J/f/Zjčrj. AnS Mehemed Ali's Neich. Zweiter Theil. ^Vber-Aegypten. Vom Verfasser der Briefe eines Verstorbenen. - ^iorrtj^^&ž^ i/*£*e/iŽe^ -^C^^žU^ Stuttgart. Hallberger' sch? Ve»! >,i g e» hii»dl u n ^. Ans Mehemed Ali's Neich. Zweiter Theil. Ober - Aegypten. Vom Verfasser der Priese eines Verstorbenen. Ein Fichtbaum steht «msmn im Nordcn auf laltci Hüh'! Ihn schläfert! mit weißer Dcckc limhüllcn ihn Eis und Schncc. Er tiiiumt von einer Palme, die fern im Mvrgeutaud, Einsam unb schweigend trauert ciuf brennender Felswand H e i u« Stuttgart. Hallberger'sche Verlags Handlung, l844. »« Ober-Aegypten. Abreise. Die Sclavin. Die Pyramiden. Geliebter und verehrter deutscher Leser! wolle mir zuvörderst bei diesem günstigen Anlaß vergönnen, dir einen rcspcctvollcn Gruß vom Gipfel dcr höchsten Pyramide zu Dschisch zuzurufen. Hinter dein unermeßlichen grünen Delta, das jetzt so schön im Abendroth erglänzt, hinter dem blauen Meere, das, in noch weitere Ferne als mein Horizont reicht, an dieses Delta sich anschließt, und hinter allen den andern sonnigen Ländern endlich, welche jenseits jenes Meer bespült, da, wo du im segensreichen, gemäßigten Klima deines Lebens dich erfreust — gedenke mein, mit derselben Zuneigung, die ich für dich fühle, und fahre fort in deiner großmüthigen Nachsicht für die vielen Mängel deines treuen Cor-respondcnten, obgleich eine englisch-schottische revive Mlhemeb Mi'« Ncich. II. 1 2 Ut neuTtd; gram'tätiftf; ^crftd;evt pat, id) set; uur in cngttfdm' Uckrfeijung einmat bcö Ccfcnč wertp gewesen. Hub iikr bic (cere SQSiiftc £>tn, bic so 6'bc unb sd;auevltc^ bie fvuc^t&avftcn ^Utven ctnfa{?t, gviifjc id) eud), tt>a(!cre dampen, btc unaufQcfovbevt so tuand;e tapfere Sanjcn Bracken für ben fernen ^reunb, ben fctyon fett langen ^st^vcn ber Drtcnt in wc^ müt^tg süßen 33anbcn gefangen t;ä'(t. 3)od) atß guter Sprtjt flvüjj* td) aud) bie geinbe, cud;, bcr troefnett, au^geh-atnUcn äöiijie um tntc^ per so nap vertvanbte, anonyme imbntdjt anonyme, frttfftficSSScgctagcrcr, x>pv Sitten cud;, fromme ®eet«t voti ben barren Ufern ber @^)rce, bte tjjren ©anb [o gern bem It'e&cn beittfdjcit ^3uMtfum tn bte Slugen jlvcucn tnocf;tcn, unb fcloö bceJJaU) uost) nid;t ba^u fommen sonnen, wctl btcö 6tö jcijt immer so un|)öflid) war, ifmen ben dliidm žujufcprcn. Jinn aber, uad;bem id) bent 9Jatcr(anbc gcrcdjt geworben bin, fd;au id; nad; £ftcnt unb laffc ba^ ent^ucltc Stuge rupen auf bem 2ktcr ^tl unb Äaptra'ö un^apttgen Stpuvmcn unb sJ)aIaficn, übers ragt ven beč 2)zoffsttam'ö glan^öoU bropenber 3?urg. %nd) bovtptn grüjj' id; — bid; ÜWcpcmcb StH, ten @ro|5cn, ben 2-Öicberpcrfteüer ber St»t(ifation SIcgpps 3 icno, ben @d;öpfer einer neuen Bufunft für -üDHUiencn uub ten aufgeffavtcften ©oj)n bcö Ortentö. Hub bttf;t untev meinen gtftfjen gvüfT id) ben ©Vfjtmr1), ber, fd;on sett 3af>rtaufcnbcn fd)tocigcnb, bennod; so taut jju uuö fprid;t »on vergangener ^cvviid)feit unb ©rose, »on SSunbevn, 311 ungtauljs tid; für unsere 3üt, «nb t>on SRatpfctn, t>tc nod; griicmanb 9«nsttd; gelöst r o^ktd) ctn inf^irirtcr granfe, ben nuö bev ^ob gu frii^ geraubt, ben »or* gesogenen SBorpang [d;on so fiegretd; ju lüften Us gann. Unb ju ben ©terncn aufblidcnb, btc langsam bic cintvctcnbc Dämmerung 31t burdjbrtngen Beginnen, gvüfje id; julc^t bie ^lat^wcTt. 6ie uurb tneljr w iff en üU wir, weuigftcne »en bev Vergangenheit, wenn and; ntd)t »on tcr 3uf»nft, unb vne((etd;t fd;Ia'gt ft'c etnen iprcr i'cpvftityfc wtebev am ^uj} berfetben $)t;vanubeu auf, von beren oj?I nad) »oti* ') Av8qocrcbot H, 175. ____4____ bradjter Unuväsjung einmal bicfcfbcn 33crJ)Sstntffe tviebcrfcljvcu [ct)cn. Unb für bie ntatertcUc ßrOaltung btefcv seltsamen Monumente ifi in ber 5£jmt ftucf; m ten na'd;ficn 3^taufenbcn noes) wenig ju fürchten, weuu utdjt bie engtifdjen Slittiquarc jic ciuö Ctebc 3uv Aim si bcft'nttfo in bie Cuft [iprengcn. Sffiiv fiaben j'cjjt eben einen bev etfvtgflcn Sltnateurö ba[e(bfir ber tcL$itf) meprere Ijunbert 33cbutncn Beschäftigt, um bic gebutbigen Monumente an alien (žcfcn unb (Jnbeit aitiubo^ren; [elbfi bcr ©p^nx tvivb mit ^iilfc etneö eisernen ^Jfa^Iö ßcsptcsjt, um ba^intev 5U fommen, 0h cv aud bem ©anjen, ober so l;ol>l int ^etbc fei;, ati mand)c lebenbc ©tatueu eö tm Äopfc ftnb. ^)üc^ bie 3nfirumente enveifen ft'cf) 511 fdjttNtd;, etneö bricht nac^) bem anbevn, unb vov bev ^aub bleibt noefy immer bev SSortpctt in biefem festigen Äam^fc ben alten ©enfinälmt. ©ic verlieren jwav einige ©tetne auf bem Sßaljlplsl^ aber ber getub fiept nad; tt>ie vor impotent vor ij»ncn, unb tyv gcpeimftev ^)ort b(eibt jungfräulid; vor ipm verschlossen. 2)oc^ aüm pannlofcn @4>ecj bet 6citc traue id; nnrflid; bem galanten unb Iic6cu6würbigen Obersten ^owarb Sßyfe weit el)er atö viesen ?lnbcvn 51t, bap 5 cr burn; feine 3?elwr(td;fctt unb feinen ©djctrffmn entlief; wi^tfgc (üintbeefungen ptev mad;en werbe, unb banfbar muß jeter $vcmbe roentgficnö eä aitcr* Jenncn, baß er einen Jtjjril fetner Slrbcücr ba$u be* nu|$te, bte faß verschütteten ©änge in bett ktben großen ^)$;vamtbcn aufzuräumen, uub mtt »crf>a'(t* nißmäßigcv ^cquemlidjfcit beu Sßißbcgiertgeu S"öängs Mfyix %vl mad;cn. 2tuc^ fanb ev einige uubefauutc Keine Äammcrn auf, uub £offt sogar uape bavan ^u fcs;n, ein großcö ©emaef) unter bem fuppontrtcn ^önigögrabe ju entbeefen. 2ßtv quetschten uuö selbst später in bač ju biefem (5nb3Wec£ prafticirte ^oc^, unb fatten SSlityc genug, uuiDcrfc^rt wieber peraue 5u fommen. 2)ocl; eo wirb je^t besser fc^n, meine delation mit bem Slnfang nnjufangen. ©eine J^opett ber 23icefö'ntg n?ar fcfjou feit vter? je^n ^agcit nad; £berägppten abgereist, wo cr, »vie er bic ©i'itc pattc mir sagen 511 lassen, 111 td; erwar* ten ivcrbe, ba id) tym sogleich 51t folgen nod; nid;t üorbevettet voav, i'angev bürste td> inbeß nidi)t sö'gcrtt, unb »erfd;ob baper bie 33cft'd;tigung alscö bcflTnt, wa$ 6 mir tu Äalrira uod; ju fc£en übrig blieb, tuö auf meine Slücffcpr. Slm 21. gebruar vertief} t<$, begleitet oom £errn Doftor $od;, Sfaffc bcö vüljmlirf; befaunten 9)h'tud;cncr SÄebicinalratljö gleisen SRamenö, uub GJcncvalftrtbčs ar^t bev cißs;ptifrf;cu gsotte, ben mir -I'Je^cmcb 211t aU SRcifcaocufap mitjugeben tic ©civogcnkit gehabt patte, bic ^sluptftabt. 92ir amvcu beibe red;r be^ quem in jwet guten Äangf^cn ctablnt, welche fcaö ©ou»erncmcnt mir mit feiner gcwoJjnlidKn 972uuifis cc«3 geliefert. SDlcin ficincö Öcfolgc bestanb, aufjer bem genannten Jj>errn Softor mit seinem Diener, nod> auö einem Äawaß beö Sßiccföntgö, meinem Dragoman ©io»anni, mauern Äammcrbicncr 2lcfev= manu, einem gvied;ifd;cu feigen mß Äanbia mit Hainen 3^nniö, einem avabifd;eu, tu ital)ira einiger; ma0en fran$ojirtcn Äod;, unb — um bie dangcweisc einer so weiten SQSaffermfe etwaö weniger monoton ju mad;en — einer abyfffnisten «Scfaviu, bic id; crft »eniß Stage vorder für eine jicmltd; anfclmlidjc @umme ersauft I;attc. Den S|»araftcr biefcö origtnclCen üKabc^enö ju ftubiren, an ber bie (Si»i(i[atton nod; uitf;tö pattc yerberben nod) yerbeffern sonnen, war 7 im Verfolg bcv Dtcifc eine uuerfd)öpffid;e Duette »on SBergnü'gen fiiv mid;, unb c$ tpat tiefem ©tubium tuve^aue feinen SMbrud), bajj ber ©egenffaub bcö* selben jjujjlctcty an 6d;öu£cit bev gormen bte treuefie <£opte einer üöenuö bcö Stttan war, nur in [c^ivavjcv Ganter. 9lls id; sic sanfte, unb auö ^uvd;t, bafj mir ein SInbcvcv ^uuovfoinnicn mödjtc, o|>nc ^anbet ten geforbevten ^Pretč fogteid; anöjaMcn Itcß, trug fie nod; baö Kostüme ipveö 23atcrlanbce, b. |>. nid;tö a(ö einen ©ürtet auö schmalen Ccbcvvicmen mit fsci* nen SKuftf;cIn »cvjicrt. £>od) patte ber @c(aüent;anblcr etn jjvoßcö 'Ilfuffclintnd; über ftc geworfen, taö aber vor ben Äanfsuftiöcn abgenommen würbe, unb bal;cr ber genauesten Beurtheilung fein ^tuberntp in ben SQBeg legte. Sößiv waren vier ober fünf »junge i'cute", wie ber ci-devant jeuue homme ^Qt, uub staunten 3t((e über baä mafellofc öbcnmaaf bcö SSBuc^fcö biefer SBilbcn, mit bem sie ein djiffouirteö ^araftcrgeftd;t sjcrbanb, wie id; cß grabe liebe, o^ne baß bicč ü'brigenö auf grope Diea,elmä'fHgfeit ^atte Slufprud; mad;cn fönneu, Hbcr i^>r 5tö'rpcr! Sffiopcv in beä ■^>tmmclö kanten |taben btefe 3)?äbd;en, btc barfuß gelben unb nie ^>anbfd;ul;e tragen, biefe garten, gteidj ^ 8___ einem Vildhauermodell geformten Hände und Füße; sic, denen m'e ein Schnürleib nahe kam, den schönsten und festesten Busen; solche Pcrlenzähne ohne Bürste noch Zahnpulver, und obgleich meistens nackt den brennenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, doch eine Haut von Atlas, der keine europäisch» gleich kommt, und deren dunkle Kupfcrfarbe, gleich einem reinen Spiegel, auch nicht durch das kleinste Fleckchen verunstaltet wird? Man kann daranf nur antworten, daß die Natur Toilctteugcheimmssc und Schönheitsmittel besitzen muß, denen die Kunst nie gleich zu kommen im Stande ist. Es war gut, daß ich alle diese Vorzüge beim Einkauf sah, denn jetzt hätte ich weniger Gelegenheit dazu gehabt, da ^jl-unö (so heißt die abpssinischc Schöne) bereits durch meine Fürsorge in decente nwrgcnländische Kleider mit Strümpfen und gelben Pantoffeln gehüllt ist, die mich nur ihr Antlitz und zuweilen ihre wundervolle Hand mit einem Theile des runden Armes erblicken lassen, llebrigens versteht es sich von vornherein, daß ich ein zn gewissenhafter und selbst zu freier Preuße biu, um sie jetzt noch als Sclavin zu behandeln. Mit dem Ein- 9 tritt in mein £auö war fie einc ^VC1C' ^ojeid; »ff; füve^tc, bafj ftc nod; feinen ted)t tcutlid;en*33ca,riff von biefem 3"ftonbc !?st^ bemt als idTtyr benfclben mit £ülfe eincö 2)olmctfa)crö in if;m 6p.rad)C anfiinbigte, stifte ftc mir tic £ant, itnt biefc bann bcmiit^tj an ipvc ?3d) fey ii)t £>evv nnb pafcc su gebieten, lvač fic seyn, nub waö ftc tpmt soltc.« Uc6ct ijl cö altev* bingör baß ftc, auö 9Äangct an SRaum, ^tntcv einem Sßovfiang, bev i\\ bev Cii(c in bem {(einen ©d)[af3immcv metnev 23ai*fc anc;el)vad;t itutvbc, vc= ftbiven mu9/ «&cr cvjHid; ist bem deinen SlUcö rein, unb jwcitctiö ist ftc ja fret, id; aber bin ein 9?ttter, ber jener 23orfc^vt'ft ber chevalerie immer etngebenf ist, tic 3Mtaivc in einem feiner gebmefs Un S3rtcfc an 9)?Uc ßlatron auöfprid;t. 25er ^cn* gierige fitd;e sie auf. 93ov bev Spant bcbalt tic Same jctc^ btc ganjc 33arfe für ft'a) allein, nur von meinem ^agen, jlatt etneö pier tanbeöütlieben (5unud;en bcroad;t, »Ä^rcnb wir Uekigen unö naef; ^[d;ife^ begeben, ix>o mid) ber »ortrcff(id;c Cberji äßavin ju einem fro^id)eu 2lbfd>iebofd)maulm«e ist in ihm so glücklich vereinigt, wie es nicht häufig angetroffen wird, und obgleich durch und durch Franzose, zeigt er doch nur die gewinnenden Seiten dieser Nation. Die schmeichelhafteste Höflichkeit, ein stets heiterer Sinn, cinc unerschöpfliche Uuterhaltungsgabc, die Kunst zu erzählen, wie zu hören, ein munterer Witz ohne Galle noch zu viel Medisanrc, verbunden mit dem feinsten Takt und aller Sicherheit der großen Welt, machen Herrn Lubbert zu einem der angenehmsten Gesellschafter, die ich kenne, und ich bedaurc von Herzen, kein großem Herr zu seyn, um ihn für immer meiner Person at-tachircn zu können. Herr ^nbdcrt, der hier einen bedeutenden Wirkungskreis hat, und neuerlich anch zum Historiographen Aegpptcns ernannt wurde, bekleidete in Frankreich den Posten eines <^!,ti!lw,nm6 ol'dm.-liil: lle l«, c1»»mlil'6 ll,i rui, dirigirtc aber zugleich die königlichen Theater unter dem nominellen Minister, so lange Karl X- regierte — eine Charge, die il)n mit der königlichen Familie, wie mit dem ganzen Hos in manche vertrauliche Berührung brachte, und ihm einen reichen Schatz der pikantesten Anekdoten hinterlassen hat. Wer beliebig hinter den Cou-lisscu, bei Hofe und auf dem Theater, stehen kann, 12 sieht viel in mancher Hinsicht, und Niemanden unterstützt Gedächtniß und Gewandtheit besser als Herrn Lubbert, um seine Unterhaltung fortwährend neu damit zu würzen. Freilich erscheint der Sprung vom Thcatcrdircktor zum Historiographcn und vortragenden Nach im Ministcrio des Innern etwas gewagt, aber da das Theater die Welt abspielt, und die Welt selbst anch nur ein größeres Theater ist, so wird er sich als Mann von Kopf wohl auch hier zu hclfcu wissen, sowie als Dirigent der Militärschule zu Thura. Ehe wir Dschiseh gan; verließen, krochen wir noch in eincn heißen Ofen, um Eier künstlich ausbrüten zu sehen (der Leser fürchte keine Beschreibung!), und besahen nach der Hühncrfabrik auch eine andere, wo Salmiak gewonncn wird. Dann tauchten wir m die vom Winde bewegten Wogen unabsehbarer Kleefelder, wiederbelebt durch alle Nossc und Esel der Umgegend, welche sämmtlich in dieser Zeit mehrere Monate lang aufs Gras (l!«r«im) geschickt, und dort mit zusammcngebundncn Füßen ihrem Schicksal bei ununtcrbrochnrm Fressen überlassen werden, eine der nachtheiligsten und thörigsten Sitten des Orients, 15 worüber später ein Mehreres. Der Weg kommt Einem lang vor, denn dic Pyramiden täuschen auf eine merkwürdige Weise über ihre wirkliche Entfernung. Man glaubt sie schon von Kahira aus mit Händen zu greifen, und muß doch von Dschiseh aus noch mehrere Stunden reiten, ehe man sie erreicht. Am Rande der Wüste empfingen uns ein halbes Dutzend Beduinen, die sich uns als Führer aufdrangen, und obgleich wir ihnen versicherten, daß wir nur höchstens zwei von ihnen brauchten, war es doch nicht möglich, ihrer wieder los zu werden. Neugierig suchten mcinc Augen znerst den kolossalen Sphynr auf, den man vor einigen Jahren ganz frei gemacht hatte, der aber jetzt vom Sande schon wieder bis an den Hals verschüttet ist, so daß man nur den Kopf sieht. Von Weitem erkennt man seine Physiognomie noch ganz gut, von Nahem aber wird er, verstümmelt wie er ist, nur zu einer unförmlichen Masse, auf der sich jedoch noch ein großer Theil der rothen Farbe, mit der das Gan;e einst angestrichen war, erhalten bat. Er sieht in seinem jetzigen Zustande einem Pilze ähnlicher als einem Kopfe, und stimmte meine zu boch ge- 14 schraubte Erwartung -etwas herab. Auch muß ich aufrichtig bekennen, daß die Pyramiden selbst keinen viel günstigeren Eindruck auf mich machten, und mir von Nahem durchaus nicht mehr so imposant als in der Weite erschienen, oft das Loos des Großen au^ der Erde! Wenn man sie besteigt, ändert sich dies jedoch wieder, aber nicht in dem Maaße, wie ich es voraussetzte, und wenn ein Vergleich die Sache anschaulicher machen kann, so muß ich sagen, daß der Straßburgcr Münster z. V. an seinem Fnß, wie auf seiner Spitze mein Gefühl weit mächtiger ergriff. Für beute war cs zu allen weiteren Untersuchungen bereits zu spät. Nachdem wir uns daher in dem natürlichen Souterrain einer Höhle, die den Resten einer andern längst zerstörten kleineren Pyramide zum Fundamente dient, eine Wohnung eingerichtet und rund herum zugleich unsre Zelte aufgeschlagen hatten — dicht neben der Sandschlucht, an deren Eingang sich mitten in der Mste noch vier Palmen und drei Syeomore einsam erhalten haben — begnügten wir uns für diesen Abend den Gcsammtcmdrnck des Ganzen in uns aufzunehmen, 15 so mager dieser auch war. Nur in einige 59 —60 Fuß tieft Mumicnbrunncn schaute ich noch flüchtig hinab, betrachtete die darin gcfundncn, mit Mühe heraufgeschroteten, und jetzt in Stücken oben umherliegenden Sarkophage aus grauem Granit, mit vielen Hieroglyphen bedeckt, besuchte später den Oberst Wyse, der, in den wohnlichsten Katakomben schon eomt'ort eingeführt, und eine förmliche llcine Kolonie, zierlich von Nohrbarriörcn umzäunt, errichtet hatte, und sank dann beim Stcrnenlicht dem guten Gott Morpheus ermattet in die Arme, voll Erwartung der Dinge, die der morgende Tag bringen sollte. Die Consuln von Oesterreich und Frankreich, nebst den Herren Linant und Cavilia hatten uns begleiten wollen, aber Alle uns laux lionci gemacht. Ein Courier rief Herrn Lcsscps nach Alerandrien, der Tod der Madame Champion hielt Herrn Lamm in Kcchira zurück; Herr Linant mußte nach seinem darrte, und Herrn Hanptmann Cavilia mußte wahrscheinlich sein 8pi»-ltu8 familiar!» erschienen sein, denn er war ohne irgend Jemandes Wissen plötzlich abgereist. Der einzige Begleiter, welcher uns nun noch blieb, war dafür von der originellsten Natur, !S cm achtzigjähriger Greis, halb blind, aber noch rüstiger im Ertragen von Fatigucn als mancher Jüngling, und so bekannt im Ncichc der Pyramiden und Katakomben, als habe er sein ganzes Leben im Dunkel dieser mysteriösen Wohnungen zugebracht. Der seltsame, einem ägyptischen Nußknacker vollkommen gleichende Alte schläft nie anders, auch in seiner eignen Wohnung zu Kahira nicht, als im Freien, das Wetter sey, welches es wolle, ein Regime, dem er wahrscheinlich den jämmerlichen Zustand seiner rothen nnd geschwollenen Angen verdankt. Seine Kleidung ist ganz arabisch, d. h. er geht halb naclt, ein großes Hemde mit Aermeln, und Pantoffeln, nebst einem Mantel darüber im Nothfalle, das ist Alles. Er hat sich einen Sarg machen lassen, auf dem er alle Monat einmal, als gai-z eigenthümliches me-luentl» mul'l — sein Mittagsmahl einnimmt. Das übrige Irdische betreffend, ist er nominell I„t«!^i<'t« l,it-lN8lil!t. Saale der Königin (die vielleicht nur eine Hofdame oder Priestermaitrcsse war) nach dem tiefsten sich fortwährend senkenden Gange m'cdcrfiihrt, welcher letztere in einem natürlichen Fclsengcwölbc, nahe dcr Mitte der Pyramide, nnd schon in ihrem Fundamente endet. Aus dieser Höhle geht, auf dcr entgegengesetzten Seite, ein anderer horizontaler schma-lev Gang noch weiter dem Mittelpunkte zu, und M't dann Plötzlich auf. Hier ist vielleicht dcr Schlüssel zum Tieferen noch Unbekannten. Dort herum, glaube ich, sollte man rastlos nachforschen, denn hier in dcr Tiefe muß der König liegen, wenn cr überhaupt vorhanden ist, hier im Herzen des Felsens, einst von einem hiueingeleitetcn Canal des Nils umflossen, wie es uns der Vater dcr Geschichte erzählt, freilich ohne ihn selbst gesehen zn haben, und nur das zweifelhafte Priesterwort als Bürgschaft gebend. Die Luftlöcher, welche in dem ,,Saal des Königs" getauften Zimmer in der Mauer befindlich sind, hat man über hundert Fuß verfolgt, wie man nns versicherte, und der Oberst Wyse glaubt auch ihren 25 Ausgang oben aufgefunden zu haben, doch attcs dies ist und bleibt höchst uubedeutcud. Erst nach mehreren Stunden hatten wir nns aus der Grabcshö'hle wieder hervorgcarbeitet, nnd begrüßten das rosige Licht, uud sanken todtmüde auf die Niescnsteine am Eingang hm, und aßen Orangen, und tranken Kaffee, und fühlten uns durch dieses weise Intermezzo bald wieder so wunderbar gestärkt, daß ich, den Neigen kühn eröffnend, auch von Außen heute noch zum Ziele gelangte, nämlich den IM Fuß hohen Gipfel der Pyramide tnrz vor Sonnen-Untergang erstieg. In fünfzehn Minuten warcu wir ganz gemächlich oben, entzückt dnrch eine der herrlichsten, wenigstens gewiß eigenthümlichsten Aussichten auf der Erde, obgleich sie nur in wenig große Massen zerfällt. Die rosenroth gefärbte Wüste mit mehr als vierzehn großen Pyramiden, nämlich denen von Dschiseh selbst, dann von Abnsir, Sakkara und Daschfur, meistens in der eben günstigsten Entfernung gesehen, ist nicht der wenigst anziehende Gegenstand dieser erhabnen Dreieinigkeit von Weltstadt, Grünland und Saudmccr. Wir bemerkten übrigens, daß seit vier Jahren, wo Herr 26 Doktor Koch zum erstenmal hier war, nach seiner Angabc wie cs damals gewesen, seitdem ein großes Stück dcr Wüste nach den Pyramiden zn cnltivirt worden seyn must, was man anch an der Farbe des Bodens deutlich nntcrschcidcn konnte, da das neue Ackerland unter dem Grün noch sandig und hell ansscch, während das alte nnr tiefschwarze Erde zeigte. So wird die moderne Kultur bald wieder frische Fluren nnb Garten bis dicht an die alten Denkmäler ziehen, wie cs ohne Zweifel in der Zeit ihrer Blüthe ebenfalls statt fand, denn obgleich die alten Acgyptier die Nckropolis immer gern am Saume dcr Wüste in schöner Symbolik anlegten, so glaube ich doch nicht, daß sie sie je absichtlich mitten im Sande aufführten. Die Wüste hat natürlich jene il)r zunächst liegenden Monumente, beim Untergang der Civilisation, anch zuerst umschlungen, wie gleichfalls die Gräber der Khalifcn bei Kahira jetzc in der Wüste stehen, obgleich wir cs von diesen genan wissen, daß sie bei ihrer Gründung auf allen Seiten von reichen Gärten nnd Orangen-Hainen umgeben waren. Einer so sinnigen und weit vorgerückten Nation, als die Acgpptier waren, darf 27 wan nichts so Absurdes beimcsscn, als cs gewesen seyn würde, ihre erhabensten Monumente, die Gräber, bei allen ihren Städten so fern mitten in der Wüste aufznbauen, als sic zmn Theil jetzt erscheinen. Jene Denkmäler wurden vielmehr, als ächte Bilder des Todeo, gerade an das Ende dco grünen Lebens gestellt, nnd nur jeuseüs begann die gchcimnißvollc, unabsehbare unbekannte Oede. Meine Gefährten fanden dao Hinabsteigen weit beschwerlicher und Schwindel-erregender alo das Herauftlimmeu. ^ch war entgegengesetzter Meinung, nnd wie ich früher der letzte oben anlangte war ich nuten weit voraus der Erste, denn über drei Fnß hohe Stufen sich hinauzuschwingcn ist mühsam, sie aber in taktmäßiger Eadcnec hcrabzu-springen wird ein wahres Gaudium, das alte ^eute, wie ich din, aumuthig an ihre Knabcnzeit erinnert. Die ganze Partie ist überhaupt eine solche Kleinigkeit für Alle, die sich ihrer Beine zu bedienen wissen, daß ein guter Felscntlcttercr wit Leichtigkeit wetten tonnte, die große Pyramide dreimal in einem Tage zu besteigen, und man muß furchtsamer sepn als ein altes Weib, um etwas Gefährliches dabei aufzufinden. 28 Etwas anders aber vcrhält es sich mit der Zweiten Pyramide, dic wir am andern Morgen bis dicht an die glatte Spitze erkletterten. Diese ist, wenige Fuß ausgenommen, eben so hoch als dic, welche pur cxc^ll^lK^ die große genannt wird, aber von weit geringerem Umfang in ihrer Basis, folglich weit steiler, und ihre Stufen auch weit mehr geschwunden und beschädigt, als bei der großen. Man tonnte, öden angelangt, gleich an dem fast gänzlichen Mangel moderner Namensinschriften bemerken, daß hier die Besucher sehr selten sepn müssen. Demohngeachtct sind Einige selbst über den glatten Theil hinweg bio zur äußersten Spitze gekommen. Dies ist aber nur durch zusammengebundene Leitern und mit vielen Vorbereitungen thunlich. Man sagt, cin französischer Soldat habe, als Napoleon die Pyramide besichtigte, mit bloßer Hülfe scincr Glieder die äußerste Höhe erreicht. Dies muß Mazurier's Vater gewesen seyn, sonst habe ich Mühe, es zu glauben. Wie dem nun seyn mag, ich selbst stieg so hoch als es gewöhnlichen Dilettanten, ohne besondere Hülfsmittel der Kunst anzuwenden, gelingen kann, und grnb dort auf cinc 29 der geglätteten Platten den Titel, Vor- und Zunamen meiner guten Julie ein, wie Herr von Chateaubriand auch den scinigen i'-n- ^»'rur.itu.n auf die große Pyramide setzen ließ. Wem aber unter unsern Freunden bekannt ist, welche dccidirte Abneigung gegen alle „Lokomotive", vollends die Ersteigung einer Höhe, ja sogar einer einfachen Treppe, die genannte liebenswürdige Dame von jeher gehabt pat — da sie nur die Bewegungen des Sit-zens, Licgcns und Spazierensahrens gewohnt ist — der wird sich allerdings nicht wenig wundern, sie hier als detcrminirtc Bergsteigern, an einem Orte verzeichnet zu finden, wo nur Adler und Geier zu ruhen Pflegen. So habe ich den geheimnißvollen Monumenten noch ein kleines Privatrathscl mehr aufgedrückt. / Das Innere dieser zweiten Pyramide ward von Velzoni geöffnet. Die Gänge sind l)ier ein wenig bequemer, der Zimmer mehr, und einige auch etwas größer als in der Schwestcrpyramidc, doch eben so kahl und zierdclos, eben so unbegreiflich der Zweck dieses mühsamen Fuchsbaues. Ein in den lebendigen Felsen cingrhauener 3N Hof nmgiebt dies Denkmal, und man sicht an den schon zum Herausbrechen vorbereiteten Steinen der Bodcnfia'chc, daß man noch tiefer geben wollte. Auf dcn glatt abgearbeiteten äußern Felswänden dieses Hofes bemcrlt mau einige Hieroglyphen ans älterer späterer Zeit und auch einen Ring des großen Nhamses. Mehrere Gebäudcrestc neben dem ausgehöhlten Platze zeigen cpklopischc Mauern ganz in der Art der großen Wand am Pnyr zu Athen und ganz verschieden von der Bauart der Pyramiden selbst; in den Tnlmmcrn der Auffahrt, aber die zu dieser Pyramide führte, befinden sich von allen lmr angewandten Blöcken die größten, welche nur denen von Theben weichen. Das klare Wetter lockte mich am Abend noch einmal anf die Spitze der großen Pyramide, gleichsam zum Abschic-d, nnd iä, konnte mich bei diesem zweiten Besuch des Glaubens kaum erwehren, daß anf ihrer abgekappten Spitze einst ein Koloß gestanden haben müsse, wie auf den ähnlichen Denkmälern im See Mocris, obgleich Herodot nichts davon erwähnt. Als ich im Begriff war, am Morgen darauf zu Pferde zu steigen, um meiue Neise fortzusetzen, ließ mir Oberst Wyse sagen, daß er in diesem Augenblick einen ncueu Eingang in die zweite Pyramide entdeckt habe, denn der Unermüdliche opcrirt auf alle drei zugleich. Ich fand die Sache richtig, da dieser uicdrigc Eingang aber nur auf einen schon bekannten inucrn Gang stößt, so ist wenig damit gewonucn, und ich wünsche von Herzen dem braven Obersten für seinen Fleiß, seine Ausdauer, und sein Geld, bald ein glänzenderes Resultat. Herr Cavilia, der vor einiger Zeit dicht neben den Pyramiden einen seltsamen Bau aneinanderstoßender Gemächer und Gänge aufdeckte, dessen Plan und Zweck zu verstehen bis jetzt noch nicht gelang, versicherte mir in Kahira, „in Entfernung einiger Stunden in dcr Wüste Fundamente von Pyramiden aufgefunden zu haben, deren Granitblöcke grö'ßtcnthcils schon wieder in Staub aufgelöst wären, woraus er schließe, daß, wenn die noch stehenden Pyramiden aus Sandstein 4 oder 5000 Jahre alt seyen, jene aus schon wieder pulverisir-tem Granit, wenigstens vor zehnmal so langer Zeit erbaut worden seyn müßten!" Seine kleine Deftk- 32 tl'on verhinderte mich diesen denkwürdigen „Granit-staub" mit eigenen Angen zu sehen. Als ich durch dic Einförmigkeit der Wüste meinen Weg fortsetzte, zürnte ich fast auf mich selbst, von mehr als einem go hischcn Vau des Mittcl-altcrs lebhafter angeregt worden zu seyn, als von diesen berühmten Weltwundern, so wie mir auch in früheren Jahren das Pantheon zu Rom weit großartiger vorkam, als die zwanzigmal größere Pcters-kirchc — aber ich hatte nicht Unrecht. Der Triumph der Kunst muß höher stehen als der der bloßen Masse. Dcnwhngeachtet kann man, wenn man die kältere Nefiektion zu Hülfe nimmt, nicht nmliin, auch über diese Massen allein schon zu stannen, womit eines Königs ^aune der Ewigkeit zu trotzen versuchte. Die drei Pyramiden von Dschiscl) enthalten 4,l>93,000 Kubikmeter, woraus erhellt, daß man mit den Steinen dieser Monumente eine 9 Fuß hohe und 1 Fuß dicke Mauer von circa 1400 Stunden Länge bauen lömUe, also z. V. von Alerandrien aus dnrch Afrila hindurch bis an die Küste von Guinea! Unter den sechs Beduinen, die während der 33 hier verlebten Tage unserc treuen Schatten geblieben waren, befand sich einer der schönsten Menschen, die ich je gesehen, das vollendete Bild eines Herkules, der, als er im Dampfbade des Königssaalcs sein leichtes Gewand abwarf, und nun im Schein der Fackel nackt dastand, jeden Künstler als Modell in Eistase versetzt haben würde. Ich liebe die Schönheit in jcdcr Form, und suchte ihn daher für meinen Dienst zu cngagircn, was indeß, da er Frau, Kinder und ein beträchtliches Eigenthum hatte, sehr schwer hielt; doch entschloß er sich endlich dazu für eine hohe Bezahlung, die er für den ersten Monat gleich voraus verlangte. Der Charakter des Beduinen ist aber nicht zum Dienen geschaffen. Der riescnstarkc Kerl, der für sechs Andere aß, tonnte nie zu der geringsten regulaircn Arbeit nach dem Maßstab eines Kindes vermocht werden, und da ich ihn doch nicht als bloßen Statisten behalten wollte, so ließ ich ihm, ohngesä'hr eine Woche darauf, in einer Anwandlung von Acrgcr über seine Faulheit ankündigen, daß er entweder gleich den andern Dienern arbeiten, oder auf der Stelle die Barte verlassen solle. Da er indeß wenig Miene machte, der Mchcmcd Ali'« Rcich. II. I 34 .Warnung Folge zu leisten, befahl ich ihm definitiv, zu gehen, was er aber zu meinem Erstaunen ebenfalls verweigerte, so daß ich dem Kawaß auftragen mußte, ihn, wenn er sich binnen fünf Minuten uoch hier befände, gewaltsam aus der Barke hinauswerfen zu lassen, wozu freilich ein Dutzend Menschen nöthig gcwcscn wären. Cm türkischer Beamter und Diener Seiner Hoheit ist aber so sehr das Schrecken aller Araber, daß der Riese Ali sich nun sogleich fügte. Natürlich sah ich meinen vorausbezahlten Mo-natslohu als vcrlovcn an, war aber nicht wenig überrascht, am andern Morgen von meinem Dragoman zu hören, daß der Beduine ihm gewissenhaft drei Viertel des erhaltenen Geldes wieder gegeben und nur den Lohn für die abgediente Woche mit sich genommen hade. Mir schien dieser Zng des Aufzcichnens werth, obgleich er von den Europäischen dienenden Klassen, vom Gchcimerath bis zum Schuhputzer herab, schwerlich sehr bewundert werden wird. Nach einigen Stunden, die uns fortwährend über, ganz mit abgeglätteten Mccrkieselu bedeckte, Sanbhügcl führten — Steine, die oft jenen glichen, 3» welche die leichtgläubigen Alten für die petrisicirten Bohnen nnd Linsen der Arbeiter an den Pyramiden hielten — erreichten wir die Ppramibenruincn von Abnsir, bcdcntcnd kleiner als die von Dschisch und von geringem Interesse. Anderthalb Stunden weiter befinden sich die von Sathara, deren mit-tclsic, größte, und in breiten Absätzen aufsteigende, wie schon bemerkt, der General Minutoli eröffnete. Hier war also Msarra, der bisher auf seinem Esel zwischen Schlaf und Wachen fortgezuckclt war, in sein Element gekommcn, wie der Fisch ins Wasser, ich aber schweige und bitte meine Leser, den interessanten Artikel dort nachzulesen, wo er am lehrreichsten und unterhaltendsten abgefaßt ist, in des Generals eigener vortrefflicher Beschreibung. Ohnfern dieser Pyramide liegen einige weit schönere Sarkophage als die sind, welche wir bei Dschlseh gcfnndcn, und nahe dabei befinden sich unerschöpfliche Ibiokatakomben, auch Mcuschcngräber mit Mumienplebs in Menge. Man scharrte für ein Ge-rmgco vor unsern Augen einige ganz intakte dieser vrdinaircn Mumien aus. Die buutbemaltcn Gesicht ter auf deu groben Möpsen, obgleich teinc Kunstwerke, 3" 36 schienen mir doch voll Ausdruck, besonders eine weibliche Physiognomic von änßerst schelmischem Ausdrnck. Wir öffneten zwei, die offenbar mir gemeine Leute bargen, und fanden auch nichts darin, als vom angewandten Mastiv versengte Linnen, nnd ;u wahrem Hol; gewordene Knochen. Die noch weiter entfernten Pyramiden von Daschfnr begnügten wir uns ans der Ferne zn betrachten, und wandten nns nun dem Nile wieder zu, nach dem schönen Thale und weitläuftigcu Pal-menwaldc des alten Memphis. Wenn man in diesen Wald eintritt, hat die ganze Scene eine auffallende AchnliäMt mit unsern düstern nordischen Kieferhaidell. Die Bäume mit ihren langen kahlen Stämmen und kleinen Kronen zeigen fast dieselbe For»: und Farbe, der Boden ist gleichmäßig dürrer Sand mit wenig Gläschen hie und da, nnd um das Portrait zu vervollständigen, sieht man daneben weite, halb ausgetrocknete flache Tcichbecken voll Moor ganz wie die Marken und die Lausitz sie so vielfach auszuweisen haben. Es würde daher anch hier eben so traurig als bei uns seyn, wenn nicht gleich daneben der gesegnetste Audoden, mit dem frischesten 37 Grün bedeckt, hundertfache Frucht trüge, und ohnfern davon in seiner stolzen Pracht dcr breite Nil flösse. Ucbcrdics füllen antike Ruinen an mehreren Stellen den Wald, und in einer Versenkung liegt nahe der Straße der schone, vom Kopf bis zum Gürtel ganz, im Uebrigen nur theilwcisc, erhaltene Koloß des großen Nhamscs (Sesostris), wahrscheinlich der sonst im Dromos des Tempels Vulkan's stehende, und außer Zipsambul die einzige Statue dieses Heroen Acgyptcus, deren Antlitz unbeschädigt ist. Herr Cavilia fand diesen Koloß zuerst auf, und schenkte il)n dein englischen Vicekonsul in Alcrandricn, denn jeder Fremde, der früher hier etwas Antikes auffand, hielt sich für berechtigt, es als sein Eigenthum zu betrachten, fast wie einige Küstcnbcwohncr das Gut dcr Schiffbrüchigen. Der Herr Vicckonsul hat, wie ich höre, die Absicht, den Kopf absägen zu lassen und ihn dem vaterländischen Musenm zu verkaufen, damit er neben dem Raube Lord Elgin's in London aufgestellt werden könne. Wenn dies gegründet ist, so hoffe ich, daß Seine Hoheit dcr Viccköm'g, der Gott Lobt noch nicht, wie mancher andere Fürst, sich als jedes englischen Beamten Sklave anzusehen 38 braucht, eine solche Barbarei verhindern wird. Es wäre wenigstens eine große Schwäche von seiner Seite, wenn er es nicht thäte, er müßte denn innerlich für gegründet halten, was neulich einer der ersten Dfft'zicrc der Euvhrats-Erpedition (übrigens ein Mann von großer Energie und nicht geringem Talent) nn't acht englischer Galanterie und Selbst--schätzung dem Kommandanten von Adana sagte, als ihm dieser die neu ausgeführten Vefcstigungswcrke dieses Ortes zeigte: »M»» clwr, nv«c n» l!lt«l K (Reitpeitsche) et Centner hier an Ort und Stelle 105)0 Piaster, während die Fellah's für den öentner des rohen Produkts nur 50 Piaster erhalten, was allerdings ein schöner Gewinn seyn würde, wenn man 5täufcr fände. Der Franzose hat vorgeschlagen und zugleich den großen Vortheil davon bewiesen, künftig gar-leine ^ Zucker mehr durch die Fellah's fabriciren zu lassen, sondern ihn gleich hier ans dem Zuckerrohre zu ziehen und dann nn't dem Apparat einer Dampfmaschine zu raf-siniren, durch welche Behandlung, wie er behauptet, der Vicckönig bald den Zucker wohlfeiler werde liefern können, als man ihn von Europa herzuschaffen im Stande sey. Dadurch würde ihm abcr der ganze Debit im Lande und ein ungeheurer Gewinn gesichert werden. Der Direktor selbst hat sich erboten, das Geschäft in Entreprise zu nehmen und eine hohe Pacht zu zahlen, doch ward dies abgelehnt, so Wie mehrere andere seiner Vorschläge, durch welche er der „Inevtie" seiner ägyptischen Gehülfen vorbeugen wollte, über die er sich mit vielcr Bitterkeit beklagte, und dabei äußerte, daß der Vicekönig seit einiger Zeit immer mehr Abneigung zeige, Enropäer zu cmplopiren, weil er glaube, er brauche sie nicht 61 mehr, worin er sich jedoch sehr irre. Ich wiederhole diesc Worte, weil sie dem ganz entsprechen, worauf ich schon früher hingedeutet. Die Eifersucht der Türken gegen die Europäer und ihr Bestreben, sie zu entfernen, indem sie vorspiegeln, sie hätten nun selbst schon Alles erlernt, was vonnöchcn sey, gewinnen immer mehr Terrain am ägyptischen Hofe, und mehr noch bei Ibrahim als bei Mchcmed Ali, aber auch dieser, der so häusig und so unverantwortlich von Europäern betrogen wurde, fängt nachträglich an, eine Art Erbitterung gegen sie zu fühlen, und läßt sich wohl hie und da mehr überreden, daß cr sie entbehren könne, als ihm gut ist. Denn noch ist die Zeit hierzu nicht gekommen, und ein so großer und bewunderungswürdiger Mann Mehemed Ali auch ist, ohne Hülfe der Europäer hätte cr seine Pläne doch nie ausführen fönncn, und dic Dauer des nun Geschehenen würde vielleicht ohne sie ebenfalls sehr gefährdet seyn. In dem Reisebericht des Herrn von Cadalvc, worin jede Gelegenheit ergriffen wird, den Vicekönig herabzusetzen, findet sich auch über die hiesige Zuckerfabrik zu diesem Behuf eine ganz falsche Angabc. Der 62 Verfasser behauptet nämlich, „die geringere Qualität des hiesigen Zuckers (deren wahrer Grund in der Unwissenheit des vorigen Direktors und Erbauers der Fabrik zu snchcn ist) sey nnr der Inkonsequenz Mc-hemed Ali's zuzuschreiben, der, obgleich er in so vielen andern Fällen die Vorurthcile seiner Glaubensgenossen für nichts geachtet, hier nnbcgrcifiicherweise die Anwendung des Blutes zum Naffinircn des Zuckers nicht habe gestatten wollen, ohne zn wissen, daß sie unerläßlich zur Gewinnung eines guten Pro-dults sey.« In diesen Vorgeben ist Alles Irrchum. Fürs erste hat der Vicekönig nie daran gedacht, sich nni solche Details zu bekümmern, sondern nur die nnchamcdanischcn Arbeiter haben einen großen Abscheu dagegen, und einige Weigerung gezeigt, sich des Blutes zu bedienen, worin der neue Direktor ihnen um so lieber willfahrte, da (zweiter Irrthum des Herrn von öadalvcm) Vlut ebcu gar nicht zum Nafffnircn des Zuckers unumgänglich nöthig ist. Der hiesige Direktor selbst z. V. zieht Eier zn demselben Zweck weit vor, und würde sie auch, wie er sagt, in Europa vorzieheu, wenn es dort möglich wäre, sie sich in solcher Menge und so wohlfeil als S3 hier zu verschaffen, wo Blut weit höher zu stehen kommt und weniger leistet. So unbedeutend diese Sache an sich ist, habe ich sie doch nicht übergehen wollen, da sie in ihrer auffallenden Oberflächlichkeit und feindlichen Intention ein gutes Specimen fiir die Menge ihr gleichender Ausfälle giebt, von denen das sonst nicht Werthlose Vuch wimmelt. Am 9. März hatten wir einen halben Tag lang das malerisch geformte Gebirge Abulfcda östlich zur Seite, häufig dnrch schöne Katakomben, und zuletzt mit einem wunderbaren' Santons-Tempel geziert, der, die äußerste Spitze eines weißen Felsen krönend, ganz einem Conditoraufsatz auf einem Zuckerkuchen glich. Ihm gegenüber erhob sich mitten aus der Wüste ein ockergelber Sandhügcl, in Form der regelmäßigsten Pyramide. Seit Minich sieht man nur noch selten die balancirendcn Eimer der Saki's am Ufer durch Ochsen in Bewegung gesetzt, sondern nackte Fellah's nehmen ihre Stelle ein, und die Saki's sind für ihre Taille kleiner eingerichtet. Zahlreiche Vüffclhccrdcn weideten am Flusse, und auf den vielen Eandinseln standen Dutzende von Pelikanen gravi- «4 tätisch in Rech und Glied aufgestellt. Auch von andern Wasservögcln war der Nil hier vielfach belebt, und wir schoffen einige wilde Gänse, die von gutem Geschmack, aber schwer zu erreichen sind. Gegen Abend langten wir in Monfalut an, das vor Kurzem der Fluß halb zerstörte, ein elender, aber noch immer weitlä'uftiger Ort mit mehreren recht hübschen Moscheen. Die Umgegend ist reizend. Beide Bergketten von Arabien und Lybien scheinen, von der Stadt aus gesehen, einen ununtcrbrochncn Kreis blauer Gcbirgsmaucrn um sie her zu ziehen, deren innerer Naum etucn zusammenhängenden, vom Nil durchströmten üppig grünen Teppich bildet. Ich kletterte mit dem Doktor auf eine verfallne Hausruine, um die herrliche Aussicht in größerer Vollständigkeit zn genießen, wir wurden aber zu einem schleunigen Rückzug gezwungen, als die vom Wasser untcrmi-nirtc Mauer von unserm Gewicht wie von einem Erdbeben zu schwanken anfing. Doch hatten wir schon im Fluge die Minarets von Siut am rosenfarbnen Horizont des lachenden Panorama's erspäht, ein doppelt willkommener Anblick, da uns dort eine schr erwünschte Nuhestation erwartete, und wir 65 zugleich den Vicekönig noch in Siut anzutreffen hofften. Zu Lande ist es nur einige Stunden von Mon-falut entfernt, auf dem Wasser brauchten wir wegen der fortwährenden Krümmungen des Flusses und dazu kommenden contraircn Windes den größten Theil des folgenden Tages, um die kurze Strecke zurückzulegen. Es mag bei diesem Anlaß berührt werden, was nur alle meine uachherigcn Erfahrungen bestätigten, daß ein Reisender, der weder schwächlicher Constitution ist, noch durch seine ökonomischen Verhältnisse gemrt wird, sowohl für sein Vergnügen, als zur Erlangung einer richtigeren Kenntniß des Landes, weit besser thut, schon von Alcrandrien aus, und so weit er dann gehen will, die Hinreise durchgängig zu Lande zu machen, auf dem Nile aber zurückzukehren. Nur in den Sommermonaten, wo der größte Theil Acgyvtens als ein graues Sandfeld erscheint, leidet diese Vorschrift eine Ausnahme. Zn jeder andern Periode wird der Fremde auf diese Weise 1) weit schneller fortkommen, was etwas mehr Ermüdung schon reichlich anfwicgt, 2) nnendlich mehr Abwechselung genießen, 3) viel weniger Krankheitsanfälle zu fürchten haben, und ^) zehnmal mehr nützlichen Mthcmcb Mi'S Rciä', II. 5 as Gewinn aus seiner Reise ziehen, als beim allgemein recipirten Schlendrian gewöhnlicher Touristen möglich ist. Mein erstes Geschäft in Siut, das eine halbe Stunde vom jetzigen Wasserstandc des Nils entfernt liegt, war, ehe ich noch die Barke verließ, Mchcmcd Ali meine Ankunft melden zu lassen. Kurze Zeit darauf erschien Artim Bey, gefolgt von Pferden und Dienern, um mich auf der Stelle zu Seiner Hoheit dem Vieckönig abzuholen, der die Gnade hatte, mir sagen zu lassen: »seine Absicht sey gewesen, in wenig Stunden Siut zu verlassen, da ich aber endlich dort angelangt sey, so werde er meinetwillen noch heute und morgen hier verweilen." In der That hatte ich mich, gegen die früheren Bestimmungeu, sehr verspätet , und die freundlichen Worte Seiner Hoheit erschienen mir daher um desto großmüthiger und graziöser. Der Abend war prachtvoll, und machte den kurzen Weg bis Siut zum glänzendsten Schauspiel; denn hier war noch alles Grün in höchster Frische, das in mannichfachcn Schattirungen auf drei Seiten die Hauptstadt Oberägyptens umgab, während auf der «7 vierten, dicht hinter ihren Thürmen und Moscheen die so heiter in den goldnen Strahlen der untergehenden Sonne schimmerten, sich die ernste, weiß-gebleichte lybl'schc Bergkette hinzog, mysteriös gezeichnet dnrch die schwarzen Guirlanden ihrer unermeßlichen Katakomben. Der Vieckö'tlig hatte seine Wohnung in einem ansehnlichen, wcißgctmichtcn Pallast am Saume der Stadt genommen, in dessen weitläustigem Hofe wir eine Kompagnie grim uniformirtcr Soldaten aufgestellt fanden, die mir bei meinem Eintritt mit klingendem Spiele die Honneurs machten. Ich darf sagen, baß der Empfang Seiner Hoheit nicht nur wie immer äußerst artig, sondern wahrhaft herzlich war. Ich fand ihn ü'brdics sehr guter Laune, und die fatiguantc Landrcisc von Kahira bis hierher, während welcher der fast sicbcnzigjährige Greis täglich 8—10 Stunden zu Pferde zurücklegte, schien il)n nicht im geringsten ermüdet zu haben, denn er sah fast noch wohler und kräftiger aus als früher. „Was ihn so heiter mache," sagte er, als ich das Obige gegen ihn ausgesprochen, „sep der gute Zustand, in dem er die Provinz gefunden, in der er nun schon 5" 68 seit zwei Jahren 85,000 Menschen drei Monate lang jährlich an den vcrnachläßigten Dämmen und Kanälen arbeiten lasse, wozu überdies in jedem Jahre 32 Millionen an der Sonne getrocknete Ziegel angefertigt und verbraucht worden seyen. Das Doppelte der fortgesetzten Arbeit, hoffe er, werde hinreichen, die Bewässerung in ganz Oberägyptcn dirigircn zu können, so daß kein Theil desselben unbebaut liegen bleiben dürfe, wie bisher leider an so vielen Stellen der Fall gewesen sey. Auch sey es ihm endlich gelungen, die Einwohner zu vermögen, große Einkäufe von Vieh aus dem Sennar zu machen, wozu sie sich trotz des damit vcrbundnen außerordentlichen Vortheils doch — wie es ja immer mit allem Neuen gehe — nur der Ungcwohnthcit wegen im Anfang durchaus nicht verstehen wollten. Er habe indeß das Mittel ergriffen, zuerst mit gutem Beispiel voranzugehen und für sich selbst große Aukäufe zu machen, dann aber jedem irgend soliden Entrepreneur die Einkaufssum-men ohne Proccnte vorgeschossen, und so sey die Sache nun im besten Gange. Im Sennar," setzte er hinzu, „ist das Vieh in solchem Ucbcrfluß, daß ein Kamecl kaum vier spanische Colonnatcn, cm Ochse 6U zwei und cm Schaaf nm vier Piaster (1 Franken) kostet. Dort fchlt nur Kapital, und in einem solchen Grade, daß i ch erst die Einwohner an Geld zu gewöhnen angefangen habe, denn sic kannten bis dahin nur Tauschhandel. Hier im Gegentheil fehlt es an Viehzucht, da nur wenig Terrain zur Weide bleibt, und das meiste zu weit reicherem Ertrage mit Feldsrüchten bestellt wird, die Betreibung der Saki's aber die Anwendung einer ungeheuren Menge Thiere unumgänglich nöthig macht, und bei ferneren Meliorationen immer noch nöthiger machen wird. Durch den von mir eingeleiteten Handel wird also beiden Theilen geholfen werden, und wenn Gott uns günstig ist, ihre Prosperität mit Riesenschritten zunehmen müssen." Im Verfolg der Ncisc begegnete ich nachher häufig solchen Transporten großcrHecrden, die wegen des unterwegs anzuschaffenden Futters allerdings ihre Schwierigkeit haben. Auch war alles dieses Vieh von einer schattenartigen Magerkeit, aber durchaus von schöner Race und kräftigem Bau. Wir kamen von diesem administrativen Gegenstände auf Europa zu sprechen, seine sich immer stei- 7« gernden Erfindungen, und namentlich seine vielfachen, hier noch unbekannten Lmusartikcl. „Ich kenne alles das," sagte der Vieckönig lächelnd, ??und bekümmere mich nicht blos um Maschinen, sondern auch um die guten Dinge, die zum Lebensgenuß gehören. Es erscheint nichts Neues dieser Art in London oder Paris, wovon nur nicht sogleich Proben zugeschickt würden." Aber 'mn sieht es leider nicht, erwiederte ich (denn diesmal waren wir allein), weil es in Euer Hoheit Harems vergraben bleibt. „Ja," erwiederte Mchcmed Ali, „so weit zu gehen, wic Sie es möchten, erlaubt die Zcit freilich noch nicht. Nach mir wird aber noch manches Vorurthcil fallen, obgleich es selbst dem Weisesten unendlich schwer wird, sich von ihnen los zu machen, und es vielleicht keinem Sterblichen je gelingen kann, hierin die Folgen seiner früheren Erziehung ganz abzuschütteln." Aus vollem Herzen machte ich ihm mein Compliment darüber, wie viele solcherVorurthcile dennoch er selbst bereits besiegt, und wie dankbar schon die jetzige Generation ihm für die daraus entsprungenen Wohlthaten anhängen müsse. Seine Antwort war originell aufrichtig, nnd die eines laugst schon cut- 71 täuschten Menschenkenners: »Der Vater," sagte cr, „liebt sciu Kind — warum? — aus Eigennutz. Er sieht sich selbst darin fortgesetzt, cs kommt von ihm; es gehört ihm, und cr hofft, es werde cinst eine Stütze seines schwachen Alters seyn. Das Kind liebt den Vater, weil cs von ilim seinen Unterhalt, alles Gute im ^ebcn, und nach dessen Tode noch sein Erbtheil erwartet. Herr und Diener, Fürst und Unterthan denken Alle so, das eigne Interesse liegt allen Verhältnissen der Menschen zum Grunde, und wenn cs geschickt gchandhabt wird, macht cs gute Herren und gute Diener." „Es ist nur schlimm," fiel ich ein, „daß cben so Wenige ihr wahres Interesse verstehen, und hier bewundere ich cbcn am meisten die Energie Eurer Hoheit, die sich weder durch Betrug noch Dummheit je in ihren wohlthätigen Plänen irre machen ließ.« „Es ist wahr," sagte er, »ich babc manchen schweren Kampf bestanden, mich aber eben deshalb an mein Adoptivland mit wahrer Leidenschaft gc-kcttet. Ich hattc nimmer Nuhc noch Nast, stets kam co nur vor, wie ein seit Jahrhunderten betäubt im 72 Schlafe liegendes, nacktes und hülfloscs Kind, dem ich Alles allein seyn müßte, Vater und Mutter, Herr und Diener, Lehrer und Nichter — und oft habe ich in schlaflosen Nächten zu mir gesagt: kann es denn an einem Mchcmcd Ali genug seyn, das Kind zu nähren, zu kleiden, verständig zu machen und groß zu ziehen? Noch jetzt bin ich darüber schr ungewiß, doch vielleicht gewährt es mir, trotz aller Hindere nisse, Gott, dem ich so viel verdanke, und dem ich von jeher auch Alles anheimgestellt." Man kennt Mchemcd Ali so ganz und gar nicht in Europa, und selbst hier nicht zum größten Theil, daß ich überzeugt bin, Viele meiner Leser werden dies und das Folgende zur Hälfte für einen Noman meiner Ersiudnng halten. Ich bitte diese, nur zu bedenken, daß Artim Vey, ein Mann von so Europäischer Bildung, daß man in zwanzig Jahren den Türken nicht in ihm errathen würde, da ist, um mir em tie-inenti zu geben, wenn ich die Unwahrheit sage. Ich kann mich in unwesentlichen einzelnen Ausdrücken irren, aber nie in der Hauptsache, da ich stets den ersten freien Augenblick wahrnahm, um Mehemcd Ali's 73 Worte niederzuschreiben, und ich that diel«,weil ich der Meinung bin, daß großcrMänner Aeußerungen, selbst geringfügige Dinge betreffend, für den Gebildeten immer ein hohes Interesse haben müssen. In wiefern übrigens diese Aeußerungen wirkliche Hcrzcns-ergicßungen oder absichtlich präparirtc sind, mag der Scharfsinn des Lesers selbst entscheiden, Stoss zum Nachdenken gewähren sie immer. Der Vicekönig schloß unsere heutige Unterredung mit der Bemerkung: „daß alle Völker der Größe und alle Armeen des Sieges fähig wären, wenn sie nur einen Mann fänden, der sie den Weg dahin zu führen verstünde." Am andern Morgen wd er mich ein, mit ihm ein »ci^eiill« n liv flnircllvtw" einzunehmen. Nach dem früher gesehenen und mit ihm getheilten türkischen llinl; in Dschiseh war ich nicht wenig verwundert, jetzt bei Seiner Hoheit das Service ganz auf Europäischem Fuß zu finden, und Mchemcd Ali elbst mit aller Eleganz eines englischen Dandy's effcn zn sehen. Ich erfuhr indessen, daß der Vicekönig in seinem Interieur schon seit mehreren Jahren in dieser Hinsicht die Europäische Sitte ange- 74 nommen habe, mtd nur bei öffentlichen Gelcgenhei-ten die nationclle noch beibehalte. Doch blieb die Scene in so weit noch türkisch, daß Sc. Hoheit und ich allein essend am Tisch saßen, nnd der Hof nüchtern nncherstand. Der Vicckö'nig war so lustig, daß er mir selbst einige Worte in französischer Sprache adrcssirtc, die cr ganz richtig aussprach. Dann sagte er mit der ihn: ganz eignen naiven Grazie: «Auf Europäisch zu essen habe ich gelernt, aber das Vor-Icgcn verstehe ich noch nicht recht, nnd darin sollen Sie mir jetzt eine Lektion geben, indem Sie sich dieses Geschäfts unterziehen." Der Anfang mußte mit einem l)mn hier in kur;er, schwarzer Tracht, ohne den gewöhnlichen langen Pels, was ihm außerordentlich gut ließ, und ihn wenigstens um zehn Jahre zu verjüngen schien. Es war son- stt derbar, daß cr in dieser fast altspanischcn schwarzen Kleidung, und mit dcm imposanten Wesen, das ihm cigcn ist, in diesem Moment auf das Lebhafteste ciuc tief eingeprägte Erinnerung ans meiner Kindheit in mir hervorrief, denn er glich tanschcnd dcm seligen Fleck (dessen ganze Statur er anch bat) in der Nolle König Philipps nn Don Carlos. „Wissen Sie" sagte er, als ich eintrat, ..was ich eben dekrctirt habe? Eine Bank in Kahira, für die ich vorläufig ein Capital von einer Million spanischer Thaler hergebe, und außerdem alle Güter meiner unmündigen Kinder demselben Fond zulegen will. Die Bank wird nach Landcssittc Geld zu zwölf Prozent vorschießen, und für die ihr geliehenen Summen zehn Prozent zahlen, und ich hoffe die guten Folgen dieser Masircgcl bald zu erleben. Unternehmenden Leuten wird cs von nun an nicht mehr an Capital fehlen, ihre Speculcttioncn zn verfolgen, und das Volk, welches immer noch so thöricht ist, jeden Para, den es erübrigt hat, zu verstecken — obgleich es jetzt schon aus Erfahrung wissen sollte, daß unter mir Keiner mchr etwas für sein erworbenes Eigenthum zu befürchten hat — wird vielleicht nach und 87 nach mit seinem Gelde zum Vorschein kommen und einsehen, das; cs bcsscr sey, dieses weiter zu benutzen als es todt liegen zu lassen. »Neulich," fuhr er fort, »starb ein unbedeutender hiesiger Schech (Ortsvorsteher), den man kamn für wohlhabend hielt, und der demungeachtct 60,000 Gazi in baarcm Gelde hinterließ. Zch würde nie etwas davon erfahren haben, wenn nicht unter den Kindern Streit über die Erbschaft entstanden wäre, und eins davon zuletzt meine Hülfe angerufen hätte. Ich ließ alle kommen und ricth ihnen, sich so schnell als möglich im Guten zu vergleichen, denn fallt ihr einmal dem Kadi in die Hände, sagte ich ihnen, so wird nicht nur Einer von cnch, sondern Alle bald den Kürzeren dabei ziehen. Sie folgten mir nnd thaten wohl daran." Einige Aeußerungen, welche hierauf folgten, zeigten mir genugsam, daß Mehcmeb Ali mit der Geistlichkeit, die bei den Muselmännern einen großen Theil der Gerichtsbarkeit ausübt, und überhaupt einen dem Staat gefährlichen Einfluß besitzt, eben so unzufrieden ist, und sich ebenso durch sie die Hände gebnndeu fühlt, als der Sultan zu Constantinopcl, auch überhaupt jede Geistlichkeit, nut solcher Macht versehen, 88 für allc Gouvernements als höchst schädlich und verderblich ansiebt. Gelänge cine Reform in dicscr Hinsicht, so wäre dem Orient mehr dadurch geholfen, als durch allc übrigen, eben so wic früher der christlichen Welt durch den (später wieder zn lange cingc-schlaftnen) Protestantismus, denn ganz abgesehen davon, ob man dadurch in religiöser Hinsicht viel gewonnen habe oder nicht, war der politische Vor-iheil unermeßlich, daß durch die Reformation der christliche Priestcrstand größtcntheils in seine wahren Schranken zurückgewiesen, oder diesen doch näher gebracht wurde, während er hier noch als eine mächtig in die Regierung eingreifende Korporation besteht, und ihr bei jeder Gelegenheit hemmend entgegen tritt. Nach einigem Nachsinnen griff der Vieckönig das vorige Gcldthcma wieder auf. „Ich bin überzeugt," sagte er, „daß große Schätze an baarem Gelde auf die angegebene Weise in Aegyptcn noch immer t'n der Erde ruhen. Es war von jeher unsere Art so, und früher konnte man es auch nicht anders machen, so lange bloße Willkür herrschte. Wir waren ja damals Alle roh, unwissend, kaum mit dem 89 Begriff des Verbrechens bekannt, sondern nur mit dem unsres Vortheils. Aber seit ich hier Herr geworden bin, kann ich mit gntcm Gewissen sagen, daß, so weit meine Einsicht reichte, und so weit ich davon unterrichtet werden tonnte, kein Unrecht in Privatvcrhä'ltnissen wissentlich mehr von mir geduldet worden ist. Ich weiß, man sagt, ich selbst drücke die Fellah's und doch ist leicht darzuthun, daß ihr Zustand schon um das Doppelte besser und namentlich sichrer geworden ist als er je vorher war, obgleich ich allerdings noch lange nlcht im Stande bin, für sie zn thun was ich möchte, wovon die Schuld aber nicht au mir liegt. Man sagt ferner, ich l)abe mich zum einzigen Eigenthümer in meinem Lande gemacht, und auch dies ist eine ganz falsche oberflächliche Ansicht. Der Fcddan, den der Fellah bearbeitet, ist, was den daraus zu ziehenden Nutzen betrifft, so gut als sein wirkliches, wenn auch noch no'thigcrweisc beschränktes, Eigenthum; ja er kann ihn sogar verkaufen, d. h. ihn einem andern Fellah zu beliebigen Bedingungen ccdircn, nur dnlbe ich nicht, daß er ihn unbearbeitet liegen lasse uud diese Vormundschaft ist bis jetzt unerläßlich. Seine Ab- 90 gaben sind keineswegs unverhältnißmäsiig, denn cr zahlt dem Gouvernement, nach Lokal umständen etwas variirend, im Durchschnitt nur den vierten Theil der Ernte, theils w mltura, theils in Geld, als Grundzins, und zwar nur von einer Ernte, während cr meistens zwei, und in Unterägppten oft jährlich drei Erndtcn aus seinem Boden zieht. Die Aralte oder indirekten Abgaben treffen nicht den Landbcbauer, sondern den Handelsmann. Sie mögen ihr drückendes haben, aber ich bin durch höhere Gründe genöthigt, sie vor der Hand beizubehalten, und cnsti-ren sie nicht in ihrem Europa gleichfalls überall, nur unter anderer Verkleidung, ja, wie man mir sagt, oft in noch viel cchö'hterem Maße? Ich weiß, daß ein Engländer, dessen Buch Sie ohne Zweifel gelesen haben werden, eine Liste von alle dem angefertigt hat, was ein Fellah meinem Gouvernement zahlen muffe, doch von Anfang bis zu Ende besteht diese ganze Berechnung kaum zur Hälfte aus Wahr? heit, das Uebrigc aus falschen Nachrichten und oft lächerlichen Mißverständnissen. Wäre jene Berechnung wirklich gegründet, so würde der Fcllah dem Gouvernement mehr abgeben, als cr selbst zu gc- 91 winncn im Stande ist. Abcr Ihre Neiscndcn kommen hierher und sehen selten über die User des Nilcs hinweg, ausgenommen, wo es Antiquitäten aufzusuchen gicbt, was immer ihr Hanptzwcck scheint. Nur nebenbei wird anch etwas über meine Administration, nach dem Bericht dcs ersten bcstcn Schwätzers, der ihnen aufstößt, gesalbadert." Er führte jetzt mit vieler Laune mehrere drollige Anekdoten von Reisenden an, die ihm selbst über Afrika, Arabien und Syrien Dinge als angebliche Augenzeugen erzählt, deren wahre und ganz verschicdne Beschaffenheit er auf das Genauste gekannt habe, und seitdem müsse er gestehen, setzte er hinzu, daß er, von der Unwissenheit und Leichtgläubigkeit der meisten dieser Herren auf solche Weise selbst überführt, im Allgemeinen eine schr geringe Meinung von ihnen gefaßt habe, welche die Erfahrung ihm auch heute noch täglich bestätige. Ich gab zu, daß er in dieser Ansicht oft sehr Recht haben möge, und namentlich über ihn und sein Wirten, die abgeschmacktesten Urtheile fortwährend von ganz incomvetentcn Richtern wirklich gefällt würden, abcr dies sey vielleicht auch schwer 92 besser zn machen, da kein geringes Talent dazu gehöre, einen Mann wie ihn zu ergründen, ihn richtig zu würdigen und zu schildern. »La, la!« rief er, „Talent brancht es dazu sehr wenig, sondern nur sich die Mühe zn geben, die Wahrheit aufzusuchen, und dann den ehrlichen Willen, sie auch zu sagen." Ich suchte nun das Gespräch auf einen Gegenstand zu leiten, den ich schon einigemal gegen ihn berührt, und ihn bei jeder Gelegenheit deöhalb drängen möchte, nämlich die Entdeckung der Nil-qucllcu durch eine von ilnn auszurüstende Expedition. Dafür hat er aber leider nicht mehr Sympathie als für Antiquitäten und Kunstgegcnstande. „Geduld, Geduld!" rief er ungeduldig, >,ich kann nicht Alles auf einmal thun. Der Beherrscher von Darfur hat schon vor geraumer Zeit eine von mir in friedlichen Absichten an ihn geschickte Gesandtschaft zur Hälfte umbringen, und zur Hälfte gefangen setzen lassen. Diese Unglücklichen schmachten noch daselbst, während der eigentliche rechtmäßige Besitzer des Landes zn mir geflüchtet ist, und jetzt, von mir unterhalten, in Kordosan residirt. Die mir äuge- 93 thane Beleidigung ist schwer, und cs ist wohl möglich, daß ich mich noch deshalb gezwungen sehe, einen Krieg mit Darfur zu führen, der jenes europäische Projekt: die Quellen des Nils zu entdecken, dann sehr erleichtern wurde. Ja, „unterbrach er sich hier, mit einem listigen Ausdrucke im Blick, „wären die Umstände anders, verstünde der Sultan von Darfur unsern beiderseitigen wahren Vortheil besser, und müßte ich nicht zu meiner eignen Sicherheit mich in Rüstungen gegen von Europa her drohende Gefahren erschöpfen — wie viel könnte ich hier für mein Volk und nebenbei auch für Europäische Wissenschaft im Innern Afrika's leisten! Jetzt sind mir überall dic Hände gebunden." Er wollte es übrigens noch nicht für ausgemacht annehmen, daß der weiße Fluß der ächte Nil sey, und äußerte, daß auch die Quellen des blauen noch keineswegs aufgefunden wären, und jedenfalls die wahren Nilquellen viel tiefer in, oder selbst hinter Abyssinicn gesucht werden müßten, als die bisherigen, nach ihm wenig zuverlässigen, Reisenden wie z. B. Bruce angäben. »Auch das wäre leicht gründlich zu ermitteln", fuhr er fort 94 „und Abyssinicn sogar, wenn man wollte, ohne viele Schwierigkeit zu erobern, aber-' — rief er lachend — „dies würde meinen Freunden, den Engländern, zu viel Verdruß machen, und mir wenig nützen." — Ich bestand auf meiner Meinnng, daß der Bahr-el-Abiad der wahre Nil sey, welches gleichfalls von den meisten Gelehrten Europa's geglaubt würde, und setzte hinzu, daß ich wohl den Augenblick zu jehcn wünschte, wo sein königliches Ncich sich tausend Stunden lang von den Mondbcrgcn bio zu denen von Adana ausdehnen werde, und frug il)n nachher, wie weit er selbst persönlich im Süden seiner Länder, die sich jetzt schon bis zum zehnten Grad erstrecken, vorgedrungen sey? »Nicht weiter als bis Ouadi-Halsa," erwiederte er, „und auch dies nur, um dic mir nöthige Passage der dortigen zweiten Katarakte des Nilo für meine Transport-fcchrzcugc zu rcguliren. Das war eine der lustigsten Reisen, die ich in meinem Leben gemacht, und die ich m einer kleinen Varkc mit wenigem Gefolge und bei stets günstigstem Winde von Kahira aus in zwanzig Tagen hin und zurück abthat, was nie vorher, noch nachher wieder bewerkstelligt worden ist." 95 Er erzählte mit sichtlichem Vergnügen die Details dieser in etwas jüngere Jahre fallenden Erpedition, unter andern, wie einmal der Sturm das Segel seiner Kangsche zerbrochen, und wie er sich, als sie umschlagend schon zur Hälfte in's Wasser getaucht war, an der panischen Furcht seiner Gefährten belustigt habe, „denn ich", sagte er, »kann erstlich gut schwimmen, zweitens weist ich, daß eine Kangsche, oder Dahabia, wenn sie auch umschlägt, nie auf dem Nil sinkt, so lange sie nicht leck wird. Ich habe lange Zeit Versuche dieser Art anstellen und Kang-schcn mit dem unvcrhältnißmäßigsten Gewicht beschweren und umwerfen lassen, ohne sie zum Sinken bringen zu können. Noch ergötzlicher war unsre allerscitigc Iagdpassiou während dieser Ncise," ftchr er fort, „bei so elenden Schützen, als wir sämmtlich zu seyn unS rühmen konnten; und ich glaube, daß von 10,000 Schüssen, die wir durch die Luft fcuer, ten, nicht zehn wilde Gänse gefallen sind.« Auf meine Bemerkung, ob nicht eine regulaire Schiffbannachung der Katarakten möglich sey, antwortete er schnell: „Warum nicht? Alles ist möglich, aber ich kann daran nicht denken, zu viel An- 96 deres drängt mich, das mögen meine Kinder in's Werk setzen; mir bleibt überhaupt nicht viclZcit mehr übrig!" Ich stritt gegen diese letztere Ansicht, und sagte, seine Thatkraft bezeuge noch eine so ächte Jugend seiner ganzen geistigen und körperlichen Organisation, daß er gewiß noch viele Jahre rastlosen Wirkens vor sich haben müsse. „Nein, nein," rief er, „wenn ich meine leidige Politik in Ordnung habe, und den Barrage vollendet, so bin ich zufrieden, und lebe ich dann noch länger, so gedenke ich freiwillig vom Schauplätze abzutreten und das Regiment meinem Sohne zu übergeben. Auch ich sehne mich nach Ruhe. — Sie haben durch Ihrc verbindlichen Worte mich über mein Alter trösten wollen, »aber glauben Sie nur, bald sicbcnzig Jahre tragen ihre Last! Doch es ist Zeit aufzubrccheu« rief er sich erhebend, „und wir dürfen die festgesetzte Stunde nicht versäumen." Des Vicekönigs Pferd stand schon gesattelt vor dcm Zelt, und alo wolle er seinen Worten durch die That widersprechen, schwang sich der kräftige Greis wie ein Jüngling in den Sattel, und ritt so rasch vorwärts, daß wir aus unsern etwas müden Thieren ihm, gleich dcm größ^ 97 ten Tl)cil seiner Suite nicht folgen konnten. Er hatte schon zn Abend gegessen, und war bereits nüt Abfertigung dcr seitdem angekommenen Depeschen beschäftigt, als wir spät im Nachtquartier ankamen, wo ich noch cm weitläuftigcrcs Zelt, als das mir am Morgen eingeräumte, für mich aufgeschlagen fand. Ich ahmte diesmal Mehemcd Ali's Beispiel nicht nach, der erst um Mitternacht zu Bett geht, obgleich er um vier Uhr schon wieder aufsteht, und suchte das mcinigc ohne Zeitverlust. Eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang ward am andern Morgen, wie gewöhnlich aufgebrochen, der Vicekönig mit einigen Kawaß und dem Mar-muhr, dic beiden Sais neben seinem Pferde herlaufend, scin i.'cibdiencr zu Pferde vorausreitend, und das Gefolge im Schweif von einer halben Stunde Länge einzeln hintcrhertrottircnd. Sobald er mich und seinen Dragoman Artim Bey sdcn ich nie aus den Augen lasse) erblickte, rief er mich gleich zu sich, mir schr freundlich einen guten Morgen und und eine glückliche Tagereise wünschend. Nachdem ich gedankt und versichert, daß eine Ncise in seiner Nähe nur glücklich fü'r mich seyn könne, sagte er 98 scherzend: das frühe Aufstehen möge mir, nach dem, was er von meiner Lebensart gehört, wohl etwas beschwerlich vorkommen, er für seine Person sey immer gewohnt, die Sonne aufgehen zn sehen, und die Morgcnzcit sey seine liebste. Die Unterhaltung ward sehr heiter fortgeführt, ich übergehe sie jedoch diesmal, weil sie sich nnr auf Lokalitäten erstreckte, die zu wenig allgemeines Interesse darbieten. Un, scr Weg führte wie gestern durch beispiellos üppige Fluren so weit das Auge reichen konnte, und obgleich Hcrr von Cadalvcnc unter seinen vielen Uebertreibungen unter andern anch behauptet: »daß der Vicclö'nig die Fellah's zwinge, in ganz Aegpptcn fast nur Vaumwollc zn bauen, weil diese ihm das meiste Geld einbringe, dem F el lah aber den wenigsten Nutzen gewähre, und ein großer Theil des Landes wegen dieses Druckes wüst liegen bleibe, welcher Zustand sich jährlich verschlimmere u. s. w.«, so kann ich doch versichern, daß ich in vier langen Tagereisen durch eine fast ununterbrochene Ausdehnung der herrlichsten Fluren, wie sie vielleicht nirgends anderswo vorkommt, nicht ein einziges Feld mit Baumwolle bepflanzt angetroffen habe. N9 Vielleicht sah Herr von 6adalvenc Acgyvtcn auch nur „vom Nil und seiner Varkc aus", wo man allerdings, der hohen Ufer wegen, entweder gar nichts sieht, oder sehr häufig nur uncultivirtcu Vo-den, aus dem sehr natürlichen, von gar Vielen aber überschcnen Grunde, wcil dicht am Nil das Terrain an vielen Orten sehr hoch ist, und erst in dcr weitcrn Fläche nach den ftrncu Bergketten abdacht, was von dem immerwährend ansteigenden Flußbette herrührt. Da mm eine Höhe von 21 — 24 Pick Wasser zu einer hinlänglichen Uebcrfluthung nöthig ist, so können diese erhobncn Stellen, so lange bis nicht ein regelmäßiges System von Kanälen, Dämmen und Schlcußcn cristirt (woran dcr Viccköm'g rastlos arbeitet), nicht ohne unvcrhaltnißmäßige Kosten tragbar gemacht werden, obgleich dcr Boden gut ist. Dcr Reisende, dcr ans seiner Barke diese breiten, oft von dort nicht abzusehenden Blößen erblickt, ist dann schnell bereit, seine Schreibtafel mit dcr Bemerkung zu bereichern: Aus Mangel von Händen, weil dcr Paschal) den Fellah durch den Militairdicnst, und den unerträglichen Druck der Abgaben, den er ihm auflegt, jährlich decimnt, liegt jetzt halb Aegypten 7 55 I on wüst, und eine baldige gewaltsame Aenderung der Dinge scheint unvermeidlich. Wir passirtcn eine Menge Dörfer, und fanden überall zahlreiche Arbeiter an Kanälen und Schleusten beschäftigt. Aller Orten ward der Vicckönig von den versammelten Einwohnern mit ihrem nationellcn Vivat empfangen, das im Ausstößen eines schrillenden Tones besteht, der dem Gesang dcs Nohrdommcls gleicht. Diese Frcudenbezeignngcn waren vollkommen freiwillig, denn das Vivatrufen dnrch die Polizei anbefehlen zu lassen, ist hier (wo es überhaupt an Polizei fehlt) noch unbekannt. Was mich überraschte, war die gänzliche Abwesenheit sklavischer Manieren bei den Fellah's, die nur mit dem einfachsten Gruß ihre Ehrerbietung und gute Gesinnung anszudrückcn snchtcn, ja die Bewohner eines Dorfes kamen sogar in Prozession herbei, um dem Vicckönig bittere Vorwürfe darüber zu machen, daß er nicht bei ihnen seine Mittagsrast bestimmt, sondern seine Zelte eine halbe Stnndc weiter im freien Felde habe aufschlagen lassen. Dieselbe Ungezwungenheit und Freimüthigkeit fand auch bei dcn Hoflcutcn wie der ganzen Dienerschaft statt, und der alte Lcibdicner Mehcmcd Ali's, der nicht hinter, sondern immer 101 neben ihm ritt, sprach häusig mit seinem Herrn, ohne die Hand nach den: Gesicht zu sichren, was sonst clo i'inueur, und unscrin Berühren bcs Huts oder der Mütze äquivalent ist. Andere Fellah's kamen und verlangten auf höchst ungestüme Weise, schreiend und lärmend, daß man sie nicht nöthigen solle, an cincmDamme zu arbeiten, den der Viccköng imSystcm seiner großen Arbeiten für die bcssrc Irrigation des Landes angeordnet hat. Diese ^'cute wurden hart angelassen, und von deli Saio mit aufgehobenem Stocke vertrieben, doch blieb es bei der Demonstration. »So sind sie", sagte Mchcmcd Ali, sich zu mir wendend , »diese Arbeit ist zn ihrem' eignen Unterhalt unerläßlich, und man muß sie demungcachtct dazu zwingen. Ich mnß den Kopf für Allc haben, und cin einziger für so viel Menschen ist wahrlich zu wenig!" Er ging hierauf in einiges Detail über diesen Gegenstand ein, nnd versicherte, daß nur für die immediat dringenden und nicht zu entbehrenden Gegenstände der Unterhaltung die Fellah's auf rm-vüe zu arbeiten genöthigt wären, dies aber blos während drei Monaten des Jahres, während welcher Zeit überdies die Dorfbewohner so angelegt würden, daß immer 102 jeden Monat mn' eiuDritthcil derselben dabei beschäftigt ftp, daher im Grunde jcdcn Fellah nicht mehr als ein MonatHofdicnste im Jahre treffen könne. Alle Arbeiten an nencn Kanälen nnd Schleichen würden flir Lohn gemacht und in der Ncgel, wo nicht die größte Noth dränge, Niemand dazu gezwungen; künftig gedenke er aber anch das Militair zu diesen Unternehmungen zu verwenden, womit sein Sohn schon einen Anfang gemacht. Man gestatte mir bei dieser Gelegenheit einige Worte über dao schöne und edle Verhältniß einzuschalten, welches zwischen Mchcmcd Ali nnd sciiu-m Thronerben stattfindet. Weit entfernt von kleinlicher Eifersucht, wie sie im eivilisirten Europa noch häufig eine Art stillschweigenden Staatsgesetzes ist, wird Ibrahim nicht nnr fortwährend zn Nathc gezogen, sondern die Zügel der Negierung sind ihm vertrauensvoll übergeben, wo der Vieekönig abwesend ist. So vertritt er jetzt ganz des Vaters Stelle in Kahira, und ein von ihm geäußerter Wunsch bleibt selten unerfüllt. Mit welcher Diskretion übt auf der andern Seite der sonst oft rohe Ibrahim diese Macht, mit welcher kindlichen Ehrfurcht behandelt er seinen Vater und Souverain! Es ist wahrhaft rührend zn sehen, 103 wie dieser wilde sieggckrö'nte Krieger, dessen Nang als türkischer Diener (nämlich als Pascha von Mekka) sogar den seines Vaters übersteigt, sich nicht ohne wiederholte Aufforderung vor diesem zu setzen wagt, und in seinem ganzen Benehmen nie einen Augenblick die demüthigstc Unterwürfigkeit verläugnct. Und dabei sieht man doch deutlich, wie Jeder von beiden stolz auf den Andern ist, cm menschlich schönes Verhältniß, wie es mir in gleichen Sphären selten so chrfurchtgcbictcnb erschienen ist. In der That aber ergänzen sich auch diese beiden Naturen zu verdoppelter Stärke, und würden, wenigstens unter den jetzigen Conjunkturcn, nur schwer eine der andern entbehren können, so untergeordnet auch Ibrahim in jeder Hinsicht dem ist, was sein Vater theils uoch ist, theils im gleichen Alter war. Auch nur entfernt vom Vater, z. B. in Syrien, begeht Ibrahim zuweilen Thorheiten und erlaubt sich eine schädliche Willkühr, in Acgyptcn ist er nur aufmerksamer Diener des Herrn und dabei emsiger Randbauer. Wenn wir bei der Mittagsstation ankamen, Pflegte ich gewöhnlich, wie auch Artim Bey nnd die übrigen Hofleutc, eine Stunde im Zelte auszuruhen, 704 und un'ch mit Pfeife und Kaffee zu erfrischen, während der unermüdliche Vieckönig oft während dem noch ganz allein spazieren ging. Nachher erst begaben wir uns zu ihm, worauf nach cincr Viertelstunde Conversation die Mahlzeit scrvirt wurde, an der ich mit Seiner Hoheit immer nur allein Theil nahm. Nach aufgehobener Tafel setzte sich der Vicc-löm'g mcistcnthcils sogleich auf den Divan, ich nahm auf seinen Wink neben ihm Platz, Artim Vcy stellte sich mit dem Fliegenwedel auf die andere Seite, und sobald der Kaffee gebracht wurde, entfernte ein gra-zicuses Zeichen mit dcr Hand die Hoflcute und Diener. Dies war dcr Zeitpunkt, wo Mehcmcd Ali, wie man zu sagen Pflegt, sich immer am meisten gehen ließ, am vertraulichsten nnd anfrichtigsten sprach. Heute cr;ählte er mir allerlei aus seinem Leben. »Ich kann nicht mehr lange dauern," sagte cr, den Kopf auf die Hand gessützt, „denn ich habe zu vicl schon iu jungen Jahren erleiden muffen. Mein ganzes Leben war ein beständiger Kampf. Als ich noch im Vatcrhausc in Macedonian war, druckten die Vornehmen und Mächtigen die ganze Provinz mit empörender Willkühr. 1N5 Aufstand nach Aufstand erfolgte, und auch unser Dorf, mit andern vereinigt, versuchte Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Ner abcr befehligte die Insurgenten in diesem Streit?— Der jnnge Mehemeb Ali. Und schlecht genug erging es ihm. Ich erlitt so viele kleine Niederlagen, daß einmal dcr glücklichste meiner Gegner mir während des Gefechtes zurief: »„Bist du noch nicht müde, geschlagen zu werden, da ich schon müde bin, dich zn besiegen?"" Zuletzt erlangten wir indeß mit Beharrlichkeit doch einen Theil nnsrcs Zwecks." Nun ging er zu seinen langen Kriegen mit den Mamluken iu Aegpfttcn über. „Es waren tapfre Leute," sagte er, „und allco untcr meinen Truppen fürchtetesich dergestalt vor ihnen, daß, wenn sie Gott nur halb so sehr gefürchtet hä'lwi, sie den sichersten Anspruch auf die ewige Seligkeit im Paradiese gehabt haben würden. Die Mamlutcn hätten im Anfang gar keine Waffen gegen uns gebraucht, es war hinlänglich, daß sie ihre kleinen Trommeln schlagen ließen, um all meine Leute davonlaufen zu machen, denen ich dann wohl nothgcdrungen auch selbst folgen wußte. Mein Sohn Tossum Pascha, wie meine I «6 übrigen Verwandten hatten dasselbe Loos. Nach und nach lehrte ich indeß meiucn Soldaten den Krieg durch dcn Krieg, und Gott unterstützte mich. Auf einer Seite fliehend, gelang es mir zuweilen auf der andern ein Häuflein zu überrumpeln und zusammenzuhauen. Das gab uns etwas Muth, ich fuhr rastlos fort zu organisiren, setzte mich überall, wo es irgend möglich war, selbst an die Spitze, und nach vielen ungewissen Jahren, hundertmal meinem gänzlichen Untergänge uahe, ward meine Ausdauer endlich durch dcn vollständigsten Sieg gekrönt." „Und wie," rief er mit seiner lebhaften Phantasie wieder eine laugc Epoche überspringend, »wie ging es mir iu der letzten Zeit mit der Pforte! Ich träumte uicht an das, was geschehen ist! Ich wollte, der Himmel ist mein Zeuge, nur meinen persönlichen Feind, Abdallah Pascha, ans Acre entfernen, dort sichernde Maaßregeln für mich treffen, und mich nachher mit der Pforte über das Weitere auf billige Weise einigen. Als ich aber dentlich inne ward, daß mau es iu ^onstautinopcl auf meinen Untergang abgesehen hatte, mußte ich diesem zuvorkommen. Damals schickte man i.'ente aus der Hauptstadt an IN? mich ab, um mir zu rathen, mich doch nicht in das wahnsinnige Unternehmen cinznlasscn, dem Sultan widerstehen zu wollen. Ich solle bedenken, sagte man, was Paswan Ogln's, Ali Pascha's, der Pascha's von Skutari, von Bagdad u. s. w. trauriges Ende gewesen sep. Darüber konnte ich nur lachen und antwortete: die Herren sollten nur des Baldigsten zurückkehren, und wenn sie guten Nath zu geben hätten, diesen dem Sultan selbst ertheilen, der ihn nöthiger habe als ich; denn alle genannten Paschen zusammengenommen hätten noch nicht den vierten Theil der Macht Mehcmcd Ali's besessen, folglich möge mau sich besiunen, ehe man diesen zwinge, sie zu gebrauchen. Mau wollte nicht hören, und das Nesnttat liegt vor Angen. Jetzt, ich wiederhole es, wünsche ich nur Eins — daß man mich in Nnhc und Frieden das Glück und die Wohlfahrt Acgpptens begründen lasse." Als ich nun, recapitulirend was er gewesen und was er sey, trotz aller ausgestandenen Widerwärtigkeiten, dennoch sein Glück rühmte, machte er eine eigne Bemerkung. „Das Glück," sagte er, »ist gleich dem Sturmwind, der das Schiff schnell in den Haftn 108 bringt, aber wenn dcr Steuermann keinen festen Kopf hat, auch leicht das Schiff zerschellt. Glück ist oft schwerer zu behandeln als Unglück." Bei diesen Worten nahm er, von dcr Hitze, die fast unerträglich war, belästigt, seinen Tarbusch ab, und sich mit der Hand über den kahlen Scheitel streichend, sagte er: „Dieser alte Kopf ist schon längst ergraut!" Aber deohalb nicht weniger fest, erwiederte ich, und betrachtete il)n mit phrenologischem Angc, was um so bequemer anging, da die Haare abgeschoren waren. Es war ciu schöner Schädel mit kräftig ausgedrückten Organen, nnd dadurch auffallend, daß, wie bei denen Napoleons und Alexanders, dcr animalische Theil eben so vollständig als dcr intellektuelle ausgebildet erschien, wobei denn auch ein gewisses Organ besonders merkwürdig hervortritt. Seine Aerzte bestätigten mir später ganz die Nichtigkeit meiner Bemerkung, und sprachen von kolossalen Gaben in dieser Hinsicht, deren Gleichen ihnen nie vorgekommen sey, was mir wiederum Napoleons kräftigen Ausspruch bestätigte: ^uil »> :; pn» 8 8lNl5> etc. etr. Mit Anerkennung sprach dcr Viceköm'g von den 109 großen Diensten, die ihm vcrschicdne Europäer geleistet, obgleich er sich auch bitter über dic Un-rcdlichlcit und Ineapacität Zlndrcr äußerte. Höchst naiv war die Schilderung, welche er vom Charakter eines dcr am meisten von ihm Geschätzten, des Herrn von Eerisp, machte. „Es war unmöglich," sagte er, »mit diesem Manne aus gewöhnliche Weise auszukommen, über jedes Wort sing er Feuer, und wollte nie etwas nach meiner Idee, sondern immer nur nach der seinigcn machen. Einmal, erinnere ich mich, machte er mir heftige Vorwürfe übcr meine Ungeduld, wodurch ich il)n, sagte er, zur Uebcr-cilung aller Angelegenheiten nöthige und schlechte Schiffe zu bauen zwinge, da cr doch, wenn ich ihm die gehörige Zeit lassen wolle, makellose herzustellen im Stande sey. Ereifere dich nicht, erwiederte ich gelassen, denn trotz dem, dessen dn dich jetzt rühmst, weiß ich doch bestimmt, daß du nie vermögen wirst, mir bessere Schiffe zu baucu als deine ersten waren." „Ich sah bei diesen Worten dem leidenschaftlichen Manne schon das Blut ins Gesicht steigen, und eine Erplosion im Anmarsch, als ich ihn lachend unterbrach. Du Thor, rief ich, deine Schiffe, schlecht 110 oder gut, haben mir St. Jean d'Acre, und dadurch ganz Syrien erobert, weil sie zur recht cu Zeit fertig waren. Was hätten mir die allcrvollkommen-sten genutzt, wcnn man, alo ich sie brauchte, uoch im Arsenal au ihnen gehämmert hätte!" „Doch es blieb nicht immer bei solchem Scherz, immcr hä'usigcr hatte ich Streit mit ihm, und beim geringsten Anlaß forderte er seinen Abschied. Ich bestand indeß ruhig aus meinem Willen, mit Geduld übersehend, was zuweilen direkt gegen meine Autorität unternommen wurde, und gebrauchte öfters meinen Freund, den französischen Consul, um den stets ohne Grund empörten Cerisp wieder zu besänftigen. Endlich verlor ich ihn doch, was ich immer bedauern werde. Man wollte, als er fort war, weil man ihn in meiner Ungnade glaubte, allerlei gegen ihn vorbringen, ich verbot aber Jedem, mir wcdcr im Guten noch im Vöseu mehr von ihm zu sprechen; denn diesen Manu hatte mir Gott geschickt. Er hat meine Geschäfte zu fördern gewußt, aber nicht seine eigenen— Andere verstehen Vcidcs, die Meisten nur das Letzte." Da wir nur einen furzen Marsch bis zum Nacht- Ill quartier hatten, brachen wir erst mit der Abcndkühle auf. Ich blieb diesmal absichtlich zurück, um dcu Vicekö'nig nicht durch meinc fortwährende Gesellschaft zu ermüden, soupirtc mit Artim Bey und dem höchst liebenswürdigen Doktor Gaetano, und wollte mich eben zu Bett legen, als gegen cilf Uhr Seine Hoheit mich unerwartet einladen ließ, noch eine Stunde mit ihm zuzubringen, ein Befehl, dem ich natürlich mit der größten Bereitwilligkeit, wenn gleich, aufrichtig gesagt, mit gähnendem Munde, Folge leistete. Ich fand den Vicckönig mit Abfertigung der Depeschen seines zweiten Couriers beschäftigt, auf einer niedrigen Bcttottomanc sitzend. Mit der größten Höflichkeit steht er jedesmal auf, wenn ich in sein Zelt trete, und that es auch diesmal, obgleich mitten in der Arbeit begriffen. Er bat mich, neben ihm Platz zu nehmen und zu entschuldigen, daß er sein Geschäft beende, er werde sogleich fertig seyn, und ich möge unterdessen die eben für ihn angekommenen Ionrnalc durchgehen. Artim Vcp überreichte sie mir — es war der Eonstitutioncl! Es intcr-essirtc mich indeß mehr Mchcmcd Ali zu beobachten als zu lesen. Er ging jedes Blatt, das man ihm 112 vorlegte, selbst aufmerksam durch, und ertheilte dann cincm, dicht neben ihm stehenden Sckrctair mit leiser Stimme die Resolution. Was hiermit beseitigt war, warf er cmf den Tcppich zu seinen Füßen, was noch Weiteres bedürfte, reichte er dem Sekretär hin, nnd bcfrug auch einigemal Artim Bey. Alles schien sehr einfach, schnell nnd praktisch abgemacht zn werden. In einer Viertelstunde hatte er geendet, der Sekrctair packte seine Papiere zusammen, erhielt noch einige Befehle, nnd ging. Wie ein einfacher Bürgersmann, der, nachdem cr das lctztc Tagcsgcschäft abgethan, sich es nun bcqncm macht, nnd mit'genußreicher Bedächtigkeit scinc lctzte Pfcife raucht, so setzte sich auch der Viecköuig gemächlich in dcr mit seidenen Kisseu umgebenen Ecke seiner Ottomane zurccht, nnd nachdem aus der nncrschöpflichcn Sammlung seiner mit kostbarem Email und Edelsteinen verzierten Tschi-bucks uns zwei derselben gebracht worden waren, ricf er: „Nnn laffen Sie uns noch eine halbe Stunde verplaudern, ehe wir den Schlaf aufsuchen." Diese Lust am Gespräch hat cr mit Napoleon gemein, der während seinen letzten Campagnen in Deutschland selbst mit dem sächsischen General Gcrstorf Stunden 113 lang in die Nacht hinein schwatzte, obgleich dieser so schlecht französisch sprach, daß der Kaiser mcistcn-thcils sich dcs Generals Phrasen noch einmal selbst laut übersetzen mußte, ehe er sie richtig zu verstehen im Stande war. Ich fing damit an, dem Viceköm'g ein Compliment darüber zn machen, daß er seine Beamten gencrcuscr als irgend ein Souveram, Englands Beherrscher allein ausgenommen, bezahle, was ihm billigerweisc gntc Diener verschaffen müsse. „O, mit dcr Zeit soll das gewiß geschehen," erwiederte er ablehnend, „jetzt bin ich noch nicht im Stande, in dieser Hinsicht zu thun, was ich möchte." Doch, sagte ich, ist, nach europäischem Maaßstabe wenigstens, meine Behauptung sehr wahr, denn die Apanage vieler unsrer deutschen Prinzen erreicht bei weitem nicht den Gehalt Ihres Gouverneurs in Kandia, und unsere Generale und Minister besitzen nicht das Vicrthcil dcs Einkommens dcr Ihrigen, obgleich das Leben in Europa weit theurer ist als hier, und überdies auch weit mehr Repräsentation von ihnen verlangt wird. „In diesem Falle," meinte der Vicekönig, »sind diese Beamten gewiß immer Besitzer eines eignen großen Vermögens, und dienen Mchcmcb All's Reich. II. 8 114 für die Ehre, während meine Diener nur von ihrer Besoldung leben müssen." Ich verzog unwillkürlich bei dieser Antwort das Gesicht, denn allerlei ergötzliche heimathliche Gedanken kamen über mich, es Wäre aber sehr unnütz gewesen sie auszusprcchen, und so führte ich das Gespräch auf England zurück. Nach einigen Aeußerungen meinerseits sagte Mchcmcd Ali mit etwas satprischer Miene: „Sie scheinen kein großer Verehrer der Engländer zu seyn." Mit Ausnahme, erwiederte ich; liebenswürdig finde ich sie allerdings nicht, und als Europäer erweckt mir ihre schlaue, nichts achtende Handels - Universal-monarchic ein eben so demüthigendes Gefühl, als einst die Gewaltherrschaft Napoleons. Wer könnte aber auf der andern Seite ihnen die größten Eigenschaften, das imposanteste, organisch crwachfuc und durchgebildete Nationallcben, und die ruhmreichsten Thaten absprechen! Schade, daß sie diese durch zu krassen Egoismus, durch zu unleidliche Arroganz so häufig verdunkeln; und die letztere wird um so gehässiger, da sie fast allein auf ihre größeren Reichthümer gegründet ist, die sie doch nur auf Anderer Kosten, direkt und indirekt, zu erlangen wußten. 115 „Das liegt in dcr Natur des Menschen," fiel Mchcmcd Ali cm, »und darf den Engländern nicht zu sehr verdacht werden. Reichthum gibt Macht, und diese nothwendig ein Selbstgefühl, das bei der menschlichen Schwäche nicht ohne alle Arroganz bleiben kann. Ist nicht jeder Stand in England reicher als auf dem Continent, und gibt es nicht viele Edelleute dort, die mehr als eine Million spanische Thaler Revenue« besitzen? Wie sollen solche Leute bescheiden bleiben können!" Ich mußte über dieses nlFum«l,tuln a6 IZuminem lachen, und fing, mich gefangen gebend, von etwas Anderem an. Die Conversation über das Geld ward aber vom Vicetönig, wic gewöhnlich, mit besondrem Wohlgefallen fortgesetzt. Er erwähnte wieder seines Vankprojckts und klagte von neuem über die eingewurzelte Neigung dcr Acgyptier, ihren Mammon zu vergraben, statt ihn durch Nutzung zu verdoppeln. Es schien ihm sehr wohl bekannt, daß nicht die Masse des baaren Geldes, sondern seine schnelle Circulation, nnd dcr daraus eutstchende Credit, den wahren Reichthum einer Nation ausmache. „Von jeher," fuhr cr fort, »schwebte mir 8 " 116 diese Wahrheit vor, und fortwährend stritt ich mich mit meinen Ministern, die in mich drangen, einen großen Schatz zu sammeln für die Zeit der Noth. Ich setzte ihnen beharrlich entgegen, daß, um zu guter Zeit über viel disponircn zu können, mau sein Geld nicht in den Kasten legen, sondern arbeiten lassen muffe, und wenn man mich auch täglich dafür züchtigte, rief ich aus, so würde ich doch nie eine andere Meinung annehmen. Ich habe meinen Unterthanen das Beispiel einer Handlungsweise nach diesem Grundsatz gcgcbcn, und werden sic einst selbstthätig geworden seyn, so werden sie mir ,;n ihrem und meinem Vortheil nachahmen." . Mit der größten Unbefangenheit sprach er dann von seiner früheren Unwissenheit, und wie er sich nur durch langes und fortgesetztes Nachdenken über jedes Einzelne zu unterrichten gesucht, bis er das Wahre aufgefunden, denn Alles was er höre behalte er wohl im Gedächtniß und prüft es lange— dann aber handle er schnell und lasse sich durch nichts mehr irre machen. „Man tadelt mich unter andern," sagte er, »daß ich allen Handel des Landes zu meinem eignen Vortheil an mich gezogen habc. Hätte 117 ich es nicht gethan, es würde so gut wic gar kein Handel bei uns cnstiren, wenigstens nicht zu unsrem Nutzen. Schon habe ich einen Theil des innern Handels der Concurrenz der Partikuliers überlassen, weil ich zu sehen glaube, daß die Nation langsam aus ihrem Schlaf zu erwachen und den sich darbietenden Vortheil zu verstehen anfängt; ich bin im Begriff, auch einen Theil der Fabriken gleichfalls den Spekulanten in die Hände zu geben. Aber den Handel mit dem Auslande muß ich noch selbst fortführen. Schon Napoleon hat es ausgesprochen: „„HUO je« üt^umlm» <1l; l'^urope »nut lie» lilMlie» ul'Tnni8«6».«" Wir besitzen noch keine solche Banden, und meine unwissenden und indolenten Aegpptier würden bald die Beute der fremden Kaufleute werden, wenn ich selbst mich diesen nicht entgegenstellte, ich — den anzuführen ihnen nicht so leicht wird. Finde ich einst, daß die Zeit dazu gekommen ist, so werde ich auch hierin ein andres System ergreifen, denn weiß ich etwa nicht, daß das Geld nur der Repräsentant der Produkte ist? Wird mein Volk fähig seyn, durch sich selbst reich zu werden, so will ich ihm gern auch die Mühe überlassen, welche ll9 damit verbunden ist, und hoffe mich nicht schlechter dabei zu befinden. Aber man muß mir zutrauen, daß ich besser zu beurtheilen verstehe, als der Redacteur des Journal de Smprnc, was in einer Epoche meinem Lande frommen mag, und was in einer andern. Die Franken haben ein gutes Sprüchwort, welches sagt: Le mienx ««t I'elmemi äu di«l>. Ich habe immer das letzte, so weit es eben möglich war, zu erlangen gesucht, ehe ich an das unerreichbare erste dachte. So fand ich vor allem nöthig, ein festes und ein reiches Gouvernement in Aegpptcn zu gründen, und gleichzeitig rastlos au der bessern Bildung meines Volks zu arbeiten. Zu seiner Zeit wird das jetzt Erlangte ohne Zweifel dazu diencu, ein uoch Besseres zu begründen, aber wer mit einem Sprung am Ziele seyn will, langt nie dabei an. Manches, was ich thue, mag hart erscheinen, und größere Männer als ich bin sind nicht anders beurtheilt worden — doch das darf mich nicht kümmern. Was ich z. B. von Peter dem Großen gehört, zeigt mir, daß dieser Fürst, der gleich mir Alles selbst schaffen mußte, zehnmal eigenmächtiger und despotischer als ich dabei verfuhr, ,19 und dennoch hat ihm seine früher murrende Nation, wie die ganze Nachwelt, endlich Gerechtigkeit widerfahren lassen. Auch ich erwarte diese Nachwelt als meinen unparteiischen Richter, und gibt mir Gott nur noch einige Jahre des Wirkens, und gewährt mir die Möglichkeit, das Begonnene zu befestigen, so fürchte ich ihren Nichterspruch nicht. Warum arbeite ich Tag uud Nacht, warum scheue ich keine Mühe, keine Anstrengung noch Unbequemlichkeit in meinem hohen Alter, um Alles, so viel es mir möglich ist, mit eignen Augen zu sehen und zu beurtheilen — wenn es nicht wäre, um jenes große Gebäude zu vollenden, was längst in meinem Geiste feststeht. Ich besitze ja überflüssig genug, um für meine Person das Gewonnene und alle Freuden irdischer Eristcnz in der behaglichsten Nuhe zu genießen, und wenn ich mich statt dessen rastlos plage, so kann es wahrlich nicht aus Egoismus seyn! Der Nuhm und das Bewußtseyn, die einstige bleibende Wohlfahrt der Länder, über die ich gebiete, begründet zu haben — darin liegt mein theuerstes Interesse, und nur diesem Zweck ist mein ganzes noch übriges Leben geweiht." 120 Diese mit Feuer und Enthusiasmus ausgesprochenen Worte waren zwar meiner Ansicht von Mchcmcd Ali's Charakter nicht entgegen — sie erschienen aber zugleich so verschieden von dem, was uns im Auslande die meisten Berichte über diesen merkwürdigen Mann zu insinuircn gesucht haben, daß ich sie mit einer gemischten Empfindung innerer Genugthuung nnd doch unwillkürlicher Verwunderung und nicht ganz zu bezwingendem Zweifel aus seinem eignen Munde vernahm. Das materielle Leben während unsrer Reise blieb sich so gleich, daß ich darüber nichts mehr hinzuzusetzen brauche, und eben so blieb es die Umgebung und das Ansehn wie die beispiellose Fruchtbarkeit der Gegenden, durch die unser Weg führte. Nur die Unterhaltung mit Mehcmcd Ali gewährte mir immer neue Abwechselung. Ich habe nicht leicht einen Mann irgend eines Ranges gesehen, der, wenn er will, ein einschmeichelnderes und anziehenderes Wesen gehabt hätte als der Vicekönig. Das lebendige Spiel seiner Augen und seiner ganzen Physiognomie ist dann von einem so feinen, so gutmüthig liebenswürdigen Ausdruck 121 begleitet, daß man unwillkürlich sich davon gefesselt fühlt. In der Discussion ist er voller Mäßigung und Geduld, obgleich ich bemerkte, daß er nicht leicht auf andere Meinung zu bringen ist, aber sein wohlwollendes Benehmen und seine ansgezcichnetc Höflichkeit vcrläugnen sich nie. Zuweilen wenn ich, neben ihm sitzend, unwillkürlich in Gedanken verfiel und zur Wicdcranknüvfling des Gesprächs eine Aeußerung von ihm selbst erwartete, bog cr sich mit jener verführerischen Grazie, die nur ihm eigen ist, langsam zu mir herüber, und mich sanft beim Arme fassend, rief er: Jetzt sage mir auf der Stelle, worüber du in diesem Augenblick so tief nachdenkst — und ich fühlte mich jedesmal, wie magnetisch, gezwungen, ihm die reine Wahrheit zu bekennen, wenn sie auch nicht immer .Dies machte endlich einen tiefen Eindruck anf nn'ch, und als fünfzehnjähriger Knnbc beschloß ich, 135 mich selbst zu besiegen. Oft hungerte ich mehrere Tage lang, oder zwang mich eben so lange nicht zu schlafen, nnb in allen Arten von Leibesübungen ruhte ich nicht, bis ich der Geschickteste unter meinen Kameraden geworden war. So crinure ich mich, daß wir einmal um die Wette bei stürmischem Wetter ruderten, um eine kleine Insel zn erreichen, die jetzt noch mein Eigenthum ist. Keiner kam hin als ich, aber alle Hant hatte sich von meinen Händen gelöst, ohne das; die heftigsten Schmerzen mich in meinem Entschluß irre zu machen vermochten. Auf dicsc Weise härtete ich fortwährend ^cib und Seele ab, bis ich später, wie ich Dir schon erzählt, hinlängliche Gelegenheit fand, mich in meinem etwas ernsteren Wirkungskreise, dem kleinen Kriege unsrer Dörfer, mir selbst und Andern als tüchtig zu erproben. Als ich mein neunzehntes Jahr erreicht hatte, wo mcin Vater schon todt war, zeigte sich noch eine bessere Gelegenheit. Griechische Seeräuber hatten verschiedene Ercessc verübt, und mcin Onkel, welchen mehrere der mächtigen türkischen Gutsbesitzer zu vcr-dcrbm trachteten, erhielt auf ihre Veranlassung den Befehl, mit einem kleinen Kriegsschiffe des Sultans 13« die Räuber aufzusuchen, und ihnen das Handwerk zu legen. Mein Onkel mußte gehorchen, begab sich aber vorher selbst zum Pascha, um diesem vorzustellen, daß all seiu Hab und Gut zu Grunde gehen würde, wenn er es jetzt so plötzlich und auf unbestimmte Zeit verlassen müsse, da Niemand in seiner Familie sey, dem er es anvertrauen könne. Zugleich schützte er seine eigne Unfähigkeit zu einem solchen Commando vor, und nahm davon Gelegenheit, mich, der des Krieges schon gewohnt und unternehmend sey, statt seiner dazu vorzuschlagen. Es gelang ihm, den Pascha zu überreden, ich selbst verlangte nichts Besseres, und hatte wirklich das Glück, die Näubcr nicht nur in die Flucht zu schlagen, sondern auch nach kurzer Verfolgung ihr Fahrzeug zu entern, und Alle, die nicht.niedergemacht wurden, zu Gcfaugencn zu machen. Für diese Tl>at ward ich schon im zwanzigsten Jahre zum türkischen Scekavitain ernannt. Ein so schnelles Steigen erweckte mir indeß viele Neider, und sogar die Eifersucht meines Onkels selbst, der mich einige Zeit darauf, vielleicht nicht in der besten Absicht, nach Aegyvtcn sandte. Wie wenig ahnetc ich damals, zu welchen Schicksalen ich 137 in diesem Lande bestimmt seyn sollte, aber Gottes Wegc sind wunderbar." — »Sie können sich in dcr That glücklich schätzen," sagte, als ich mich beurlanbt hatte, Artim Bey zu mir, »solche Zü'gc aus dcs großen Mannes Leben aus seinem eignen Mnndc vernommen zn haben, die selbst uns bioher ganz unbekannt geblieben waren. Ich habe Mchemcd Ali noch mit Niemandem so communikativ gesehen." Ich mag nicht läugnen, daß diese Aeußerung wie cinc dcr angenehmsten Schmeicheleien auf mich wirkte, vielleicht anch nichts andrco war. Am folgenden Tagc, nw gleich am frühen Mor-gcn dcr Vicetö'in'g verlangt battc, daß ich neben ,'hm rcitcn sollte, denn, sagte rr, auf Reisen muß man sich dic Zeit durch Uutcrhalmng aotürzcn — war dennoch alle Konversation durch die glühende Hitze und einen unerträglichen Staub fast umnöglich gemacht, da dcr in unserm Nucken blasende Wind uns ohne Unterlaß mit allen dcn schwarzen Wolken, dic so viel Hunderte von Kamcclcn und Pferden hinter uns aufwühlten, umhüllte. Endlich ward es dem Vicekönig selbst zu arg, und cr befahl in cineltt 138 Haine stachlichcr Mimosen eine Nuhcstation zu machen. Im Augenblick waren cinc Menge Tcppiche auf den Boden gebreitet, eine scharlachrothc Wolldecke mit goldnen Franzcn darüber gelegt, und an beiden Enden dieser für Seine Hoheit und mich Sammtkissen aufgeschichtet, wo wir so bequem wie auf einem Bette ruhten. Wir hatten uns kaum niedergelassen, so erschienen auch schon mitten in der Wildniß, wie auf deu Wink des Gcistco von Ala-dins Lampe, kalter Punsch und andere Sorbets in goldnen Schalen, denen unmittelbar Pfcift und Kaffee folgten. „Nuu," rief Mchcmed Ali, sobald er eiuigc Züge gethan, „warum sagst Du nichts? Ich habe heute noch kaum zehn Worte von Dir vernommen." Ich musi bekennen, daß ich von Hitze, Staub und Erschöpfung so gcdaukenlos geworden war, daß ich nicht mehr wußte, was ich vorbringen sollte. Mit meiner gewöhnlichen Aufrichtigkeit machte ich kein Geheimniß darans, uud überdies, setzte ich hinzu, sann ich schon oft nach, wie ich Encr Hoheit etwas Neues erzählen könne, was Sie zu intercssirm im Stande sey, und fand dann mehr als einmal zu meiner Beschämung, daß Sie schon besser davon 139 unterrichtet waren als ich selbst. Ueber diese Aeußerung lachte er, meinte aber, Jemand, der so viel gesehen als ich, dürfe nie um Stoff zur Unterhaltung verlegen scpn, wenn er nur wolle. Dies schien mir eine gute Gelegenheit, da ich zum Reden aufgefordert wurde, ein Thema auf das Tapet zu bringen, das man neuerlich nicht gegen den Viccköm'g zu berühren wagen wollte. Diese Dinge gehören nicht hierher; der Erfolg bewies mir aber,, daß der ausgestreute Samen auf fein unfruchtbares Land gefallen war. Ich erwähnte eigentlich dieser kleinen Scene nur, um zu zeigen, ll» il sn'il in« z>,'u ^»v«»' , wcnn man das Fcncr der Mittheilung und seine willige i?a,mc da;u auf gleicher Höhe erhalten will. Dazu ist er uicht wcnig inqnisitiv, nicht so leicht mit Gemeinplätzen abzuspeisen, als manche andere große Harren, und weiß jede Blöße, die man gibt, auf der Stclle zu entdecken. Mich wenigstens hat er mehr als einmal auf solche Weife hart in die Enge getrieben, was freilich nicht sehr viel sagen will, da ich von Natnr schüchtern bin, nnd den sogenannten Muth der Oef-ftntlichkeit nur in geringen: Grade besitze. Ich habe 140 nie auf einem Privatthcater ohne Herzklopfen auftreten können, geschweige denn auf dem großen Weltthcatcr. Jedoch gelang es mir allerdings manchmal, mich zu bezwingen. In Dschirdschch schifften wir uns ein, worauf ich Seine Hoheit nicht eher als in Keneh wiedersah, um, da ich meine Ncise weiter fortzusetzen wünschte, Abschied von ihm zn nehmen. Ich kam eben vom Besuch des Tempels zu Dcndcrab zurück, der auf eine abscheuliche Weise durch Schutt und elende Hüttcnrcste verdeckt wird. Da nur nun der Vice-kömg die größte Freiheit meiner Aeußerungen gestattete, so sagte ich ihm gradezu, daß man ihm in Europa die gänzliche Vernachläßigung der alten Mouumente, au deucn sein ^and das reichste in der Welt sey, sehr verdenke, und er es seinem hohen Nnfe in jeder Hinsicht wirtlich schuldig sey, auch hierin mit gutem Beispiele vorzugehen. Eucrc Hoheit, fuhr ich fort, haben gleich hier die beste Gelegenheit dazu. Der Tempel zu Dcndcrah ist einer der bcstcrhaltcnstcn Acgyptcns uud uicht durch den schwer zu entfernenden Wüstensand verschüttet, sondern nur durch Schutt und Unrath versteckt. Ein 141 Wort von Ihnen, und er steht fast wieder in seiner Men Pracht da. „Gut, gut," erwiederte Mchcmeb Ali, »ich will Ihnen zn Liebe einen Beweis meiner europäischen Bildung geben." Und auf der Stelle ließ er den Mannchr rufen, und ertheilte ihm die gemessenste Ordre, nicht nur sämmtliche drei Temftclrcstc von Dcndcrah frei zu machen, sondern auch den ganzen Platz darum her zu ebnen und mit cincr Befriedigung zu umgeben, die jede künftige Beschädigung abhalte. Ich glaubte also auch hier, wie einst in «Tunis, den günstigen Moment nicht versäumt zn haben, den Freunden des Alterthums einen kleinen Dienst zu erweisen, um dcsscntwillcn sie mir cs verzeihen könnten, wenn ich ihnen bei der Beschreibung der gesehenen Monumente oft zu kurz und oberflächlich erschienen bin, weil ich nicht wiederholen oder abschreiben mochte, was sie in zehn andern Werken so viel gründlicher und wcitläuftigcr behandelt finden können.') ») So glaubte ich; als ich aber nach sechs Monaten zurückkam, fand ich mit Demüthigung und Verdruß, daß auch nicht ein Spaten an die Rcium'lttg des Tempelo gelegt worden 142 Ehe ich abging, hatte ich Seiner Hoheit noch eine große Freude zu danken, dcnn cr sandte mir Briefe aus der Hcimctth, die im Paket seines Couriers angekommen waren, und dcrcn Schreiber schwerlich vermuthet hätten, durch welche hochbcrühmte Hand sie an mich gelangen würden. Der Wind schwellte unsre Scgcl, und noch in derselben Nacht erreichten wir im Schlaft Thcbcn, dessen riesige Wundcrbautcn uns beim ersten Anblick am Morgen säst die Empfindung gaben, als lägen Wir noch im Traume. war. rin Beweis, daß der in meiner Gegenwart ertheilte Vefehl an den Mubir mir cine Cl'nn'die gewesen, und Mehemed Ali nie ernstlich dar^i, gcdacht l>n, scheint mir eins der prachtvollsten und in seinen Sculpture« und Malereien kunstvollsten dieser Gräber gewesen zu seyn, hat abcr leider durch einst hier eindringende Wasscrströmc, deren nun verstopftes Bett man noch deutlich vom Eingänge ans verfolgen kann, und die daraus entstandene, fortdauernde Feuchtigkeit, unsäglich gelitten. Da es jetzt fast nie hier regnet, kann man sich kaum erklären, wo diese Wässer hergekommen sind. Die Länge dcr Zimmer-, Galcviccn- und Säulenreihen in diesem Grabe beträgt 405 Fuß bei mmn nur schwachen Fall von 31 Fuß auf diese ganze Distanz. Glücklicherweise sind eine Menge kleiner Scitcn-zinnner, bei denen das Wasser vorübcrfloß, weit besser erhalten, und grade die Schildercicn in diesen geben uns den interessantesten Aufschluß über Sitten und Gebräuche der alten Aegypticr, über ihre Waffen, Meubel, Utcusilicn, Instrumente und andere Dinge der verschiedensten Art. In einem dieser 190 Gemächer sehen wir z.B. die Abbildung aller Formen dcr damals üblichen Nilfahrzcugc, einige mit großen qnadrirten Segeln in den jetzigen französischen Nationalfarben nnd mit den reichsten Zierathen versehen. In einem andern bcwnndcrt man die Eleganz ägyptischer Mcnblirnng. Viele dcr Fautenils, Bettstellen und Ruhebetten, die letzteren unsern cllaiss» I<,nl»uo« ganz ähnlich, möchte man aus einem Londncr oder Pariser Modcjournal copirt glauben. Sie stellen sich fast sämmtlich als von Holz, selten von Metall, nnd häusig mit vergoldeter Bronze verziert, wie mit reichen Zeugen beschlagen dar. Eben so geschmackvoll erscheinen mehrere Echantillons von Porccllainvasen, Krugen und Wasserbecken, Körben, Teppichen, Decken von Leopardenfellen u. s. w. In dem Zimmer dcr Waffen bemerkt man viele blaue Klingen, was einen Zweifel an dcr Behauptung erregen möchte, daß die Acgpptier Stahl nnd Eisen nicht gekannt, und ihre Waffen von Bronze gemacht haben sollen. Auch Küche und Keller mit den Funktionen des Kuchen- und Brodbackens werden uns im größten Detail vorgeführt. Man sieht schlachten, kochen und braten, Wcin abziehen u. s. w. Mannich- 191 fache Produkte des Landes füllen cm andcrcs Zimmer, wie Musikinstrumente ein anstoßendes, wo zwei blinde Sänger sich auf Harfen accompagnircn, die von den noch jetzt bei uns üblichen nur wenig verschieben sind; Ackerbau und Gartenkunst werden in einem folgenden Gemache dctaillirt. In jedem dieser Zimmer war ein in den Boden eingelassncs Grab, und Herr Wilkinson stellt die artige Hppo-jhese auf, daß hier immer derjenige respektive Diener vom Haushalte des Königs begraben lag, dessen Veschäftignngcn imLeben den erwähnten Darstellungen analog gewesen waren. Selbst der äußere Granitsarkophag des Königs fehlt in seiner, ganz durch die Feuchtigkeit zerstörten, Grabhalle. Er ward von Herrn Salt entführt. Uebrigcns bleibt es noch sehr problematisch, ob die Könige wirklich ijemals in diesen ostensiblen Särgen gelegen haben. Vielleicht dienten diese nur dazu, um desto sicherer über ein so heiliges Depot irre zu führen, und es könnte daher wohl seyn, daß alle diese weitläuftigcn Grab-monumcnte noch sorgsam verborgne geheime Näume enthielten, die so künstlich und auf so solide Weise dem Auge entrückt sind, daß nur der Zufall vielleicht 192 einmal zu einer Entdeckung eines derselben führen mag. Das früher bereits erwähnte, von Belzoni aufgefundene Grab No. 17. giebt darüber schon einige bedeutende Winke. Dies, wegen seiner fast unglaublichen Frische ohne Zweifel bclohncndstc von allen, ist nicht ft bequem zu erreichen als das vorhergehende. — Man muß, was bei der hier herrschenden, dumpfen Hitze immer beschwerlich wird, eine fast perpcndikulaire, noch immer ganz mit Schutt angefüllte Treppe von 24 Stufen hinabklcttcrn, dic Bclzoni vermauert und durch davor ausgelastetes Stcingerölle versteckt fand. Hierauf kommt man in einen Gang, dcr 19 Fuß lang und 9 Fuß breit ist; dann geht abermals eine Treppe von ohngcfähr gleicher Tiefe als die vorige hinab, hinter dcr man durch einen 30 Fuß langen Corridor und zwei sich folgende Thore in eine Halle von 14 zu 12 Fuß gelangt. Hier zeigte sich Velzoni als er soweit gekommen, nur ein tiefer Brunnen, der das Ende des Ganzen zu seyn schien. Alle Wände desselben waren mit zusammenhängenden auf das sorgfältigste ausgeführten Bildern bedeckt, was gewiß an dieser Stelle keinen ferneren Eingang 193 vermuthen lassen konnte. Doch Vclzoni, der von der Natur eigens zu einer Bestimmung dieser Art geschaffen zn seyn schien, und materiell, wie Cham-pollion geistig, von allen Reisenden bei weitem die größten Resultate in Aegyptcn erreicht hat, ließ sich so leicht nicht abschrecken. Eine Spalte in der Mauer und ein hohler Klang gaben ihm die Richtung, in der er sich mit Anwendung cincs alten PalmstammcS als Mauerbrechers, durch die Götterbilder (hier mit Recht zerstörend) einen Weg bahnte, und man kann sich die freudige Ucbcrraschung des Beharrlichen denken, als ihm durch dic gewaltsam gemachte Bresche sogleich die unberührte Farbenpracht cines Zimmers von 26 Fuß Durchmesser beim Schein der Fackeln entgegen glänzte. Vier massive Pfeiler tragen dies löstlich verzierte Gemach, dem ein andres von gleicher Größe unmittelbar folgt. Wenn das erste durch seine vollendete Pracht entzückt, so gewährt das andere noch ein höheres Interesse für uns, eben weil es unvollendet geblieben ist, und uns dadurch in die von den ägyptischen Künstlern angewandte Technik einweiht, zugleich aber den höchsten Begriff von ihrer Gcwandheit, Corrckt- Mel'cmc» M'K Rock, II. ^I 194 heit und Sicherheit im Zeichnen giebt. Es scheint fast, daß in dieser ägyptischen Castenwell, wenigstens häufig, so verfahren wurde, dasi anf der geglätteten Wand der Bildhauer zncrst mit Nöthcl in flüchtigen Skizzen die Sujets angab, worauf der Zeichner in scharfen schwarzen Umrissen, deren kühne Festigkeit wahrhaft in Erstaunen setzt, alle Figuren tracirte, welche wahrscheinlich hierauf erst vom Bildhauer in Basreliefs umgewandelt, und zuletzt vom Maler colorirt wnrden. Man steigt jetzt abermals eine Treppe hinab mit erhöhten Corridors zu bcidcn Scitcn, und erreicht nach der Besichtigung mehrerer Zimmer von vcr-schicdncn Größen — allc so voll dcr vortrefflichsten Skulpturen und Malereien, daß man in wochcnlan-gcm Studium sie nicht erschöpfen würde, und die, wo Menschen sie nicht beschädigten, von dcr Zeit ganz unberührt geblieben sind, — die große Halle von 30 Fuß ins Gevierte, welche sechs Pfeiler tragen. Aus dieser tritt man in einen gewölbten Saal, 30 Fnß lang und 49 Fuß tief, in dessen Mitte in einem Gehäuft von Granit dcr berühmte Sarkophag aus orientalischem Alabaster stand, dessen Inneres aber leer war. — Unmittelbar an diesen schließt sich, 195 von Mauerwerk früher künstlich verdeckt, cinc Treppe, die in einen absteigenden Gang führt, welcher dermalen noch 150 Fuß tief in das Herz des Felsens nicdcr-stcigt, wo cr eingestürzt ist. Wohl möglich, daß dieser mit Theben comunicirte und seine Wiederherstellung zu überraschenden Resultaten führen könnte-Doch nur Mehcmcd Ali wäre fähig, eine solche Untersuchung auszuführen, wozu cr schwerlich zu bewegen seyn möchte. Dergleichen bleibt einer spätern Culturstufc Acgpptcns vorbehalten, die dann, trotz der Räubereien und Zerstörungen so vieler Jahrhunderte, sich noch ein reiches Feld ganz neuer Entdeckungen iu der Erde Eingeweiden öffnen wird. Bis zu der Stelle, wo der ebcu erwähnte eingestürzte Gang sich vorfindet, ist dicses Grab 180 Fuß tief, und seine horizontale Länge beträgt 320. Es barg nach Champollion, oder birgt noch an uu-bckanntcr Stelle, den König Osirei , des großen Nhamscs Vater, wie die langen Hicroglpphcnreihcn im ersten Corridor und die Ninge des Königs am Eingang aussagen '). ') Der Alabaster Savg, drn Champollion aus dicscm ("l'abc entsühne, war leer. 13" Eins dcr auffallendsten Bilder in der ersten Halle sind die porträtirtcn Darstellungen vcrschicdner Nationen, unter denen, trotz Wilkinsons Widerspruch, die Juden durchaus nicht zu verkennen sind, obgleich es wohl möglich ist, daß sie zugleich als Repräsentanten einer größern Abtheilung der Erdbewohner hier gelten sollen, denn auch die Araber sind nur Juden zu Pferde. Die Kunst zu charattcrisiren bc-saßen überhaupt die Aegyptier in hohem Grade, und ein humoristischer Hang zur Larrikatur wird nicht weniger in ihren Compositioncn sichtbar. So fand ich eine Hinrichtung, wo der Scharfrichter, über sein Opfer gebeugt, ganz dic Stellung und den sentimentalen Ausdruck eines Vaters hatte, der seine Kinder segnet, während er sie in die andere Welt zu befördern im Begriff ist. Ein anderer seiner Collegcn hieb dagegen so furchtbar mit feinem breiten Schwerte zu, daß drei schon vorher erpedirte Verbrecher noch ruhig auf den Knieen lagen, ohne daß irgendwo eine Spur ihrer Köpfe am Boden sichtbar ward, als seyen diese zu weit weggeflogen, um sie auf demselben Bilde noch mit darstellen zu können. Die Mysterien der Zeugung sind ebenfalls seltsam 197 behandelt, worunter cm Franzose grobe cynischc Anmerkungen geschrieben hatte. Einige Bilder scheinen fast auf Menschenopfer hinzudeuten, und andere beziehen sich auf, uns jetzt ganz unverständliche, Mysterien. Viele der größeren Gruppen, meist opfernde Könige und thronende Götter darstellend, sind von so hoher Vortrcffll'chkcit, daß sie den berühmtesten Künstlern aus den besten Zeiten der Kunst Ehre machen würden, und besonders mußte ich über die Mannichfaltigkeit im Ausdruck der Physignomiecn erstaunen, welche die Schöpfer dieser Werke bei einer immer fast gleichen Stellung des Kopfes im Prosit, dennoch dem Antlitz ihrer Figuren zu geben gewußt hatten, ein wahrhaft Raphaclischer Reichthum der Gestaltung. Abgerechnet den unbestreitbaren, hchen Kunstwerth dieser Leistungen, ist die in allen Zimmern ganz von einander abweichende Eintheilung und Disposition derselben, so wie die sinnige Far-bcnwcchl, auch zugleich als bloßer Schmuck und Dekoration betrachtet, mit einer wunderbaren Sagacität berechnet, wobei selbst die Hicroglyphenterte zugleich als die elegantesten Zierden für die Zimmer dienen. Ich bin überzeugt, daß selbst eine Person, die von 198 rcincm Kunstgenuß gar keinen Begriff hatte, dennoch aus diesen Räumen, blos hinsichtlich der lieblichen Ausschmückung und der entzückenden Farbcneffckte, den angenehmsten Eindruck mit sich hinwcgnchmcn würde. Jedes Gemach hat seinen ganz cigentln'im-lichcn Charakter. In der großen Halle z. B. ist der Grund gleich mattem Golde, die Bilder weniger bunt; in den Scitcnzimmern dcr Grund weiß, mit der variirtestcn, doppelt reichen Farbenpracht; in dem Saal des Sarkophages schwarz, mit blaß gclb-röchlichcn Bildern, die nur an sehr wenigen Orten durch das brennendste Bunt in den wcitgesprciztcn Flügeln des königlichen Adlers gehoben werden. Die Fülle dcr Figuren und fremdartigen Gegenstände aller Art in diesem letzteren Saal, ihre mysteriöse Seltsamkeit und ihr fahler Schein auf dem nächtlichen Grunde machen eine unbeschreibliche Wirkung, die noch schauerlicher gewesen sepn muß, als der transparente, vielleicht erleuchtete Alabastersarg in des Saales Mitte stand. Mau machte, wie mir mein alter Führer erzählte, dicscn Vcrsuch vor der Abführung des Sarkophags nach England, indem man mehrere Fackeln hineinstellte, den Rest des Saales 199 dunkel ließ, aber alle übrigen Zimmer durch Lichter, die an Festons von Stricken befestigt wurden, reich erleuchtet hatte — eine cl>limli,o ardent«, wie sie selten wieder zu betrachten seyn wird. Welche Pracht mögen aber erst die Ceremonicen der Priester Aegyp-tens in einem solchen Lokale entfaltet haben, zu dem sie vielleicht auf unterirdischem Wege ans Theben hinaufstiegen, um des Königs Leiche die letzte Ehre zu erweisen, und bis zur Auferstehung nach vielen Jahrtausenden vor jcdcm Vlickc der Profanen zu bewahren. Ueber die Verwüstungen, welche die — »Liebhaber" hier verübt, sprach ich brrcits; der Himmel, oder die unterirdischen Götter mögen diese unschätzbaren Ucbcrrestc alter Größe in Zukunft besser bewahren , und die Stehlenden wenigstens mit mehr Gewissenhaftigkeit und Oelonomic dabei zu Werke gehen! Mit diesem frommen Wunsche schließe ich meine Beschreibung, die, wenn sie dem Leser zu lang vorgekommen ist, ihm wenigstens durch die kürzeste Erwähnung aller noch übrigen Königsgräbcr vergütet werden soll. Nachdem wir ein halbes Dutzend derselben besucht hatten, wählten wir eins, das in 20N seinen Proportionen zu den großartigsten gehört, obgleich es weniger ausgedehnt ist, zu unsrem Speisc-saale aus. Während dem dies vor sich ging, bereitete mnn Dragoman Giovanni eine sonderbare Ueber-raschung; denn als wir nach beendeter Mahlzeit in das Innere vordrangen, das sich nur sehr wenig senkt, erblickten wir schon von weitem dcu enormen Granitsarg, den einzigen zu Bab-cl-Mclech, der fast ganz erhalten ist, und mitten darauf eine Inschrift mit ellenlangen Buchstaben in schwarzer Oclfarbc. Es war wirklich mit einigem Entsetzen, daß ich in dieser meinen eigenen Namen auf dem Sarge entzifferte , dem sogar oben in der Schnelligkeit eine Wavpcukrone und unten mein mystisches Glaubens-zcichen beigefügt worden waren. Wäre ich nur noch ein wenig abergläubischer als ich es schon bin, so hätte mir dies als ein füncstcs Omen gelten können, so iiberwand das Lachen der Acrger, doch verlangte ich die Auslöschung der „imtn^nld i»8elil'ti<»n." Es war aber nur möglich, die Krone zu entfernen, der Name widerstand allen Bemühungen, nnd es bleibt mir daher nichts übrig, als den alten Herrscher Rhamscs den Fünften, dem das Grab gehört, hier- 20l mit feierlichst zu bitten, es mir nicht entgelten lassen zu wollen, wenn mein Name sich so ungebührlich, aber wahrlich ohne meine Schuld, auf seinem königlichen Sarkophage „ei n gcsch wä'rz t" l)at. Wir beendigten Nachmittags bei nicht geringer Hitze die Untersuchung des vollen Dutzends, und nahmen dann unsern Rückweg in der Abendkühlc, grösitcnthcils zu Fuße, qncr über die romantischen Felsen hinweg, wo es an senkrechten Abgründen von mehreren hundert Fuß Tiefe, und Aussichten bis in die weiteste Ferne nicht fehlte. Hiermit waren Thebens Wunder am linken Nilnfer besichtigt. Erst im Dunkel der Nacht nahm uns Erschöpfte und vor Durst fast Verschmachtete die friedliche Varle wieder unter ihrem Zcltdache auf, und wiegte uns sanft in der goldglä'nzcnden Monduacht nach dem rechten Ufer hinüber. Was ich nun noch über die Gräber der Kö'-uigc zu sagen haben könnte, versparc ich anf den zweiten Besuch bei meiner Rückkunft, um weder auf einmal zu sehr zu ermüden, noch der historischen Behandlung meiner Reise untreu zu werden, welche ich deshalb vorsiehe, weil ich eben nicht die Absicht habe, Compendicn zu schreiben, sondern nur die Ge- 202 schichte des von mir Erlebten zu geben, und vom selbst Geschehenen auch dem Leser dcn möglichst lebendigen Total ein druck in derselben chronologischen Ordnung zurück zu lassen. Großes war in diesen Tagen an uns vorübergegangen, doch Größeres noch stand uns bevor! Vor Luror und Karnack muß der stolzeste Geist sich bengcn. Man glaubt Werke von Halbgöttern zu erblicken, denn die jetzigen Menschen sind ihrer nicht mehr fähig. Wenn bei den übrigen Schöpfungen der Bewohner dieser Erde die Einbildungskraft immer noch höher stiegen will, so kann sie hier kaum der Wirklichkeit mehr folgen. Man fühlt sich in demselben Augenblick zugleich entzückt und gedemü-, thigt von einer Erhabenheit und Größe, deren Möglichkeit mau nie geahnct, von einer Vollendung, die, mit dem Ungchcucrstcu der Massen spielend, zugleich das Edelste und Schönste in Kunst nnd Idee, wie die staunenswerthestc Technik in der Ausführung damit FU verbinden gewußt hat. Schon der Pallast von 2V3 Luror findet seines Gleichen nicht mehr in der übrigen Welt, und doch ist cr nur klein noch gegen die Riesenwerke von Karnack! Wie viele Jahrtausende haben vcrgel)cu muffen, ehe ein Volk zu diesem Grade der Cultur, der Macht und der Kunst sich aufschwingen konnte, und welchen eigenthümlichen Weg muß diese Bildung genommen habcu, die schon in vorgeschichtlicher Zeit die Pyramiden baute, und anderthalb tausend Jahr vor unsrer Acra die Wunder von Theben erschuf. Und doch sieht man, daß, als sie die höchste Staffel, deren sie fähig war, erstiegen hatte, sie, ob aus Weisheit oder aus einer Nothwendigkeit ihrer Natur, anhielt, und das Gewonnene, cs gleichsam versteinernd, durch eincn heiligen Styl, durch eine feste Norm, die nicht nur die Kunst sondern das ganze Leben umfaßte, und von dein keine Abweichung mehr gestattet wurde, dnrch lange Jahrhunderte noch zu erhalten wußte, dadurch aber vielleicht das einzige Mittel fand, einem nie endenden Streben nach unerreichbarer Vollkommenheit zuvorzukommen, jener ewigen Unzufriedenheit mit dem Vcstchenden, die unsere Zeit namentlich so auffallend characterisirt, und ihr bis 204 jetzt mehr Stützen zu rauben alo neue zu schaffen scheint. Jede Art menschlicher Auobildung hat im Einzelnen, bei Nationen wie Individuen, wohl ihre Grenze, über die sie nicht hinaus kann. Ist dieser Culminationspunlt erreicht, so muß sie ihn vielleicht durch irgend eine angewandte positive Macht zu firircu suchen, nnd gelingt chr dieses nicht, sich mit Resignation auf den unvermeidlichen Rückgang aller menschlichen Dinge vorbereiten. Will man noch höher, nnd immer hödcr gewaltsam steigen, so versinkt mau nnr desto schncller in jene Barbarei, die nicht die Barbarei dcr unwissenden Rolcheit, sondern die des Zuvielwiffeus uud der Erschöpfung ist. Ich halte den Auöspnich für nicht ganz wahr, daß man nur vorwärts schreiten oder rückwärts gehen müsse. Die Geschichte der Völker, ja dao eigne innere Vebcn lehrt uus, daß, wenn auch nicht für immer, doch für eiuc lange Periode auch ein Stillstand möglich sey; doch allerdings ist er nnr da, wo wirklich schon eine höchst mögliche Stnfe individueller Ausbilduug erreicht wnrdc, wünschenswert!). Freilich sindct sich im absoluten Sinne Uiwollkommnes, Unerreichtes auch auf dcr höchsten Sttifc irdischen Strebcns, und 205 Unvollkommenes wird sich daher auch in dcr ägyptischen Kunst wic in jcdcr andern nachweisen lassen, aber wic sie sich in dem möglichen Bereich ihrer Laufbahn vollendet darstellt, und wie lang sie sich darin erhalten, bleibt immer ein Gegenstand dcr höchsten Bewunderung, ein stauncnswerthcs Abbild der imposantesten menschlichen Größe für alle Zeiten. Um jedoch den rechten Gesichtspunkt zu fassen, aus dem sic zu betrachten seyn dürfte, und ohn«? den sie nicht verstanden werden kann, erlaube man mir hier eine dcr geistreichsten und tiefsten Stelle Cham-pollionö anzuführen, dcrcn schlagende Wahrheit an Ort und Stelle sogleich ganz gefühlt wird. Ich darf als bekannt voraussetzen, daß alle Tempel und Königspallästc Acgyptcns, innerhalb wic außerhalb, theils mit Hicroglpphcnschrift, die sonst jeder einigermaßen Gebildete zu lesen vermochte, theils mit historischen Darstellungen aus der Geschichte des Landes, theils auch mit Anaglyphcn, d. h. symbolischen Bildern, die abstraktere Gegenstände bezeichneten, bedeckt waren. Die letzteren, dcrcn vollständige Lösung unmöglich scvn möchte, machten wohl die 20« eigentliche geheimnisvolle Priestcrsprachc aus, welche den Eingeweihten allein verständlich war, dem Laien aber nur Abbildungen der Götter und Heroen, vom Nimbus ehrfurchtsvoller Anbetung umgeben, darstellte. Doch blieben auch diese allegorischen Gemälde wahrscheinlich immer in einem gewissen Zusammen« hang mit der Hieroglpphcuschrift. Beide hatten sogar eine Anzahl gemeinsamer Charaktere, und dic symbolischen Zeichen in der Hieroglyphcnschrift gc-hörtsn dahin '). ') Für diejenigen, denen dieses Thema ganz unbekannt seyn sollte, ftchc hier fegende furze Erläuterung. Die Aegyptier hatten viererlei Schreibarten l) die hiero-glyphische, welche die Monumentalschrift und Jedermann von einiger Bildung besannt und versländlich war. Sie bestand auö dleicrlri Elementen, die willkührlich unter einander gemischt Werden konnlcn: n) dem fi gurati'.'cn, Zeichnung der aus« zudrückenden Sache selbs! , I,) dem symbolischen, wo nur ein Zeichen, dem Gegenstände eigenthümlich oder in naher Beziehung zn ihm, angewandt wurde, z, V. für Osiris der Obelisk, ober, N'tnn man hätte den griechischen Zeus andeuten wollen, der Adler mit den Älitzen, oder für Christus, wenn er damals eristirt hätte, «in Kreuz u, s, w. c) dem phonetischen, wo ebenfalls aus der Natur oder aus Vtcnschenerfindung genommene Bilder nur Töne der Sprache andeuteten, und zwav in solcher Art, daß jede phonetische Hieroglyphe das Vild eines Gegenstandes darstellte, welcher in dcr von den Aegyptiern ge-sprcchnen Sprache durch die Artikulation anfing, welche das 207 „Es gab also," sagt Champollion, „theoretische und materielle Beziehungen, welche die verschicdnen hleroglyphische Zeichen eben ausdrücken sollte. Alsu z, B.. wenn wir dies in unsrer Sprache nachahmen wollten, würbe das Vilb eines Tigers, einer Trappe, einer Tafeln, s. w. immer nur T bedeuten. 2) Die der Priester, die hieratische genannt, welche eine bk'ße Abkürzung der Hicrcglyphcnschrist war. Z) Die dem o tische ober cursorischc, abermals eine noch lnrzere Ableitung aus der hieratischen, für den täglichen Gebrauch bestimmt, und säst eine alphabetarische Schrift, in welcher«die figurative» und symbolischen Zeichen, bis auf die Bezeichnung der Götier, fast ganz verschwanden. 4) Endlich die allegorischen Bilder, die Anaglyphen, die einzige wickliche Geheimschrift der Priester, in welche man nur bnrch sie eingeweiht werden konnte, und in der sie auch ohne Zweifel ihre tiefsten Geheimnisse, Wissenschaft, Philosophie und Glaubenslehre betreffend, niedergelegt haben, ohne daß wir uns viel Hoffnung machen dürften, diese je mit Bestimmtheit zu entziffern, während ein solches Ncsultat bei bcn Hieroglyphe« im Gegentheil kaum mehr einem Zweifel unterworftn ist. Köiuitcn wlr jene Sprache lesen, wir würden sehr wahrscheinlich Mosis ganze Genesis darin wiederfinden, deren Angaben s» auffallend mit den neusten Entdeckungen der Geologen übereinstimmen, baß (wlr müßten denn mit den Gläubigen annehmen wollen, der liebe Gott habe sie ihm wirklich selbst diktirt, wo man denn ihrer Dunkelheiten und partiellen Irrthümer wegen voraussetzen müßte, Moses habe den lieben Gott nicht immer richtig verstanden,) daß, sage ich, nur eine seit Jahrtausenden cultivirte Wissenschaft solche Kenntniß zu ertheilen im Stande war, und Moses sie daher nur von den Priestern Aegyptens, in deren Geheimnisse er, wie Alles vermuthen läßt, tief eingeweiht war, erhalten konnte. 208 Theile dcs allgemeinen graphischen Systems der Aegypticr mit einander verbanden. Dieses so ausgedehnte System, sigurativ, symbolisch und phonetisch zugleich, umfaßte, dirclt ode? indirekt, alle Künste, die sich auf Nachahmung gründen. Das Princip dieser Künste war daher in Aegppten keineswegs dasselbe, welches in Griechenland ihre Entwickelung bedingte. Die ägyptische Kunst hatte nicht den speciellen Vorwurf: die schönen Formen der Natur mit möglichster Treue darzustellen — sie strebte ,mr nach dem Ausdruck einer ihr eigenthümlichen Ordnung von Idcen, und sollte nicht das Andenken bloßer Formen, sondern das der Menschen und der Dinge verewigen. Der ungeheure Koloß, wie das winzigste Amulet waren die festen Zeichen einer Idee; wie vollendet odcx mittelmäßig ihre Ausführung war, der Zweck war in der Hauptsache immer erreicht, da die Vollkommenheit der Form, wenn gleich später auf das Edelste ausgebildet, doch nur secondair blieb. In Griechenland war dagegen die Form eben Alles, man diente der Kunst nur um der Kunst willen. In Aegvptcn war sie nur ein mächtiges Mittel, den Gedanken zu verlor- 2N9 pern. Die geringste Zierde ägyptischer Architektur hat ihre eigne Bedeutung, und steht in direktem Bezug zu der Idee, dic der Gründung des ganzen Gebäudes zum Grunde lag, während die Ausschmückungen griechischer und römischer Tempel zu oft nur dem Auge zu schmeicheln suchen, und für den Verstand stumm bleiben. So zeigt sich der Geist beider Völker ganz verschieden. Die Schrift und die nachahmenden Künste trennten sich bei den Griechen bald und für immer, aber in Acgyptcu schritten die Schrift, die Zcichenkunst, die Malerei und Sculptur stets in gleicher Liuic ein und demselben Zwecke zu, und wenn wir den individuellen Zustand einer jeden dieser Kunstüußcrungcn betrachten, und besonders die Bestimmung, welche alle ihre Leistungen gemeinschaftlich hatten, so kann man mit Nccht sagen, daß alle sich nur in eine verschmolzen, in die Kunst pin' exl^Ill;l,c« — die der Schrift. Die Tempel , wie es schon ihr ägyptischer Name anzeigt '), waren, wenn ich mich so ausdrücken darf, nichts als kolossale und prachtvolle Repräsentativ - Charaktere für die himmlischen Wohnungen; die Sta- ') Götttl- cbtl- Votttöwchnuügtn. M»h«mt» Ali'« «eich, II. 14 2!0 tuen, Bildnisse der Könige und Privaten, die Basreliefs und Malereien, welche die Scenen des öffentlichen wie des Privatlebens zurückriefen, traten ganz in die Klasse der Figurativ zeichen; und die Abbildungen der Götter, die Embleme abstrakter Ideen, die allegorischen Zierden und Bilder, die lange Serie der Anaglyphcn endlich, knüpften sich auf die direkteste Weise an das symbolische Princip der Schrift an. Diese innige Verbindung der schönen Künste mit dem graphischen System der Aegyp-ticr erklärt uns nun auch ohne Mühe den Grund der naiven Einfachheit, in welcher, trotz der höchsten Vollendung auf ihrem eigenthümlichen Wege, Malerei und Sculptur dennoch bei ihnen verblieben. Die Nachahmung physischer Gegenstände bis zu ihrer deutlichsten Erkennung war schon zum vorgesteckten Ziele hinlänglich; eine größere Idcalisirung in der Ausführung konnte der Klarheit des beabsichtigten Ausdrucks nur wenig hinzusetzen, eine willkürliche Veränderung in der Form würde sie sogar verwirrt haben, da Bilder und Sculpturcn nur wahre Schristzcichcn waren und seyn sollten, fast immer mit einer umfassenden Composition zusammen- 211 hängend, in der sie selbst nur als einzelne Elemente da standen." So weit Champollion. Ohne nun untersuchen Zu wollen, ob die Aegpptier in einer solchen Kunstansicht Necht hatten oder nicht, so ist das Faktum ihrer Eristenz nicht zu läugnen, eben so wenig wie die dadurch erlangten Resultate, welche, wie wir sie vor uns sehen, in ihrer Totalität in keinem andern Lande übcrtroffen worden sind. Ja — die Acgpp-tier waren in Wahrheit eine wesentlich schreibende Nation, wie wir es auch geworden sind, nur mit dem Unterschiede, daß sie mit tausend malerischen Zeichen, welche das ganze Reich der Natur und der Menschheit umfaßten, ihre Geschichte, Gesetze, Philosophie, nn't einem Wort: ihr Leben in dauernden Stein gruben, und zu diesem Vehuf entweder, das Innere der Pallästc in Felsen aushöhlend, diese zu P Mästen um schufen, oder die Felsen selbst ablösten, um sie an andern Orten wieder als Palläste hinzustellen. Und hier ist es, auf diesen Nicscn-denkmälern vergangner Jahrtausende, daß wir jetzt noch ihre Schriften lesen, deren Charaktere wir zu gleicher Zeit als hohe Kunstgcbilde bewundern 14" 212 müssen, und als den Ausdruck bedeutungsvoller Ideen noch zu entziffern suchen. Einst aber Allen verständlich, welche allgemeine Bildung und Kenntniß, welchen allgemeinen Sinn für das Schöne muß ein solches System unter einem Volke verbreitet haben, das bei keinem seiner Gebäude vorübergehen konnte, ohne darauf, so zu sagen, die Seiten eines aufge-schlagncn Vuchcs der Weisheit, der Wissenschaft und der Geschichte vor sich zu sehen, anziehend gemacht durch alles was Kunst, Geschmack und Pracht vereinigt darzubieten vermochten. Wir nun schreiben zwar auch, aber mit Gänsefedern Krähenfüße auf Lumpen; auch wir haben eine Kunst, sie beschränkt sich indeß nur auf mehr oder weniger glückliche Nachahmungen der Alten oder unsrer eignen Vergangenheit, und wird.bald nichts ächt Originales mehr auszuweisen haben als den Daguerrcotpp, Vronzcbilder aus l»»j>ior mnllw, galvanische Vergoldung und unnachahmliche Kassenscheine. Die Erfindung der Buchdruckerkunst freilich stellt uns höher. Bücher haben wir wic Sand am Meer. Alle Hieroglyphen der Aegypticr schwinden dagegen, quantitativ jedenfalls, zu nichts. Ob unsere Vücher demun- 213 geachtet länger dauern werden als dic Pyramiden? Es ist wohl möglich, und ich will cs keineswegs bcstreiten, aber vieler neuen Auflagen in jedem Sinn wird cs noch bis dahin bedürfen. Doch ich kehre zu meiner Beschreibung zurück. Eins der ansehnlichsten modernen Dörfer Acgyv-tens steht auf und in den Tempelgcbäuden von Luror, deffcn Säulen man dort zum Theil bis an dic Knäufe, reihcnwcis vom Sandc verschüttet sieht. Auch der Nil, an dessen Ufern einst der Pallast unmittelbar stand, wie die Neste eines massiven Quai's noch bezeugen, hat seinen ^aus, wie unwillig über die neue Bettelnachbarschaft, einige hundert Schritte weiter davon ab genommen. Als ein Vorspiel gestattete ich mir mit dem Doktor zuerst eine allgemeine Mondschcinvromcnade im kolossalsten Theile der Ruinen, unter dem Säulengang des mittleren Hofes beginnend, dessen Säulen, obgleich voll zur Hälfte verschüttet, in dieser Höhe noch an dreißig Fuß im Umfang messen! Es diente uns bei diesem Spazicrgang eine schwarze Almch als Führeriu, die, zuweilen ihr Tamburin anschlagend, gedankenlos unter den Trümmern vor 2l4 uns hertanztc — ein wunderlicher, und mich doch gar nicht störender Contrast. Lange zwischen den Häusern in engen Durchgängen und im Schatten der Pallä'stc umherirrend, bald den rechten Fuß auf die Vorzeit, bald den linken auf die Gegenwart setzend, traten wir endlich unerwartet von innen durch das Pplonenthor des Eingangs hinaus, und befanden uns plötzlich im hellsten Scheine des Vollmondes grade zwischen den vcrstmnmclten Nhamseskolossen, und sahen uns rechts zur Seite den schönsten aller Obelisken, dcnt dic Franzosen seinen Gefährten raubten, so schwarz und schlank gen Himmel auf? schießen, als sey er cm Pfeil, der sich eben anschicke, von der Erde nach dem Monde zu fliegen. Dieser überraschende Anblick, alle Maaße der uns umgebenden Gegenstände noch dnrch den Dämmerschcin nächtlicher Beleuchtung fast verdoppelt, gehörte zn denen, die sich dem Gedächtnisse fur immer einprägen. Am andern Morgen begannen wir an demselben Fleck cine mehr systematische Besichtigung. Die erste Betrachtung die sich mir aufdrängte, war die, freilich nichts weniger als neue: wie viel besser die Acgppticr die Architektur verstanden haben 215 als wir, ohne daß wir, wic es scheint, im Stande sind, etwas von ihnen zu lernen. -Die mit ungeheuren Kosten bewerkstelligte Wegholung des hiesigen zweiten Obelisken und feine Aufstellung in der Mittc des großen Platzes Ludwig des fünfzehnten in Paris ist kein kleiner Beweis für diese letztere Behauptung. In Luror bilden den Eingang zum Tempel zwei imposante Pylonen von 400 Fuß Höhe, unmittelbar cn den Seiten des Thores sitzen zwei Kolosse ohn-g?fähr 40 Fuß hoch, und wenige Schritte davon ab, nur doppelt so weit als die Kolosse von den Pplo-nm entfernt, standen die beiden Obelisken von 8<)—90 Fuß Höhe, von denen der eine nun entführt ist. Diese gedrungene Zusammenstellung wirkt mit voller Macht und hoher Bedeutung, während dieselben Gegenstände vereinzelt, und im weiten Naumc wic verloren hingestellt, beides verlieren. Nie errichteten die Acgppticr einen Obelisk ohne scineu Gefährten, eben so wenig wie eine einzelne Säule, am wenigsten würden sie aber einen solchen vereinzelten Obelisken in die Mittc eines großen Platzes gestellt haben, wo er nur einem charakterlosen Pfahle gleicht, die Ansicht des Platzes verdirbt, während 21 <; dieser ihm selbst alles Imponircnde seiner Masse raubt, und so -das Große künstlich klein erscheinen läßt. Es ist wahrlich Jammerschade, daß für einen solchen Zweck die Erhabenheit des hiesigen Tem-pcleingangs so gestört wnrde, denn sie zu vernichten war man dennoch nicht im Stande. Der gebliebene Obelisk, aus dem schönsten Noscngranit geformt, ist nur unten anf zwei Seiten etwas beschädigt, sonst überall vortrefflich erhalten, und die bis an zwei Zoll tief eingcgrabnen Hieroglyphen anerkannt das Vollendetste, was in dieser Art die Aegpftticr scttst geleistet haben. Auch wäre diese Arbeit zu übertreffen in der That unmöglich, und man begreift cs heutzutage gar nicht mehr, wie man in diesen felsenfesten Granit die subtilsten, bis auf das kleinste Detail ausgeführten Figuren, mit eben der Präeision und Leichtigkeit einzugrabcn vermochte, als unsere besten Wappcnstccher in Carniol graviren. Ein eitft jä'hriger Knabe erbot sich, für einen Käric (ägyptisches Geldstück, 2'/2 Franken werth) den Obelisk an diesen Hieroglyphen zu erklettern, und führte das gefährliche Wagstück bis zu zwei Dritthcilcn der Höhe ohne Schwierigkeit aus, worauf aber dcr 217 heftige Wind ihn oben so schaukelte, daß wir ihm zwei Käric versprachen, um nur schnell wieder herunter zu steigen. Wcnn man von der Disposition und dem Plane des Tempels eine recht deutliche Idee bekommen will, muß man die Spitze der Pylonen ersteigen, obgleich dies auf der vcrfallnen engen Treppe, und zuletzt auf frei liegenden Randblöcken von einem zum andern springend etwas beschwerlich ist. Die Aussicht ist in jeder Hinsicht sehr belohnend, und der erste Erbauer dieses Palla-stcs, Amenopht der dritte (Memnon), konnte sogar von den Zinnen desselben sich selbst jenseits des Flusses in seinen Kolossen doppelt vor sich sitzen sehen. Es ist ungcmcin anziehend, dic Form und Ausdehnung der Ruinen im Gewirre des Dorfes aufzusuchen, dessen für Acgyptcn gauz stattliche Häuser wunderlicherwcisc hier alle die Gestalt der Pylonen im Staube ihrer Kothziegel lilliputartig nachgeahmt haben. Mehr als hundert der alten Säulen erheben sich noch zwischen ihnen, und cincr der Haupthö'fe des Tempels besteht fast noch ganz. In diesem fand ich mehrere Sculpturen von unbeschreiblicher Erhabenheit und Anmuth, und mehr als ein Gesicht 2l8 darunter nut einer Zartheit und Tiefe dco Ausdrucks, der dem fciustcn europäischen Gemüth hätte gcnügcn müssen. Diese Bilder sind aus dcr höchsten Blü-thenpcriode ägyptischer Kunst, der Abfall wird schou unter deu spätern Pharaonen etwas erkennbar, unter den Ptolomäcrn ist er bereits gewaltig, unter den Nömcru endlich bleibt nur die Carikatur. Die Franzosen haben zum Behuf dcr Lurorschen Erpc-dition sich nicht begnügt, dem Tempel am Eingang eine seincr schönsten Zierden zu rauben, sondern auch dessen Ende durch den darin bewerkstelligten Aufbau eines großen Hauses geschändet, in Folge dessen selbst ein Theil dcr ehrwürdigen Trümmer neu angewcißt wurde. Dieses Haus hiudcrt jetzt einen dcr interessantesten Theile dcs Tempels zu besichtigen, neue Mauern sind mitten durch die Hciligthümer gezogen, die noch lebhaften Farben dcr Bilder in den Fugen mit Kalk verschmiert, um den Luftzug abzuhalten, ein Allcrhciligstes zum lwu ä'm»:uico umgewandelt, kurz barbarischer gewirthschaftct als es zu verantworten ist. Ich fand eben einige Franzosen in diesem Hause ctablirt, die von Indien kamen, denn es scheint, daß man einen permanenten Khan daraus 2l9 zu machen beabsichtigt, und mau wics mir einen Vefchl des Herrn Gcncralconsuls Mimaut vor, uach wclchcm durchaus Niemanden: als Franzosen die Wohnung hier vergönnt scpn sollte, uud nur die französische Flagge auf diesem Hanse aufgezogen werben dürft. Dcr Viceköuig ist wirklich sehr gutmüthig, dergleichen zu gestatten, und ich möchte wohl wissen, welchen Bescheid man Türken ertheilen würde, die in Frankreich, z. V. auf dcr Nuinc von Cham-bord oder einer andern in gleicher Einsamkeit liegenden, dergleichen Spcculationcn auszuführen versuchten. Aber es ist Zeit, über die grüne Ebne nach Kar-uack zu reiten, wo uns Thebens Kulminationspunkt erwartet, ein ^n Stein verkörpertes Mährchcn, vor dessen Anblick man sich die Augen reibt, um sich zu fragen: Tränm' ich, oder wach' ich? — Wahrlich vom Niescnsaal in Karnack kann man ohne alle Uebertreibung sagen, daß er den Tranm noch überflügle, denn da man nie Achnliches gesehen, sieht man es auch im Schlafe nicht. Dieser Wald von Säulen, starker, höher alo die meisten Kirchthürme, diese Felsemnasscn, die sich über ihre Kelchkronen spannen, dieses Meer von Zierden und Bildern, 22tt unermeßlich wie dcr Sternenhimmcl, und diese Far-bengloric einst, von dcr nur noch einzelne glücklich erhaltne Stellen eincn anschaulichen Begriff gcbcn — die kühnste Thcatcrdckoration bleibt hinter der Erfindung einer solchen Wirklichkeit zurück. Und was war dieser Niesensaal? — nur ein kleiner Theil des ungeheuren Ganzen, dessen Umfang, wie die Maucrtrümmer noch deutlich zeigen, über 8000 Fuß betrug, zu dem von außen sechs, grö'ßtentheils noch stehende Prachtthorc von 70 Fuß Höhe, zum Theil mit drei- und viermal wiederholten Pylonen führten, und von außen eine Allee vieler hundert kolossaler Sphynre die Auffahrt zu jedem dieser Thore bildete. Dies war ein einzelner Tcmpclbau im Bereich der hundertthorigcn Thebä — man faßt kaum die Idee dazu, geschweige denn seine Ausführung, und welche Ausführung! In der fast jeder denkbaren Anforderung an ihrer passendsten Stelle Genüge geleistet, das Riesigste wie das Lieblichste in höchster Vollendung erschöpft wird, und wo — betäubt von dieser Masse von Pylonenthürmen, Kolossen, Obelisken, Thoren, Portiken, Pfeilern und Säulen, Hö'fen, Sälen, Galerieen und Gemächern, alle mit Taufen- 22! den und Abertausenden von Figuren bedeckt, alle im blendendsten, mamuchfachsten Farbenschcin erglänzend — gewiß jeder Gläubige einst mit erschütterter Seele, und in frommen Schauern der Götter Nähe fühlend, im Angesicht des irdisch vor ihm dargestellten Himmels, anbetend in den Staub gesunken seyn muß. Der Haupteingang zum Tempel stieg in einer Svhynrallee, wahrscheinlich von den Kronen grüner Sycomore beschattet, vom Nil heran, bis cr zwei pyramidenglciche ungeheure Pylonen erreichte, zwischen denen sich das größte der Tcmpclthorc befand, welches jetzt thcilweise zertrümmert ist. Wenn man bis hierher gelangt ist, eröffnet sich eine Perspektive, die auf ciumal die ganze kolossale Größe der NuiNc Karnack'o entfaltet. Trotz der Trümmerhaufen und sieben ganz in der Nähe umgestürzter Säulen von 23 Fuß Umfang, sieht man auf einer Distanz von 1000 Schritten durch 12 innere, auch zum Theil zerstörte Thore, alle zwischen 70 und 80 Fuß Höhe hindurch, zuerst durch den weiten Vorhof, dann, entlang der Nicsenhalle, durch den Hof der Obelisken und den der Koloffen, hinweg über das Heiligthum, das, wie ein Juwel geschmückt, vertieft in der Mitte >>^>z liegt, dann jenseits desselben abermals durch viele Höfe und Portikcn, bis wo das rcine Blau des Himmels wieder durch dic thurmhohc Pforte am äußersten Ende hindurch glänzt — cm Schauspiel ohne Gleichen, uud nur dadurch möglich gemacht, daß man fur diesen Bau cm in der Mitte sich senkendes Terrain wählte, und nur einc geringe Erhebung dem Hciligthume gab, welches dicsc Mitte einnimmt, gcgcn das nun von beiden Seiten, wie in Ehrfurcht, die heranrückenden Gebäude nieder-stiegen. Was in dem sogenannten Niesensaal, oder der Nicsenhallc, vielleicht dcu grandiosesten Effekt hervorbringt, ist die eigenthümliche Anordnung, in Folgc deren die Säulen der durch die Mitte desselben führenden Doppelreihe (welche beiläufig gesagt an 40 Fuß im Umfange messen) um ein Dritthcil höher und stärker, als alle übrigen sind, und während bei diesen letz-, tcren die Decke auf den Würfeln über ibrcn Capitalen, aufliegt, über den großen durch die Mitte führenden Säulen noch eine ganze Stockhöhe mit collossalen Fensteröffnungen, die nach innen berabschaucn, bis an die Decke, an 5l) Fuß hoch, frei darüber bleibt. 223 Da die Säulen selbst nun über 80 Fuß Höhe haben, so beträgt der ganze freie Raum, den man in der Mitte stehend über sich sieht, gegen 130 Fuß. Dies bringt aber zugleich von allen andern Seiten des Saales aus gesehen nicht nur ein Emporsteigen, sondern cm völliges Verschwinden der Decke nach der Mitte zu hervor, wovon die Wirkung so eigenthümlich ist, daß mau es gesehen haben muß, um ihre Gewalt begreiflich zu machen. Die Fenster in den erwähnten Wänden der Höhe, die sich, wie in der Luft schwebend, auf den bunten Lotosknäufcn der großen Säulen erheben, sind zum Theil durch ein weitläuftiges Steingüter geschlossen, dessen massiver Und doch zierlicher, aber ganz fremdartiger Charakter vortrefflich zu dem aus allem Gewöhnlichen ohnedem so völlig heraustretenden Ganzen paßt. Auch hier, wie im Nhamsejnm, diente dieser dem Tempel aufgesetzte zweite Stock, nach Lhampollions Vermuthung, zur Wohnung der verschiedenen Mitglieder der königlichen Familie, die von der inneren Seite aus ihren Zimmern in den Säulcnwald hinabblickcn und von den andern Fenstern die unermeßliche, vom Nil durchströmte Hauptstadt und ihr romantisches Thal 224 von Bergkette zu Bergkette, und von Wüste zu Wüste, in seiner ganzen Ausdehnung übersehen konnten. Bequeme Treppen, wie es alle altägpptischcn in hohem Grade sind, führten ohne Anstrengung in diese thurmhohen Wohnungen, was man leider jetzt nicht mehr rühmen kann, sondern sehr mißlich von Stein zu Stein auf dem Schutt und Bruch hinaufklettern muß. Dort erst wird man die Größe der Massen recht gewahr, welche die Säulen verbinden, und unter denen es Steine giebt, die über 30 Fuß Länge bei 6 Fuß Dicke und eben so viel Breite haben ; freilich noch immer unbedeutend gegen den Obelisken im nächsten Hofe von 96 Fuß Höhe aus einem glatt wie Spiegel polirten Stück, dessen ganz gleicher Gefährte zerschmettert neben ihm ruht. Außer Cambpscs und der Zeit muß auch ein furchtbares Erdbeben hier gewüthet haben, oder die Perser lannten, gleich den Chinesen, schon damals die zerstörende Macht des Pulvers. Nur auf solchem Wege war eine Verheerung dieser Art möglich, der der Nicscnsaal allein erfolgreich widerstanden hat. Die Säulen desselben, deren sich noch alle 134, bis auf zwei welche zerbrochen am Boden liegen, aufrecht 225 erbalten haben, stehen sehr dicht neben einander, was vielleicht zu ihrer Conversation viel beitrug und überdies den Reichthum ihres Effekts ungcmein vermehrte. Die umschließenden Wände enthielten von innen die imposantesten Darstellungen religiöser Gegenstände , von außen noch ungleich ausgedehntere und riesenhaftere Gchlachtbildcr als die im Nham-scjum. Es befindet sich untcr andern eine großc Segclbarkc mit einem Tempel in der Mitte darauf, welche fast natürliche Größe erreicht, wenn man sich dieses Ausdrucks bei einer Varke bedienen kann. Ucbcrall im dichtesten Gewül/l der Schlacht erscheint der König weit über Alle hervorragend, entweder vom Streitwagen, odcr davor stehend fechtend, wo Diener sich bemühen, die ungeduldig stampfenden Nossc zurück zu halten, während ein anderer eine Art Sonnenschirm hält, welchen Einige für die ägyptische Fahne ansehen. Dies ist auch nicht cbcn unwahrscheinlich, da Formen eine Convcntionssachc sind, uud z. V. der Scepter der ägyptischen Könige uns ganz wie ein Dreschflegel vorkommt. Er ist jedoch in Wahrheit nur eine Geißel, vielleicht ein noch humaneres Königszcichcn als das Schwert. 22K Wie Achill dcn Körper des Hcktor um Troja's Mauern schleift, so auch hier der König einen überwundenen Fürsten, aber nicht nur ihn, sondern auch seinen Streitwagen mit den niedergestürzten Pferden, was alles zusammen an des Königs Wagen angc-fessclt ist. „In allen diesen Bildern," "sagt mein geistreicher Freund ungcmcin wahr, „ist eine ungeheure Phantasie offenbar, die Handlung reich nnd lebendig, die Bewegung keck und rasch, der Ausdruck sprechend, lebendig, ergreifend, die Zeichnung fast ohne Perspektive, aber die Ausführung der Details unbegreiflich reich und schön. Die Pferde z. B. haben eine Wahrheit im Kopfe, welche an die berühmten venctianischen erinnert. Gebiß, Zaum und Geschirre sind prachtvoll und zweckmäßig; die Wagen sind wie aus Elfenbein gedrechselt, mit erhabner Arbeit und Schmuck, fest, leicht und schön. Ich erwähnte bereits, daß an vielen Stellen auch die Farben, mit denen der ganze Saal.überdeckt war, noch ihre ehemalige Frische bewahrt haben, und in Karnack, wie in dcn Gräbern der Könige, muß man die Menge vcrschicdner Combinationen und 227 überraschender Zusammenstellungen bewundern, die der Farbensinn der Aegyptier hervorzurufen wußte. Besonders zeigt sich dies in dem lul^tum, wo nach meinem Gefühl das Edelste vereinigt ist, was ägyptische Kunst aufzustellen fähig war. Die Grazie, die wahrhast bezaubernde Schönheit vieler dieser Schildercien ist, Meines Erachtens, nirgends iiber boten worden. Weder die Antike, noch die Zcit Raphaels haben auf ihrem Standpunkt Vollendeteres hervorgebracht. Ich fand hier die Abbildung eines jungen Königs — der Porphyrpforte gegenüber, die aus der Galeric, welche den kleinen Saal des Allcrhciligsten umgicbt, in ein zerstörtes Nebcn-gemach führt — deren unbeschreibliche Herrlichkeit mich im Innersten ergriff. Es war ein so hinreißendes Ideal von tadelloser Schönheit, ein solcher Inbegriff aller reizendsten und gewinnendsten menschlichen Eigenschaften, mit einer so schmeichelnden Milbe der Züge, einem so himmlischen Lächeln um den üppig geformten Mund, einer solchen Begeisterung im Auge, einem Adel der Formen, und einer so göttlichen Erhabenheit der Stellung wie der ganzen Erscheinung, daß ich mir, dies Vild verwirklicht, 15" 228 kein unwiderstehlicheres lebendes Wesen denken könnte. Es war wahrhaft ein jugendlicher Gott, der in meinen Augen jeden, den die Griechen gebildet, übertraf. Die innere Wand des heiligen Zimmers besteht aus geglättetem Nosengranit, und die zierlichen darauf eingemeißelten Figuren sind mit einer sehr zarten, blaßgn'incn Bronzcfarbe bemalt, die Decke ist azurblau mit goldgelben, schmalstrahligcn Sternen, in ihrer Mitte der Länge nach durch eine geschmackvoll unterbrechende V.aude getheilt, in der sich Blau, Roth und Gelb abwechselnd wiederholen. Alles dies ist, wo cs nicht gewaltsam zerstört wurde, in vollster Frische erhalten, und im höchsten Grade lieblich. An der auswendigen Wand, um die eine unbedeckte Galerie führte, ist der Grund bronzcfarben, und die Figuren behalten zum Theil die schillernde Rosen-sarbc des natürlichen Granits. Eine sich weit ausladende prächtige Krönung über der Decke bietet dieselben Farben wie die Vandc im Innern. Auf diesen Außenwänden findet man die schönsten Arbeiten, meistens in verkleinertem Maaßstabc, und keine Figur über Lebensgröße; einige dieser Figuren sind blau, andere roth, und so sonderbar dics dem euro- 229 pä'ischen Geschmack auch vorkommen mag, die Behandlung, dic Zusammenstellung, der ganze eigenthümliche Charakter des Styls sind von der Art, daß ich wenigstens nie durch diese scheinbare Unnatur in der Darstellung so erhabner und reizender Gestalten gestört wurde. In dem großen Portikus von ä8 Säulen und Pfeilern, ohnfern des zehnten Thores, der von einigen fünfzig zcllenähnlichcn Gemächern umgeben ist, haben die Kopten auch wieder eine christliche Kirche improvisirt, und auf die Kunstwerke der Pharaonen hidcuse Heiligenbilder gcklclst. Glücklicherweise sind aber bis aus ein wohlerhaltnes dic übrigen schon größtcnchcils wieder abgefallen, und die alten Gottheiten ganz unbeschädigt und, ohne daß ihre Farben auch nur im mindesten gelitten, unter ihnen wieder zum Vorschein gekommen. Durch einen zweiten Säu-lcngang gelangt man von bicr zu einer andern Tem-pelabthcilung mit an Pfeiler gelehnten Caryatidcn-kolofsen, und aus diesem endlich zu der letzten großen Ausgangspforte. Wir brachten viele Stunden im Bereich der Ruinen zu, um jedes Detail derselben möglichst zu 230 untersuchen, was ich jedoch vorläufig bei Seite lassen, und nur eines kleinen Intermezzo's erwähnen will, das sich, wie. das Komische überall in dcr Welt zum Ernsten tritt, auch hier als wohlthätig zerstreuende Erheiterung darbot, denn auch das Entzücken ermüdet. Als wir im Angesicht des nordöstlichen Thores, unter dessen Sculpturcn sich ein enormer Priapus befindet, frühstückten, erschien ein englisches Kammermädchen, deren Herrschaft in der Nähe seyn mußte, von einem langen Araber geführt, ein recht hübsches, ächt national englisch aussehendes Geschöpf, mit vollendeter Geschmacklosigkeit in einen kurzen weißen Nock mit schwarzer Schürze, einen rosa Spenzer und grünen Hut gekleidet, um sich gleichfalls die Wunder Thebens zu beschauen. Nachdem sie, ohne sich durch unsre Gegenwart irren zu lassen, ihre Inspektion eine Weile fortgesetzt hatte, sahen wir sie endlich auch vor dcr erwähnten Figur stehen bleiben, und sie lange mit ungcthciltcr Aufmerksamkeit betrachten. Endlich wandte sie sich zu ihrem Araber, dcr, andächtig hinter ihr stehend, jeder ihrer Bewegungen folgte, und, indem sie ihm nut der Hand winkte, sie weiter zu führen , rief sie mit, unwillkürlicher Bewunderung und 231 einem allerliebsten Gesichtsausdruck aus: »Non I declare, till» i8 ver^ curiulis illcle^li!" Gern hätten wir die naive Insulanerin gebeten, unser Mahl mit uns zu theilen, aber als ich einen meiner Diener zu ^diesem Behuf abschickte, verschwand sic schon flüchtig unter den Ruinen. Statt ihrer bemerkte ich mit Entsetzen auf meiner Bernus, die bisher von einem Araber nachgetragen worden war, und die ich jetzt erst wegen des Zugwindes umgenommen hatte, zwei viel unwillkommncrc Gäste, anch Kolosse ihrer Art, von demjenigen Inseltcngcschlccht, das man bei uns im gemeinen Leben Kleider-Läuse zu nennen pflegt (p65i ll«>l'l'l) ward plötzlich eine grüne, von Palmen überdachte, fast regelmäßig geformte und ganz einem hesperischen Garten ähnliche, ovale Insel sichtbar, von hohen Mauerquais aus großen Quadern gestützt, und von einem Ende bis zum andern mit einer ununterbrochenen Reihe der prachtvollsten Bauten bedeckt, die mitten in dieser unwirthbarcn Wildniß mehr der ätherischen Wohnung irgend einer Fee, als Menschen- l) Vs ist kcin wirklicher Vasalt, sondern nur schwarzgebrannter Granit; man pflegt ihn aber allgemein hi'cr s» zu nennen. 257 werken glichen. Auch war es Philä — gewiß eins der lieblichsten Wunder im fabelhaften Reiche der Pharaonen, und wenn gleich nur mit den wenigsten seiner Bauwerke noch aus ihrer Zeit hcrstammenb, doch einer der Glanzpunkte Aegyptens, und das schönste Denkmal der kunstlicbcndcn Ptolomäcr. Seine glückliche Erhaltung trägt dazu das ihrige bei, und die stolzen Reihen von mehr als hundert noch aufrecht stehenden Säulen, der äußerlich fast unversehrt gebliebne große Tempel des Osiris, die zwei Paar ganz vollständig conservirtcn Pylonen, endlich der eigenthümliche, dem ägyptischen Styl ganz fremde, transparente römische Tempel im Hintergründe, dem außer dem Dache kein Stein fehlt — bieten schon aus der Entfernung ein Gemälde seltner Pracht und Zierlichkeit. Wie viel mehr noch überrascht die nähere Besichtigung — wie reich erscheinen diese Massen verschiedenartiger, und doch alle mit einander in Verbindung stehender Bauten, wobei auf Symmetrie so wenig Rücksicht genommen ist, daß kaum cm Hauptthor in grader Richtung auf das andere stößt, ohne doch irgendwo das Auge dadurch zn beleidigen. Und dicsc unerschöpfliche Menge jede 258 Wand und jede Säule bedeckender Sculptmcn des mannichfachstcn und reichhaltigsten Inhalts, der fast unbegreiflich crhaltnc Glanz und Reiz der Farben in einigen Sälen, namentlich im Pronaos des großen Tempels, wo ohne die hier iheilweis ausgeübte gewaltsame Zerstörung der Christen zwanzig Jahrhunderte kaum eine Spur ihres Daseyns zurückgelassen haben würden! Wie, sage ich, überrascht und entzückt dies Alles von neuem, selbst wenn man, wie wir, das Höchste ägyptischer Kunst schon früher gesehen. Wenn Großes dem Kleinen verglichen werden darf, so möchte ich sagen: Philä' verhalte sich zu Theben wie die Farncsina zum Pallast Farnese. Es ist nicht mehr die fast göttliche Erhabenheit, der fast schauerliche Ernst der Tempel von Karnack und Luror — dafür aber tritt uns eine noch erhöhte Zierlichkeit, mehr Abwechselung, eine behaglichere Lieblichkeit, wenn ich mich so ausdrücken darf, in den vorliegenden Räumen entgegen, die erste Spur des beginnenden Ucbcrgangcs zum verhältnißmäßig Modernen. Und grade dieser Styl däucht einem hier, man weiß kaum selbst warum, so ganz an seinem Platze — vielleicht als wohlthuender Contrast mit 259 der fast grauscnhaft erscheinenden Naturnmgebung schwarzer Felsen und kahler Wüsten, vielleicht auch, weil das Ganze als ein wohlthätiger Nuhepunkt dient, welcher der Schwäche unsrer eignen modernen Gefühle schmeichelt, die sich kaum mehr dauernd zu dcr kolossalen Größe des ägyptischen Alterthums ohne cinc Anwandlung von Schwindel zu erheben vermag. Wenn ich in Theben geistig anbetete, so genoß ich hier in irdischer Behaglichkeit. Theben ist ein Aufenthalt für Götter, Philä erscheint nur wie dcr Pallast eines epikuräischen Einsiedlers. Gewiß war auch der hiesige Cultus zuletzt, wenigstens als er dcn größten Theil dieser Gebäude schuf, ein schon erheiterter geworden, obgleich der Mythe nach Osiris auf dieser Insel begraben lag, und in ältester Zeit auch nur ein finstrer Glaube in dieser schancrlichen Werkstatt verheerender Natur-clcmente dcu Platz für seine Tempel wählen konnte. Sobald wir unsre Zeltc befestigt hatten, welche dicht am hier sehr steilen Ufer des Flusses, Philä gegenüber, aufgeschlagen wurden, und unsre Effekten in großen Haufen daneben aufgeschichtet worden waren, ließen wir uns sogleich nach dcr Insel 47" 260 übersetzen, auf der wir im günstigsten Augenblick, nämlich eine Stunde vor Sonnenuntergang, landeten. Nur ein Maler, und cin genialer Maler, könnte von diesem verführerischen Orte eine, gleiche Empfindungen hervorrufende, Anschauung geben. Nachdem wir Gemach anf Gemach durchirrt, den doppelten und dreifachen Portikus durchwandert, wo mehr als zwanzig vcrschicdnc Säulcnordmmgen mit einander abwechseln, fesselte uns am längsten der schon erwähnte buute Saal, das Peristyl des Haupt-tcmpcls, welcher vielleicht eine deutlichere Vorstellung als irgendwo von der ehemaligen Pracht ägyptischer Tempel durch die in cincm so offnen Raume, wie schon gesagt, fast wunderbare Erhaltung der lebendigsten Colorirung gibt. Keine der herrlichen Säuleu dieser Halle ist der audcrn gleich, jede schimmert in verschicdncm Farbenglanze, jede -entfaltet andre überraschende Zierden der Form, alle aber vereinigen sich dennoch als ein Ganzes in vollständigster Harmonie. Die ricscmnäsiigen Figuren außerhalb auf deu Wänden der Pylonen, deren ganze Höhe sie fast erreichen, sind zwar größtenteils durch den Fana- 261 tismus vandalischcr Religionsschwärmcr mühsam mit dem Eisen ausgemeißelt worden, doch leidet der Totalcssekt nur wenig dadurch, und einige der Götter und Helden prangen noch unversehrt in aller ihrer altcn Schönheit. So leicht das Zerstören im Vergleich mit dem Schaffen ist, so scheiterte doch in Aegypten an den Riesenwerken dieser Giganten bis jetzt der persische wie der christliche Wahnsinn, immer wenigstens zur Hälfte, und der Naub des Fanatismus, des Eigennutzes, wie der Zahn der Zeit haben Jahrtausende lang nicht damit fertig werden können. In der Pforte, welche durch diese Pylonen führt, ließen die Chefs der ftanzösischcu Erpedition, so wie die Gelehrten, welche sie begleiteten, eine lange Inschrift auf die linte, von Hieroglyphen freie Wand cingrabcn, und ein spä'nrcr Reisender dieser Nation hat alle andere neuere Inschriften daneben vertilgen, die Wand glätten, und mit schwarzer Farbe darüber schreiben lassen: »Uno PHA6 llo l Inkwi»« ne <1<>it pn8 lo«t<>l linr-Iimiilloo pln' llo« M»M8 I»5!inmtlinit5l." — Wie viel englische Touristen mögen bei dieser diktatorischen Handlung zu Grunde gegangen seyn? Man hat 262 indeß bis jetzt die Anordnung respektirt, zu wünschn: bliebe nur übrig, daß die Charaktere der eingemeißelten Namen der französischen Generale und Gelehrten, eben jene p^e 6« I'!n8to>l6, von einer geschickteren Hand ausgeführt worden wären, da solche, Gänsepfotcn mehr ähnliche, Buchstaben, den kunstreichen Hieroglyphen und Bildern der Alten grade gegenüberstehend, einen Begriff von Barbarei hervorrufen, der mit dem hochtrabenden Inhalt der Inschrift zn komisch contrastirt, um nicht ein unwillkürliches Lächeln zn erregen — um so mehr vielleicht, da jene.ephemere Expedition sogar keine Folgen znrücklicß. Wir erstiegen die wohlcrhaltnc und bequeme Treppe der Pylonen, welche von trichtcrartigcn Fenstern erhellt wird nnd mit mehreren Priester-gemachern eommum'cirt, um beim Untergang der Sonne der Aussicht von der obersten Platform zn genießen, die gewiß zu den originellsten in der Welt gehört. Unter nns breiteten sich, von den Fächern der Palmen umwogt, der Säulcnwald und alle dic Pforten, Pylonen, Höft und Mauern Philä's aus, bedeckt mit taufeud Götter- und Hcrocnbildcrn, von 263 welchen einige, mit dem Fuß fast auf der Erde ruhend, doch mit dem Haupte noch bis zu uus hinaufreichten. Genau ersichtlich war hier der Plan des ganzen Baues wic auf einer Karte, umzogen vom Nil, der nach Acgppten zu einen todten Ecc voll dunkler, abenteuerlicher Granitfclscn bildet. Einer unter diesen, auf welchen in den Stein gehauene Stufen hinanführen, gleicht einem kolossalen Königsthrone. Zur Lehne dient ihm eine mit Hieroglyphen und Bildern geschmückte Tafel, und ein ungeheurer, wie in der Luft schwebender Block formt seinen Baldachin. Von Nubien aus strömt dagegen der mächtige Fluß mit eiligem Laufe im eng zusammengedrängten Bette heran, von wenigen Palmen-gruppcn eingefaßt, zwischen welchen sich links einige verlaßnc weiße Moscheen, rechts, auf der grotesk gezackten Stcininscl Vithw, die Ruinen cincS andern antiken Tempels zeigen, wie denn überhaupt in ältester Zeit hier wahrscheinlich eine ganze Masse davon vertheilt waren, daher es auch sehr problematisch bleibt, wo der Gott, oder vielmehr nur, wic die Fabel sagt, der wesentlichste Theil desselben begraben wurde. Dicht hinter den schmalen Nfcrstrciscn 264 erheben sich dunkle Fclsemnaucrn in fast gleicher Höhe auf beiden Seiten des Stroms, in deren Spalten oft weiße Sandstürze gleich Wasserfallen niederrieseln. Auf der nordöstlichen Seite endlich erblickt man im Vordergründe, als einzige ländliche Scene in diesem gesteigerten Salvator Rosa, ein Stationsgebäude des Gouvernements, von einigen Spcomorcs nebst den Feldern und Hütten eines Dorfes umgeben, unmittelbar hinter diesem aber schließt sich schon wieder die kahle, unermeßliche Wüste an, in schwankenden Wellenlinien immer weiter und weiter zurückweichend, bis sie sich znlctzt in ihrer gehcimnißvollcn Unendlichkeit nur noch wie ein undeutlicher Nebel gestaltet. Bei tiefer, lautloser Stille betrachteten wir in Gedanken verloren das traumartigc Bild, bis die einbrechende Nacht einen Zug desselben nach dem andern verwischte, und das eintönige Rauschen der Katarakten, über den Königsthron herüber ziehend, jetzt erst mit dem immer stärker werdenden Brausen eines sich erhebenden Sturmes an unsre Ohren schlug. Dieser mahnte bald ernstlich an die Rückkehr, und wir eilten daher zur Barke hl'nabzukommcn, ehe der Khamsin, 265 dm man befürchtete, völlig ausbräche. Doch schon hatten wir zu lange geweilt. Kaum vom Ufer abgestoßen ergriff uns einer jener jählingen, hier so häufigen Wirbelwinde, die wegen des ungeheuren Staubes, mit dem sie im Augenblick die ganze Atmosphäre erfüllen, auf dem Lande so lästig, und auf dem Waffer nicht ohne Gefahr sind. Wir erfuhren es auf dcr Stelle, da unsere Barke, deren Segel man nicht schnell genug reffen konnte, bei einem Haare umgeschlagen wäre, und dann so gewaltsam nut uns den Strom hinabtricb, dast wir erst weit unten ein abgerißncs Ufer zu errcichcu im Stande waren, das uns gegen den rasenden Wind kaum zu ersteigen gelang. Es war schon Nacht, als wir, das Gesicht sorgfältig mit den Händen schützend, um einer Augcncntzündung zu entgehen, die bei solchen Gelegenheiten leicht cnstcht, in Staubwolken eingehüllt, bei unsern Zelten ankamen. Wir fanden sie bereits sämmtlich vom Sturm umgerissen, und Alles darin und daneben in dcr gräßlichsten Verwirrung. Dcr herbeieilende Koch erklärte, er könne kein Feuer brennend erhalten, und werde uns mehr Sand als Speisen vorsetzen muffen, da trotz dcr 266 Bedeckung alle Schüsseln damit angefüllt wären. Es war ein unangenehmer Zufall, doch mit Geduld und Arbeit überwindet sich Alles, und da später der widerwärtige Khamsin cine halbe Stunde lang etwas nachließ, benutzten wir diese Zeit so gut, daß vermöge vieler additioncllcr Stricke die wieder aufgerichteten Zelte den übrigen Theil der Nacht allen Bemühungen des mit erneuter Wuth zurückgekehrten Sturmes glücklich widerstanden. Freilich mußten wir uns in Betten zur Nuh legen, die fingerdick mit Staub angefüllt waren, nnd selbst den größten Theil des folgenden Tages in erstickender Hitze so verweilen, da das Wetter fortwährend dasselbe blieb; eine kleine Geduldsprobe, die uns einen Vorschmack von dem gab, was uns ohne Zweifel später noch öfter und peinlicher begegnen wird. Erst am Abend des dritten Tages konnten wir abreisen, nachdem wir vorher die Barken hatten reinigen und ins Wasser versenken lassen, um dadurch alles Ungeziefer, und namentlich die Ratten zu todten, die so groß wie junge Katzen waren nnd deren einige dreißig bei dieser Gelegenheit gefangen oder erstickt wurden. Während man dieses Experiment 2tt? vornahm, machte ich Philä noch einen zweiten Vc-such, und ließ mich von da auf die gegenüber liegende, etwas größere Insel Bithi« übersetzen, wo sich, wie erwähnt, ebenfalls die Reste eines antiken Tempels nebst dem Torso einer kolossalen Gram't-statuc befinden. Ich werde bei meiner Rückkehr, wo ich mich langcr, nud hoffentlich bei günstigerer Witterung, in Philä aufzuhalten gedenke, diese Gegenstände weiter besprechen. Der Schreckenstempel von Jerf Huffein. Korosko. Der Nil nimmt nun immer mehr einen von dem bisherigen sehr vcrschicdnen Charakter an, der jedoch bald eben so einförmig wird, als der frühere. Während er in Uutcrägyptcn durch ewig flache grüne User, fruchtbare Ebnen nnd weit hingcdchnte Palmenhaine stießt, in Obcrägpptcn meistens in einem zwar gleich fruchtbaren, aber schon weit engeren Thalc strömt, das rechts und links die niedrigen Ketten des lpbischcn und arabischen Gcbürges begrenzen, ist er jetzt, im schmalstcn Bette, andauernd von schwarzen, chaotisch über einander gcworfnen Felsen eingeschlossen, die aus lauter einzelnen, von den Fluchen aufgcthürmten Blöcken zu bestehen scheinen, und an deren Saume nur selten hinläng- 2«9 lichcr Naum für einige Cultur und Palmcngruppcn übrig bleibt. Gewöhnlich erblickt man dann zwischen diesen ärmliche Dörfer mit schwarzen nackten Gestalten, die wenig Theilnahme an dem zeigen, was um sie her vorgeht; oder man wird in der Oede durch die kolossalen Trümmer antiker Tempel überrascht, die in ungestörter Einsamkeit ihre dunklen Säulen gegen den blauen Himmel abzeichnen, und durch ihre Menge verkünden, welch reges Treiben einst diese jetzt so verlassenen Ufer belebt haben muß. Da wir einen ziemlich günstigen Wind hatten, fuhr ich diesmal bei den meisten dieser Monumente ohne Aufenthalt vorüber, ihre nähere Besichtigung mir bei eincr andern Gelegenheit vorbehaltend, wo mich die Zeit weniger drängen wird. Am zweiten Abend unsrer Fahrt stieg ich zum erstenmale aus der Barke, um auf dem nahen Felsen eine Fernsicht der Umgegend zu gewinnen. Sie war nicht sehr belohnend, nichts als ein wogendes einförmiges Stcinmccr, Hügel an Hügel endlos gereiht, die der Fluß in weiten Bögen durchströmt. Als wir den höchsten Punkt erreicht hatten, jagten wir dort eine junge Hyäne aus ihrem Lager auf, die mit 27tt solcher Bestürzung entfloh, daß sic dadurch Suscnnus zu ihrer Verfolgung verleitete. Sie mochte sich aber bald umgedreht und ihm die Zähne gewiesen haben, deuu wir sahen ihn nach kurzer Zeit mit eingezogucm Schweife noch schneller zurückkehren, als er ausgelaufen war. Sehr verdrießlich, kein Gewehr bei unS gehabt zu haben, nahmen wir uns vor,'uns dieser Nachläßigkcit künftig nicht wieder schuldig zu machen, haben aber leider keiner Hyäne mehr so schußgcrecht begegnet. Am dritten Tage fiel der Wind, und ich ließ mich dahcr bcim Dorfe Kalabsche ans Land setzen, um die dort befindlichen Tempel zu besehen. Der erstc liegt dicht am Nil und ist von bedeutender Größe, doch zeigt der erste Blick, daß man kein Werk der Pharaonen vor sich habe. Er ist aus römischer Zeit. Dennoch sind in dieser Epoche des Verfalls ägyptischer Kunst die Hieroglyphen — von denen cm Theil, der nicht fertig geworden, nur mit Nöthel oder schwarz auf der Mauer vorgczcichnct ist — und noch mehr die Ana-glpphcn mit vieler Sorgfalt aus vertieftem Raume erhaben ausgeführt,, auch ihre Farben meistens gut erhalten. Die opfernden Könige sind durchgängig 271 rochbraun, die Götter blau, grün oder lila gefärbt. Ich bemerkte cincn Priester im laugen, violet und weiß gesprenkeltem Gewände, mit einer Art Inful in der Hand uud der spitzen Priestermützc auf dem Haupte, der einem katholischen Bischof unsrer Zeit vollkommen glich. Der Tempel, deffcn sämmtliche Maaße Herr von Prokcsch und Andere auf das Genaueste angeben, wcsthalb ich sie hicr nicht abschreiben will, hat eine grandiose Auffahrt vom Fluß aus, die durch halb eingestürzte Pylonen, deren noch crhaltner Theil so schief wie der Thurm von Pisa steht, in einen Vorhof voller Trümmer führt. Von den Säulen, die ihn umgaben, ist nur noch cine einzige aufrecht; die Facade des Tempels von vier Säulen und zwci Eckpfeilern getragen, welche durch Halbmauern verbunden sind, hat sich aber besser erhalten, und die Capitale mit Lotos, Palmzwcigen, Ncbcnlaub und Trauben geziert, machen einen reichen Effekt. Durch ein Thor, über dem die geflügelte Kugel, von einer gekrönten Schlange umwunden, noch unversehrt prangt, tritt man in den ersten Saal, dem noch drei andere folgen, alle mit unzähligen bunten Bildern ange- 2?2 füllt. Kleinere Zimmer für Priester odcr heilige Thiere sind daneben angebracht, so wie schmale Treppen, auf denen man die Platform des Tempels erreicht, welche wie gewöhnlich aus langen horizontal liegenden Blöcken besteht. Einige Palmen, welche den Tempel und das daneben liegende Dorf umgeben, erheitern nebst den daran gränzenden grünen Durrafeldern ein wenig den Anblick der öden Felsgegend, die sich in trauriger Monotonie rund umher ausbreitet. Man sieht von hier, daß den Haupttcmpcl noch mehrere Höfe, Mauern und Gebäude mngabcn, deren Ausdehnung nach allen Seiten einen großen Naum einnimmt, obgleich die Dimensionen des Tempels selbst keineswegs so kolossal sind, noch sein Anblick so imposant, als einige neuere Reisende angeben. Das Ganze ist übrigens nie fertig geworden, und nur auf der Hinterwand befinden sich von außen Sculpture,!, acht hohe Götter- und Königsgcstaltcn, vou denen Herr von Prolcsch anführt, daß einige der Götter lange Schwerter trügen. Dies ist aber ein Irrthum, und ich habe mich sehr genau überzeugt, daß das, was er allein dafür angesehen haben wnn, nur ein von 273 ihren Gürteln herabhängendes breites Band, von allerdings sonderbar steifer Zeichnung ist. Ich glaube nicht, daß je irgendwo cine ägyptische Gottheit mit einem Schwerte angethan nachzuweisen seyn möchte. Weit anziehender als diese Massen ohne Kunst-werth ist cm Spcos (lleincr in den Felsen cinge-haucncr Tempel), dcr sich eine Viertelstunde nördlich von hier tiefer im Lande befindet, und die Ningc des Scsostris trägt. Dcr einzige Saal wird nur von zwei ans dem Felsen selbst herausgearbeiteten, kurzen stach cannclirtcn Säulen getragen, deren gleichen man nur ,'n den ältesten Bauten Aegyptcns und Nnbicns findet, und die vielleicht das erste Vorbild des späteren dorischen' Styles gewesen sind. Die Hieroglyphen auf den Säulen wie an der Decke sind nnr gemalt, und die sitzenden Figuren in den Nischen gänzlich verstümmelt. Die schönsten Eculplurarbeiten aber schmücken die Felswände des sonst gan; einfachen Vorhofcs. Sie stellen auf der einen Seite Kämpfe und Siege des ägyptischen Königs dar, auf dcr andern lange Züge ihm Opfer und Geschenke darbringender unterjochter Nationen. Auch hicr ersparen mir und dem Leser sehr dctaillinc Mchcmcd «ll's Rciä', II. 16 274 Berichte neuerer Reisenden eine ausführliche Beschreibung. Nur auf zwci seltsame Irrthümer muß ich aufmerksam machen, in die der gehaltreichste jener angczogucn Neiscbcschrciber verfallen ist. Er behauptet nämlich, daß auf einem der Ccnlpturbildcr Scsostris auf einem Streitwagen stehe, dcr aussallcn-derweisc nur mit ei n cm Pferde bespannt sey, welches sich an dcr linken Seite dcr Deichsel befinde. Dcr sonst so sorgfältige Beobachter bemerkte aber nicht, daß das angebliche eine Pferd acht Füße zeigt, eine Silhouetten-artige Weise, mit der das Rosse-gcspann an den Streitwagen sehr häusig von den Acgyptiern dargestellt wird, und wobei ohne Zweifel suvvonirt wurde, daß das eine Pferd das andere dem Beschauer gänzlich decke, und man es daher nur durch seine vorgreifenden Beine andeutete. Die zweite unrichtige Beobachtung betrifft das Einhorn, welches in einer Ncihc vieler Thiere, die dem auf seinem Throne sitzenden Nhamscs zugcfnhrt werden, sich befinden soll, woraus dcr Autor sogar den Sckluß zieht, daß das Einhorn fein fabelhaftes Thier sey. Ich bin nun zwar, was dies letztere betrifft, ganz seiner Mcinnug; wenn wir aber keinen 275 bcsscrcn Vcweis dafür aufzufinden vermögen, als die hiesige Abbildung darbietet, so werden wir nicht viel Proselyten damit machen. Der Irrthum ist wieder dcr nämliche wie bei dem Pferde: das eine Horn dcr Antilope deckt das andere, welches daraus unwidcrsprechlich hervorgeht, daß besagtes Horn nicht auf der Mitte der Stirn, sondern dicht am Ohre sitzt .Alle diese Thiere sind übrigens vortrefflich vom Künstler charakterisirt, und man kann z. V. keine treuere Darstellung einer Giraffe sehen, als sie sich hier vorfindet. Die Kopten haben auch auf dieses Monument ihre Heiligen gepinselt, und wie an andern Orten sind auch hier die alten Götter des Landes wieder unversehrt durchgcdrungcn, wo man sie nicht gewaltsam ausgemeißelt hat. Mehrere Spuren im nahen Thal verrathen, daß einst hier eine ansehnliche Stadt gestanden haben müsse, man glaubt das alte Talmis, oder vielleicht ein befestigtes römisches Lager, wie mir aus dcr Konstruktion wahrscheinlicher ist. Wir stiegen hinab und durchschritten das nahe Dörfcheu, dessen Einwohner meistens ganz nackt gingen, und auch ohne alle Vedeckuug des Kopfes waren, den jedoch bei 18 -' 27« ihnen lange, wild umher flatternde schwarze Haare, besser als bei den geschornen Barabra's in Philä gegen die Sonne schützten. Im Uebrigcn schienen diese Leute bequemer zu wohnen und wohlhabender zu seyn als die ägyptischen Fellah's, waren auch weit weniger zudringlich, uns ein Vackschis abzufordern. Vor ihren Gärten standen mannshohe irdene Kruge, die wir meistens mit Durra oder auch getrockneten Datteln angefüllt fanden, nnd dem Anschein nach war es jedem Vorübergehenden vergönnt, sich durch ihren Inhalt zn erfrischen, so oft er Lust dazu hatte. Wenigstens bedienten sich unsre Matrosen dieser Freiheit auf ziemlich indiskrete Weise. Als wir abfuhren, bot sich uns noch cm originelles Genrebild dieser Bevölkerung dar. In einem Saki am Ufer hatten sich sechs solcher paradiesischer Gestalten, alle in den ihnen so natürlichen malerischen Stellungen an die Pfosten des Saki angelehnt, von wo sie unser Vorbeifahren betrachteten, und so symmetrisch waren sie im Kreise über einander um das sich drehende Rad «» mednillon grupftirt, daß man kein graziöseres lokales Ncgerkabinetstück hätte ersinnen können. Es fehlte uns nur der Maler, um es auf der Leinwand zu verewigen. 277 Den 6ten April. Anhaltend contraircr Wind macht unsere Fahrt sehr langwierig. Manches Unangenehme gesellt sich dazu. Wanzen, Spinnen, Kakerlaks, Flöhe und Kleiderläuse wird man hier zuletzt gewohnt als unvermeidliche Hausthicrc, aber die Qual der Myriaden von Fliegen, die den ganzen Tag über keinen Augenblick Ruhe geben, wird fast unerträglich. Die Hitze macht mich wenig lcideck, obgleich wir uns nun bereits in der Amm toi-li<^ befinden, denn am 4tcn Nachmittags passirtcn wir, von romantisch geformten Felsen eingeschlossen, den Wcndceirkcl des Krebses. Die Idee der Mckgä'ngigkcit dieses Schal-thicrcs erregte mir Heimweh, denn ich gedachte dabei in vieler Hinsicht meines geliebten Vaterlandes. ') Leider behalt auch der Wind stets die analoge Richtung und bläst fortwährend nach rückwärts, wonach wir wie billig den Mantel hängen, aber mit den Segeln läßt sich nicht dasselbe thun, und wir avan- !) Man vergesse nicht, baß dies uor mehreren Jahren geschrieben wurde. Seitdem spricht man ja viel mehr von Folt» schritt in aUcn Gauen Deutschlands, 278 circn daher kaun: einige Stunden täglich. Der Fluß ist so einsam wie der größte Theil der Umgegend. Die erste Barke, der wir seit mehreren Tagcn begegneten, war die dreier Franzosen, welche kurz vor uns Kahira verlassen hatten, und bei Ipsambul umgekehrt waren, weil sie das Ungemach und die Beschwerlichkeiten der Reise nicht länger ertragen konnten. Einer von ihnen war sogar verrückt davon geworden, und hatte schon früher unter der Obhut eines treuen Di-.i,o-6 den Finger an den Mund lc^t, «icht ^ril cs schweigcu will, scnon'n weil es lwch r.lcht splcchcii t^i.n, S. Lcpsiuö.) 28« Art, dessen Zweck nicht recht klar wird, das aber nach dem Inhalt einiger kurzen Inschriften auf seinen Wänden scit dcm entferntesten Alterthum im Nufc der Heiligkeit gestanden zu haben scheint, und vielleicht den Bau dcs eleganten Tempels an dieser Stelle allein motivirtc, denn in jeder andern Hinsicht kann man sich keinen traurigern und reizloseren Ort denken. Ungleich interessanter war die Excursion dcs folgenden Tages, obgleich das seichte Wasser, wegen dessen wir eine gute halbe Stunde unter dem Tempel von Icrf-Hussein, auch el Scbna genannt, landen mußten, uns nicht erlaubte, in der verschütteten Sphpnrallcc hinanzusteigen, sondern zu einer äußerst peniblen tropischen Promenade rückwärts zwang, fortwährend durch den Sand bis an die Knöchel watend. Wir stießen während derselben zum erstenmale auf eine kleine viehtreibendc Caravane, und auch mehrere nackte Einwohner des nahen Dorfes gesellten sich zn uns. Als wir uns dcm Tempel Näherten, kamen noch zehn bis zwölf andere Leute hinzu, große athletisch gebaute Menschen, dic zum Theil Aertc über die Schulter gehangen trugen, und 28! große Stücke grober Taue in der Hand hicltcn, deren Zweck wir zuerst nicht begriffen, welche sie aber später anzündeten, um uns in den dunklen Fclsengcmächcrn vorzulcuchtcn. Wir waren unbe-waffnct, nur vier Personen, einen nnsrcr Matrosen mit inbcgriffen, und folglich der Diskretion dieser Menschen an dem abgelegenen Orte ganz überlassen, aber so weit Mehcmcd Ali's Scepter reicht, ist der Schrecken seines Namens die sicherste Acgide, und der Fremde jetzt mitten unter diesen Wilden in der tropischen Einöde, bei Tag wie bei Nacht, sicherer als in den Straßen unsrer volkreichsten Hauptstädte. Der Fclscntcmpcl von Icrf-Hussein ist mir als einer der merkwürdigsten im ägyptischen Reiche vorgekommen, da ich nach der Belehrung des Augenscheins überzeugt bin, daß er, trotz der Ningc des dritten Nhamscs oder Sesostris, die man anf den Kolossen des Vorbaues und auf den zerstörten Sphynrcn und Statuen sindct, welche die von der Flußseitc hinansteigcnde großartige Treppe zierten, doch einer ungleich älteren Epoche angehört, und vielleicht tausend Jahre vor Rhamses schon cristirte. Es scheint 282 unmöglich, daß cm und dieselbe Zeit Werke von so heterogener Natur, als die Monumente von Theben und den: nahen Ipsambul mit diesem Tempel darbieten, hätte hervorbringen können — dort, an beiden Orten, die Vollendung höchster Kunst, hier nur ihr plumper, noch unbeholfner, aber bereits alle Elemente düstrer Großartigkeit in sich enthaltender Anfang. Nliamses - Scsostris mag vielleicht die Treppe, selbst den Vorbau, und im Innern einige Sculpturen hinzugefügt, vielleicht auch das Ganzc neu ausgebessert haben, aber der Hauptbau bestand gewiß lange vor ihm. Es wäre auch in der That seltsam, wenn man durchaus gar keine Spuren dieser alteren Architektur in Acgypten und Nubicn mehr antreffen sollte, welche doch einer so unendlich hohen Ausbildung, wie Theben zeigt, nothwendig um Jahrtausende vorhergegangen seyn muß! Es scheint allerdings, daß zu irgend einer Zeit, entweder dnrch den Einfall der Hirtenvölker (ll)k«<>5) herbeigeführt, oderauch absichtlich von den späteren Machthabern selbst angeordnet, eine allgemeine Zerstörung dieser unvollkommenen alten Werke stattgefunden hat. Vielleicht wollten später die Aegyptier 283 selbst ihre unvollkommenen Anfänge sämmtlich vertilgen, um sich der staunenden Nachwelt nur vollendet, wie Minerva gleich fertig aus des Gottes Haupt gesprungen, zu zeigen. Doch verdiente dann der erhabne, schauervolle Ernst des Tempels von Ierf-Hufsein gewiß eine Ausnahme, und ward entweder deshalb verschont, oder er eutging, wenn man die Hypothese der Zerstörung durch fremde Eroberer lieber will, dieser letztem durch Zufall. Die Hyksos kamen überdies schwerlich iu der Epoche ihrer Eroberung dc>i Nil so weit hinauf. Der änsterlich angebaute Vorhof mit Säulen und kolossalen Karyatiden, welche Priester darstellen, ist größcentheils verfallen, der in den Felsen gehauene eigentliche Tempel aber iu seinen Massen fast ganz erhalten, obgleich Feuer, das lange darin gebrannt haben muß, die Sculpture«: der Wände ganz undeutlich gemacht, und alles mit ein uud derselben schwarzen Farbe überzogen hat, ein Umstand, der jedoch die unheimliche, ja wirklich fast furchtbare Wirkung des Ganzen jetzt nur noch erhöht. Durch eine hohe Pforte, welche die Mitte einer glatt polirten Felscnwand einnimmt, tritt mau in 284 den crstcn Saal, dcr von sechs gewaltigen, an 30 Fltß hohen Kolossen getragen wird, dic sich an schwere viereckige Pfeiler lehnen. Dcr Gang, den diese Riesen einfassen, ist nicht breiter als die Thüre, so daß man, beim Hindnrchschrcitcn sie fast berührend, von ihrer erdrückenden Nähe beängstigt, nnd von dem tiefen Eindruck ihres drohenden, starren Blickes betroffen, sich eines Gefühls, das dem Entsetzen vor Gespenstern gleicht, kaum erwehren kann. Die schwarze Nacht umher, die nur wie glühende Kohlen glimmenden Taue, ihr betäubender Dampf nnd die wilden Negergestaltcn, die noch nicht das Knie der Riesen erreichten, standen überdies im besten Einklang mit allen eigenthümlichen Schauern dieses gc-hcimnißvollcn Tempels. Hinter den erwähnten Pfeilern führt ein etwas breiterer Gang längs den Wänden des Saals rnnd umher. In diesen Wänden befinden sich, immer den Zwischcnränmcn dcr Pfeiler gegenüber, tiefe Nischen, deren jcdc grobgcarbcitete, aber höchst ausdrucksvolle Figuren, etwas über Lebensgröße, enthält, gewöhnlich zwei Männer, uud an ihrer linken Seite eine Frau. Sie sind nicht wie die Figuren der 285 übrigen Wandsculpturcn im Prosit dargestellt, sondern schauen mit vollen: Antlitz den Wanderer an, oft mit gräßlichen, zornerfüllten Ziigcn, denen das von Rauchwolken mngcbenc Licht, wenn es einen Augenblick aufflackerte, ein wirkliches Leben zu verleihen schien. Eins meiner Neisebüchcr giebt an, daß ihre Farbe rothbraun, nicht schwarz sey, wie einige Besucher irrthümlich geglaubt hätten. Ich habe nach sorgfältiger Untersuchung dies nicht bestätigt sindcu können, bei den meisten schien mir die ursprüngliche Farbe grü'n, nur die wenigsten zeigten Spuren der ägyptischen rothbrauncn Hautfarbe, einige waren aber bestimmt schwarz, und auch durch ihre Züge als Neger erkenntlich, eine Mischung der Nationen, wie wir sie später immer häusiger antrafen, und welche hinlänglich den in ältester Zeit bestehenden engen Verkehr und hänsigc Vereinigung zwischen den äthiopischen und ägyptischen Völkern darthut. Mit Nuß dick überzogen sind indeß fast alle Figuren dieses Tempels, nur an den Gürteln der Priester oder Köm'gskoloffc hat sich noch einiges Vlcm und Noth in seiner alten Frische erhalten. Der Styl der Seulpturcn an Wänden und Pfeilern, 28ft so viel man davon noch deutlich unterscheiden kaun, scheint schr verschieden, und mehrere derselben, die von weit besserer Ausführuug sind, halte ich deshalb für neuer, d. l). nur über 3000 Jahr alt, und von Rhamses den übrigen hinzugefügt. Der zweite, weniger geschmückte, Saal ohne Statue, eommunicirt mit fünf andern Gemächern, wovon das mittclstc und größte, dem Eingang gegenüber stehende, das Allcrheiligste enthielt. Hier sitzen in einer Nische, welche fast die ganze Hohe der Wand einnimmt, vier kolossalere Figuren als die der Seitennischen, wovon die letzte zur linken Hand eine junge Frau von schlankem Wüchse darstellt, deren Arm zärtlich um ihren Nachbar geschlungen ist. Wahrscheinlich ist dies das hier begrabue Kömgspaar, oder das der Erbauer, die anderen, obenan sitzenden Figuren sind Götter, und zeigen die Attribute des- Ammon-Na nnd Osiris. Auch diese Fignren sind nur plump und furchlbar, wiewohl immer voll Charakter, und dabei auch ziemlich gut erhaltcu. Eine sonderbare Eigenthum! ichleit derselben ist es, daß alle vier das wldcvliche Ansehen gcschwollucr Vciuc und Füße darbieten. Sie hatten 287 für uns, selbst in der Farbe, etwas Molch- und Kröten-artiges, und man konnte nicht lange vor ihnen stehen, ohne an irgend einen Gott Moloch und ihm einst hier geschlachtete Menschenopfer zu denken, wozu man gewiß kein passenderes Schrcckens-lokal irgendwo auffinden könnte. Die übrigen vier Gemächer sind so von der Feucrsbrunst zerstört, daß ganze Stücke des Felsens dadurch von dcr Decke abgelöst worden und auf den Voden gestürzt sind; von den Eculpturcn dcr Wände konnlc man hier durchaus nichts mehr erkennen, und Hunderte von Fledermäusen, die in den grausigen Näumen umherschwirrten, verlöschten überdies mehr als einmal unsre aus Tauen gedrehte Fackeln. Vier Piaster (cm Frank) waren hinlänglich, das Dutzend unsrer Führer zu ihrer größten Zufriedenheit zu bezahlen, aber ehe sie sich über die Ver-thcilung dieses Schatzes unter sich verständigen konnten, dauerte es länger als wir Lust hatten abzuwarten. Noch fünf Minuten nach unsrer Entfernung hörten wir ihr Zankgeschrei, und sahen sie durch unsre Perspektive vor des Tempels schwarzer Pforte, wie Affen gestikulircnd, umherspringen. 288 Das wenige fruchtbare Land, welches die Steine an den Ufern des Flusses übrig lassen, fanden wir auf das Beste cultivirt, und durch ungcmein hohe Saki's von zwei Etagen bewässert, deren Instandsetzung sehr kostspielig gewesen soyn muß. Auch erhielten wir hier vortreffliche Kuhmilch nnd saftige frische Bohnen, eine schätzbare Zngabe für unsere Tafel, die jetzt sehr dürftig beschaffen ist und meistens auf magre Hühner, Schöpsenfleisch und Linsen allein beschränkt bleibt, zu denen wir in Wasser aufgeweichten Zwieback genießen muffen, weil das von Affnan mitgenommene Brod schon längst vertrocknet und verschimmelt ist. In den hiesigen Gegenden aber kennt man kein Brod, und die nur von einem Straußenmagen zu verdauenden Durra-galctten der Einwohner können uns seinen Mangel nicht ersetzen. Keiner unsrer 24 Matrosen ist zum Fischen zu bringen, noch sahen wir je eine Vorrichtung dazu, noch werden irgendwo Fische zum Verkaufe gebracht, obgleich der Nil die vortrefflichsten in größter Menge liefert. Sie scheinen abcr hier eben so wenig für eßbar zu gelten, als bei uns Wasserratten und Schlangen. Nicht ohne einige 289 Besorgniß berühre ich dieses Capitel. Es ist bekannt, wie oft schon die vaterländischen Lriliker mir meine Taftlrcminisccnzen vorgeworfen haben; nun aber kam in Kahira sogar ein Blatt des Courier fl-lillclu» in meine Hände, worin auch ein französischer Recensent, der vielleicht irgendwo in Paris im fnnften Stocke Hnnger leidet, seine Galle wegen desselben Gegenstandes über den deutschen Touristen ausgießt, dcr zu seinem Verdruß immer möglichst gut und reichlich zu essen scheint, ja sogar dessen ungcscheut Erwähnung zu thun so frei ist. Ich gestehe, daß ich von den eßkünstlerischen Franzosen, die den Hlmauao 6es Koullnunl!« erfanden, in deren Literatur (wo nicht in dcr von ganz Europa ) die Kochbücher ohne Zweifel jetzt der klassischeste Theil sind, und deren Köche selbst man mit ihrem Ruhme über alle fünf Weltthcile der Erde verbreitet sieht — einen solchen Angriff am wenigsten erwartet hätte! Wie aber diese liebenswürdige Nation Alles mit Grazie zu thun weiß, so hat auch das erwähnte, ihr angehörige Individuum seine Scherze so drollig anzubringen gewußt, daß mau ihm unmöglich gram deßhalb werden mag, Manned AU'ö Ntich, II. 19 29a und mancher ehrliche Deutsche kann sich sogar cm sehr nützliches Beispiel an des Franzosen Gewandtheit nehmen. So vereinigte dieser Critiler z. B. aus cinem Buche von fünf Theilen, das einen Zeitraum von zwei Jahren umfaßt, alle Stellen, wo der Autor vom Essen spricht, zu einer fortlaufenden Serie gastronomischer Notitzcn, wodurch es allerdings für Jeden, der das rcccnsirtc Buch nicht kennt, den Anschein gewinnen muß, als sey der Nciscndc nur der cnmmi» vu)ll^eur irgend eines der industriellsten europäischen Restaurateurs, der seinem Beruft getreu nichts als Eßbares in den Kreis seiner Beobachtungen aufnehmen darf — und ich, der Verfasser selbst, muß gestehen, daß ich bei der burlesken Zusammenstellung dieser langen Liste mich des herzlichsten Lachens nicht erwehren konnte. Dieser junge französische Recensent (denn daß er noch jung ist, Verräth Vieles) befindet sich also auf cinem sehr guten Wege, und von Herzen wünsche ich seiner Feder hinlänglichen Erfolg, um ihn künftig in den Stand zu setzen, täglich im <^afe cle karis ein so gutes vmö einzunehmen als mir je zu schildern Gelegenheit ward. Deutsche Recensenten bedienen 29l sich oft eines andern Kunstgriffs, nämlich sie erfinden selbst Dinge, dic gar nicht im Vuchc stehen, oder entstellen sie wenigstens im Auszüge so, baß sic nur ihnen und nicht mehr dem Autor angehören, wobei es ihnen denn natürlich leicht wird, sie so einzurichten, daß sie auch dem magersten Witze noch einen erfreulichen Spielraum gewähren. Dies Recept ist wenigstens probat in seiner Wirkung auf alle diejenigen, welche das Werk, das man lächerlich zu machen sucht, nicht gelesen haben, und selbst von denen, die cs gelesen, erinnern sich oft Wenige so genau des Inhalts, um nicht auf Treu und Glauben anzunehmen, daß die gerügten Absurditäten wirklich darin vorkommen, und sie wundern sich vielleicht nur, dieselben früher so gänzlich übersehen zu haoen. Doch werde ich trotz aller Anfechtungen dieser Art cine Gewohnheit nicht ganz verlassen, in der ich große Vorgänger habe. Es erfrischt die Constitution des Lesers, wenn man zuweilen mit ihm vom Essen spricht, und ich selbst habe dies bei der Lcetüre englischer Romane oft empfunden. Einmal erhielt ich sogar einen anonymen Brief, worin mir eine Ponnnersche Hausfrau (der Poststempel verrieth mir 19" 292 ihr Vaterland) den innigsten Dank für eine neue Anweisung Kartoffeln zuzubereiten sagte, und mir als Gegengeschenk zwei andere vortreffliche culi-narischc Vorschriften, nebst einer selbst geräucherten Gans, zusandte, während derselbe Posttag mir den Brief einer jüngeren Berliner Dame brachte, dic mich zu einem bessern Christenthum bekehren wollte, als ihr das mcinige vorkam. Solche Trophäen sind des Autors Stolz, und ich darf ihre Quelle auf keiner Seite ganz versiegen laffcn. Den «ten April. Endlich haben wir günstigen Wind bekommen, der uns in einem Tage so weit brachte, als wir bisher in einer ganzen Woche gekommen waren. Aber in meiner kleinen Barke mußte dabei alles wohl versichert werden, da der Wind sie bald auf die linke, bald auf die rechte Seite so tief niederdrückte, daß sie mehrmals Wasser schöpfte, und in meiner Cajütc, wie bei einem Sturm auf dem Meere, alles umgeworfen wurde, was nicht unverrückbar festgestellt war. Nicht eher als bis der ___293 Inhalt cincs Tintenfasses über mich ausgeleert worden war, lernte ich diese neue Einrichtung hinlänglich treffen. Die Tempeljagd mußte nun eingestellt werden, und wir fuhren ohne Bedauern an mehreren vorüber, da sie sämmtlich für den Rückweg aufgespart bleiben; es sind deren übrigens eine so große Zahl, daß man fast froh ist, ihren Besuch in zwei vcr-schicdne Epochen theilen zu können. Gegen Abend erreichten wir das ansehnliche Dorf Korusko, ein Hauptstapclplatz am Nil, von wo die Caravanen direkt durch die Wüste in vierzehn Tagen nach Berber gchen, und dadurch den Flußweg um das Dreifache abkürzen. Die Ncisc ist aber wegen Mangel an Wasser sehr beschwerlich. Wir blieben die Nacht in Korusko, dessen Umgegend ich am Morgen einige Stunden widmete. Die Landschaft wird hier ungleich pittoresker, und ich will sie daher, um eine» anschaulichen Begriff von einer ächt nubischen Gegend zu geben, etwas näher beschreiben. Um sie selbst besser zu überschauen, erstieg ich uicht ohne Mühe einen 1600 Fuß hohen, sehr steilen Fclsenbcrg, auf dessen spitzem Gipfel ich eine kleine Platform, so glatt geebnet wie zum Heren- 204 tanze, antraf. Hier ließ ich mich nieder, und untersuchte mit meinem Glase den weiten Horizont. In Süd und Südost breitete sich, so weit die Sehkraft reichte, die geheimnißvolle, wunderbar anzuschauende Wüste von Korusko aus. Diese bietet kein Gand-meer, sondern erscheint wie ein Gcbiirgc schwarzer und braunrothcr zcrrifsner Felsen in allen möglichen phantastischen Formen, mit weiten gleichfarbigen Thälern dazwischen, die wie mit dem Richtscheit geebnet sind. Alles muß hicr in der Urzeit von einem unermeßlichen vulkanischen Feuer geröstet worden styn. Noch sieht man das Ganze davon kohlschwarz gebrannt, und die Mineralogen finden in dieser Wüste die seltsamsten, sonst nirgends anzutreffenden Phänomene und Produkte, welche eine Erdrevolution zurückgelassen hat. Gewöhnlicher Wüstensand ist auf dieser Seite nirgends zu sehen, doch eben so wenig irgend eine Spur von Vegetation. Nur das schmale Nilufer, das man weithin gegen Nordost verfolgt, prangt mit den grünsten Feldern, und selbst die unmittelbaren steilen Flußwände, welche bei höhcrem Stande des Nils das Wasser bedeckt, sind jetzt bis unten hinab mit Erbsen 295 und Bohnen besät. Zuweilen erstrecken sich grüne Erdzungcn tiefer in die Felsen hinein, wo unter Palmen- und Akazicnwäldchen die Eingcbornen ihre friedlichen Hütten erbaut haben. Nach Süd-Westen hin deckt cine Hügelkette die Aussicht, gegen Norden aber bildet das Land jenseits des Flusses den vollkommensten Contrast zu der bisher betrachteten Gegend. Der Nil macht bei Korusko einen so gekrümmten Haken, daß cr von hier bis Hamada fast wieder nördlich weist, daher auch der bisher uns günstige Wind, obgleich er sich nicht veränderte, doch für uns nun zum contraircn geworden ist. Es geht uns, beiläufig gesagt, im Leben mit vielen Dingen und Personen eben so, wenn wir unbewußt dic Richtung verändern, und glauben, es sey von den Andern geschehen. Doch um auf meine Beschreibung zurückzukommen, so besteht also das ganze Dreieck, welches der Nil im Norden einschließt, aus lauter ockergelben Sandhügeln, deren oben heraustretende Felsenspitzen wiederum schwarz sind, und dieses dergestalt schwarz getupfte Gelb setzt sich, gleich einer Decke von Lcopardenhaut, ununterbrochen bis an den Horizont fort. Nur unmittelbar am Nil 2«»6 wird es durch einen cngcn Streifen dichter Mimosen begrenzt, die ihre wohlriechenden bunten Blüthen und feinen fcderartigen Blätter bis in das Wasser niederbeugen. Hier nnd auf dem nahen Sande soll sich eine unglaubliche Menge und Varietät von Käfern aufhalten, und ein Naturforscher, den ich später in Kartum antraf, behauptete, hier den ächten heiligen Käfer, den Hein^Iiaons «acer der alten Acgyptier gefunden zu haben, stahlgriin mit goldschimmcrndem Saum. Im Flusse selbst ragen viele Stcinklippcn hervor, deren Menge bei niedrigem Wasserstandc die ganze Fahrt von Philac bis Ouadi-Haifa an mehreren Orten unsicher macht. Wir fuhren einigemal auf ihnen auf, und die große Barke schöpft seitdem fortwährend Wasser. Auch die mcim'ge zerbrach bei cincr solchen Gelegenheit ihr Nudcr, das wir in Korusko wieder herstellten. Da man die Nacht unter solchen Umständen nicht wohl fahren kann, so wird unsre Reise dadurch noch mehr in der jetzigen Jahreszeit verlängert. Die Einwohner von Korusko brachten uns allerlei Waaren zum Verkauf, Schilde, Spieße, 297 Strchhütc, Kurbatsche aus dem Fell des Nilpferdes geschnitten, und Geschlechtsteile des Krokodils, die ungemein stark nach Moschus riechen, und stimuli-rende Eigenschaften besitzen sollen, weshalb sie die Einwohner sehr theuer halten. Einige boten uns auch ihre Weiber und Töchter an, deren Schönheit sie sehr rühmten, worin wir aber, nach Belehrung des Augenscheins, unmöglich mit ihnen übereinstimmen konnten. Die abscheuliche Mode, Gesicht und Haare fingerdick mit Fett zu überziehen, würde schon hinlänglich seyn, einen Europäer selbst von einer hiesigen Venus zurückzuschrecken. Nährend unsres Aufenthalts langten drei ganz mit Sklaven angefüllte Barken von Dongola hier an. Es ist dies schon die vierte Caravanc schwarzer Sklaven beiderlei Geschlechts, der wir seit Assuan begegnen, sonst nur den erwähnten Franzosen, welche die einzigen Touristen anf dem Nil waren. Nie konnten wir die Führer der Sklaven bewegen, nns unterwegs welche davon zu verlaufen. Der Grund liegt theils im Fanatismns dieser Leute, theils darin, daß diese Transporte grö'ßtcnthcils das Eigenthum größerer Speculantcn sind, zum Theil Europäer, welche die 298 Schwarzen auf ihre Rechnung nach Kahira kommen lassen, wo sic sic zu hohen Preisen anzubringen sicher smd. Die Führer durften daher unterwegs wahrscheinlich nicht mehr darüber disponiren. Wir fanden diese armen Wesen fast immer heiter, oft ausgelassen, und man sah ihnen keinen Mangel an. Auch schien die Behandlung, welche ihnen zu Theil ward, durchaus nicht grausam, nicht einmal streng, etwas schlimmer mag indeß ihr Loos seyn, wenn sie durch den brennenden Sand der Wüste zu Fuß reisen müssen. Apsambul. Dcn 10. April, Wir sahen uns genöthigt, wieder zum Ziehen der Barke durch Menschen, und zum nothwendigen Pressen der Eingcbornen zu diesem Dienst unsre Zuflucht zu nehmen, womit man freilich nicht schnell vorwärts kommt. Auch entwischten häusig die Gepreßten unserm Kawaß, wüs langen neuen Aufenthalt verursachte. So erreichten wir erst spät nach Mittag den Tempel von Hämada, der von geringem Umfang, aber größter Schönheit aller Details, und aus der besten Zeit der Pharaonen ist. Schade, daß der Sand der Wüste ihn so tief verschüttet hat, daß man bequem vom Vodcn auf sein Dach steigen kann, das hier aus doppelten über einander liegenden Steinblöcken, jeder von zwei Fuß Dicke, besteht. 3Ntt In der Mitte dieser soliden Decke haben dic Kopten, Welche den Tempel eine Zeitlang als Kirche benutzten, ein weites Loch gebrochen, um eine Art wcißgctünchtcr Kuppel aus Erdzicgcln darauf zu stülpen, die einem Taubcnhause gleicht, wie die meisten dieser Arbeiten aber schon wieder zur Hälfte eingefallen ist. Man bemerkt in diesem Tempel, dessen Inneres (in das man durch ein enges Loch kriechen muß) weniger mit Sand angefüllt ist, als es die äußere Vcrschüttung erwarten läßt, ähnliche cannelirtc Säulen ohne Capital mit bloßer Deckplatte, wie in bcm Speos zu Kalabschc, und findet nur die Nmge ältester Pharaonen darin, vom Geschlechte Thotmoses des Dritten, der für den König Möris des Hcrodot gehalten wird, Ammenopht's des Zweiten, und einiger andern. Mit Champollion's Tafel in der Hand ist es jetzt Jedem leicht geworden, der sich nur die Mühe der Vcrglcichung geben will, die meisten dieser Ringe zu erkennen, frühere Reisende hatten es nicht so bequem. Die vortrefflichen Sculpturcn der inneren Gemächer dieses kleinen Tempels, der dem Gott Phre, wenn ich mich recht erinnere, gewidmet war, so wie die Frische der Farben, sind von seltener 300 In der Mitte dieser soliden Decke haben die Kopten, welche den Tempel eine Zeitlang als Kirche benutzten, ein weites Loch gebrochen, um eine Art wcißgctünchtcr Kuppel aus Erdzicgeln darauf zu stülpen, die einem Taubcnhause gleicht, wie die meisten dieser Arbeiten aber schon wieder zur Hälfte eingefallen ist. Man bemerkt in diesem Tempel, dessen Inneres (in das man durch ein enges Loch kriechen muß) weniger mit Sand angefüllt ist, als es die äußere Vcrschüttung erwarten läßt, ähnliche eannelirte Säulen ohne Capital mit bloßer Deckplatte, wie in dem Speos zu Kalabsche, und findet nur die Ninge ältester Pl)a-raoncn darin, vom Geschlechte Thotmoscs des Dritten, der für den König Möris des Herodot gehalten wird, Ammenopht's des Zweiten, und einiger andern. Mit Champollion's Tafel in der Hand ist es jetzt Jedem leicht geworden, der sich nur die Mühe der Vcrglcichung geben will, die meisten dieser Ringe zu erkennen, frühere Reisende hatten es nicht so bequem. Die vortrefflichen Sculpturcn der inneren Gemächer dieses kleinen Tempels, der dem Gott Phre, wenn ich mich recht erinnere, gewidmet war, so wie die Frische der Farben, sind von seltener 301 Erhaltung, wozu cs viel beigetragen haben mag, daß jedes Gemach von den Kopten sorgfältig mit Mörtel bcworfen und überweißt worden war. Unter den Bildern bemerkte ich häufig einen Vogel, eine Art Drossel, die ich auch lebend hier schon hattc umherfliegen sehen; dieser Vogel war mit einer solchen Genauigkeit der Natur nachgeahmt, daß er in Büffon's Werke hätte aufgenommen werden können. Er zeigte sich in den verschiedensten Attitüden, und in einem der Bilder saß cr auf cinem todten Thiere, das ganz der seitdem in Neuholland aufgefundenen Amphibie mit dem Entcnschnabcl (Orni-thorhynchos) glich. Sollte dieses Schnabclthier sonst auch in Acgppten eristirt haben? Wieder sieht man hier rothe und schwarze Fürsten, unter andern eine schwarze Königin mit cinem rothbrauncn König, die ein Bündniß mit einander zu schließen scheinen; so wie neben ihnen die vollständigsten Sammlungen aller Landesprodukte, Vasen, Mcubeln, Eßwaarcn und Effekten. In keinem Tempel Aegpptcns sah ich bisher eine so große Mannichsaltigkcit der Gegenstände auf einem so geringen Raume dargestellt. Der Sand um dem Tempel war so glühend heiß, 302 daß man sich fast die Stiefel daran verbrannte, und dcn Fuß nicht lange ohne Schmer; an ein und demselben Flecke ruhen lassen konnte. Man begreift, wic cm solcher Sand Stranßcncicr ansbrütcn mag, und ich bezweifle nicht, daß man auch Hühnereier darin in einer Viertelstunde gar kochen könnte. Wir blieben die Nacht in Docrr, einem sehr ansehnlichen, reinlichen, mit schönen Fluren und cinem weithin gedehnten Palmcnwalde nmgcbnen Orte, der ehemaligen Hauptstadt des Landeo und dem Sitze seines Souveraius, der auch jetzt noch, nachdem er seine Unabhängigkeit verloren, als Kascheff des Viccköm'go hier rcsidirt. Mehcmcd Ali hat diese sanfte Politik an mehreren Orten befolgt, und die alten Landcsfürstcn ihr Gouvernement als seine Beamten fortsetzen lassen. Wir besahen dcn ziemlich weitläuftigcn Pattast des Er-Souvcrains, der aus bunten Ziegeln uud Lehm aufgeführt ist, so wie seine Gärten, in denen wir Wemplantagen, Oran-gcnhainc und allerlei bei uns seltne Väumc und Gesträuche der Tropen mit vieler Sorgfalt gepflegt fanden. Was mich aber am meisten überraschte, warcn zwei ungeheure Sycomorbäume, die größten, 3ft3 welche ich bisher gesehen, und dic in dcr Mitte zweier Plätze vor dem Schlosse standen, welche sie fast ganz beschatteten. Die Ausbreitung dcr Aeste dcs einen derselben betrug volle hundert Fuß. Ewige Kühle herrscht unter diesen Laubkroncn, und keine Baumart, die ich kenne, übertrifft die Schönheit ihres hellen Apfelgrüns, das dcr Sycomor übrigens nur in diesem, ihm ganz zusagenden Klima anzunehmen scheint, denn in Aegyfttcn ist die Farbe seiner Blätter weit dunkler. Der erwähnte Palmenwald, in welchem Dörr liegt, und der sich mehrere Stunden weit ausdehnt, liefert das Material zu den schönen Matten, welche die hiesigen Weiber verfertigen. Einige zwanzig derselben, glänzend von Fett, und das Haar in hundert schmale Tressen, voll Goldzierden und Glasperlen, getheilt, umringten uns bald nachher, um uns ihre Arbeiten dieser Art anzubieten, während sic die Matten mitten im Staube der Straße aufrollten. Indem ich mich bückte, um einige davon näher zu untersuchen, fühlte ich mich plötzlich von zwei Armen umschlungen, und als ich mich jähling umwandte, erblickte ich einen abscheulichen, schmutzigen 304 alten Bettler, der auf diese verbindliche Weise um ein Almosen bat. Dörr's Bewohner schienen ein zudringliches, aber gutmüthiges Völklein zu scpn, immer bettelnd, aber auch gefällig und höchst genügsam in ihren Wünschen. Wir kauften eine Anzahl der schönsten Fußdccken von höchst mühsamer Arbeit, die in Europa mit Gold ausgewogen werden würden. Ein Teppich aus Palmblättern in bunten Farben und geschmackvollen Dcsscins, groß genug, um ihn vor ein Sopha legen zu können, kam uns auf nicht mehr als fünf Franken zu stehen, und erst, als wir mehrere Bestellungen machten, um sie bei unserer Rückkehr mitzunehmen, erfuhren wir, daß eine Person mit angestrengtester Arbeit einen solchen Tcppich nicht vor zwei Monaten beendigen könne. Der Gewinn ist also nur 2'/2 Franken monatlich, wozu das ächt gefärbte Material noch umsonst hergegeben wird. Von geringerer, aber immer noch, nach unserm Maaßstabe, vortrefflicher Waare kostete das Stück nicht mehr als einen Franken! Vor fünfzehn Jahren war Geld hier fast ganz unbekannt, wenigstens unter den gemeinen Klassen, und Champollion hatte viel Mühe, den Leuten, welche ihm den Eingang zum Tempel von Ipsambul vom Sande frei machten, ihre Bezahlung, welche sie in Naturalproduktcn er« warteten, in Gelde annehmen zu machen. Seitdem sind sie jedoch sehr begierig darnach geworden, überschätzen aber noch seinen Werth. Einige Dutzend reisende und kaufende Europäer inehr, und sie werden bald unserer Aufklärung in dieser Hinsicht nichts mehr uachgcben. Der Solmcnuntcrgang spielte an diesem Abend unter Dörr's hohen Palmen mit unnachahmlichen Farben. Der ganze Himmel schien ein zcrsioßner Regenbogen, in dessen Mitte die junge Mondcösichel, nicht gelb wie bei uns, »gleich einem Eierdotter," wie Schcfcr singt, sondern brennend smaragdgrün, wie ein Goldkäfer, glänzte. Auch der Nil rollte heut nur bunte Wellen, und selbst der graue Wüstensand hatte sich in Nosa - und Silbersand verwandelt. Auf die Nachricht, daß sich ein frischer Wind erhebe, segelten wir mit Sonnenaufgang ab, und ließen vor der Hand Dörr's uralten Tempel ungesehen. Die Gegend war freundlich und der Tag hcücr uut einem anmuthigen Luftzug unter dem Zelte vor meiner Cajü'te. Ich saß hier ruhig mit Mthcmtb Ali's Reich. ll. 20 3NS Susannis, dcr in seinem dicken Naturpelzc sich vor Hitze nirgends mehr zu lassen wciß. Da er schon mehrmal mit neidischen Augen die Matrosen lsich von der Barke ins kühle Wasser hatte stürzen sehen, kam er heute, während wir mit dem besten Winde rasch fortsegelten, Plötzlich auf den unglücklichen Einfall, es ihnen nachzumachen, und wenige Minuten darauf war er schon so weit zurückgeblieben, daß ich die Segel einziehen lassen mußte. Zwei Araber sprangen sogleich ins Wasser, um ihn zu holen. Dcr hier sehr breite Strom trieb aber alle Drei so gewaltsam abwärts, daß sie durchaus wedcr uns, noch das Ufer mehr erreichen konnten, und wir zuletzt die größte Vcsorgniß für ihr Leben zu hegen anfingen. Die beiden schwarzen Matrosen blieben über eine starke Stunde im fortwährenden Schwimmen gegen den Strom, ehe wir sie aufzunehmen in: Stande waren, und dazu hatte noch dcr stärkste von ihnen die meiste Zeit über den gänzlich erschöpften Susannis auf seine Schultern geladen. Es ist wahrlich viel werth, sich cincr solchen Fähigkeit zu erfreuen, und im Grunde ist doch nur vcrnachläßigte Erziehung daran Schuld, wenn wir sie nicht Alle 307 besitzen, denn au sich sind die Lcutc nicht stärker als wir. Die Dekoration unsrer heutigen Abendmahlzeit, die wir auf der ftcicn Varkc einnahmen, während der Wind uns immer gleich rasch forttrieb, war von ganz eigenthümlicher Art. Ein glorreich leuchtender Himmel mit Mond und Sternen im höchsten Glänze diente uns zur Decke, des Flusses gcschmolzncs Metall, vom Monde vergoldet, zum Teppich; das rechte Nilufer bot dazu ohne Unterbrechung eine dichte Wand stets abwechselnder Bäume und süß duftender Sträucher dar, ein Bild der gesegnetsten Ueppigkeit, in dem das dämmernde Licht der Nacht auch nicht einen kahlen Fleck erkennen ließ. Das linke Ufer dagegen stellte diesem reichen Leben den wahrhaft entfleischten Tod entgegen, die flachste, farbloseste, wcißgrauc Sandwiiste, die sich fast in gleicher Höhe mit dem Wasser vereinigte, ohne die mindeste Spur irgend einer Vegetation blicken zu lassen. 20" 398 Den 11. April. Nicht ohne gespannte Neugierdc nahten wir den alten Denkmälern von Ipsambul, oder eigentlicher Abu-Simbel. Seit Burkhardt diese erhabensten aller Fclscntempel in Afrika aufgefunden, und Velzoni mit unermüdlicher Geduld sie geöffnet, wobei er Wochen lang zubrachte, um das Riescnthor des größten nur zur Hälfte vom Sande zu befreien, — in welchem Zustande es auch noch jetzt ist, — setzen die beharrlichsten der Touristen ihre ägyptische Expedition häufig bis hierher, und auch wohl bis zu den nicht mehr weit entfernten Katarakten von Ouabi-Halfa fort, aber darüber hinaus dringt seltner ein Fremder. Ipsambul ist daher schon eben so häufig mit dem Crayon gezeichnet, als mit der Feder beschrieben worden; doch wird Beides immer weit hinter der Wirklichkeit zurückbleiben. Die Wirkung der gegen sicbcnzig Fuß hohen vier Kolossen an der Facade des größten Tempels, die in majestätisch heitrer Nuhe, die Hände behaglich auf die Kniee gelegt, in ihrer 100 Fuß hohcn, 115 Fuß breiten und 24 Fuß tiefen, geglätteten Felsen- 309 nischc dicht am Wasser sitzen, und als des unterirdischen Hciligthums treue Wächter hier schon über dreitausend Jahre lang unvcrn'ickt harren und sich das Spiel der Wellen beschauen — ergreift vielleicht manche Einbildungstraft noch gewaltiger, als dic Säulen- und Obeliskcnwälder Thebens. Hinsichtlich des hohen Standpunktes der Kunst behaupten sich beide Werke fast auf gleicher Stufe, denn wenig in Theben kaun die edle Form, die Vollendung der Arbeit, den erhabnen Ausdruck dieser Riesenstatuen übertreffen, welche alle vier, sich völlig gleich, des großen Rhamses Heldenbild darstellen, und in den eben so schönen als charakteristisch feinen Zügen untrügliche Portraitähnlichkcit verrathen. Nur eine derselben ist durch ein herabgestürztes Felscnstück;um Theil zertrümmert worden, die übrigen blieben fast ganz uuverschrt. Von dem Koloß rechter Hand hat Vclzoni das Antlitz abgcgppst, und hätte wohl so viel Rücksicht für das Kunstwerk nehmen sollen, um die Spuren dieser Operation wieder abwaschcn zu lassen, da die Statue von rothbrauncr Steinfarbe durch ihr weiß angetünchtcs Gesicht jetzt wie zu 310 einem ^lown von ungezognen Händen verunstaltet erscheint. Allco an und in diesem Tempel athmet zwar liefen Ernst und gö'ttcrglcichc Nuhe, aber er bietet nichts Furchtbares wie der von Ierf-Hussein, obgleich die Anordnung seiner ganzen Architektur viel Aehnlichcs mit jcucm hat. Auch herrscht nirgends dcr^öharaktcr des Gcheimnißvollcn darin, noch Ierf-Husscins schauerliches Dnnkcl. Das 30 Fuß hohe Thor ist kaum mehr als ein Drittheil vom Sande befreit, und dennoch schien die Sonne bis in daö Allerheiligstc hinein, so daß wir nur zu genauerer Besichtigung der Wandbilder und dcr lichtloscn Nebenzimmer Fackeln gebrauchten. Würde die Fa^adc ganz vom Sande befreit, so müßte man schon vom Wasser aus ungehindert dnrch alle in die Felsen gehauenen Gemächer hindurch sehen können, in einer Länge, die ungefähr 440 Fuß beträgt. Dcr erste Saal, welcher einige fünfzig Fuß lang und fast eben so breit ist, wird, wie in Ierf-Hussein, von zwei Rechen viereckiger Pfeiler gestützt, vier auf jeder Seite, doch sind sie hier von größeren Dimensionen, mit einem breitern Gange davor und größcrn Räumen 3N dazwischen. Die daran gelehnten Kolosse wiederholen alle, gleich denen außerhalb, die Züge des großen Nhamses, und tragen die Geißel (den ägyptischen Scepter) und den Krummstab über die Brust gekreuzt. Die Farben ihrer Gewänder und Gürtel sind noch an vielen Stellen erhalten, doch hat die Feuchtigkeit ihnen geschadet, und noch mehr ist dies bei den Wandseulpturen der Fall. Diese, Opfcr-züge, Schlachten und Belagerungen darstellend, in denen größere und kleinere Figuren, vom Kolossalen bisH zum Diminutiven, abwechseln, würden zum gänzlichen Verständniß ein wochcnlangcs Studium erfordern. Viele sind in dcr Anordnung cbcn so seltsam, als in dcr Ausführung vortrefflich, andere scheinen von weniger vollendeter Arbeit. Die Com-positioncn nähern sich oft dem naiven Sinne unsrer altdeutschen Maler, einige erreichen die Vollkommenheit dcr Antike. So befindet sich namentlich auf der linken Seite vom Eingänge eine auf vertieftem Grunde erhabne und bemalte Abbildung des Scso-stris, auf seinem Streitwagen stehend und im Begriff, einen Pfeil auf den fliehenden Feind abzuschießen, dic in Haltung und Form auf das lebhafteste an 312 dm Apoll von Belvedere erinnert, diesen aber, nach meinem Gefühle, an jugendlich göttlicher Schönheit des erzürnten Antlitzes, an unnachahmlicher Grazie und Kühnheit der Stellung, wie durch den edelsten, makellosesten Körperbau noch übertrifft. Nur der unterste Theil des Gesichtes hat leider eine Beschädigung erlitten, sonst ist die ganze Figur bis jetzt noch intakt geblieben, so wie auch Wagen und Pferde, die auf das Reichste geschmückt, in gleicher Vortrcsslichkeit Vollendet sind, und mir, die Pferde betreffend, selbst den Vorzug vor allen ähnlichen Darstellungen in Theben zu verdienen scheinen. Unter den Gefangnen, die auf beiden Seiten des Emgangsthorcs der siegende Osiris (immer wieder in Rhamscs Gestalt) am Schöpfe hält, scheinen sich Individuen aller Haupt-uationen der Erde zu befinden, und die Charakteristik der Phpsioguomiccn ist so sprechend, daß man auch hier die Portraitirung nicht verkennen kann. Die Decke ist äußerst reich mit großen Geiern von dunkelblauer nnd gelber Farbe verziert. Viele Reisende meinen, dies sey Gold gewesen, ich habe aber nie irgendwo die mindeste Spur auffinden können, daß die alten Acgypticr Gold- oder Silberfarben in ihrer 313 Malerei angewendet hätten, sondern stets ist dergleichen durch Gelb oder Weiß angedeutet. Nur unter den Ptolomäcrn und Römern ward ohne Zweifel Gold angewandt. Früher muß man diese Metalle als Farben Verschmäht oder ihre Bereitung'Inicht hinlänglich gekannt haben. Ich spreche hier nicht von Holzvergoldung, dercn Herodot erwähnt, dennoch hat man bis jetzt auch diese, Z. B. vergoldete Köpfe an den Mumien, immer nur, so vicl ich weiß, aus den Zeiten der Ptolomäcr gefunden. Eines sonderbaren Effekts optischer Täuschung in demselben Saale muß ich noch gedenken, ehe ich ihn Verlasse, ^n der dunkelsten Ecke desselben, die in neuerer Zeit, Gott weiß zu welchem Zwecke, mit einer Mauer umzogen worden ist, sieht man dic hohe Figur eines prachtvoll gekleideten königlichen Helden auf den obern Theil der Wand gemalt. Wir erstiegen die zerbröckelte Mauer, um das Vild mit der Fackel genauer zu betrachten, und so oft wir diese an einer gewissen Stelle fest hielten, sahen wir alle zu mehrcrcnmalen das wilde Antlitz des Kriegers auf das Täuschendste die Augen verdrehen und gräulich rechts und links rollen. Der in hohem Grade 314 gespenstische Effekt, dcn wir so ganz willkührlich hervorbringen und wiederholen konnten, schwebt mir noch immer lebendig vor, und erinnert mich an jene Bilder, die auf eine Weise gemalt sind, daß, man mag sich hinstellen wo man will, immer von ihnen starr sirirt wird. Wer weiß, ob hier nicht cm ähnliches Kunststück des ägyptischen Malers der unheimlichen Wirkung zum Grunde lag. Es folgen nun noch zwei etwas kleinere Säle, und ans dem letzten führen drei Thore in eben so viele Gemächer von weit geringerem Umfang als die Säle. Das mittclstc derselben, genau dem Haupt< cingangc gegenüber, enthielt, wic bei allen Fclscn-tcmveln, das Atterhciligste. Die darin sitzenden Statuen sind sehr verstümmelt, und ein Altar, welcher sich noch in dcr Mitte befindet, besteht nur aus einem einfachen Granitwürfcl ohne Sculpture«. Außer diesen Gemächern enthält dcr Tempel noch mehrere andere, im Ganzen vierzehn, in die man durch Seitcmhürcn aus den großen Sälen gelangt; sie sind lang und schmal, einige mit 2^ Fuß hohen massiven Bänken ringsum an dcn Wänden versehen. Alle sind voll bemalter Sculpture« verschiedener Art, in 315 einigen aber auch nur die Umrisse derselben mit großer Freiheit und Schärfe in schwarzen und rothen Linien angegeben. Ich hatte in allen Nciscbeschrcibungen gelesen, daß die Hitze im Innern des Tempels einem russischen Schwitzbade gleiche, und war daher sehr verwundert, davon nicht das Mindeste zu bemerken, im Gegentheil fanden wir es weit kühler in diesen Naumen als in der Sonnenhitze im Freien. Absichtliche, fanatische Zerstörung scheint in Apsambul nie stattgefunden zu haben. Nur durch neuere Kunstliebhaber und gelegentlich hier hausende, oder ihr Vieh hier beherbergende Eingcborne, endlich und hauptsächlich aber, wie schon bemerkt, durch die Feuchtigkeit des Felsens selbst, in dem der Tempel ausgchaucn wurde, hat dieses herrliche Wert bedeutend gelitten — ohne Schutz von Seiten des Gouvernements aber, und so leicht zugänglich, als es jetzt ist, darf man nicht hoffen, daß die sämmtlich nur in Stul vertieften Sculpturcn des Innern, deren glänzende Farben schon größtcntheils verblichen sind, der Zeit noch lange widerstehen werden. Gleich verschont von vrämedirtcm Vandalismus 316 ist cin ähnlicher, jedoch um die Hälfte kleinerer, zweiter Felsentcmpcl dicht neben dem großen geblieben, welcher von Scsostrio' Gemahlin erbaut, und dcr Hathor (Venus) geweiht ist. Nur ein breiter Sandsturz, der an blendendem Glänze, wie an glatter Oberfläche vollkommen einem Eisgletscher gleicht, trennt ihn von seinem Nachbar. Ich versuchte, diesen Sand zu erklimmen, um den Fries des großen Tempels, der aus einundzwanzig, 8 Fuß hohen, aufrecht stehenden Affen besteht, wo möglich näher zu betrachten, fand aber das Unternehmen über meine Kräfte, da man bci jedem Schritt fast eben so tief wieder herabglitt, als man vorwärts gekommen war. Die innere Einrichtung dieses zweiten troglody-tischen Monuments ist der des andern gleich, und die außerhalb an die Wand gelehnten Kolosse des Königs uud der Königin schienen mir noch vollendeter gearbeitet als die des größern Tempels, besonders sind die üppigen und zarten Formen der weiblichen, wie die Durchsichtigkeit und der schone Faltenwurf der Gewänder merkwürdig gelungen bei so kolossalen Verhältnissen. Eine liebliche Wirkung 317 macht es auch, daß an den Knieen der Eltern Söhne und Töchter gruppirt sind. Diese Anordnung bereichert das Ganze und mildert den strengen Ernst der Ricscnbildcr durch gemüthlichere Gefühle. Die Hieroglyphen, mit denen die Pfeiler bedeckt sind, stehen den besten dieser Art auf den Gebäuden Thebens nicht nach, obgleich der hiesige Sandstein, in den sie eingemeißelt sind, fast so hart als Granit ist. Auf den Bildern im Innern opfert den Göttern stets die Königin statt des Königs, und andere Sculpture« deuten auf die Mysterien der Einweihung eines Mädchens durch Priestcrinncn der Isis hin. Wunderlich ist im Heiligthumc eine Statue des Königs, über dessen Haupt die gehörnte Kuh der Hathor so hervorragt, daß die Hörner dem Könige selbst aufgesetzt zu seyn scheinen, nach unsern Begriffen allerdings eine komische Zusammenstellung im Tempel der Königin. Empörend ist es aber zu sehen, wie schamlos neuere Besucher diese Bildwerke durch die obscönstcn Zusätze, mit Kohle und selbst mit schwarzer Oelfarbc sorgsam gezeichnet, herabgewürdigt haben. Wahrlich, der Niedrigste der Eingebornen würde sich keine solche Gemeinheit zu 318 Schulden kommen lassen, und es ist schmachvoll zu » denken, daß Menschen, die so weit aus dem gebildeten Europa hierherkommen, solche Spuren ihrer Anwesenheit zurücklassen können! Ohngcfähr hundert Schritte von den Tempeln sieht man noch einige kleine Nischen, einzeln in den Felsen hoch über dem Wasser angebracht. Die letzte derselben, ganz abgesonderte, enthält eine wunderbar erhaltene, völlig unbeschädigte Figur, die mir zu den reizendsten Schöpfungen ägyptischer Kunst zu gehören scheint. Es ist ein jnngcs aufrecht stehendes Mädchen von rührender Schönheit mit einem tief schwcrmüthigen Ausdruck im Antlitz; die gefalteten Hände ruhen hcrabgesunkcn in ihrem Schooß, und, wie über ihren eignen frühen Tod trauernd, schaut sie, ein Vild klagender, aber cngelgleichcr Unschuld, sinnend vor sich nieder in die rastlos vorübcrströ-mcndc Fluth. Auch die Gegend um Abu-Simbel hat den eigenthümlichsten Charakter durch die besondere Form ihrer Felsen, deren mehrere, während man auf dem Flusse weiter fährt, regelmäßige Mramidcngestalten annehmen. Eine breite scharf abgekantete Wand 319 erhebt sich dazwischen, deren schmaleres Ende den oberen Theil eines kolossalen Gesichtes so deutlich nachbildet, daß es scheint, als habe die Natur selbst hier den alten Aegyptiern sowohl die erste Idee zu ihren Pyramiden als zu ihren Felsenkoloffcn geben wollen. Wir hatten kaum mit ziemlich günstigem Winde am andern Morgen die Ebene von Ouadi-Halfa vor dcn großen zweiten Katarakten erreicht, und unsere Varkcn, dic wir hier definitiv zurücklassen muffen, zu entladen begonnen, als wir einen neuen Khamsin auszustehen hatten, der wie gewöhnlich seine vollen drei Tage anhielt. So peinigend diese Landplage ist, konnten wir uns doch sehr gratuliren, daß sie uns jetzt und nicht später in der Wüste überfiel, wo außer der gewöhnlichen Unannehmlichkeit oft auch die größte Gefahr damit verbunden ist. Der Wind war diesmal so stark, daß wir keines der Zelte zum Stehen bringen konnten, und daher auf dem Wasser bleiben mußten. Aber trotz der schirmenden Bucht waren wir in der durch die schäumenden Wellen stets umhergcworftnen Tahabia genöthigt, beim Essen dcn Tisch mit Steinen zu 320 beschweren, um ihn vor dem Umfallen zu bewahren. Dies waren unangenehme Tage, und leider ward das verdrießliche Geschäft des Umpackcns aller Effekten bei solchem Unwetter noch durch ein allgemeines Unwohlseyn vermehrt, von dem bei diesem dritten Khamsmanfall fast Keiner unsrer Gesellschaft ganz frei blieb. Ritt durch die Wüste nach Dongola, Samneh, Dal, Saki - el - Abd. Am 14. April war endlich der Himmel wieder heiter geworden, und alle unsre Vorbereitungen so weit beendigt, um unsere Erpedition nach Dongola antreten zu können. Da die Gegenden, die wir jetzt zu durchstreifen uns anschickten, schon zu denjenigen geboren, die nur selten von Europäern besucht werden, so halte ich es nicht für unpassend, einige Notizen über die zweckmäßigste Art, hierher zu reisen vorauszusendcn, deren Trockenheit ich mir um ihres Nutzens willen zu verzeihen bitte. Wenn man sich nicht einer grö'ßcrn Caravane anschließen kann, wozu jetzt nur selten Gelegenheit ist, da der Hauptzng des innern Handels sich größ-tcnthcils auf andern Wegen nach der Verbcrei und Mehtmcd Ms Reich, ll, , I1 322 dem Königreich Tunis hingewendet hat, — die nachtheilige Folge der unpolitischen Quälereien des hiesigen in jeder Hinsicht fehlerhaften und oft wahrhaft abgeschmackten innern Douancnsystcms, so wie der einzelnen Bedrückungen der Handelsleute durch die Provinzialgouvcrncurc, welche in dieser großen Entfernung doppelt schwer zu eontrollircn sind — so wird ein irgend bequemes und sichres Fortkommen ohne Hülfe des Gouvernements sehr schwierig. Jeder Europäer von einiger Ncputirlichkeit kann sich indeß leicht durch seinen Consul von der jetzigen in dieser Hinsicht so liberalen Regierung einen Firman verschaffen, der ihn den vcrschicdncn Ober- und Uutcr-Gouvcrncurs empfiehlt, und ihm zugleich die Vergünstigung ertheilt, alle ihm nöthigen Gegenstände, die das Land gewährt, zu demselben Preis geliefert zu erhalten, welchen die Regierung selbst dafür bezahlt. Dies ist besonders bei dem Preis der Thiere für den Transport wichtig, da man fast ganz von der oft sehr indiscrete» Willfür der Araber abhängt. Die hiesigen Kamccltrcibcr laden überdies kaum den dritten Theil dessen auf ein Kamccl, was z. B. in der Bcrbcrci ein solches ohne Schwierigkeit trägt. 323 Ich brauchte für meine Effekten, von denen ich mehr als die Hälfte in Quadi-Halfa zurückließ, dennoch zehn Kamcclc, wozu in Tunis drei bis vier hingereicht haben würden, und außerdem sechs Dromedare, um mich, den Doktor, meine zwei Diener, den Kawaß und den arabischen Führer beritten zu machen. Die übrigen Leute saßen mit auf den Packthicrcn auf. Es waren nicht Berbcrincr, welche dicsc Thiere lieferten, sondern Beduinen der Wüste, die sich auf die Einladung Mchcmcd Ali's in der Nahe Quadi-Halfa's angesiedelt haben, und die Begleitung der Reisenden mit ihren Kameelcn als ein Recht ansprechen. Sie machten bei dem ersten Aufpacken gerade eben so viel Schwierigkeiten und unnützes Geschrei, als die griechischen Avoghati in der Morca mit ihren Mauleseln; doch nachdem einmal die Sachen rc-gulirt waren, benahmen sie sich während des Verfolgs der Ncisc mit weit mehr Ordnung und Ruhe als jene. Es war das erstemal in meinem Leben, daß ich einen Dromedar bestieg. Beiläufig erwähne ich hierbei, (denn was hier alltäglich und bekannt ist, ist es nicht immer bei uns,) daß, was man hier Dromedar 21" 324 nennt, kein vom Kamecl abweichendes, sondern ganz dasselbe Thier mit einem Höcker ist, und der Un-tcrschied zwischen einem Dromedar und einem Kamcel nur dem gleicht, welcher zwischen einem eleganten Reitpferde und einem schweren Karrengaule stattfindet. Die Thiere werden gewohnt, sich beim Satteln niederzulegen, wo man dann bequem aufsteigt, während mit den langen Zaumzügcln noch eins der Vorderbeine des Dromedars festgebunden bleibt, und der Führer ihn beim Kopfe hält, um ein schnelles Aufspringen desselben zu verhindern, was den Reiter leicht in dcn Sand werfen könnte. Diese seltsamen Geschöpfe, welche drei Gelenke in ihren Hinterbeinen haben, brauchen auch drei Tempo's zum Aufstehen wie zum Niederlegen, die dem ungeübten Reiter sehr gewaltsam vorkommen, und wobei er sich im richtigen Vor- und Nückwärtsbcugcn nicht irren darf, wenn er die Balance nicht verlieren will, wovon wir mehr als ein belustigendes Beispiel unter uns selbst mit ansahen. Dcr Gang des Dromedars ist im Schritt höchst unangenehm, sakkadenartig vor- und rückwärts stoßend; man läßt ihn aber gewöhnlich eine Art sehr fördernden Paß gehen, der dem Reiter 325 ungefähr dieselbe Empfindung giebt, als der sogenannte lurze Hundetrab eines sehr hart trabenden Pferdes. Es bleibt daher auch das Reiten in dieser Gangart in einer ununterbrochenen Continuation von sieben bis acht Stunden, und oft noch länger, stets sehr ermüdend, bei einem kurzen Spazierritt ist es aber nicht unangenehm; und die egale fortwährende Erschütterung der Gesundheit, wie dem Appetit sehr zuträglich. Der Sitz selbst auf dem hölzernen Sat-tclgcrippc, nm dessen hohen Sattelknopf man die Beine krcuzwcis zusammenlegen, und so auf dem Rücken des Thieres ruhen lassen muß, ist für einen Europäer ebenfalls nicht wenig beschwerlich, bis er sich daran gewöhnt hat. Es ist daher jedem, hier in seiner Varlc Ankommenden sehr zu rathen, die ersten Tagereisen nur klein einzurichten, um sich nach und nach der langen Nuhc zu entwöhnen, die das Reisen auf dem Nil, hinsichtlich dieses Mangels an Bewegung wenigstens, zu einem wahren Schlaraffenleben macht. Der Dromedar legt im mindest schnellen Paßgang die deutsche Meile in einer Stunde zurück, im scharfen Trabe auch zwei bis drei Meilen, und setzt einen solchen Gang zwölf Stunden 32« und länger fort ohne auszuruhen. Mchemed Ali ritt einst die fünfundzwanzig deutschen Meilen von Suez nach Kahira, um einer Verschwörung der Mamlukcn zuvor zu kommen, in Zeit von zwölf Stunden auf seinem Dromedare, und sein Sais, am Schweife des Thieres sich anhaltend, erreichte zu Fuß laufend mit ihm Kahira! Sonuini behauptet, daß cinNedschdi-Dromcdar hundert Stunden Weges in vicrundzwan-zig zurücklegen könne, was mir jedoch übertrieben scheint. Dromedare wie Kamecle sind übrigens sehr übellaunige und unlcidigc Thiere. Ich stieg nie auf das mcinige, ohne daß es scin Mißfallen darüber durch ein knurrendes Geschrei und zuweilen anch durch einige Vcißversuche zu erkennen gab. Doch gleich den Führern fand ich es, einmal im Gange, immer willig, und cinc leichte Verühruug mit dem Kurbatsch an seinem langen Straußcnhalsc hinreichend, es zum flüchtigsten Trabe anzutreiben. Der Zaum ist nicht mit einem Gebiß im Maule versehn, sondern durch ein Nasenloch gezogen, und vermittelst eines kleinen Holzkncbcls dort befestigt. Der Ton, aus welchen sich der Dromedar sogleich niederlegt, wenn man absteigen will, ist ein heiseres, von seinem 327 Reiter ausgcstoßcncs Krächzen, das nachzuahmen man mühsam erlernen muß. Um ihn wieder aufstehen zu machen, ist kein weiteres Zeichen nöthig. Er erhebt sich augenblicklich von selbst, sobald der Neuer im Sattel ist, und den Zügel in die Hand nimmt. Ich für meine Person würde, trotz der Hitze, das Reisen bei Tage vorgezogen haben, um das Land besser zu sehen, die Thiere können es aber, wie man uns allgemein versicherte, nicht aushalten, und wir mußten daher die Nacht durch marschieren, welche glücklicherweise jetzt der hellste Mondschein verklärte. Dies erforderte jedoch folgende eigenthümliche Lebensart für die Dauer der ganzen Tour. Wir frühstückten um 9 Uhr Abends, und bestiegen unsere Dromedare mn 10 Uhr, während die Kameele mit dem größten Theile des Gepäcks schon fünf Stunden vorher abgingen. Die nothwendigsten Gegenstände, als: ein kleines Zelt, einige Teppiche, die alles zum Frühstück Nöthige enthaltende Kiste, Toilette und Portefeuille mußteu die Dromedare außer uus noch mit tragen. Vor oder mit Sonnenaufgang erreichten wir gewöhnlich das Nachtlager, einige Stunden später als die Caravane, und fanden dann unsre Zelte 328 und Betten schon in Ordnung, so wie den Tisch gedeckt, so daß wir nach kurzer Toilette um 7 Uhr früh uns znr Mittagsmahlzcit niedersetzen konnten. Nach deren Beendigung legten wir uns schlafen, und besichtigten gegen Abend (unsre Frnhstunde) die Merkwürdigkeiten, welche die Gegend darbot. Der spätere Abend blieb bis zur Stunde der Abreise der Lckttüre und dem Schreiben gewidmet. Auf diese Weise (ein ganz ergötzliches Nachtwächterlcben), die ich jedem meiner Nachfolger empfehlen darf, litten wir wenig Beschwerde, und alles griff vortrefflich in einander, ohne unnützen Aufenthalt und Confusion zu verursachen. Will man, wie es gewöhnlich geschieht, die Caravane selbst begleiten, so wird dies immer höchst fatiguant und langweilig, abgerechnet daß man in diesem Falle nach Ankunft auf der Station noch stundenlang ohne Obdach warten muß, ehe Zelte, Betten, die Mahlzeit u. s. w. bereit und in Ordnung seyn können. Hinsichtlich der Dinge, die man mit sich führen sott, kann im Allgemeinen nichts bestimmt werden, da die Bedürfnisse eines Jeden, wie seine Begriffe von Bequemlichkeit sehr verschieden sind. Was aber 32U Jeder hier bedarf, er habe viel oder wenig Effekten bei sich, das sind vorzüglich die tüchtigsten, dauerhaftesten Behälter dafür und ihre sorgfältigste Packung, denn täglich mag er sich daranfgcfaßt machen, daß ein Theil des Gepäcks vom Kamcel herabgefallen, oder dieses mit der ganzen Ladung gestürzt, oder in einer Anwandlnng von Furcht damit durchgegangen sey. Für Instrumente oder Glaswaarcn muß man durchaus, wenn man auf die Sicherheit ihrer Conservation zählen will, wie nns eine traurige Erfahrung lehrte, doppelte Koffer mit Ncfforts haben, sonst ist nichts dergleichen zu erhalten, da schon die gewaltsame Bewegung beim Gange des Kamecls oft hinlänglich zur Beschädigung so delikater Gegenstände ist. Die Lebensmittcl betreffend, empfehle ich nur Neis, Kaffee, getrocknete Datteln, Wein und Tabak, und wenn ich diesen letztern unter die Lebcnsmittcl mit begreife, so geschieht dies nicht ohne Grund, da auch hier die Erfahrung mich vielfach gelehrt hat, daß nichts Hnngcr und Durst besser stillt, oder vielmehr verhindert, als Kaffee und die Pfeife, mit denen man in diesem Clima zur Noth mehrere Tage lang ohne besondre Beschwerde aus- 330 reichen kann. Ncis in bedeutender Quantität mitzunehmen, ist deshalb nöthig, weil man im Sudan nur in den Hauptplätzcn, und selbst da nicht immer, ihn sich verschaffen kann, und den Wein habe ich für Jemand, der daran gewöhnt ist, trotz des Rathes der meisten europäischen Aerzte, die wollen, daß man sich desselben in den heißen Ländern enthalte, auf dieser ganzen Ncise als das beste und kräftigste Mittel zur Erhaltung der Gesundheit erprobt, besonders Champagner, mit zwei Drittheilen Wasser verdünnt, ein Getränk, das zugleich auf die Länge sich kühlender und erfrischender als allc andern erwies. Leichte Rhein- oder Moselweine sind nach diesem am meisten anzurathcn, denn der Hauptgrund der klimatischen Krankheiten, welchen Fremde hier ausgesetzt sind, ist fast immer Nelaration der Vcrdauungs-wcrkzcugc, die aber nicht durch heftige, sondern nur die gelindesten tonischen Mittel verhindert werden muß. So erzählte mir ein geschickter deutscher Arzt in Kahira, daß er seine Erhallung in dem mörderischen Clima Jemens nur dem bittern baicrschcn Viere verdanke. Da am ersten Tage die Packerei mchr als in »31 dcr Folge aufhielt, konnten wir erst Nachts um 11 Uhr am 14. April unsern Wistcnmarsch beginnen, der siir diesmal mir sechs Stunden betrug, welche unsre Dromedare in dreien zurücklegten. Die Nacht war herrlich, klar und kühl, und die Wüste selbst viel abwechselnder, als wir sie uns vorzustellen gewohnt sind — denn gewöhnlich verbinden wir damit das Vild eines unabsehbaren ebnen SandmccrcS, was sie anderwärts oft auch ist, aber hier sind viele Hügel und Thäler darin verstreut, mit grotesken Felsen, die einzeln daraus hervortreten; nur selten ist dcr Sand tief und mahlcnd, mcistcntheils hart genug, daß sich die vielen einzelnen f regelmäßig neben einander hinlaufenden Fußsteige dcr Caravancn so deutlich darauf abzeichnen, als reite man auf einem gcfurchteu Felde. Die rein abgenagten und schlohweiß von der Sonne gebleichten Knochen von gestorbnen Thieren, oder gelegentlich auch von, durch Hyänen wieder aufgescharrten, hier umgekommenen Menschen, so wie die kleinen schwarzen Steinpyramidcn, welche als Andeutung des zu verfolgenden Weges, an Stellen, wo man sich irren könnte, aufgestellt sind, tragen in dieser 332 vegetationslosen Einöde auch noch das Ihrige bei, der Wüste mit dem Nciz des Charakteristischen noch einige schauerliche Varietät mehr zu ertheilen. Ist man abcr des Anblicks der Erde müde, so richtet man den Vlick nach dcm, in der hiesigen Zone doppelt glanzvollen Stcrnenhcer, von dcm Licht und Gedanken in solcher Fülle auf den einsamen Wandrer niedcrströmcn, daß ein Empfänglicher auch hier wahrlich nicht leicht der Langenweile Naum zu geben braucht. Um 2 Uhr erblickten wir schon unsere hellgrünen Zcltc zwischen dunklen Felsen aller Formen am Nil aufgerichtet, ohnfcm einiger Hütten, die den Namen Salch führen, und bereits zu der Landschaft Dar-el-Hadschar gehören, die Ouadi-Halfa von Sukkot trennt. Der Fluß schäumte in Katarakten zwischen huudcrt abenteuerlichen Gestalten des schwarzen Urgesteins, das, wie schon angeführt, die meisten Reisenden mit Unrecht Vasalt nennen, da es nur von Feuer und Witterung schwarzgefävbtcr Granit ist. Wahrer, prismatisch geformter vulkanischer Vasalt wird, so viel ich weiß, nirgends längs des Nils angetroffen. Wir erstiegen eine sandige Anhöhe am 333 Ufer, und genossen noch eine halbe Stunde lang bei der Musik der brausenden Gewässer des Anblicks dieser wilden Mondschcinlandschaft, der hier auch einzelne Bäume — einige hie und da die Felsen im Flusse krönende, langgcstacheltc Mimosen — nicht fehlen. Es war eine melancholische Gegend, aber voller Originalität, und Herr Cadalvene hat Nechtt wenn er sagt: „Bis Ouadi-Halfa hat man immer mehr ober weniger Acgypten — hier beginnt eine neue Welt." Die Araber wollten am 15. nur bis Saras gehen, ich bestand aber darauf, mich nach Herrn Ca-dalvcne's Karte orientirend, einen stärkeren Marsch bis Samnch zu machen, um dann den dortigen Tempel mit mehr Muße besichtigen zu können. Nach langer Weigerung mußten sich die Leute unserem Willen bequemen, wir fanden aber selbst später, daß sie die Distanzen weit richtiger als die Karte angegeben hatten, und die Fatigue der Tour ward höchst angreifend. Die Caravane brauchte sechzehn Stunden, wir selbst acht, und da wir ihr etwas zu früh gefolgt waren, nnd sie daher noch unterwegs einholten, so sahen wir uns genöthigt, (um bei unsrer 334 Ankunft im Schlafquarticr dieses wieder in guter Ordnung zu finden,) ohne Zelt, noch Hügcl zum Schutze, cm Bivouak von mehreren Stunden mitten in der Wüste zu machen '). Ohngeachtct der großen Tagcshitze sind häufig die Nächte, besonders bei dem starken Winde, der jetzt aus Norden bläst, schneidend kalt, und wir bedurften, selbst während des erwärmenden Reitens, noch Uebcrrock und Mantel. Während des Vivouak's ward diese Temperatur aber noch viel unleidlicher, und nach einem unruhigen Schlaf standen wir Alle so gelähmt vom Froste auf, daß wir Mühe hatten, in den gehörigen Tempo's unsere Dromedare wieder zu besteigen. Ich sah mich in Folge dieser Vcrkältung genöthigt, einen Rasttag in Samneh zu machen, und erst am nächsten Morgen war ich so weit hergestellt, mir Land und Leute besehen zu können. Wir hatten wieder einen sehr unangenehmen Lagerplatz am Nil unter Dhumpal-men, Mimosen, Sadclbäumcn, und einem schonen brcitblättcrigen Strauch mit runden grünen Früchten, 5) Erst nach dieser unangenehmen Hrfahnlnq üalnu ich später immer ein kleines Zelt für den Nothfall auf den Drc-medaren mit mir, wie ich es früher schcn cmcmpfohlcn. 335 aus dem die Einwohner ein sehr heftig wirkendes Gift bereiten. Noch immer starrten Pscudo-Vasalt-fclscn aus dem Fluß, und zogen sich auch längs desselben hin, doch ist ein Theil des Ufers wohl bebaut, und einige Hütten sind darauf verstreut. Unweit davon liegen die Neste einer alten Stadt, die man für Tasitia hält. Sie sind sämmtlich aus in der Sonne getrockneten Erdziegeln gebaut, und zwischen ibncn steht auf einem isolirtcn Felsen ein kleiner, aber zierlicher Tempel mit den Ringen der Pharao-nen Ortoasen III. und Thotmosis IV. Gegenüber an dem rechten Ufer des Nils erblickt man die Trümmer eines andern größeren, aber weit mehr zerstörten Tempels, die wir aus Mangel eines Kahns zum Uebersctzcn diesmal nicht besuchen konnten, und für später aufhoben. Die Sculvturen und Hieroglyphen des kleinen Tempels, der nur ein einziges, corridorä'hnliches Zimmer enthält, (denn Saal kann man es nicht nennen,) sind zum Theil sehr graziös, auch einige Farben, namentlich das Vlau der Decke mit ihren gelben Sternen, noch leidlich erhalten, doch hat man in späterer Zeit mitten auf die alten Figuren der 33S äußern Facade cine lange Hieroglyphcnschrift eingemeißelt , die so elend gearbeitet ist, daß koptische Christen sie nicht schlechter hätten machen können. Auch hier findet man zwei jener cannelirtcn altä'gvp-tischcn Säulen wieder, welche den dorischen gleichen. Es sind die einzigen, welche der Tempel gehabt zu haben scheint, der auf der Flußseite auch noch mit einer Art Galeric, von vier Pfeilern gestützt, verziert ist. Eine Ncihe Fclscninscln zieht sich von hier quer durch den Fluß bis zu dem andern Tempel hin, und die meisten derselben tragen Reste alter Mauern, wahrscheinlich befestigte Schlösser, die hier den Fluß mit Leichtigkeit zu sperren vermochten. Ein englischer Reisender ist dadurch auf die Vermuthung gebracht worden, daß dies die vom Wasser umgebenen Schlösser seyen, welche auf einem der Schlachtbilder in Theben vorkommen. Obgleich diese Bestimmung etwas gewagt erscheint, so ist doch so vicl gewiß, daß des Nhamses Eroberungen sich nicht nur bis hierher, sondern auch noch ungleich weiter nach Süden erstreckt haben müssen, wovon mehr Beweise übrig geblieben sind, als von den nach Norden gerichteten. Denn hat er wirklich alle die Länder 337 erobert, in die ihn Diodor von Sicilien das Schrecken seiner Waffen tragen läßt, so muß das gänzliche Schweigen der Geschichte über ihn, und namentlich der jüdischen Historicnbüchcr, immer höchst auffallend bleiben. Herr Cadalvcnc will ohnfcrn dieser Ruinen von großen Hyänen beunruhigt worden seyn, uns kamen nur einige gelb gefärbte Gazellen vor Augen, welche in kurzem Galopp die Straße durchkreuzten und, vergeblich von unsern Hunden verfolgt, bald eine sichre Zuflucht in der Wüste fanden. Gleich Herrn Cadalvcne begegneten wir aber auch auf diesem Punkte einer großen Sclavcncaravanc aus dem Innern. Doch konnten wir darüber nicht dieselben Bemerkungen machen als er. Herr Cadalvenc sah, nach seiner ihn in Aegyv-tcn selten verlassenden trüben Stimmung, alles dabei ebenso schwarz wie die Farbe der Sclaven selbst, uud diese daher nur gleich vcrzwcifluugsvollcn Jammergestalten vorüberziehen, während wir sie lachend und uns in ihrer Sprache Scherze zurufend, wohlgenährt, hinlänglich für dies Clima, wo die meisten nackt gehen, gekleidet, und ohne alle Spuren von Kummer oder Sorge, ihren Weg rüstig verfolgen Mehtmcb AU'ö Ncich. II. 22 338 sahen. Warum die Sachen so übertrieben und anders darstellen, als sie wirklich sind? Sclaverci, abstrakt genommen, ist bei einem gebildeten Zustande der Gesellschaft gewiß etwas Empörendes — Niemand widerspricht dem. Aber daß das individuelle Loos der hiesigen Sclaven — den Zustand ihrer Bildung und ihrer Gewohnheiten ins Auge gefaßt — so unsäglich traurig und jammervoll sey, selbst wahrend der schlimmsten Periode, der ihres Transports nach Kahira, muß ich, nach Allem, was ich so vielfach selbst davon sah, gänzlich bestreiten. Denn daß sie halb nackt sind, daß sie da, wo sie nicht auf dem Nile fahren können, wenn sie nicht krank sind, (wo man sie reiten läßt,) zu Fuße gehen müssen, und daß sie nur Durrabrod und hie und da etwas Gemüse oder Datteln mit Nilwasser zur Nahrung erhalten, ist nur dasselbe, was allen diesen, eben so mäßigen als armen, Völkern hier überall gemein ist. Sobald sie aber verkauft siud, wirb im Orient ihr Loos in der Regel weit besser, ja oft glänzend. Dcmohngcachtct plagt sic dann häufig das Heimweh, und darin, daß sie diesen Drang nicht befriedigen können, liegt vielleicht die Hauptqual ihres Schicksals. 339 Aber wie Vielen voi? mis geht es in dieser Hinsicht nicht besser, wclche die Sclavcrci der Noth, oder unsrer politischen Gesetze, zum gleichen Loose der Verbannung aus dem Vaterlande, oft unter noch viel drückenderen und schmerzlicheren, moralischen Verhältnissen, ucrdammt! Man halte sich nicht zu sehr an Worte, sondern nur an die Sache, und man wird nicht selten richtiger und milder über fremde Sitten urtheilen lernen. Uebrigcns liegt in dem Verhältniß des Sclaven zu seinem Herrn hier wirklich mehr Poesie für beide Theile, als es unsre modernen, oft sehr prosaischen Weltverbesserer recht inne zu werden im Stande sind, denen meistens nur die Idee vermehrter Industrie durch freie Sclavenarbcit vorschwebt: Ich sage freie Sclaven arbeit, weil unser Industrieland an viclcn Orten Europas die Leiden der Sclavcrei vollkommen aufwicgt, ja sie oft noch übertrifft, und eben so dcmoralisircnd wirkt. Ich bin dem ohngcachtct weit entfernt davon, der Sclavcrci das Wort reden zu wollen, ich meine nur, daß der Orient in der Bildungspcriodc, worin er steht, und bei seinen von den unsern so ganz abweichenden Verhältnissen auch hinsichtlich der dort bcste- 22" 340 henden Sclaverci nicht zu einseitig von uns beurtheilt werden darf. Gegen Abend machte ich einen Spazicrgang nach dem nahen Dorfe, dessen Wohnungen nur aus dicken Strohmatten bestanden, die an cingerammcltc Pfähle angebunden sind, während andere horizontal darüber gespannt das Dach bilden. Einige Zwischenwände aus demselben Material formiren im Innern zwei oder drei separate Picccn. Nohlbcstandnc Felder, jedoch nur von geringem Umfange, umgeben diese Strohzeltc. In dem ersten derselben fand ich cincn kranken Soldaten aus Dongola, dcn cin hübsches schwarzes Mädchen wartete, und der sich mir als dcn dcrmaligen Gouverneur des aus sechs Familien bestehenden Dorfes ankündigte. Ich verließ dcn Leidenden, um mir die zweite etwas größere Wohnung zu besehen, in der eine sehr alte Frau auf der Erde lag, ohne irgend eine Notiz von mir zu nehmen. Neben ihr war cin junges Mädchen emsig beschäftigt, auf einem glatten Steine Durra zu zerstoßen, und in der Ecke stand eine woblgcbil-dclc junge Frau, deren Haut dem schönsten Atlas glich, welche ihre Toilette zu machen schien; denn 34l sic befestigte cbcn einige Schnuren Glasperlen am rechten Arm, und hierauf cincn Ring in ihrer Nase. Endlich erblickte ich noch hinter der Alten einen freundlichen, offen und heiter aussehenden Knaben, mit blendend weißen Zähnen und einem dichten schwarzen Lockcukopf, der mich laut anlachte, aber so wie ich mich ihm näherte, schreiend und mit allen Zeichen des Entsetzens sich zu seiner Kornmahlendcn Schwester retirirte. Ich zeigte ihm einen glänzenden neucu Piaster, doch ohne ihn damit herbeilocken zu können, und die nackte Schwester, die mich verwundert anstarrte, machte ebenfalls ciuc abweisende Pantomime, so daß ich ihn schon wieder einstecken wollte, als die schöne junge Frau hastig hervortrat, lächelnd den Piaster aus meiner Hand nahm, und dann mit dem graziösesten Blick ihre Hand dankend auf Lippe und Stirne drückte. Diese Dame war ohne Zweifel schon vom Militärgouverncur etwas civilisirt worden, die andern glichen in Allem vollständigen Wilden und gingen auch eben so nackt, mit Ausnahme eines kleinen Happens, der um die Hüften gebunden war, ein Feigenblatt, das sich jedoch bei den Weibern etwas umfangreicher als bei dem 342 Knaben zeigte. Man findet hier selten einen Eingc-borncn, dcr arabisch spricht, auch ist es nicht mehr die Sprache der Barabra, deren man sich in diesem Landstriche bedient, sondern wahrscheinlich ein Idiom arabischen Ursprungs mit dem der Ureinwohner verschmolzen ; und bei den häufigen Einwanderungen, Eroberungen und Neligionsvcrändcrungen, welche in ganz Nubicn und Acthiopicn zu so vcrschicdnen Perioden statt fanden, mag es wohl sehr schwer, wo nicht unmöglich seyn, irgend etwas über den wahren Ursprung so manuichfach gemischter Naccn unwidcr-sprcchlich festzusetzen, obgleich so vicl aus dem Aeu-ßercn derselben erhellt, daß sie zwar schwarz, aber keine Neger sind, denn ihre Gcsichtsform ist kaukasisch, und ihr Haar nur gelockt, aber keineswegs wollig. Untcr denen, welche über die nnbischen Völkerschaften Hypothesen aufgestellt, darf man uuscrn unermüdlichen Burkhardt wohl als erste Autorität gelten lassen, weshalb auch seine Nachfolger in dieser Hinsicht selten mehr gethan haben, als ihn auszuschreiben , eine Mühe, dic ich mir zu erlassen bitte. Bei der Fortsetzung meines Spaziergangs durch die Felder, fand ich dort ungefähr ein Dutzend der 343 Eingebornen, Männer und Weiber, beschäftigt, Korn und Bohnen mit Stocken cmszudreschcn, was sonst im Orient und in Afrika gewöhnlich durch Thiere bewerkstelligt wird. Nach kurzer Zeit kam auch die uns schon bekannte junge Frau noch hinzu, um in all ihrem Schmuck an der Drcschpartic Theil zu nehmen. Wie ich diese Gestalten so, sämmtlich in ihrer Bloße, rund um den Kornhaufcn hocken und mit ihren Stöcken rastlos darauf losschlagen sah, kamen sie mir ganz wie Affen vor, die Dreschen gesehen haben, und cs jetzt, mit Knütteln bewaffnet, nachzuahmen versuchen. Die gute Bekanntschaft, welche ich bei dieser Gelegenheit mit den Leuten machte, verschaffte mir zwar wenig Notizen, da ich nicht mit ihnen sprechen konnte, sie hatte aber doch die vor-thcilhaftc Folge für mich, daß sie mir nun endlich Kuhmilch und frisches Gemüse verkauften, was sic früher dem türkischen Kawaß, den ich deshalb zu ihnen geschickt, verläugnet hatten, wahrscheinlich aus Vcsorgmß, nicht bezahlt zu werden. Ein erfrischendes Bad im Nil mit einem natürlichen schwarzen Granitthron daneben, um mich darauf ans- und anzuziehen, beschloß mein idyllisches 344 Tagewerk; ich war aber nicht wenig betreten, als ich den Fluß verlassend dicht nelen dcr gewählten Vadestclle die ganz frische Spur eines enormen Kro-kodills erblickte, so schön wie eine ägyptische Hieroglyphe auf dem glatten und weichen Ufcrsandc abgedrückt. Um Mitternacht verließen wir Samnch, und erreichten am 17tcn, nach einem etwas mehr als fünfstündigen raschen Nitt Tangur, kurz vor Sonnenaufgang, wo wir zwar wieder am Nil, und im Angesicht der schönsten grünen Gebüsche am jenseitigen Ufer, aber hier nur mitten im glühenden Sande ol)ne einen einzigen schattcngcbcndcn Strauch lagern mußten. Die Kamcelc hatten abermals das doppelte dcr Zeit als wir gebraucht, was sich auch für den ganzen Weg gleich blieb, so daß wir sie später nach dieser Vcrcchnnng immer sicher vorausschicken konnten. Während nnsrcs Nachtmarsches, wo es nach Untergang des Mondes von 4 Uhr an ziemlich kalt wurde, fanden wir zwei Selavencaravanen und drei Kamcel-tranovortc im tiefsten Schlaf, wie todt und regungslos zu einem Klumpen geballt, am Wege liegen, so daß wir den ersten Haufen dieser Art, bis wir 345 dicht neben ihm waren, im ungewissen Mondlicht anfänglich nur für eine seltsam geformte Stcinmaffe gehalten hatten. Es wcrdcn jetzt jährlich viele tausend Kameelc aus den äthiopischen Ländern für Aegyvtens Gebranch geliefert und die Consumtion der Sklaven ist noch größer. Der dieser kühlen Nacht folgende Tag war der heißeste, den wir bisher gehabt, 35 Grad Neaumür im Schatten. Zlllcs was man anfaßte, war empfindlich heiß, das Metall glühend, und eine Flasche enu <1e ^oll,^i,o, die ich in die Sonne legte, ward nach kurzer Zeit fast kochend. Während dem Essen im Zelte bemerkten wir einen enormen weißen Geier, der mit vieler Gravität und ganz furchtlos, wie es schien, von dem Geruch der Speisen angezogen auf uns zugeschritten kam. Wir ließen ihn bis auf 10 Schritte heranbringen, wo er mit einem Kernschuß großer Posten empfangen wurde. Obgleich diese, wie wir hernach sahen, alle in seinem Leibe Platz gefunden hatten, flog er doch noch einmal auf, und man mußte ihn lange verfolgen, ehe man seiner habhaft werden und ihn mit Stcinwürfen gänzlich ertö'dten konnte. Es war ein schönes Thier, über 346 sechs Fuß mit seinen ausgebreiteten Flügeln messend, und mit ungeheuren Krallen verschen, die eine gefährliche Waffe seyn müssen. Da es uns an Gelegenheit ihn auszustopfen fehlte, so benutzte ich seinen Fang nur zur Nckrutirung meiner Schrcibfcdcrn, von denen er mir einc ansehnliche, zwar etwas kolossale, aber schr brauchbare Quantität lieferte. Abends langte ein Neger im Dienste des Pascha, von Don-gola kommend, auf der Station an, der uns mehrere nützliche Nachrichten ertheilte, und zugleich mit allerlei fabelhaften Erzählungen unterhilt. So sollte es nach ihm auf der Insel Daughos hinter Alt-Dongola zaubernde Kakerlaks, und weiterhin heimliche Menschenfresser geben, tiefer unten im Sennar aber un-bezwcifclt Sirenen, von denen er selbst mehr als eine gesehen zu haben versicherte. Seltsam, daß dies letztere Mährchcn sich fast in allen Ländern und zu allen Zeiten wiederholt. In der Nacht vom 17. zum 18. war die Wüste wahrhaft eoquctt zu nennen. Kühn gestaltete blaue Bergzügc umgrenzten uns in der Ferne, und in der Nähe erhoben sich fortwährend die baroksten Bilder. Oft hätte man darauf schwören mögen, an vcrlaßnen 347 Städten und Burgen vorüber zu reiten, odcr gigantische antike Kunstgcbildc, bald in Form eines riesigen Bechers, einer Urne, Pyramide odcr eines Obelisken, vor sich zu sehen. Als der Mond hcrabgcsunken war, löste ihn die Morgenröthe augenblicklich ab, und bald verklärte die Sonne, wolkenlos über den Bergen brennend, im reinsten Goldglanz die schweigende unermeßliche Gegend; der Weg darin glich an vielen Orten einer auf das Beste erhaltenen und wohl über hundert Fuß breiten Chaussee, hart und eben wie makadamisirt, und auf beiden Seiten von niedrigen Reihen gram'tgckröutcr Hügel, wie von regelmäßigen Dämmen, eingefaßt. Einmal fanden wir in der Mitte dieser Straße ein zierliches Grab, nur aus zwei behaucnen Steinen bestehend, zwischen denen eine Mosaik aus Kiesel in Arabesken recht artig geformt war. Viele schlohweiße Kamcclknochen lagen darum her, doch keine Inschrift zeigte an, wem dieses Monument gelte, odcr wer hier sein einsames Ende gefunden. Um sieben Uhr näherten wir uns dem Nil, der, von hohen Bergen umschlossen, hier einen reizenden Archipel vieler griinbewachsncn Inseln bildet- 348 Andere Eilande, aus schwarzen Felscnmasscn aufgc» thürmt, ragen über die grünen weit empor, und mehrere derselben tragen auf ihren Gipfeln die Ruinen wcitlänftigcr, einst befestigter Schlösser, wie ge-wohnlich nur aus Backsteinen von getrockneter Erde aufgeführt. Diese Ruinen zeigen häufig Gebäude in Pploncnformcn, ohne Zweifel den ägyptischen nachgeahmt, oder durch Tradition so fortgeführt; denn noch jetzt bauen die reicheren Einwohner hier stets ihre Pallä'stc anf dieselbe Art. Der größte dieser vcrlaßncn Trümmerhaufen muß, nach seinem Umfang zu schließen, die Bnrg rines alten Herrschers, oder ein mächtiges Kloster gewesen seyn, auch verräth die ganze Gegend westlich vom Fluß, die durch ihre flache Lage weit ins Laud hinein der Uebcrschwem-mung fähig ist, dort immer noch, wenn gleich jetzt ganz vernachläßigt, Svnren eines ehemaligen blühenderen Znstandes. Dieser Punkt ist gewiß einer der pittoreskesten am Nil, und die allernächste Umgebung des Flusses auch wohlbcbaut, so wie voll einzelner Wohnungen aus Vackzicgcln, die sich über eine Stunde weit längs des Flusses bis zur Insel und dem ansehnlichen Dorfe Dal erstrecken. Man 349 bemerkt unter ihnen die Ucberreste einiger alten christlichen Kirchen, wovon eine noch mehrere Malereien stattlicher Apostel und Heiligen ausweist. In Dal, wo man unsere Zelte in einem ziemlich dichten Palmcnhaiu aufgeschlagen hatte, fanden wir die Landlcutc, welche ein schr anständiger Nazir befehligte , weit gebildeter und zutraulicher als wir sie bisher im Dar-cl-Hadschar angetroffen hatten. Einige zwanzig derselben kamen mit ihrem Schech herbei, um uns zu bewillkommnen, und boten uns Alles, was sie hatten, zum Verkauf au. Wer wohlfeil zu leben wünscht, muß hierher reisen! Für den Werth von zwei Franken kaufte ich folgende Gegenstände: ein fettes Schaaf, vicr Kannen Ziegenmilch, cine wilde Ente von der Größe einer Gans, und zwei Paar schr nett geflochtene Sandalen aus Palmblät-tern. Als eine Sonderbarkeit muß ich erwähnen, daß Hühner, die mau fast überall im Orient, und besonders in Acgppten, zum Uebcrdruß genießen muß, hier ganz unbekannte Geschöpfe waren. Eier kannte mau nur von wilden Vögeln, hatte aber einen Abscheu davor sie zu essen. Die Hitze war um drei Uhr Nachmittags wieder 35 Grad im Schatten, und 350 Wir fanden cs wegen des größeren Luftzuges unter einem Palmbaum im Freien weit erträglicher als im Zelte, wo die Luft so erstickend geworden war, daß man sclbst beim Fächeln mit den hier üblichen kleinen Fahnen aus buntgcfä'rbtcm Stroh — die wie Flicgcnklatschen an ein kurzes Nohr befestigt und sehr praktisch sind — sich nur Vackofenhitzc zuwedeltc. Beim Essen mußten wir, wie gestern, die Gläser fortwährend in kaltes Waffer tauchen, denn eine Minute war hinlänglich, sie, auf dem Tische im Zelte stehend , glühend heiß zn machen. Die Tagesbeschäftigung ist ziemlich einfach auf einer solchen Neise, aber nicht ohne fremdartigen Reiz, nur muß sie meistens .contcmplativcr Natur bleiben, denn selbst das Lesen ward bei dieser Temperatur eine penible Arbeit, und das Schreiben eine wahre Last. Ich bedauerte jeden Tag schmerzlich, gerade hier keinen Sekrctair mit mir zu haben, den ich doch sonst, gleich dem Prinzen Facardin, stets mit mir zu fiihren pflege. Das Individuum sclbst aber, das mir für die Zukunft bestimmt ist, kann sich sehr Glück dazu wünschen, nicht schon jetzt in Funktion zu sepn, denn sein Dienst, den ich bei seinem 351 Mangel nothgcdrungen selbst verrichten muß, würde ihm gewiß unerträglich schwer gebaucht haben! Mein Zelt lag diesmal wie im Grünen gebettet, und hatte einen Kranz jener, nun immer häusiger am Nil werdenden, Giftsträuchcr um sich, nicht nur voll grüner Früchte von der Größe kleiner Aepfcl, sondern hier auch reich mit weiß und blauen Blüthen geschmückt. Aber mehr noch als die Krone des Königreichs Italien verdient diese Pflanze die Inschrift: 6aro ü qui la tuuelle — Blüthen, Früchte, Acste, Blätter, alles ist voll einer fetten Milch, die beim geringsten Druck herausdringt, und wenn sie ins Auge kommt, unfehlbar erblinden macht. Auch innerlich genossen ist sie tödtlich, und die Eingcbor-ncn verfehlten nie uns sorgsam davor zu warnen. Weniger gefährlich, aber desto unangenehmer, fanden wir die lang stachlige Akazie, von der sich heute, während einer kleinen Tour, die ich trotz der Hitze längs des Flusses machte, ein vorstehender Ast dergestalt mit meinem scidncn Kaftan in Verbindung setzte, daß ich die Hülfe zweier herbeigerufenen Schwarzen brauchte, um wenigstens meine Freiheit 352 mit Hinterlassung cincs Theils meines Gewandes wieder zu erlangen. Das belustigendste Schauspiel für mich jeden Abend ist das Aufladen der Kameele, welches in der Negcl von vier bis sechs Uhr andauert. Die Manieren dieser originellen Thiere mit ihrem Girassen-kopf, ihrem Schwanenhals, ihrem Hirschleib und Kuhschwanze nebst dem grotesken Höcker, und den Hinterbeinen, die sie, wie mit Charnieren versehen, so geschickt und taktmäßig in drei Theile zusammenlegen, sind zu komisch, um sie ohne Lachen mit ansehen zu können. Wie ungezogene Kinder schreien und quicken diese Thiere bei jeder Berührung, sehen immer im höchsten Grade melancholisch und empört aus, verlieren aber doch während ihres Aergers keinen Augenblick, um dazwischen wieder ämsig zu käuen, welche Operation, da sie nur die untere Kinnlade dazu in gleichem Tempo mit großer Ernsthaftigkeit rechts und links bewegen, ihnen ganz die Allüre eines alten Weibes giebt, das mit schlechten Zähnen vergeblich eine Brodrinde zu kauen versucht. Ihre Zähne sind indeß nur zu gut, und wenn sie sich in dcr Brunst befinden, ist ihr Viß so fürchter- 353 lich, daß man uns in Kahira erzählte: im vorigen Jahre habe ein Kamcel dem Offizier dcr Wache am Thore des Friedens den Kopf abgebissen. Ich selbst sah sie nur mit Verwunderung die Aestc der Mimosen sammt deren eiscnfcstc fünf Zoll lange Stacheln so unbesorgt abbeißen und kauen, als seyen es Salatblätter. Mit dem letzten Stöhnen dcr Kamccle, welches die Beendigung des Aufpackens anzeigt, und worauf sich dann sogleich die ganze Caravanc, ein Thier an das andere gebunden, in Marsch setzt, begebe ich mich täglich in das stärkende Flußbad, das mir, ohngeachtet der penetranten Kälte des Nilwaffers, bisher immer gut bekommen ist. Warum abe,r der Nil, durch eine unermeßliche Ebne fließend, und den ganzen Tag über den brennenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, dennoch nie die warme Temperatur unsrer Flüsse im Sommer erreicht, kann ich mir kaum erklären, wenn es nicht der Frische der Nächte zugeschrieben werden muß, die hier meistens anch dem heißesten Tagen folgt, aber so viel ich von dem hiesigen Clima bisher, sah, selten oder nie von Thau begleitet ist. Nach dem Bade wird das Abcndfrübstück cin- Mchcmcd Ali'« Rcich, ll. IH 354 genommen, am besten durch die muntere, vaterländische Unterhaltung mit Dottor Koch gewürzt, der Manches erlebt und gesehen hat, und es nut satyrischer Laune wieder zu geben weiß. Einige Stunden Schlaf auf dem Teppiche in der Kühle erquicken dann doppelt, und wenn dcr Vollmond hoch vom Himmel glänzt, besteigen wir wieder die Dromedare. Den I9tcn. Auch diese Nacht und am folgenden Morgen blieb die Wüste romantisch in ihren Formen. Wir bemerkten unter andern, als einen auffallenden Gegenstand , viele Haufen zerstreuter Hügel in größter Regelmäßigkeit, wie Tumuli spitz und vierkantig geformt. Ich äußerte gegen meinen Dragoman, der mit Eugen Sue's drolligem Losophe einige Achl^ lichkeit hat, dies müßten Gräber seyn, die Natur habe sie nicht so regelmäßig bilden können; er aber antwortete lakonisch: „Die Natur kann dem Menschen zum Vorbilde Alles bilden." In dcr That ist den Geologen diese seltsame Formation, welche nicht 355 selten in den großen Ebenen Asiens lmd Afrikas vorkommt, sehr wohl bekannt. Am Morgen blieb ein Trupp großer weißer Gazellen ganz nahe am Wege stehen, und hätte sich wahrscheinlich schnßgerccht erhalten, wenn wir den schlecht gezogenen Susannis hätten verhindern können, sie zu jagen, was uns wenigstens das Schauspiel ihres wiudschncllcn Laufes über die Plainc, so weit unsere Augen sie verfolgen konnten, verschaffte. Man sieht überhaupt hier bald an der Zahmheit der in Freiheit lebenden Thiere, daß die Jäger sie wenig incommodiren, denn außer dem Geier, den wir neulich erlegten, näherten sich uns seitdem fast täglich auf dieselbe Art große Raubvögel und in Dal umkreiste mich einmal ein schöner bunter Vogel mit einer Krone wie ein Kakadu, während ich spazieren ging, mit der größten Ncugicrdc wohl fünf Minuten lang, und verließ mich erst, als ich in mein Zelt zurückkehrte. Als die Sonne schon ziemlich hoch stand, glaubten wir einen ganzen Theil der Ebene vor uns mit hellgrüner Vegetation besetzt zu sehen, bis wir bei näherer Besichtigung fanden daß diese Farbe nur von einem feingcglättetcn Schiefer herrührte, der in der Nähe blau war, in 23 " 356 der Ferne aber täuschend moosartiges Gras vorspiegelte. In sechs Stunden erreichten wir Saki-el-Abd (auf deutsch: die Wasserleitung des Sclaven, weil die Sclaven hier eine Station zn machen pflegen). Der Fluß ist an dieser Stelle wohl eine Viertelstunde breit. Diesseits, wo wir lagerten, stchen nur wenige Häuser, und zwei große Saki's; jenseits aber befindet sich in einem lang sich hindchnendcn Pal-menwaldc, und von einem hohen, prachtvollen Tafelberge überragt, ein ansehnliches Dorf mit einem sehr großen Gebäude, das von zwei der erwähnten modernen Pylonen stankirt wird, die ihm von Weitem ganz das Anschn einer ägyptischen Tcmpclminc geben. Wir fanden hier eine Varkc zum Ueberfah-rcn, und im jenseitigen Dorfe einen gut furnirten Markt, um unsere sehr zusammengegangenen Provisionen zu erneuern. Die Hitze war heute nur 28 Grad im Schatten, und wir fanden dies beinahe kühl. Ehe ich weiter fortfahre, muß ich bemerken, daß sowohl auf Cadalvcncs als Nuppels Karte, welche, bcidc nicht sehr genau sind, die Distanz von Dal bis hierher um sechs deutsche Meilen, also fast einen 357 halben Grad zu weit angegeben ist, da sie, nach dem stets gleichen Schritt der Kamecle wie dem nnsrcr Dromedare beurtheilt, nicht mehr als die von Sem-nch bis Tangur und von Tangur bis Dal beträgt, drei Tagcmärsche, die keine halbe Stunde von einander diffcrircn. Ich erwähne dies nur zur Notiz der Reisenden — nach mir kommenden Gelehrten sey es überlassen, durch gründliche Messungen diese, wie unzählige andere Irrthümer in den meisten bisherigen Karten dieses Theils von Afrika zu verbessern. Um aber auch einen Maaßstab für die anderweitige Wahrhaftigkeit des Herrn von Cadalvcne zu geben, was in so fern nicht ohne Nutzen ist, da er absichtlich in seinem Werke Mchcmcd Ali und sein Gouvernement bei jeder Gelegenheit herabzusetzen sucht, obgleich er, als er hier war, lange in Alerandricn um eine Anstellung im Dienste des Vicckönigs solli-citirtc, und ein ägyptisches Journal herausgeben wollte, was ihm abgeschlagen wurde, (liinc illno lacr^mae!) so will ich hier noch einen belustigenden Paragraphen seines Buches gleich an Ort und Stelle citiren. „Sakic-cl-Abd," beginnt er in seiner gcwöhnli- 358 chcn Manier, „war fast verlassen, als wir daselbst ankamen, denn dcr größte Theil der Einwohner (Alt. von 5—6 Hütten) war in die Wüste geflohen, unfähig die verlangten Abgaben zu erschwingen. Manchmal kommen diese Flüchtlinge nach einigen Monaten wieder, wenn sie hoffen, nicht mehr beunruhigt zu werden;" (wie können sic dies hoffen, wenn die Tyrannei wirklich so consequent und systematisch eristirt, wie sie Herr von Cadalvenc dnrch-gä'ngig angicbt?) „Viele aber ergreifen das Leben dcr Nomaden, und jedes Jahr ficht man auf diese Weise die Entvölkerung einiger Dörfer." „In dcr Abwesenheit dcr Eigenthümer" (dic wahrscheinlich, statt geflohen zu seyn, nur in das Dorf gegenüber zu Markte gegangen waren,) nahmen wir einige Betten («„^aved) in den nächsten Häusern, und trugen sie an den Fluß, wo wir uns ctablirtcn, um die weißen Ameisen zu vermeiden, und vorzüglich die Scorpione, welche während dcr Nacht zu Tausenden aus ihren Schlupfwinkeln tri echen." Nun bivouakirten auch wir auf demselben Ort und in demselben Monat des Jahres, ohne jedoch 359 einen einzigen Scorpion zu sehen. Darauf erkundigte ich mich sowohl bei den Eingebornen als den Leuten, die unsere paravane begleiteten, nach beiden, von Herrn ^adalvcnc hcrvorgehobnen, Gegenständen: 1) der Flucht der Dorfbewohner und 2) der ungeheuren Menge von Scorpionen. Von der ersten wußte Niemand etwas, und von dcn zweiten hatte kaum je ein Einwohner eins dieser Thiere hier gesehen, welche erst, wie sie berichteten, kurz vor Don-gola hinter der Wüste häufig zu werden beginnen. Da es sich nun fast mit allen Diatriben des Herrn Cadalvenc gegen dcn Vicckönig grade eben so verhält, und, wenn man an Ort und Stelle nachfrägt, selten nur eine Spur von allen dcn Gräueln, die er dessen Regierung vorwirft, angetroffen wird, so habe ich seitdem nie einen Paragraphen dieser Art, worin der Verfasser sich so viele Mühe zu stechen giebt, aber nur ohnmächtiges Gift aussprützt, gelesen, ohne lächelnd zu mir zu sagen: »Abermals einer der tausend Scorpionc des Herrn von Cadalvcnc!" Die Caravanc war am 21. Abends wie gewöhnlich um l) Uhr aufgebrochen, und wir folgten 36N ihr erst um 3 Uhr in dcr Nacht, nachdem wir vorher noch eine sehr charakteristische Scene in Saki-el-Abd erlebt hatten. Ich schlief fest in meinem kleinen Sukkursalzcltc, als mich cm ungeheurer Lärm von Trommeln und dem Abschießen vieler Gewehre weckte. Ich sprang auf, und war nicht wenig erstaunt, aus dem Zelte tretend, statt des glänzenden Vollmondes Alles in dunkle Nacht gehüllt zu sehen, während Schießen und Trommeln ohne Unterlaß forttönte. Eine totale Mondsinstermß, wie ich sie nie vollständiger beobachtete, und die uns kein Kalender vorher gesagt hatte, erklärte bald einen und den andern Umstand. Die Einwohner, welche durch den angestellten Lärm dem Monde zu Hülfe kommen wollten, damit dcr schwarze Drache, mit dem sie ihn im harten Kampfe begriffen vermeinten, ihn nicht ganz verschlinge, waren sehr bestürzt über die Begebenheit und sahen sie als die Vorbedeutung großen Unglücks an. Alle Mühe, die sich mein philosophischer Dragoman gab, ihnen die Sache natürlich zu erklären, war eben so vergeblich, als wenn er es versucht hätte, einem unsrer neumodischen Frommen gesunden Menschenverstand beizubringen. Die guten 261 Leute blieben bei ihrer Meinung, und lebten, als die Finsterniß endlich vorüberging, der freudigen Ueberzeugung, nicht wenig durch ihre resoluten Demonstrationen dazu beigetragen zn haben, den Mond für diesmal aus seiner dringenden Verlegenheit zu erretten. Später hörte ich jedoch in Dongola, wo man gegen dieselbe Calamität auch gleiche Maßregeln ergriffen hatte, von einem dortigen Fali eine noch rafftturtcrc Erklärung derselben. >>Nnr das unwissende Volk," sagte er, »glaubt, es sey ein Drache, der den Mond verschlingen wolle. Wir wissen dies besser. Dcr Mond ist ein lebendiges Wesen, so gut als wir, aber ein sehr hoher Potentat im himmlischen Reiche, welches von Gott ganz eben so wic die Erde vom Sultan regiert wird. Wenn also einer dcr Statthalter dort seine Schuldigkeit nicht thut, so läßt ihm dcr Herr des Himmels, wic hier der Sultan, den Kopf abschlagen, oder schickt ihm die seidne Schnur zu. Offenbar ist es nun, daß dcr Mond eine solche Strafe verwirkt hatte, und wir haben daher auch, als sein Antlitz sich zu verdunkeln anfing, weidlich geschossen und Klagetöne vernehmen lassen, um ihm unsere Hülfsbcrcitwilligkeit wie unser 362 Beileid zu bezeigen, denn er konnte noch Pardon erhalten; da wir aber bald merkten, daß keine Gnade mehr für ihn war, und cr endlich ganz verschwand, so haben wir einen noch größeren Lärm, mit Frcu-dcnbczcigungen vermischt, vernehmen lassen, um uns sogleich dem neuen Mond aufs Beste zu empfehlen, der denn auch, nachdem kaum zwei stunden nach der Erecution des letzten vergangen waren, glänzende als je wieder zum Vorschein gekommen ist." Man sieht, die hiesigen Leute vom Stande verstehen so gut als wir, was einem gewand.cn Hös.ingc geziemt. 1^« lioi ost molt, vivo 1« lioi! Der größte Theil unsers heutigen Weges führte den Nil entlang durch angebautes Land, so daß wir die Wüste n eisttnlheils nnr zur Seite hatten. Sehr ansehnliche, stundenlange Dörfer, gut aus Erdziegcln gebaut, von Palmen dicht überdeckt, und mit stucht-baren Feldern umgeben, die in zwei bis drei Monaten schon die zweite Erndtc gewähren werden, sind Bürgen des vcrliä'ltnißmäßigcn Wohlstandes und der größeren Sicherheit des Eigenthums, welche seit Mchcmcd Ali's Ncgierung hier herrschen. Noch immer begegneten wir Karavanen von Kamcclcn und 363 von Sclaven. Eine der letzteren hatte sich sehr malerisch in einem Garten neben den Ruinen von Se-denga gelagert, und belustigte uns, als wir mitten durch sie hinzogen, durch eine Gruppe ausgelaßner Mädchen', die uns auf alle Art und Weise verspotteten, wozn unsre weiße Farbe und unser fremdartiges Costüm ihnen die beste Gelegenheit gaben. Auf unsre Frage: ob eine der muthwilligstcn und hübschesten darunter zn verkaufen sey? — ward nur mit einem barschen »Nein!" geantwortet, denn die Scla-vcnhändlcr aus dem Innern schienen einen eben so großen Abscheu vor den ungläubigen Christenhnnden zu haben als die Sclaven selbst. Ich bin überzeugt, daß kein Individuum dieser ganzen Gesellschaft, wenn wir es ihm hätten anbieten können, mit uns getauscht haben würde. — Alles in der Welt beruht auf Meinung! Nachschrift. In dicscm Augenblicke erfahre ich, aus den Zeitungen und bestätigt durch bei Sr. Majestät unserm König so eben eingegangene direkte Berichte aus Alerandricn, die seltsame Abdankung Mehemcd Ali's. Einige sehen darin Feigheit und Altersschwäche, Andere gar Verrücktheit des ergrauten Helden. Beides ist möglich, weil es am Ende nur der stets gebrechlichen Menschheit angehört, und es übcrdcm eben nicht zu sehr verwunderlich wäre, wenn ein Mann, der sein ganzes Leben an ein großartiges, schwieriges Werk verwendete, und dies dann in einem Augenblick mit täppischer Hand zertrümmern sieht — den Verstand darüber verlöre. Wie ich jedoch Mehemcd Ali kenne, und indem ich diese neueste Begebenheit mit einer fast gleichzeitigen Nachricht 365 von einem durch den Vicekönig mit dem Gouverneur von Indien abgeschlossenen Handelstraktat in Verbindung bringe — halte ich das Ganze vielmehr für einen tief angelegten und mit seiner gewöhnlichen schlauen Klugheit ausgeführten Plan Mehemcd Ali's, sich von nun an ganz in Englands Hände zu geben, nachdem er wohl eingesehen, daß er, von allen äußern Freunden im Unglück verlassen, und von ägyptischen Intriguen umgeben, denen wahrscheinlich seine eigne Familie nicht fremd ist, nur bei England, das ihn gestürzt, auch allein die Macht findet, welche ihn, den beiderseitigen großen Vortheil jetzt besser einsehend, wieder fest zu stellen vermag. Mehemed Ali ist kein Pedant, ich wiederhole es, er nimmt immer die Dinge, nicht vom Ideal aus betrachtet, auf, sondern wie sie wirklich sind, und benutzt sie in dieser Hinsicht zu seinem eignen Vortheil nach dem Maaßstabe der Ausführbarkeit. In wiefern dies nun für einen Herrscher weise sey oder nicht, lasse ich hier ganz dahingestellt, Jeder mag hierüber sein eignes Urtheil fragen — daß aber Mchcmed Ali so denkt, hat er von jeher bewiesen, und daher glaube ich, daß cr auch diesmal demgemäß handeln wird. 36ft Jedenfalls darf er hoffen, untcr englischem Protektorat sichrer zu regieren, als untcr türkischem oder dem irgend einer andern europäischen Macht, und unter keinem Verhältniß zugleich (denn die Engländer sind auch nie Pedanten) freieren Spielraum für das innere Wohl seiner Unterthanen zu finden, der einzige und schönste Ruhm, der ihm von nun an noch übrig zu bleiben scheint. Nur die Zukunft kann lehren, ob ich mich in dieser Auslegung der wahren Absichten Mchemed Ali's ine, denn alt ist er freilich, und öfter mag wohl noch, trotz dem Sprüchwort, dic Jugend mit Tugend, als das Alter mit Kraft vereint angetroffen werden. Indeß keine Ncgel ohne Ausnahme — bis jetzt halte ich den greisen Mehcmed Ali, obgleich naturgemäß schon dem Ende seiner Laufbahn nahe, noch immcc für eine solche. Sagan am 22. August 1844. Ende des zweiien Thclls. So eben ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen : Ludwig Philipp der Erste, König der Franzosen. Darstellung Seines Lebens und Wirkens. Von vr. Christian Dirch. Dritter Vand. gr. ^. br. 2 Thlr. 12 gr. oder .1 ff. Mit diesem dritten Vande, der die Geschichte des Königs und seiner Negierung bis zum Jahre «8!^ enthält, ist das Werk vorläufig beschlossen. Die wichtigsten politischen und literarischen Organe haben es einstimmig als das Gediegenste und Bedeutsamste erklärt, was über, den hochwichtigen Gegenstand bis jetzt, nickt blos in Deutschland, sondern überall erschienen ist, und die Wiener Iahr-lücher d. Literal, sagen mit Recht: „Dieses Werk tritt zwar in der -„bescheidenen Gestalt einer Biographie auf, nichts desto weniger ist „cs den größeren Geschichtswcrfen über die Iel^cit an die Seite zu „stellen." Dieser letzte Band, der die interessantesten Gegenstände bespricht, wie: die Befestigung uon Paris, der Kampf zwischen In-dustrialismus und freien Handel. Sozialismus und Communismus — wird zuverla'ßig dieselbe günstige Aufnahme finden, welche den beiden ersten Bänden (Preis 2 Thlr. — « st,) zu Theil geworben ist. Ferner ist bei uns erschicnm: Kleine Schriften von Nitter Anton von Prokesch-Vsten. Gesammelt von einem Freunde. I—III. Bd.: Militärisches. Mit Karte» und Pläucn. k, br. 4 Thlr. 12 gr. vder 7 ft. 30 kr. IV. Äd,: Biographisches. 1 Thlr. 12 gr. vder 2 st, 3u. kr. V. Bd.: I. Kunst und Leben. II. Literarischeiz. 2 Thlr. cber I ft. 30 kr. VI. Bd.: Gedichte, i Thlr. i« gr. oder 3 st. VII. Bd.: Krleg deo Vizekunigö »on Aegypten Mohammed Ali's gegen den Sultan. In den Jahren I8^l biö 1833. i Ti.'lr. 18. gr. oder 2 ft. Stuttgart. HMberger'sche V erlagshandwng. In unserem Verlag« erschlen «nd ist durch nil« Bnch' Handlungen zu beziehen: Winterbriefe vom Verfasser Herbstblätter aus Holland, Delgien und Paris. 8. br. Thlr. l. 6 gr. oder st. 2. — Hat uns das ausgezeichnete Darstellungstalent des geistvollen Reisenden in den „Herb st blättern" mehr mit be« schönen Natur um Paris, dein nördlichen Frankreich, Belgien und Holland bekannt gemacht, so führt er uns, als ein Glied der höheren Gesellschaftskreise, mit den „ Wlnterbriefen " zu den Festen der Tuilerien und in die Salons der Pariser Iinulo vnl^e, zeigt uns ihre hervorragendsten Erscheinungen, und ueht uns dann aus dem Geräusch der Welthauptstadt über Nantes, Vordeaur, Pau in die Pyrenäen, von da nach Montpellier, Marseille, Toulon in den warmen Frühling des südlichen Frankreichs, von wo aus wir ihn über Avignon, Lyon und Straßburg zurückbegleiten. Stuttgart. Hallbergcr^sche Verlagshandlung.