Leopold Kretzenbacher Der Jesusknabe verwandelt eine Lilie in eine Trompete Zu einem seltenen Motiv im geistlichen Volkslied der Slowenen Izhajajoč iz apokrifnega motiva o Jezusovi oživitvi iz ilovice zgnetenih ptičkov avtor opozori na podoben primer iz slovenskega pesemskega izročila, namreč na dva zapisa legendarne pesmi Jezus spremeni lilijo v trobento. Zanima ga vprašanje, za katero cvetlico gre v tej pesmi. Proceeding from the apocryphal motif of Jesus reviving clay birds the author wishes to draw attention to a similar case from the Slovene song tradition, namely to two notations of the legendary song entitled Jezus spremeni lilijo v trobento (Jesus Changes n Lily Into a Trumpet). He wonders which the flower mentioned in this song is. Zwanzig Jahre ist es her, class mir unsere Jubilarin, Frau Prof. Dr. Zmaga Kumer, mit der ich schon seit viel längerer Zeit befreundet sein darf, ein slowenisches Volkslied aus Štajerska, der historischen Untersteiermark, in ihrer Abschrift zugeschickt hatte. Es war »vor 1920« aus dem Munde einer Frau von 72 Jahren Lenčka Esih aufgezeichnet worden und wurde zusammen mit einer Variante aus Trzin in Oberkrain (Gorenjsko) 1914 aufgezeichnet und 1981 erstmals in den »Slovenske ljudske pesmi« (SLP) zu Ljubljana mit diesem Titel veröffentlicht: Jezus spremeni lilijo v trobento Frau Zmaga Kumer hatte mir das slowenische geistliche Lied geschickt, nachdem wir wegen eines anderen »Verwandlungswunders« in brieflicher Verbindung gestanden Waren wie seit so langen Jahren immer wieder. Ich hatte ihr 1979 meine Studie über ein anderes miraculum des Jesusknaben zugeschickt: »Malbild-Erzählen aus dem Apokryphenwissen des Mittelalters«.2 Das Motiv: der Jesusknabe spielt - am Sabbat! -mit anderen Kindern. Sie formen aus feuchten Lehmklumpen kleine Vöglein. Sein Zmaga Kumer - Milko Matičetov - Valens Vodušek, Slovenske ljudske pesmi. Druga knjiga: Pripovedne pesmi, Ljubljana 1981, S. 100 f., Nr. 79. Leopold Kretzenbacher, Malbild-Erzählen aus dem Apokryphenwissen des Mittelalters. (Fabula. Zeitschrift Ihr Erzählforschung, 20. Jgg., Berlin-Nevv York 1979, S. 96-106, besonders S. 97-98; zwei Abbildungen. Nährvater Joseph ist erbost darüber, dass sein Ziehsohn Jesus am streng nach altjüdischem Gesetz »arbeitsfrei« zu haltenden Sabbat sich zu solchem Tun einlässt. Da »verwandelt« der Jesusknabe diese Lehmvöglein in lebendige Spatzen und die fliegen wie im Protest per miraculum auf und davon. Dieser Szene waren Frau Zmaga und ich in einer berühmten Bilddarstellung anlässlich einer »Alpes Orientales« - Tagung in Graubünden (Schweiz) als Einzelszene auf der romanischen Holzdecke in der Kirche zu Zillis mit ihrer bunten Gamäldefülle der Zeit um 1316 begegnet.1 Auch in einer Grazer Handschrift der in der alten Kartause zu Žiče (einst Seitz) bei Slovenske Konjice (einst Gonobitz) vor 1316 zu Ende geschriebenen mittelhochdeutschen Reimvers-Dichtung eines »Marienlebens« von Bruder Philipp dem Kartäuser fand ich diese Szene vom »Lehmvögel«-Wunder als Buchmalerei.'* Die köstliche Legende stammt als besonders »frühes Wunder« des Jesusknaben aus einer bereits im Alten Orient weit verbreiteten Apokryphe. Sie ist uns in mancherlei Sprachen, für den lateinisch geprägten Westen auch aus dem Griechischen des 3- und 4. Jahrhunderts bekannt aus den Berichten über den »Pseudo-Thomas« und sein Erzählen von der Kindheit Jesu.5 Anders steht es beim nur zweifach bis jetzt belegten slowenischen Volksliede Jezus spremeni lilijo v trobento. Hier zunächts die Fassung aus der Štajerska »vor 1920«:6 1. Leži, leži mi pölje. oj polje široko, po polju gre mi cesta, oj cesta ohlajena. 2. Po cesti gre Marija, Marija prežlahtna gospa, v eni roki nese belo lilijo, v drugi roki nese nebeško detice. 4. Še s totoj bo trobentata na tisti strašni dan, te žive dol polagal, te mrtve gor budil. 5. Bog nam pomaj, Marija, na ti strašni sodni dan, nam ob strani stoj na ti strašni sodni dan. 3- Jezus v prvi roki nese to belo rutico, v drugi roki nese nebeško trobentico. Die zweite, erst 1981 im Druck wiedergegebene Variante verdanken wir einem ganz hervorragenden slowenischen Volksliedsammler aus der Gegend von lg bei Ljubljana ■' E. Murbach - H. Hemann, Die romanische Bilderdecke der Kirche St. Martin. Zürich 1967, Vorwort von Ch. Simonett. Eine vorzügliche Bildkarte im Beuroner Kunstverlag, Farbbildkarte Nr. 6213. 1 Wie Anm, 2, 1979, S. 98-102. Nach der Handschrift im Steiermärkischen Landesarchiv zu Graz, Sign.: FG 7/ 2, 8. Die Handschrift, eine von etwa 90 Fassungen und Fragmenten erzählt:..Daz clciz clitiit iesus vogel machte. ’ Zum apokryphen sogenannten ■Thomas-Evangelium- im Rahmen der vielfältigen Überlieferungen zur Geschichte der Kindheit Jesus vgl. den griechischen wie den ins Spanische übersetzten Text bei: Aurelio de Santos Otero, Los Evangelios Apocrifos. Madrid 1956, 4. Auflage 1984, S. 299-324, bes. S. 303 f. - Gemeint ist aber nicht der Apostel Thomas -der Ungläubige- (nach Joh 20, 24-29), sondern -Thomas der israelitische Philosoph-, Vgl. dazu: Edgar Hennecke - Wilhelm Schneemelcher, Neutestamentliehe Apokryphen in deutscher Übersetzung. 4. Auflage, Band I, Evangelien, Tübingen 1968, S. 290-300; das -Lehmvögel-Wunder-, S. 293 f. 4 Quelle: Handschriftliches Liederbuch L. Esih, Nr. 2 (Nachlass Karel Štrekelj /1859-1912/ im Glasbenonarodopisni inštitut (GNI) bei Znanstvenoraziskovalni center der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Ljubljana. (1890-1959), Franc Kramar.7 Sie ist, nach einer Briefmitteilung von Frau Zmaga Kumer an mich (16. II. 1979) jünger und ihres Erachtens »entweder eine Verarbeitung des älteren Textes oder eine Nachbildung, denn hier spricht man nicht mehr vom Jesu-Wunder. Nut-einige Verse sind gemeinsam«. Gerade die aber möchte ich hier gerne wiedergeben. Nacli dieser Oberkrainer Fassung aus Trzin, aufgenommen von Franc Kramar am 12. VII. 1914 samt der Melodie, die für die genannte Drucklegung von 1981 noch der inzwischen leider früh verstorbene Kollege Valens Vodušek (1912-1989) die metrische Untersuchung beigesteuert hatte,” beginnt damit, dass Maria »über die grünen Wiesen« (im so sehr beliebten Deminutiv po zelencih travančkah) zur Kirche geht. Sie trägt ihren lieben Jesusknaben auf dem Arm. Doch der beginnt zu weinen. Tief bückt sich die Gottesmutter zu Boden »und pflückt ein Blümlein, die weisse Lilie«: 4. Marijä clol prpogväti,/ se nisko prklont. 5. Pa jeno rožco vtrga,/ to bevo lilijo. 6. Pa jo je Jezši dajäva,/ de b se buv igrow iz no. / Jezus je pa ž ne naredu / zvalo trobentico. 8. Ktero bo angel nucotv / na ta strašni sodni dan. 9. Ta žive bo tolažu,/ ta mrtve gor budiiv. Der Oberkrainer Text von 1914 zeigt aber doch eine gewisse Nah-Verwandtschaft zum steirischen »vor 1920«: Mariens Gang mit dem Kinde, das auf ihrem Arm zu weinen beginnt. Den Knaben zu beruhigen bückt sich seine Mutter tief und pflückt ein "Blümlein«, »Röslein« (rožco) die »weisse Lilie« (Io bevo lilijo). Die gibt sie dem weinenden Kinde und das »spielt« mit ihr (wie der Jesus-Knabe in der frühchristlichen Thomas-Apokryphe mit den »weichen Lehmkugeln«, griech. peelös trypherös, also mit etwas •vom Boden Aufgenommenem«, nachmals durch sein »Wunder« Verwandeltem »spielt«), Das slowenische Lied aus Oberkrain lässt daraus aber nicht wie in der griechischen Thomas-Apokryphe »lebendige Vögel, Spatzen, Sperlinge« werden, die durch ihr Auf-Oiegen die Allmacht Gottes auch in seiner Kind-Gestalt den Nährvater Joseph und die mitspielenden Kinder erkennen lassen. Im Oberkrainer Lied geht es darum, dass auch hier die Gottheit als Kind »spielt«, im spielerischen Verwandlungs- »Wunder« als eindringlich wirksames miraculum zu »geistlicher Mahnung«, als exhoratio auch im Positiven als nicht nur drohende, sondern auch tröstende, Hoffnung gebene »Aufmunter-tmg« auf das Endgericht geschehen lässt: zur »rufenden Trompete« (zvata trobentica) lässt das Göttliche Kind die ihm, dem Weinenden, jene ihm von Maria in mütterlicher Erfahrung durch Ablenkung im Spiel gegebene Blume werden. Ihrer wird sich der Engel am Tage des »schrecklichen Gerichtes« bedienen; er wird sie dazu »nützen« (bo angel nucov), wenn er auf göttliches Geheiss »die Lebenden trösten, beruhigen, besänftigen«, die Toten aber »auferwecken wird«... Man könnte, sollte vielleicht auch diese Volkslied-Miszelle als bescheidenen Gruss an die so bedeutende Volkslied, Volksmusik und Instrumenten-Forscherin Zmaga Kumer, ausgezeichnet mit der Anerkennung durch den A. J. Murko-Preis in der Heimat 1989, mit dem international renommierten Herder-Preis der Senator Toepfer-“Stiftung F. V. S. zu Hamburg« in Wien 1992 und dem slowenischen »Žiga Zois«-Preis für ihr so reiches Lebenswerk, verliehen in Ljubljana 1998, hier abschliessen. Aber es ergeben sich aus den beiden slowenischen Liedtexten doch auch Fragen, die für mich als einen, der sich vor allem um eine kulturhistorisch ausgereichtete »Vergleichende 7 Druckfassung SLF, Band II (wie Anm. 1) Aufzeichnung von Olganisten und Volksliedsammler Franc Kramar (1890-1959). Kramar sammelte zwischen 1906-1914 im damaligen Auftrag des Österreichischen Wissenschafts-Ministerium nicht weniger als 4470 Volkslieder samt ihren Liedweisen. Darunter befinden sich sehr viele slowenische -Kirchenlieder- als geistliches Liedgut, über das F. Kramar selber 1927-28 zu berichten wusste. Vgl. Slovenski biografski leksikon (SBL) I, Ljubljana 1925-1932 (in Lieferungen) S. 554. * Valens Vodušek, SLI’ I, 1981, S. 100. Volkskunde- im Sinne und mit dem Ziel einer Ethnologia Europaea bemüht, freilich nicht zur Zufriedenheit »lösbar- ergeben. Diese Fragen ergeben sich aus botanisch nicht ausreichend klaren Bezeichnungen in den Liedtexten für jene Blume, Blüte, die Maria als bela lilija, bela rutica, als rožca, beva lilija zum Spielen in die Hand ihres Göttlichen Kindes gibt, ihm als Gegenstand zum miraculum im Sinne geistlich-pastoraler Mahnung im religiösen Volksliede. Bela lilija, die »weisse Lilie- besagt zwar im übergrossen Reichtum ihrer für die Ikonographie von Werken vieler Jahrhunderte und weithin über die Welt bedeutsamen »Symbol-Verwendung sehr viel.9 Aber »Lilie« ist hier zu allgemein. Davon (lat. lilium) gibt es nach Auskunft der »Pflanzenwelt-Lexika- mindesens 75 Arten. Gewiss gibt es darunter auch Arten (species in der biologischen Systematik), die »Blüten« in der Länge von 18, 20 oder noch mehr cm Länge treiben: die »langblütige Lilie«, (lilium longiflorum) z. B., die »Pyrenäen-Lilie-, die wie die »Krainer Lilie« (lilium carniolicum) Blüten von nur etwa bis 5 cm Länger hervorbringt. Diese »Lilien« kommen für unsere slowenischen Liedtexte wohl nicht in Frage. Es steht meines Erachtens auch mit dem slowenischen Pflanzennamen rutica, wie es Mariens »himmlisches Kind« (nebeško detice) in seiner Fland hält (als bela rutica) nicht viel besser. Eine bela rutica, eine »weisse Raute« (ruta hier nicht verstanden als »Tüchlein«, sondern als Pflanzbezeichnung), kommt bei allen slowenischen Lexikographen vor. Anton Janes Murko (1809-1871) zählt in seinem Handwörterbuch zu Graz 1833"’ nur ruta (ohne ein Diminutiv) für »Name eines Fisches; das Tüchel; das Linnentuch“ auf. Matej Cigale (1819-1889) verzeichnet I860 unter »Raute«" ruta, rutica, dišeča rutica (lat. thalictrum, talin) so wie Maks Pleteršnik (1840-1923) zu Ljubljana 1895 dieses talin für »Wiesenraute« (thalictrum aquilegifolium) anführt.12 »Rautenpflanzen« (lat. rutaleš), »Rautengewächse« (lat. rutaceae) und »Rautenartige« (ruto ide-ae) gibt es in Hunderten von Gattungen und rund löOO Arten, zumal in den wärmeren Ländern. Welche davon soll es sein, die im slowenischen Volksliede als bela rutica die gedankliche Vorstellung als bildprägende Assotiation beim Hörer erwecken könnte? Keine könnte, wie wenigstens ich als Nicht-Botaniker glaube, mit dem slowenischen Worte trobentica, bei Pleteršnik1-1 für die »Frühlingsschlüsselblume« (lat. primula officinalis) und im heutigen Slowenisch etwa bei France Tomšič (1905—1975)1-1 trobentica für »Schlüsselblume, Primel, Aurikel« das bild-gedanklich leisten. ” Vgl. in Auswahl: Gerd Heinz - Mohr, Lexikon der Symbole, Bilder und Zeichen der christlichen Kunst. Düsseldorf - Köln 1971, S. 188 f.; Heinrich und Margarethe Schmidt, Die vergessene Bildersprache christlicher Kunst. Ein Führer zum Verständnis der Tier-, Engel- und Mariensymbolik. München 19881, Register s. v. Blumen, Lilie für Maria.; Manfred Lurker, Wörterbuch der Symbolik. Stuttgart 1979, Registers. 678. 111 Anton Janes Murko, Slovensko - Nemshki in Nemshko - Slovenski Rözhni Besednik. Kakor se slovenshina govori na Shtajerskim, Koroshkim, Krajnskim in v' sahodnih stranih na Vögerskim. V' Gradzi. 1833. S. 498. 11 Matej Cigale, Deutsch-slovenisches Wörterbuch. II. Teil, Laibach I860, s. 1238. 12 Maks Pleteršnik, Slovensko - nemški slovar. II. Teil, Ljubljana 1895, s. 655. Ebenda 11, S. 694. 11 France Tomšič, Slovensko-nemški slovar. Slowenisch-deutsches Wörterbuch. Ljubljana 1958. S. 901. - Zur sprachwissenschaftlich-lexikographischen Lebensleistung von France Tomšič vgl. SBL XII. Heft, Ljubljana 1980. S. 126-129. Auch die gewissenschafte Durchsicht weiterer Wörterbücher zumal des Slowenischen in meiner bescheidenen Privatbibliothek brachten mir diesbezüglich keine klärenden Einsichten. So z. B. bei: Hieronymus Megiser, Slovenisch-deutsch-lateinisches Wörterbuch. Neugestaltung und Facsimile der ersten Ausgabe aus Jahre 1592. Bearbeitet von Annelies Lägreid, (Monumenta linguae slavicae dialecti veteris. Nach langem Umfragen und Überlegen glaube ich nun doch eine Liedtext-, Gedanken- und Bildvorstellung als mögliche Einheit gefunden zu haben. Ich setze sie - mit aller Vorsicht - hieher ans Ende dieser kleinen Studie. ln meiner engeren, grenznahen südsteirischen Heimat gibt es eine als »Formähnlichkeit» schaubare, von ihrem Namen her noch enger zu einem Schluss verlockende Zierpflanze. Sie ist heute und hier, aber nicht nur hier, sondern auch im slowenischen Drautal zwischen Dravograd (Unterdrauburg) und dem Ptujsko polje (Pettauerfeld) offenkundig auf Bauernhöfen und den Zweitwohnsitzen mancher Stadtbürger beliebt und dicht verbreitet als (nicht »winterhartes») Gewächs in der Höhe eines grösseren Strauches, fast eines kleines Baumes. Diese Zierpflanze gehört botanisch nicht zu den nie so gross werdenden Liliengewächsen (liliaceae) mit ihren etwa 3500 Arten in 220 Gattungen. Doch sie treibt »trompetenartige», hängende Blüten in Grösse und Fülle, dass sie bezeichnenderweise (und nicht nur im Volksmund, sondern auch in botanischen Handbüchern) hier im Deutch-Steirischen »Engelstrompeten« genannt werden.15 Die meist weissen, aber auch gelben, herabhängenden grossen Blüten dieser »Stech-hülsengewächse« (aquifoliaceae) werden an diesem aus Brasilien zu uns gekommenen Strauche bis zu 20 oder gar 30 cm lang. Bei Umfragen am 9. XL 1998 zu Lebring-St. Margarethen, Bezirk Leibnitz, hatte ich vereinzelt auch den Namen »Datura» für diese Zierpflanze gehört. Da konnte ich mir zunächst nichts darunter vorstellen. Ich dachte an mögliche romanische Herkunft, fand aber in den mir zugänglichen Wörterbüchern von Friaul (Furlanija) und der Venezia Giulia samt slowenisch besiedelten Rezija keinen Beleg. Das Rätsel löste sich, als ich mit Hilfe meiner Tochter Friedegund (geb. 1940, Absolventin des Naturwissenschaft-Studiums an der Universität Graz) den ganz offiziellen lateinischen Namen für den blütenreichen »Stechapfel«-Strauch: »Die Engelstrompete» ( lat. Datura suaveolens) erkunden konnte.16 Einen slowenischen Fontes et dissertationes. Band VII, Wiesbaden 1967); Franc Miklošič (Miklosich) (1813-1891), Lexicon linguae slovenicae veteris dialecti. Vindobonae (Wien) 1850, Nachdruck München 1970; Janez Krizostom I’ohlin (1780-1850), Tu malu besedishe treh jesikov, das ist: Das kleine Wörterbuch in dreyen Sprachen. Facsimile der ersten Ausgabe München 1972: Nicht paginiert, Lage Fl"3: Ritteza, Die Raute, Ruta, adianthum, Marko Pohlin (1735-1801), Glossarium slavicum, quod conscripsit K. F. Marcusa S. Antonio Paduano...Vindobonae (Wien) 1792, 3. Aull. 1793; Facsimile München 1973, S. 80: Ruteza, germ. Raute: tat. Ruta; Augto. et infer. Sax. Rude, a gr. lytee, Gregorj Alasia da Sommaripa, Slovar italijansko-slovenski, druga slovensko-italijanska in slovenska besedila. Videm (Udine) 1607. Facsimile Ljubljana - Devin - Nabrežina - Trst 1979. Hs ist mir am Beginn meines 87. Lebensjahres derzeit nicht möglich, in den grossen Wörterbuch-Instituten der Wissenschafts-Akademien zu München, Wien und Ljubljana, denen ich angehören darf, für genauere Wortforschungen, die diesen Festschrift-Beitrag weit überschreiten müssten, zu arbeiten. Dennoch möchte ich im Folgenden einen mir jedenfalls »weiterführend" erscheinenden Wort-Bild-Gedanken kurz darlegen, auch wenn dazu gerade auch von slowenischer Seite Wort-, Bild- und Botanik-Studien erwartet werden müssen. 11 Ich verwende in meiner Handbibliothek dazu gerne ein (von mir schon etwa um 1935 als Student gekauftes) "DGB (Deutsche Buchgemeinschaft) Lexikon der Pflanzenwelt». Es erschien (ohne Verfassernamen, nur mit den Hinweis auf diese Botaniker Hartmut Bastian, Paul Hiepko, Eva Potztal, Hildemar Scholz, Wolfram Schultze-Motel) ohnejahrzahl (um 1935) in jener DGB zu Darmstadt. Zur -Engelstrompete» S. 117. Ebenda; dazu eine Schwarz-weiss-Abbildung des Stechapfels als -Die Engelstrompete-D«/«ra suaveolensS. 427. - Neuere botanische Lexica beschreiben diese »Engelstrompete / datura suaveolens• noch genauer: Ippolito Pizzetti - Henry Cocker, Flowers. A Guide for Your Garden. New York 1968, S. 369-376, Angels Trumpet-, Gustav Hegi, Illustierte Flora von Mitteleuropa. Band V, Teil 4, Berlin-Hamburg 1975, S. 2612: Datura. Stechapfel = französisch stramotne, engl. Tliorn-apple, ital. straminir, arab. (Datura) tatula. Beschreiben Namen habe ich bi.s jetzt noch nicht in Erfahrung bringen können. Hier hoffe ich auch weiterhin auf Freundeshilffe aus Ljubljana. Umzeichnung: Frau Obeirestaumtor i. R. Marie Leiner Datura suaveolens Dass im slowenischen Liedgut, das so viel an religiösen Motiven in seinem Reichtum birgt, die Nähe zu Tod und Jenseitsgericht die Menschen zu solchen Formulierungen wie der bela lilija, der bela rutica, die durch das nebeško detice zur nebeška trobentica wird, ist für mich verständlich. Die Form der »Trompete« würde das nahelegen. Das würde wohl kaum die Form der "Lilie«, die allgemein im Christentum fast nur als Sinnbild der Reinheit in der Hand eines, einer Heiligen steht, zuwege bringen. liugelsl rumpele, tat. datura suaveolens, Lebring - St. Margarethen, 9. XI. 199S als eine -Gattung von 20-30 Arten-, Auch nach G. Hegiist die Herkunft der erst im 16. Jh. bei uns eingewanderten Pflanze (wie die Antike sie entgegen anderen Meinungen noch nicht gekannt hatte) weiterhin nicht geklärt. (S. 2614 0. - Eine slawische, im besonderen eine slowenische Bezeichnung beizubringen hält man bei westlichen Autoren und Forschern auch im ausgehenden 20. Jh. leider noch immer nicht für nötig. Wohl aber kann die auffallende Form der Blüte einer datura/Engelstrompete den Anstoss zur Bildsymbolik gegeben haben, zumal die beiden slowenischen Texte nicht vor dem Beginn des 20. Jahrhunderts aufgezeichnet wurden, wenngleich sie wesentlich »älter» sein mögen. Wenn die slowenischen Liedtexte den Schall der Trompete erklingen lassen, die Endzeit des Jüngsten Gerichtes einer dies irae, in den meisten slawischen Sprachen den strašni sud, das »Schreckensgericht« ankünden, so muss das hier als »Rufer« gedachte Instrument in der Liedstrophe des »Volkes« oder eines, vermutlich eines Geistlichen, der diesen »Ruf« dem Volke auch »mundgerecht hörbar« manchen will, auch eine entsprechend überzeugende Grösse haben. Sie soll ja den Schreckensruf »Wachet auf!« vernehmbar machen können so wie die Posaunen und Tuben in so manchem »Requiem«, die auf die unwiderstehbare »Mächtigkeit« des drohenden Geschehens eines Weltgerichtes mahnend hin brausen. Dem entspräche in der Psychologie volkstümlichen »Sich-vorstellen Könnens« eine zarte weisse Lilie nicht in dem Masse wie es die bela rutica kaum vermöchte, wenn sie in der Hand des Jesusknaben zur nebeška trobentica, so wie eben dieser Jesusknabe dereinst in der letzten Weltzeit-Stunde zum alles und »auf ewig« entscheidenen iudex wird. Ob hier die »Krainer Lilie« (lilium camiolicum)17 gemeint sein könnte, ist zweifelhaft, weil deren Blüten in Norditalien, Krain, Dalmatien nur bis 5 cm lang werden. Sie erregen wohl kaum den Gedanken an die nebeške trobentice unseres geistlichen Liedes mit seinen nur wenigen bekannt gewordenen Varianten aus Štajerska und Gorenjsko. Nicht im Literarisch-Ästhetischen einer kunstvollen Sprachgestaltung liegt für mich das Wesen des »Volksliedes«, zumal eben des religiös intendierten wie des »Legendenliedes«.1“ Von dieser Seite her betrachtet führt es eben auch im Slowenischen19 eher schlicht, manchmal im Ausdruck fast unbeholfen sein Dasein eben sozusagen fast nur für »das Volk«. Wer sich gerade mit diesem Kulturerbe des nur zahlenmässig »kleinen« Slowenen-Volkes befasst, der darf bei genauerem Zusehen erkennen, wie viel an kulturellem »Erbe« auch noch in den Spätaufzeichnungen seit dem Beginn 19- Jahrhunderts vorhanden ist aus Räumen und Zeitspannen der gesamtabendländischen, nicht nur der mitteleuropäischen Kulturhistorie. Dieses »Erbe« verbirgt sich oft in religiösen Gedanken inniger Gottsuche, Legendennähe und Wunder-Gläubigkeit. Die drücken sich ihrerseits mitunter in sehr schlichten Worten aus, die noch Elemente aus dem 1 heologengespräch längst vergangener Jahrhunderte tragen, wie sie einst Gedankengut und Formulierungen einer hohen Kirchentheologie waren. Nur leben sie, dem "Volke mundgerecht weitergegeben« in Vorstellungen zwischen Kirchenstrenge und "geduldeter« oder auch sogar »geförderter« Volksfrömmigkeit.20 Beide Varianten des 17 Ebenda S. 266. Rolf Wilhelm Brednich - Lutz Röhrich - Wolfgang Suppan, Handbuch des Volksliedes. Hand I: Die Gattungen des Volksliedes. München 1973: dort: Leopold Kretzenbacher, Legendenlied, s. 323-342. Zmaga Kumer, Vloga, zgradba, slog slovenske ljudske pesmi. (Zbirka Znanstvenoraziskovalnega centra Slovenske akademije znanosti in umetnosti, Band 12), Ljubljana 1996. Zu eigenen Studien über den Gehalt slowenischer «Volkslieder* an Inhalten geistlichen Lebens und religiöser Fragen vgl. in Auswahl: Leopold Kretzenbacher, -Es reisen drei Seelen wohl aus von der Pein...-. Zur Kulturgeschichte der Ballade von Maria und den drei Seelen. (Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes, Band II, Wien 1953, S. 48—58); derselbe, Zur -Rabenmutter—Ballade bei Deutschen und Slowenen in Innerösterreich. (Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes, Band VI, Wien 1957, S. 102-112); derselbe, Die Seelenwaage. Zur religiösen Idee vom Jenseitsgericht auf der Schicksalswaage in Hochreligion, Bildkunst und Volksglaube. Buchreihe des Landesmuseums für Kärnten, gel. v. Gotbert Moro, IV. Band, Klagenfurt 1958, darin: Die slowenischen Legendenballaden von der -Seele auf der Waage-. S. 201-207; Textes unseres slowenischen Volksliedes Jezus spremeni lilijo v trobento wenden sich über ein legendenhaftes »Wundergeschehen« der auch in Kindesgestalt allmächtigen Gottheit rufend und mahnend an den gläubigen Menschen mit dem Hinweis der Jenseitsrufer-Trompeten wie sie vielleicht als Bild-Gedanken aus dem Bliiten-Gestal-ten der aus Latein-Amerika gekommen und bei uns so beliebt gewordenen Zierpflanze »Engelstrompete-Darwra suaveolens* entstanden sein kann, freilich nicht »muss«. Povzetek Dete Jezus spremeni lilijo v trobento (O redkem motivu v slovenskih nabožnih pesmih) Izhajajoč iz apokrifnega motiva o Jezusovi oživitvi iz ilovice zgnetenih ptičkov, ki ga je obdelal v eni svojili Študij, opozori avtor na podoben primer iz slovenskega pesemskega izročila, namreč na dva zapisa (v SLP 2, 1981, St. 79) legendarne pesmi Jezus spremeni lilijo v trobento. Zanima ga vprašanje, za katero cvetlico gre v tej pesmi, saj v družini lilij ni nobene, ki bi ustrezala predstavi o trobenti sodnega dne, v katero jo Jezus spremeni. Po poizvedovanju med botaniki in v dosegljivi literaturi se nazadnje odloči, da bi tista lilija mogla biti okrasna rastlina bot. Datura suaveolens (nem. Engelstrompete), ki v Sloveniji ni neznana, vendar slovenskega imena zanjo doslej ni bilo mogoče ugotoviti. * V razpravi Jezus spremeni lilijo v trobento se avtor prof. dr. Leopold Kretzenbacher sprašuje o imenu cvetlice, ki se pojavlja v slovenskih nabožnih pesmih. Avtor me je ob tem, ko mi je poslal fotografijo cvetlice, za katero meni, da je podobna tisti v ljudski pesmi, prosil naj poizvem za ustrezni slovenski izraz. Ko sem vprašala botanike, so mi povedali, da bi lahko šlo v tem primeru za cvetlico z imenom kristavec (navadni kristavec ali dehteči kristavec — datura stramonium), ki ima bele cvetove v obliki trobente in jo najdemo na Slovenskem danes predvsem kot okrasno rastlino. Ob tem sem se domislila tudi motiva te cvetlice v slovenski sodobni poeziji. Uporabil jo je Gregor Strniša, ki je črpal svoj navdih tudi iz ljudskega pesništva, saj je v svoji poetični drami Samorog (1967) - v pesmi Balada o kristavcu zapisal: »... to je storil kristavec bel, /kristavec strupen.", kar je transformacija citata iz ljudske pesmi Mlada Zora (Š 114), ki se glasi: -To je storil neznan koren, / neznan koren, koren lečen!-. Dr. Marjetka Golež derselbe, Slowenisch (s)cagati - »verzagen- als deutsches Lehnwort theologischen Gehaltes. Ein Beitrag zur barocken »Legendenballade- bei den Slowenen. (Die Welt der Slaven 9, Wiesbaden 1964, S. 337-362); derselbe, Des Teufels Sehnsucht nach der Himmelsschau. Zu einem Motiv der slowenischen Legendenballade. (Zeitschrift für Balkanologie IV, Wiesbaden 1966, S. 57-66); derselbe, Eine Birgitta-Vision im slowenischen Volksliede. (Anzeiger für Slavische Philologie VIII, Wiesbaden 1975, S. 151-160); derselbe, Zur »desperatio» im Mittelhochdeutschen. In: Verbum et signum. Friederick Ohly zum 60. Geburtstag. München 1975, 2. Band, S. 299-310; derselbe, Zum Namen »vice- und den Vorstellungen vom »Fegerfeuer- bei den Slowenen.: In Serta-Balcanica Orientalia Monacensia. Festschrift in honorem Kudolphi Trofenik septuagenarii (= Münchner Zeitschrift für Balkankunde, Sonderband 1) München 1981, S. 47-69; derselbe, Hiobs Erinnerungen zwischen Donau und Adria. Kulträume, Patronate, Sondermotive der Volksüberlieferungen um Job und sein biblisches und apokryphes Schicksal in den Südost-Alpenländern. Bayerische Akademie der Wissenschaften, philos.-histor. Klasse, Sitzungsberichte Jgg. 1987, München 1987, bes. S. 115-133: »Hiobs Erinnerungen* der Slowenen zwischen Halbvergangenheit und Gegenwart. S. 134-140: St. Job beschützt die Bienen bei Slowenen und Deutschen, die Seidenraupen der Friulaner. S. 141-156: Lösungversuche um St. Job’s Musik-Patronat. S. 157-178: Spätmittelalterlich englische und französische Dichtungen des 15. Jahrhunderts als Motiv-Vorgänger für die südostalpin-slowenisehen Legendenlieder, Prosaerzählungen und Bilder um St. Job und die Musikanten; derselbe, Jesus ohne »Freundschaft» (brez žlahte). Zu einem sozialbedingten Motiv im geistlichen Volkslied der Slowenen. (Münchner Zeitschrift für Balkankunde V, 1983-1984, München 1988, S. 52-63).