Audialur et altera pars. (ftooSiCfr Zur Lehrerfortbildung in Krain. Unter obigem Titel erschien ein Aufsatz aus derFeder des Haupt- lehrers Herrn Ritters v. Gariboldi im heurigen Jahresberichte der k. k. Lehrerbildungsanstalt zu Laibach in Krain. Ueber dieGenesis und diemuthmasslicken Motive dieses Schrift- stiickes liesse sich manches Interessante sagen; doch wer wird so bosbaft sein, alles zu bericliten, \vas „bose Zungen" hie und da sprechen! Pro- fessor v. Gariboldi ist ein kluger Mann, und als solcher ver- steht er seine Zeit, ricbtiger gesagt, die heutige Zeitstromung, und vveiss, nach welcher Ware eine grossere Nachfrage stattfindet. Wie seinerzeit Rousseau durck Negierung und Verachtung der Mensch- heit iberiihmt oder beruchtigt wurde, so wird sich auch Herr v. Gariboldi gedacht haben: Schreibe ich dariiber, dass man in Krain redlich bemiiht sei *), das Schulwesen zu heben und es den anderen Liindern gleich zu stellen, so macht dies kein Eklat; auch andere vor mir haben so gedacht und geschrieben. Wenn ich jedoch durchvvegs Alles in den Koth ziehe und mit Hohn und Spott begeifere, so wird das eben Aufsehen machen, und ich bin mit Einem Ruck ein beruhmter Mann geworden. Und wahrlich! denn das, \vas Herr v. Gariboldi in dem oben besagten Aufsatze der Welt verkiindet hat, steht noch unerreicht und uniibertroffen da, und wie verlautet, ist er auch ernstlich bemtiht, allerorten Propa¬ ganda ffir seine Expektorazionen zu machen. Da Herr v. Gariboldi an einigen Stellen ungeschminkte Wahrheit redet und deshalb auf solche, denen die Schulverkiiltnisse *) Sieho „Jahresbericht des k. k. Ministeriuins fur Cultas und Unterriolit fur 187J, S. 91!“ 1 * 4 Krains nicht bekannt sind, einigen Eindruck machen diirfte, so halten \vir es fiir unsere Pflicht, dem Publikum gegeniiber, die thatsachlichen Verhaltnisse aufzuklaren und Walirheit von Unwahr- heit zu scheideu. Wenn dabei Herr v. Gariboldi et\vas hart mitgenommen wird, so moge er sicb an das Sprichwort erinnern, dass derjenige, der auf offener Strasse baut, viele Meister hat, und dass die Luge ein Pfeil ist, der auf den zuriickkehrt, der ihn los- gelassen bat. Man mag den Aufsatz des Herrn v. Gariboldi wenden, wie man wolle, eine e dl e Absicht kann man ihm nicht unterschieben; denn einerseits wird auf die Ueberschiitzung einiger jungen Lehrer appelliert, anderseits aber wird beabsicbtiget, jeden, der es wagen solite, etwas liber das Schuhvesen zu schreiben, ohne friiber beim Herrn v. Gariboldi und Konsorten um Erlaubnis zu fragen, mit dem Anathema der Ignoranz zu belegen; offenkundig liegt aber aucli die Absicht am Tage, das Seitlierige sammt und sonders zu stiirzen, und wenn der „alte Schutt“ aufgeraumt ist, ein neues Ge— baude „ad majorem Germaniae gloriam 11 aufzufiihren. Dieses letz- tere scbeint aber die Haupttendenz des Schreibers gevosen zu sein, denn wozu solite Herr v. Gariboldi gar so Vi el e s ge- schrieben haben? Diese drei Hauptrichtungen ziehen sich wie ein rother Faden durch den ganzen Aufsatz durch, obwohl auch sein bester Freund nicht zugeben kann, dass der Verfasser desselben mit der Logik auf besoderem guten Fusse stehet. In der Hitze des Gefechtes hat er sich zu weit gewagt nnd sich hierbei arge Blossen gegeben. Wenn Flerr v. Gariboldi, wie es im Ganzen scbeint, der Ansicht ist, dass eine Mehrforderung an den Lehrerstand auch eine Mehrleistung von Seite der Auftraggeber voraussetzen solite, so spricht er hier nicht nur die Ansicht des Lehrerstandes, sondern jedes billig denkenden Menschen aus. „Ich gebe dir, dass du auch wieder geben kannst“, soli auch hier die Devise sein, und es war gewiss in vorhinein gefehlt, von den Lehrern zu verlangen, dass sie dies und jenes leisten sollen, bevor man ihre materielle Lage nicht gebessert hat. Dass aber Nebenbeschaftigung, vorziiglich der Kirchendienst, die Lehrer um ihre Tiichtigkeit ge- bracht babe, und dass besonders das „Abhangigkeits-Verhaltnis“ des Lehrers der grosste Hemmschuh des Lehrerstandes ist, ist eine sehr einseitige Ansicht, welche die Er f ah run g Liigen straft. — Ah¬ il ang i g wird der Volksschullehrer immer sein und bleiben ; er kanti hochstens mir andere Herren kaben, als die bislier gewese- nen, — sind es vielleicht die k. k. Lebrer der Lehrerbildungsanstal- ten und die Lehrer an d en Mittelschalen nicht? — ist es Herr v. Gariboldi nicht? Wozu daher bei derlei Verhaltnissen die jun- gcn Lehrer in eine Sphare hiuaufschrauben, die thatsachlich nicht und nie bestehen wird! — Es ist wahr, dass den jungen Leh- rern jetzt reichliche Gelegenheit, Vieles zu erlernen, geboten wird, was den alten nicht geboten wurde; es ist aber die Frage noch bei Weitem nicht bejaht, ob sie bloss deshalb auch bes s er e Jugendbildner sein werden? Ist es ja docli bekannt, dass blosses Wissen noch nicht den Lehrer und Erzieher macht; und Herr v. Gariboldi muss es selbst wissen, dass ein minder kennt- nissreicher, aber fleissiger und thatiger Lehrer einen sogenannten „guten Kopf“ im Lehrfache weit iibertreffe. Und mit \velchem Eifer werden junge Leute sich dem* Unterrichte und der Erziehung der unmiindigen Jugend widmen, wenn sie schon im Voraus im Wahne leben, dass sie zu etwas Besserem befiihigt eind als „Abc“ zu unterrichten ? Oder sollen vielleicht die altern Lehrer auf etwa besser dotierten Posten „stante pede“ den jungen hochstudierten Platz machen und ihnen dieselben iiberlassen! Nicht Vieles, son- dern Vielerlei ist ein Hauptgrundsatz des Unterrichtes! Wir sind vollkommen damit einverstanden, dass clie gesteigerte Kultur iiberhaupt auch grossere Anforderungen an die Volksschule zu stellen berechtiget ist, und dass man mit dem blossen Trivium den Volksunterricht nicht abschliessen soli. Vor Allem aber muss doch der Lehrer ein praktischer Erzieher sein, dass er zu beurtheilen versteht, wie viel er von seinem Wissensschatze der Jugend bieten darf; dieses wird ihm aber nicht angelernt, sondern er muss es selbst zu erlangen trachten. Man gebe ihm vor Allem eine er- ziehliche Grundlage; allein, leider ist bisher an unserer Lehrerbildungsanstalt dafiir sehr schlecht gesorgt, indem man die Jugend in eine ideale Welt einzufuhren trachtet, welcher die rauhe Wirklichkeit in der Lehrerpraxis auf jedem Tritt nachhinkt. Wenn bei uns der Unterrieht in einer Sprache stattfindet, die sich nach Gariboldi und seiner Clique noch auf der ersten Stufe der Entwicklung befindet, so folgt daraus nichts Anderes, als dass Lehrer, die vorzugsweise dazu berufen sind, namlich die Haupt- lehrer an der Lehrerbildungsanstalt, die s e Sprache vorziiglich pflegen sollen, weil ja gerade solche Lehrer vermoge ihrcr amt- lichen Stellung das Medium sein sollen, wodurch den Schulern das 6 Verstandnis beider Sprachen, der deutschen vie der sloveni - schen, eraoglichet vird. Oder sollten die Schiller kliiger sein als die Lehrer? — Wenn die slovenische Sckulliteratur nicht aus- reicht, um allen Bediirfnissen eines Volksschullehrers abzuhelfen, so rnuss man denUnterrichtsstoff den slovenischen Lehrern derart zurechtlegen, dass sie denselben den slovenischen Kindern zu- ganglich machen konnen, denn nur in der Muttersprache kbn- nen sie denselben in ihrem Wirkungskreise verwerten. Wenn sich daher manche Volksschullehrer redlich abmuhen, diesem dringenden Bediirfnisse nach Moglichkeit abzuhelfen, so solite die k. k. Lehrerbildungsanstalt, venn sie schon selbst in dieser Richtung ganz unfruchtbar ist, doch solche Bemiihungen nicht lacherlich machen, oder gar dem offentlichen Holme preisgeben. Wenn weiters Herr v. Gariboldi sagt, dass die religioseEr- ziehung das wichtigste Moment der moralischen Erziehung ist, oder richtiger gesagt, dass die Moral des Christen auf religioser Basis beruhen soli und dem Seelsorger vorziiglich dieser Theil der Er¬ ziehung zufallt, so folgert unwiderleglich daraus, dass auch der Lehrer in dieser Richtung hin thatig sein soli, oder dass er vvenigstens das nicht niederreisse, vas der Seelsorger aufbaut. Daraus folgt logisch auch, dass die Grundlage der Erziehung iiberall die Re- ligion sein miisse; dahin lautet aber auch der §. 1 des Reichs- Volksschulgesetzes, der da sagt: „Die Erziehung der Jugend sei eine moralisch-religiose“. Nur eine solche Erziehung ist im Stande, die Laster des Volkes zu entfernen und die Sitten desselben zu veredeln; eine bloss intellektuelle Bildung thut es nimmermehr. — Nema-Sahib, beriichtiget durch seine Grausamkeiten im letzten brit- tisch-ostindischen Kriege, war ein feingebildeter Mann, aber ein blutdiirstiger Tieger. WennHerr v. Gariboldi weiters sagt, der Lehrer hiltte auch politiscbe Aufklarung unter dem Volke zu vermitteln, so theilen wir diese Ansicht insoweit, dass er auch hier, sowie iiberall, mit der Wahrheit nicht liinter dem Berge bleiben darf. Die Bahn der Politik aber ist fiir den Lehrer eine sehr schlupfrige. In dem freiesten Staate von Europa, in der Schweiz, mischen sich die Leh- rer gar nicht in die Politik. Wenn man schon in Oesterreicb von diesem Grundsatze hie und da abgewicben ist, und die Lehrer das aktive Wahlrecht ausiiben diirfen, so lasse man sie nach ihrer Ueber- zeugung und „selbststandig“ ihr Wahlrecht ausiiben, undlege ihnen kei- nen moralischen Zvang an; man rechne es ihnen nicht als Verbrechen 7 an, \venn sie, was aueh in den Staatsgrundgesetzen garantiert ist, flir die Gleichbereclitigung der Nationen einstehen. Dass aber viele, nicht nur die gegenwartigen Landlehrer, sondern auch manehe andern Lehrer in politischer Hinsicht noch vieler und griindlicher Aufklarung bediirfen, pflichten wir dem Herrn v. G a - riboldi vollkommen bei; — doch genu g davon, sonst geraten wir in den namlichen Febler, in den Herr v. Gariboldi verfallen ist, d. i. wir scbrieben einen Leitartikel fur das „Tagblatt“. „Die erste und nothwendigste Lekture des Lehrers ist das Schulgesetz ,* sagt Herr v. Gariboldi. Zugegeben! doch dieses Studium wird wohl in acht Tagen abgemacht sein. — Wie weiss jedoch Herr v. Gariboldi, dass der Vormirf des Mangels an dieser Kenntnis ganz besonders die Lehrer in Krain trifft? Wenn sich bis jetzt Herr v. Gariboldi noch so ziemlich in den Sckranken der Massigung gehalten, so wirft er von da an mit grundlosen Verdachtigungen und Rekriminazionen wie mit Spiel- ballen leichtfertig herum; entblodet sich nicht, offenkundige Un- wahrheit in die Welt zu posaunen, um seine Ahsicht zu erreichen. Herr v. Gariboldi weiss ebenso gut, wie \vir, dass der „Uč. T o varš“ keine Subvenzion vom Staate erhalt, monatlich nur zwei- mal erscheint, deslialb sein Raum sehr beschriinkt ist; ebenso gut \veiss er aber auch, wenn er das Blatt liest, dass es viele das Schulwesen betreffende Angelegenheiten, namentlich seit 1868 sogar friiher in slovenischer Uebersetzung gebracht hat, bevor sie im Reichsgesetzblatte erschienen. Was speziell die Schul- und Unter- richtsordnung vom 20. August 1870 anbelangt, hat sie „Uč. Tovar š“ am 15. September nicht nur angezeigt, sondern auch eine Inhalts- iibersicht gebracht; am 15. Dez., also gleichzeitig als dieScliul- und Unterrichtsordnung an die neukreierten Bezirksschulrate in mehreren Exemplaren zur Vertheilung an die einzelnen Schulen vom Landesschulrate versendet wurde, brachte „UČ. To varš* am 15. Dez. das Zirkulare des Landesschulrates vom 8. Okt. beziig- lich der Durchfuhrung der Verordnung, deren Text schon bekannt war. Wenn demnach die Schul- und Unterrichtsordnung erst im Jahre 1871 veroffentlicht wurde, so kann nur der dariiber Klage fiihren, der sich so gut auf gemeine Verdachtigungen ver- steht, wie Herr v. Gariboldi und Konsorten. Was aber soli der Schlusssatz bedeuten: „Man iiberlasst hi er alles dem Amte“ — wenn nicht ein oifenkundiges Armutszeugnis jener, die sich alles zu kritisieren anmassen, selbst jedoch nichts leisten! 8 Ein weiterer Vonvurf envachstdem „Uč. Tovarš" dadurch, dass er zu wenig das Erscheinen von neuen Schulwerken annonziert und dem Lehrer zu wenig \vissenschaftliche Lekture darbietet. Was der edle Herr v. G ar i bol d i hier alles dem „U e. Tovarš" zu- mutbet! — Jedermann weiss, dass ein slovenisehes Scbulblatt, wel- ches nur monatlich zwei Druckbogen stark erscheint, nicbt das bieten kanu, \vas Blatter bieten, welche im grossern Formate und haufiger erscheinen. Das Bessere ist des Guten Feind. Gelingt es einem andern Schulblatte bei eben so beschranktem Raume allen diesen Anforderungen zu geniigen, nun, dann entfallt der „U č. Tovarš" von selbst. Wolau, Herr v. Gariboldi, frisch gewagt an ein neues Blatt! Herr v. Gariboldi schleudert aber noch grossere Verdaeh- tigungen dem Blatte zu; er sagt gerade aus, dass das Blatt dcn Anforderungen der Zeit und insbesondere unseren Bediirfnissen nach Form und Inhalt gar nicbt entspricbt. Warum sagt er nicbt gerade oifen heraus: „Das Blatt ist ein slovenisehes, es ist konser- vativ,hetzt nicht, sonderntragt ein besonnenesnationales Ge- prage und berticksichtiget mebr die slo venische als die deutsebe Literatur!" Den zinischen Vorwurf, dass dieses Blatt von einer dem profanen Lehrertbume unsichtbaren Hand am Gangelbande ge- fiihrt wird, mbge der Schreiber rechtfertigen, sonst trifft ihn der Vonvurf der Unehrenhaftigkeit! Personlichkeiten, die unverschuldeter Weise und unter besonders giinstigen Umstanden an der Spitze der krainischen Lehrerscbaft als Hauptlehrer dastehen, konnen freilich nicht begreifen, wie es geschielit, dass einfache Volksschul- lebrer ein Blatt gegrundet haben, und es trotz ungiinstiger Ver- haltnisse durch so lange Zeit erhalten. Sie mogen das unbegreiflich finden, aber die Thatsache konnen sie docb nicht in Abrede stellen, deshalb muss eine „unsichtbare Hand" das Blatt am Gangelbande fiihren, dass es fortvegetiert — zum Aerger des Herrn v. Gari¬ boldi und Konsorten. Wenn Herr v. Gariboldi den Lehrern zuruft: „Stellet eucb auf die eigenen Fiisse und emanzipieret eucb, — machet euch frei von den ganzlich uberflussigenRegulatoren", so solite er sich zuerst von Misgunst und Scheltsucht emanzipieren, uild gewissen Einfliis- sen, die seinen sonst so geraden Sinn beriickt haben, sein Ohr verschliessen, — kurzum, sich selbst emanzipieren! Herr v. Gariboldi bedauert unsere Schuljugend, dass sie keine Jugeudschriften besitzt, wahrend die deutsche Literatur 9