age nicht verhungert, vielleicht auch, wenn seine Kleidung oder sein Schuhwerk sehr defekt ist, das eine oder andere Stück, und mitunter, wenn sie ihm besser wollen, die eine oder andere Adresse, wo er wegen Arbeit anfragen soll! — Damit glauben die Herren ihren humanitären Gefühlen im vollsten Masse Genüge geleistet und sich eine w eitere Stufe in das 1 limmelreich erbaut zu haben. — Dem armen Teufel ist aber damit, wie wir aus dem früher Gesagten nur zu deutlich ersehen haben, blutwenig geholfen. — Um hier einen wirklich durchschlagenden Erfolg zu erzielen, müssen in jeder Stadt, in jedem Bezirke Vereine gebildet werden, die es sich, gerade SO wie die Vereine zur Unterbringung entlassener Verbrecher, zur absoluten Aufgabe stellen, durch Aufbietung ihres ganzen Einflusses und ihrer zahlreichen Verbirtdun ge n, den u n beschäftigten Arbeitenw ollenden entsprechend in sei tu: m Berufe unterzubringen und ihn so lange, wie das nicht möglich ist, durch Unterstützung und Nebenbeschäftigung, die sich ja immer finden lässt, wie man sagt, über Wasser zu halten. — 1 tadurch, dass diese Vereine nicht nur untereinander, sondern auch mit einer Gentraibehörde in Verbindung stehen und täglich, gerade so wie Curszettel, Arbeitsnachweisungslisten telegraphisch erhalten, wird es ihnen sehr leicht und selbst bald möglich sein, die unbeschäftigten Arbeitenwollenden wieder unterzubringen. — Das „Arbeitsnachweisungsbureau" in jeder Gemeinde, ebenso auch die „Centralstelle'1 hätten behördlich zu sein. Diesen Bureaus obliegt nicht nur der ganze Geschäftsverkehr in dieser Beziehung, sondern auch die Handhabung des Armenwesens, aber es müssten ihnen auch alle in einer Stadt oder ländlichen Gemeinde bestehenden wohl- thätigen Vereine zur Seite stehen, welche ausserdem noch Delegirte zu einer Wohlthätigkeitskommission bei der Central stelle aufstellen. 1 lierhin hätten alle wohlthätigen Spenden, und wenn auch noch so klein, zu fliessen, und das Verfügungsrecht über alle diese Mittel sollte ausschliesslich nur diesen offiziellen Bureaus zustehen! Der Brivate hätte sich hingegen jeder persönlichen Spende so viel wie möglich zu enthalten. — Welch' enorme Summen würden da jährlich vereinigt, wie unendlich viel Segensreiches könnte dadurch geschaffen werden und, wenn die (>rgane für öffentliche Sicherheit und Ordnung auf das strengste ihres Amtes walten, könnte, wie mit einem Schlage, das ganze Bettel- und Vagabundenwesen auf ein Minimum reducirt sein, während es gegenwärtig im höchsten Grade gefahrdrohend von Jahr zu Jahr rapid heranwächst und einen Schandflecken unserer modernen Kulturländer bildet X. Die Armee und Kriegsflotte. Nach dem unglücklichen Ausgang des Feldzugs 1866 in Böhmen machte sich in „Oesterreich-Ungarn" das Bedürfniss geltend, die bewaffnete Macht des Staates von Grund aus zu reorganisiren und das Princip der allgemeinen Wehrpflicht zur vollsten Geltung zu bringen. — Man ging schnell und mit Klugheit zu Werke! — Es war aber keine leichte Arbeit die Wehrverhältnisse dieses grossen Staates, den auch noch der Dualismus in zwei, sich in vielen Dingen schroff gegenüberstehende Reichshälften getheilt hatte, von Grnnd aus zu refor-miren, besonders da die Staatsfinanzen nicht nur beschrankt, sondern von einem unglücklichen grossen Kriege sogar sehr erschöpft waren. Diese Reorganisation erforderte beträchtliche Anstrengungen von Seite des Reichskriegsministeriums, bedeutende Geldopfer des Volkes und ganz besonders Zeit! — Zeit nicht nur zur Ausarbeitung und Umgestaltung, sondern auch zur annähernden Erprobung des Neugebildeten in der Lebenspraxis, denn die auf dem Papiere ausgearbeiteten Reglements. Instruktionen und anderen Massnahmen müssen häufig, wenn sie sich theoretisch auch noch so vortrefflich darstellen, nach ihrer praktischen Erprobung wieder umgestossen oder zum mindesten umgeändert werden, um das wirklich zu erreichen, was ihre Schöpfer mit ihnen beabsichtigt haben. - Es vergehen viele Jahre, bis die gänzliche Reorganisation der bewaffneten Macht eines Staates beendet, bis die dadurch nett-geschaffene Wehrkraft ein kompaktes Gebilde geworden ist, auf dessen erfolgreiche Verwendung in einem kommenden Krieg man mit berechtigt guten Hoffnungen zu blicken vermag. End es braucht schliesslich noch längere Zeit, bis sich dieser ganze kolossale Apparat im Volke derartig eingebürgert hat und mit seinen bezüglichen Gesetzen, Reglements und Instruktionen so zu sagen in Fleisch und Blut desselben übergegangen ist. wie es heut zu Tage bei der modernen Kriegführung, welche fast die gesammte wehrfähige männliche Bevölkerung zu den Fahnen ruft und in den Reihen der Land- und Seemacht aufbietet, unbedingt erforderlich erscheint. — Daher hat es auch in „Oesterreich-Ungarn" sechzehn Jahre gedauert bis die vom damaligen genialen Reichskriegsminister, Feldzeugmeister „Freiherrn von Kuhn", mit so viel Energie, Klugheit und Schöpfungskraft, nach dem Jahre 1866 begonnene und von seinen späteren Nachfolgern im Amte vortrefflich fortgesetzte gänzliche Reorganisation der Wehrkraft, an der gegenwärtig nur noch die letzten Arbeiten, wie z B. die Reorganisation der Landwehr und der Kriegsflotte, ausgeführt werden, in ihren 1 lauptphasen im Jahre 1883 beendet war. — Wir stehen jetzt vor dieser Neubildung, und nur diese haben wir bei unsern Schilderungen im Auge. Die bewaffnete Macht „Oesterreich-Ungarns" gliedert sich: In das stehende Heer und die Kriegsmarine; in die Ersatzreserve-, in die Landwehr; und in den Landsturm. ■— Das stehende Heer und die Kriegsmarine haben die Bestimmung, die Gesammtmonarchie gegen äussere Feinde zu vertheidigen und die Ordnung und Sicherheit im Inneren aufrechtzuerhalten. Die Landwehr hat die Aufgabe, im Kriege zur Unterstützung des stehenden Heeres und zur inneren Ver- theidigung, im Frieden aber aucb ausnahmsweise zur Aufrechthaltung der inneren Ordnung und Sicherheit zu dienen. Der Landsturm, welcher als integrirender Restandtheil der Wehrkraft unter völkerrechtlichen Schutz gestellt wird, repräsentirt in Kriegszeiten die äusserste Anspannung der Wehrkraft des Reichs und dient im Kriege zur Unterstützung des stehenden Heeres und der Landwehr bei Abwehr eines feindlichen Einbruchs oder bei Bekämpfung eines bereits in das Land eingedrungenen Feindes, Doch finden wir Landsturm-Gesetze nur in Transleithanien und in Tirol-Vorarlberg. Für die Vertheidigung des gesammten Staates wurde bis zum Jahre 18S9 eine erforderliche Kriegsstarke von 800.000 Mann festgestellt, davon entfallen 468.586 Mann auf das österreichische und 331.414 Mann auf das ungarische Staatsgebiet. Den Allerhöchsten Oberbefehl über die g e s a m m t e bewaffnete Macht führt, wie schon früher hervorgehoben, der Kaiser persönlich. — In dieser Beziehung hat sich Se. Majestät zur Selbstbestimmung vorbehalten: die Ernennung der Regiments-Inhaber; die Berufung und Verfügung über die in der „Militärkanzlei Sr. Majestät" zu verwendenden Personen; die Eintheilung der Generale und Stabsofficiere in das k. k. Heer, in die k. k. und k. ungarische Garden und zum Hofdienste; die Ernennung alier Generale, Stabs- und Oberoffi-ciere, der Militärärzte, Auditore, Truppenrechnungsführer und Militär-Intendanturbeamten; dann die Ernennung der übrigen Militärbeamten von der VII. Diätenklasse aufwärts; die Be-timmung der Mitglieder des Heeres zu anderen als rein militärischen Verwendungen; endlich die Gnadenangelegenheiten. — Ueberdies bedürfen noch alle Dienstnormen, welche sich auf Organisation, Bekleidung, Ausrüstung, Bewaffnung und Ausbildung des Heeres beziehen, ebenso jene, welche den Geldaufwand und die Rechnungslegung regeln, oder grund- Die Armee und Krieg:*f1ottc. 937 sätzliche Bestimmungen über den Verwaltungsdienst enthalten, '.ler Allerhöchsten Sanktion. Zur Besorgung all' dieser Geschäfte, namentlich aber als .Mittelglied zwischen dem Monarchen und dem Reichskriegs, ministerium, besteht die „Militär-Kanzlei Seiner Majestät des Kaisers", welche jedoch keine selbständige Behörde bildet, sondern nur nach den Befehlen des Kaisers die einlaufenden Vorträge zu behandeln und die Kesolutionscntwürfe ZU verfassen hat. Das „Reichskriegsministerium" ist unter dem unmittelbaren Befehl Sr. Majestät die höchste Militärbehörde sowohl für das stehende Heer, als für die Kriegsmarine. In das Kessort des verantwortlichen Reichs-kriegsministers gehört: die Besorgung aller operativen Angelegenheiten; die Ueberwachung des Dienstbetriebes bei den Militär-Territorialkommanden, bei den Truppenkörpern und Heeresanstalten; die Besorgung der Personalien aller Personen des Heeres; die Leitung der gesammten Heeresadministration im ausgedehntesten Sinne; die Beschaffung von Materialien und Vorräthcn aller Art; die Besorgung und Verrechnung des Geldwesens; die Leitung der Heeresergänzung und Remon-tirung des Heeres; schliesslich die oberste Leitung aller Justiz-, Sanitäts- und geistlichen Angelegenheiten. Der „Chef der Marine-Sektion" des Reichskriegsministeriums ist der Stellvertreter des Reichskriegsministers in Marine-Angelegenheiten, zugleich aber auch ..Marine-Kommandant", also im ausgedehntesten Sinne oberster Leiter aller auf die maritime Wehrkraft Bezug nehmenden Angelegenheiten. 1 )as Reichskriegsministerium befindet sich in einem alten umfangreichen, historisch hochinteressanten Gebäude, welches ein ausserordentlich wechselvolles Schicksal erlebt hat. — Von Jasomirgott als die Babenberger Burg gegründet, wurde es später Münze, dann Carmeliterkloster, endlich die erste Residenz der Jesuiten, die im Mai 1554 dreizehn Mann stark in Wien erschienen. Später tagte hier der famose Hofkriegsrath, der aus oft hundertmeiliger Ferne den Feldherren vorschrieb, wann und wo sie eine Schlacht liefern sollten; und vor den Fenstern desselben fanden nicht nur zahlreiche officielle Hinrichtungen statt, sondern wurde auch der arme Graf Latour, einer der ersten verantwortlichen Kriegsminister der Monarchie, von der wüthenden Volksmenge ermordet. Als „Hülfsorgane" des Reichskriegsministeriums fungiren: der Chef des Generalstabs; der General - Artillerie-, -Genie---Kavallerie-, -Train- und -Remontirungs-Inspektor; der Sanitätstruppenkommandant; der Chef des Militärärztlichen-Ofhciers-korps; das technische und administrative Militärkomito; das Apostolische Feldvikariat; das Militär-Sanitäts-Komite; und die Studien-Direktion des Militär-d'hierarznei-lnstituts. Ausser diesen soeben genannten General-Inspektoren giebt es noch einen ,,General-Inspektor des Heeres", der ausschliesslich Sr. Majestät verantwortlich ist und dein die In-spizirung des ,,stehenden Heeres" in Bezug auf Ausbildung und ManÖvrirfähigkeit, sowie die Ueberwachung und Leitung grösserer Truppenübungen obliegt. Das „Wehrsystem", welches auf das österreichische Wehrgesetz vom 5. December 1868. abgeändert am 2. Oktober 1SS2 und dem XL. ungarischen Gesetzartikel vom Jahre :868, abgeändert durch den XXXIX. Geset/.artikel vom Jahre 18S2. basirt, ist in beiden Reichshälften gleichartig geordnet. Die Wehrpflicht beginnt mit dem vollendeten 20. Lebensjahre und eine zeitliche Befreiung davon ist nur aus gewissen Familienrücksichten zulässig. — Die Dienstpflicht dauert im stehenden Heere 10 Jahre, u. z. 3 Jahre activ in der Linie und 7 Jahre in der Reserve; in der Kriegsmarine 9 Jahre, wovon 4 Jahre in der Linie und 5 Jahre in der Reserve; in der Lrsatzreserve, wo die Mannschaft nach ihrer Assentirung 8 Wochen militärisch ausgebildet und dann für den Frieden beurlaubt wird, 10 Jahre. — Die „Landwehr" wird ergänzt durch die Ueber- setzung der ausgedienten Reservemänner und Lrsatzreservisten für eine Dienstzeit von 2 Jahren; ferner durch die unmittelbare Lintheilung von Stellungspflichtigen mit I2jähriger Dienstzeit und schliesslich durch solche Freiwillige auf 2 Jahre oder Kriegsdauer, welche ihrer Stellungspflicht Genüge geleistet haben. Angehörige der Kriegsmarine sind jedoch nicht landwehrpflichtig und die Wehrpflichtigen der dalmatinischen Kreise Cattaro und Ragusa sind nur verpflichtet in die Landwehr einzutreten. — Der „Landsturm" wird im Kriege aus den Waffenfähigen vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 45., im Vorarlberg 50. Lebensjahre, in Ungarn nur aus Freiwilligen gebildet. — In Oesterreich-Ungarn haben diejenigen Wehrpflichtigen, welche wegen Untauglichkeit, zeitlicher Befreiung u. s. w. in die Armee nicht eingereiht wurden oder keine persönlichen Militärdienste leisten, dafür einen jährlichen Ersatz in Geld, eine „Militärtaxe", zu entrichten. Das gesammte Reich ist in „15 Militär-Territorial-bezirke",u. z. in 14 Korpsbezirke und 1 Militärkommandobezirk eingetheilt. — Die militärische Territorialabgrenzung basirt auf die Ergänzungsbezirks- und taktische Lintheilung der Truppen in Einheiten höherer Ordnung. - Das Okkupations-Gebiet bildet einen eigenen Korpsbezirk. In jedem Korpsbezirke ist ein „Korpskommando", in dem Militärkommandobezirke ein „Militärkommando" die leitende Militärbehörde. — In den Wirkungskreis dieser Militär-Territorialkommanden gehört die Pflege des militärischen Geistes; die höhere Leitung des militärischen und administrativen Dienstes und die Aufrechthaltung der militärischen Ordnung; ferner die Leitung und Ueberwachung der kriegstüchtigen und einheitlichen Ausbildung der Truppen; die Obsorge für deren Schlagfertigkeit, sowie für die Kriegsbereitschaft der Heeresanstalten; und schliesslich die Vorbereitung für die Mobilisirung sowie die Durchführung derselben. Abgrenzung und administrative Eintheilung der Militär-Tcrritorialbezirkc: Militlir Territorial-Koinmando Amtssitz 1. Korpskantmando Krakau 2. Wien 3- 4-5- Graz Budapest Pressburg K aschau Temesvar Kommandant Umfasst die Indes Get^raphisdi-pöli- Abgrenzung nach fanterie -Truppen-Militär-Territorial- tische Abgrenzung. Ergänzungs-Uezirken Divisions-Beaxkes Komniandcn *) Korps- __T - 10., 13., 20., 40.. 45., |2 n. , West-Gahzien - „--Ar* Kommandant jO., 5/., / / , 90. Niederösterrcich, 2> 3- uncl 2 5- Oberösterreich 4, 14- 49- 59 - 84 Division, dann und Salzburg 4©. Brigade Steiermark, Korps-Komman- T^ • Karntnen.Kram, _ 0- tm o- n7 6, 7., 28. dant u. komman- , '. 7- >/;2/-4/-. »/-97-. 1 nest, Istrien. dirender General Görz u. Gradiska Korps-Kommandant Ungarn 6.,23.,32.,3H.,44.,52., 68., 69., 86. 12., 19., 26., 48., 71., 72., 76. 5., 25., 341, 60., 65, 66., 67., 85. -9-, 33-. 37- 39- 43-46., 61., 83., 101. 3i-i 32-M. 33- 15, 27. 17- 34- 9-i o. 11. 12. 13-14. Korps-Komman-Prag dant u. komman- dirender General Brünn Lemberg Hermann Stadt Agram Innsbruck 1 L 2&, 35., 73- 75-88., 91., 192. Böhmen iS., 2i., 36., 42., 74., 92., 94, 98. Mähren und 1.. 3., S., 54., 81., 93., Schlesien 99., 100. Korps Komman , . , Ost Galizien und 9, 15., 24., 30., 41., dant 11. komman- 0 , 19- Josefstadt j Koq)S. Kommandant dirender General Korps-Kommandant Bukowina Siebenbürgen 55., 58., 8o., 89., 95. 10., 29. 4- 5- 11., 30. 2.. 31, 50., 51., 62., 63., 64., 82. Kroatien und 16.. 53., 70., 7S., 79.. 36. Division Slavonien 96. u. 13. Brigade Tirol und Tiroler Jäger- Vorarlberg Regiment 16., 35- s. Korps-Komman-15. ,, Serajevo dant u. komman- dirender General Militär-Komman- yiri Militär-do in Zara Kommandant *) Die 1., 13. und 18. Infanterie-Truppeq-4 >ivisi<>n, snwie die 39. Infanterie-ltri^ade. sind gegenwärtig im < >kkn-pations-(iehiete dtslözirt. ()kkupations-Gebiet Dalmatien 22. Alle für die Armee im Felde bestimmten Truppen des Heeres sind grösstenteils schon im Frieden in „Truppen-Divisionen" eingetheilt. Diese Fantheilung, sowie die Standorte der Truppen-Divisionskommanden werden durch die Ordre de bataille festgestellt. Je nach ihrer Zusammensetzung benennt man die Truppendivisionen „Infanterie-" oder „Kavallerie-Truppendivisionen", als solche führen sie fortlaufende Nummern von i angefangen. Gegenwärtig enthält die Ordre de bataille im Frieden 31 Infanterie-Truppendivisionen, welche die Nummer i bis 19, 24., 25 und 27 bis 36 führen, ferner 2 Kavallerie-Truppendivisionen, die mit den Standorten ,.Jaroslau und „Lemberg" bezeichnet werden. - - Bis jetzt sind nur die im Bereiche des 1. und 11. Korps stehenden Kavallerieregimenter in je eine Kavallerie-Truppendivision formirt, hingegen die übrigen Kavallerie-Truppen blos in Kavallerie-Brigaden eingetheilt und diese den Korpskommanden in jeder Beziehung „direkt" untergestellt. — Die Truppen-Divisionskummanden führen den militärischen Befehl über die ihnen zu-gewiesienen Truppen und sind dem Korps-(Militär)-Kommando, in dessen Bereich sie dislozirt sind, unmittelbar untergeordnet. — F"erner sind im Frieden Truppenkörper ein und derselben Waffe, oder Abtheilungen verschiedener Waffen unter dem Kommando eines Generals in „Brigaden" vereinigt, welche je nach ihrer Zusammensetzung in „Infanterie-", „Gebirgs-" oder „Kavallerie-Brigaden" benannt werden. Die Lintheilung der Truppen in Brigaden, sowie der Standort jeder Brigade wird durch die Ordre de bataille bestimmt. — Im Frieden sind den Brigadekommanden überdiess noch Ersatzkörper und Herresanstalten zur militärischen Inspicirung zugewiesen. Die Zuweisung dieser nicht in der Ordre de bataille aufgenommenen Truppen und Herresanstalten an die Brigaden verfügt das Korps-(iMilitär)-Kommando. — Alle Infanterie-, Kavallerie- und eventuell aufgestellten Gebirgsbrigaden sind mit fortlaufenden Nummern, in jeder Gattung von 1 angefangen, bezeichnet. — Gegenwärtig giebt es 63 Infanterie-, 6 Gebirgs-und 19 Kavalleriebrigaden. Die Kavalleriebrigaden führen die Nummern 1 bis 16. 18, 20 und 21. Den Brigadekommanden ist nicht, wie den Truppen-divisionskommanden, ein eigener administrativer Wirkungskreis eingeräumt, doch sind sie verpflichtet, in allen Angelegenheiten, welche die klaglose Befriedigung der Bedürfnisse der Truppen und der ihnen zur Inspicirung zugewiesenen Heeresanstalten betreffen, je nach Bedarf einzugreifen. — Die Infanterie- oder Gebirgsbrigadekommanden untersteben ihren vorgesetzten Truppen-Divisionskommanden; in besonderen Fällen aber auch direkt den Territorialkommanden. Mit Rücksicht auf die Waffengattung unterscheidet man in Oesterreich: Fusstruppen (Infanterie und Jäger)-Kavallerie (Dragoner; Husaren und Ulanen1; Artillerie (Feld-und Festungsartillerie); Technische Truppen (Genietruppe, das i'ionnier- und das Eisenbahn- und Telegraphen-Regiment). —-An diese zum Kampfe bestimmten 4 Hauptgruppen reihen sich noch die Sanitäts- und Traintruppe. Die taktischen Einheiten „niederer Ordnung" sind bei der Infanterie, den Jägern und den technischen Truppen das „Bataillon", welches sich wieder in 4 Unterabtheilungen, „Kompagnien", mit Ausnahme der Festungsartillerie, bei der h Kompagnien ein Bataillon formiren, gliedert; ferner bei der Kavallerie die „Eskadron"; und schliesslich bei der F'eldartillerie die ..Batterie". — Die Kompagnien, Eskadronen und Batterien bilden gleichzeitig auch administrative Einheiten. — Zum Zwecke der besseren Lenksamkeit und leichteren taktischen Führung, sowie auch aus administrativen Rücksichten sind mehrere Einheiten niederer Ordnung wieder verbunden, wodurch bei der Infanterie „Regimenter"; bei der Artillerie „Batterie-Divisionen" und „Regimenter"; und bei den technischen Truppen „Regimenter" bestehen. Die „Infanterie" ist in 102 Regimenter eingetheilt, welche den Kamen des jeweiligen Regimentsinhabers fuhren und mit den Nummern von i bis 102 bezeichnet sind. Das älteste unter ihnen, das Regiment No. 1 „Kaiser Franz Josef I." wurde bereits im Jahre 1716, die Regimenter No. 81 bis No. 102 im Jahre [883 errichtet. — Ein jedes dieser Infanterieregimenter gliedert sich wieder in den „Regimentsstab", 4 „Feldbataillone", ä 4 Feldkompagnien, und in 1 „Ersatzbataillon" zu 4 ,,Ersatzkompagnien", welches im Frieden en cadre gesetzt ist. Im Mobilisirungsfnlle wird überdiess ein „Stabszug" durch das Ersa t /.bat ail Ion aufgestellt. — Die Feldbataillone sind mit den Nummern von l bis 4, die Kompagnien der Feldbataillone mit den Nummern von 1 bis 16. jene des Ersatzbataillons mit den Nummern von 1 bis 4 bezeichnet. — Je 4 der beregten „Stabszüge" werden gemäss der Ordre de bataille und nach Weisung des Reichskriegsministeriums in eine „Stabskompagnie" vereint, die nach dem Truppendivisionskommnndo, bei welchem sie eingetheilt ist, bezeichnet wird, also z. B „Stabskompagnie der 10. Infanterie-Truppendivision". Die Infanterie-Regimenter sind im Frieden grundsätzlich in jenem Militär-Territorial-Rezirke, aus welchem sie ihre Ergänzungen erhalten, und womöglich im Bereiche des ihnen speziell angewiesenen lleere^-ei gänzungsbezirks dislozirt und mit allen vier Feldbataillonen bei derselben Truppen-Division eingetheilt. Doch können dieselben nach Bedarf auch ausserhalb ihres bugänzungs-, beziehungsweise Korpsbereiches dislozirt oder einzelne, speziell bestimmte Bataillone als selbständig de-tachirte Bataillone — von ihren Regimentern abgetrennt und eventuell unter Annahme eines erhöhten Friedensstandes, bei einer anderen Truppendivision des eigenen oder eines fremden Militär-Territorialbezirks eingetheilt werden. — Unter allen hältnissen bleibt aber nebst dem Krsatzbataillonskadre, den Augmentationsvorräthen und dem Trainmateriale mindestens ein Feldbataillon in der Ergänzungsbezirksstatioo» Friedens- und Kriegsstärke einer Infanterie-Kompagnie: Nor- Kr! ter Ver- Kriegs 4a iui uiia- der derter Feld- Ersat; Friedensstand Kompagnie Hauptmann..... «Offiziere 1 , Subaltern-Ofriziere . . 6hae Kadet-Ofnziers-Stellvertr. Js Feldwebel..... - \ « ? Zugsführer..... ~ w Korporale..... t e Gefreite...... u ^ Infanteristen..... Z Rechnüngs-UnterofEziere*) K< >mpagnie-Tambours Kompagnie-Hornisten Pionniere . . ... Blessirten-Träger*) . . ()fhziers-Hiener:::ji Summe . . ohne 1 2 1 1 2 5 4 64 1 1 2 I I 3 8 9 ibd 1 i 3 1 2 1 1 2 4 4 50 1 1 1 1 3 1 1 4 12 18 180 1 1 4 12 1 8 1 1 86 131 Die in der Tabelle als Pionniere angeführten 4 Infanteristen sind zur Ausführung der einfachsten Pionnierarbeiten bestimmt und demgemäss mit den erforderlichen Werkzeugen ausgerüstet. Im Kriege werden diese Soldaten unter dem Kommando eines Subaltern - Offiziers zur „Regiments-Pionnier-Abtheilung" zusammengezogen. Die Hälfte der „Truppenpionniere" kann nach Weisung des Brigade- oder Truppen-Divisionskommandus zu grösseren, ausserhalb des Truppenverbandes nöthigen technischen Arbeiten verwendet werden. Die Pionnier-Abtheilung eines Regiments zählt 1 Offizier, 8 Unteroffiziere, 64 Infanteristen, 1 Offiziersdiener. *) Sind nicht Streit bar i Oenttrretch-Ungvn. jede Feldkompagnie vermag mit 215 Gewehren vor den Feind zu rücken. — Für den etwaigen Kadett-Offiziers-Stell-vertreter wird ein Feldwebel mehr im Stande geführt. Bei Versetzung eines Bataillons vom normalen auf den erhöhten Friedensstand nehmen die übrigen 3 Bataillone des Regimentes den verminderten Friedensstand an. Bei Verwendung im Gebirgskriege zählt die Kompagnie 6 Blessirten-Träger. — Der Stand einer Ersatz-Kompagnie kann nach Umständen und unter verhältnissmässiger Vermehrung der Chargen bis auf 300 Infanteristen vermehrt werden. Ein Feldbataillon hat im Kriege 18 Offiziere, 900 Mann, Summa 918 Streitbare. — Ein Ersatzbataillon, 18 Offiziere, 878 Mann, Summa 896 (der Stabszug 30 Mann) Streitbare. — Die Kriegsstärke eines Infanterie-Regiments mit allen Abtheilungen beziffert sich auf 104 Offiziere, 4810 Mann, Summa 4914; darunter sind streitbar 92 Offiziere, 4500 Mann, Summa 4592. Die Jägertrupp e" besteht au s ei nem,Jägerregiment" und 32 „selbständigen F'eldjägerbataillonen". — Von den F'eldjägerbataillonen ergänzen sich 7 aus Böhmen; 4 aus Mähren und Schlesien; 5 aus Nieder-, Oberösterreich und Salzburg; 5 aus Steiermark, Kärnthen, Krain und Istrien; 3 aus Galizien; 6 aus Ungarn und Siebenbürgen; 2 aus Kroatien. — Die ältesten Feldjägerbataillone, Nr. 1—9, wurden bereits im Jahre 1808, das jüngste, Nr. 24, am 1. Januar 1883 aufgestellt. Das 1813 errichtete Jägerregiment, „Tiroler-Jägerregiment Kaiser Franz Josef" genannt, gliedert sich in den Regimentsstab, zehn F'eldbataillone mit den Nummern von 1 bis io und in zwei Ersatzbataillone mit den Nummern i und 2, für welch' letztere im Frieden ein gemeinschaftlicher Kadre besteht. Im Mobilisirungsfalle wird überdiess von jedem Ersatzbataillone ein „Stabszug" aufgestellt. — Innsbruck ist die Ergänzungsbezirks Station dieses Regiments, hier befindet sich auch der Regiments- stab. — Jedes Feldbataillon des Tiroler-Jägerregiments bestellt aus vier Feldkompagnien, jedes Ersatzbataillon aus fünf Ersatzkompagnien. Die Kompagnien der Feldbataillone führen die Nummern 1—40, jene der Ersatzbataillone die Nummern von 1 —10. Die „Feldjägerbataillone'* sind mit den Nummern 1—32 bezeichnet; jedes gliedert sich in den Bataillonsstab, vier Feld-kompagnien mit den Nummern von 1—4 und in eine im Frieden en cadre gesetzte Ersatzkompagnie. — Sämmtliche Feldbataillone der gesammten Jägertruppe können nach Bedarf dislozirt werden. — Der Ersatzbataillonskadre des „Tiroler-Jägerregiments" ist mit dem Regimentsstabe örtlich vereint. Die Ersatzkompagniekadres der „Feldjägerbataillone" haben ihre Dislokation in den Ergänzungsbezirksstationen. — Das Tiroler-Jägerregiment wird von einem Oberst, je ein Fddjägerbataillon von einem Oberstlieutenant oder Major befehligt. Der Friedensstand einer Jäger-Feldkompagnie beträgt 3 Offiziere, 92 Mann (darunter 70 Jäger); der Kriegsstand 240 Mann, darunter 232 Streitbare. — Der Kriegsstand einer Jägerergänzungskompagnie beziffert sich auf 232 Mann; mit dem Stande einer Infanteriekompagnie verglichen hat also eine Jägerkompagnie auf Kriegsfuss 4 Mann mehr. — Die Feuerkraft einer Jägerkompagnie beläuft sich im Kriege auf 219 Gewehre. Der streitbare Stand eines Feldjägerbataillons sowie eines Bataillons des Tiroler-Jägerregiments beträgt im Kriege 18 Offiziere und 913 Mann. Die „Kavallerie" besteht aus 41 Regimentern, u. z 14 Dragoner-, 16 Husaren- und 11 Ulanenregimenter-— Von den Dragonerregimentern ergänzen sich 6 aus Böhmen; 2 aus Mähren; 2 aus Nieder-, Oberösterreich und Salzburg; 1 aus Steiermark, Kärnthen, Krain und Istrien; 3 aus Galizien. Von den Ulanenregimentern 9 aus Galizien; 2 aus Kroatien, und Slavonien. Die Husaren haben ihre Ergänzungsbezirke i n Ungarn und Siebenbürgen. — Sämmtliche Kavallerie 60* regimenter führen den Namen des jeweiligen Regimentsinhabers, ausserdem die Dragoner- und I Iiisarenregimenter fortlaufende Nummern, in jeder Gattung mit i beginnend; die Ulanen-regimenter aber die Nummern i bis 8, dann 11 bis [3. Das 13. Husarenregiment hat überdiess noch die Benennung „Jazy-gier und Kumanier". — Das älteste Dragonerregiment. No. 8, wurde 1618, das älteste Husarenregiment, No. io, und das älteste Ulanenregiment, No. 6, 1688 errichtet. Das jüngste Dragonerregiment, No. 12, erhielt seine Aufstellung 1798, das jüngste Husarenregiment, Nr. 14, 1859 und das jüngste Ulanenregiment, Xo. 13, i86o. Dm jedes Kavallerieregiment gliedert sich in den Regimentsstab, in „2 Divisionen", a 3 Feldeskadronen und in einen Ersatzkadre, von welch' letzterem im Mobilisirungsfalle eine Ersatzeskadron, eine Reserveeskadroti und 2 Zuge „Stabskavallerie" aufgestellt werden. — Die Divisionen führen die Nummern 1 und 2, die Feldeskadronen die Nummern t—6. Bei jedem Kavallerieregiment besteht ausserdem ein „l'ionnierzug". — Im Frieden ist mit dem Regiments-stabe der Ersatzkadre örtlich vereint, dem die Verwaltung des Augmentationsvorrathes und die Führung der Aufenthalts-evidenz der Urlauber und Reservemänner des ganzen Regiments obliegt. — Alle Kavallerieregimenter rücken mit 6 Feldeskadronen nebst einem Bionnierzuge, mit dem grösstmöglichen Stande an Reitern ins Feld. - Die Feldeskadronen werden im Kriege ausschliesslich zu den wichtigsten Diensten der Kavallerie verwendet, daher unterbleibt auch jede Abkomimän-dirung von Chargen und Mannschaften, sowie jede Zersplitterung der vorhandenen Kräfte zu minder wichtigen Diensten. — Die Reserveeskadronen finden im Mobilisirungsfalle ihre Verwendung bei Armeekörpern, auf Ktappenlinien. als Besatzungstruppen und ausnahmsweise als Stabskavallerie. — Wenn es die Kriegsverhältnisse nothwendig machen, kann aus dem Ueberschusse an ausgebildeter Mannschaft, welcher nach 1 )eckung der im Kriege entstandenen Friedens- and Kriegsstand einer F'eldeskadron Friedens- Kriesjs- Pferde M mm Rittmeister 1. Klasse .... I Rittmeister 2. Klasse . . . | ()berlieutenant......j " > Lieutenant........ 2 Kadett-Oftiziers-Stellvertr. beritten i Wachtmeister .... „ i Rechnungs-Unteroffizier .... i Zugsführer.....beritten 4 Korporale..... „ 8 Lskadrons-Trompeter . ,, \ Soldaten (Dragoner, Husaren, Ulanen) ... „ 130 Soldaten (Dragoner, Husaren, Ulanen) . . unberitten 13 Offiziersdiener . . . „ 5 Kurschmied . . . . „ 1 Kskadrons-Riemer . . „ 1__. Summe . 171 1491 Stand äraHsthe Mann araflžChe Pferd« 130 130 130 '3 5 t 1 150 Abgänge übrig bleibt, bei jedem Kavallerieregimente eine „zweite Reserveeskadron" aufgestellt, oder der erwähnte Ueberschuss zum Garnisondienste herangezogen werden. — k") Bei jedem Regimente führen vier Feldeskadronen je einen Rittmeister 2. Klasse und einen Oberlieutenant, zwei Feldeskadronen je zwei Qb*r-lieutenants im Stande. **) Ueher die 149 Pferde kann eine Feldeskadron noch zwei Arbeitspferde in Verwendung haben. Die Ersatzeskadronen, welche bei der Mobilmachung wegen der Unterkunft oder Ausbildung der Ergänzungen ihre Dislokationen von Fall zu Fall wechseln, besorgen die Deckung der Abgänge, die Abrichtung und den Nachschub an Mann und Pferde. Es beträgt sonach per Eskadron die Zahl der streitbaren Reiter 5 Offiziere und 145 Mann. — Der Kriegsstand einer „Ersatzeskadron" ist jenem einer Feldeskadron gleich. — Eine „Reserveeskadron hat um 4 Mann (Fahrsoldaten) mehr. — Ein Stabskavalleriezug besteht aus 1 Offizier, und 43 Soldaten. Die Stärke eines Kavallerieregiments mit allen Abtheilungen beträgt: Im Frieden 42 Offiziere, 1031 Mann, 961 Pferde; im Kriege 57 Offiziere, 1502 Mann, 1495 Pferde. Darunter sind 1314 streitbare Reiter. Ueber alle Theile des Kavallerieregiments führt ein Oberst das Kommando; je eine Division befehligt ein Oberstlieutenant oder Major. — Im Mobilisirungsfalle wird für mehrere Reserveeskadronen „zur Inspicirung" ein Stabsoffizier der Kavallerie als Divisionskommandant bestimmt, und jedem Militär-Territorialbezirke werden Generale als „Inspicirende der Kavallerie" beigegeben. Die „Artillerie - Truppe" besteht aus der „Feldartillerie" und der „Festungsartillerie''. Die „Feldartillerie" formirt 13 Feldartillerieregimenter, welche mit den Nummern von 1 bis 13 bezeichnet sind und überdiess den Namen der jeweiligen Regimentsinhaber führen. Von diesen Regimentern ergänzen sich 7 aus Cisleithanien, die Regimenter No. 3, 5, 8, 10, 12 und 13 aber aus Trans-leithanien. Drei Regimenter, No. 1, 2 und 3 wurden im Jahre 1772, das neueste aber, No. 13, 1872 errichtet. — Jedes Feldartillerieregiment gliedert sich im Frieden in den Regimentsstab und in vier — das t. Regiment in fünf — administrativ selbständige „Batteriedivisionen" mit den Nummern von 1 bis 4, beziehungsweise 1 bis 5, u. z. besteht: ■die i. Batterie-Division aus dem Divisions-Stabe, den schweren Batterien*) No. i, 2, 3 und dem Munitions-Kolonnen-Kadre No. I; •die 2. Batterie - Diviston aus dem Divisions-Stabe, den schweren Batterien Nr. 4, 5, 6 und dem Munitions-Kolonnen-Kadre No. 2; die 3. Batterie-Division aus dem Divisions-Stabe, den schweren Batterien No. 7, 8, 9 und dem Munitions-Kolonnen-Kadre No. 3 ; die 4. Batterie-Division bei jedem Regimente aus dem Divisions-Stabe, den zwei leichten Batterien No. 10 und 11 und dem Ersatz-Depot-Kadre, dann bei den Feldartillerieregimentern No. 2, 4, 6, 7, 8 und 12, aus den schweren Batterien No. 12 und 13: bei den Feldartillerieregimentern No. 3, 5, 9, 11 und 13, aus den reitenden*) Batterien No. 12 und 13; beim 10. F'eldartillerieregimente: aus der schweren Batterie No. 12; die 5. Batterie-Division des 1. Regimentes aus dem Divisions-Stabe und den drei schweren Batterien No. 12, 13 und 14. Im Kriege werden bei jedem Feldartillerieregimente aus den Kadres No. 1 bis 3 der I„ 2., 3. Batterie-Division die Munitions-Kolonnen No. 1 bis 6, aus dem Ersatz-Depotkadre die schweren Reserve-Batterien No. 14 und 15 (beim 1. Regimente No. 15 und 16, beim 10. Regimente No. 13 und 14), dann das Ersatz-Depot aufgestellt. Ausserdem sind vom Stabe der 4. Batterie-Division bei •den F'eldartillerieregimentern No. 3, 5, 9, 11 und 13 noch die Die schweren Batterien liaben gern, die leichten und reitenden Batterien 8cm Kaliber; die Geleisweite beider beträgt 153c111. Stäbe für eine 5. und C, bei den übrigen Regimentern nur für eine 5. (beim 1. Regimente für eine 6.) Batterie-Division neu zu errichten. Demgemäss werden sich bei jedem Regimente formiren: die 1. Batterie-Division aus den drei schweren Batterien No. 1, 2, 3 und den Munitions-Kolonnen No. 1 und 4; die 2. Batterie - Division aus den drei schweren Batterien No. 4, 5, 6 und den. Munitions-Kolonnen No. 2 und 5 : die 3. Batterie-Division aus den drei schweren Batterien No. 7, 8, 9 und den Munitions-Kolonnen No. 3 und 6; die 4. Batterie-Division aus den zwei leichten Batterien No. 10 und 11 ; die 5. Batterie - Division beim 1. Regimente aus den drei schweren Batterien No. 12, 13, 14; beim 2., 4., 6., 7., 8. und 12. Regimente aus den vier schweren Batterien No. 12, 13, 14, 151 beim 3., 5.. 9., 11. und 13. Regimente aus den zwei schweren Batterien No. 14 und 15; beim 10. Regimente aus den drei schweren Batterien No. 12, 13 und 14; die 6. Batterie - Division beim 1. Regimente aus den zwei schweren Batterien No. 15 und 16: beim 3., 5., 9., Ii. und 13. Regimente aus den zwei reitenden Batterien No. 12 und 12. Bei jedem Feldartillerieregimente kann ferner eine abnorme Gebirgs-Batterie zur Aufstellung gelangen. — Gegenwärtig ist von den Feldartillerieregimentern No. \, 2, 4, 6 und 10 je eine solche „Gebirgs-Batterie" im Occupationsgebiete aufgestellt. Dem Stabe eines jeden Feldartillerieregiments ist im Frieden eine Stabsstation dauernd zugewiesen, wo die Deponirung und Verwaltung der Augmentationsvorräthe geschieht — Im Kriege werden, der taktischen Gliederung der „Armee im Felde" gemäss, von jedem Feldartillerieregimente die i. und 2. Batteriedivision als „Divisionsartillerie", mit der Munitionskolonne gleicher Zifferbezeichnung als „Divisionsmunitionspark", bei den zwei Infanterietruppendivisionen eines Korps eingetheilt, während die 3. und 4. Batteriedivision unter Beigabe der Munitionskolonne No. 3 als „Korpsmunitionspark" die „Korpsartillerie'' des Korps bilden. Die 5. Batteriedivision aller Feldartillerieregimenter sowie die 6. des l. Regiments sind — nachdem sie durch Zutheilung oder Detachirung auf den Stand von drei schweren Batterien gebracht wurden - - mit den Munitionskolonnen No. 5 für Infanterietruppendivisionen, eventuell für die Korpsartillerie bestimmt. — Die „reitenden Batteriedivisionen'- erhalten ihre Fintheilung bei Kavallerietruppendivisionen. — Die Munitions-kolonnen No. 4 aller F"eldartillerieregimenter sind für die Armeemunitionsparks bestimmt. — Den Befehl über alle Theile eines Feldartillerieregiments führt ein Oberst, welcher im Kriege in der Regel seine Kintheilung als Artilleriechef bei jenem Korps erhält, bei dem sein Regiment eingetheilt ist. — In jedem Regimente komniandirt die 4. Division ein Oberstlieutenant, die übrigen Batteriedivisionen werden vonje einem Major kommandirt. Im Frieden bestehen die „leichten" und „schweren Batterien" aus 4 bespannten Geschützen, 2 unbespannten Batteriemunitionswagen und 3 unbespannten Proviantleiterwagen. Die „reitenden Batterien" aus 6 bespannten Geschützen, 2 unbespannten Batteriemunitionswagen und 4 unbespannten Proviantleiterwagen. — Im Kriege haben die „leichten" und „schweren Batterien" 8 Geschütze, 8 Batteriemunitionswagen, i Requisitenwagen, 2 Bagageleiterwagen und 3 Proviantleiterwagen. — Die „reitenden Batterien" 6 Geschütze, 6 Batteriemunitionswagen, Personal- und Pferdestand der Unterabtheilungen eines Feldartillerieregiments: Hauptmann Subalterne I »ffiziere Manu .... Summe Pferde Im Frieden ■s. c O S V Z '£ S "C 1- I— S 41 '5 -z. — — • - 5 c 5 U L _ Batterien Kadre i 112 3 3 14 105 124 22 67 Im Kriege ~ Munitionskolonne- Q iT Nummer rt w und 5 ■> ? Batterien 1 I I 2 I 3 3 3 4 2 187 I97 I79 234 201 3 2 2 247 188 188 109 12S 24 73 191 201 1S3 240 204 250 190 190 44 IO9 3 14 I4S [4S 215 I4S 2oO 2ÖO 175 175 I Requisitenwagen, 2 Bagageleiterwagen und 4 Proviantleiterwagen, — Sämmtliche Geschütze und Batteriemunitionswagen sind mit 6, die Trainfuhrwerke aber mit 4 Pferden bespannt. — Die Mannschaft jeder Batterie gliedert sich in Chargen. Bedienungs- und Fahrkannoniere, D;e Bedienungsmannschaft beträgt 7 Mann beim leichten, 8 Mann beim schweren Geschütz. Bei den „reitenden Batterien" ist die Geschützbedienung.--mannschaft beritten und besteht aus 10 Mann per Geschütz. Die Fahrmannschaft beträgt sowohl für ein Geschütz als auch für jeden Munitionswagen 3 Mann; ausserdem ist zur Deckung der Abgänge im Gefecht bei jeder Batterie ein Ueberschuss an Bedienungs- und Bohrmannschaft systemisirt. Die „Festungsartillerie" besteht aus 12 Festungsartilleriebataillonen, welche mit den Nummern von 1 bis 12 bezeichnet sind. — Die Festungsartilleriebataillone No. 1, 5 und 12 ergänzen sich aus Transleithanien, die übrigen ") Beim Ersatzdec,ot kann der Stand an Bedienungs- und Fahrkannonieren, ohne Vermehrung des ('hargenkadres, bis auf 300 Mann erhöht werden. I>i- ■ Ersatzdepot wird aus dem Keservevorratlic mit Art-lleriemateria! betheilt und ist der Bedarf desselben jenem einer schweren Batterie gleich. aus Cisleithanien. — Ein jedes Festungsartilieriebataillon gliedert sich im Frieden in den Bataillonsstab und 6 Kompagnien mit den Nummern von i bis 6, von denen die 6. Kompagnie en cadre gesetzt ist. — Ueberdiess gehören in den Stand des F^estungsartilleriebataillons No. 9 drei „Gebirgsbatterien" mit den Nummern i, 3 und 5, in jenem des 11. und 12. Bataillons je eine Gebirgsbatterie mit der Nummer 1. Die Gebirgs-batterien haben 7cm Kaliber und 70^1 Geleisweite. — Em Kriege wird bei jenen Bataillonen, welche Gebirgsbatterieu im Stande haben, die Zahl der letzteren verdoppelt. Die neu aufgestellten Gebirgsbatterien erhalten beim Festungsartilleriebataillon No. 9 die Nummern 2, 4 und 6, bei den Bataillonen 1 1 und 12 die Nummer 2. — Dem Stabe eines jeden FestiragS-artilleriebataillons ist im Frieden eine Stabsstation dauernd zugewiesen. In dieser Stabsstation befindet sich auch stets die 6. Kompagnie (Cadre). — Grundsätzlich hat beim Bataillonsstab die Verwaltung und Verwahrung der Augmentationsvorräthe, bei jeder im Frieden aufgestellten Gebirgsbatterie jene des Gebirgsartillerie-Ausrüstungsmaterials, ausschliesslich der Munition, zu geschehen. Im Kriege ist es Aufgabe der FestungS-artilleriekompagnien, bei der Vertheidigung der eigenen und beim Angriffe feindlicher Festungen mitzuwirken. — Zum Angriffe feindlicher Festungen werden die erforderlichen Festtmgs-artilleriekompagnien bei den zu diesem Zwecke auszurüstenden Belagerungsartillerieparks eingetheilt. — Die Gebirgsbatterien erhalten ihre Verwendung bei den für den Gebirgskrieg bestimmten Armeekörpern. Kommandant eines Festungsartilleriebataillons ist stets ein Oberstlieutenant oder Major. — Der Friedensstand einer „Festungskompagnie" No. 1 bis 5 beträgt 5 Offiziere und 104 Mann; derjenige einer „Festungskompagnie" No. 6 (Kadre) 4 Offiziere, 23 Mann; der normale Stand einer „Gebirgsbatterie" 4 Offiziere, 30 Mann, 4 Gebirgsreitpferde und 9 Tragthiere, der erhöhte Stand 2 Offiziere, 66 Mann, 4 Gebirgsreitpferde, 2o Tragthiere. — Gegenwärtig sind bei jedem der Festungs-artilleriebataillone No. 11 und 12 im Occupationsgebiete Ge-birgsbatterien mit dem erhöhten Friedensstande aufgestellt, liese Gebirgsbatterien erhalten im Kriege die normale Gebirgs-lusrustung. -- Im Kriege ist der Stand einer Festungskompagnic Offizielle und 240 Mann; derjenige einer Gebirgsbatterie mit „gemischter Gebirgsausrüstung" 2 Offiziere, ioi Mann, und mit „normaler Gebirgsausrüstung"- 2 Offiziere, 109 Mann. — Kine jede Gebirgsbatterie enthält vier jRcin 1 Iinderladgehirgs-kanonen. — Die Gebirgsbatterien mit normaler Ausrüstung haben 63, jene mit gemischter 44 Tragthiere, darunter 4 Kohr-, 4 Lafettentragthiere, die übrigen sind für die Beförderung der Munition, des Proviants u. s. w. bestimmt. — Bei der gemischten Ausrüstung werden die Reservevorräthe an Artilleriematerial und Yerpflegsartikel, sowie ein zweitägiger Proviant- und Fouragebedarf auf 2 zweispännigen, „landesüblichen Wagen" fortgebracht. Die „Genie-Truppe" besteht aus zwei, den Namen der jeweiligen Regimentsinhaber führenden und mit den Nummern 1 und 2 bezeichneten Regimenter. Das 1. Genie-Regiment erhält seine Ergänzung regelmässig atts Böhmen, Mähren und Schlesien; das 2. aus Niederösterreich, Salzburg, Steiermark, Karnthen, Krain, Istrien und Ungarn. — Beide Regimenter, Xo. 1 und 2, wurden im Jahre 1716 errichtet. — Jedes dieser Genieregimenter wird gebildet aus dem Regimentsstabe, 5 Feld-bataillonen zu 4 Feldkompagnien, 2 Reservekompagnien und 1 Ersatzbataillon zu 5 Kompagnien. — Die Feldbataillone jedes Regiments führen die Nummern von 1 bis 5, die Feldkompagnien von 1 bis 20, die Reservekompagnien die Nummern 1 und 2, die Kompagnien des Ersatzbataillons von 1 bis 5. — Ferner gehören zum Verbände der Genieregimenter 15 „Schanzzeugkolonnen" und der „Geniehauptpark". — Im Frieden liegen die Genieregimenter in stabilen Garnisonen, und ihre hauptsächlichste Beschäftigung besteht in der technischen Vorbildung für den Krieg. — Von den ,,Schanzzeugkolonnen"*) werden 5 beim Genieregiment No. 1, und 10 beim Genieregiment No. 2 verwaltet. — Der „Geniehauptpark" untersteht dem (ienie-regiment No. 2. — Im Frieden ist die Genietruppe in wissenschaftlicher, technischer und technisch - administrativer Richtung direkt dem Reichskriegsministerium untergeordnet. — Im Kriege erhält jede Armee und jedes Korps eine entsprechende Anzahl Abtheilungen der Genie truppe sowie die jeweiligen erforderlichen Schanzzeugkolonnen. Alle nicht bei der „Armee im Felde" eingetbeilten Abtheilungen werden in Festungen und zu technischen Arbeiten auf den: Kriegsschauplatze verwendet. — Die Ersatzbataillone oder deren detachirte Kompagnien haben im Mobilisirungsfalle die hauptsächliche Bestimmung, die Sapeure der letzten Stellung auf- Stand der Unterabtheilungen eines Genieregimentes: Re- f , Feld- Frsatz- Schanzzeug- serve- . Kolonne Kompagnie (Offiziere.....5 2 2 Im Frieden . T . Mann......111 60 7 Offiziere..... 5 5 5 Im Kriege Mann......235 235 23O 22 Pferde......' 28 28 . 28 Gesammt- Stand. I m Frieden Im K r i 6 g e Offiziere Mann Pferde Offiziere Mann Pferde l. I36 2510 165 6815 Gehl*- J 2Q * Ü2'.j .. • , 2646 J 6980 * Regiment 9 f3<5 2509 172 7985 2645 "J 7157 * f *) Jede Sehanzzeugkolunne wird von einem Feldwebel, der Armee schanzzeugpark von einem Hauptmann der Genietruppe befehligt. Kömmari dant des Geniehauplpurkes ist ein Hauptmann des Ruhestandes, jener eines mobili*irten 1 'elagerungs-l l-eiiieparks ein Hauptmann der (lenietru;•] •<•. zunehmen, ihre weitere Ausbildung zu besorgen und den Ersatz für die Abgänge der Feld- sowie Reserveabtheilungen zu leisten. Schliesslich stellen die Ersatzkadre (beim 2. Regiment auch die i. Reservekompagnie) die Schanzzeugkolonnen auf. Das I.Regiment errichtet ein, das 2. zwei Armeeschanzzeugparkkommandos. Der Regimentskommandant, ein Oberst, führt im Frieden den Befehl über alle Theile des Regiments, nach bewirkter Mobilisirung desselben erhält er seine weitere Bestimmung vom Reichskriegsministerium. — Je ein Geniebataillon komman ehrt ein Oberstlieutenant und Major. Das „Bionnier-Regiment, errichtet im Jahre 1758, setzt sich zusammen aus dem Regimentsstab und 5 Feldbataillonen, es erhält seine regelmässige F>gänzung: 1. Feldbataillon aus Ungarn; 2. aus Oberösterreich und Salzburg; 3. aus Böhmen; 4. aus Ungarn, Kroatien und Slavonien; 5. aus Niederösterreich, Steiermark, Kärnthen, Krain, Mähren und Schlesien.—Jedes Feldbataillon gliedert sich wieder in 4 Feldkompagnien, 1 Reservekompagnie, 1 Zeugsreserve und 1 Ersatzkompagnie, welch' letztere sich im Frieden en cadre befindet. — Die Feldbataillone sind mit den Nummern 1 bis 5 bezeichnet, die Feldkompagnien mit den Nummern 1 bis 20, Und die Reservekompagnien, Zeugsreserven und Ersatzkompagnien führen die Nummer jenes Feldbataillons, zu welchem sie gehören. — Im Frieden ist das Bionnierregiment stabil dislozirt; die technische Vorbildung für den Krieg bildet seine Hauptbeschäftigung. — Die Zeugsreserven besorgen die Verwaltung und Instandhaltung der „Kriegsbrückenequipagen", der Vorhutbrückentrains und der sonstigen Pionnierfeldausrüstungen sowie des Uebungsmaterials ihrer Bataillone. — Das Bionnierregiment untersteht in militärischer, technischer un'd wissenschaftlicher Beziehung der Leitung des „Chefs des Generalstabs", in technisch administrativer Richtung dem „Reichskriegsministerium".—Jede Armee und jedes Armeekorps erhält im Kriegsfalle die erforderliche Anzahl Abtheilungen des Pionnierregiments, hingegen werden die nicht bei der Armee im Felde eingetheilten Abtheilungen in den an bedeutenden Gewässern liegenden Festungen und zu technischen Arbeiten auf den Verbindungslinien der Armee verwendet. — Die „Zeugsreserven" erhalten im Kriege ihre Fintheilung bei den Kriegsbrückenequipagen desjenigen Korps, bei welchem der Stab des zugehörigen Pionnierbataillons sich befindet. — Die Ersatzkompagnien haben beim Ausmarsche der Feldbataillone die nicht genügend ausgebildete Mannschaft der letzten Stellung aufzunehmen, weiter auszubilden und sodann den Ersatz für die Abgänge bei den Feld- und Reservekompagnien zu decken. Ein Oberst ist Kommandant des Pionnierregiments; dieser wird bei der Mobilmachung des Regiments in das Hauptquartier des Armeeoberkommandos eingetheilt, wo er dem Generalstabschef zur Besorgung der Pionnierangelegenheiten zugewiesen ist. — Jedes Pionnierbataillon wird von einem Oberstlieutenant oder Major befehligt. Die Standesverhältnisse des Pionnierregiments sind: Stand d er Unterabtheil ungen :*) Ke- P Feld- Ersatz-serve-Kompagnie ionnier-Zeug.s-Depot Zeugs- Mobiles l'ionnier- Reserve Zeugs-Depot Im Offiziere . . 4 ' I 2 4 I Frieden Mann . . . 117 20 7 86 6 Im Kriege Offiziere . 5 5 4 5 2 5 Mann . . . Pferde . . 217 217 223 25 25 . 177 1 [63)5» 2 177 2 *) Die Ersatzkompagnie kann ihren Mannschaftsstand noch bedeutend er-1 .< '1,111, da dieser von der Zahl der nicht genügend ausgebildeten Mannschaft abhängt; damit im Zusammenhange isi auch der Chargenstand veränderlich. Die eingeklammerte Ziffer bezieht sich auf die Zeugsreserve Nr. 5. 960 ('c-terre'.e .-.»Ungarn. Gesammtstand des Pionnierregimentes samcat dem Pionnierzeu gsdepot Im Frieden I m K r i e g e Offiziere Mann Pferde Offiziere Mann PTercTe I2Q 2Ö20 l8l 7002 " , * „ * 2Q *;'?< 676 Dtas „Eisenbahn- und Telegraphen-Regiment'" besteht im Frieden aus dem Regimentsstabe, 2 Bataillonen zu 4 Kompagnien und 1 Ersatzkadre. — Es erhält seine regelmässige Ergänzung aus den Bezirken des 2., 3., 4.. 5., 6., 7., 8., 9., 10., 12. und 13. Korps und wurde im Jahre 18S3 errichtet. — Die Bataillone führen die Nummern 1 und 2, die Kompagnien die Nummern von 1 bis 8. — Im Kriege erfolgt die Auflösung des FYiedensbataillonsverbandes und es werden dann aus dem Regimente formirt: 8 Eisenbahnkompaguien mit den Nummern I bis 8; 3 Feldtelegraphen-Direktionen erster und 3 zweiter Linie; 43 Feldtelegraphen-Abtheilungen mit den Nummern 1 bis 43; 3 Gebirgstelegraphen-Abtheilungen mit den Nummern 1 bis 3 und schliesslich 1 Ersatzbataillon zu 2 Ersatzkompagnien mit den Nummern 1 und 2. —■ Im Mobilisirungsfalle formirt jede Kompagnie 1 Eisenbahnkompagnie, dann jede der Kompagnien 1 bis 7 noch 6 Feldtelegraphen - Abtheilungen) die Kompagnie No. 1 die Feldtelegraphen'Abtheilungen No 1 bis 6, die Kompagnie No. 2 jene No. 7 bis 12 u. s. w.), die Kompagnie No. 8 endlich die Feldtelegraphen Abtheilungen No. 43 und 3 Gebirgstelegraphen-Abtheilungen. — Ausserdem werden noch im Kriege, für den Betrieb occupirter oder neu angelegter Bahnen Militär-Eisenbahndirektionen, Militär-Eisenbahn-Betriebs-Inspektionen und 8 Eisenbahn-Betriebsabtheilungen aufgestellt, welche zwar grösstenteils aus heeresdienstpflichtigen Eisenbahnbeamten und Eisenbahnbediensteten formirt sind, in deren Stand aber auch für einzelne Zweige des Eisen bahndienstes nach Bedarf geeignete, zur Verfügung gestellte Personen der eis- und transleithanischen Landwehr, dann des Civilstandes zugetheilt oder eingetheilt werden können. —Jede Telegraphenabtheilung gliedert sich in das Bau- und das Train-detachement; ersteres, zum Bau und Betriebe der Feldtelegraphenlinien bestimmt, ist vom Eisenbahn- und Telegraphenregimente, das Traindetachement aber von der Traintruppe beizustellen. — Im Frieden bildet die hauptsächlichste Beschäftigung des Eisenbahn- und Telegraphenregiments die technische Vorbildung für den Krieg. — Die FYiedensdislokation wird mit Rücksicht auf die Erfordernisse der technischen Ausbildung festgesetzt und ist grundsätzlich eine stabile. — Ein Bataillon des Regiments befindet sich immerwährend in der Regimentsstabsstation. Der Stand der Unterabtheilungen des Eisenbahn» und Telegraphenregiments beträgt: Summe des Kriegs- '= Standes der Abthei- £ v ,% lunjien, welche sich — <*} - ° lg' M formtreu aus: CL jeder der So 3 A « — 3 t- der Kom. S* M S Č J8 M Kom- S s C "5 8 i pagmen ' 0 M C ."J ~ < £ v , _ No. 8. lm Offiziere .44. Frieden Mann . . 102 9 im Offiziere ..51 511 9 Kriege Mann . . .243 52*) 183 555 354 (28.30) 2*) . (1.2) Gesammtstand des Eisenbahn- und Telegraphen-Regiments. I m F r i e d e n I m K r i e g e. Offiziere .Mann Pferde Offiziere Mann Pferde 45 844 117 4652 889 4 4769 347 Pferde ... 29 *) Die ersten Zahlen beziehen sich auf eine der Feld-Telegraphen-Ab-Oesterreich-Ungarn. f)l In militärischer, technischer und wissenschaftlicher Beziehung steht das Eisenbahn- und Telegraphenregiment unter der Leitung des Chefs des Generalstabs, in technisch administrativer Richtung unter dem Reichskriegsministerium. — Den Befehl über alle Theile des Regiments führt ein Oberst, dieser steht nach der Mobilmachung des Regiments zur Disposition des Armee-Kommandos. — Jedes Bataillon wird von einem Oberstlieutenant oder Major kommandirt. Die „Sanitäts-Truppe" gliedert sich in das „Sanitätstruppenkommando" und 26 „Sanitätsabtheilungen". — Sie ergänzt sich aus allen Heeresergänzungsbezirken ausschliesslich jenes des Tiroler-Jägeregiments und wurde im Jahre 1K 49 errichtet. Im Mobilisirungsfalle gelangen ausserdem noch zur Errichtung „ Feldsanitätsabtheilungen ", „Sanitätsabtheilungen für Festungsspitäler" und „Reservesnnitätsnbtheihmgen". — Die Sanitätstruppe ist im FYieden und Kriege zum Sanitätshilfsdienste, besonders aber zur Pflege der Kranken und Verwundeten in den Militärsanitätsanstalten bestimmt und dem entsprechend geschult und ausgerüstet. — Im Frieden wird sie in den Garnisonshospitälern, denen je eine Sanitätsabtheilung beigegeben ist, verwendet. Doch kann sie ausnahmsweise auch zur Dienstleistung in Truppenspitäler und Marodenhäuser kommandirt werden. — Ueberdies besorgt die Sanitätstruppe den Transport der Erkrankten in die Sanitätsanstalten, die Ausübung des Sanitätshilfsdienstes bei den WafTenÜbungen in Lagern, Kantonirungen und auf Märschen, wozu den Ab-thcilungen Sanitätsfuhrwerke zugewiesen sind. — Die Sanitätsabtheilung eines Garnisonhospitals formirt eine für sich abgeschlossene Truppenabtheilung und steht unter dem Befehle eines Stabsoffiziers oder Hauptmanns. In administrativer theilungen N". 1—42, die eingeklammerten auf die Feld-Telegraphen-Ab-:lu.'ilung N, 11, 12 und 14 Kadres aufgestellt sind, erhalten für sich fortlaufende Nummern von 1 bis 20. Im Frieden formirt sich die Traintruppe folgendermassen Trainregiment No 1 : Regimentsstab, Traindivisionen No. 2, 3, 13, 14, 15 (zusammen mit 27 Traineskadronen), Ersatzdepotkadre. Traindivision: No. 2. No. 3. No. 13. No. 14. No. 15. Divisions- Divisions- Divisions- Divisions- Divisions- stab, stab, stab. stab, stab, 12 Traines- 7 Traineska- 3 Traineska- 2 Traineska- 3 Traineska- kadronen dronen, dronen, dronen, dronen, 1 Parkkadre. 1 Parkkadre. 1 Parkkadre. 1 Kadre für 1 Parkkadre. Gebirgs- Traineska- dronen, 1 Parkkadre. Trainregiment No. 2: Regimentsstab, Traindivisionen No. 4, 5, 6, 7, 12 (zusammen mit 27 Traineskadronen), Ersatzdepotkadre. Bei der Mobilmachung werden aufgestellt von den „Park-kadres der Traindivisionen:" die Korpstrainparks, die Train- begleitungseskadronen für die Feldverpflegsmagazine, die Traindetachements für die Feldbäckereien, und die Depots für marode Pferde; von jedem „Ersatzdepotkadre" aber der Armeetrainpark, die Trainabtheilungen für feste Plätze und das Ersatz-depot. — Die 4 Kadres für Gebirgstraineskadronen stellen 20 „Gebirgstraineskadronen" auf. — Die Korpstrainparks, dann die Depots für marode Pferde führen die Nummern der Traindivisionen, von welchen sie errichtet worden sind. — Die Trainbegleitungseskadronen für die Feldverpflegsmagazine haben laufende Nummern von 1 angefangen. Die Armeetrains werden nach der Armee benannt, für welche sie bestimmt sind, hingegen die Trainabtheilungen für feste Plätze nach ihrem Bestimmungsort. — Im Kriege gliedert sich die Traintruppe: Train - Division: No. 4. No. 5. No. 6. No. 7. No. 12. Divisions- Divisions- Divisions- Divisions- Division- stab. Stab, Stab, Stab, Stab, 9 Train-F> 7 Train-Es- 3 Train-Es- 4 Train-Es- 4 Train-Fs-dronen, kadronen kadronen, kadronen, kadronen, 1 barkkadre. i Parkkadre. i Kadre für 1 Parkkadre. 1 Kadre für Gebirgs-Train-Eskadronen 1 Parkkadre. Gebirgs-Train-Es-kadronen, i Parkkadre. Trainregiment No. 3: Regimentsstab. d'raindivisionen No. I, 8, 9. 10, 11 (zusammen mit 23 Traineskadronen), Ersatz-Depot Kadre. Train-Division: No. 1. No. 8. No. 9. No. 10. No- 11. Divisions- Divisions- Divisions- Divisions- Divisions-Stab, Stab, Stab, Stab, Stab, 15 Train-Divisionen mit zusammen : No. 1. No. 8. No. 9. No. 10. No. 11. 3 Train-Es- 7 Train-Es- 3 Train-Es- 4 Train-Es- 6 Train-Eskadronen, kadronen, kadronen, kadronen, kadronen, 1 Parkkadre. 1 Parhkadre. 1 Parkkadre. 1 Parkkadre.i Kadre für Gebirgs-Train-Es-kadronen, 1 Parkkadre* Demnach enthalten die 3 Trainregimenter der Traintruppe im Frieden: 3 F>satz-Depot-Kadres und 77 Train-Eskadronen, 4 Kadres für Gebirgs-Train-Eskadronen. und [ 15 Park-Kadres. Im Mobilisirungsfalle werden aufgestellt: von den Park-Kadres der Train - Divisionen: die Korps-Train-Parks: die Train-Begleitungs-Eskadronen für die F*el d-Verpfl egs- Magazin e. Train-R egiment Train-Regime r t No. 2. Regimentsstab, 5 Train-Divisionen sammt den zugehörigen Stäben, No. 1. Regimentsstab, 5 Train-Divisionen sammt den zugehörigen Stäben, Train-Regiment No. 3. Regimentsstab, 5 Train-Divisionen $ammt den zugehörigen Stäben, 27 Train-Flskadronen, 27Train-Eskadronen, 23 Train-Eskadronen, 4 Gebirgs-Train-Eskadronen 3 Train-Begleitungs- 5 Eskadronen für die Feld-Verpflegs-Magazine, 3 Train-Detache- 5 ments für die Feld-Bäckereien, 10 Gebirgs-Train-Flskadronen, Train-Begleitungs-Eskadronen für die Feld-Verpflegs-Magazine, Train-Detache-ments für die Feld-Bäckereien, 6 Gebirgs-Train-Eskadronen, 5 Train-Begleitungs-Kskadronen für die Feld-Verpflcgs-Magazine, 5 Train-Detache-ments für die Feld-Bäckereien- 15 Train-Divisionen Train-Regiment Train-Regiment Train-Regiment No. 1. No. 2. No. 3. 5 Korps-Train-Parks, 5 Korps-Train-Parks, 5 Korps-Train-Parks, 5 Depots für marode 5 Depots für marode 5 Depots für marode Pferde, Pferde, Pferde, 1 Armee-Train-Park, 1 Armee-Train-Park, 1 Armee-Train-Park, 1 Ersatz-Depot. 1 Ersatz-Depot. 1 Ersatz-Depot. Die 3 Regimenter der Train-Trupppe bestehen demnach im Kriege aus: 3 Ersatz-Depots, 3 Armee-Train-Parks, dann 77 Train-Eskadronen, 20 Gebirgs-Train-Eskadronen, 13 Train - Begleitungs - Eskadronen für Feld - Verpflegs- M a gazi ne, mjt j 13 Train-Detachements für die Feld- Bäckereien, 15 Korps-Train-Parks und 15 Depots für marode Pferde. Im Frieden hat die Traintruppe die Bestimmung, einen Stamm von Offizieren, Unteroffizieren und Trainsoldaten aus dem eigenen Präsenzstande zur theihveisen Deckung des Bedarfs an Trainpersonal im Kriege militärisch auszubilden. Ausserdem sowohl die ebengenannten als auch die von der Kavallerie und den Militärabtheilungen der Pferdezuchtanstalten zuwachsenden Reservemänner (die der letztgenannten zwei Kategorien nach und nach, während der jährlichen Waffcn-übungenj speciell im Traindienst theoretisch und praktisch zu unterrichten und die Abrichtung der zugewiesenen Reit- und Zugpferde (Tragthiere) zu besorgen. Wenn es ohne Beeinträchtigung der Ausbildung der Traintruppe geschehen kann, wird dieselbe auch „zur praktischen Uebung im Fahren", dem Lokodienst in ihren Garnisonorten beigezogen — Die Friedensdislokation der Traintruppe ist stabil. — Sie wird unter Berücksichtigung der Deponirungsorte des Train-ausrüstungsmateriales. sowie mit Beachtung der Erfordernisse der Ausbildung festgesetzt. — In der Stabsstation eines jeden Trainregiments geschieht die Verwahrung der Augmentations-vorräthe an Montur, Armatur, Rüstung und beldgeräthen, dann an Trainausrüstungsmaterial für alle beim Regimentsstabe befindlichen, oder im Mobilisirungsfalle aufzustellenden Trainabtheilungen. — Die Verwahrung und Verwaltung dieser Vor-räthe bei den detachirten Traindivisionen (Eskadronen) findet in den Standorten statt. — Im Kriege obliegt der Traintruppe die Fortschaffung der Feldausrüstung der höheren Kommanden und Stäbe, der Divisions-Sanitätsanstalten, Verpflegskolonnen, Kriegsbrückenequipagen, Vorhutbrückentrains und Pionnier-zeugsreserven, die Aufstellung der Korps- und Armeetrainparks sowie der Depots für marode Pferde; ferner die militärische Fuhrung der Landesfuhren; in den festen Plätzen die Bespannung der Ausfallgeschütze und der Sanitätsfuhrwerke, dann die Besorgung des Transportdienstes. — Im Gebirgskriege wird der Transport von der Traintruppe ganz oder zum Theil mit Tragthieren ausgeführt. Im ersteren Falle hat dieselbe auch die Feldausrüstung und den Proviant der Fusstruppen fortzuschaffen. — Ueberdies ist die Traintruppe im Gebirgskriege dazu bestimmt, den Gebirgs-Divisionsmunitionspark zu befördern. Im Frieden führt ein Oberst den Befehl über alle Theile des Trainregiments, und Stabsoffiziere oder Rittmeister komman-diren die einzelnen Traindivisionen. — Bei der Mobilmachung wird aber dieser Regimentskommandant als „Armee-Traininspektor" derjenigen Armee zugewiesen, bei welcher sich die Mehrzahl der Abtheilungen des Regiments befindet. — Die, Train-divisions-Kommandanten erhalten ihre Eintheilung als „Korps-Trainkommandanten" bei jenen Korps, welche die meisten Abtheilungen ihrer Traindivisionen im Stande haben. — Dem Ersatzdepot-Kommandanten unterstehen alle bei der Armee im Felde oder in festen Plätzen nicht eingetheilten Regimentsabtheilungen und das Augmentationsmagazin; er besorgt den geordneten Nachschub der Mannschafts- und Pferdeergänzungen für die bei der Armee befindlichen Trainabtheilungen. — Aus folgender Tabelle sehen wir den Stand der Traintruppe: (lebirgs- Gesammtstand Train-Es- , I ram-hs- der kadronen , , . kadronen I ram-1 ruppe Im Frieden 2 1 254*) Mann....... 22 2355 Aerar. Pferde (Tragthiere) 16 10 U37 Aerarische Fuhrwerke (vierspännig) . . . 4 308 5 3 852 Mann....... 197 34928 Aerar. Pferde (Tragthiere) 502 270 44987 Aerarische Fuhrwerke (zwei- u. vierspännig) . 122 8964 Im Kriege Die Gliederung der Traineskadronen ist je nach ihrer Fintheilung verschieden, denn sie formiren 2, 3, 4, ja sogar 9 Züge. Die bei einer Infanterietruppendivision eingetheiltcn Traineskadronen gliedern sich in 3 Züge. Der 1. Zug führt die Feldausrüstung der Stäbe, der Divisions-Sanitätsanstalt und der Feldpost, der 2. und 3. jene der Verpflegskolonnen. — Die Zugpferde für die Trainregimenter werden im Frieden durch Remontirung und durch Uebernahme derjenigsatzkörper" mit einem normirten Stan d errichtet. — Die Landwehrbataillone führen Nummern und werden nach dem Lande und nach dem Hauptorte ihres Er-gänzungsbezirks benannt, wie z. B.: ,.k. k. niederösterreichisches Landwehrschützenbataillon, Wien No. 1. — Die Landesschützen und Landesschützenreservebataillone fuhren die Nummern 1— 20, Oeatarreicli-Ungam. (i'j '•Ts Oesterrcich-U ngara. die Kompagnien die Nummern i—4; ausserdem haben diese Bataillone die Bezeichnung des Landestheils, aus welchem sie sich vorzugsweise ergänzen, z. B. „1 Unterinnthaler Landes schützen-Reservebataillon," — Die Ersatzkompagnien haben mit den Bataillonen, zu denen sie gehören, die gleiche Nummer. Die cisleithanische „Landwehrkavallerie" formirt 6 Landwehr-Kavallerieregimenter, u. z. 3 Landwehr-Dragoner- und 3 Land-wehr-UJanenregimenter; 1 Abtheilung „berittener Schützen" in 1 )aimatien und 2 Eskadronen „Landesschützen zu Pferd" in Tirol und Vorarlberg. — Im Frieden ist für jedes Landwehr-Kavalllerie-regiment in der Regimentsformirungsstation ein Kadre aufgestellt. Gegenwärtig bestehen aber nur 3 solche Kadre u. z. jene des Landwehr-Dragonerregiments No. 1 in Stockerau, des Landwehr-Dragonerregiments No. 2 in Prossnitz und des Landwehr-Ulanenregiments No. 3 in Samhof, Die Aufstellung der übrigen Kadre wird nach und nach erfolgen. — Für die „berittenen Schützen" in Dalmatien ist in Sinij und für die beiden Eskadronen der „Landesschützen zu Pferde", ein gemeinsamer Kadre in Innsbruck aufgestellt. — Im Kriege gliedert sich jedes Landwehr-Kavallerieregiment in den Regimentsstab 4 Feldeskadronen und 1 Ersatzabtheilung. Die Abtheilung „berittener Schützen" formirt im Kriege 2 Züge. — Die Landwehr-Kava'lerieregimenter werden in jeder Gattung mit den Nummern von 1 3 bezeichnet. —- Die Landesschützen-Eskadronen führen die Nummern 1 und 2. — Zur Standes- und Evidenzführung, der Verwaltung der Magazinsvorräthe, der Vermittlung der Mobilisirung und der Ausbildung der unmittelbar eingereihten Rekruten, sowie der zu den Waffenübungen Einberufenen werden bei der Landwehr im Frieden Offiziers und Mannschaften stamme in bestimmten Standorten als stehende Kadres unterhalten. — Die Landwehr gliedert sich demnach in eine „aktive1' und eine „nicht aktive Landwehr." — Die aktive Landwehr umfasst alle Personen der Landwehr, welche bei den Behörden, Kadres und Anstalten auf im Flieden siste- misirten Dienstesposten in der aktiven Dienstesleistung stehen, oder auf Grund spezieller Anordnung als überzählig im Stande geführt werden und demgemäss die Aktivitätsgebühren beziehen. Alle übrigen Personen der Landwehr, welche überhaupt zu einer Dienstleistung verpflichtet sind, bilden, ob sie nun zur Zeit aktivitirt sind oder nicht, in ihrer Gesammtheit die ,,nicht aktive Landwehr." Der Landwehr-Bataillonskommandant nimmt eine ähnliche Stellung ein, wie sie im Frieden dem Krgänzungsbezirks-Kommandanten der Infanterie zukommt, daher ist sein Wirkungskreis ein rein militärischer und ein militär-administrativer. — Als Organ des Landwehr-Bataillonskommandanten für den militärischen und administrativen Dienstbetrieb fungirt der beim „Instruktionskadre" eingeteilte Hauptmann, welcher auch den unmittelbaren Befehl über die zu diesem Kadre gehörigen Personen in der Stellung eines Kompagniekommandanten führt. — Beim Instruktionskadre der Fusstruppen werden die Rekruten durch „8 Wochen", beim Schützen- und Kavallerie-kadres durch „3 Monate" militärisch ausgebildet; ausserdem werden die Mannschaften zu den periodischen Waffenübungen, welche je in der Dauer bis zti 4 Wochen stattfinden, eingezogen. Die Gesammtdauer aller periodischen Waffenübungen während der ganzen Landwehrdienstzeit soll ,,24 Wochen" für die unmittelbar zur Landwehr Eingereihten und „4 Wochen" für die nach vollstreckter Meeresdienstpflicht in die Landwehr Uebersetzten nicht ubersteigen. — Im Kriege werden die Landwehrbataillone in Regimenter, Brigaden und Truppendivisionen formirt. — Bei gemeinsamen Aktionen und kombinirten Waffenübungen mit den Truppen des k. k. Heeres gehen bei gleichem Range in einer Charge die Kommandanten des stehenden Heeres jenen der Landwehr vor. — Die „Landwehr-Kavallerieeskadronen" werden für den Dienst in Besatzungen und auf Ftappenlinien verwendet oder den Infanterie-Truppendivisionen zugetheilt, 98( \ Oesterreich-U ugani. im Bedarfsfalle auch zur Unterstützung der HeereskavaHerie im Aufkiärungsdienste herangezogen. — In der Regel führt im Frieden ein Rittmeister das Kommando über einen Land-wehr-Kavallerieregimentskadre. Kr untersteht dem Landwehrkommando, leitet den gesammten militärischen und administrativen Dienstbetrieb beim Regimentskadre und besorgt die kriegstüchtige Ausbildung der Offiziere, Mannschaft und Pferde. Das im Mobilisiruugställe aktivirte Regiment befehligt aber ein Stabsoffizier, welcher dem ihm nach der Ordre de batailie vorgesetzten Truppenkommandanten untergeordnet ist Den' Regimentskommandanten ist ein Stabsoffizier als Stellvertreter beigegeben. — Für die im Frieden, periodisch stattfindende „Inspizirung von je 3 Landwehr-Kavalleriekadres ist ein Stabsoffizier der Landwehr-Kavallerie bestimmt, der dem Landwehr-Oberkommando unmittelbar untergeordnet ist. Der Friedenspräsenzstand der Kadres \\ ird durch freiwillig sich meldende Mannschaft gedeckt, reichen diese nicht hin, dann wird der Kadre durch unmittelbar in die Landwehr ban gereihte, jedoch nur innerhalb ihres ersten Dienstjahres er gänzt — Der Stand eines Batailionskadres besteht aus 1 Stabsoffizier oder Hauptmann als Batailionskommandanten, 5 Offizieren und 30 Mann, u. z. 1 ()beroffizier für das Evidenz- und Yerwaltungs-Geschäft, 4 Instruktions-Otfizieren (1 Hauptmann, 3 Sub.-Offiziere) 1 Offiziers-Stellvertreter als 1 Feldwebel oder Oberjäger ) Instruktion- 2 Zugsführern Chargen, 4 Korporalen oder Unterjägern 4 Gefreiten oder Patrullfuhrern, 14 I .andwehrmännern, darunter 1 o Chargenschüler, 1 Rechnungs-Unteroffizier. 1 Büchsenmacher und 2 Spielleuten. Auch der Landwehr-Bezirksfeldwebel gehört zum Bataillons-kadre. Die Instruktionschargen, der Reclnrangsunteroffizier und die Spielleute bilden den Instruktionskadre, welcher eine Unterabtheilung des Bataillonskadres darstellt. Der Kadre für die „berittenen Schützen" besteht aus i Ober-ofIi zier, i Zugsführer, 2 Korporalen, 8 Schützen (sämmtlich beritten) und einem Offiziersdiener. — Im Kriege ist der Stand der Feld- und Reservekompagnien gleich und stimmt bei den Landwehr-Infanteriekompagnien mit jenem einer Feldkompagnie der Infanterie, bei den Landwehrschützen- und Landesschützen-Kompagnien mit jenem einer Feldkompagnie der Jäger des stehenden Heeres überein. — Landesschützen werden auch dem Artilleriedienste gewidmet tind im Frieden' demgemäss ausgebildet. — Der Kriegsstand einer Ersatzkompagnie ist bei den Bataillonen der cisleithanischen Landwehr jenem einer Feldkompagnie gleich; der Kriegsstand einer gemeinsamen Ländesschützeh - Ersätzkompagnie beträgt 4 Offiziere und 236 Mann. Der Normalstand des Kadres eines Landwehr-Kavallerieregiments beziffert sich auf 5 Offiziere, 55 Mann, worunter nur die Offiziere und 12 Mann dem Stande der Landwehr entnommen, die übrigen aber vom stehenden Heere zugetheilt sind — und 72 Bferde. Von diesen werden die Reitpferde schon im Frieden für den vollen Kriegsbedarf angekauft, 5 Monate im Präsenzstande der Regimentskadres gehalten, während der übrigen Zeit aber unter speziellen Bedingungen an „Private" zur Benützung und Erhaltung abgegeben. Die Zuweisung von Rekruten erfolgt halbjährig. — Eine Landwehrkavallerie-Feldeskadron hat den gleichen Kriegsstand wie eine Feldeskadron der Heereskavallerie; eine F>satzabtheilung aber auf Kriegsfuss 4 Offiziere, 113 Mann und 109 Pferde. — Ein Landwehr-Kavallerieregiment zählt somit im Kriege 704 Streitbare. — FTir die „berittenen Landwehrschützen" in Dalmatien besteht der Kadre aus 1 Offizier, 3 Unteroffizieren, 8 Schützen (beritten^ und i Offiziersdiener. — Der Stn^d des gemeinsamen Kadres der Landesschützen xu Pferde beträgt 2 Offiziere (darunter i Stabsoffizier oder Rittmeister) 30 Mann und 24 Pferden. — Im Kriege besteht eine Landesschützen-Eskadron aus 5 Offizieren, 180 Mann und I/O Pferden. Die .transleithanische Landwehr", bei welcher die Dienst- und Kommandosprache „ungarisch", beziehungsweise „kroatisch" ist, hat als Behörden das „transleithanische Landesvertheidigungs-Ministerium" und das „transleithanische Landwehroberkommando" in Budapest, ferner die „Landwehr-distriktskommanden." Bei diesen beiden ersten Behörden gilt im grossen Ganzen dasselbe, was wir bei der cisleithanischen Landwehr hervorgehoben haben. — Andere Verhältnisse findet man bei den Distriktskommanden: Die cisleithanische Landwehr hat keine eigenen Generäle und das Landwehrkommando, als Territorialbehörde, wird, wie wir früher gesehen haben, gleichzeitig von dem Armeekorps-(Militäri-Kommandanten des stehenden Heeres ausgeübt, dem hierzu die erforderlichen (Offiziere und Beamten vom Stande der Landwehr als Hilfsorgane beigegeben sind. Bei der transleithanischen Landwehr aber bestehen eigene Generäle, welche das Kommando über die Landwehrdistrikte führen. — Das Staatsgebiet Transleithaniens ist in 7 Landwehrdistrikte u. z. Budapest, Szegedin, Kaschau, Pressburg, Stuhlweissenburg, Klausenburg und Agram eingetheilt. — Die Landwehrdistrikts-Kommanden haben denselben Wirkungskreis wie die Landwehrkommanden in Cisleithanien und sind in administrativ-ökonomischer Beziehung dem Landesvertheidigungs-Ministerium, in rein militärischen Angelegenheiten dem Landwehr - Oberkommando Transleithaniens unmittelbar untergeordnet. Sie bilden die Zwischenbehörden, bei weichen alle Eingaben u. s. w. der transleithanischen Landwehrabtheilungen und Behörden an die höheren Stellen und die von diesen an jene gerichteten Dienst- stucke durchzulaufen haben. — Der im Sitze des Distrikts -kommandos befindliche Landwehr-Kavalleriereregiments-Kom-mandant ist in Kavallerieangelegenheiten Hilfsorgan des Distriktskommandos. — Die Gerichtsbarkeit in Strafsachen wird bei der transleithanischen Landwehr in erster Instanz von den Distriktsgerichten, in zweiter und letzter Instanz jedoch von dem transleithanischen „Landwehr-Obergericht" ausgeübt, welches unter Vorsitz eines Generals oder Stabsoffiziers in einem aus 6 Mitgliedern bestehenden „Senat" entscheidet. Die transleithanischen Landwehrtruppen bestehen aus Infanteriebataillonen und Kavallerieregimentern, doch ist im Principe beschlossen, bei der Landwehrinfanterie die Regimentsorganisation anzunehmen. — Die Truppen sind im Frieden im 14 Brigaden gegliedert, welche sich wieder in 28 Halbbrigaden, ä 3—4 Bataillone scheiden. Nach dem Inslebentreten der beregten Regimentsorganisation werden die Halbbrigaden Regimenter formtreu. Den Regtmentskomman-danten kommen dann die gleichen Dienstesobliegenheiten und Rechte zu, wie den Kommandanten der Infanterieregimenter satztruppenkadre-Kommando" er-richtet, doch wird bei der in Aussicht stehenden Regimentsorganisation ,,per Regiment" je ein Ergänzungskadre-Kommando zur Aufstellung gelangen. — Ein Kavallerieregiment komman-dirt ein Stabsoffizier; eine Kavalleriedivision ein Stabsoffizier oder Rittmeister. — Die Standesverhältnisse bei der trans-leithanischen Landwehr gestalten sich wie folgt: Der FYiedensstand der aktivirten Kompagnien ist bei den einzelnen Bataillonen verschieden, denn es giebt einen erhöhten und einen restringirten Friedensstand. Der erstere beträgt durchschnittlich C>\ Mann per Bataillon, der letztere — welcher in der Zeit vom 1. Oktober des einen, bis zum 15. März des folgenden Jahres angenommen wird — circa 46 Mann. — Der Kriegsstand eines Bataillons beziffert sich auf 22 Offiziere, 953 Mann und ig Pferde; eine F>rsatzkompagnie zahlt 3 Offiziere und 223 Mann. Der Friedensstand des Fskadronskadres ist mit 2 Offizieren, 36 37) Mann und 17 (18) Pferde normirt. Ausserdem ist bei jeder Eskadron in der Zeit vom t. Dezember bis Ende April und vom 1. Mai bis zur Herbstübung, eine Remontenabtheilung mit einem Stande von 11 Mann und 19 Pferden aktivirt. Der Kriegsstand einer Eskadron beträgt 5 Offiziere, 145 Mann und 150 Pferde. — Der Kriegsstand eines Landwehr-Kavallerieregimentes sammt dem Regimentsstabe und der Ersatzeskadron beläuft sich auf 29 Offiziere, 760 Mann und 759 Pferde. Der „Landsturm" hat, wie wir wissen, die Bestimmung das stehende Heer und die Landesschützen in der Abwehr des Feindes, wenn er in das Land einzudringen versucht, zu unterstützen und denselben mit zu bekämpfen, wenn er bereits eingedrungen ist. Er wurde daher al s integrirender Bestand-theil der Wehrkraft, unter völkerrechtlichen Schutz gestellt. — Bis jetzt existiren in Oesterreich-Ungarn nur ,,Landsturmgesetze für Tirol und Vorarlberg sowie für die Länder Transleithauiens, die übrigen Provinzen Cisleithaniens haben noch keine derartigen Gesetze. — In „Tirol und Vorarlberg'- sind alle Wehrfähigen, welche weder im stehenden Heere, noch bei den Landesschützen dienen, oder zur Besorgung der öffentlichen Angelegenheiten oder, nach dem Ermessen der Gemeinde-vorstehung, zur Besorgung dringender Familienangelegenheiten daheim unumgänglich nothwendig sind, verpflichtet vom vollendeten 18. bii zum vollstreckten 45. Lebensjahre im „Landsturm" Dienste zu leisten. — Der Landsturm wird in zwei Auszügen geleistet, u. z. umfasst der erste Auszug die Altersklassen vom vollendete 18. bis zum vollstreckten 30. Lebensjahr; der zweite Auszug alle Wehrfähigen vom begonnenen 40. bis zum vollendeten 45. Lebensjahr. — Dem ersten Auszug obliegt die Verpflichtung in dem eigenen und in den angrenzenden Vertheidigungsdistrikten, dem zweiten Auszug aber nur im heimathlichen Gerichtsbezirk Dienste zu leisten. — Die ununterbrochene Dienstzeit des Landsturmes soll sich aber „jedesmal" nicht über 14 Tage erstrecken. — Die „Sturmmannschaft" untersteht auch im Kriege nur den bürgerlichen Gesetzen und alle von der öffentlichen Meinung als „unwürdig" bezeichnete Personen werden von der Kompagnie ausgestossen. — Im Frieden sind schon in jeder Gemeinde die Sturmpflichtigen nach den „Sturmrollen", in welchen die landsturm-pftichtigen Männer beider Auszüge nach Alterskiassen verzeichnet und von den Gemeindevorstehungen evident gehalten werden, in „Landsturmzüge" formirt. wobei der Wohnort der Sturmpflichtigen für deren Fintheilung massgebend ist. — Aus diesen „Zügen" werden innerhalb eines oder mehrerer Gerichtsbezirke „Landsturmkompagnien" und aus diesen „Landsturmbataillone" formirt. - Die Züge sollen wenigstens 50 und höchstens 100 Mann stark sein. — Eine Kompagnie kann aus 2 bis 6 Zügen, ein Rataillon aus 3 bis 6 Kompagnien bestehen. — Die Zahl und Einteilung der Züge, Kompagnien und Bataillone, wird von der Landesvertheidigungs-Oberbehörde bestimmt. — Den Zug kommandirt ein Landsturm-Lieutenant oder Ober-Lieutenant; die Kompagnien ein Landsturm-Hauptmann und das Bataillon ein Landsturm-Major. — Die Besetzung dieser Offiziersstellen geschieht nach Wahl, sobald dieselbe bei drohender Kriegsgefahr von der Landes* vertheidigungs-( ^berbehörde angeordnet wird. — Zur Leistung der Sturmpflicht wird das Land in „Vertheidigungsdistrikte" eingeteilt und für jeden derselben, zum Zwecke der Or-ganisirung, Leitung und Verwendung des Landsturmes von der Landesvertheidigungs-Oberbehörde ein „Distriktskommandant" und ein „Distriktskommissär", dann für jeden Gerichtsbezirk ein „Landesvertheidigungs-Bezirkskommissär" ernannt; den beiden Erstereren werden überdies „Vertheidigungsaus Schüsse" beigegeben. Der „Landsturm in Trans'eithanien" unterscheidet sich von jenem in Tirol und Vorarlberg vor Allem dadurch, dass derselbe nur aus Freiwilligen, welche weder dem stehenden Heere oder Kriegsmarine, noch der Landwehr angehören, formirt wird, somit existirt in Transleithanien keine eigentliche „Landsturmpflicht." Nur die Finanzwache und die bewaffneten Sicherheitsorgane sind verpflichtet, wenn es die Kriegsverhäitnisse erfordern, bei Einstellung ihres speziellen Dienstes, sich dem Landstürme anzuschliessen. Die Aufgabe des transleithanischen Landsturms besteht in der Unterstützung des Heeres und der Landwehr durch Mithilfe bei Vorbereitung des Kriegsschauplatzes; Beunruhigung des Feindes; Zerstörung und Herstellung der Kommunikationen Anlegung von Hindernissen; schliesslich Besorgung der Botcn-und zu Kriegszwecken sonst nöthigen Dienste. — Der Landsturm theiit sich demnach in die „bewaffneten" und in die „Arbeiter-Abtheilungen", welche ihre Ober- und Unteroffiziere wählen. Die Uniformirung der österreichisch-ungarischen Armee ist zwar kleidsam aber unendlich einfach. Sie bestellt aus einer Kampagne- und einer Baradeuniform, zu ersterer gehören Bluse und Lagermütze, zu letzterer Waffenrock und Sturmhuf, Czake, Helm etc. Die Bluse ist immer von gleichem Stoff, wie der Waffenrock, doch wurde sie seit dem Jahre 1885 bei den Dragoner- und Ulanenregimentern abgeschafft. Das ganze Offizierskorps sowie die Miiitärbeamten tragen als Kampagne-Kopfbedeckung eine schwarze Tuchmütze in Form eines Czakos mit Lederschirm, die mit einer Goldschnur und Rosette, in v/elcher der Namenszug des Kaisers gestickt, geschmückt ist; die Mannschaft hingegen eine Lagermütze von gleicher Farbe und Stoff wie die Beinkleider. Als Barade-Kopfbedeckung trägt die ganze Generalität, mit Ausnahme der Generale der Kavallerie, der Generalstab, der Geniestab, das ärztliche Offizierskorps und die Militärbeamten Sturmhut, doch ist bei der Generalität und dem Generalstab der Federbusch hellgrün. — Auch der Mantel ist bei der ganzen Armee blaugrau, mit Ausnahme der Kavallerie und des Fuhrwesens, welche einen braunen Mantel mit Kaputze haben. — Die Generalität trägt als Kampagneuniform einen Waffenrock mit rothen Aufschlägen und blaugraue Patalon mit rothen Lampass; als'Paradeuniform weisse Waffenröcke mit rothen Aufschlägen und rothe Beinkleider mit goldenen Lampass. — Der Generalstab hat dunkle Röcke, schwarze Sammtaufschläge und rothe Passepoils. — Die Uniform der Infanterie besteht aus Czako, hellblauen Waffenrock und hellblauen Pantalon, doch sind die Beinkleider der ungarischen Regimenter eng nach ungarischer Art geschnitten und verschnürt. — Die Infanterieregimenter unter- scheiden sich von einander durch die Farben der Aufschläge-wobei so ziemlich alle denkbaren Farben und Farbenmischun gen vertreten sind, jedoch haben je 4 Regimenter (2 trans-und 2 cisleithanische) stets gleiche Aufschläge und bei diesen bilden dann wieder gelbe oder weisse Knöpfe das Merkmal, -Die Uniform der Jägertruppe besteht aus einem Tirolerhut mit schwarzem Federbusch, hechtgrauem Waffenrock mit grasgrüner Egalisirung und gelben Knöpfen, die beim Tirolerjägerregiment glatt, bei den Feldbataillonen mit Nummern versehen sind, und hechtgrauem Bantalon mit grassgrünen Lampassen. — Die ge-sammte Kavallerie ist mit krapprothen Stiefelhosen bekleidet. Die Dragoner haben Helm, lichtblauen WafTenrock und je zwei Regimenter gleichfarbige Aufschläge, aber wie bei der Infanterie entweder weisse oder gelbe Knöpfe; die Ulanen, Czapka mit Rosshaarbusch, lichtblaueUlanka mit krapprother Egalisirung, und unterscheiden sich durch verschiedenartige Czapkas von einander; die Husaren schliesslich Czako mit Rossharrbusch, Attila mit Oliven, krapprothe, beschnürte Stiefelhose, und da3Unterscheidungszeichen der Regimenter bilden verschiedenfarbige Qzakos, wobei stets zwei Regimenter, von denen eins gelbe, das andere weisse Oliven trägt, gleiche Farben haben. Bisher war nur der Attila der Husaren mit weissem Schafpelz gefüttert, ein kaiserlicher Erlass vom Jahre 1885 ordnet aber nunmehr an, dass auch die Dragoner- und Ulanenregimenter mit weissem Schafpelz gefütterte Röcke zu bekommen haben. — Die Uniform der Fehl- und Festungsartillerie besteht aus Czako mit Rosshaarbusch, dunkelbraunem Waffenrock mit scharlachrother Egalisi-rung, gelben Knöpfen mit den Regiments- (Bataillons-) Nummern, und lichtblauen Stiefelhosen. Die technische Artillerie unterscheidet sich von ihnen nur durch glatte Knöpfe und blaugrauem bantalon mit scharlachrothem Passepoil. — Die Genie-Waffe hat Czako, lichtbraunen Waffenrock mit kirschrother Egalisirung, gelben, glatten Knöpfen und blaugraue Bantalon. — Das Bionnierregiment ist bekleidet mit Czako, hechtgrauem Waffenrock mit stahlgrüner/ Egalisirung, weissen glatten Knöpfen und hechtgrauen Pantalon mit stahlgrünen Lampassen. — Las Eisenbalm- und Telegraphenregiment trägt dieselbe Uniform wie das Pionnierregiment, nur haben die Offiziere Achseiklappen und hinter der Chargendistinktion ist ein in Gold gesticktes, mit Blitz durchzogenes geflügeltes Rad angebracht. — Die Sanitäistruppe hat Czako, dunkelgrünen Waffenrock, krapprothe Egalisirung, gelbe glatte Knöpfe und blau-<_■ ra: e Pantalon mit krapprothem Passepoil; die Traintruppe Czako, dunkelbraunen Waffenrock mit lichtblauer Egalisirung und weissen glatten Knöpfen. — Die bosiiisch-herzegowinischen Truppen tragen Fez, lichtblauen Waffenrock, alizarinrothe Egalisirung, gelbe nummerirte Knöpfe und lichtblaue Pantalon. Die Uniform der Landwehr-Schützenbataillone No. i bis 8, 20 bis 27, 72 bis 74, 79, 80 und 81 besteht aus Hüten wie die Jägertruppe, hechtgrauen Röcken mit grasgrünen Aufschlägen, weissen Knöpfen und blaugrauen Pantalons mit grasgrünen Passe-poils; die der Landwehr-Infanterie-Bataillone No. 9 bis 19, 28 bis 71 und 75 bis 78 hingegen aus Czako wie die Infanterie, dunkelblauen Röcken mit scharlachrothen Aufschlägen, und blaugrauen Pantalons mit scharlachrothem Passepoil; die der Landes-Schützen-Bataillone in Tirol und Vorarlberg aus Hut wie die Jäger, braunen Röcken mit grasgrünen Kragen und Aufschlägen, gelbe Knöpfe mit Bataillonsnummer und blaugraue Patalons mit grasgrünen Passepoils. — Die Uniform der Landesschützen zu Pferde in Tirol und Vorarlberg ist in der Farbe gleich den Landesschützen, jedoch hat ihre Feldkappe, Bluse, Stiefelhose den gleichen Schnitt wie die der Landwehr-Dragonerregimenter, und der Mantel und Waffenrock mit Taschen, wie die der Landwehr-Ulanen; auch haben sie Flalsflor mit Fransen, Dragonerstiefel mit Anschnallsporen und Hut mit Adlerfeder. — Die berittenen Schützen in Dalmatien sind bekleidet mit Feldkappen wie für die Landwehrinfanterie, hechtgrauen Waffenrock mit grasgrüner Egalisirung, weissen, glatten Knöpfen, Anhänge- schnür und Achselschlinge, Stiefelhose und Mantel mit Kapuze, in Form wie die Landessellützen zu Pferde in Tirol und Vorarlberg. — Die Adjustirung der Landwehr-Dragoner ist gerade so wie die der Dragoner des stehenden Heeres, jedoch mit krapprother Egalisirung. weissmetallenen Knöpfen mit der Regi-mentsnummer; die der Landwehr - Ulanen wie die der Ulanen des stehenden Heeres, jedoch mit krapprother Tatarka. — Die Uniform der transleithanischen Landwehr - Infanteriebataillone besteht aus hellblauem Czako, dunkelblauem Attila mit weichsel-rother Verschnürung, gelben Oliven und hellblauen Fantalon; die der berittenen Landwehrtruppe aus krapprothem Czako mit weissem Rosshaarbusch, Attila wie die Infanterie, Bluse ohne Verschnürung mit Paroli und gelben Knöpfen, dunkelblauem Dolman mit Pelzverbrämung, krapprothen Stiefelhosen und dunkelbraunem Mantel mit Kaputze. Die „Distinktionsabzeichen" werden in der österreichisch-ungarischen Armee am Kragen getragen. Sie bestehen bei den Offizieren aus Gold- und Silbersternen, bei den Unteroffizieren aus weissen Tuchsternen. Die Generalität hat ausserdem breite Goldborden; die Stabsoffiziere je nach den Knöpfen ebenfalls breite Silber- und Goldborden auf Kragen und Aufschläge, jedoch mit anderen Zeichnungen als die Generalität; und die höchsten Unteroffizierschargen, Feldwebel, Feuerwerker, Wachtmeister, eine schmale gelbe Seidenborde um den Kragen. — Der Marschall allein hat keine Sterne als Rangabzeichen, sondern blos auf Kragen und Aufschlag eine breite Goldborde mit gesticktem Eichenlaub. — Der Feldzeugmeister und General der Kavallerie trägt als Abzeichen drei Sterne, der Feldzeugmeister zwei, der Generalmajor einen; der Oberst wieder drei, der Oberstlieutenant zwei, der Major einen; der Hauptmann abermals drei, der Oberlieutenant zwei, der Lieutenant einen; der Feldwebel, Wachtmeister oder Feuerwerker auch wieder drei, der Zugführer ebenfalls drei, der Korporal zwei, der Gefreite, Vormeister etc. einen. Die Jahresgagen beim Offizierkorps betragen in Gulden österreichischer Währung beim Lieutenant 600, Oberlieutenant 720, Hauptmann II. Klasse 900 (mit Alterszulage 1200), Hauptmann I. Klasse 1200, Major 1680, Oberstlieutenant 2IOO, Oberst 3000, Generalmajor 4200 und 5280. Feldmarschalllieutenant 630x3, Feldzeugmeister oder General der Kavallerie 8400. Dazu kommen dann noch Quartiergeld, Ofiiziersdienerequivalent und verschiedene andere Zulagen, wie z. H. Kavalleriezulage. Tafelgelder etc. etc. — Das Pensionsgesetz für die österreichisch-ungarische Armee datirt vom 27. December 1875. Danach beginnt die gebührende Pension nach vollbrachtem 10. Dienstjahre und beträgt in dieser Zeitperiode für den Lieutenant. Oberlieutenant und Hauptmann IL Klasse jährlich 300 Fl, für den Hauptmann I. Klasse 400, für den Major 560, für den Oberstlieutenant 700, für den Oberst 1000. für den Generalmajor 1400 und 1761, für den Feldmarschalllieutenant 2100 und für den Feldzeugmeister oder General der Kavallerie 2800 Fl. hast nach vierzigjähriger Dienstzeit erhält der Offizier die volle Gage als Pension. Die österreichische „Kriegsmarine" hat sich bereits im schleswig-holsteinischen Kriege bei Helgoland und später in der Seechlacht von Lissa rühmlichst hervorgethan und seit Einführung der Schiffspanzerung und des völlig veränderten Wesens der europäischen Kriegsflotte die ersten grösseren Erfolge errungen. Das gilt besonders in Bezug auf die Schlacht bei Lissa, wo die erst im Entstehen begriffene österreichische Kriegsflotte unter Tegetthoflf's helden-müthiger Führung, über die um vieles stärkere italienische Marine einen glänzenden Sieg erfocht. Dieser selbst in Oesterreich ganz unerwartete Erfolg hatte ganz wesentlich dazu beigetragen, dass man der Kriegsmarine von nun an eine erhöhte Aufmerksamkeit schenkte und an ihrer Vermehrung und Ausbildung rüstig weiter arbeitete. — Werfen wir einen Blick zurück auf die Geschichte der österreichischen Kriegsmarine, so finden wir hier ganz eigenartige Verhältnisse. Bis /.um Jahre 1848 war dieselbe in nationaler Beziehung, Verwaltung, Dienst-und Kommandosprachc, überhaupt in ihrem ganzen inneren und äusseren Wesen völlig italienisch. Der ganze administrative und technische Mittelpunkt befand sich im grossen Arsenale zu Venedig und die österreichische Kriegsmarine wurde gcw issermassen als ein Erbstück der untergegangenen Dogen-Republik angesehen. Dieses ausschliesslich italienische Wesen rächte sich aber an Oesterreich im Jahre 1848 auf das Bitterste, denn nach dem Ausbruche der italienischen Bewegung sc bloss sich fast die ga nzc Mari ne, Offiziere und Mannschaft, Italien an: sämmtliche Schiffe und das ganze im Arsenal, zu Venedig befindliche grosse Material waren für Oesterreich wie mit einem Schlage verloren und dienten nun den Italienern als Kriegsmittel, das sie aber glücklicherweise nur in sehr geringem Grade gegen Oesterreich auszunützen verstanden. — Als endlich nach der Schlacht von Novara Oesterreich wieder festen Fuss in Italien gewann und auch Venedig nach einer längeren Belagerung von der Landseite zurückerobert wurde, erhielten die Trümmer der österreichischen Kriegsmarine eine völlig durchgreifende Reorganisation und sie hörte vor Allem auf, italienisch national zu sein. — Da in Oesterreich selbst nur sehr wenige Seeoffiziere deutscher Nationalität vorhanden waren, so sah man sich genöthigt, fremde in Dienst zu nehmen, ja selbst die oberste Leitung der ganzen Marine ward einem FVem-den, dem dänischen Seeoffizier Daldrup, mit dem Titel eines Admirals übertragen. Was die Mannschaft betraf, so ergänzte man diese fast ausschliesslich aus den slawischen Küstenstrichen Oesterreichs, besonders aus Istrien und Dalmatien, da diese Kronländer ganz tüchtige und muthige Seeleute liefern, die Oesterreich vor dem Jahre 1848 viel zu wenig beachtet hatte. Gleichzeitig fand auch die Verlegung des Mittelpunktes der österreichischen Kriegsmarine nach der Ostküste, und zwar nach Bola, statt, wo man schon kurz vor den Ereignissen des Jahres 1848 die Errichtung eines Kriegshafens beschlossen hatte. Oesterreich-U ngarn li-'J Iii diesen Zeitpunkt fallen auch wesentliche organisatorische Veränderungen und neue Reglements, hauptsächlich aber ein strammerer Dienstbetrieb, der zur Zeit, als die Marine noch italienisch - national war, Manches zu wünschen übrig liess. Dadurch gewann der militärische Geist immer festeren Roden, freilich zum Theil auf Kosten der speziell maritimen Eigenart. Als aber Erzherzog „Ferdinand Max", der spätere Kaiser von Mexiko, den Oberbefehl über die gesammte Marine übernahm, wurde auch dieser Nachtheil sehr bald gehoben, denn der Erzherzog besass grosse Vorliebe für das Seewesen, für Reisen und geographische Studien und widmete sich seiner Aufgabe, die österreichische Kriegsmarine zu heben, mit grossem Eifer. Unter seiner Leitung ward der Uebergang zur Dampfermarine vollständig durchgeführt; man erbaute mehrere Schraubenfregatten und Korvetten und rekonstruirte schon vorhandene Schiffe, wie „Schwarzenberg" und „Novara", in Dampfer um. Ebenso ward auch für eine bessere Ausbildung der Offiziere, sowie für Uebungsreisen auf Schulschiffen gesorgt, kurz die Anfänge des eigentlichen Aufschwunges der österreichischen Kriegsmarine wurden jedenfalls unter der Oberleitung des Erzherzogs Ferdinand Max gemacht. — Nach Kr/.herzog Ferdinand Max übernahm „Tegetthoffw das Kommando der Kriegsmarine. Sein Streben und der leitende Gedanke in allen seinen Massnahmen war hauptsächlich darauf gerichtet, überall echt maritimen Geist, echt maritimes Wesen zur Geltung zu bringen. Er wollte Ordnung und Strenge im Dienste, war aber ein entschiedener Feind jedes formellen, gedanken- und inhaltlosen Gamaschenwesens. Er verwendete seine volle Aufmerksamkeit auf die gute Ausbildung und die erhöhte Schlagfertigkeit. Da fast gleichzeitig mit seinem Antritte des hohen Postens das neue Wehrgesetz ins Leben trat, so w« rd es doppelt nothwendig, die Anforderungen des Dienstes damit in Einklang zu bringen. Es wurden die verschiedenen S[ ezialki rps, wie die,, Marine J nfanterie" und die,.Marine- Artillerie" jetzt „Heugskorps" genannt, aufgelöst und die gesummte für den Flottendienst bestimmte Mannschaft in dem „Matrosenkorps" vereinigt. Man ging von der Ansicht aus, dass am Hord eines Kriegsschiffes jeder Mann der Equipage in erster Linie die volle seemännische Eignung besitzen müsse und dann erst, je nach seiner Verwendbarkeit, für besondere Spezialitäten heranzubilden sei. Die Ausbildung der Mannschaft wurde ferner in ein sehr genau bemessenes System gebracht, das Institut der Schulschiffe eingeführt und für den Nachwuchs an geeigneten Unteroffizieren durch die Schiffs- und Mascliinenjungcnschule gesorgt. Auch im Offizierkorps stellte man nach demselben Prinzipc die vollste Einheit her, die speziellen technischen Fächer, welche heute in der Marine zu einer so wichtigen Rolle berufen sind, wurden in verschiedene Ingenieurtruppen gegliedert und die ganze Ver waltung einer durchgreifenden Reform unterzogen, bei welcher der Grundsatz massgebend war, dass deren Aufgabe die Erhaltung des Materials und die Kontrole der ganzen Gebahrung sei, derselben jedoch keinerlei Einmischung in die eigentliche Disposition zustehe, woran man bisher so sehr gelitten hatte. Tegetthoff verlangte eine derartige Stärke der Flotte, das.. dieselbe „die Verteidigung der Adria mit Erfolg durchführen könne". Ausser den für Aviso-, Kreuzer- und Stationsdienst erforderlichen Fahrzeugen nahm er einen Stand von 15 Panzerschiffen in Aussicht und beabsichtigte in einigen Jahren durch eine angemessene Vertheilung der erforderlichen Mittel auf die einzelnen Budgets diesen Stand zu erreichen. — Aber auch er stiess sofort auf die in ()esterreich so leidige Geldfrage, und es gelang ihm nicht, für den Ausbau der Flotte prinzipiell die Genehmigung zu erhalten; er musste sich von Fall zu Fall mit der Inangriffnahme einzelner Bauten begnügen. In der That wurden seit dem Jahre 1866 nur die Panzerschiffe „Lissa" .„Erzherzog Albrecht", „Custozza" und „Tegetthoff4 neu hergestellt, das Linienschiff „Kaiser" in ein Panzerschiff umge wandelt und vier von den schon vorhandenen Panzerfregatten mit einem neuen Schiffskörper versehen, — Tegetthoff gehörte zu jenen seltenen Menschen, die es verstehen, nachhaltige Impulse zu geben. Nach allen Seiten flösste er regen Geist ein; weckte Eifer und Liebe zur Sache. Leider war es ihm aber nicht lange gegönnt, die Schicksale der Marine zu leiten. Schon 1871 erlag er einer plötzlichen Krankheit und erhielt den Admiral „Frhrn. v, Pöckh" znm Nachfolger. Nach diesem übernahm der Contre-Admiral „Freiherr v. Sterneck", der bei Lissa mit der banzer Fregatte „Ferdinand Max" durch das Rammen des ,,Rc d'Italia" wesentlich zum Siege beigetragen hatte, den Oberbefehl. Dieser Admiral brachte gleich nach seinem Amtsantritt die Notwendigkeit zur Geltung, den Seedienst nachhaltiger und in einer mehr nutzbringenden Weise zu betreiben, zugleich aber auch einmal durch Uebungen im grösseren Stile die taktische Leistungsfähigkeit zu erproben und den Offizieren die praktische Gelegenheit zu geben, sich mit den modernen Formen des Seekrieges vertraut zu machen. Es wurde daher eine aus sechs Panzerschiffen, einer Anzahl von Torpedobooten und den nöthigen Repetiteurs zusammengesetzte Uebungsescadre ausgerüstet und mit derselben zwei Monate lang ununterbrochen manövrirt. Bei diesen Manövern stellte er an Kommandanten, Stäbe und Equipagen sehr hohe Anforderungen und spannte alle Krähe aufs Aeusserste an. Derartige Manöver hatten noch niemals in der österreichischen Marine stattgefunden, dess-halb war ihr Werth ein ganz unverkennbarer; ausserdem haben diese Manöver vielfache Anregung gebracht und sehr wesentlich dazu beigetragen, auf der einen Seite das Personal zu erproben, auf der anderen Seite aber die Ansichten über taktische Frage« zu klären. —■ Nach Auflösung der Panzerescadre wurden wieder sämmtliche Panzerschiffe ausser Dienst gestellt und nur eine Schraubenfregatte mit zwei Kanonenbooten im Escadre-verbande für das Mittelmeer belassen, dagegen aber vier Korvetten ausgerüstet, um überseeische Reisen anzutreten. — Man verfolgte hierbei zunächst den Zweck, im grösseren Massstabe durch derartige Reisen die fachmännische Ausbildung der Offiziere und Mannschaften zu fördern, ferner aber auch die eigene Flagge in Erinnerung zu biingen; zugleich sollten diese Reisen benutzt werden, um so weit, als thunlich Beobachtungen in kommerzieller und handelspolitischer Beziehung zu machen, die konsula ramtl iche Thätigkeit zu unterstützen und auf die Unternehmungen der Handelsmarine einen Impuls zu üben. — Bei alledem denkt man aber in Oesterreich-Ungarn vorderhand keineswegs an üherseeische Unternehmtingen im grösseren Stile, sondern sieht die Hauptaufgabe der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine vor Allem nur in dem Küstenschutz — Dies geht auch aus einer Rede des Viceadmirals von Sterneck bei Gelegenheit der Generaldebatte über das Marinebudget in den Delegationen hervor, worin er betont, dass sein Streben keines wegs auf Vergrösserung der Kriegsmarine, sondern einzig und allein auf Sicherung einer erfolgreichen Defensive gerichtet sei. — Zum Schutze des Seehandels und für die damit zusammenhängenden Aufgaben wäre eine genügende Anzähl von 1 lolz-sebiffen vorhanden, die von älterer Konstruktion und zu Kriegszwecken nur in beschränktem Masse verwendbar sind, aber für die Hauptaufgabe der Flotte, den Schutz und die Vertheidi-gung der vaterländischen Küste sei es unbedingt nothwendig, dass die Marine zu einer kräftigen Defensive kampffähig gemacht werde, tind zwar müsse dies geschehen durch Komple-tirung und Armirung der vorhandenen Banzerschiffe mit Torpedos und Mitrailletisen, ferner durch Beschleunigung der Fertigstellung der im Bau befindlichen Panzerschiffe, der Armirung einer Anzahl Lloydschiffe zum Aviso- und Traindienste, durch den Bau von Torpedoschiffen und Torpedobooten und die Beschaffung alles sonstigen Materials! — Alle diese Forderungen wurden denn auch ihrer Hauptsache nach von den D elegationen bewilligt. Im Jahre 1884 hatte die österreichisch-ungarische Kriegsmarine an schwimmendem Flottenmaterial: 098 (testerreich-Uttga to. Schiffe der Flotte. o Schiffs" N a m e "33 '> *j Kate« Typ Ton ] cem. lg* Gesell iit 7. Iis 1) pQ Tegetthoff . . . 7390 1200 6 6 520 rt Custozza .... 7060 lOOO . 8 6 579 C 1/. Lissa ..... 6080 lOOO 12 4 582 £ f6 feg Erzherzog Albrecht 5940 800 8 6 543 IS o t V Kaiser..... 5810 8OO 10 6 541 Je: ' C Don Juan de Austria 3550 65O 8 4 393 «J rt O. Kaiser Max . . . 3550 650 8 4 393 "ö <5 Prinz Eugen . • • 3550 650 8 4 393 A I Erzhrzg. Ferd. Max 5HO 800 4 511 Ii Habsburg . . • 5140 800 14 4 $IJ Salamander . 3110 500 10 4 32* Fre- 1 Radetzky .... '3430 600 15 — 457 rt gatten I Laudon .... 3430 600 15 — 457 i red. 1 Donau..... 2440 400 11 — 321 —" Kurv. | Saida..... 2440 400 11 — 3-1 Glatt- 1 Erzherzog Friedrich 1570 230 >4 — 321 0> deck- Fasana..... 1970 400 4 2 262 Korv. 'Helgoland . . . 1820 400 5 — 262 u 1 4« Zara..... 840 320 4 — 135 9 rt J ' Spalato .... 840 320 4 — L35 1 o| | Sebenice .... 84O 320 4 — L35 ' Lussin..... 84O 320 4 — L35 latt. eck. rvette 1 Zrinyi..... j Frundsberg . . . i34o i34° 230 230 4 4 210 210 w 5 Aurora .... i34° 230 4 — 210 Hum..... 9o° 230 4 — L33 "ü rt y 0 Nautilus .... 57° 90 2 — "•5 S tU o Albatros .... 5 70 90 ' 2 atri MS 33 E Kerka..... 54° 90 2 ikri 105 := o rt Narenta . . . s4° 90 2 -- 105 Möve..... 37° 45 2 -~ 73 LSansego . . .' . 35° 90 2 — 7i ,--> Miramar .... 1830 450 2 — 159 Greif..... 135° 300 2 — 141 J Fantasie . . . 32° 120 — — 44 Andreas Hofer . . 850 180 3 99 5?° ISO 3 — 8t 1 Schiffs- V rt Typ u , i Si« Rad- lil < dampf. H — Schrau 3 . ben-D. Fluss- M<>hi- Schiffe 1 tors B V • B ienst auf der I ><>n lic: H 5 I i ■ jp = £ 2 C v S 8 c E 350 5 136 220 2 81 270 2 8/ 160 2 70 250 *)io5 80 2 49 80 2 49 _ _ 238 — — 114 — 8 5S — — 50 — — 3» 230 — 4i 90 2 5o 90 2 50 75 — 30 40 — 24 40 — 29 16 — 24 — — 24 — — 19 — 25 _ — 1O0 ) 500 Schüler. -) 400 Schüler, f) ioo Schüler *) 5«> Schüler au bestimmt. 40 Schüler. IUOO ' ►esteirelch-Ungaru. Die abgerüsteten Schiffe liegen im Kriegshafen zu Pola, wo sich auch alle grossen Depots und Arsenale der Kriegsmarine befinden. — Man sieht daher, dass seit dem Jahre 1866 von der Militärverwaltung sehr viel gethan wurde, um die Wehrverhältnisse der Monarchie zu heben, trotzdem sich die Bevölkerung und besonders das Parlament allen diesen Bestrebungen gegenüber nicht nur passiv, sondern sehr häufig auch abwehrend verhielt. — Oesterreich-Ungarn verfugt jetzt im Falle eines Krieges mit Einschluss aller Reserven über ein in jeder Beziehung vortrefflich bewaffnetes und ausgerüstetes Heer von 1.086.933 Mann, welches in den grossen Lagerfestungen Krakau und Olmütz, den Depotfestungen Alt-Gradiska, Arad, Brood, Essegg, Josefstadt, Karlsburg, Komorn, Königgrätz, Peterwar-dein, Temesvar, Theresienstadt, den 5 Thal- und 12 Wegsperren, sowie der Seefestung Pola mit dem befestigten Flottenlager bei Fasana, den Kriegshäfen Kattaro und Ragusa und dem befestigten Hafen von Triest günstige Stützpunkte findet. — Die heutige Wehrkraft ist eine ganz andere, als sie es vor Beginn des Krieges ] 866 war. Die Generalität, der Generalstab und das gesammte übrige Offlzierkorps ist heut zu Tage nicht nur ein nach modernen militärischen Begriffen theoretisch und praktisch wohlgeschultes und zum T heil in wissenschaftlicher Beziehung auf hoher Stufe stehendes, sondern die Truppe selbst hat an Manövrirfähigkeit ausserordentlich gewonnen, was sich bei den alljährlich abgehaltenen Waffenübnngen im grösseren Stil eklatant zeigte; die Infanterie und Artillerie schiesst sehr gut, die Militärbildungsanstalten und verschiedenen Offiziers-kourse sind vortrefflich, erfreulich ist auch die bedeutende Abnahme des Krankenstandes im Heere, der nur mehr 3s/l0"/0 des Effektivstandes, gegen 5ü/„ in den Jahren 1868—1871, beträgt. — Aber was das Heer zum Theil leider verloren hat, das ist die altberühmte österreichische Kameradschaft, das Gefühl des engen Zusammenhalts, die Begeisterung für ein ..grosses, einheitlich geschlossenes Oesterreich", denn leider hat sich auch schon in diesen Kreisen der alle staatlichen Hinrichtungen in Oesterreich-Ungarn /.ersetzende und zerfressende Nationalitätenhader auf das Tiefste zum Nachtheile des Ganzen eingenistet und im Verein mit anderen Einflüssen die Disziplin gegen früher bedeutend gelockert. — In Bosnien-Herzegowina haben die österreichischen Truppen wahrhaft heldenmüthig siegreich gekämpft! — Ob sich die Streitmacht Oesterreich-Ungarns mit ihrer jetzigen, jedenfalls vortrefflichen Ausrüstung und Organisation in einem kommenden grossen Kriege mit ebenbürtigen Feinden bewähren wird, das kann nur die Praxis des Krieges selbst zeigen, wird aber sehr davon abhängen, ob es der Regierung und der Kriegsverwaltung bis dorthin gelingt, jenen unentbehrlichen Kitt für das kämpfende Heer, „die Begeisterung für die Grösse und die Zusammengehörigkeit des Reiches nicht nur zu erhalten" sondern noch bedeutend zu verstärken, denn ohne diesen Kitt nützt die beste Führung, die vortrefflichste Organisation und Bewaffnung gar nichts, und das Heer läuft auseinander bei den ersten ernsten kriegerischen Schwierigkeiten. XIY. Die Städte und das Städte- leben. Die schönste und grösste Stadt Oesterreich-Ungarns ist „Wien'', eine Weltstadt Im vollsten Sinne des Wortes, denn sie zählt gegenwärtig mit den Vororten circa 1,161.800 Einwohner, darunter ungefähr 75.000 Israeliten. — Ursprünglich ist Wien ein altkeltischer Ort, und hier erbauten die Römer in den ersten Jahren unserer Zeitrechnung ihr „Castel Vindobona." Ende des 3. Jahrhunderts entwickelte sich aus dieser Municipal-stadt schon eine Ansiedlung und Vindobona blüht als Sitz der römischen Civil- und Militärgewalt bis zum Einfall der Hunnen im 5. Jahrhundert. Von da an verschwindet das römische Vindobona aus der Geschichte, bis Karl der Grosse die Macht der Avaren brach, das Land zwischen Enns und Wiener Wald als festen Grenzpunkt 791 organisirte und es einem fränkischen Grafengeschlecht übergab, unter dem es sich so weit hob, dass es schon zur Zeit der Schlacht auf dem Lechfelde im Jahre 955 eine nicht unwichtige Rolle als befestigter Ort spielte. Doch wurde Wien erst im Jahre 1137 als „civitas" urkundlich erwähnt. — Der wichtigste Moment für die Entwicklung dieser Stadt beginnt vom Jahre 1156, wo Friedrich I. die „Babenberger" in den ständigen Besitz des Landes setzte und Heinrich Jasomirgott als „Herzog von Oesterreich" hier seine Residenz aufschlug! — W ien vergrösserte sich nunmehr beständig, besonders da auch die Kreuzzüge den Verkehr hoben, so dass wahrscheinlich schon beim Aussterben der Babenberger und während der Occupation des Landes durch Ottokar von Böhmen 1251 —1276 jene Befestigungslinien aufgestellt waren, die bis zur Stadterweiterung 1857 die Gestalt der inneren Stadt bestimmten. — Erst nachdem Rudolf von Habsburg 1276 Ottokar besiegt hatte, wurde Wien Sit/, der Habsburgischen Dynastie, der es seine heutige Grösse und Weltstellung zu verdanken hat. — Doch das nunmehr beginnende erhöhte Emporwachsen blieb nicht ganz ohne schwere und blutige Kämpfe, denn zweimal sah Wien die Türken vor seinen Mauern. Zuerst belagerte es Soliman 11. vom 22. September bis 15. Oct. 1521J und das andere mal der Gross-Vezier Kara Mustapha vom 14. Juli bis 12. September 1683. Bis zum Jahre 1809 hatte die alte Kaiserstadt eine doppelte Befestigung, von der jedoch gegenwärtig nur noch ein kleiner Theil vorhanden ist. Die äussere, welche 1704 zum Schutze gegen die unter Franz Rakoczy vordringenden Ungarn errichtet worden war und den Namen „Linien-Graben" führt, besteht aus einem 4 Meter hohen Wall nebst Graben, die noch wegen der ärarischen Mauten erhalten werden, doch hat man bei den 14 meist nach den Vorstädten benannten Ausgängen, „Linien", seit neuerer Zeil zum grössten Theile die Thore beseitigt. Die innere Befestigung, Bastei, Stadtgraben und Glacis, wurden zu Folge eines kaiserlichen F>lasses 1858 geschleift und am 1. Mai d. J-fuhr der Kaiser durch die erste Bresche beim „Rothenthurmthor", die in den Stein- urtd Erdengürtel Wiens gelegt worden war. An die Stelle dieser inneren Befestigung ist jetzt die breite Ringstrasse getreten, welche die „innere Stadt" unr schliesst. Von dem früher in dieser Befestigungslinie angebrachten Thore besteht nur noch das Burg- und das Franz" Josefs-Thor. — Parallel mit der Ringstrasse, näher den Vorstädten, läuft die 15 Meter breite „Lastenstrasse" und eine dritte grosse Verkehrsader, die „Gürtelstrasse", soll ausserhalb der Linie die ganze Stadt einsäumen. — In der inneren Stadt sind die Strassen zum grössten Theil eng und von sehr hohen Häusern eingeschlossen, jedoch gut gepflastert. — Den Mittelpunkt der äusserst praktischen Nummerirung bildet die Stefanskirche, von dort fängt stets No. 1 links, No. 2 rechts an; die nach der Stadt führenden Strassen und Nummern-Schilder sind viereckig, hingegen die c'erim K reis laufenden rund. In Folge des Niederreissens der inneren Stadtwälle wurden Umfangreich e Baugründe geschaffen, deren Erlös, circa 42 MilL man ausschliesslich zur Verschönerung Wiens verwendete. — Unter solch' günstigen Verhältnissen konnte sich natürlich die Bauthätigkeit unendlich entwickeln. Die Ringstrasse ist nunmehr mit architektonischen Prachtbauten reich besetzt, und wo früher öde Glacis sich ausdehnten, erheben sich jetzt prachtvolle Stadttheile. Den „Wiener Boulevards", wie man die Ringstrasse nennen kann, mangelt aber der übersichtliche Charakter der Pariser Boulevards, ausserdem haben sie einen grossen Fehler, dem auch nicht so leicht abzuhelfen ist, nämlich die Zerissenheit des Terrains. Die Pariser Boulevards bilden eine feste Gliederung, die Menge bewegt sich zwischen ununterbrochenen Häuserzeilen dahin, das Auge findet jeden Augenblick etwas, worauf es mit Interesse haften kann und man kommt aus der Lädenschau gar nicht heraus, während die Wiener Ringstrasse nur sporadisch mit Häusern garnirt ist und die Augenweide, die man da haben kann, reducirt sich auf ein Mm in 1 11. — Die Vorstädte, mit der inneren Stadt in innigste Verbindung gebracht, hörten auf Vorstädte zu sein und die Absicht, sie mit Wien vollkommen zu vereinen, scheiterte bisher nur noch an dem hartnäckigen Widerstand, den sie derselben bisher aus wirthschaftlichen Gründen entgegensetzten Wien wurde in io Bezirke eingetheilt, die innere Stadt ist der I. Bezirk. — Die noch disponibeln Gründe des Stadt-erweiterungsfonds werden in nächster Zeit ganz verbaut sein und wenn auch die Linienwälle nicht zu bald fallen sollten, wie es jetzt den Anschein hat. so wird deshalb die Bauthätigkeit in Wien doch nicht ins Stocken gerathen, im Gegentheil, denn man arbeitet jetzt mit grösstem Eifer an dem Umbau der inneren Stadt, der durch die Neubauten zu einer fast unvermeidlichen Notwendigkeit geworden ist. — Das neue dringt immer mehr nach dem Centrum vor, und neben dem neuen kann sich das alte nicht mehr halten. — Daher finden wir, dass in Wien seit zwei Decennien mehr und glänzender gebaut wird als sonst in einer Stadt der Welt. — Am hervoragendsten unter all diesen Werken sind natürlich die öffentlichen Monumentalbauten: Museum für Kunst und Industrie, Gewerbeschule, Akademisches Gymnasium, Musikvereins • Gebäude, Künstlerhaus, Opernhaus, Akademie der bildenden Künste, kunstwissenschaftliches Museum, naturhistorisches Museum, Parlament, Justizpalast, Rathhaus, Burgtheater, Universität, Telegraphengebäude, Generalkommando, Votivkirche, Chemisches Laboratorium und Börse. Zu diesen Bauten kommen dann noch, ausser dem leider in Trümmer liegenden Ringtheater, der Chursalon im Stadtpark, verschiedene Schulhäuser, die Markthallen und eine unübersehbare Reihe von glanzvollen Privatpalästen, wie z. B. das adelige Kasino, einige erzherzogliche Palais, balaste von Eisenbahngesellschaften, mehrere grossartige Hotels und das städtische Pädagogium. — Alles dies giebt das glänzendste Zeugniss von der Bauthätigkeit Wiens, Als Schlusseffekt wird jetzt, wie wir wissen, die kaiserliche Burg umgebaut. Im Jahre 1873 wurden die Städte Pest, Ofen (ungarisch Bucht), Alt-Ofen (O. Buda) und Steinbruch (Köbänya) unter dem Namen „Budapest" zu einer Stadt vereinigt, die man in zehn Bezirke eintheilte. — Pest war von den Römern gegründet und hatte schon im frühen Mittelalter Bedeutung, verfiel aber während der Türkenkriege im 16. und 17. Jahrhundert gänzlich und gelangte erst wieder allmählich in den letzten 150 Jahren zu neuer Blüthe. Gegenwärtig ist Budapest neben Wien bekanntlich die wichtigste Stadt der österreichisch-ungarischen Monarchie und hat 359,821 Einw., darunter 70.000 Israeliten. — Auch hier entwickelte sich in den letzten Decennien eine ausserordentliche Bauthätigkeit, fast mit amerikanischer Geschwindigkeit vergrösserte sich die Stadt, eine Reihe grossartiger Bauwerke wurde geschaffen und umfassende Stadterweiterungsprojekte, wie die Ringstrasse sowie grosse Stromregulirungsarbeiten gehen ihrer Vollendung entgegen. -- Den Glanzpunkt der Stadt bildet aber die Donauseite, an welcher sich fast eine Stunde lang eine Reihe, zum Theil prächtiger neuer Gebäude hinzieht -— Diese erhöhte Bauthätigkeit in Budapest nahm ihren Anfang Ende der 60er Jahre. Ende 1869 befanden sich in Pest in runder Zahl 65.000 Zimmer 1870 „ „ „ ,, ,, 70.000 n 187I ,, „ Jj „ ,, „ 77.OOO 1872 „ ., „ „ ,, ,, ,, 83.OOO Die Bauten des Jahres 1872 vermehrten die Zahl der Zimmer 111116873, also um 8-9 üu, die des Jahres 1871 um 10"',,. Die Kosten eines neu bebauten Baugrundes betrugen im Jahr 1S72 durchschnittlich 40.631 Fl. in der ganzen Stadt und 56.333 Fl. auf den Intravillangründen\ jetzt baut man jedoch billiger. -Die Zahl sämmtlichcr bebauten Grundstücke (Gebäude) betrüg am [. Januar 1881 10.748 und die Häuserzahl von Pest im Jahre 1695 278, 1786 1919, 1870 5259, 1881 6438. In ganz Budapest betrug aber die Gebäudezahl 1821 22 6S29; 1828 31 8344; 1837 8572; 1855 8344; 1857 8444; 1870 9351; 1881 10.748; von diesen 10.748 Gebäuden sind 10.291 Wohngebäude. Die Wohnhäuser vertheilen sich in folgender Weise auf die Stadttheile diesseits und jenseits der Donau: Ofen 418I und Pest 6110. Man sieht aus dieser einen Angabe, dass das vier mal volkreichere Pest nur um die Hälfte mehr Wohnhäuser besitzt als Ofen! Die Verbindung zwischen Pest und Ofen vermittelt eine Kettenbrücke und eine Hisenbahnbrücke. Die Kettenbrücke, welche von den englischen Ingenieuren „Tiernay" und „Adam Clark" 1842—49 erbaut wurde, gehört zu den grössten Europa's. Ihre Spannketten ruhen auf 2 circa 50 Mtr. hohen Pfeilern, und die Länge der Brücken von einem Uferbau zum andern, nämlich da wo die Ueberbrückung anfängt, beträgt ungefähr 380 Meter, während die mittlere Oeffnung 190 Meter Weite hat. Die 13 Meter über dem mittleren Wasserstand schwebende Brückenfahrbahn ist 8 Meter, jeder der Fusswege jedoch 2 Meter breit; auf den Brückenköpfen erheben sich kolossale steinerne Löwen. — Die eiserne „Margarethenbrücke" am oberen Finde der Stadt bei der Margaretheninsel wurde 1872—76 von einer französischen Gesellschaft gebaut und bildet einen stumpfen Winkel mit drei Oeffnungen auf jeder Seite; die Fahrbahn befindet sich 18 Meter über dem Strom und ist 11 Meter, jeder der Fusswege hingegen 3 Meter breit. Ueber diese Brücke sind die Schienenstränge der Pest Ofener Pferdebahn gelegt. — Auch die neue ,,l\isenbahn-Ver-bindungsbrücke" am unteren Ende Budapests ward von einer französischen Kompagnie erbaut. Sie ist ein Gitterträger-System, das den Strom in 4 Oeffnungen mit einer Trägerhöhe von 10 .Mtr. überspannt. — Ausser den Geleisen sind auf der Brückendecke zwei Fusswege von je 1*5 Meter Breite angebracht. — „Ofen" war eine römische Colonie unter dem Namen „Aquincum", Hauptstadt der Provinz Unterpannonien und Standquartier der einzigen in dieser Provinz stehenden Legion, der „prima ad-jutrix." — Später, im Jahre 1541, eroberte Sultan Solimän Ofen, legte I2.0CO Janitscliaren hinein und machte es zum Sitz eines Veziers; als solcher blieb es beinahe 150 Jahre, bi* endlich 1686 die verbündeten Deutschen unter Karl von Lothringen und Ludwig von Baden die Türken wieder ver trieben. ..Prag", böhmisch ,.Praha'', die Hauptstadt Böhmens mit 162.318, einschliesslich der Vorstädte mit 251.452 Einwohnern, darunter circa 17.000 Israeliten, liegt zu beiden Seiten der Moldau in einem weiten Thalkessel, dessen Grund und Abhänge das imposante Häusermeer ausfüllt. Die Gründung der Stadt soll von Libussa, der ersten Herzogin Böhmens, angeblich im 8. Jahrhundert ausgegangen sein; seine spätere Bedeutung verdankt Prag Karl IV. — Aber auch diese Stadt hat im Laufe der Zeit manch* drangvolle Periode durchgemacht, denn im Hussitenkriege 1424, im dreissigjährigen Kriege 1631 und 1648, im österreichischen Erbfolgekriege 1741 und in den schlesischen Kriegen 1744 und 1757 wurde sie vom Feinde eingenommen. - Die prächtige Lage im Verein mit zahlreichen Palästen, Thürmen und mannigfachen geschichtlichen Erinnerungen verleihen Prag einen eigentümlichen Zauber. — Die Stadt, welche seit 1815 eine Zunahme der Bewohner um dass Doppelte aufweist, hat einen Umfang von 3 Stunden und zerfällt in 5 Theile: Die Altstadt, das Centrum der Stadt und des Verkehrs, die Josefstadt (bis 1860 Judenstadt), die Neustadt, ringsum die Altstadt am rechten Ufer der Moldau, die Kleinseite am linken Moldau-Ufer im Thal und an den Abhängen des Hradschin und Laurenzberges, und schliesslich der Hradschin auf der Höhe des linken Ufers, mit der königlichen Burg. — Im weiteren Umkreise liegen die Vorstädte Kar olinenthal Wyschehrad, Zizkow, Weinberge, Sinichow und Iloleschowitz-Bubna. Vom Josefplatz in der Nähe des Staatsbahnhofes laufen die Hauptstrassenzüge der Stadt aus. — Vor der Karlsbrücke erhebt sich ein grosser zusammenhängender Gcbäudecomplex, eine ganze Häuserinsel bildend, mit 2 Kirchen und 2 Kapellen, 3 Thoren und 4 Thürmen, aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, das „Collegium Cleinentium", ein Werk der Jesuiten, in welchem das Gymnasium, das erzbischöfliche Seminar, die an böhmischer Literatur überaus reiche, 170.000 Bände umfassende Universitäts-Bibliothek, die naturhistorischen Sammlungen, die Sternwarte, die Hörsäle der theologischen und philosophischen Facultät etc. untergebracht sind. Im I. Hofe dieser I läussermasse finden wir das Standbild eines Prager Studenten in der Tracht des 17. Jahrhunderts von Josef Max, 1864 errichtet zum Andenken an die Theilnahme der Studenten an der Vertheidigung der Stadt im Jahre 1648 gegen die Schweden. — Len nordwestlichen Winkel der Altstadt bis zum Rudolfsquai erfüllt die Judenstadt, seit 1850 Josefstadt genannt, die ehemals nur von Juden, jetzt jedoch zur Hälfte auch von Christen bewohnt ist, aber noch immer einen höchst eigenartigen Kindruck hervorruft. Hier in der Judenstadt mit ihren neun Synagogen befindet sich auch die „Altneuschule", eine seltsame, düstere Steinmasse, welche wahrscheinlich aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts stammt. Am Gewölbe hängt eine grosse Fahne, die sich durch die ganze Synagoge hinzieht und ein Geschenk Kaiser Ferdinands II. für die Tapferkeit der Juden bei der schwedischen Belagerung 1648 ist. Ganz nahe der Altneuschule, mitten in engen Gässchen, liegt der alte, seit 1780 nicht mehr benutzte „Judenkirchhof"; dicht gedrängt stehen hier, überwuchert von Buschwerk und Schlingpflanzen, Tausende .schwarzgrau bemooste, mit hebräischen Buchstaben bedeckte Leichensteine, zum Theil aus den ältesten Zeiten Prags. Manche haben das Zeichen des Stammes, dem der Verstorbene angehörte; so bedeutet z. B. eine Urne den Stamm Levi, zwei Hände das Geschlecht Aaron u. s. w. Die auf den Grabmälern aufgehäuften Steine wurden dort von Verwandten oder Freunden der Verstorbenen als Zeichen der Achtung niedergelegt. — Der grösste Platz Prags ist der 531 Meter lange und 150 Meter breite Karlsplatz mit hübschen Anlagen Orst"rreich«Ungnrn. I>4 und einem Denkmal des 1874 gestorbenen czechischen Dichters Viteslaw Halek. In der nordöstlichen Ecke erhebt sich das Neustädter Rathhaus, jetzt Strafgerichtsgebäude, welches 1806 so umgebaut wurde, dass von dem alten, 1370 begonnenen Bau nur noch ein Thurm übrig blieb. Hier begannen 1419 die Hussitenkriege, denn die wilde Menge unter Ziska stürmte das Rathhaus, befreite die gefangenen Hussiten und warf die Rathsherren zum Fenster hinaus. — Die Südspitze Prags bilden die aus wenigen Steinhaufen bestehenden Ueberreste der sagenhaften Burg Libussa's, und das jetzige Bergstädtchen Wysche-hrad, dessen nach 1848 erneuerte Festungswerke die Höhe des Berges krönen. — Die nordöstliche Vorstadt von Prag, das Karolinenthal, welches der grosse Viadukt der böhmisch-sächsischen Eisenbahn durchschneidet, ist mit ihren 17.250 Einwohnern Sitz zahlreicher Fabriken. „Triest", die Tergeste der Römer, der Hauptseehafen Oesterreichs, am nordöstlichen Ende des Adriatischen Meeres, 1719 unter Kaiser Karl VI. zum Freihafen erklärt, hat 72.005, mit den Vorstädten 133.383 Einwohner, die den verschiedensten Nationalitäten angehören, doch herrscht in der Stadt das italienische Element vor, nur ein Sechstel sind Slaven und 4800 Deutsche. Der Hauptsitz des Verkehrs ist der Hafen. Nördlich vom Hotel de la Ville mündet der 1756 vollendete, stets mit aus- und einladenden Schiffen aller Herren Länder dicht gefüllte, 333 Meter lange und 15 Meter tiefe, in die Neu oder Theresienstadt einschneidende „Canal Grande", — Wenige Schritte vom Hafen, unweit des an Stelle- eines altrömischen Hafendammes 175t begonnenen Molo St. Carlo erhebt sich an einem freien Platz, gegenüber dem Theatro comunale, das mit zahlreichen Läden, Agenturen ein ganzes Strassenviertel einnehmende „Tergesteum*' mit der Börse und den Bureaux des Oesterreichisch-Ungarischen Lloyd. In der Nähe des Terges-teums liegen die beiden verkehrreichsten Plätze der Stach;, die „Piazza della Borsa" mit der alten Börse, und die „Piazza Grande", auf dem sich unter anderen anselmlichen Neubauten auch das neue Rathhaus mit prächtigem Randtagssaal belin det. — Zu den grossartigen Werften des Lloyd führt an der Ost* seite der Stadt eine i Stunde lange Allee, immer am Ufer entlang, an der Villa Murat vorbei. Die Hauptstadt Galiziens, „Lemberg", das polnische Lrdw, ist klein, hat aber 109.746 Kinwohner, unter ihnen über 20.000 Israeliten ; die schönsten Häuser stehen in den 4 Vorstädten, während die innere Stadt sehr unansehnlich aussieht. „Graz", die Kapitale der Steiermark, malerisch an beiden Ufern der Mur gelegen, über welche zwei Holz- und zwei Kettenbrücken führen, gehört zu den angenehmsten österreichischen Provinzial-Ilauptstädten, und wird besonders auch wegen seiner gesunden Lage von pensionirten Reamten und Offizieren, deren hier allein über 60 Generäle leben, mit Vorliebe zum Wohnsitz gewählt. Manche schöne Strassen, Stadttheile und Anlagen sind in Graz in den letzten 20 Jahren erstanden, so z. Ii. an Stelle der ehemaligen Pestungswerke die schöne Ringstrasse mit einer Schillerbüste von Gasser, und der reizende, nach englischer Manier angelegte Stadtpark. -- Die schon im 15. Jahrhundert zum Schutz gegen die Türken angelegten Befestigungen des die Stadt überragenden Schlossberges sprengten am 23. Juli 1809 die Franzosen, nachdem 4 Wochen vorher der kaiserliche Major Hacker mit 500 Mann Besatzung und 26 Geschützen die Werke mit Erfolg auf das helden-müthigste gegen 3000 Franzosen unter Macdonald vertheidigt hatte. Auf dem oberen Plateau dieses Schlossbergs ragt der Glockenthurm empor, von dem man eine ausserordentlich malerische Aussicht auf den Lauf der Mur und den bevölkerten, von schöngeformten Bergen umgebenen Thalkessel geniesst. „Brünn", slavisch „Brn", Bollwerk, oder „Brno", Fähre, die Hauptstadt Mährens, mit 79.219 Einw., liegt am Baisse des Spielberges, zwischen den Flüssen Schwarzawa und Zwittawa, in schöner fruchtbarer Gegend. Angeblich seil die Stadt, 64* welche sich besonders seit der 1850 eingeführten Selbstverwaltung sehr gehoben bat, im Jahre 800 vom mährischen Herzog Bryno gegründet worden sein. Gegenwärtig ist sie eine der bedeutendsten österreichischen Fabrikstädte. — Da man hier 1860 die Festungswerke schleifte, so wurde es möglich, ilie winkelig gebaute innere Stadt mit hübschen Anlagen zu umgeben, um welche sich dann ansehnliche Vorstädte anbauen konnten. — Der Spielberg ist ein 258 Meter hoher Bergkegel, von seiner Kuppe blickt, an vergangene Zeiten mahnend, die gleichnamige Citadellc, in den Jahren 1740 1855 eine der gefürchtetsten und schwersten Staatsgefängnisse Oesterreichs, hernieder. Hier starb auch nach langer Haft der bekannte Panduren-Oberst „Trenck". Die Gefängnisse befanden sich in mehreren über einander liegenden, unter der Citadelle in den Felsen gebohrten finsteren Gallerien und werden jetzt noch gezeigt. Die furchtbarsten Kerker aber, in denen die Häftlinge bis zur Brust eingemauert wurden, die sogenannten „Josefinischen", weil sie Kaiser Josef, nachdem er selbst darin versuchsweise eine Stunde zugebracht hatte, aufhob, sind jetzt für die Besucher geschlossen. Die bedeutende ungarische Handelsstadt „Szegedin" mit 73.675 Einwohner, am Zusammenflüsse der Maros und Theiss, wurde leider durch die furchtbare Ueberschwemmung im März 1879, bei der 2000 Menschen ihr Leben Hessen, grosstentheils zerstört. Seitdem ist sie wieder schöner als früher aus den Trümmerhaufen erstanden. Kine, von einem .alten türkischen Kastell, den letzten Ueberresten der früheren Befestigungen, dominirte Schiffsbrücke über die Theiss, auf der lebhafter Schiff-verkehr herrscht, verbindet die Stadt mit Neu - Szegedin am linken Flussufcr. Das uralte „Krakau", die einstige Krönungsstadt Polens, mit 66.095 Einwohner, darunter 180OO Israeliten, erhebt sich iti weiter Ebene am Zusammenfluss der Rudawa mit der Weichsel. Gegenwärtig ist sie durch Aussen werke sehr stark befestigt und gehört, wie schon früher hervorgehoben, mit zu den wichtigsten Festungen Oesterreich-Ungarns. Krakau macht mit seinen 36 Kirchen und zahlreichen Thürmen, dem hohen Schloss und der Häusermasse „äusserlich" einen prachtvollen Eindruck. Zwischen der Stadt und den Vorstädten schlängeln sich baumbepflanzte Spaziergänge, lnteressnnt ist im Innern der Stadt, auf dem Markt, das im 15. Jahrhundert erbaute, 160 Schritt lange „Tuchhaus", polnisch Sukiennice, welches neuerdings glänzend restaurirt wurde; ferner das nahe dem Bahnhof, mitten in Anlagen gelegene Florianerthor, ein wunderliches Bauwerk, fast der einzige Ueberrest der ehemaligen Befestigungen. — Rings im Umkreise Krakaus dehnen sich die Vorstädte aus, darunter Kazimierz, das Judenviertel. Südöstlich führt von hier die neue Eranz-Josefs-Bi iicke über die Weichsel nach Podgorze; links davon erhebt sich der kegelförmige „Krakusberg", der Faust- (Twardowski) oder Blocksberg, der von Menschenhänden zusammengetragene Grabhügel des alten Krakus, welcher, wie die Sage berichtet, den Drachen erschlug und der Gründer von Krakau wurde, baue Stunde nördlich, auf einer Anhöhe, liegt der „Kosciuszkoberg", das ist ein circa 90 Meter hoher Erdwall in Form eines Schneckenberges, der 1824 zu Ehren Kosciuszko's unter thätiger Mitwirkung der ge-sammten Bevölkerung aufgeführt wurde. Von hier aus hat man eine schöne Aussicht auf das thurmreiche Krakau und Podgorze und über die südlich sich ausbreitenden Karpathen, welche eben so selten vom Schnee frei sind, wie die Beskidcn, aus denen der Babiagura am meisten hervortritt; ferner auf die Weichsel, die man in weiter Ausdehnung zti verfolgen vermag. „Pressburg", ungarisch Pozsöny, mit 48.01)6 Einwohnern, darunter 4600 Israeliten, die frühere Haupt- und Krönungsstadt der ungarischen Könige, breitet sich in reizender Lage an den Ausläufern der kleinen Karpathen aus. Es besteht aus der inneren Stadt, Altstadt genannt, die früher Mauern umringten, welche aber 177H abgetragen und in Promenaden umgewandelt wurden; aus der Ferdinandstadt und Neustadt; und schliesslich aus der Theresien- und Franz-Jösefstädt an der Donau. — Eitle Zierde des Bathyanyi-Platzes bildet das „Primatialgebände", der Winterpälast des Fürst-PrimaS von Ungarn. Im 1753 erbauten „Landhaus" wurden vom Jahre 1S02 bis 1840 die ReichstagssitZungen abgebalten, jetzt hat hier der königliche Gerichtshof seinen Sitz aufgeschlagen. — Durch ein imposantes Quadersteinthor gelangt man auf das von einer Ringmauer umgebene, 83 Meter Uber der Donau sich erhebende Plateau des Schlossberges, wo die ansehnlichen Trümmer der im Jahre durch Feuer zerstörten Königs- burg an den einst hier herrschenden Glanz erinnern. Von der Terasse oder dem westlichen Thurm des Schlossberges kann man sich eines prächtigen Blicks über die weinreichen Abhänge der kleinen Karpathen, über die Stadt und die weithin sichtbare, vielfach gewundene Donau erfreuen. Einen ganz andersgearteten Eindruck als alle österreichischungarischen Städte macht natürlich „Se raje wo", die Hauptstadt Bosniens, denn es ist der Orient, den man dort betritt. — Gegenwärtig zählt Serajewo 21.377 Einwohner, darunter 15.000 Mohamedaner und 1000 Juden; es liegt in einem engen, von der Miljacka durchflossenen Thale, am Fuss und Abhang einer bis zu i6co Meter aufsteigenden Höhe. — Die 70 Mina-rets und kleinen, mit Gärten umgebenen Häuser verleihen Serajewo einen sehr malerischen Anblick. — Sieben Brücken überschreiten den dicht oberhalb der Stadt in einer tiefen Schlucht das Gebirge durchbrechenden Fluss und verbinden beide Stadttheile, deren Flussufer vorherrschend die eingewanderte Bevölkerung bewohnen, während die Türken und Serben mehr am Abhang der Berge ihre Wohnsitze aufgeschlagen haben. Das sogenannte Zigeunerviertel, „Hisseta", am Eingang der -Stadt vom Bahnhof aus, wird zwar nicht von Zigeunern, wohl aber von den untersten Volksklassen bewohnt. Der ,,Bazar", aus einem Gewirr von Gassen bestehend, die Holzbuden mit dahinter liegenden steinernen Magazinen umsäumen, auf dem sich, besonders an Markttagen, wenn die Bewohner der weiteren Umgegend herbeiströmen, viel Volk zusammendrängt, bildet das Centrum der Stadt. Mitten im Bazar steht ein kleines Häuschen, wo auf Kosten des „Wakuf' Kaffee an Arme vertheilt wird, und im westlichen Theile erhebt sich die ,,Bego\ a-Mi ischee", die im 16. Jahrhundert erbaute Hauptmoschee der Stadt. Dieser Begova-Moschee gegenüber finden wir die Softa-Schule, eine Art Seminar für die zahlreiche Klasse der kleinen mohamedanischen Geistlichen. — Der k. k. Statthalter und Korpskommandant hat seinen Sitz in dem am linken Ufer der Miljacka gelegenen „Konak". Leber die Organisation der Kommunalverwaltung haben wir schon in einem früheren Abschnitt erzählt. Der Sitz der städtischen Verwaltung befindet sich in den Hauptstädten Oesterreich-Ungarns meistens in stattlichen monumentalen Bauten. Das neue „Wiener Rathhaus" ist ein im Jahre 1883 beendetes Meisterwerk des Dombaumeisters Schmidt. Ursprünglich hatte der Gemeinderath für die Krbauungskosten 11.800.000 Fl. bewilligt, dazu kam aber dann später noch eine Nachtragsforderung von über 2 Millionen FL, so dass das ganze Gebäude ca. 14.100.000 Fl. kostet, freilich eingerechnet der Ausgaben für die innere Einrichtung, die malerische und plastische Ausschmückung und die elektrische Beleuchtung. — Das im gothischen Style aufgeführte Gebäude hat einen grossen, mit Arkaden umgebenen Flof und 6 kleinere Höfe. Den Mittelbau krönt ein mächtiger Thurm, der von beiden Seiten mit je zwei bewimpelten schlanken Thürmchen geziert ist. Unter dem Rathhause liegt ein grossartig angelegter Keller. Die beiden Treppenhäuser schmücken Säulen von Untersberger Marmor und vergoldetes Gitterwerk. — Der grösste und prächtig ausgestattete Kaum ist die zwei Stockwerke einnehmende, am Plafond mit Gemälden von Makart gezierte „Festhalle" mit Gallerien, anstossendem Büffet, Garderobe u. a. Räumen; sie ist so gross, dass darin beinahe eine Reiterschlacht geschlagen werden kann. — Der plastische Schmuck des Rathhauses ist echt deutsch. Alle erdenklichen bürgerlichen Gewerbe sind durch charakteristische Statuen vertreten, da finden wir nichts allegorisirt, nichts idealisirt. Der Schuster ist ein wirklicher Schuster und der Maschinenbauer ein wirklicher Maschinenbauer. Mit einem Worte, das Rathhaus mit seinem zu ungewöhnlicher Höhe schlank emporsteigenden Thurm übt auf den Beschauer einen mächtigen Eindruck aus, einen ungleich imposanteren, als die beiden monumentalen Bauten, welche dasselbe flankiren. Das neue „Budapester Rathhaus", dessen Inneres ein schönes Treppenhaus und ein grosser Marmorsaal schmückt, wurde von „Steindl" im Frührenaissancestil erbaut. — Das ,,Prager Rathhaus" ward 1838—58 im gothischen Stil an der Stelle des theilweise niedergerissenen alten Rathhauses, von dem nur noch die Kapelle, der grosse Thurm aus dem Jahre 1474, mit merkwürdigem Uhrwerk, die Südseite mit schönem Portal und die alte Rathsstube besteht, aufgeführt. Die Standbilder am zweiten Stockwerke, von Josef Max, stellen 6 um Prag besonders verdiente Landesherren dar; der Sitzungssaal ist mit Fresken geschmückt. — Das 1828—37 erbaute „Lemberger Rathhaus" hat einen 80 Meter hohen Thurm. — Das „Grazer Rathhaus" datirt aus dem Jahre 1807. - Das 1511 errichtete „Brünner Rathhaus" wurde fast ganz modernisirt, nur das reiche spätgothische Portal, angeblich von Meister „Pilgram", ist noch erhalten.— Das „Rathhaus der Stadt Pressburg" ward schon 1288 begonnen, später aber mehrfach umgebaut und sein gothisches Portal 1857 restaurirt. In den grossen Städten Oesterreich - Ungarns, besonders aber Cisleithaniens, ist das „Einfamilienhaus" fast gänzlich verschwunden und die „Miethkaserne" an dessen Stelle getreten. welche in Wien, Pest, Prag und anderen Städten vielfach zum „Palast - Miethhause" gemacht wurde. — Man wohnt im allgemeinen in den Städten Oesterreich-Ungarns recht gut, jedoch, besonders in Folge der ausserordentlich hohen Staats- und Kommunalsteuern, sowie anderer Ursachen verhältnissmässig sehr theuer. Diese zum Theil kaum erschwingbaren Kommunallasten, denn z. B. in Wien entfällt auf den Kopf allein eine »jKonsumsteuer von 14 Fl.", entspringen natürlich zumeist den ungünstigen wirthschaftlichen Verhältnissen der Städte. So befindet sich die Hauptstadt Wien in einer der-massen bedrängten Finanzlage, dass die Gemeindevertretung die Hülfe des Staates in Anspruch nehmen muss. Bei den Berathungen der Finanzkommission des Gemeinderaths kam neuerdings wieder die allgemeine Finanzlage zur'Sprache, und es wurde anerkannt, dass unter den gegen wältigen wirthschaftlichen Verhältnissen die Bevölkerung nicht steuerkräftig genug sei, um eine Erhöhung der Umlagen, wie sie zur Deckung der Bedürfnisse erforderlich wäre und von der städtischen Buchhaltung als nothwendig berechnet wurde, ertragen zu können. Eine bedeutende Steuererhöhung könne nicht eintreten, und zwar mit besonderer Rücksicht auf die missliche wirtschaftliche Rage des Mittelstandes, und die Kommune stehe deshalb vor der Alternative, entweder eine vollständige Sistirung in der Entwicklung der Stadt eintreten zu lassen und sich auf die unbedingt nothwendigen, aus dem jetzigen Budget zu bestreitenden Auslagen zu beschränken oder an die Unterstützung des Staates zu appelliren, der in dieser Krisis der Stadt Wien durch ausserordentliche Massregeln die Mittel zu gewähren hätte, durch welche sie den immer grösser werdenden Anforderungen zu genügen im Stande wäre. — Unter den Wiener „Gemeinde - Anleihen" ist die den Namen „Kommunal - Loose" führende Prämienanleihe vom Jahre 1874 die bekannteste. Diese bestand ursprünglich aus 300.000 Loosen zum Nominale von ä 100 Fl. Von diesen sind nunmehr bereits 45.600 Stück verloost, so dass ein Rest von 254.400 Loosen noch ungetilgt erscheint!; die Anleihe läuft im Jahre 1924 ab. Aus demselben Jahre datirt das auch an der Berliner Börse notirte fünfprocentige Wiener Communal - Gold - Anlehen, es wurde im Betrage von zehn Millionen Gulden aufgenommen und ward in Obligationen ä 200 Fl. Nominale eingetheilt. Der zur Zeit noch zu amortisirende Anlehensbetrag beläuft sich auf 9,036.000 Fl.; der Tilgungstermin endet mit dem Jahre 1914. 1 )ann giebt es noch eine dritte, die letzte bestehende Communal-anleihe, nämlich die älteste fünfprocentige vom Jahre 1867, der Anlehensbetrag war 25 Millionen Gulden. Diese Anleihe läuft noch bis zum Jahre 1912, nachdem ein Betrag von 21,846.000 Fl. noch nicht amortisirt erscheint und die Verloosungen nur zweimal im Jahre stattfinden. — „Budapest" hat ausser der „Stadl Ofener Anleihe" vom Jahre 1859 im Betrage von 2 Mill.*Fl. noch 4 Anlehen der königl. Stadt Best u. z. ein älteres Anlehen im Betrage von 2 Millionen Fl. (wovon am 16. Juni [883 bereits die 31. Verloosung stattgefunden hat), ein Anlehen von 3 Millionen Fl. vom Jahre 1875 (28. Verloosung am 1. Juli 1884), eins von 5 Millionen Fl. vom Jahre 1871 (27. Verloosung am i. Juli 1884; und ein Anlehen im Betrage von 6 Millionen Fl. vom Jahre 1880, welches letztere zum Theil zur Rückzahlung der Anlehen vom Jahre 1871 und 1875 dienen sollte. Betrachten wir die „Behausungsziffer", d. i. die durchschnittlich auf je ein Gebäude entfallende Bewohnerzahl, so finden wir, dass z. B. in Budapest auf je ein Gebäude im Durchschnitt circa 33 Personen kommen, während im Jahre 1870 nur beiläufig 30 entfielen, dass also diese Ziffer bedeutend zugenommen hat. Da man in London durchschnittlich als ungefähre Bevölkerungsgrenze des F'amilienhauses 8 Einwohner rechnet, so ist dies ein Beweis, dass auch in Budapest an Stelle des Einfamilienhauses immer mehr die Miethkasernen getreten sind. — Eine internationale Vergleichung über die Behausungsziffer verschiedener Grossstädte ergeben folgendes: Städte mit einer Behausungsziffer von 6~io Bremen . . . . 1862 6-6 Maria-Theresi« >p< il . 1870 6-5 London . . . . 1861 8 Klausenburg . . . 1870 7 Amsterdam . . . 1859 9 Szegedin . , . . 1870 7 Kecskemet . ( . . 1870 6 Arad .... . 1870 8 Debrezin . . . . 1870 9 Städte mit einer Behausungsziffer von 10—20. Riga .... 1866 F 1*5 1 lanover . . 1S67 16 Rom .... . 1S53 12 Florenz . . . 1862 17 Cöln .... 1867 13 Danzig . 1867 18 Aachen . . , . 1867 15 Temesvar 1870 13-5 Frankfurt a/M. . . 1867 16 Städte mit einer Behausungsziffer von 20—40. Königsberg . . 1867 25 Budapest . . . 1872 33-09 Krakau • '«57 27 Baris . . . . 1857 35 Breslau . . . 1867 27 Leipzig .... i° sehr erhöhte, hat sehr stark abgenommen, freilich zum grossen Theil auch deshalb, weil die wirthschaftlichen Verhältnisse unbedingt dazu zwingen. Fast alle Städte Oesterreich-Ungarns haben jetzt ausser „Fiaker", Droschken — von denen die Wiener in Bezug auf schnelles, geschicktes Fahren und elegante Ausstattung wohl zu den besten der Welt gehören, — und Omnibusse, auch Pferdebahnen, jedoch fehlte es bisher an „Stadtbahnen" und erst vor kurzer Zeit ertheilte die Regierung einem Con-sortium die Concession zur Erbauung einer Stadtbahn in Wien mit einem Aktienkapital von 40 Millionen Gulden, da der Mangel eines Schnellverkehrsnetzes grossartigen Styles sich immer fühlbarer machte. Schluss-Betraohtungen. Wenn man die gegenwärtigen inneren Verhältnisse Oesterreich-Ungarns in ihrer Gesammtheit betrachtet, so findet man . dass sich wohl nirgends in erhöhterem Grade der Spruch „Alte Sünden rächen sich" bewahrheitet, als in diesem Reiche, denn die ganze innere politische Zerfahrenheit, die furchtbare Schuldenlast, die hohe Valuta, die vielfach traurig wirthschaftliche Lage der Bevölkerung, und die gegenwärtig wieder auf das ganze gewerbliche Leben schwer drückende Krise, an denen Oesterreich-Ungarn krankt, sind die Folgen aller begonnenen Missgriffe von Kaiser Ferdinand I. Zeiten bis zum 7. F'ebr. 1867, dem Beginn einer neuen Aera. —• Der in früheren Jahren so gründlich verfahrene Staatswagen lässt sich, trotzdem die verschiedensten Politiker seit den 67er Jahren Hand angelegt hatten, nicht in eine vollständig glatte, gerade Fahrbahn bringen, auf dem er zum Heile der Bevölkerung ruhig fortrollt, sondern er wurde durch die verschiedensten Experimente sogar theilweise noch tiefer verfahren und ächzte manch mal recht bedenklich in allen Fugen — Die frühere unglückliche systemlose Politik, verbunden mit Misswirthschaft, syste- Schluas-Betrachtungen, 1021» matische Verdummung der breiten Volksmassen, gegenseitige Verhetzung der verschiedenen Nationalitäten hatten nur zu bittere Früchte getragen und an ihnen siecht jetzt das Land in allen seinen Gliedern. Glücklicherweise ist OesterreicluUngarn von der Natur sehr gesegnet, hat eine äusserst günstige geographische Lage, die breiten Volksmassen sind nicht nur körperlich kräftig, sondern auch höchst kulturfähig, und der Mittelstand sowie der Adel besitzen einen Ueberschuss an Intelligenz und Genialität, der sich auf allen Gebieten des Wissens und Könnens bemerkbar macht und in vieler Beziehung bahnbrechend für die Menschheit wirkt. — Bei angestrengter Thätigkeit der Bevölkerung und richtigen systematischen Massnahmen der Regierung liesse sich daher das Reich mit den Jahren auf einen hohen Kulturstandpunkt bringen. Aber das Hemniss alles und jeden ist der nie enden wollende Nationalitäten-Hader! — Wie viel kostbare Zeit haben die Parlamente, die dem Steuerzahler alljährlich beträchtliche Summen kosten, mit diesem Thema verschwendet. Wenn die Kammerstenographen seit dem Jahre 1867 bei der Niederschreibung der verschiedenen Parlaments - Verhandlungen auch jedesmal Stunde und Minute, genau notirt hätten, sowie über dieses unglückselige Thema in den Parlamenten und Landttagen debattirt wurde, so würde man gewiss staunen, wie wenig Zeit für die Besprechung der wirthschaftlichen und kulturellen Hebung des Reiches übrig blieb. Es ist natürlich sehr bequem, erfordert wenig praktisches, wirtschaftlich producirendes Können und auch keine hervorragenden Geistesgaben, das „nationale Steckenpferd" zu reiten, man erwirbt die Rittersporen sehr billig und die breiten Volksmassen sind leider noch immer bl ind genug, sich von derartigen Theorien dupiren zu lassen, sehen nicht ein, dass all' diese Schreier nach nationalsprachigen Schulen, Richtern, Beamten, Gesetzen und wie ihr ganzes Rüstzeug lautet, durch das sie nur zu fetten staatlichen Pfründen kommen wollen, sich um ihr wirthschaftliches Wohl wenigkümmern und es ihnen nie einfällt, für gründliche Besserung der traurigen Lage eines grossen Theils der Agrararbeiter oder für andere, den unteren Volksschichten besonders wichtige Interessen einzutreten. — Wenn alle jene Männer, die so leidenschaftlich den Nationalitätenhader schüren, gross denken und die gegenwärtig vollkommen geänderten wirth-schaftlichen Verhältnisse richtig erfassen würden, so müssten sie doch zur Ucbcrzeugung gelangen, dass sie sich auf vollkommen falschen Bahnen bewegen und an dem gänzlichen Ruin ihres Vaterlandes arbeiten! Unsere gegenwärtige Zeit und noch vielmehr die Zukunft verlangt grosse, in sich fest geschlossene Staaten, weil sie sonst der Wucht des gleich einem brausenden Meer hin und her wogenden wirthschaftlichen und politischen Weltlebens nicht zu widerstehen vermögen und zerfallen. Und wir sehen genau in den Vereinigten Staaten, dem Zukunftsbild Europas, dass man gerade dasjenige, aui was man in Oesterreich-Ungarn am meisten hin arbeitet: den Sprachenunterschied und die Bildung geographischer Gruppen auf das peinlichste vermeidet! Denn eine gemeinsame Landessprache und das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit Aller, der „Staatsgedanke", sind das Bindemittel, welches dieses aus so vielen ungleichen Elementen bestehende Reich wie mit gewaltigen stählernen Klammern zusammen hält und alle neu aufgenommenen Elemente in das riesige Gemeinwesen zum Staunenswerthen wirthschaftlichen Erfolge in ein kolossales, kompaktes, homogenes Ganze zusammen schmilzt. Und diese gemeinsame Sprache, dieses auf grosse Räume ausgedehnte, von allem winzigen Kleinstädtischen freie Denken, diese weltmännische Anschauung der Zusammengehörigkeit und Brüderlichkeit aller Nationen wird auch schliesslich in der Zukunft der Welt das Bindemittel der Menschheit sein. Schluss-Betfachtungen. ln:U Man nuiss unwillkürlich bedauernd den Kopf schütteln, wenn man in Mitte des Getöses und Drängens unserer Weltwirtschaft, der Jagdzüge von Paris nach Konstantinopel, der Steamer, die in wenig Wochen uns mit dem fernsten Winkel des Erdballs verbinden, der unterseeischen Kabel, welche den elektrischen Funken in einer Sekunde zu unsern Gegenfüsslern befördern, und des dumpfen Gestöhns der Riesenpumpen des Panamakanals — in Oesterreich-Ungarn das Schmerzens-geschrei der Czechen, Südslaven u. s. w. nach Vertilgung der Weltsprachen in ihren Schulen, nach kleinstaatlicher Selbständigkeit hört, und mit wahrem Ekel wirft man die Tagesblätter zur Seite, die immer und immer die Spalten diesem winzigen total unpolitischen Gezanke öffnen. — Wenn czechisch, südlavisch, magyarisch, polnisch, rumänisch u. s. w. wirklich Weltsprachen wären, die von Millionen Menschen gesprochen würden, und eine derartige Konstruktion hätten wie das Englisch, welches alle Eigenschaft besitzt, im grossen Weltleben als praktisches Verkehrsmittel der Völker zu dienen, oder wenn alle slavischen Völker wenigstens eine gemeinschaftliche Sprache hätten, so würden wir ihre nationalen Sprachenbestrebungen anerkennen! — Aber sie sind es nicht, und wir sehen täglich in Amerika, dass der Czeche, Pole, Magyare etc., so wie er dort landet, im nächsten Moment sich alle Mühe giebt, das „Englisch" zu erlernen, weil er sonst verhungert. Ja innerhalb des kolossalen dortigen Getriebes wirft er seinen ganzen Racen-dünkel und Hass gegen andere Nationalitäten über Bord und amalgamirt sich den Verhältnissen. — Nur in Oesterreich-Ungarn, wo die Bevölkerung im grossen Ganzen noch nicht angestrengt arbeitet und die wirtschaftliche Thätigkeit noch lange nicht in so hohem Grade angespannt ist, wie in den Vereinigten Staaten, haben die Leute noch Zeit, sich mit dem Nationalitätenhader zu beschäftigen! Indem wir eine „gemeinsame Verkehrssprache'- als unbedingte Notwendigkeit für jeden modernen Kulturstaat bezeichnen, wollen wir jedoch keineswegs für das „Deutsch" als Staatssprache in Oesterreich-Ungarn Propaganda machen, im Gegentheil, denn die Objektivität gebietet uns, jede Parteinahme auf das Peinlichste zu vermeiden. Wir wollen auch keineswegs eine Kntnationalisirung des einen oder anderen Volksst ammes, sondern jede Nationalität spreche und pflege in Oesterreich-Ungarn seine Sprache, behalte seine Eigentümlichkeiten und Sitten bei, ganz wie es ihr beliebt. Aber im Gesammtreiche rede und pflege man auch eine Weltsprache! — Dies ist nicht nur für die Bewohner im wirtschaftlichen Weltverkehr eine unbedingte Nothwendigkeit, sondern wird auch das beste Bindemittel in der Gesammtmonarchie sein, und Hand in Hand mit den wirtschaftlichen Erfolgen des Reiches dazu beitragen, den zum grossen Unglück leider so gänzlich fehlenden „Staatsgedanken", den Stolz auf das schöne Heimathsreich, das selbstbewuste „Civis Romanus sum!" der echten Römer und das „J am an Englishman!" der Vollblutbriten, zu erwecken, ohne das keine wirthschaft-liche Blüthe, keine glückverheissende Zukunft für Oesterreich-Ungarn sich entwickeln kann! Das Staatsgrundgesetz sagt: Alle Nationalitäten haben gleiche Rechte! Wenn man also dieses Gesetz aufstellt, so muss man es auch halten, weder die Czechen, Polen, Magyaren und Südslaven protegiren, noch die Deutschen, Ruthenen oder Welschtiroler unterdrücken. Ist es dem ausserordentlichen klugen Einfluss der Engländer gelungen, dass in Indien 21/.» hundert Millionen Menschen ohne Nationalitätenhader friedlich neben einander leben, so sollte es füglich doch auch das kleine Häufchen von 39 Millionen in Oesterreich - Ungarn können. — Aber um diesen Frieden endlich zu schaffen, muss die Regierung in erster Beziehung mit gutem Beispiel vorangehen, alle Uebergriffe, jede Missachtung mit Strenge und Energie bestrafen, und sich nicht solche Inkonsequenzen zu Schulden kommen lassen, wie sie es in Böhmen und in anderen Provinzen in neuester Zeit wieder gethan hat. Müssten die Herren Magyaren, die mit so bewundernswerther Zähigkeit und Energie ihre eigene Nationalität vertreten, auch berücksichtigen, dass, selbst wenn es ihnen einmal gelingen sollte, ganz Transleithanien zwangsweise vollkommen zu magya-risiren, was wohl nie der Fall sein dürfte, sie noch immer keine Weltnation sein werden, ihre Sprache noch immer keine Weltsprache sein wird, sie daher gerechter auch gegen andere dort lebende Volksstämme denken und handeln sollten! Da das Deutsch den nicht deutschen Nationalitäten in Oesterreich-Ungarn als allgemeine Verkehrssprache im höchsten Grade unsympathisch ist, so sollte Oesterreich - Ungarn, welches doch schon in so manchen anderen Dingen den übrigen Völkern der Welt bahnbrechend voranging, damit beginnen, innerhalb seiner Grenzpfähle zuerst die „neue Weltsprache", d. h. ein noch praktischer gestaltetes Englisch einzuführen und in allen seinen Schulen lehren zu lassen. Damit wäre der ganze gordische Knoten der im höchsten Grade verwickelten inneren Verhältnisse der Monarchie mit einem Hiebe durchschnitten. — Andererseits ist es in Oesterreich-Ungarn unbedingt nothwendig, dass sich die einzelnen Volksstämme und die beiden Reichshälften in allen wirth-schaftlichen und gesetzgebenden FVagen in jeder Beziehung bereitwilligst zum Wohle des Ganzen entgegenkommen, dass das Gefühl gegenseitiger Anerkennung und Achtung der Rechte und Eigenthümlichkeiten zur Geltung komme, dass man anstatt die Kluft unter einander immer mehr zu vergrössern, sie nach allen Richtungen mit vernünftigen Kompensationen zu überbrücken trachte und die wirthschaftlichen Interessen, sowie der Staatsgedanken alles andere dominiren. Oesterreich - Ungarn bedarf zu seinem inneren Gedeihen, mehr wie die meisten anderen Staaten Frieden, sein Ueber-schuss an Intelligenz und Genialität ein gewaltiges Arbeitsgebiet, und als ausgesprochener Agrarstaat muss ihm der Zollkrieg, den die europäischen Mächte unter einander fuhren, für die Dauer wirthschaftlich höchst verderblich werden. Daher würde dieses Reich wohl mit am meisten unter allen europäischen Staaten seinen Vortheil und die Sicherung seines Bestandes in der Verbrüderung der Nationen, in der Bildung des >,alten Weltreichs" finden, denn je mehr sich die Völker einander nähern, je mehr der Nationalitätenhader, die Eifersucht schwindet und sie sich zu einer kolossalen Union vereinen, um so mehr werden die centrifugalen Schwingungen der verschiedenen Nationalitäten Oesterreich-Ungarns nach den grossen auswärtigen Polen aufhören, wird ihr Hader ein Ende nehmen und der Bestand der Habsburgischen Monarchie gesichert sein! Beilagen, Historische Rückblicke Indem wir die allmählige Entwicklungsgeschichte des öster- »s**-reichisch - ungarischen Staates bis zu „Kaiser Ferdinand I.'S der nach der Schlacht bei Mohacs 1526 durch seine Vermählung mit Anna, der Schwester des in dieser Schlacht gefallenen ungarischen Königs Ludwig IL, die Königreiche Ungarn und Böhmen, nebst den zu Böhmen gehörenden Ländern Mähren Schlesien und Lausitz erworben hatte, übergehen, heben wir nur noch hervor, dass Niederösterreich den Grundstein der österreichischen Monarchie bildete, denn hier ent. stand im Zeitalter Karls des Grossen das Markgrafenthum Oesterreich. — Mit dem späteren Eintritt der Habsburgischen Dynastie wurde erst das nachmalige .Grosse Oesterreich" begründet. Unter Ferdinand I. Nachfolgers, „Maximilian IL', tole- 1564~IS7fl-ranter Regierung machte die protestantische Lehre in allen österreichischen Ländern grosse Fortschritte. „Rudolf II." überliess seinen Ministern die Regierung. t^&~l6"-Während seiner Regentschaft begann in Oesterreich die Reaktion gegen den Protestantismus, „Mathias" erlebte nur noch den Ausbruch des dreissig- l6l2-tf,i9-jährigen Krieges. 619-1637, „Ferdinand IL", ein eifriger Gönner der Jesuiten, hatte schon als Erzherzog die protestantischen Länder Steiermark, Kärnten und Krain gewaltsam katholisirt, daher weigerten sich die Böhmen, ihn als König anzuerkennen, ja die böhmischen Stände wählten sogar das Haupt der evangelischen Union, Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, zu ihrem Könige; und in den österreichischen Erblanden, sowie in Ungarn stiess er auf heftigen Widerstand. Doch nach der Schlacht am Weissen Berge, 1620, wurde Böhmen Ferdinand unterworfen, der nun in Böhmen, Mähren und Schlesien eine förmliche Ausrottung der protestantischen Religion in Szene setzte, wodtirch Tausende gezwungen waren, auszuwandern. — Später wurde auch noch Ungarn bezwungen, welches unter Bethlen Gabor, dem Fürsten von Siebenbürgen, sich empört hatte. — Dieser Religionskrieg kostetete aber dem österreichischen Staate furchtbare Opfer, denn in Böhmen allein waren von 732 Städten nur noch 130, von 30.700 Dörfern nur noch 6000, und von drei Millionen Einwohnern nur noch 780.000 übrig geblieben! 1637-1657- Unter „Ferdinand III." wurde die österreichische Monarchie in noch viel höherem Grade der Schauplatz des Kriegs. Während Ferdinand II. im Prager Frieden 1635 die Lausitz an Sachsen hatte abtreten müssen, war jetzt Ferdinand III. gezwungen, im Westfälischen FYieden 1648 Elsass Frankreich zu übergeben. .657-1705. „Kaiser Leopold 1." brachte die Ungarn durch unduldsame Härte zum A'ufruhr. Toköly fand Unterstützung bei der Pforte, in Folge dessen Kara-Mustapha 1683 Wien belagerte, welches nur durch die zur Hülfe herbeigerufenen Deutschen und Polen unter dem Herzog Karl von Lothringen und König Johann Sobieski gerettet wurde. — Als später ganz Ungarn wieder unterworfen war, erklärte Kaiser Leopold I. dasselbe 1687 als L\rbreich und vereinigte damit Siebenbürgen. Ausserdem musste die vom Prinzen Eugen besiegte Pforte im Karlowitzer Frieden, 1699, das Land zwischen Donau und Theiss zurückgeben und im Passarowiczer Frieden, 1718, noch andere wichtige Provinzen an Ungarn abtreten. — Hingegen vermochte Leopold nicht seinem zweiten Sohne Karl die Erbfolge in Spanien zu erwirken, wodurch der Spanische Erbfolgkrieg begann. „Kaiser Josef I." setzte diesen Krieg fort. 1705—1711. „Karl VI." musste dem von seinen Bundesgenossen abge- 17"—1740. schlossenen Utrechter Frieden, 1714, in den Friedensschlüssen zu Rastatt und Baden beitreten, welche ihnen den Besitz der Niederlande, Mailands, Mantuas, Neapels und Sardiniens (seit 1720 Siciliens für Sardinien) sicherten. — Die österreichische Monarchie umfasste jetzt 660.000 [_"] Kilom., hatte 13—14 Mill. Gulden Einkünfte und ein Heer von 130.000 Mann. Aber ihre Macht wurde leider bald durch neue Kriege geschwächt! — Karl IL war gezwungen, im Wiener Frieden, 1735 und 1738, Neapel und Sicilien an den Infanten von Spanien, und einen Theil der Lombardei an den König von Sardinien abzutreten, wofür er nur Parma und Piacenza bekam Ueberdies verlor er im Belgrader Frieden, 1739, fast alle Früchte der Siege Eugens, denn er musste Belgrad, Serbien, den österreichischen Antheil an der Walachei, Orsowa und Bosnien an die Pforte zurückgeben, um dadurch seiner Tochter „Maria Theresia" die Erbfolge in der Monarchie durch die Pragmatische Sanktion zu sichern, welche nach und nach von allen europäischen Mächten auch anerkannt wurde. Auch überliess Karl VI. das Herzogthum Lothringen, Stammland seines Schwiegersohnes Franz Stephan, dem vertriebenen Polenkönig Stanislaus Leszczynski und mittelbar an Frankreich, während jener Toskana 1737 erhielt. Als mit Karls VI. Tode der Ilabsburger Mannesstamm 174°—1780. erlosch, übernahm dessen Tochter „Maria Theresia" die Regierung sämmtlicher Österreichischer Erblande. Von allen Seiten erhoben sich aber dagegen heftige Widersprüche. In Folge dessen entbrannte der österreichische Erbfolg- und der schlesische Krieg. — Bei den Friedensschlüssen 1742 und 1745 musste Maria Theresia Preussen Schlesien nebst Glatz, mit Ausnahme von T eschen, Jägerndorf und Troppau; im Frieden zu Aachen, 1748, an den Infanten von Spanien die Herzog-thümer Parma, Piacenza und Quastalla, und an Sardinien einige Bezirke von Mailand übergeben. Durch diese grossen Opfer war jetzt die Fortdauer der österreichischen Monarchie zwar gesichert, aber Maria Theresia konnte den Verlust Schlesiens nicht verschmerzen. — Um diese Provinz wieder zu erobern, verbündete sie sich mit Frankreich, Russland, Sachsen und Schweden; doch alle diese Bestrebungen waren vergebens, denn nach einem siebenjährigen blutigen Kriege behielt Preussen doch im Hubertusburger Frieden, 1763, Schlesien. In dieser Zeit wurde in Oesterreich zum ersten Mal Papiergeld, „Staatsobligationen" genannt, ausgegeben, zu dessen Umsetzung Maria Theresias Gemahl, Kaiser Franz I., eine Bank errichtete. —Nach dem Tode des Kaisers Franz, 1765, ward Josef II. Mitregent der Mutter. — In die erste Thei-lung Polens, 1772, durch welche Galizien und Lodomirien an Oesterreich fiel, willigte Maria Theresie sehr ungern. — 1775 musste die Pforte die Bukowina an Oesterreich abtreten und im Teschener Frieden, 1779, erhielt die Monarchie auch noch das Inn viertel, so dass beim Tode Maria Theresias, 28 Novb. 1780, Oesterreich 610.000 QKilom. und 24 Millionen Einwohner umfasste, während sich die Staatsschulden auf circa IDO Millionen Gulden bezifferten. — Unter der Regierung der Kaiserin Maria Theresia, welcher der Minister Kaunitz zur Seite stand, wurden zahlreiche, aber langsame und vorsichtige Reformen ins Reben gesetzt, auch begann eine grössere Centralisation in den deutschen FTbländern. 178»—1790. J3er geniale, leider zu früh für seine Zeit geborene Kaiser „Josef II:' handelte zwar mit rastloser Thätigkeit im Geiste des damaligen aufgeklärten Despotismus, aber seine Aktionen waren zu rasch, zu gewaltsam. — Er reorganisirte die Verwaltung, Rechtspflege und Gesetzgebung, ertheilte den Brote. stanten Freiheiten und bürgerliche Rechte, behandelte die Juden mit vieler Duldsamkeit, hob 900 Klöster und Stifte auf und unterwarf das Schulwesen einer Revision und Verbesserung. Doch des Kaisers Reformeifer reizte den Widerstand der Anhänger des Alten, und die Energie, mit welcher er überall im „deutsch-gesammtstaatlichen Sinne" und ohne Schonung der fremden Nationalitäten reorganisiren wollte, veranlasste Unruhen in Ungarn und den Niederlanden. Seine Absicht, in den Besitz Niederbaierns und der ()berpfalz zu gelangen, scheiterte an Breussens Vorgehen, und als er beabsichtigte, die Niederlande als burgundisches Königreich dem Kurfürsten Karl Theodor gegen Baiern zu vertauschen, trat ihm der von Friedrich dem Grossen gestiftete deutsche FürstehbUrid entgegen. — Ebenso unglücklich war der Kaiser 1788 im Kriege gegen die Pforte. Dem „Kaiser Leopold II!' gelang es durch Nachgeben n^-ir^ und Festigkeit, die Niederlande zu beruhigen und die Ungarn zu befriedigen. Kurz nach der Thronbesteigung „Franz Iii' erklärte Frank- 179a—1835-reich Oesterreich den Krieg. Dieses verlor in dem Friedensschlüsse von Campo-Formio, 17. Oktober 1797, die Lombardei nebst den Niederlanden, wofür es aber den grössten Theil des venetianischen Gebiets erhielt. — Zwei Jahre früher war Oesterreich, bei der dritten Theilung Polens, durch Westgalizien vergrössert worden. Anfangs 1799 begann Kaiser Franz mit Russland, England, Neapel und der Türkei erneuert den Krieg gegen Frankreich, aber der Erfolg war sehr ungünstig denn Bonaparte erzwang den Frieden von Lunevillj, 9. Febr. 1801, in welchem der Hauptsache nach die Abtretungen von Campo-Formio erneuerte Bestätigung erhielten. — Durch den Reichsdeputationshauptschluss, 1803, bekam Oesterreich die beiden tiroler F'rzstifte Trient und Brixen, so dass es, mit Ein-schluss der letzten Eroberungen in Polen, ungeachtet jener Abtretungen über 660.000 Q]Kilom. umfasste. — Nach- Oeiterrelch-Ungarni l>(5 dem Bonaparte die Kaiserkrone auf sein Haupt gesetzt hatte, erklärte sich Franz IL, im August 1804, zum Erbkaiser von Oesterreich, indem er unter dem Namen „Kaiser-thum Oesterreich" alle seine Staaten zu einem Ganzen vereinigte. — Im Jahre 1805 griff der Kaiser noch einmalt vereint mit Russland und Grossbritannien, Napoleon I. an. — Der Krieg endigte mit dem am 26. Dezember 1805 abgeschlossenen Frieden von Pressburg, in welchem Franz Vorderösterreich, Tirol und Venetien verlor, dafür jedoch Salzburg bekam. — Nach der Errichtung des Rheinbundes, 12. Juli 1806, entsagte Kaiser FTanz, 6. August 1806, der deuteshen Kaiserwürde, welche seine F'amilie fast 500 Jahre bekleidet hatte, und nannte sich von nun an „Franz L, Kaiser von Oesterreich."— 1809 begann der Kaiser wieder einen Krieg gegen Frankreich, jedoch diesmal ohne Bundesgenossen ausser Grossbritannien. Obwohl das österreichische Heer mit grosser Tapferkeit kämpfte, unterlag es abermals dem Feldherrngenie Napoleons. — Der hierauf folgende Friede zu Wien, 14. Oktober 1809, kostete dei Monarchie die schönsten Provinzen, U. z. Salzburg mit Berchtesgaden, das Innviertel, Krain mit Görz, 'Priest, den Villacher Kreis, den grössten Theil Kroatiens, Istrien, Westgalizien und einen Theil Ostgaliziens. Die Staatsschuld betrug jetzt 658 Millionen und dazu kur-sirte für 1 060 Millionen Fl. Papiergeld, welches immer werthloser wurde, so dass 1811 ein partieller Staatsbankerott eintrat. —Jetzt suchte Oesterreich die französische Allianz und 1810 erfolgte die Verbindung Napoleons b mit der Erzherzogin „Marie Luise" Ja Napoleon I. zwang Oesterreich sogar 1812 als Verbündeter mit gegen Russland zu mar-schiren. Als aber Napoleons I. Macht in Russland gebrochen, Preussen sich gegen die Fremdherrschaft erhoben hatte und der Prager Kongress ohne Resultat geblieben war, erklärte Kaiser Franz am 12. August 1813 Frankreich erneuert den Krieg. — In dem hierauf folgenden Frieden zu Paris, 1814, erhielt Oesterreich den zum Lombardisch- Venetinnischen Königreiche erhobenen Theil Italiens, sowie die früher abgetretenen Theile seiner Erbländer nebst Dalmatien zurück. — Durch die neue Gestaltung Europas auf dem Wiener Kongress 1815 und den mit Baiern zu München 14. April 1816 abgeschlossenen Vertrag bekam die österreichische Monarchie einen Zuwachs von etwa 8260 QKilom., gewann aber auch sehr beträchtlich in Bezug auf geographische Lage, Abrundung und Handelsverkehr. — Nach Wiederherstellung des allgemeinen Friedens war das mächtige Oesterreich unter Leitung des seit 1821 zum Haus-, Hof- und Staatskanzler erhobenen „Fürsten Metternich" der entschiedenste Vertreter des sogenannten Systems der Stabilität und Legitimität, einer Politik welche nicht nur die innere Entwicklung der Monarchie hinderte, sondern auch für Deutschland und Europa höchst nachtheilig war, da Oesterreich als Präsidialmacht des deutschen Bundes einen drückenden Einfluss auf die Verhältnisse Deutschlands ausübte. — Der Tod Kaiser Franz I. änderte wenig in dem Regierungssystem, welches einseitig, mit aller Kraft dem Vordringen der liberalen Einflüsse, sowie der Entfaltung des konstitutionellen Prinzips entgegenarbeitete. „Ferdinand 1!', der bei seiner Thronbesteigung erklärt 1835—1848. hatte, im Geiste seines Vaters weiter regieren zu wollen, befestigte bei einer persönlichen Zusammenkunft mit König Friedrich Wilhelm III. und Kaiser Nikolaus zu Teplitz im Oktober 1835 den bisherigen politischen Bund mit Preussen und Russland. — Trotz der langen FYiedensepoche waren die inneren Verhältnisse Oesterreichs allmählig zu einer bedenklichst! Ki herangereift. Das träge, erschlaffende System und die geistlose, bureaukratische Regierungsmaschine hatten die Bevölkerung weder materiell noch politisch zu befriedigen vermocht. In den einzelnen Nationalitäten der Monarchie war eine mächtige Opposition zur Entwicklung gelangt und die ständischen Landtage traten mit zahl- 1011 (lestcrrtfich-Uugani. losen Forderungen und Beschwerden hervor. — In Böhmen sammelten sich seit der Gründung des Museums czechisch-na-tionale Elemente, welche zunächst eine literarische Opposition organisirten. — In Ungarn gab Graf Stephan Szechenyi den Anstoss zu einer nationalen, liberal-oppositionellen Bewegung, die aber vorderhand durch die Popularität des Erzherzogs Palatinus Josef in ihrem Fortschreiten gehemmt wurde. —- Der Krakau zum Mittelpunkt habende polnische Aufstand, 1846, dessen Unterdrückung die Einverleibung dieser Republik in die österreichische Monarchie, November 1846, herbeiführte, verwandelte sich in Galizien in einen furchtbaren Aufruhr der Bauern gegen die Edelleute, mit deren Flülfe Oesterreich schliesslich die Revolution niederwarf. — In Ungarn, Böhmen und Niederösterrcich machte sich die Opposition gegen das reaktio näre System immer mehr geltend; in Italien befand sich die revolutionäre Bewegung bereits in vollem Gange, als der Sturz I Atdwig Philipps und die französische Revolution am 24. Febr. 1848 das alte Europa in seinen Grundfesten erschütterten. Auch in Wien entstand am 13. März eine Volksbewegung, gegen welche Regierung und Militär alle Haltung verloren und nach geringem Widerstand nachgaben. — Metternich wurde zur Demission gezwungen! ---Dur Kaiser gewährte Pressfreiheit, Bürgerbewaffnung, und am 15. März sogar die Einberufung einer berathenden Vertretung aus allen Theilen der Monarchie. Gleichzeitig hatten die Ungarn ihre Forderung, ein selbständiges Ministerium zu erhalten, das dem Landtage verantwortlich sei, durchgesetzt, und der Kaiser vermochte die Sanktion nicht zu verweigern — Wenige Tage nach der fluchtähnlichen Abreise des Vice-königs aus Mailand brach auch dort am 18. März der Aufstand aus, so dass der kommandirende General, Feldmarschall „Graf Radetzki", die Hauptstadt räumen und mit den Truppen nach Verona retiriren musste. Am 22. März erhob sich ebenfalls Venedig und zwang die österreichischen Truppen zum Abzug. — In dem Masse, als beinahe in allen Theilen der Monarchie die Revolution die (Iberhand gewann, gerieht auch der Mittelpunkt des Staates in völlige Auflösung! Das nach Metternichs Flucht neu gebildete Ministerium vermochte seine Autorität nicht zur Geltung zu bringen und die Gewalt ging daher an die völlig aufgeregten Volksmassen, die Nationalgarde und Studentenlegion „Aula'' über. — Eine am 15. Mai in Scene gesetzte Massenbewegung erzwang die Revision des Wahlgesetzes, nach welchem der neue Reichstag als ein „constituirender" einberufen werden sollte. — Diese Vorgänge veranlassten die kaiserliche Familie am 17. Mai zur Flucht nach Innsbruck. Während der Kaiser bis 12. August in Innsbruck- blieb, dominirte in Wien die Volksherrschaft, gingen die Ungarn ihren eigenen Weg und entstand in Prag in den Pfingsttagen ein slavischer Aufstand, den Fürst Windischgrätz mit Kartätschen niederwarf. Endlich trat aber wenigstens in Italien eine Wendung ein, indem Marschall Radetzky die sardinische Armee nach einer Reihe blutiger Gefechte bei Custozza am 25. Juli schlug und dadurch wieder die Lombardei unterwarf. — Doch in Wien blieb noch die Regierung ohnmächtiger als bisher, ja am 8. Juli ward sogar das Ministerium durch die Nationalgarden und die akademische Legion zum Rücktritt gezwungen. :— Der in Innsbruck residirertde Kaiser liess den constituirenden Reichstag in Wien durch seinen Stellvertreter, Erzherzog Johann am 12. Juli eröffnen. In Ungarn begann aber eine neue Krisis, denn die Kroaten unter ihrem „Banus Jel lach ich" lehnten sich gegen das magyarische Uebergewicht auf und verweigerten der ungarischen Regierung, welche unter dem Ministerim „Batthyanyi-Kossuth" schon fast ganz unabhängig auftrat, den Gehorsam. Während Jellachich gegen Ungarn vorrückte, verliess F'rzherzog Palatinus Stephan nach einem letzten vergeblichen Vermittlungsversuche das Land und ging im September nach Deutschland. — Der endlich im August nach Wien zurückgekehrte Kaiser ernannte jetzt den Grafen Lamberg zum Commissar und Oberkommandanten in Ungarn, doch dieser wurde auf der Pester Brücke am 28. September von einem wüthenden Volkshaufen ermordet. Nun erfolgte die Ernennung des Generals Recsey zum Ministerpräsidenten in Ungarn, zugleich wurde dem Banus Jellachich das Oberkommando übertragen und der ungarische Landtag aufgelöst. Doch ging der Landtag nicht auseinander, sondern wählte „Kossuth" zum Präsidenten des Landesvertheidigungs - Ausschusses. Zugleich brach wegen dem Abmarsch kaiserlicher Truppen nach Ungarn in Wien am 6. Oktober 1848 ein furchtbarer Aufstand aus. Das Zeughaus wurde gestürmt, die Massen bewaffnet und der Kriegsminister „Latour" ermordet! — Der Reichstag erklärte sich für permanent und richtete an den Kaiser eine Adresse, worin die Bildung eines neuen Ministeriums, die Absetzung von Jellachich und Aehnliches verlangt wurde. — Die kaiserliche Familie verliess hierauf Schönbrunn und floh nach Olmütz. — Der Kaiser ernannte jetzt den Fürsten Windischgrätz zum Oberbefehlshaber und die Truppen unter Auersperg und dem Banus Jellachich wurden seinem Commando unterstellt. Windischgrätz verhängte nun über Wien den Belagerungszustand und als sich die Stadt seiner Aufforderung nicht unterwarf, gab er am 25. Oktober den Befehl zum Angriff Nachdem ein Theil der Vorstädte von den Truppen besetzt waren, gaben die PTihrer des Aufstandes am 29. Oktober den Kampf auf und entschlossen sich zu kapituliren, aber die Nachricht von einem heranrückenden Ersatz durch Ungarn, welcher jedoch am 30. Oktober bei Schwechat zurückgeschlagen wurde, rief von neuem den Kampf hervor, der jedoch schliesslich am folgenden Tage mit der Unterwerfung der Hauptstadt endigte! — Es wurden nun die strengsten militärischen Massregeln ergriffen und eine Anzahl Anführer und Theilnehmer kriegsgerichtlich verurtheilt und erschossen. — Schon vor Beginn des Kampfes hatte ein kaiserliches Manifest den constituirenden Reichstag, der am 22. Juli zusammengetreten war, vertagt und ihn auf den 15. November nach Kremsier berufen. Jetzt folgte am 22. November die Bildung eines neuen Ministeriums. Die nun geplante energische Politik der Restauration hatte blos in einzelnen Persönlichkeiten am Hofe, namentlich der „Erzherzogin Sophie'", eine kräftige Vertretung gefunden, die milde und nachgiebige Natur Ferdinand I. wiederstrebte ihr, daher dankte der Kaiser am 2. De.c. 1848 ab und Franz Josef I. bestieg den österreichischen Kaiserthron. — Nachdem . Fürst Windischgrätz Wien bewältigt hatte, überschritt er die Leitha und eröffnete den Krieg gegen Ungarn. Im Januar 1849 ward nach mehreren glücklichen Gefechten Ofen besetzt und die ungarische Armee zog sich jetzt auf das linke Ufer der Theiss zurück. Während sich hier der heftigste Kampf des Sommers vorbereitete, erfolgten entscheidende Ereignisse an anderen Punkten der Monarchie. — Der mit Sardinien abgeschlossene Waffenstillstand war im März 1849 gekündigt worden, demnach eröffnete Feldmarschall „Graf Radetzky" einen ebenso kurzen wie erfolgreichen F'eldzug und schlug vom 20.bis 24. März die sardinische Armee entscheidend bei Mortara und N o vara. Sardinien behielt in Folge dieses Sieges zwar seine frühere Grenze, musste aber 15 Millionen Lire Kriegskosten bezahlen. — Mit der Uebergabe Venedigs im August war endlich auch die Unterwerfung Italiens vollendet. Die Regierung vermochte sich mit dem Reichstage in Kremsier nicht zu verständigen, sie löste daher denselben auf und oc-troyrte dem Lande im März 1849 eine Verfassung, in welcher die Einheit und Untheilbarkeit der Monarchie festgesetzt wurde. Während dieser Zeit waren die Verhältnisse in Deutschland in eine eigenthümliche Verwicklung gerathen. Die Berathungen über die Verfassung in der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt hatten nämlich zu dem Beschlüsse geführt, einen L048 (^esterrt'icli-l'ngarn. Bundesstaat unter preussischer Leitung herzustellen, der gleichzeitig eine Union mit Oesterreich bilden sollte. Aber das österreichische Kabinet verwahrte sich im Februar 1849 entschieden gegen die Unterordnung des Kaisers unter jede von einem andern deutschen Fürsten gehandhabte Centralgewalt, und am 5. April 1849 wurden die österreichischen Abgeordneten aus Frankfurt zurückberufen. Ausserdem weigerte sich König FYiedrich Wilhelm IV. von Preussen die deutsche Kaiserkrone anzunehmen. Ungarn nahm noch immer die ganze Kraft Oesterreichs durch seinen hartnäckigen Widerstand in Anspruch. „Bern" eroberte Siebenbürgen, die übrigen ungarischen Heeresmassen unter Führung des genialen „Görgei" drangen nach Westen vor und siegten im April bei Waitzen. — Windischgrätz ward hierauf durch Weiden im Oberbefehl ersetzt, aber auch jetzt gestaltete sich die Lage keineswegs günstiger. — Am 14. Apri] erklärte der ungarische Reichstag „das Haus Habsbu rg-Lothringen des Thrones verlustig" und Kossuth wurde zum Gouverneur-Präsidenten de neuen Republik ernannt. Ende April drangen die Magyaren wieder in Pest ein und bald darauf ergab sich ihnen auch Ofen. — Trotzdem jetzt Weiden durch den energischen Haynau ersetzt wurde, wäre der Krieg wahrscheinlich doch noch nicht so bald beendigt gewesen, wenn nicht Oesterreich mit Russland ein Bündniss geschlossen und in Folge dessen Verstärkung durch russische Truppen unter „Paskewitsch" erhalten hätte. Nunmehr nahm der Krieg eine bessere Wendung für Oesterreich. Kossuth übertrug jetzt dem eisernen energischen Görgei die Dictatur, aber dieser war viel zu klug, um nicht einzusehen, dass der Kampf für die Dauer hoffnungslos und die Fortsetzung des Kampfes ein unnöthiges Hinopfern der Truppen sei. F> streckte daher am 13. August 1849 vor den Russen bei Vi lag o s die Waffen, wodurch er sich den unversöhnlichsten Hass der ganzen ungarischen Nationalpartei zuzog. — Mit der Kapitulation des ungarischen Generals Klapka in Komorn September 1849, war die Unterwerfung Ungarns vollendet! Das Land ward schliesslich wie ein erobertes behandelt und die in Arad gefangenen Offiziere wurden von „Haynau" mit blutiger Strenge bestraft. Durch die Beendigung des Kampfes in Ungarn und den Frieden mit Sardinien hatte Oesterreich wieder freie I Iand, den inneren Zuständen sowie dem Verhältniss zu Deutschland seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die preussischen Bestrebungen, einen engeren Bundesstaat zu gründen, verhinderte Oesterreich durch die Zusammenkunft des Kaisers mit den Königen von Bayern und Würtemberg in Bregenz, October 1850, zugleich zwang es durch seinen Fanmarsch in Kurhessen Preussen, zwischen Krieg und Unterwerfung zu wählen. Preussen fügte sich den österreichischen Forderungen am 29. November zu Olmütz. Die Union wurde aufgegeben, die Exekution in Messen und Holstein bewilligt, die Revision der Bundesverfassung auf die Dresdner Konferenzen, zu Ende December verschoben. Die Absichten der Schwarzen-bergschen Bolitik wurden freilich zu Dresden nicht erreicht, die Bundesverfassung blieb unverändert und man gab den beabsichtigten Eintritt Gesammtösterreichs in den deutschen Bund allmälig auf. In den inneren Angelegenheiten der österreichischen Monarchie trat 1851 eine entscheidende Wendung ein. Schon lange war es kein Zweifel mehr, dass sich die Regierungspolitik immer mehr der Restauration zuneigte. Im Januar 1851 trat Schmerling, im Mai, Bruck aus dem Ministerium, wodurch die freisinnigeren Elemente beseitigt waren. Am 20. August erschienen mehrere kaiserliche Verordnungen, laut welchen die Minister nur dem Kaiser verantwortlich gemacht und der im vorigen Jahre geschaffene Reichsrath zum Rath der Krone erklärt wurde u. s. w. Dann folgte die Aufhebung der Nationalgarden, die Zurücknahme des Pressgesetzes von 1849 und endlich am 1. Januar 1852 wurde auch noch die Verfassung- vom Jahre 1849 nebst dem Grundrechte aufgehoben, die Schwurgerichte beseitigt, die Gemeindeverfassung umgestaltet und an Stelle der Provinzialstände berathende Ausschüsse aus dem Erbadel und den Grundbesitzern gesetzt. Daran schloss sich die immer grössere Begünstigung des Klerus, besonders der Jesuiten. — Die beabsichtigte Zolleinigung mit Deutschland konnte Fürst Schwarzenberg nicht durchsetzen, obwohl es ihm gelang, die süddeutschen Staaten und Sachsen dafür zu gewinnen, denn er starb plötzlich, am 5. April 1852, während dieser Verhandlung. Sein Nachfolger war Graf Buol-Schauenstein, dessen Politik unverkennbar das Bemühen zeigt, mit Preussen wieder in ein freundlicheres Verhältniss zu treten. In der Zollangelegenheit stellte sich aber heraus, dass bei dem hartnäckigen Widerspruch Preussens eine Zolleinigung Oesterreichs mit Deutschland nicht durchgeführt werden konnte, während ein Handelsvertrag zwischen Oesterreich und dem Zollvereine auch Preussen für annehmbar erklärte. Im Dec. 1852 begab sich auch der Kaiser Franz Josef nach Berlin, um das Einvernehmen beider Höfe wieder herzustellen. Dies gelang auch vollständig, denn die Unterhandlungen führten zu dem am 19. F"ebr. 1853 abgeschlossenen Handelsvertrag, der einen grossen Theil der bisherigen Schranken zwischen Deutschland und Oesterreich hinwegräumte. In dem russisch-türkischen Konflikt, welcher schliesslich zum Krimkriege führte, spielte Oesterreich zuerst die Vermittlerrolle zwischen Russland und den Westmächten, jedoch die am 21. Juli 1853 in Wien begonnenen Konferenzen verliefen resultatlos. Der russische Kaiser Nikolaus glaubte, der Bundesgenossenschaft des Kaisers Franz Josef für die in Ungarn geleistete Hilfe sicher zu sein, aber die Zusammenkünfte beider Monarchen in Olmütz und Warschau verliefen ohne Resultat, und Oktober 1853 erklärte Oesterreich seine Neu- tralität. — Nach dem Ausbruche des Orientkrieges vereinigte sich Oesterreich mit Preussen, 2o. April 1854, zu einem gegenseitigen Garantie ver trage, dem sich am am 24. Juli auch der deutsche Bund anschloss. Jetzt richtete Oesterreich eine Sommation an Russland, worin es die Räumung der Donau-fürstenthümer forderte, und als die Russen in Folge dessen abzogen, wurden die Donaufürstenthümer bis zum Frieden von österreichischen Truppen besetzt. Zugleich näherte sich Oesterreich immer mehr den Westmächten und schloss sogar mit denselben am 2. Dec. 1854 eine eventuelle Allianz, ohne jedoch in den Krieg einzutreten. — Nach dem F'alle von Sewastopol begann Oesterreich wieder zti vermitteln, was denn auch schliesslich am 30. März 1856 zum Abschlüsse des Pariser Friedens führte. Mittlerweile war unter dem Minister Bach das System der Reaktion in der inneren Verwaltung Oesterreichs zur vollen Durchführung gelangt. Auf dem kirchlichen Gebiete hatte man vollkommen mit den Traditionen Kaiser Josefs II. gebrochen; bereits 1850 war das landesherrliche Blacet aufgehoben und der kirchliche Verkehr mit Rom freigegeben worden. Nunmehr kam nach langen Verhandlungen mit dem Päpste das Konkordat vom 18. August 1855 zu Stande, welches alle ultramontanen Ansprüche im ausgedehntesten Masse erfüllte, das ganze Unterichtswesen dem Klerus auslieferte und der religiösen Intoleranz die freieste Bahn schuf! — Günstiger war dagegen die Re-gierungsthätigkeit auf dem Gebiete der materiellen Interessen seitdem „Bruck" im März 1855 wieder das Finanzministerium übernahm. Jetzt begann die Ausführung der grosseh Eisen bahn bauten! Die Regelung des Staatshaushaltes und die Hebung des Staatskredits wurde ernstlich in Angriff genommen, doch wurden die hier erzielten günstigen finanziellen Resultate leider durch den Ausbruch des italienischen Krieges nur allzuschnell wieder zu nichte gemacht. Mit der Ablehnung lo:,2 I Vsterreich-l'ngani. des (österreichischen Ultimatums von Seite Sardiniens begann am 29. April 1859 der Einmarsch des österreichischen Heeres unter Graf Gyulay. Die Führung der österreichischen Truppen war aber weder geschickt noch glücklich und gleichzeitig kamen in der ganzen (österreichischen Armeeverwaltung die gröbsten Unterschleife zum Vorschein, so dass die vereinigte französisch-sardinische Armee in der Lombardei vordringen und die Siege bei Magenta am 4. Juni und Solferino am 24. Juni erringen konnte. Oesterreich suchte nun Hülfe in Deutschland, wollte aber die preussischen Bedingungen, welche die Oberleitung über das gesammte Bundesheer verlangten, nicht zugeben und schloss plötzlich mit Napoleon am 11. Juli die Präliminarien von Villafranca ab, welche am 10. November im Züricher Frieden bestätigt wurden. Oesterreich musste laut diesem Vertrage die Lombardei an Napoleon abtreten, und dieser übergab sie an Sardinien. Damit war aber auch der Fhnfluss auf der apeninischen Halbinsel vollständig vernichtet. Die zwischen Oesterreich und Russland seit dem Orientkriege, und mit Preussen wegen der deutschen Politik entstandene Spannung wurde erst bei der Zusammenkunft in Warschau, 22. bis 26. Oktober 1860, wo eine persönliche Annäherung zwischen den Monarchen der drei Ostmächte stattfand, wieder gemildert. — Doch die Katastrophe des Jahres 1859 hatte einen inneren Umschwung in Oesterreich hervorgebracht. Da das bisherige Regierungssystem nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte, wurden die Hauptrepräsentanten desselben bei Seite gesetzt; eine eigentliche Systemänderung erfolgte aber noch immer nicht. Der Finanz-minister Bruck empfahl zwar eine Rückkehr zu dem konstitutionellen System, da nach seiner Anschauung nur auf diesem Wege der vollständig zerrüttete Staatskredit wieder hergestellt werden konnte, aber auch er vermochte nicht durchzudringen. Als eine neue Staatsanleihe durch National- Subskription vollständig fehlschlug, weil statt der ausgeschriebenen 200 nur 76 Millionen gezeichnet wurden, erhielt Bruck in ungnädiger Weise am 22. April 1860 seinen Abschied uud endete leider Tags darauf durch Selbstmord! Die Finanzen übernahm jetzt von Plener, der jedoch ebenso wenig helfen konnte. Gleichzeitig ward durch den Unter-schleifprocess gegen General von Eynatten, der sich im Ge-fängniss selbst entleibte, öffentlich konstatirt, wie hoch die Korruption hinaufreichte. — Da das Patent vom 5. März 1860, wodurch der um mehrere Mitglieder verstärkte Reichsrath eine beschränkte Mitwirkung bei der Gesetzgebung und bei der Kontrole des Staatshaushaltes erhielt, keineswegs die Bevölkerung befriedigte, so wurde das kaiserliche Diplom vom 20. Oktober 1860 erlassen, welches den zur ungarischen Krone gehörigen Ländern eine neue Verfassung, den übrigen Ländern besondere Landtage, in welchen die Feudalstände das Uebergewicht hatten, gab, und für die gemeinsamen Reichsinteressen einen gemeinsamen Reichsrath schuf. Dieses Oktoberdiplom genügte aber der Bevölkerung auch noch nicht. — Die Partei der „liberalen Centralisation", welche in den deutschen Krblanden am stärksten vertreten war, verhehlte keineswegs ihre Unzufriedenheit. Die Polen in Galizien, die Czechen in Böhmen u. s. w., die dem Föderalismus huldigten und vom Adel und Klerus unterstützt wurden, wollten vollständige Autonomie. Ungarn verlangte hingegen unbeschränkte Wiederherstellung seiner Landesverfassung und seiner Gesetzgebung vom Jahre 1848, also thatsächlich den Dualismus. — In Folge derartiger Verhältnisse fasste der Wiener Hof den Fntschluss, auf der betretenen Bahn stehen zu bleiben. Der föderalistische Staatsminister Goluchowski ward am 13. Dec. 1860 entlassen, und an seine Stelle trat „Schmerling", unter dessen Kinfluss das Ministerium theilweise umgestaltet wurde. — Die Deutsch-Oesterreicher befriedigte die Wahl Schmerling's, weil 1054 i (esterreich-Uagai rt. derselbe als Anhänger der Centralisation betrachtet wurde. — Die Regierung machte es sich jetzt zur Aufgabe, die Autonomie der Kronländer auf ein möglichst bescheidenes Mass zurückzuführen und die Reichseinheit auf konstitutionellem Wege herzustellen! Am 26. Februar 1861 wurden eine neue „Reichsverfassung" für den Gesammt-staat und neue Landesstatuten für die slavisch-deutschen Kronländer verkündet. Dieses „Februarpatent" schuf neben dem allgemeinen „Reichsrathe", aus Herrenhaus und Abgeordnetenhaus bestehend, noch einen „engeren" Reichsrath. In diesem sollten die gemeinschaftlichen Interessen der deutsch-slawischen Länder, in jenem die Angelegenheiten des Gesammtreichs be-rathen werden. — Am 1. Mai 1861 wurde die erste Session des neuen Reichsrathes eröffnet, aber es fehlten die Abgeordneten aus Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen und Venetien. Folglich konnte die Versammlung nicht als Vertretung des Gesammtstaates gelten, die Regierung bezeichnete sie daher am 5. Juni als engeren Reichsrath. Gleichzeitig misslang der Versuch, eine Verständigung mit Ungarn zu erzielen, weil der ungarische Landtag unter Führung Deak's an dem alten Landesrecht festhielt und sich auf das Oktoberdiplom und die Februar-Verfassung nicht einlassen wollte. Daher ward am 21. Aug. der ungarische Landtag aufgelöst und als sich jetzt die Miss Stimmung in Protesten etc. Luft machte, erfolgte am 5. Nov. 1861 die Suspension der ungarischen Municipal- und Communalverfassung und die F^insetzung von Militärgerichten in Ungarn. Aehnliches geschah in Kroatien und Venetien, nur Siebenbürgen bequemte sich nach einigen Jahren zur Anerkennung der gesammtstaatlichen Ordnung, und im Oktober 1863 traten die siebenbürgischen Abgeordneten in den Reichsrath ein, der sich seitdem als weiterer Reichsrath konstituirte. Dagegen blieben noch die czechischen Mitglieder aus Böhmen und Mähren zurück, indem sie Dec. 1864 erklärten, den unvollständigen Reichsrath nicht als eine Ver- tretnng des Gesammtstaates ansehen zu können. — Im Ganzen fanden drei Reichsrathssessionen statt, u. z. vom Mai 1861 bis Dec. 1862, vom Juni 1863 bis Febr. 1864 und vom Nov. 1864 bis Juli 1865. Die legislatorischen Resultate waren geringfügig, weil die Regierung nur wenige eingreifende Vorlagen brachte und sich begnügte, das jährliche Budget debattiren und be willigen zu lassen. Der § 13 der Februarverfassung, welcher der Regierung die Möglichkeit zu selbständigem Vorgehen gab, die zahlreichen Pressverfolgungen, die vollständige Apathie Schmerlings gegenüber der Forderung, das Konkordat aufzuheben, erschütterten ebensosehr die Stellung der cen-tralistischen Regierung in der deutsch-österreichischen Bevölkerung, wie in Ungarn. — Im Juli 1865 erhielt Schmerling seine Demission und es begann nun wieder ein neuer Umschwung im Regierungssystem! In seinen auswärtigen Beziehungen verhielt sich Oesterreich dem neuen Königreich Italien gegenüber zwar kühl, aber streng defensive und begnügte sich, alle Ansprüche aus dem Züricher Friedensvertrag vorzubehalten. In Deutschland trachtete Oesterreich, seinen Einfluss zu vergrössern. Für diese Bestrebungen fand es in den Mittelstaaten, welche der vom deutschen National verein befürworteten Hegemonie Preussens äusserst abgeneigt waren, bereitwillige Unterstützung. Ausserdem kam es der österreichischen Politik zu statten, dass gleichzeitig in Preussen der Verfassungs - Konflikt ausbrach, während in Oesterreich die Februarverfassung eine frische konstitutionelle Entwicklung begründet zu haben schien. Diese Lage der Dinge suchte sich daher das Wiener Kabinet in doppelter Weise zu Nutze zu machen. — Seit Abschluss des deutsch-französischen Handelsvertrages von 1862 arbeitete die österreichische Politik auf die Sprengung des Zollvereins hin, hoffend, wenigstens die süddeutschen Staaten an sich zu ziehen. Ausserdem lud Kaiser F'ranz Josef zum 10, Aug 1863 einen deutschen Fürstentag nach Frankfurt a/M. und legte hier den Entwurf einer Bundes-Reformakte vor. Doch bei der Ablehnung Preussens musste man in der deutschen Verfassnngsfrage auf jeden wirklichen Erfolg verzichten. — Bei Gelegenheit des polnischen Aufstandes betheiligte sich Oesterreich 1863 an der von England und Frankreich durch identische Noten auf Russland ausgeübten diplomatischen Pression. Dieser Schritt blieb aber vollkommen wirkungslos und diente nur dazu, die noch nicht ganz beigelegte Spannung zwischen Wien und Petersburg erneuert zn vergrössern. Als beim Tode des dänischen Königs Friedrich VII., 15. November 1863, der langjährige dänisch-deutsche Konflikt zum offenen Ausbruch kam, nahmen Oesterreich und Preussen diese Frage der deutschen Volksbewegung den Mittel- und Kleinstaaten aus der Hand, liessen, unter Aufrechthaltung des sogenannten Londoner Protokolls von 1852, ihre Heere in Holstein einrücken und verbündeten sich noch enger durch die geheime Konvention vom 16. Januar 1864. Dann kämpfte das österreichische sechste Armeekorps unter „l^eld-marschall-Lieutenant von Gablenz" gegen Dänemark-ruhmvoll mit, und auch ein österreichisches Flottengeschwader unter „Tegetthoff" zeichnete sich in der Nordsee aus. — Der definitive FViede wurde zu Wien am 30. Oktober abgeschlossen, in welchem König Christian IX. alle seine Rechte auf die Herzogthümer Schleswig-Holstein und Lauenburg an den Kaiser von Oesterreich und den König von Preussen abtrat. Aber es unterlag keinem Zweifel, dass bei diesem Kriege der grösste Theil der militärischen und politi-tischen befolge Preussen zufallen musste; überdies hatte das Wiener Kabinet durch das preussische Bündniss viel von seinen Sympathien bei den deutschen Mittel- und Kleinstaaten verloren. In F'olge dessen ward die alte österreichische Eifersucht bald wieder erweckt, und zwar um so mehr, da Preussen in der Zollvereinsfrage keine wesentlichen Konzessionen zu machen geneigt war. Daher erklärte auch der Staatsminister Schmerling unumwunden, dass die schleswig-holsteinische Sache „total verfahren sei'i Oesterreich gab aber einstweilen in der schleswig-holsteinischen Angelegenheit Preussens Wünschen nach, wirkte auch mit zur Entfernung der deutschen Bundes-Exekutionstruppen aus Holstein und zur Einsetzung einer gemeinschaftlich Österreiclüsch-preussischen Civil-behörde für die drei Herzogthümer. Ueberdies wurde der Streit auf volkswirtschaftlichem Gebiete durch den Abschluss eines neuen Handelsvertrages zwischen Oesterreich und dem Zollverein, 11. August 1865, beigelegt. Andererseits war aber das Wiener Kabinet bestrebt, sich wieder enger an die Mittel- und Kleinstaaten anzuschliessen. — Die Gegensätze zwischen Preussen und Oesterreich verschärften sich immer mehr und schon Mitte Sommer 1865 erschien ein offener Bruch zwischen diesen beiden Staaten unvermeidlich. Die Konvention von Gastein, 14. August, verschob aber noch die Entscheidung auf kurze Zeit. Mittlerweile hatten sich die inneren Verhältnisse Oesterreichs abermals geändert. Der Versuch Schmerlings, die Februarverfassung durchzuführen, war vollkommen misslungen, weil Ungarn, Kroatien und Venetien sich hartnäckig fern hielten, und der Reichsrath auf finanziellem Gebiete scharfe Opposition gemacht hatte. Schmerlings Stellung war daher unhaltbar geworden und der Wiener Hof suchte wieder mit der altkonservativen Partei in Ungarn anzuknüpfen, wobei Graf Moritz Esterhäzy, seit 1861 Minister ohne Portefeuille, als Vermittler diente. Der Kaiser besuchte am 6. Juni 1865 die ungarische Hauptstadt, wo man ihn mit Jubel empfing, und gab das Versprechen, die Völker seiner ungarischen Krone möglichst zu befriedigen. Hierauf wurde Graf Georg Mailäth, ein Altkonservativer, am 26. Juni 1865 zum ungarischen Flofkanzler ernannt. Tags darauf reichten Schmerling, Plener und deren Anhänger im Ministerium ihre Flntlassung ein, die der Monarch auch annahm. Doch die Ministerkrisis zog sich noch auf einen Oesterreich-Ungarn. 67 Monat hinaus, worauf erst am 27. Juli, das neue, sogenannte „Drei-Grafen-Ministerium" zu Stande kam, welches aus föderalistischen und altkonservativen ungarischen Elementen zusammengesetzt war. An demselben Tage wurde auch die dritte Session des Reichsraths geschlossen und am 20. September erfolgte ein kaiserliches Manifest, das die Wirksamkeit der Eebruarverfassung „sistirte", den engeren und weiteren Reichsrath suspendirte, die Landtage sämmtlicher Kronländer einberief und das Versprechen gab, die Resultate des ungarischen Ausgleichs denselben vorzulegen —Dieses kaiserliche September-Manifest, welches für die Reichsangelegenheiten den alten Absolutismus wieder einführte, wurde von den Czechen und Polen mit grosser Befriedigung aufgenommen, die deutsche Landtage aber protestirten gegen die Sistirung der Februarverfassung. — Dieser Wechsel des Regierungssystems hatte jedoch in Ungarn keine Resultate erzielt, denn die alt konservative Partei vermochte wenig in diesem Lande und die tonangebende Partei Deäks war entschlossen, halben Zugeständnissen nicht nachzugeben. — Auf einer Parteikonferenz zu Pest, am 11. November, wurden als Beorderungen Ungarns aufgestellt: Anerkennung der Rechtskontinuität, d. h. unbedingte Wiederherstellung der alten Landes-, Munizipal- und Kommunalverfassung, wie auch der Gesetzgebung von 1848, nebst dem damals vom Kaiser bewilligten verantwortlichen ungarischen Ministerium; und Wiederherstellung der territorialen Integrität der ungarischen St. Stephanskrone, d. h. politische Wiedervereinigung der seit 1849 abgetrennten Länder Siebenbürgen, Kroatien u. s. w. mit Ungarn. Betreff letzteren Punktes war das Wiener Kabinet geneigt, nachzugeben und machte den am 12. und 19. November eröffneten Landtagen von Kroatien und Siebenbürgen Vorlagen wegen Wiederherstellung der alten Union, hingegen verweigerte die Regierung die geforderte Rechtskontinuität, welche auf den Dualismus abzielte, Am 23. November 1865 erfolgte die Eröffnung sämmtbcher Landtage der 16 slawisch-deutschen Kronländer, denen man das Septembermanifest vorlegte. Auf den Landtagen von Ober-und Niederösterreich, Schlesien, Steiermark, Kärnten, Salzburg und Vorarlberg wurden sofort Adressen beantragt und fast einstimmig angenommen, welche die Rechtskontinuität der Februarverfassung wahren sollten, während von den Landtagen in Galizien und Bukowina und von der czechischen Mehrheit auf dem böhmischen Landtage Dankadressen für den Erlass des Septembermanifestes votirt wurden. — Da das Ministerium Belcredi diese föderalistischen Tendenzen begünstigte und den „historisch-politischen I ndiv iduali -täten" das Wort redete, so verlangten die Czechen bereits für einKönigreich „Böhmen-Mähren-Schlesien" eine ähnliche Stellung, wie die Ungarn für die Länder der Stephanskrone. Im Februar 1866 kam es in Böhmen zu Exzessen gegen Deutsche und Juden; in Galizien erneuerte sich der Streit zwischen Bolen und Ruthenen. Auch die Verhandlungen mit Ungarn führten zu keinem Resultat. Die bei Eröffnung des ungarischen Landtags, 14. Dezember 1865, gehaltene Thronrede anerkannte die Rechte der Ungarn, wollte aber die Gesetze vom Jahre 1848 nicht eher in Wirksamkeit treten lassen, bis sie einer Revision unterworfen wären. Der Landtag, an dem Deäkschen Programm festhaltend, beanspruchte aber, das s zuerst Verfassung und Gesetze in Kraft treten und ein verantwortliches ungarisches Ministerium eingesetzt werde, bevor man über die Gesammtstaatsangelegenheitcn, sowie über die Revision der Gesetze verhandle. Doch auch der Kaiser blieb fest bei seinem Entschlüsse und am 26. Juni 1866, als der Krieg mit Breussen bereits begonnen hatte, wurde der ungarische Landtag auf unbestimmte Zeit vertagt. Es folgten nun schwere Kämpfe für Oesterreich. Italien, welches sich mit Preussen verbündet hatte, wurde zwar am 24. Juni bei Custozza und 18. Juli bei Lissa besiegt, aber 67* um so unglücklicher war der Feldzug in Böhmen gegen Preussetl, denn Oesterreich erlitt am 3. Juli eine grosse Niederlage bei Königgrat/., der dann die Präliminarien von Nikolsburg, 26, Juli, und der Prager Friedensvertrag, 23. August, folgten, durch welchen Oesterreich aus Deutschland hinausgedrängt wurde und Venetien au Italien abtreten musste. Oesterreich blieb nun auf sich angewiesen und glaubte jetzt den Nationalitätenstreit durch einen Ausgleich beendigen zu müssen. Der an Stelle des Grafen Mensdorff in das Ministerium des Auswärtigen berufene frühere sächsische Minister, Freiherr von Beust, suchte, nachdem Graf Belcredi, welcher die Monarchie in fünf nur durch die Personalunion mit einander verbundene Königreiche zerlegen wollte (!!), ausgeschieden war, atif der Grundlage des ,,Dualismus" die Monarchie neu aufzubauen. Er wurde am 7. Februar 1867 zum Ministerpräsidenten ernannt und am folgenden Tage der Ausgleich mit Ungarn in Wien mit Franz Deäk definitiv abgeschlossen, die Verfassung von 1848 wieder hergestellt und Graf Julius Andrassy beauftragt, ein ungarisches Ministerium zu bilden. Dasselbe wurde aus den Männern der Deak-Partei gewählt, leistete 15. März in Ofen dem Kaiser den Eid, und dieser wurde am 4. Juni als König von Ungarn gekrönt Mit Ungarn ward Siebenbürgen und 1868 auch Kroatien vereint. Darauf stellte die Regierung ebenfalls in Cisleithanien verfassungsmässige Zustände her. Am 22. Mai 1867 erfolgte die Eröffnung des Reichsraths, dem der Ausgleich mit Ungarn als vollzogene Thatsache vorgelegt wurde. Man revidirte die Februarverfassung von 1861 und veröffentlichte am 31. Dezember 1867 die neuen Staatsgrundgesetze, welche für das Volk und seine Vertreter die wichtigsten Rechte enthielten. Zugleich wurde für Cisleithanien am 30. Dezember das sogenannte „Doktorenministerium" ernannt, an dessen Spitze Fürst Carlos Auersperg trat. Für die den beiden Reichshälften gemeinsamen Angelegenheiten, das Auswärtige, die Finanzen und das Kriegswesen, wurde am 21. Dezember ein besonderes Reichsministerium ernannt. Reichskanzler „Reust" übernahm das Auswärtige, „Bebe" die Finanzen, Feldzeugmeister ,,v. John" und nach dessen baldigem Rücktritt Feldmarschalllieutenant „von Kuhn" das Kriegswesen. Bei der formellen Auseinandersetzung zwischen Cis- und Transleithanien, über welche durch Deputationen des Reichsraths und des Reichstags verhandelt wurde, einigte man sich dahin, dass die gemeinsamen Ausgaben zunächst aus dem Ertrage der Zölle bestritten, der Rest aber, mit 70 Prozent von der cisleithanischen, mit 30 Prozent von der ungarischen Reichshälfte zu tragen sei. Diese Abmachung sollte zunächst auf „10 Jahre" gelten, worauf dann das Quotenverhältniss abgeändert werden konnte. Dagegen ward ein unabänderliches und definitives Abkommen bezüglich der gemeinsamen Staatsschuld getroffen. Nach diesem sollte die cisleithanische Reichshälfte von den Zinsen 25 Millionen Gulden tragen und der Rest zwischen beiden Reichshälften im Verhältniss von 70 und 30 Prozent getheilt werden. Diese Summe berechnete man für das Jahr 1868 auf 109 resp. 36 Millionen Gulden; vom Jahre 1869 an sollte aber Ungarn nur einen jährlichen festen Beitrag von 29 Millionen Gulden zur Verzinsung leisten. Die bisherigen verschiedenen Staatsschulden-titel sollten in eine einheitliche Staatenschuld umgewandelt werden, was im Juni 1868 durchgeführt wurde. Vom Jahre 1869 konnten nur mit Zustimmung beider Parlamente Anleihen auf gemeinsame Rechnung und zu gemeinsamen Zwecken gemacht werden, dagegen hatte im übrigen sowohl die cisleithanische wie die ungarische Finanzverwaltung für ihren eigenen, besonderen Bedarf zu sorgen. Nachdem das Schlussprotokoll 26. September von beiden Deputationen genehmigt und unterzeichnet war, wurden die vereinbarten Gesetzvorlagen über die beiderseitigen Beitragsquoten und die gemeinsame Staatsschuld, sowie der Entwurf eines Zoll- und Ilandelsbündnisses am 5. Oktober dem ungarischen Reichstage und am 8. Okt. dem Reichsrathe unterbreitet, welche dieselben genehmigten. Ueberein-stimmend mit den Verfassungsverhältnissen und dem Ausgleich mit Ungarn ordnete ein kaiserliches Handschreiben vom 14. Nov. 1868 die Titelfrage derartig, dass der Monarch von nun an den Titel „Kaiser von Oesterreich, König von Ungarn führe und die Monarchie alternativ die Bezeichnung „Oesterreichisch-Ungarische Monarchie'' und „Oesterreichisch-Ungarisches Reich erhalte Am nothwendigsten, aber auch am schwierigsten war die Regehing der kirchlichen Verhältnisse, oder die „Konkordatsfrage." Die durch die Staatsgrundgesetze garantirte Glaubensund Gewissensfreiheit konnte unter der Herrschaft des Konkordats nicht aufkommen. Entweder war die neue Verfassung nur ein Schein oder das Konkordat musste aufgehoben werden! Letzteres verlangten 1867 mehrere Mitglieder des Abgeordnetenhauses; andere wieder begnügten sich vor der 1 [and mit der Durchführung der drei „konfessionellen Gesetze", welche den Boden des Konkordats untergraben sollten. Die Mehrheit des Abgeordnetenhauses entschied sich aber für letzteres Verfahren. Darauf brachte die Regierung drei Gesetzentwürfe ein 11. z. das „Ehegesetz" sollte das Eherecht des bürgerlichen Gesetzbuches wieder herstellen, die Gerichtsbarkeit in Ehesachen den Geistlichen abnehmen, den weltlichen Gerichten zurückgeben und die facul-tative Civilehe einführen; das „Schulgesetz" hatte die Bestimmung, die Leitung des Unterrichtswesens, mit Ausnahme des Religionsunterrichts, der Geistlichkeit zu entziehen und dem Staate zu übergeben; schliesslich das „inter-confessionelle Gesetz" sollte das Religionsbekenntniss der Kinder bei gemischten Ehen, den Uebertritt zu einer andern Konfession, das Begräbniss u. s. w. regeln. — Diese drei Entwürfe wurden vom Abgeordnetenhause angenommen, vom Herrenhause nach heftigen Kämpfen genehmigt und vom Kaiser am 25. Mai 1868, wenn auch mit Widerstreben, sanctionirt. -- Pius IX. erklärte aber in seiner Allokution vom 22. Juni 1868 „diese Gesetze sammt ihren Folgerungen für durchaus nichtig und immerdar ungültig! In Folge dessen entbrannte nun ein heftiger Kulturkampf, in welchem die Regierung mehr Geduld als Energie entwickelte! — Auch an Depeschen zur Abweisung der päpstlichen Uebergriffe Hess es Beust nicht fehlen, aber den korrekten Worten mangelte der Nachdruck. — Ausserdem nahmen während der Reichsrathssession von 1868 hauptsächlich die Verhandlungen über die Finanzen und das Heerwesen die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch. Nach längerer Debatte kam am 6. Juni 1868 der Beschluss zu Stande, dass die neue uniflcirte 5 procentige Staatsschuld mit einer Koupon-steuer von 16 Procent oder, wenn man die Modalitäten der Unifikation in Betracht zieht, von 20 Procent, welche nicht erhöht werden kann, belastet würde. Der Rest des Defizits sollte auf dem Wege der Besteuerung, doch mit Ausschluss der Vermögenssteuer, gedeckt werden. — Die auswärtigen Staatsgläubiger Oesterreichs waren über diese Zinsenreduktion begreiflicherweise sehr unzufrieden und suchten selbst diplomatische Vermittlung nach, aber ihre Bemühungen blieben ohne Erfolg, und die Kursnotirungen im Laufe des Jahres bewiesen, dass der Kredit Oesterreichs trotz jener Massregeln nicht sank, sondern sich eher wieder hob. Ueberdiess wurden allmälig verschiedene Steuererhöhungen sowie ein massenhafter Verkauf von Staatsgütern vorgenommen, wodurch es Brestel gelang, im Budget für 1870 das tatsächliche Deficit auf 3—4 Millionen Gulden herabzumindern. Die grösste Sorge bereitete den Staatsmännern Oesterreichs die Nationalitätenfrage und der Umstand, dass die Beschickimg des Reichsrathes in den Händen der Landtags- 1064 Oesterreich-Uny.ini majorität lag. Die Czechen Böhmens und Mährens hatten sich von dem Reichsrathe ganz zurückgehalten und ihre nationale und staatsrechtliche Agitation fortgesetzt. — Als am 22. Aug. 1868 die 17 Landtage Cisleithaniens wieder eröffnet wurden, gab es neue nationale Demonstrationen, ja in Galizien beschloss die polnische Majorität sogar am 24. September eine Resolution, welche eine fast unbeschränkte Autonomie des Königreichs unter Oberleitung eines galizischen Ministers oder Hofkanzlers, mit eigenem obersten Gerichts- und Kassationshot und eigenem Provinzialfonds, sowie die Alleinherrschaft des polnischen Elements forderte. Infolge dessen wurde der Statthalter Graf Goluchowski entlassen. — In Böhmen und Mähren zogen sich die Czechen jetzt auch von den Landtagen zurück und übergaben in Brag am 23. Aug., in Brünn 25. Aug. sogenannte „Deklarationen", worin sie die Intregität und Selbstständigkeit der böhmischen StWenzels-Krone verfochten und die Wiederherstellung des „böhmischen Staatsrechts" als Vorbedingung eines Ausgleichs mit der Krone bezeichneten. Doch protestirten am 19. und 24. September die Landtage von Schlesien und Mähren gegen den geplanten staatsrechtlichen Verband mit der Krone Böhmens. Auch schaffte der böhmische Landtag den 1866 eingeführten cze-chischen Sprachenzwang wieder ab, und als die Czechen Ex-cesse begingen, wurde am 10. Oktober der Belagerungszustand über Prag verhängt. Der Kaiser schloss am 15. Mai 1869 die Session des Reichsrathes, welche fast zwei Jahre gedauert, und, abgesehen von dem Ausgleich mit Ungarn, die politische und wirth-schaftliche Neugestaltung Oesterreichs bedeutend gefördert hatte. — Am 29. Mai erfolgte ein neues Zugeständniss für Galizien, welches darin bestand, dass statt der deutschen Sprache die polnische erhoben wurde. Aber die Bolen waren damit noch keineswegs befriedigt, und in Böhmen wurden die Czechen seit dem am 28. April erfolgten Belagerungszustande. immer anspruchsvoller und tumultarischer. Diese nationale Opposition fand jetzt rückhaltlose Unterstützung bei den Feudalen und Klerikalen, die sich durch die neue Gesetzgebung verletzt fühlten, und sie wurde noch mehr ermuthigt, als man bemerkte, dass innerhalb des Bürgerministeriums selbst eine Minorität u. z. TaafTe, Potočki, Berger, im Fänverständniss mit Beust, einen versöhnlichen Ausgleich mit den widerstrebenden Nationalitäten befürwortete. — Im Oktober 1869 erhoben sich in Dalmatien die „slawischen Bochesen", welche bisher keine Steuern gezahlt hatten und nun durch Fanführung der Landwehr manche ungewohnte Last auf sich nehmen sollten. Unterstützt von ihren Stammesgenossen in Montenegro und der Flerzegowina zwangen sie nach mehreren günstigen Treffen die wenigen österreichischen Truppen zur Rückkehr nach Cattaro. Der neu ernannte Oberbefehlshaber Feldmarschall-Lieutenant Rodich vermittelte darauf ein Ueber-einkommen mit den Insurgenten, den sogenannten Fri eden von Kneylac, i 1. Januar 1870. Die Insurgenten unterwarfen sich, „erhielten volle Amnestie und jeder 40 FL", und von der Durchführung des Land wehrgesetzes ward thatsächlich Abstand genommen! Am 13. December 1869 fand die abermalige Eröffnung des Reichsrathes in Wien statt, welche auf einen Kompromiss der beiden Parteien innerhalb des Bürgerministeriums beruhte. Doch hielt diese Einigkeit nicht lange an, denn die Frage der Verfassungsrevision spaltete dasselbe und eine Majorität von fünf Ministern verlangte die Lösung der Revision durch den bestehenden Reichsrath, während eine Minorität von drei und der nach Allersbergs Ausscheiden [868 zuerst provisorisch, dann definitiv zum Ministerpräsidenten ernannte Graf Taaffe einen Reichsrath adhoc einberufen und durch diesen jene Frage entscheiden lassen wollte. Die Majorität überreichte daher am (8. December 1869, die Minorität am 24. Dec. dem Kaiser ein Memorandum und am 15. Mai 1870 nahm das Herrenhaus eine im Sinne der Kabinetsmajorität gefasste Adresse an, worauf der Kaiser noch am gleichen Tage das Entlassungsgesuch Taaffe's, Potocki's und Berger's aceeptirte und ein neues Ministerium ernannte. In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 2. Januar beantragte Rechbauer die Aufhebung des Konkordats. Der Antrag fand auch im Ministerium Beifall, doch erfolgte die Entscheidung erst am 13. Juli nach der ersten Abstimmung des vaticanischen Koncils. Unmittelbar nach derselben erklärte Stremayr in einem Ministcrrathe, dass mit dem blossen Faktum der Unfehlbarkeits - Erklärung das Konkordat hinfällig geworden sei, weil eine wesentliche Aenderung des einen Kontrahenten eingetreten sei, daher genüge es, das Konkordat in Rom als nicht mehr zu Recht bestehend zu bezeichnen und einfach zu kündigen. Darauf richtete der Kaiser am 30. Juli ein Handschreiben an Stremayr, worin er, auf die vollzogene Aufhebung des Konkordats hinweisend, den Minister zur Vorbereitung der nothwendigen Gesetzesvorlagen für den Reichsrath aufforderte. Bezüglich der „Wahlreform" entstand ein Zwiespalt im Ministerium, jedoch legte die Regierung am 30. März das so genannte Wahlnothgesetz vor, worauf für den Fall der Nichtannahme oder Zurückgabe der Reichsmandate direkte Reichs-raths-Wahlen eingeführt werden sollten. Der Ausschuss genehmigte am 31. März den Entwurf. Darauf erklärten die Bolen ihren Austritt aus dem Reichsrathe uod diesem Beispiel folgten am 31. März die Slowenen sowie die Abgeordneten aus Görz, Triest, Istrien und der Bukowina. — Iis blieben jetzt fast nur Vertreter deutscher Nationalitäten im Abgeordnetenhause, welche aber immerhin noch die beschlussfähige Zahl hatten. Jetzt verlangte das Ministerium die sofortige Auflösung sämmtlicher Landtage, deren Mitglieder den Reichsrath verlassen hatten, und als der Kaiser ablehnend antwortete, nahm es am 4. April seine Entlassung! — Diese wurde angenommen und Graf Potočki, früher Ackerbauminister, mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt. Da dieses Ministerium, das aufs neue die föderalistischen Wege Belcredi's einschlug, weder einen Vergleich mit den Czechen und Polen, die immer höhere Forderungen stellten, zu Stande brachte, noch mit dem zu einem Rumpfparlamente zusammengeschrumpften verfassungstreuen Reichsrath irgend etwas durchzusetzen vermochte, so wurden am 21, Mai das Abgeordnetenhaus sowie sämmtliche Landtage aufgelöst und die neuen Landtage auf den 20. und 27. August, der Reichsrath aber auf den 5. September einberufen. Beim Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870 war Oesterreichs Politik einigermassen zweifelhaft. Napoleon III. hoffte auf die Allianz Oesterreichs und Italiens, jedoch der Reichs-Ministerrath unter Vorsitz des Kaisers be-schloss am 18. Juli 1870 vorderhand eine beobachtende, zu wartende Neutralität; gleichzeitig wurde aber trotz der Fdnanzklemme gerüstet. Bei der deutschen Bevölkerung Oesterreichs behielt die Sympathie für Deutschland das entschiedene Uebergewicht und äusserte sich auf das Freudigste über die deutschen Siege. Die Ungarn, Bolen, Czechen u. s. w. sympathisirten dagegen mit Frankreich. Doch bei den raschen Erfolgen der deutschen Waffen und der deutschfreundlichen Haltung Russlands konnte die kriegslustige Partei am Wiener Hofe, welche für die Niederlagen des Jahres 1866 jetzt Rache nehmen wollte, nicht die Oberhand gewinnen. Die Unterredung des preussischen Gesandten von Schweinitz, 5. Dec, mit Beust und die Depesche Bismarcks an Beust, 14. Dec. kündigten der österreichischen Regierung die Neugestaltung der staatlichen Verhältnisse Deutschlands und den Wunsch eines guten Einvernehmens mit Oesterreich an, worauf Beust am 26. December zustimmend antwortete. Am 20. August 1870 wurden die meisten Landtage eröffnet. In Böhmen ging die czechisch-feudale Majorität so weit, dass sie nicht nur die Reichsraths wählen verweigerte, sondern auch die Rechtsbeständigkeit des gegenwärtigen böhmischen Landtags bestritt. Auch eine wiederholte Aufforderung, die Reichsrathswahlen vorzunehmen, blieb erfolglos, worauf der böhmische Landtag vertagt und am 6. Oktober direkte Nothwahlen zum Reichsrath in Böhmen ausgeschrieben wurden. Diese ergaben 36 Feudale und Deklaranten, welche von ihrem Mandat keinen Gebrauch machten, und 24 Verfassungstreue, durch deren Zutritt die Verfassungspartei im Abgeordnetenhause die Mehrheit gewann. Im Herrenhause wurde die von dem Grafen Anton Auersperg entworfene Adresse, welche auf ein förmliches Misstrauens-votum gegen das Ministerium hinauslief, am 17. November fast einstimmig angenommen. Nachdem auch das Abgeordnetenhaus, 19. November, eine ähnliche Adresse votirt hatte und die Delegationswahlen von beiden Häusern vorgenommen worden waren, wurde der Reichsrath, 22. November, vertagt und das Ministerium Potočki reichte am 23. November seine Fmtlassung ein, jedoch zog sich diesmal die Ministerkrisis in die Länge und erst am 7, Februar 1871 erhielt das Ministerium Potočki die erbetene Entlassung, worauf ein neues Kabinet ins Amt trat. — Dieses Kabinet zeigte durchweg föderalistische, feudalklerikale und deutschfeindliche Tendenzen. Das Abgeordnetenhaus bewilligte nur auf einen Monat die Forterhebung der Steuern und im Herrenhause protestirte man gegen Ausbreitung der provinziellen Autonomie, die das Ansehen des Reichs verkürzen würde. Tags darauf. 25. Febr., fand in Wien eine Versammlung der deutsch-liberalen Partei statt, welche von mehr als 200 Theilnehmern aus den slawischdeutschen Kronländern besucht wurde, und auf dieser beschloss man einstimmig eine Resolution, die den Föderalismus perhorrcscirte. Bald traten auch die Absichten des Kabmets klar zu Tage, denn zunächst ging dem Reichsrathe eine Vorlage zu, bezüglich der Erweiterung der Gesetzgebungs- Initiative der Landtage, die im Verfassungsausschusse und im Abgeordnetenhause verworfen wurde. Dann folgte eine Vorlage, betreffend die Autonomie Galiziens, wodurch der grossere Theil der galizischen Landtagsresolution zugestanden werden sollte. Und im Verfassungsausschuss erklärte Graf Hohenwart, 10. Mai, dass, wenn die böhmische Opposition sich mit ähnlichen Concessionen zufrieden geben wollte, eine entsprechende Vorlage auch, betreffend Böhmen, eingebracht werden solle. Diese Erklärung erregte einen allgemeinen Sturm des Unwillens, und das Abgeordnetenhaus beschloss, 26. Mai, eine Adresse an den Kaiser, welche, von dem Exminister Herbst redigirt, rückhaltlos das Misstrauen der Verfassungspartei gegen die Regierung aussprach und gegen föderalistische Experimente in Oesterreich als unvereinbar mit der Parität beider Reichshälften, Verwahrung einlegte. Aber dieser Schritt blieb erfolglos, denn der Kaiser antwortete am 30. Mai, dass das Ministerium durch sein volles Vertrauen gestützt sei! Unter diesen Umständen zerbröckelte die Majorität des Abgeordnetenhauses. — Nachdem die Budgetvorlage in beiden Häusern durchgegangen war, hatte das Kabinet Hohenwart tatsächlich freie Hand und vertagte den Reichstag am 10. Juli. Eine am 12. Mai von 28 österreichischen Kirchenfürsten dem Kaiser überreichte Denkschrift, bezüglich der Wiederherstellung der weltlichen Gewalt des Bapstes änderte jedoch nichts an der Haltung der österreichischen Bolitik gegenüber Italien. — Das freundschaftliche Verhältniss zum deutschen Reiche ward durch die persönlichen Zusammenkünfte der beiden Monarchen in Ischl und Salzburg am 11. August und 6. September noch mehr befestigt. Mittlerweile war Graf Hohenwart bestrebt, den parlamentarischen Widerstand der Verfassungspartei gegen seine böhmischen Ausgleichspläne zu brechen. Sowie die Vorverhandlungen mit den Czechenführern zum Abschluss gediehen waren, verfügte ein kaiserliches Patent vom n. August die Auflösung des Abgeordnetenhauses und derjenigen Landtage, in welchen die „Verfassungspartei" die Mehrheit hatte. Bei den Neuwahlen für die Landtage stellte sich eine Niederlage für die „Verfassungspartei" heraus, weil die Regierung im Verein mit den Klerikalen, Feudalen und Föderalisten gegen sie agitirte. Am 14. Sept. wurden die Landtage sämmtlicher deutsch-slawischer Kronländer eröffnet. Im böhmischen Landtage kamen jetzt die Abmachungen Hohenwart's mit den Czechenführern zur Vorlage und ein kaiserliches Reskript vom 12. September erkannte das sogenannte böhmische „Staatsrecht" grundsätzlich an. — Die cze-chisch-feudale Majorität wählte nun einen Ausschuss von 30 Mitgliedern, um die staatsrechtlichen Forderungen Böhmens und dessen Verhältniss zu den übrigen Königreichen und Ländern zu formuliren und zu regeln. Am 7. Oktober legte diese Com-mission ihren Entwurf vor, der über alle Erwartungen und Befürchtungen hinausgieng. In 18 Fundamental-Artikeln war eine ganz neue Verfassung zunächst für Böhmen, im wreiteren aber für die ganze cisleithanische Reichshälfte ausgearbeitet u. z. auf durchaus föderalistischer Grundlage. Diese Fundamental-Artikel nahm der böhmische Landtag, aus welchem am 16. September sämmtlichc deutsche Abgeordneten ausgetreten waren, einstimmig an, nebst einer Adresse an den Kaiser mit der Bitte, dieses neue böhmische Staatsrecht durch einen Majestätsbrief zu verkünden, und unter den Schutz des Krönungseides zu stellen. Auch die Landtage von Mähren, Krain und Tirol beschlossen am 13. Oktober ihrerseits Adressen an den Kaiser, die eine föderalistische Neugestaltung der cisleithanischen Reichshälfte befürworteten. — Das ganze Staatsgebäude Oesterreichs schien jetzt aus den Fugen zu gehen, und die Aufregung der Deutsch - Oesterreicher, von der unter Anderm eine Studentendemonstration gegen den Unterrichtsminister Jirecck in der Wiener Aula vom 9. Oktober zeugte, steigerte sich bis auf den höchsten Grad; so wurden z. B. im niederösterreichischen Landtage am 10. Oktober die heftigsten Worte gegen Minister Schäffle geschleudert. — Das Ministerium beeilte sich nun die Landtage am 14. Okt. zu schliessen. — Alles kam jetzt auf den Entschluss des Kaisers an, entschied sich dieser für die Pläne Hohenwarts, so war Oesterreich einem Abgrunde nahe! — Eine Eingabe Beust's an den Kaiser nach Ischl hatte zunächst die Folge, dass dem von Hohenwart entworfenen Antwortschreiben auf die böhmische Landtagsadresse die kaiserliche Genehmigung versagt wurde. — Nachdem der Kaiser Franz Josef nach Wien zurückgekehrt und auch Graf Andrässy auf telegraphische Ordre daselbst eingetroffen war, wurde am 20. Oktober die Frage in einem grossen Ministerrathe verhandelt. — Graf Andrässy, der in diesem Ausgleich mit den czechischen Slaven für das 4 Mill. Slaven zählende Ungarn nichts als Gefahren sah, sprach sich gegen den Ausgleich aus und weitere Verhandlungen mit Rieger und Martinicz führten zu keinem Resultat. Am 21. Okt. entschied sich schliesslich der Kaiser für Beust und gegen Hohenwart mit der Erklärung, dass der ungarische Ausgleich und die Decemberverfassung nicht angetastet werden dürften und dass die böhmischen Fundamental - Artikel zur Vorlage im Reichsrathe nicht geeignet seien. Auf dieses hin nahm das Ministerium Hohenwart am 26. Okt. seine Entlassung, welche auch am 30. Okt. bewilligt wurde. — Der böhmische Landtag, dem ein kaiserliches Reskript vom 30. Okt. vorgelegt wurde, beharrte jedoch in seiner Erklärung vom 8. Nov. auf seiner staatsrechtlichen Anschauung. Am 6. Nov. reichte auch der Reichskanzler Graf Beust seine Entlassung ein, die vom Kaiser bewilligt wurde. Ihm folgte im Amte „Graf Andrässy", an dessen Stelle „Graf Lönyay" zum ungarischen Ministerpräsidenten ernannt wurde. Die Bildungeines cisleithanischen Ministeriums ward dem „Fürsten Adolf Auersberg" übertragen, dessen Programm die deutsche Verfassungspartei billigte. In Böhmen wurden direkte Reichsraths AVahlen ausgeschrieben und die Landtage von Bukowina, Mähren, Oberösterreich, Krain und Vorarlberg aufgelöst; in den erst genannten drei Provinzen verschafften die Neuwahlen der Verfassungspartei wieder Ueb er gewicht. Am 28. Dec. wurde der Reichsrath vom Kaiser eröffnet. — Anlang 1872 begann die Adressdebatte im österreichischen Abgeordnetenhause, welche die Ueberein-stimmung desselben mit der neuen Regierung zum Ausdruck brachte. Gleichzeitig wurde aber um so dringender die Wahlreform betont. Die Regierung sagte sich von der die Selbständigkeit Galiziens fordernden Resolution los, die sie als unausführbar erklärte. In diesem Sinne wurde die Reichseinheit streng betont, ebenso wie im ungarischen Reichstage der Antrag auf „Bildung einer ungarischen selbständigen Armee" abgelehnt wurde. — Um den fortgesetzten Bestrebungen der Landtage, durch Verweigerung der Reichsrath-Beschickung die Centrai-Gesetzgebung und die Verfassung in Frage zu stellen, einen Damm entgegen zu setzen, legte die Regierung am 9. Februar 1872 im österreichischen Abgeordnetenhause ein „Not h Wahlgesetz" vor, das die Bestimmung hatte, überall dort, wo die Landtagsmajoritäten die Wahl in den Reichstag verweigerten, in den Wahlbezirken direkte Reichsraths wählen vornehmen zu lassen. Dieses Gesetz wurde am 20. Febr. und 5. März von beiden Häusern mit zwei Drittel Mehrheit angenommen. — Im Mai löste die Regierung den Landtag Böhmens auf und schrieb sofort Neuwahlen aus, wobei die deutsche Verfassungspartei siegte, Da die Czechen nicht erschienen, so wurden die Vorlagen, darunter Entwürfe zum Schulgesetze, rasch erledigt. — Die Neuwahlen in Ungarn zum Abgeordnetenhause verschafften der Deak-Bartei ein entschiedenes Ueber-gewicht. Dagegen lieferten die Wahlen in Kroatien ein un- günstiges Ergebniss für die Regierung. — Am 4. September erfolgte die Eröffnung des ungarischen Reichstages in Ofen, der zahlreiche Reformvorlagen berathen sollte. — In dem Budgetausschusse der Delegationen erklärte Andrässy seine Politik als eine „mit gebundener Marschroute", dessen Ziel die Erhaltung des Friedens, basirt auf die Abmachungen der drei Kaiser-Zusammenkunft sei. Trotzdem wurde nach lebhaften Debatten der Friedenspräsenzstand der Armee um 28760 Mann erhöht. — Am 5. Nov. erfolgte die Eröffnung sämmtlicher cisleithanischer Landtage, von denen jedoch der Innsbrucker wegen einer Demonstration der kleri kalen Abgeordneten wieder geschlossen wurde. Nach stürmischen Verhandlungen im ungarischen Unterhause, deren Ziel der Ministerpräsident Lönyay war, gab der letztere seine Entlassung, und der Handelsminister Slavv wurde mit der Bildung eines neuen Kabinets betraut. — Am 12. Dec. 1872 begann auch das Abgeordnetenhaus in Wien wieder seine Sitzungen und wurde demselben das Gesetz über die „Wahlreform" vorglegt, welches noch im März von beiden Häusern angenommen, am 2. April 1873 die Sanktion des Kaisers erhielt. Damit war nun auch in Cisleithanien nach 12jährigen Ver-fassungskämpfen und fortwährenden föderalistischen und separatistischen Bestrebungen der einzelnen Theile gegen das Ganze die Einheit des Reiches auch parlamentarisch ausgedrückt, das Volk in die Lage gesetzt, die Deputirten direkt in den Reichsrath zu wählen, die unnatürliche Verbindung von Landtags- und Reichsrathsmandaten waren damit aufgehoben und das Staatsbewusstsein neu belebt! Am i. Mai eröffnete der Kaiser die „Weltausstellung" in Wien, welche aber eine starke Einbusse durch den am 9. Mai eingetretenen grossen wirthschaftlichen „Krach" erfuhr. In Folge dieser Katastrophe, die den Zusammenbruch zahlreicher Bank- und Kreditinstitute nach sich zog, wurde zeitweilig die Börse geschlossen, vor der es zu tumultarischen Szenen ge- Oesten eich-Ungam 68 kommen war. Auch blieb der „Krach" nicht ohne empfindliche Nachwirkung auf die Industrie, besonders aber auf die Luxusindustrie, den feineren Konsum und den Absatz künstlerischer Produkte. — Von den 147 Aktiengesellschaften, die bis zum Tage des Kraches in Oesterreich-Ungarn ins Leben getreten waren, verschwanden bis Ende des Jahres 1876 96, davon allein 8 in Wien! — In demselben Verhältniss machte sich auch die Krise auf dem Gebiete der Baugesellschaften, Baubanken und Eisenbahnunternehmungen geltend, von denen ein grosser Theil die Staatssubvention in Anspruch nehmenmusste, während andere wieder völlig „nothleidend" geworden waren. — Um in dieser Periode allgemeiner wirtschaftlicher Panique grosse solide Unternehmungen vor dem Zusammenbruche zu bewahren, Kredite zu gewähren und die Papiere zu belehnen, wurden Gegenmassregeln, wie die Suspension der Bankakte, die Gründung von Aushülfscomites in Wien und in den Provinzen ins Leben gerufen. —- Der grosse Krach verhinderte aber doch nicht, dass Wien im Sommer 1 873 der Centraipunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit war, denn die Besuche des deutschen Kronprinzen und des Prinzen von Wales bei der Eröffnung der Weltausstellung, sowie später die des Kaisers Alexander von Russland und des deutschen Kaisers in Begleitung des Fürsten Bismarck trugen wesentlich dazu bei, die Beziehungen Oesterreichs zu den Nachbarstaaten inniger zu gestalten. Von noch grösserer Bedeutung war aber der Besuch des Königs Viktor Emanuel II. von Italien in Wien, 17. bis 22. September, als Zeichen der Aussöhnung zwischen Oesterreich und Italien. — Am 2. November erfolgte der Schluss der Ausstellung. Ein Flrlass des Kultusministers Stremayr zwang die Lehrer, an den obligatorischen Religionsübungen der katholischen Schüler theilzunehmen, und als der Ausschluss des österreichischen Lehrertages mit Berufung auf 14 des Staatsgrundgesetzes dagegen protestirte, verhängte der Minister Absetzungen und Verwarnungen. — Den Jesuiten in Innsbruck wurde zwar ihr Privilegium, die dortige theologische Fakultät ausschliesslich mit Mitgliedern ihres Ordens zu besetzen, entzogen, aber diese Massregel wurde durch die weitere Bestimmung, dass diese Professuren allen qualificirten Persönlichkeiten, welche den Staatsbürger- und Diensteid leisten, zugänglich seien, wieder parallysirt.— Im Herbste begann die Wahlkampagne für den ersten „direkt" gewählten Reich s-rath, nachdem ein kaiserliches Patent vom 7. September den alten, indirekt gewählten Reichsrath aufgelöst und das neue Parlament für den 4. November einberufen hatte. Aus den Wahlen gingen 227 Abgeordnete der Verfassungspartei hervor, denen 126 Oppositionelle der verschiedensten Fraktionen und Niitionalitäten gegenüberstanden, deren F'ührer der frühere Ministerpräsident Graf Hohenwart war. Mit Ausnahme der Czechen aus Böhmen war das ganze Reich im Reichs-rathe vertreten. Diese blieben dem Reichsrathe auch in der F"olge fern und verloren dadurch in jeder Session ihre jährlich wiedergewonnenen Mandate. — Am 10. November 1873 konstituirte sich das Abgeordnetenhaus und wählte Rechbauer zum Präsidenten. -- Bereits am 11. legte Minister Bretis dem Parlamente einen Gesetzentwurf vor, nach welchem die Regierung ermächtigt sein sollte, eine Silberanleihe bis zur Höhe von 80 Millionen Gulden aufzunehmen, um den Fdsenbahnbau zu fördern und Vorschusskassen zur Erleichterung des Handels- und Gewerbebetriebes zu errichten. — Unter den Czechen in Böhmen trat eine Spaltung zwischen „Altczechen" und nationalliberalen „Jungezechen" ein, welch' letztere gegen die Verbindung der Nationalen mit dem Klerus und dem feudalen Grossadel Böhmens protestirten, die Passivitätspolitik verwarfen und schliesslich sogar 1875 in den Landtag traten. — Am 21. Januar 1874 brachte der Kultusminister Stremayr vier kirchenpolitische Gesetzentwürfe ein: die Regelung der äusseren Rechtsverhältnisse 1076 (tetterreich-Uugarn. der katholischen Kirche, das Klostergesetz, die Regelung der Beiträge des Pfründenvermögens und die gesetzliche Anerkennung der Religionsgenossenschaf, ten. — Der Episkopat hatte sich auf Veranlassung des Papstes welcher sich mit einer Encyclica vom 7. März gegen die konfessionellen Gesetze ausgesprochen und ein Handschreiben an den Kaiser gerichtet hatte, zu einem Protestmemorandum ver. einigt, und sämmtliche Erzbischöfe und Bischöfe, sowie die klerikal-feudalen Aristokraten erschienen im 1 lerrenhause, um die Vorlagen zu bekämpfen und gegen sie zu votiren. - Trotzdem wurden diese Gesetze nach stürmischen Debatten im Abgeordnetenhause angenommen und im Herren-Ii ause, mit Ausnahme des Klostergesetzes, genehmigt, worauf sie am 7. und 20. Mai, mit Ausnahme des Klostergesetzes, die kaiserliche Sanktion erhielten. Letzteres Gesetz, das schliesslich erst in der Session von 1876 vom I lerrenhause mit einigen Amendements angenommen und in dieser Fassung vom Abgeordnetenhause am 21. Februar genehmigt wurde, fand aber nunmehr Widerstand beim Ministerium, das erklärte: es in dieser Form dem Kaiser nicht zur Sanktion vorlegen zu wollen. — Im Februar 1874 erwiderte Kaiser Franz Josef den Besuch des Czaren in Betersburg, und im April 1875 den des Königs von Italien in Venedig. Auch die Verhältnisse im Innern des Reiches konsolidirten sich durch die nach oben wie unten von Vertrauen begleitete Stellung der Regierung. — Von grosser Bedeutung war die Reise des Kaisers nach Dalmatien, im April 1875, denn in Folge derselben wurden dann die dalmatischen Staatsbahnen in Angriff genommen. Die dalmatischen Slaven glaubten aber irrthümlich, dass dieser Kaiserbesuch eine nationale Aufmunterung sei und unterstützten daher bald darauf den in der Herzegowina ausgebrochenen Aufstand. ■ Durch die Erklärung des Führers des linken Centrums, „Koloman Tisza", dass seine Partei den Widerstand gegen den Ausgleich von 1867 aufgebe, wurden die Parteiverhältnisse in Ungarn beträchtlich verschoben und es bildete sich eine grosse „liberale Partei", in Folge dessen das 1874 eingesetzte Ministerium seine Demission nahm und Freiherr von Wenkheim 1875 an die Spitze eines neuen Kabinets trat. In diesem ward Tisza zuerst Minister des Innern und später Präsident. Die Neuwahlen sicherten der liberalen Partei und dem Ministerium eine grosse Majorität, daher war der Tod F'ranz Deäks, am 28. Januar 1876, der als Staatsmann einen mässigenden Einfluss ausübte, ein um so härterer Schlag für die gemässigten Elemente. Während der Insurrektion in den slavischen Ländern der Türkei und des serbischen, sowie russisch - türkischen Krieges, 187677, etablirtc Oesterreich - Ungarn nur einen Grenzkordon nahm aber die zahlreichen Flüchtlinge aus den türkischen Provinzen in Kroatien und Dalmatien gastlich auf, wodurch dem Staate grosse Kosten erwuchsen. — Noch mehr wurden die Staatsfinanzen durch die vollständige Umgestaltung des Geschützwesens und Einführung der Uchatius-kanonen in Anspruch genommen. Natürlich blieb all' dies nicht ohne empfindlichen Einfluss auf die Finanzen jeder einzelnen Reichshälfte. In Cisleithanien zeigte der Budgetanschlag für 1876 ein Defizit von „über 24 Millionen", was eine Erhöhung der Stempel- und Gebührensteuer nothwendig machte. — Obwohl der „zehnjährige Ausgleich" erst mit Dezember 1877 ablief, kündigte Minister Tisza bereits 28. November 1875 das Zoll- und Handelsbündniss mit Oesterreich, wodurch mit Beginn des Jahres 1876 schon die Verhandlungen wegen des Ausgleiches zwischen beiden Reichshälften ihren Anfang nahmen. — Die Versuche in Cisleithanien, die „Ehc-gesetzgebung" aus der Initiative des Parlaments zu refor-miren, scheiterten an dem Widerstande des Justizministers, der in Bezug auf Ordensgeistliche die Ehehindernisse auch nach dem Austritt aus ihrem Orden aufrecht erhalten wollte, auch wurden alle Vorschläge auf Einführung der „obligatorischen Civilehe" von der Regierung bekämpft. — Die vom Abgeordnetenhause am 8. Februar [876 angenommene Ehegesetznovelle lehnte das Herrenhaus am 20. Februar 1877 ab. Durch einen Erlass des Ministeriums, 18. Oktober 1877, wurde die „alt-kathol i sc h e Religionsgesellschaft" staatlich anerkannt und die Konstituirung altkatholischer Kultusgemeinden bewilligt. Ferner wurde der gesammte Civilprozess reformirt und ein neues Strafrecht berathen. (Gegenüber der „orientalischen Frage" bildete das 1 Ireikaiser-bündniss den leitenden Faktor. Dieses Einvernehmen wurde neuerdings durch die Begegnung des Kaisers von Oesterreich mit dem Kaiser von Russland in Reichstadt am 8. Juli 1876, welcher bald darauf, 19. bis 21. Juli, die Zusammenkunft der Kaiser von Deutschland und (Oesterreich folgte, bekräftigt. — Im Oktober legte der Finanzminister dem Abgeordnetenhause Gesetzentwürfe über Modifikation der direkten Steuern vor. Diese grosse Frage der Steuerreform beschäftigte die Gesetzgebung auch noch das ganze Jahr 1877. Sie war viel mehr eine Ausgleichung als eine Erhöhung der Steuer-leistung und ging darauf hinaus, gewisse noch nicht steuerfällige Kreise und Interessen heranzuziehen. — Zu gleicher Zeit legte der Handelsminister einen Gesetzentwurf für Bewilligung eines Spezialkredits zur Sanirung nothl eidender Eisenbahnen, Ausbau von Staatsbahnen und Ankauf liquidirender Eisenbahnen ein. — Die beiden wichtigen Fragen des Jahres 1876, der Ausgleich mit Ungarn und die orientalische Frage, dominirten auch im Jahre 1877. Die Vorschläge über den Ausgleich waren, nachdem man sie diesseit wie jenseit der Leitha lange in den Konferenzen der Minister und in Parteikonferenzen besprochen hatte, endlich in die Parlamente gekommen, doch in Wien und Pest blieb die Frage trotz dem noch immer ungelöst. — Das erste Bankstatut, welches die österreichische Regierung vorlegte, wurde von einer Abge- ordnetenkonferenz vollkommen verurtheilt und das Kabinet Auersperg besass nicht die Kraft, die Mai-Stipulationen in der Hankfrage durchzusetzen, in Folge dessen es seine Demission einreichte, die aber vom Kaiser nicht angenommen wurde. Dasselbe that auch am S. Februar das Ministerium Tisza, weil es die Mai-Stipulationen nicht durchzubringen vermochte. Die cisleithanische Regierung änderte jetzt das Bankstatut und das neue Kabinet Tisza schloss endlich die Unterhandlungen ab. Am 23. April 1877 wurden die Ausgleichsvorlagen, mit Ausnahme des Zolltarifs, dem Reichsrathe vorgelegt, der die Prüfung derselben nun erneuert nach einjährigen resultatlosen Berathungen begann. Am 14. Mai traten auch die gesetzlich berufenen „Regnikolardeputationen" beider Parlamente in Wien zusammen. Vier Nuntien wurden gewechselt, aber es kam noch immer zu keiner Einigung, ebenso blieben die mündlichen Konferenzen fruchtlos, denn alles scheiterte an der Forderung Ungarns nach einer neuen Vertheilung der Steuerrestitutionslast, weil man das alte (juutenverhältniss 70:30 für die Bei. tragsleistungen zu den gemeinsamen Angelegenheiten beibehalten hatte, ja es gingen schliesslich beide Deputationen sogar wieder auf ihre ursprünglichen Forderungen zurück. Trotz alles Drängens der Ungarn blieb Oesterreich-Ungarns Haltung angesichts der orientalischen Frage eine friedlich beobachtende. Ende Juli 1877 stand die Monarchie hart an dem thätigen Eingreifen, die Mobilisirung war nahezu beschlossen, und erst der grosse Ministerrath vom 31. Juli suspendirte dieselbe, indem er gleichzeitig dem Minister des Auswärtigen für den Fall einer Gefährdung der österreichischen Interressen, Vollmacht zur Anordnung militärischer Vorkehrungen ertheilte. — In den am 5. Dezember 1877 in Wien eröffneten Delegationen erklärte Andrässy, dass Oesterreich nicht für den Status quo der Türkei einstehen und die christlichen Provinzen der türkischen Willkührherrschaft aus- Hefern wolle. — Nach dem Abschluss des russisch - türkischen Friedensvertrages von San-Stefano wirkte Andrässy für das Zustandekommen eines „Kongresses", um diejenigen Bestimmungen eines Vertrags, durch welche österreichische oder allgemein europäische Interessen verletzt würden, einer Berathung zu unterziehen. Indem sich Andrässy von dem Kriegseifer Fmglands fernhielt und mit Russland durch spezielle Verhandlungen ein Einverständniss erstrebte, suchte er an dem Drei-kaiserbündniss festzuhalten und stimmte für die Berufung des Kongresses nach Berlin. — Andrässys Antrag in den am 2. März 1878 zusamengekommenen Delegationen, um Bewilligung eines ausserordentlichen Kredits von „60 Millionen Gulden", welcher nicht die sofortige Mobilisirung, sondern nur die Möglichkeit, im Falle der Notwendigkeit das Geeignete vorzukehren, bezweckte, wurde von den Delegationen angenommen. Bezüglich des Ausgleichs fanden am 4. und 5. Mai 1878 unter dem Vorsitze des Kaisers wichtige Berathungen der Minister beider Reichshälften statt. Es kam zu einer definitiven Vereinbarung über sämmtliche Theile des neuen Ausgleichs, besonders über die Bankfrage, die Finanz-und Industriezölle. Und nach längeren Verhandlungen in den Ausschüssen der vier verschiedenen I läuser wu rde sc hl i ess lieh der Ausgleich auch in den beiden Parlamenten von Wien und Budapest angenommen. Auf dem „Berliner Kongress1', 1878, erhielt Oesterreich-Ungarn die Zustimmung der Mächte, Bosnien-Herzegowina zu besetzen, was denn auch schliesslich nach blutigen, heldenmütigen Kämpfen von Seiten der Truppen gelang. — Doch war ein grosser Theil der österreichisch-ungarischen Bevölkerung entschieden gegen diese Okkupation, ja die Opposition der Verfassungspartei gegen dieselbe und gegen die Erneuerung des ungarischen Ausgleichs war so gross, dass das Ansehen des Ministeriums Auersperg dadurch derartig geschwächt wurde, dass es sich veranlasst sah, 1879 seine Demission einzureichen, die auch vom Kaiser angenommen wurde. — Der hierauf zum Ministerpräsidenten ernannte Graf „Taaffe" bildete nun ein neues, aus Klerikalen, Polen und Czechen zusammengesetztes Kabinet, welches, da auch seit den Neuwahlen 1879 die Verfassungspartei im Reichsrathe bedeutend an Terrain verlorenhatte, mehr und mehr föderalistische Bahnen betrat und der klerikalen Partei, den Czechen und Polen wichtige Zugeständnisse machte. Nachdem Graf Andrässy 1879 von seinem Ministerposten zurückgetreten war, übernahm v. I Iaymerle und nach diesem 1881 Graf Kalnocky das Portefeuille des Ministeriums des Aeusseren, doch trotz dieses Wechsels verharrte Oesterreich-Ungarn nicht nur bei der von Andrässy angeknüpften Allianz mit Deutschland, sondern diese Beziehungen gestalteten sich auch noch von Jahr zu Jahr aufrichtiger und fester. Tabelle No. 1. üebersicht der an der k. k. Centnilanstalt für Meteorologie and Erdmagnetismus, Hohe Warte bei Wien (Seehöhe 202*3 Meter), im Jahre 1883 angestellten meteorologischen Beobachtungen, Luftdruck Tempe ratur der Luft in Graden £ 4 a , T u B ** Monat in Millimetern Celsius Iii Mittler- Norm. Höchste Niedrigste Mittlere N ormale Millim. Mittlerer Januar 74/~2 7457 io-o — 11-4 - - i-9 - 2-3 3-3 7'9 Februar 750'r> 744"5 9-8 — 6-i 17 0-2 4-0 8-8 März 739-8 7427 i4-5 — 10-5 02 3'9 3-5 8-9 April 743-0 7417 16-8 - 0-4 7-2 97 52 9-6 Mai 741-8 742-2 27-9 46 14-8 14-8 8-? 8-6 Juni 742-4 743-2 27-8 (75 .7-9 17-8 io-8 8-6 Juli *) 742-5 743-2 34' 1 9-4 190 19-6 "5 8-i August September 745'4 743-5 29-0 10-3 1*3 191 107 84 742-9 744-4 30-1 64 14-7 150 9-7 8-1 Oktober 746-1 744-4 i8-o o-o io-o 9-6 73 57 November 745-5 74f 13-0 — 4-2 3-9 34 5-1 5-2 Dezember 745-2 745-2 9-1 - io'o 09 - - 0-5 40 67 Jahr 744'4 743'7 34-1 — 114 8*9 9-2 6-9 8-o *) Wegen Reparaturen im Ohservatoriuinsloka le aus nur 19 1 Uewbachtungs- tagen abgeleitet e \Verthe. Monat Feuchtigkeit r % Win.lesrichtung " vor- Häufigkeit in Cahnen NiederschlagS-höhe in Millimetern 1 ijähr. Monats- herrschende StUlK en Jahr 34jährige Mittlere Mittel Mittel 1883 Mittel Januar 73 83 5'3 K bis WSW 393 53 39 35 Februar 78 80 6-6 E » WSW 322 44 33 36 März 73 70 5'3 W » ONO 544 ü 25 43 April 68 66 6-o w > ONO 547 8 39 42 Mai 64 68 5-8 w» ONO 579 564 16 62 64 Juni 70 67 5.\i w» ONO 19 114 66 Juli *) 68 67 4-6 w« ONO 333 14 40 ß5 August 67 70 3"5 w» ONO 628 26 51 72 Sq 'tumber 77 76 63 w» ONO 403 24 42 45 Oktober 80 81 7'° w» ONO 380 25 23 44 November «3 83 6-5 E 1 WSW 308 15 17 43 Dezember 80 83 7'4 W >:■ ONO 511 49 45 40 Jahr 74 75 5-8 W 1 ONO 5411 302 530 595 Tabelle ISo. Fleischpreise auf 4em Wiener Central- Yiehniarkl im Jahre 1883, in Fl ö. W. per inetr. Ctr. Fleischgericht Preis Mastochsen Höchster 65 64 63 6263 6565 66 68 68 '/,69 68 (niederster 50 48 48 51 55 V2 5*^ 00 6° 60 S() 54 /höchster — — —--— 6l 62 62 63 58 — 52 51 50 — Weideochsen niederster --— 61 --— 52 53 liewielil der Am Ende der Monate Brotsort en Kaisersemmel zu Mundsemmel » Weisses Brot Gemischtes Brot Schwarzes Brot Tabelle No. :J. irotsorten und Hrotpreise in Wien ISSiJ. funi Septbr, Dö Brotgi wicht in Dekagramm bis 6 Mi w. 2 kr von 4 bis 6"2 bis 6-2 1 5 7-5 5 7-8 5 7-8 ISrotpreise in Kreuzern per Kilogramm 16 29 14 29 14 29 13 22-5 12\3 22 12*3 22 . ICV3 l8 IO-2 l8 IO'2 l8 •ruber bis 6- 2 7- 8 14 29 12-3 22 IO-2 18 *) Wegen Reparaturen tagen abgeleitete Werthe. Ohservatoriumslokale aus nur 19 Beobachtung»- Detailpreise von Konsomtionagejgenetänden in Wien 1883. Nach Angahe des städtischen Marktkominissariates. Am Ende der Monate März J uni Septbr, Dez einher Artikel Einheit von H. ki bis . Ii. kr von . fl. ki bis fl. k von r. Ii. kr bis . fl. kr. von 11. kr bis fl. kr. Rindfleisch -46 P. r 05 - -46 -85 -46 — 90 -46 — 90 Kalbfleisch » -36 - 90- -4O — 90 — 50 -90 — 60 — 90 Schaffleisch » -4O -90- -44 -90 - 40 - 9O — 40 -90 Schweinfleisch » - 60 I-- - 60 I — — 60 I — -36 — SO Hasen Stück --. 1 20 I 80 — 80 I 60 Hirschfleisch kg - i— --- - 60 I IO - 60 I 20 -60 I 20 Karpfen - HO I-- -60 -90 -85 I — — 90 I — Hechte . » — 70 I 60 - - 70 I 60 -7O I 60 — 80 I 60 Auszugsmel » — 24 — 28- -24- — 28 -24 — 28 — 24 — 28 Mundmehl » — 22 -24- - 22 — 24 -- 22 - 24 — 22 — 24 Semmelmehl . » - i8- — 20 - - 18 - — 20 - l8 - 20 — 18 — 20 Gries — 24 — 28 - -24- — 28 — 24 — 28 — 24 — 28 Rollgerste . » _2 0 ■ -50- - 22 - - 50 — 22 — 50 __2 0 — 50 Erbsen . , » — 22 ■ — 28- - 22 ■ — 28 — 22 — 28 — 22 — 28 Linsen > - 26 -36- -26- -36 -26 -36 — 26 -36 Höhnen . — 18 — 20- - 18- — 20 - l8 - 20 — l8 — 20 Kartoffeln . 100 kg --- --- 6 — 9 50 3 — 4 — 3- 3 50 Milch . . Ltr. — 08 - 18- -08 — 18 — 08 — 18 - 08 — 18 Um i fl. 0. W. ei hiell man Stück: Eier . . . 34 40 37 4t 30 34 24 28 fl. kr. rt ki. fl, kr. 1 1. kr. Ii. kr. ll. kr fl. kr. rl. kr. Sauerkraut • kg — OS — 12 - - 08 — 12 — 08 — 1 2 — 08 — 12 Sauerrüben » — 08 — IO- -06- --IO -- --. — 08 — I 2 Heu . . mtr. ctr 2 40 689 2 50 679 2 — 5 29 I 79 5 39 Stroh . . > » 2 49 3 03 2 80 333 2 48 303 2 60 325 Brennholz, hartes, mo cm Rmtr. 5 — 7 - 5 — 7 — 5 — 675 5- 675 Brennholz, weiches, 100 cm Rmtr. 425 5 75 450 5 50 437.-, 5 5o 437.-. 5 50 Holzkohle, harte, Hl. l 10 1 30 1 3° 1 35 I 20 1 30 1 20 1 30 » w eiche, „ -- 1 — - -- 1 — -- 1 — -- 1 — Steinkohle, preuss. (üetailverkauf) 50kg -78 105- ~8o 105 — 80 105 — 80 105 Tabelle No. 4. bin- and Ausfuhr von Butter, Rindschinalz, Schweinfett etc. nach und ans dem allgemeinen öster.-iingar. Zollgebiete. Hinfuhr Ausfuhr Metr. Ctr. Butter, auch Rindschmalz und Kunstbutter 1882 1.218 58.751 1883 I.086 48.500 Schwein- und Gänsefett, Speck .... 1882 3.137 7.671 1883 293 3.132 Ein- und Ausfuhr von Mehl und Mahlprodukten nach und aus dein allgemeinen öster.-ungar. Zollgebiete. Mehl aus Getreide, Reis oder Hülsen- Metr. Ölfrüchten ..........1882 344.532 1,815.658 1883 21.451 1,846.690 Andere Mahlprodukte (gerollte, geschn >• tete, geschälte Körner; Graupen, Grütze, Gries)........1882 22.926 34468 1883 14.553 30.273 Tabelle No. 5. Ein- und Ausfuhr von Miuenilkohlen nach und aus dem allgem. österreichiscli-un^arischen Zollgebiete. Einfuhr Ausfuhr Metr. Centner. Lignite und Braunkohlen . . 1882 73-652 28,695.657 1883 642.497 31,320.881 Steinkohlen.......1882 21,390.589 5,996.497 1883 22,873.294 5,76i-034 Die Jahresdurchschnittspreise (Engrospreise) per metr. Ctr., loco Wien, Nordbahnhof, unversteuert, ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle: in Waggonladungen ab Rutsche kr. Ostrauer Stückkohle..... i fl. 22 kr. I fl. 28 » Würfelkohle I..... 1 » 19 1 I » 25 » » Nusskohle..... 1 » 10 » I » 14 » Schmiedekohle .... 1 » 10 » I » 14 t Kleinkohle..... — » 98 » 1 » 02 Preussische Prima-Stückkohle . . 1 » 18 » I n 28 » Sekunda Stückkohle . 1 » — » I » 10 Prima-Kleinkohle . . 1 » 02 » I » 06 » Sekunda-Kleinkohle . . — » 86 » — » 90 1 Tabelle No. 6. Ausfuhr von Holz und Holzwaaren aus Qesterreich-Ungarn in den nachbezeiehneten Jahren. Oesterreich-Ung. m. Lombardei u. Venetien ohne Lombardei und Venetien 1832 1837 1842 1847 1S52 1857 1862 1867 1872 1877 1S80 1SS1 1SS2 Werth in Millionen Gulden österreichischer Währung Brennkolz Werkholz 1 tölzerae SchilTe Gemeine Holzwaaren 0*247 Feine u. feinste Holz waaren m. Einschl. der Möbel aus gebogenem Holze . — — — —■ . „„ 0-653 0-506 0-452 0-409 0-458 0655 2 151 0778 07'20 5 I_Jio-7oi 11*526 29-006 20-424 22016 40315 42-628 45-90750-786 3-'5s 4-277 #■*»* ■ — 0'126 D'299 2'108 I-853 2*044 2*66y 0647 0-744 0-924 1*527 2*936 3'024 3*928 3676 1*767 3*515 3*938 3*78l 3*217 4*056 4*385 4-3591 JI7-357* 7*948 10*237! _ 2208 3*805 5*147 6*346 14*989 16*821 34*526 27*430 29-367 46793 60-627 65219 72-644 * Zusammengezogen, da die Trennung der einzelnen Sorten nach dem neuen Zolltarife nicht möglich war. Die Holz- und Holzwaaren-Ausfuhr des allgem. österreich.-ung. Zollgebiets im Verkehre mit dem Auslande und den Zollanschlüssen im Jahre 1882. Waaren-Gattung Holz .... darunter : "Brennholz . . . Werkholz . . . Holzwaaren, dar. gemeine. Four- niere, Par<[ueten und Parqueten-Bestandtheitc c 9 tj v 'S 5? 'S !1 Handels Werth Menge der Ausfuhr nach oder über Süd- Deutsch c a ■! deutsch- Sachsen Preußen fo£m Kuss- g | | | | C Fl. ö.W. ,and haupt lalld 8 jj H iS d 20,091781 51,509790 2,013812 3461754 2516425 7,991991 3,175566 1,666972 166277 2 2,222525 19372029142391,760490 i 440709 720975 101809 161891 96478 360178 93664 29789 100867 — 188847 57130 209264 40096S 18,650989 50,786295 1,911990 3,299804 2,419946 7,631740 3,081902 1,637183 65408 2 2,033678 136580 2,704974 1359522 Fiume — und .*Ü andere E Hafen . Tonnen Hölzerne Schiffe tragfah 126047 3781410 330035 17,357000 39S23 60190 52863 152S76 18274 5 '9345 — 19350 102921 41281 15305 1 o 65 3661 3 10798 3428 80558 7805 Tabelle No. 7. liin- und Ausfuhr von Maschinen nach und aus dem allgemeinen österreichisch-ungarischen Zollgebiete. Lokomotive und deren Bestandtheile, lender..........1882 1883 1882 1883 Lokomobile und deren Bestandtheile Nähmaschinen mit und ohne Gestell und deren Bestandtheile . . . . Maschinen, nicht besonders benannte, und deren Bestandtheile, überwiegend aus Gusseisen, und zwar: Webe- und Wirkstühle . . Landwirtschaftliche Maschinen . landwirtschaftlich Maschinen [882 1883 Maschinen aus Holz (d. i. mit §0% oder mehr Holz) und deren Bestandtheile .........1882 1883 Maschinen aus unedlen Metallen (d. i. mit mehr als 500/, unedle Metalle) und deren Bestandtheile .... 1882 '8S3 1882 1883 1882 1883 Alle übrigen.......1882 1883 Andere: Webe- und Wirkstühle . . , 1882 1883 1S82 1S83 Einfuhr Metr, 28.9I I 20.310 34.012 38.IO6 24-305 462O 38,362 34.24I 1 S08 1337 12.306 23.187 32-371 I/.296 183.185 l62.0l8 3i 1 1335 21.498 22.630 ') Lokomotive' 101 Stück in der Einfuhr und in Stück in 2) pf 93 >i n -, h 11 "6 h Tender: 18 ,, ,, „ „ ., 114 „ „ a) Lokomobile: 805 ,, ,, „ „ 6 „ ,, * „ 953 .. •• ,, 1« »1 » Ausfuhr Centner 44-305 ') 64 452") 1993) 765 4) 1527 1623 9470 9035 1034 547 204 29 11.618 13457 44.139 52.215 4 3107 1223 er Ausfuhr, alle übrigen........1882 1883 Kupfer- und Messingwalzen und -Platten für inländische Zeugdruckereien 1882 1883 Einfuhr Ausfuhr Metr. Ctr. 31.099 7363 45-922 13732 692 800 43 Gesammtwerthe der Erzeugung bei nachfolgenden bedeutenderen Maschinenfabriken im Jahre 1882 1883 Gulden österr. Währ. G. SigTscfae Maschinenfabrik in Wien . 432.Soo 484.800 Aktiengesellschaft der Lokomotivfabrik (vorm. G. Sigl) in Wr.-Neustadt . . 3,344.152 4,834.463 Maschinenfabrik der k. k. priv. österr.-ung. Staatseisenbahn-Gesellschaft in Wien . 1,715.682 2,303.900 Fabrik der Wiener Lokomotiv-Fabriks- Aktiengesellschaft in Floridsdorf . . 1,447.319 2,153.235 Maschinen- u. Waggonbau-Fabriksaktiengesellschaft in Simmering . . . . 1,491.319 2,008.986 1 lernalser Waggon und Maschinenfabrik von C. v. Milde........1,287.900 1,616.600 Zusammen . 9,719.172 13,401.984 Der Stand der Arbeiter in Summa. Jahr 1882 1883 (ü-liilfen 5731 6228 Arbeiterinnen 72 72 Lehrlinge 207 2l6 Zusammen 6oiO 6516 Auf die einzelnen Fabriken entfielen Arbeitskräfte: Jahr 1882 G. Sigl in Wien.......... 273 Fabrik in Wiener-Neustadt ..... 2172 Oest.-ung. Staatseisenbahngesellsch. in Wien 940 Fabrik in Floridsdorf........ 1105 Fabrik in Simmering..... 800 Fabrik in Hernais ......... 710 Jahr 1883 322 2323 940 1035 1026 8 70 Tabelle No. 8. Ein- und Ausfuhr von Transportmitteln nach und aus den: all- gemeinen öster.-ungar. Zollgebiete. Einfuhr Ausfuhr Strassenfahrzeuge: Stück I SS2 2/1 523 [883 256 627 Lastschlitten............ 1882 24 4 1883 7 2 Personenwagen ohne Leder- od. Polsterarbeit 1882 49 3.561 1883 54 2.?6i Personenschlitten.......... 1882 8 "65 1883 IC 12 Personenwagen mit Leder- od. Polsterarbeit 1882 34 921 [883 49 806 Personenschlitten mit Leder- od. Polsterarbeit 18 82 3 3 1883 3 33 Eisenbahnfahrzeuge (auch Tramwaywagen); 1882 36 1883 — 34 Offene „ ....... 1882 10 54 1883 49 18 Ungepolst. Personenwagen (auch Draisinen) I8S2 23 1 1883 16 42 Gepolsterte „ ....... 1882 3 16 1883 2 5 Schiffe: Hölzerne (auch mit Eisen- u. Kupferbeschlag 1882 71 2.9161) 1883 82 3.1852) Eiserne (auch aus anderen unedlen Metallen) 1882 — 4'*) 1883 1 24) Dampfschiffe ........v . . 1882 2 —% 1883 1 l) In der Einfuhr mit 2243, in der Ausfuhr mit 126.047 Tonn. Tragfähigkeit, '-') n d » - 24i4 m O ort ^ O Ende l867 28 '7 8 39 9 29 14 25 169 I868 26 17 8 60 13 34 13 26 197 ■> l869 »4 17 5 42 38 43 18 40 14 23 254 1870 '3 17 10 45 45 54 23 42 14 23 286 „ I87I 12 17 10 55 53 69 30 63 15 25 349 » 1872 12 '7 15 98 61 140 4i 77 16 26 503 n 1873 12 «7 l9 117 62 199 47 89 17 26 6051) i> 1874 13 17 27 101 61 182 49 95 17 26 588*) d 1875 14 18 31 90 59 167 54 103 '7 26 5793) n I876 15 18 33 47 50 75 49 95 17 28 4274) tf- 1877 •5 18 36 35 50 63 5i 94 17 24 403s) M I878 16 18 36 3i 49 55 46 92 17 25 385e) It 1879 14 18 36 30 48 52 49 96 17 24 !3847) » l880 '4 18 40 34 50 58 50 103 18 24 409 '1 1881 32») 18 18 36 5i 59 59 IOI *9 24 417 » 1882 3 O 18 25 36 50 55 64 102 J9 24 424 »t 1883 319) 18 27 36 5i 54 65 IOI 21 25 429 Hiervon Uquidirende Gesellschaften: ]) 45; 2) 70; •) 66; *) 8; 8)3; ") 2, ') 1. — 8) Hiervon allgemeine Staatsschuld 12: österreichische Staatsschuld 3 ; ungarische Staatsschuld 17. ") Hiervon allgemeine Staatsschuld 12; österreichische Staatsschuld 2; ungarische Staatsschuld 17. Tabelle No. 13. Besuch der Wiener Geldbörse 1867—1883. Jahr Schranken-Plätze Jahres- •Karten Drei bezw. v. 1876 an Viermonatskart. Monats-1 harten Eintritts-Gehiihren 1867 116 ä Fl. 80 867 ä Fl. 30 1209 ä Fl. 5 Fl. 41.350 1868 119 „ 80 835 30 I23O » 5 „ 4O.72O 1869 I4O „ 80 I 135 „ 30 206 15 1942 » 5 58.O50 187O 140 n 8O 1389 30 247 15 1382 » 5 „ 63.485 187I 135 „ 8O 1457 ;, 30 40 „ 15 2088 m 5 65.55O I872 201 „ I20 2352 n 45 883 20 1550 „ 10 „ 163.I2O 1873 189 150 2941 „ OO 258 „ 30 302 „ 15 „ 219.84O 1874 186 m ISO 2423 „ 6O 135 30 I36 15 - I79-570 1875 165 m ISO !7[7 „ 6O 219 15 I3I-055 1876 154 , IOO 1312 " 75 376 30 335 12 I3O.805') 1877 ICO „ 100 1142 <- 75 72 5 „ 30 530 „ 12 » 132.445 2) 1878 159 » 130 1219 >. 75 87O » 30 757 ., 12 „ I47-279 1879 l62 13° II73 m 75 II23 » 30 1079 ., 12 „ I55-672 I880 l6o ,. 130 1793 •• 75 941 n 30 215 .. 12 „ I9I.7OO l88l 171 M I30 2177 n 75 534 d 30 21 , 12 218.592 1882 172 130 2309 - 75 355 30 26 ,. 12 .. 216.5773) 1883 172 » I30 2110 i 1 75 253 t> 30 10 12 ., 194.770 4) ') Darunter Fl. 1705 für 341 Wochenkarten a Fl. 5. "-) Darunter Fl. 26S5 für 537 Wochenkarten ä Fl. 5. 3) Darunter Fl. 3500 für 700 Wochen- und Fl. 2940 für 147 Dienerkarten. 4) Darunter Fl. 2230 für 446 Wochen-und Fl. 3080 für 154 Dienerkarten. Tabelle \o. 14. Die bedeutenderen »Städte der österr.-ungar. Monarchie mit Ein- wohnerzahl. Agram..... 22.000 Gyöngyös .... 15.800 Alt-Kanizsa. ... 12.600 Hermannstadt . . . 20.000 Arad ...... 357j 8 Idria...... 4000 Aussig..... II.395 Iglau...... 22.378 Baja...... 1S.200 Innsbruck .... 20.522 Reraun..... 5000 Jägerndorf .... 9000 Bielitz..... 13.200 Jaszbereny .... 20.300 Bochnia..... 8040 Jaromirz..... 55°o Bozen...... ii.ooo Jaroslau..... II. 166 Brody...... 18.650 Jicin...... 6000 Brünn...... 82.655 Josefstadt .... 3000 Bruck a. d. Mur . . 3000 Jungbunzlau . . . 9000 Brzezan..... 9390 Kalocsa..... 16.300 Budapest .... 359.821 Karlsburg .... 8000 Budweis..... 23.064 Kaschau..... 26.422 Cattaro..... 2100 Kecskemet .... 46.039 Chrudim..... 11-3/8 Kis-Körös .... 6000 Cilli...... 5000 Klagenfurt . . . . 16.871 Csongrad .... 17.400 Klausenburg . . . 28.500 Czaslau . . , > . 6300 Kolin...... 9662 Czegled . . . . . 22.200 Kolomea .... 24.000 Czernowitz .... 45.600 Komorn..... 13.000 Debreczin . . . . 51-359 Königgrätz .... 6300 Drohobycz .... 17.000 Königinhof .... 6059 Eger...... 13-463 Krakau..... 66.000 Eperies..... 10.772 Krems..... 9000 Essegg..... 17.247 Kremsier .... 10.800 Felegyhaza . . . . 21.807 Kronstadt .... 27.000 Fiume..... 13-3*4 Kuttenberg .... 13.284 Freudenthal . . . 6500 Laibach..... 26.000 Fünfkirchen . . . 28.789 Leitmeritz .... 11.250 Görz...... 20.912 Lemberg .... 110.200 Gran...... 15.000 Leutschau .... 7678 Graz...... 97.726 Linz ....... 41.000 Grodek..... 8090 Lugos..... 13.400 Grosswardein . . . 31.441 M.-Weisskirchen . . 6000 Güns...... 7600 Marburg..... 10.65 5 Maria-Theresiopol 61.000 Maros-Vasarhely . . 13.000 Miskolcz..... 22.200 Mohäcs..... 12.700 Nagy-Becskerek . . 19.900 Nagy-Kikinda . . . 18.000 Nagy-Körös . . . 20.500 Nikolsburg .... 8800 Neu-Sandec . . . 938i Neusatz..... 21.800 Neusohl..... 1 I.OOO Neutitschein . . . 9000 Olmütz..... 20.1 70 Oedenburg .... 23414 Pardtibitz .... 950O Peterwardein . . 4IOO Pilsen ..... 38-949 Pisek...... IO.OOO Pola...... 23-950 Prag mit den Vororten 293.OOO Prerau ..... 8OOO Pressburg .... 5O.OOO Prossnitz .... 16.OOO Przemysl .... Przibram..... 21.948 IO.OOO Raab...... 22.O00 Ragusa..... 9000 Reichenberg . . . 28.O9O lioveredo .... 9O0O Rovigno..... 10.SOO Rumburg .... 63OO Rzeskow..... IO.5OO Saaz...... 9000 Salzburg..... 24.952 Sambor..... I2.70O Sanok...... 350O Schönberg .... 7500 Schwatz..... 5400 Sebenico..... 1 5.500 Spalato..... 12.200 Stanislau..... 15.000 Steyr...... 14.400 Sternberg .... 16.400 Stryj...... 10.000 Stuhlweissenburg . . 25.597 Suczawa..... 7 500 S'/atmar-Nemety . . 19.000 Szegedin..... 75-200 Szolnok..... 15.900 Tarnopol..... 25.018 Tarnow..... 23.853 Temesvar .... 32.50° Teplitz..... 11.000 Teschen..... 10.000 Theresienstadt . . . 3000 Trautenau .... 8500 Trient...... 18.000 Triest mit d. Vororten 133.019 Tropau..... 20.562 Ung.-Hradisch ... 3100 Ungvär..... n 000 Vasarhely .... 49.200 Veszprim . . . . I2.IOO Villach..... 4600 Waitzen..... 13.000 Warasdin .... 10.700 Werschetz .... 21 000 Wien mit d. Vororten 1.161.800 Wiener-Neustadt . . 23.468 Zar a...... 24.536 Zenta...... 20.000 Zloczow..... 6700 Znaim..... 10.500 Zombor..... 24.400 Literatur. Amtliche Publikationen von den statistischen Aemtern im k. k. üstcrr. und künigl. ungar. Handelsministerium. Statistische Nachrichten über die Eisenbahnen der österr.-ungar. Monarchie. A. Ni Kiaer, Statistique internationale Navigation maritime, 2. Tom. Kristiania 1876—81. A II Stria, Archiv für Gesetzgebung und Statistik auf den Gebieten der Gewerbe des Handels und der Schifffahrt. Herausgegeben vom statistischen Departement des k. k, Handelsministeriums. Wien. A, Keicll, Organisation des k. k. Heeres. Wien 1883. Bacdcker's Oesterreich. 1884. Bericht über die Industrie, den Handel nnd die Verkehrsverhältnisse in Niederösterreich, wahrend des Jahres 1883. An das k. k. Handels« Ministerium erstattet von der Handels- und Wewer bekam m<>r in Wien. (Rudolph Isbary, Präsident; Dr. Johann Zapf, Sekretär). Wien 1884, Verlag der Niederösterr. Handels- und Gewerbekammer in Wien Von J. Strauss. Bosnien-Herzegowina, Land und Leute. Brockhaus, ConVl»rsations-Lexikoil. Zwölfte umgearbeitete, verbesserte und vermehrte Autlage. Leipzig 1881, Heft 124. ConipUSS, Finanzielles Jahrbuch für Oesterreich-Ungarn 1885. Gegründet von Gustav Leonhardt. Herausgegeben von L. Heller. Will. Jahrgang, Wien 1885. Das Geld, Geschichte der Umlaufsmittel von der ältesten Zeit bis in die Gegenwart. Von Max Wirth. Mit 52 in den Text gedruckten Abbildungen. Deutsches Hnndelsarclliv, Zeitschrift für Handel uud Gewerbe. Herausgegeben im Keichsamt des Innern, Perlin. Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik. Begründet durch Dr. K. Arendts. Herausgegeben von Dr. Fr. Umlauf, I,—5. Jahrgang, Wien 1879—83. Die Staaten Europas. Vergleichende Statistik von Dr, Hugo Franz Bracheiii, Vorstand des statistisch. Departements im Handelsministerium. Vierteneu bearbeitete, bis auf die jüngste Zeit durchgeführte Auflage. Brünn 1883, Die Völker Oesterr.-Ungarns. Ethnogr. und culturhist. Schilderungen Teschen-I'rohaska. Die Dlllanz. Jahrbuch für Hanken, Sparkassen, Eisenbahnen- und Verkehrsanstalten, Versicherungsanstalten, Industrie-Unternehmungen und Genossenschaften in Oesterreich-Ungarn, pro 1885. Herausgegehen von Conrad M. Mentzel. X. Jahrgang. Wien. Die Zolltarife des In- und Auslandes. Nach dem gegenwärtigen Stande der autonomen Gesetzgebung und des internationalen Vertragsrechts übersichtlich zusammengestellt auf Grund der im Deutschen Handels-Archiv erschienen amtlichen Publikationen. Ein Supplementband sum Deutschen Handels-Archiv. Berlin 1884. Dr. A. Ranch) parlamentarisches Taschenbuch, enthaltend die Staatsverfassungen. II. Lieferung Erlangen und Plauen 1848—1868. Dr. F H. von Ncuinann-Spullart. Uebersichten der Weltwirtschaft. 3 Hände. Stuttgart 1878, 1880 und 1881. Dr. I. Ullbi'ich. Lehrbuch des österr. Staatsrechts Berlin iss.}. Gothalscher genealogischer Hofkalender, nebst diplomatisch-statistischem lahrbuch, Gotha; erscheint jährlich seit 1764. Hof- und Staatshandbiich der östcrr.-un^ arisch. Monarchie; erscheint jährlich. Jahrbuch für österreichische Lnndvrirthc. Begründet und unter Mit-I k Wirkung hervorragender Fachmänner herausgegeben von A. »E. Kitter von Kommers. Jahrgang 1880. J. Kolin. Eisenbahn-Jahrbuch der österr.-ungar. Monarchie, 1 —16 Jahrg. Wien 1868—83. Koros. Baulthatigkeit Budapest. KrOneS, Handbuch der Geschichte Oesterreichs, Pand l. Berlin 1876. Land- und volkswirtschaftliche Zustände iu Ungarn, von Ladislaus von Wagner, Professor der Landwirthschaftslehre an der königl. ungar. technischen Hochschule zu Budapest u. s w. Prag [875. Dl*. J. Lorenz und .1. Wessely. Die Bodencultur Oesterreichs, Wen 1873. Meyer, Geschichte Oesterreichs mit besonderer Rücksicht auf Kulturgeschichte 2 Hände. Wien 1874. M nihil h, Geschichte des österr. Kaiserstaates, 5 Hände, Hamburg 1834—50. IMarescll, Otto, k. k. Hauptmann, Waffenlehre für Offiziere aller Waffen. 2. Aullage, mit 18 lithographirten Tafeln. Otto HÜhner's Geographisch-statistische Tabellen aller Länder der Erde. Jahrgang 18S4. Vollständig Hingearbeitet und bedeutend erweitert von I >r, Fr, v, Juraschek. Publikationen des königl. ungarisch, statistischen Landesbureaus in Budapest« Statistisches Jahrbuch, Jahrgang I—XI. Budapest 1872—83, (in ungarischer und deutscher Sprache). Publikation des statistischen Uureaux der k. k. krontisch-slavouischcn Landesregierung, Statistisches lahrbuch für Kroatien und Slavonien, für das Jahr 1874. Agram 1876. Keichsgesetzblatt. Jahrgang 1884. Rogge, Oesterreich seit der Auflösung des ungar. Landtags im Jahre 1868—71 Jahrgang 1871 fortgesetzt in den Jahrgängen 1873—77. Schneller, Staatengeschichte des Kaiseithums Oesterreich. 4 Bände. (Gratz I8l7—I9), Springer, Geschichte Oesterreichs seil dem Wiener Frieden. (2 Bände, Leipzig 1864—65). Statistisches Handbuch der österreichisch-ungarischen Monarchie für 1867—70, Wien 1S78. Amtliche Publikation der Vorstände der k. k. österreichischen und k. ungarischen statistischen Bureaus. Statistisches Jahrbuch, für die Jahre 1874—82, enthaltend die Statistik der Land- und Forstwirtschaft und des Bergwesens. Herausgegeben vom k. k. Ackerbauministerium Statistisches Jahrbuch flir Ungarn. 12. Jahrgang 1882. Budapest 1883 — 84 Statistische (Jorrespoudcnz. 1.—9. Jahrgang; bis zum 8 Jahrgang von Dr. Ernst Engel, im 9. Jahrgang von E. Blenck herausgegeben. Berlin 1S74— 83 Königl. statist. Bureau. Ueberblick Aber die Geschichte der Österreich. Strafgesetzgebiing. Dr. Karl Janke. Handbibliothek des österr. Rechts. Das österr. Strafrecht. Wehrgesetzsamt, Welirgesetznovellc vom Jahre 1882. Wien 1882, Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, ZeilungS-Cntalog der Anoncen-Expcdition von Rudolf Mosse. Berlin. Ausserdem haben wir noch benutzt: Die „Allgem. Zeituug", München; das „Echo", Berlin; die „Illustrirto Zeitung", Leipzig; die „IVeuo Freie Presse'*, Wien; die „Fresse", Wien; den „Pestcr Lloyd" und noch zahlreiche andere Tagesblätter und Zeitschriften. SCHMIDT & BAU M A NN, Leipzig-Reudnitz.