Einige erhaltene Briefe im Archiv der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach/Ljubljana In Archiv der Philharmonischen Gesellschaft in Ljubljana, der sich teilweise in Ljubljana (National- und Universitätsbibliothek) und in Wien (Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde) erhalten hat, sind auch die Briefe verschiedener Musiker, die mit dem Laibacher Konzertmeister Hans Gerstner in Verbindung waren und in Ljubljana auf den Konzerten des Philharmonischen Orchesters mitwirkten Die Briefe stammen aus der Zeit von 1899 bis 1937, also schon nach der Auflösung der Philharmonischen Gesellschaft im Jahre 1919. Es sind die Briefe folgenden Musiker an Hans Gerstner erhalten: 1 Busch Adolf (4), Violinist 2 Funtek Leo (2), Violinist und Dirigent 2 Grädener Karl (1), Komponist 3 Grümmer Paul (8), Violoncellist 4 Grünfeld Alfred (2), Pianist 5 Horn Kamillo (3), Komponist 6 Kienzl Wilhelm (6), Komponist 7 Rojic Anton (5), Komponist 8 Sauer Emil (1), Pianist 9 Stolz Robert (1), Komponist 11 Ševèik Oskar (7), Violinpädagoge 12 Weingartner Felix (1), Dirigent und Komponist 13 Zajic Florijan (3), Komponist 14 Ein Brief von Frau von Max Reger Die Philharmonische Gesellschaft war nicht der erste Musikverein in Ljubljana, sondern die Nachfolgerin der Academia philharmonicorum labacensis, die schon im Jahre 1701 gegründet wurde und als der älteste Musikverein in der Donaumonarchie galt. In der Geschichte der Gesellschaft folgten mehr oder minder erfolgreiche Zeiten. Besonders erfolgreich waren die Zeiten nach der neuen Gründung im Jahre 1794 und später als die Gesellschaft der Tscheche Anton Nedvfd (1829-1396) zwischen 1856 bis 1883 leitete. Bei seinen Konzerten wurden große Vokal- und Instrumentalwerke ausgeführt. Es sind viele fremde Künstler nach Ljubljana gekommen. Nach Nedvfds Rücktritt im Jahre 1883 wurde Wiener Josef Zöhrer der neue Musikdirektor der Gesellschaft Josef Zöhrer (1841-1916) kam nach Ljubljana schon früher als Lehrer an der Musikschule Er absolvierten Wiener Konservatoriums und war Schüler von Julius Epstein, E. Pirkhert und Simon Sechter. Zum erstenmal trat er in Ljubljana als Solist in Mozart’s Klavierkonzert in d - mol am 14. XI. 1862 auf. Später übernahm er die Leitung des Chores und im Jahre 1868 leitete er schon drei symphonische Konzerten, als Nedvfd krank war Als Dirigent brachte er nach Ljubljana eine Reihe zeitgenössischer Werke zum ersten Mal zur Ausführung (Èajkovski, Dvoøák, Brahms, Bruckner u.a.). Er wurde pensioniert im Jahre 1912 und starb in Ljubljana im Jahre 1916. Sein wichtigster Mitarbeiter war Hans Gerstner. 93 Einige erhaltene Briefe im Archiv der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach/Ljubljana Hans Gerstner wurde in Liditz im Jahre 1851 geboren. Nach Ljubljana kam er im Jahre 1871 Zuerst war er Orchesterdirektor in Laibacher Landestheater und Lehrer in der Musikschule der Philharmonischen Gesellschaft. Er machte sich um die Verwirklichung der Idee von Kammerkonzerten besonders verdient. Die ganze Zeit leitete er das Streichquartett und trat mit ihm regelmäßig auf. Als erfolgreicher Lehrer hat er viele Violinisten ausgebildet. Unter seinen Schülern war besonders Leo Funtek (1886-1965) bekannt, der sich als Violinist und Dirigent in Finnland einen Namen machte. In den ersten Weltkrieg musste Gerstner die ganze Last für die Musikschule und Konzertwesen der Philharmonischen Gesellschaft übernehmen. In den schwierigen Kriegszeiten leitete er mit Hingebung, geschickt und sorglich die Philharmonische Gesellschaft und die Musikschule und bereitete Konzerte vor. Trotz der schweren Kriegszeiten gelang es Gerstner jedoch, fremde Meister nach Ljubljana einzuladen. Aus dieser Zeit ist auch der Mehrzahl der erhaltenen Briefe. Aus diesen Briefen kann man auch damalige Verhältnisse und die Lage der Musik erkennen. Im Folgenden habe ich einige Briefe ausgewählt, die hier zum ersten Mal veröffentlicht sind [1] Adolf Busch an Hans Gerstner Wien IV, Seidgasse 18 18. II. 1914 Sehr verehrter Herr Professor, für Ihren freundlichen Brief vielen Dank! Ich freue mich sehr auf´s gemeinsame Musizieren in Laibach und schlage als Konzerttag den 28. März (Sonntag) vor - es ist der einzigste Sonntag im März, an dem ich frei bin, da ich mich bis Mitte Marz in Holland und Deutschland auf Konzertreisen befinde. Was das Programm angeht so fände ich es sehr schön wenn der erste Teil nur aus Kompositionen von Bach bestünde, wobei das Streichorchester mittun musste und der 2. Teil dann aus Stücken verschiedener Komponisten mit Klavier Etwa so: Bach: Konzert a moll oder C dur (nach Ihrer Wahl) mit Streichorchester, dann eine Bachsche Solosonate, vielleicht die große in C dur für Violine allein. Pause - dann mit Klavier-Praeludium u. Allegro von Pugnani-Kreisler, Adagio von Spohr aus dem 11. Konzert) und 2 oder 3 ungarische Tänze von Brahms - Joachim. Bitte wollen Sie mir schreiben ob Ihnen Tag und Programm recht ist. - Sollte ich das ganze Konzert alleine zu vertreten haben so ließen sich noch ein oder zwei kleinere Stücke von Reger - die vielleicht manche interessieren werden - einfügen. Vielen Dank für eine Antwort und hochachtungsvolle Grüsse Ihres sehr ergebener Adolf Busch 94 PRIMO KURET (1935) [2] 5. März 1914 Sehr verehrter Herr Professsor, Ihr freundlicher Brief vom 25. Februar ist erst angekommen, als ich schon meine Reise nach Deutschland angetreten habe, seit gestern bin ich wieder zurück und komme heute dazu, ihn zu beantworten. - Die Noten zum Bachschen E dur Konzert werde ich Ihnen zuschicken. - Ich habe in je einem Pult 1. Geige, 2. Geige, Bratsche, Violoncell und Basso an den Stellen die bezifferten Bässe ausgesetzt, wo es unbedingt nötig war - so dass man ohne Cembalo (Klavier wurde es wohl am besten ersetzen!) auskommen kann. Wenn Sie aber einen guten Klavierspieler zur Verfügung haben, so will ich, wenn es eben meine Zeit erlaubt, die Continuo-Stimme aussehen und damit mich einer Arbeit entledigen, die ich schon längst hätte tun sollen - im Druck existiert leider keine brauchbare Continuo-Stimme - Ich nehme an, dass Sie, sehr verehrter Herr Professor, nicht vom Klavier aus dirigieren wollen, sonst ist natürlich meine Frage nach einem guten Klavierspieler überflüssig, weil roh über Sie durch Prof. Grümmer genauestens informiert bin!!! - Die Stimme wurde ich dann mitbringen. - Von den Bachschen Solo-Sonaten wähle ich die g molí (Adagio, Fuga, Siciliano. Presto) (Wollen Sie aber lieber eine andere, so setzen Sie sie einfach auf Programm, ich brauche keinen Bescheid mehr darüber) Praeludium u. Allegro ist von Pugnani - Kreisler (nicht Paganini.) Spohrs Adagio aus dem 11. Konzert und die ungar Tänze aus dem 3. Heft a) No. 16, b) No. 11, c) No. 7 (aus den 2. Heft) No. 2 (aus dem 1 Heft). Ich glaube so ist alles in Ordnung. Ich freue mich sehr auf das Konzert. Mit freundlichen Grüssen Ihr sehr ergebener Adolf Busch Adolf BUSCH (1891-1952), Violinist und Komponist, seit 1918 Lehrer an der Berliner Musikhochschule. Er war Bruder von Fritz Busch. Busch gründete 1919 das Busch-Quartett und 1926 Busch-Trio. Er ging 1926 nach Basel, wo er auch Lehrer von Yehudi Menuhin wurde und 1940 nach USA. Das Konzert wurde am 28. III. 1914 in Ljubljana mit den folgenden Programm aufgeführt: I. G. Sgambatti, Tedeum op. 28 für Streicher und Harmonium; 2. J. S. Bach, Violinkonzert E - dur, 3. J. S. Bach, Solosonate für Violine in c mol, 4. R. Moissovich, Spätsommer op. 3 (Frauenchor mit Streicher) und J. Brahms, In stiller Nach (Frauenchor); 5. Pugnani-Kreisler, Praeludium und Allegro; L. Spohr, Adagio aus dem 11. Konzert für Violine und Orchester; Brahms - Joachim, 4 ungarische Tänze für Violine und Klavier. Das Orchester leitete Hans Gerstner, Harmonium spielte Josef Zöhrer und Klavier Julius Varga. 95 Einige erhaltene Briefe im Archiv der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach/Ljubljana [3] Heinrich Grädener an Hans Gerstner Wien, 16. November 1909 Verehrer Herr Konzertmeister Vom Semmering und dem dortigen Ferialaufenthalte zurückgekehrt finde ich Ihr freundliches Schreiben und das Programm vor Durch diese Aufführung haben Sie und Ihre Herren Partner mir eine herzliche Freude bereitet und ich glaube das durch di glückliche Zusammenstellung der Programmnummern das Publicum für ein längeres und neues Schlussstuck vollkommen aufnahmsfähig, gewesen sein muss. Sie haben mir eine prächtige Ueberraschung bereitet, denn ich hatte von dieser Aufführung gar keine Ahnung Seien Sie daher, verehrter Herr Concertmeister, für die Hingabe, ohne welche eine solche Neuaufführung undenkbar ist, auf das wärmste bedankt und danken Sie auch in meinen Namen Ihren Herren Partnern dafür. Hoffentlich ist es mir doch einmal möglich Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen. Einstweilen grüßt Sie herzlich Ihr in größten künstlerischen Verbundenheit ergebener H. Gradener Herman Gradener (1844-1929), Organist und Violinist, wirkte in Wien in verschiedenen Stellungen, seit 1899 als Amtsnachfolger Bruckners an der Universität. Schrieb Orchester- und Kammermusik u.a. Sein Streichquartett op. 33 spielte das Streichquartett der Philharmonischen Gesellschaft (Gerstner, Jagschitz, Wettach, Paulus) am 14. XI. 1909 im 1. Kammerkonzert in der Saison neben Werken von J. Haydn und R. Schumann (Frauenliebe und Leben). Seine Rhapsodie Der Spielmann für Chor, Orchesterbund Solovioline (Text: Emanuel Seidl) spielte die Philharmonische Gesellschaft am 9. V. 1908 auf einem außerordentlichen Konzert anlässlich des 60 jähriges Regierungsjubiläum des Kaiser Franz Josef 1. [4] Emil Sauer an Hans Gerstner Dresden - A. Comeniusstr. 51 Am 13. November 1915 Sehr geehrter Herr Professor, Die liebenswürdige Fassung Ihres freundlichen Schreibens vom 7. d. M. macht es mir doppelt schwer, Ihrer Anregung heuer in Verbindung mit Graz dort zu konzertieren, nicht näher treten zu können. Ich habe aber über alle Daten in der nächsten Saison bereits verfügt, und kann in meine ohnehin schon zu stark belastete Route auch nicht ein einziges Konzert mehr einzufügen. Eine ganze Reihe von Anträgen habe ich aus diesem Grunde schon ablehnen müssen, wobei auch der Umstand in Betracht zu ziehen ist, dass ich als jetziger Leiter der Klaviermeisterschule in Wien mit einem bestimmten Urlaub rechnen muss, der nicht zu große Dimensionen annehmen darf Vielleicht lasst sich für die Saison 1916/17 mein Kommen nach Laibach ermöglichen, was mich herzlich freuen würde. Einstweilen bitte ich Sie auf diesem Wege meinen besonderen Dank für Ihr sehr 96 PRIMO KURET (1935) freundliches Schreiben entgegen zu nehmen, zugleich mit dem Ausdruck freundlichster Gesinnung. Ihres ganz ergebenen Emil Sauer Pianist Emil Sauer (1862-1942) war Rubinsteins und Liszts Schüler und gastierte als erfolgreicher Klaviervirtuose in Europa und Amerika. Er unterrichtete am Wiener Konservatorium (1901-08, 1914-21 und ab 1931) und komponiert. So hat seine Schülerin Sophie Auspitz seine Sonate für Klavier in D–dur in Laibach am 15. XI. 1904 gespielt. Sauer allein ist offensichtlich nicht nach Laibach gekommen. Früher war er aber oft Gast an der philharmonischen Konzerten. [5] Robert Stolz an Hans Gerstner Wien. 16. I. 1918 Verehrtester Herr Professor! Tausend innigen herzlichsten Dank für Ihre so überaus liebenswürdige Intervention! Ich habe also nun mit Dir[ektor] Nasch für den 28. d. meinen Abend abgeschlossen und hoffe mir wird das Stück auch in Laibach so hold sein, wie überall bisher! Nun sehr verehrter Herr Professor komme ich mit einer sehr großen Bitte, von deren Erfüllung die Abhaltung meines Abends abhängt. Dir. Nasch verfügt - wie ich es ja vorausahnte über keinen guten Flügel und so erlaube ich mir, Sie sehr verehrter Herr Professor vom ganzen Herzen zu bitten mir einen Flügel der Gesellschaft der Philharmoniker zu leihen u. mir bezüglich des Honorars möglichst entgegenzukommen, da die pekuniären Aussichten leider ohnehin sehr schlecht sind, da das Theater sehr klein ist u. auch der 28. - Montag - ein schlechtes Konzerttag ist. Ich wäre Ihnen hochverehrter Herr Direktor für Ihr überaus liebeswürdiges Entegegenkommen allerherzlichst dankbar und bitte ich vielmals, mit paar Worten bekannt zu geben ob ich auf Ihr Entgegenkommen rechnen darf und unter welchen Ausständen ich der Flügel haben könnte. Dir. Nasch verlangt, dass ich allein die Flügelkosten decke! Ihrer gütigen Nachricht ehestens entgegensehend, verbleibe ich Ihr ganz ergebenster Sie verehrender Komponist Robert Stolz Wien, VI. Mollardgasse 2. NB. Meine Schwester, die Pianistin Frau Inspektor Pauline Prochaska in Graz erzählte mir so viel von Ihnen verehrtester Herr Direktor! - Der österreichische Komponist Robert Stolz (1880–1975) trat im Deutschen Theater in Laibach am 28. Januar 1918 auf einem Abend mit seinen Kabarettenlieder als Klavierbegleiter der Schauspielerin Franzi Ressel von Wien (lz, 24. 1. 1918) auf. Direktor Julius Nasch aus Marienbad wurde als künstlerischer Leiter des Kaiser Franz Joseph Jubiläumstheater in Ljubljana in der Saison 1915/16 angestellt. 97 Einige erhaltene Briefe im Archiv der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach/Ljubljana [6] Wilhelm Kienzl an Hans Gerstner Graz, 26. X. 1908 Sehr geehrter Herr Konzertmeister! Wenn ich nicht riskiere, bei Ihnen erschlagen oder erschossen zu werden, bin ich selbstverständlich gern bereit, mein Ihnen im Frühjahr gegebenes Versprechen zu halten und in einem Ihrer Kammermusikkonzerte mitzuwirken. Am 29. November (I. Abend) wäre es mir unmöglich, denn um diese Zeit gedenke ich in Lyon u. Marseille zu sein, um die ersten französischen Aufführungen meinen „Evangelimann“ dort vorzubereiten. Ich meine, es wird am besten sein, den 2. Abend dafür in Aussicht zu nehmen, besonders wenn dieser erst Anfangs Januar stattfinden sollte, da ich um die Weihnachtszeit wahrscheinlich in Wien od. Linz mit der Vorbereitung zur dortigen Aufführung meines neuen Weihnachtsmärchenspiels zu tun haben dürfte. Mein Trio op. 13 ist erschienen bei Ries & Erler in Berlin. Bei dieser Gelegenheit mache ich Sie auf 3 Phantasiestücke für Klavier u. Violine Op. 7 (Leipzig, Breitkopf&Härtel) [älteres Werk] u. auf ein aus der jüngsten Zeit stammendes Konzert Adagio für Violoncell u. Klavier [Berlin S.W. 48 P. Koeppen; Auslieferung bei Breitkopf&Ffärtel] op. 69 c, aufmerksam. Sie fragen, welche Bedingungen ich mache. Nun ich verlange kein „Honorar“, sondern erbitte nur eine Entschädigung von 100 Kronen, womit ich Ihnen nach Möglichkeit entgegenzukommen glaube. Mit freundlichem Gruße verbleibe ich, einem gütigen Bescheid Ihrerseits entgegensehend. Ihr Hochachtungsvoll ergebener Dr. Wilh. Kienzl Der österreichische Komponist Wilhelm Kienzl (1857-1941) andeutete in seinem Brief auf die Septemberereignisse im Jahr 1908, als die österreichische Armee gegen slowenischen Demonstranten in Ljubljana antrat und sind auch einige Todesopfer gefallen. Die slowenischen Demonstrationen waren die Antwort an die deutschnationale Provokationen gegen Slowenen in Ptuj (Pettau) in der Südsteiermark und in Ljubljana. [7] Wilhelm Kienzl an Hans Gerstner Graz, 10. XII. 1908 Sehr geehrter Herr Konzertmeister! Entschuldigen Sie, dass ich durch meine französische Reise und einen Haufen von vorgefundenen Korrespondenzen sowie anderweitiger Arbeiten an der Beantwortung Ihres letzten Briefes vom 1. November bisher verhindert war! Ueberdies hielt ich eine Beantwortung für durchaus nicht dringend, nachdem ich ja in meinem Briefe vom 26. Okt. alles für Sie Wissenswerte erledigt hatte. Mit dem 6 Januar bin ich vollkommen einverstanden. Ich würde am Abend des 5. Jänner ankommen, um mit Ihnen und dem Violoncellisten (kann er wohl den schwierigen Part im Trio genügend bewältigen?) eine tüchtige Probe noch am selben Abend, etwa um 7 Uhr zu machen. Ist Ihnen das recht? - Aber eine richtige Bitte habe ich; nämlich die, mit 98 PRIMO KURET (1935) einen vorzüglichen, klangvollen, gut ansprechenden auf jeden Anschlag reagierenden Flügel (womöglich Bösendorfer) zu verschaffen. Sie fragen mich um die Zusammenstellung des Programms. Offen gestanden: Mozart, Kienzl und Mendelssohn (Quintett) halte ich für zu viel, da mein Trio sehr lang ist. Ich schlage daher vor: entweder Mozart: Quartett Kienzl, Trio und ein kurzes Werk oder (was mir noch besser gefallen würde) Mozart: Quartett Liedervorträge Kienzl Trio. 1.) weil das nicht so ermüdend lang ist, und 2) weil mein Trio eine effektvolle Schlussnummer ist. Sollte Ihnen das aber nicht konvenieren (aus irgend einem - vielleicht praktischen Grunde), so konnte ich (wenn auch nicht sehr gern) mit Ihnen zu Anfang ein kurzes Duo spielen, u. zw. entweder eine (Ihnen sicherlich unbekannte) reizende kleine Violinsonate in A-dur (nur 2 Allegro-Sätze) von F. Fiorillo (1753 - etwa 1825) oder den 1. Satz (aber nur den ersten) von Rubinsteins G-dur Violinsonate, obwohl ich es nicht liebe, Werke zu zerreissen u. nur Teile zu machen. Nun wählen Sie u. teilen Sie es mir baldigst mit, wozu Sie sich entschieden haben! Am liebsten wäre mir der 2. Vorschlag (mit Liedervorträgen). Hoch erfreut u. geehrt fühlte ich mich durch Ihre freundliche Mitteilung von meiner Wahl zum Ehrenmitgliede der Philh. Gesellschaft, wovon ich natürlich noch keine Ahnung gehabt hatte. Vielen Dank für Ihre so lieben Glückwünsche dazu, Meinen offiziellen Dank werde ich schon nach der offiziellen Mitteilung erstatten. Mit hochachtungsvollen Grüße Ihr sehr ergebener Dr. Wilh. Kienzl [8] Wilhelm Kienzl an Hans Gerstner Graz 15. XII. 1908 Hochgeehrter Herr! Nur in aller Kürze besten Dank für Ihre werte Zeilen. Werde mit Fiedler, resp. Bösendorfer einen Versuch machen wegen eines Klaviers. Im negativen Falle nehmen wir halt Ihren (gewiss ganz guten) Bösendorfer. Ich bitte mir gelegentlich freundlichst mitteilen zu wollen, ob Sängerin oder Fiorillo (Ausgabe von Mortier de Fontaine, ehem. Verlag Aibl in München u. ob das Adagio von mir gespielt werden soll. - In diesem Falle musste es heißen: 1) Quartett v. Mozart 2) Adagio v. Kienzl 3) Sängerin 4) Trio v. Kienzl Eine Idee kommt mir eben wie wäre es (eine sehr gute Sängerin vorausgesetzt), wenn wir einige der Schottischen Lieder von Beethoven (Op. 108) mit Trio-Begleitung 99 Einige erhaltene Briefe im Archiv der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach/Ljubljana (Clavier, Viol., Violoncell) anstatt anderer Lieder singen ließen In diesem Falle wurde ich gern den Klavierpart übernehmen Mit Hochachtung Ihr ergebenster Dr. Wilh. Kienzl [9] Wilhelm Kienzl an Hans Gerstner Graz, 20. XII 1908 Sehr geehrter Herr! In Eile nur das Wichtigste: Trio in F-moll op. 13. - Motto wenn’s beliebt, sonst nicht; besser nicht mehr als die Worte „Leben ist Streben!“ Bild folgt wenn möglich. Hat’s Zeit, wenn ich’s mitbringe? Dr. Wilh. Kienzl Das Konzert am 6. Januar 1909 hatte dann folgendes Programm: 1) Mendelssohn, Streichquartett in Es-dur Op. 12 (100jähriges Geburtstag des Komponisten) 2) Kienzl, Adagio für Violoncello und Klavier Op. 69 3) R. Strauss, Freundliche Vision F. Schubert, Wanderers Nachtlied H. Wolf, Verschwiegene Liebe E. Grieg, Ein Traum 4) Kienzl, Klaviertrio in f - mol Op. 13 „Das Leben ist Streben “ (1. in Ljubljana) Es wirkten das Streichquartett (Gerstner, Jagschitz, Wettach, Ruprecht), die Sängerin Stefani Handl aus Graz und Pianist Wilhelm Kienzl. [10] Wilhelm Kienzl an Hans Gerstner derzeit Wien, 6. II. 1916 II, Schreigasse 6 Hochgeehrter Herr Professor! Auf Ihre freundlichen Zeilen erwidere ich postwendend, dass es mich gewiss sehr freut, wenn Sie in Ihren Philharm. Konzerten von mir etwas auffuhren. Für Streichorchester allein habe ich nichts veröffentlicht, wohl aber 3 Stucke für Streichorchester u. Harfe Op 53 „Abendstimmungen“, Verlag Jul. Heinr Zimmermann, Leipzig. Im Notfälle kann die Harfenstimme ganz gut auf dem Klaviere gespielt werden (ev. Pianino) Die Stücke sind in vielen Konzerten mit Erfolg gespielt worden. Wegen eines Sängers bin ich in Verlegenheit u. gar, wenn es sich um einen Tenor handeln soll. Die meisten Sänger sind eingerückt, u. sogar in Wien ist es schwer, eine Kraft solcher Art zu finden, wenn sie nicht um ein sehr hohes Honorar erkauft werden kann wie z. B. Kammersänger Steiner (Konzertdirektion Gutmann) Eher ist eine Sängerin zu haben. So wäre allenfalls Frl. Rauscher in Graz (II, Lessingstr 3b [?]) oder Frau Emy 100 PRIMO KURET (1935) Heim - Reinhardt in Wien (Cottagegasse 86) ui empfehlen. Die Sänger von der Oper sind schwer zu haben, sonst würde ich Ihnen wärmstens Frau Petzl - Diemer von der Grazer Oper empfehlen, die gewiss gern bereit ist, bei Ihnen zu singen. Bitte sich in jedem der genannten Falle auf mich zu berufen. Mit voller Hochachtung Ihr ergebenster Dr. Wilh. Kienzl Von allen genannten Sänger/innen hat nur Frau Hanna Rauscher in Ljubljana in der Saison 1909-10 schon gesungen. In der Saison 1916/17 aber waren diese Sänger nicht in Ljubljana. Auch das erwähnte Kienzls Stück wurde nicht aufgeführt. [11] Wilhelm Kienzl an Hans Gerstner Wien, 25. III. 1937 Verehrter Herr Direktor! Erst heute komme ich dazu (ich erhielt 1600 Briefe u. Telegramme zu meinem 80.Geburtstag!). Ihnen fiir Ihren herzlieben Brief innig zu danken. Die Erinnerungen, die Sie darin auffrischen, haben mich sehr gerührt. Ich begreife Ihre Verbitterung über die Pietätlosigkeit Ihnen u. der altehrwürdigen Philharmonischen Gesellschaft gegenüber vollkommen u. drückte Ihnen verständnisvoll u. kollegial die Hand als Ihr Sie hochschätzender Dr. Wilh. Kienzl Hans Gerstner war der letzte Musikdirektor der Philharmonischen Gesellschaft. Nach den Umbruch in Jahre 1919 wurde er als Leiter der Gesellschaft mit minimalen Pension in Ruhestand geschickt. So musste er bis zum seinem 83. Lebensjahr noch Violinunterricht zu geben. Er starb im Jahre 1939 in Ljubljana. [12] Oskar Ševèik an Hans Gerstner Budweis, 1./10 1910 Lieber Freund! Denk Dir nur, das ich in den Ferien auch am Millstätersee war! Zwar nicht lange - nur eine halbe Stunde, vom Zug zum Zug, aber doch Ich fuhr nämlich von Italien, machte in der Franzensfeste halt und bin zu Fuß über Toblach bis Station Berg in Kärnten gegangen. Das Tal schien mir schon langweilig und es stieg ich ein und fuhr bis Spittal, wo ich mir den See abgesehen habe. Natürlich hatte ich keine Ahnung, dass Du dort sein könntest. Mit dem nächsten Zug bin ich bis Badgastein gefahren u. von dort wanderte ich wieder zu Fuß gegen Salzburg. Im ganzen war ich einen Monat von Pisek, wo ich Sommerklassen halte, weg, meistens in Ober-Italien, Aosta Tal zum Mont Blanc, und das Tal von Gressoney zu Monte Rosa. In Wien habe ich auch bereits begonnen: 3 Tage bin ich dort und am Freitag fahre ich immer nach Budweis zur Schwester und auch nach Pisek, wo einige Schüler überwintern. 101 Einige erhaltene Briefe im Archiv der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach/Ljubljana Du bist so freundlich u. fragst nach der künstlerischen Ausrückung meinen 2 Schülerinnen Miss Dickenson u. von Clanner [?]. Bitte es zuerst mit der ersteren zu versuchen. Sei herzlich gegrüsst von Deinen alten Freund O. Ševèik NB. Laibach kenne ich noch gar nicht; nächsten Sommer will ich manches dort mir aussehen u. bei diesen Gelegenheit werde ich Dich aufsuchen. Vielleicht könnten wir ein Paar Kilometer zusammenmachen? Tschechische Violinist und Pädagoge Oskar Ševèik (1852-1934) war ein berühmter Violinlehrer an der Hochschule in Wien und anderswo. So wie er war auch Gerstner ein begeisterter Hinterwändler. Englische Violinistin Mary Dickinson hat dann am 18. XII. 1910 auf dem Konzert der Philharmonischen Gesellschaft in Ljubljana das 2. Bruchs Violinkonzert auf Stradivari’s Instrument gespielt. [13] Pisek, 4. XI. 1912 Herrn Prof. Hans Gerstner Direktor der deutschen philhamonischen Gesellschaft Laibach Empfange, liebster Freund meine herzlichsten Glückwünsche zur wohlverdienten Allerhöchsten Auszeichnung. Dein alter Freund u. Kollege Os. Ševèik Als guter Gerstners Kollege hat ihm Oskar Ševcik für seine Ernennung als ,,Professor“ gratuliert. [14] Oskar Ševèik an Hans Gerstner Pisek 4. März 1917 Lieber Freund! Es tut mir leid, dass Morini in dieser Saison bei Dir nicht spielen kann. Ihr Vater hat mit Knepler einen Kontakt abgeschlossen, was unser Präsident nachträglich erfahren hat und erlaubt nun der Kleinen - solange sie unsere Schülerin ist - unter keinen Umständen in Städten, an welche sie kontraktlich nicht gebunden ist, zu konzertieren. Morini wird im Juni die Violinmeisterschule absolvieren, und somit steht nichts im Wege, dass sie im Herbst Deiner freundlichen Einladung Folge leiste. - Ihr habet also die Kohlenkalamität glücklich überstanden? Mit vielen herzlichen Grüßen Dein Os. Ševèik 102 PRIMO KURET (1935) Die Violinistin Morini hat nie in Ljubljana konzertiert. [15] Oskar Ševèik an Hans Gerstner Pisek 5. VII. 22. Lieber Freund! Verbindlichsten Dank für Deine lieben Zeilen. Es war in der tat eine harte Zeit, die wir durchleben mussten. Nach dem Unsturz sollte ich weiter in der Akademie unterrichten und tat es bis 1919. Der damalige Staats. Sekr. Pacher trat aber mit seinem ,,es muss tabula rasa gemacht werden“ dazwischen, und so wurde ich an diesem Tag beim Herabgehen von der Klasse, enthoben. Die ausgediente 20 jäh. Pension verlor ich natürlich. Von unserer Regierung wurde ich erst vom Sept 1919 auf 1 Jahr, ohne Anspruch auf Pension angestellt. Nicht zu wundern, dass ich der Einladung eines von meinen amer. Schülern folgte, um 1) in Amerika einen Verleger fair meine neue Sachen zu finden und 2) um meine Finanzen, die meistens aus Wiener Aktien bestanden und bestehen, etwas aufzufrischen. Ich war auch für ein Jahr nach Chicago gebunden, doch infolge des Todes von F. Ondøièek, bleibe ich hier bis Feber und dann für" Jahr hinüber zu segeln. Nach der Rückkehr möchte ich aber gerne ausruhen, wonach ich förmlich lechze! Im März war ich ebenfalls 70. Bennewitz ist heuer 90 geworden. Das Konserv. schickte eine Deputation von 15 Kollegen hin, leider konnte ich nicht mitgehen, da ich in Pisek wohne. Dabei wurde ihm 10000 èK überreicht. Am 12/VII fahre ich nach Österreich u. Italien, um einige unausweichliche Besuche zu machen; in 10 Tagen will ich zurück sein. Leider kann ich nicht über Laibach fahren um Dich aufzusuchen. Hoffentlich im 1924! Mit herzlichsten Grüßen Dein aufrichtiger Freund Os. Ševèik [16] Oskar Ševèik an Hans Gerstner o. D. Lieber alter Freund! Die erste Seite Deines lieben Schreibens könnte ich hier einwandfrei kopieren, denn meine Gefühle der echten Freundschaft sind unverändert geblieben. Zur glücklich verlaufenen Operation des Auges meine herzlichsten Glückwünsche! Mein Auge hält sich gut trotzdem ich die meiste Zeit Noten schreibe. Wahrscheinlich weil ich 2 Augennerven habe. Von unseren Mitschülern sind außer Die und mir der Tichy am Leben. Er hat die Geige wie Paganini mit der Guitarre ausgewechselt und hat es noch seiner Übertragungen zur Meisterschaft gebracht. Hunièko (?) und Peters längst gestorben. Unser Jubiläum ist erst im nächsten Jahre. Was könnte bis dorthin mit uns noch geschehen! Doch der Mensch macht immer Pläne und ich plane nächstes Jahr eine große 103 Einige erhaltene Briefe im Archiv der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach/Ljubljana Reise zu unternehmen, um endlich Schluss mit Stundengeben zu machen, denn in Pisek wäre dem kein Ende. Hoffentlich wende ich auch mit der Herausgabe meiner neuen Werke fertig. Bis jetzt sind erschienen op. 16, 30 Hefte mit kurzen Stucken mit Übungsstoff, op. 17 Studien zu Konzert Wieniawski, op. 18 zu Brahms, op. 19 zu Tschaikowsky. Im Druck sind op. 20 Studien zum 1. Konzert Paganini, op. 21 zu Mendelssohn, und op. 16 2. Teil mit Scherzo Tarantella v. Win. Zigeuner Weisen v. Sarasate, und Gnomentanz Bazzini, Ung. Tänze Erst Paganini „Mars und Hexentanz mit Übungsstoff.“ Im Sommer hatte 56 Schüler hier aus den Auslande und war zugleich am Mondsee an der Austro-amerikanischen Musikkursen beschäftigt. Dazu kommen die schrecklichen Korrekturen und „Liebchen was willst du noch macht?“ Soviel wie dieses Jahr habe ich in meinem ganzen Leben nicht gearbeitet. Also die Frage, wann wir uns Wiedersehen werden, bleibt offen. Tichy kommt nicht in Frage, denn für ihn wäre die Fahrt nach Wien kostspielig. Also bis dahin lebe wohl und empfange zu den herannahenden Weihnachtsfeiertagen und dem folgenden Neujahr meine herzlichsten Glückwünsche. Dein alter Freund und Kollege Os. Ševèik Der Brief hat kein Datum. Aber das erwähnte Op. 21 ist im Jahr 1931 erschienen. So musste den Brief im Jahre 1931 geschrieben sein. Zwischen Ševèik’s Schüler waren berühmte Violinisten wie Jan Kubelik, Jaroslav Kocian, Wolfgang Schneiderhan, Sascha Culbertson, auch Vaclav Talich. Bis 1909 lehrte Ševèik privat in Pisek, 1909–1918 an der Akademie für Musik in Wien, 1919–1921 war er Professor der Meisterschule in Prag, 1921–1923 und 1931–32 leitete er Violinkurse in Amerika, 1929/30 die Kurse in Mondsee bei Salzburg, 1933 in London. Seit 1925 hat er Wohnsitz in Pisek. Seinen Namen trug das in Varsava 1904 gegründete Ševèik - Quartett [17] Leo Funtek an Hans Gerstner Djursholm, Schweden, 12. II. 1918 Lieber freund, wie lange ist es nun, seit wir geschrieben? Darum habe ich Dich doch nicht vergessen, sondern denke häufig an die alten Zeiten, mit einem bitteren bedauern, dass sie nie wiederkehren können. Z. b. wie wir da in der Tonhalle Quartett spielten; oder das gemütliche bummeln im Kasino, die Jahre kommen eben nicht wieder, und wenn ich auch jetzt die äußeren Akte wiederholen könnte, die ganze „Atmosphäre“ ist doch eben anders gewesen. Nun ist es eine recht ernste Angelegenheit in der ich schreibe und die ich zunächst abtun will. Wie Du weißt, ist mein Stockholm Aufenthalt von vornhinein nur provisorisch gedacht gewesen und mein übereinkommen mit der Oper ist so formuliert - übrigens nur mündlich - dass ich jederzeit austreten und nach Helsingfors zurückkehren kann Anderseits hat man auch in H-fors meine Stellung mir offengehalten und ich fing bei Eintritt der neuen politischen Lage schon ernstlich an meine Rückkehr zu erwägen und 104 PRIMO KURET (1935) darüber zu korrespondieren. Da kam die Revolution in Finnland von der Du ohne Zweifel in den Zeitungen liest, obwohl der Umfang der Greuel gar nicht entsprechend dargestellt werden kann. Ich für meinen Teil bin ja fest überzeugt, dass sagen wir nach einigen Monaten die Ordnung dort hergestellt ist, aber nach welchen Opfern und nach wie viel Neuformung, da ja bekanntlich die roten Schufte vorläufig in ganz Südfinnland regieren, morden und plündern. Und wer weiß ob ich dass noch dahinkommen kann, ob nicht die ganze Kulturtätigkeit auf längere Zeit lahm geschlagen ist. Da bleibt mir nichts übrig, als an der Oper zu bleiben; und das wäre mir gleichbedeutend mit einem vollbändigen Abschluss meiner Laufbahn, und einem sehr unangenehmen noch dazu! Den der Operndienst ist mir in Herzen verhasst, mein Interesse daran gleich Null, die Aussichten auf irgend eine Karriere dito; auch bin ich ihm physisch nicht gewachsen - ich kann einfach nicht des Abends arbeiten. Auch fühle ich mich sonst in Stockholm sehr unbehaglich. Wenn man sich also schon begraben muss, so möchte man sich doch ein angenehmes Grab wählen. Kannst Du mir nicht zu einen erträglichen Existenz irgendwo in Österreich verhelfen? Meinetwegen in Laibach; oder Graz, Klagenfürt, Innsbruck, Linz, Salzburg, das alles sind Orte die mich locken. Und die Unglückheit weiterzukommen - wenn ich nicht ganz darauf verzüchte - sind dort doch mindestens ebenso groß, wie in einem Opernorchester in einem kleinen Land, wo einem Ausländer die Wege versperrt sind. - Dies mögest Du als eine art Rekonsteigerung betrachten; Du weißt natürlich besser als ich, wo irgend eine Stellung frei ist, oder frei wird Was für eine? Mein alter Traum ist das Dirigententum, sei es für Konzertmusik oder meinetwegen für Oper; für das letztere besitze ich natürlich keine weitere Erfahrung, als die man vom Konzertmeisterplatz gewinnt. Oder Violinlehrer an einer Musikschule mit Kammermusik Oder etwas ähnliches. Du wirst es schon treffen. Natürlich fugt es sich so, wie es sein soll, aber ich wollte hiermit doch auch das meinige versuchen. Sonst habe ich doch gar wenig zu erzählen. Eine kleine Freude erlebte ich doch neulich. Vor 7 Jahren instrumentierte ich eine Suite von Melartin, die für Orchester gedacht war, aber um ihr Klavierarrangement herausgegeben wurde, genannt, der „Traurige Garten". Verflossenen Sommer liess ich mir die Partitur aus Finnland schicken, arbeitete sie um, sie wurde an der Oper zur Aufführung angenommen und am 29. I. in einem Symphoniekonzert gespielt. Der Komponist wurde leider ziemlich schlecht behandelt, aber ich als Instrumentator bekam eine glänzende Kritik - und das ist doch eine kleine Ermunterung, wenn man, wie ich, Partitur auf Partitur türmt ohne die Möglichkeit auch etwas davon zu hören zu bekommen. Sonst nehme ich am Musikleben gar nicht teil, ernstlich bin ich an der Oper viel zu viel beschäftigt und wenn ich auch 1- 2 mal in der Woche am Abend frei bin, spiele ich lieber Karten oder lege mich früh ins Bett, als dass ich Konzerte besuche. Das Künstlerische Niveau der Oper ist sehr so so lala, das Orchester sehr mittelmäßig, wenn man einen einigermassen vollkommenen Maßstab anlegt, von den beiden Dirigenten der eine einseitig, häutig gleichgültig und ohne wirklich konsequente Energie, der andere ziemlich unfähig und ohne jede Autorität. Die Leitung - begreiflicherweise - aufs Geldverdienen bedacht, das ganze eine Bekräftigung der Wagnerschen Behauptung, dass eine Oper die täglich spielt, notwendigerweise künstlerisch minderwertiges leisten muss. Natürlich habe ich doch manches gelernt, was wir, wenn mein Schicksal sich günstig gestaltet, zumuten kommen kann; aber im ganzen ist das traditionelle Wort doch wahr: „ja, mein Lieber, nun hast Di deine Zukunft hinter 105 Einige erhaltene Briefe im Archiv der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach/Ljubljana dir“ - als wirklich einmal jemand in das hiesige Opernorchester eintrat und von einem bekannten Witzbold bewillkommnet wurde. Nein, jetzt muss ich schließen. Falls es Dir gut gehen und schreibe gelegentlich. Und wenn Du etwas für mich tun kannst, zunächst durch Informierung und eventuell Empfehlung, meine Dankbarkeit hast Du, wie schon bisher. Grüße die Deinigen und unsere gemeinsamen Bekannten. Dein getreuer Leo F [18] Leo Funtek an Hans Gerstner Djursholm, Schweden Villa Deli, 12. II. 1918 Lieber Freund, Dein Brief war nicht gerade ermunternd - kein Wunder bei den jetzigen Zeiten; aber er hat mich doch sehr gefreut. Irgendwie ausführlich kann ich heute nicht schreiben, sondern will mich auf die praktischen Fragen beschränken. Es scheint also, als könnte ich nicht an eine feste Übersiedlung denken. Naja, nicht zu machen. Ich glaube nämlich: wenn ich einmal in Helsingfors bin - und ich werde sobald der rote Schrecken dort ein Ende hat, also vermutlich recht bald, diesbezüglich dahin korrespondieren - kann ich nicht so ohne weiteres davon loskommen, es ist auch gar nicht gesagt, dass ich es will, denn einerseits ist meine Stellung dort wirklich gut gewesen und kann es wohl wieder werden, anderseits ist Finnland für mich eine zweite Heimat. Die Rückkehr dorthin kann ich auch nicht lange aufschieben, vielleicht schon zum Herbst wäre es heißen: entweder oder - und da kann ich nicht riskieren ganz ungewissen Aussichten wegen in der hiesigen Hölle sitzen zu bleiben. Selbstverständlich bin ich die Überzeugung, alles werde sich zum besten fügen, gemäß dem alten Sprichwort „der Mensch denkt...“. Anderseits aber habe ich die feste Absicht, wenn nicht als Amtperson, so doch als Tourist meine eigentliche Heimat zu besuchen. Sollten im Sommer 1919 die Verhältnisse in der Welt und in meinem eigenen Umkreis sich geregelt haben und kann ich das Reisegeld auftreiben, so komme ich. Sogar der Reiseplan ist schon fertig: zuerst ein Besuch in Leipzig zur Auffrischung alten Eindrücke; dann einer bei meinem Onkel in Böhmen, 2 – 3 Tage bei meiner Tante in Steiermark, 2 Wochen in Laibach, dann Rückreise - wenn Zeit und Kasse es erlauben über Norditalien, Tirol, eventuell noch Salzburg direkt nachhause. Ich war als junge ein großes Rindvieh, da ich nicht jede Gelegenheit zu Ausflügen benutzte; diesmal will ich es gutmachen. Von frühen Besuchen muss ich unbedingt wieder die Fahrt durchs Kankertal nach Oberseeland machen; die Grotten von St. Kanzian muss ich wiedersehen, die Weissenfelser Seen, den Pericnik, Raibl u.s.w. und dazu vieles was ich nie kennen gelernt. Und ich hoffe, du fühlst Dich da genug frisch und kräftig, mir Gesellschaft zu leisten. - Außerdem aber setzten mir Deine Wörtchen über das Brucknersche Quintett mehrere Flöhe ins Ohr. Wäre es nicht denkbar, dass ich als alter Zögling der philharmonischen Gesellschaft als Gast zu einem Kammermusikabend eingeladen würde? Das natürlich zu einer passenden Zeit während der Saison. Es wäre mir ein auserlesener Genuss das Quintett zu spielen, sowohl des 106 PRIMO KURET (1935) Quintettes wegen wie um in den alten Erinnerungen zu schwelgen. Außerdem noch ein anderes Kammermusikwerk das ich nächst dem Brucknerschen Quintett am allermeisten liebe - aber welches, das sei noch mein Geheimnis. Als ich vor einigen Jahren als Dirigent erschienen wollte, war es unmöglich, ich sah es wohl ein; aber sollte dieser zweite mir schon liebgewordene Plan undurchführbar sein? Denk einmal nach, die Kosten für die Philharmonie würden ja nicht so groß sein; meine Reise und eine Kleinigkeit dazu für die Ausgaben, mein Genuss würde ganz außerordentliche Dimensionen annehmen und vielleicht würde sich auch das Publikum nicht geradezu gequält fühlen. Nun weiß sich nicht, schrieb ich Dir, dass wir ein baby No. 2 erwarteten? Jedenfalls ist es am 9. März in Form einer niedlichen Mäderls angekommen. Hat die Namen Caritas Birgitta erhalten und ist wie gesagt sehr niedlich. Nun wünsche ich Dir und den Deinigen alles Gute und speziell Deinem Sohn, dass er auch weiterhin seine Heile Haut behalten möge. Grüße Frl. Schmidinger und sage ihr, was sie selber weiß, dass bei dem jetzigen drunter und drüber in Russland für ihren Bruder nichts getan werden kann; oder sollte er gar schon nach Hause gekommen sein? - Ebenso wünsche ich Dir Erfolg zur Augenoperation! Herzlich Dein Leo F. Djurshalm, Villa Deli Schweden, 12. IV. 1918 Der Violinist Leo Funtek (1885-1965) war Sohn des slowenischen Dichters und Chefredakteurs des Tagblattes „Laibacher Zeitung“ Anton Funtek (1862-1932) und galt als Wunderkind. Mit 12 Jahren hat er schon öffentlich aufgetreten. Er war Schüler von Hans Gerstner, nach Matura im Jahre 1903 setzte er seine Studien in Leipzig fort. Schon vor dem ersten Weltkrieg hat erfolgreich in Finnland konzertiert. Nach dem Kriege im Jahre 1919 kam er von Stockholm wieder zurück nach Helsinki, wo er als Professor an Konservatorium, vom 1939 an der Musikakademie Sibelius und Chefdirigent der Oper in Helsinki beschäftigt war. Als Konzertdirigent war er bekannt nach seinen Interpretationen der Bruckner’s Symphonien. Er schrieb auch Musikkritiken und instrumentierte Mussorgski’ Bilder einer Ausstellung noch vor Maurice Ravel. Er starb in Helsinki am 13. 1. 1965. Mit seiner Heimat hatte er fast keine Kontakte mehr. Objavljeno v: Festschrift für Detlef Gojowy. Musikwissenschaftler, Essayist, Schriftsteller, Freund, Vertrauter, Kollege. Zum 70. Geburtstag am 7. Oktober 2004. Herausgegeber Axel Gojowy. Bad Honnef, Privatdruck, 2004. Str. 209–227. 107 Einige erhaltene Briefe im Archiv der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach/Ljubljana Povzetek Nekaj ohranjenih pisem v arhivu ljubljanske Filharmoniène drube V arhivu ljubljanske Filharmoniène drube, ki se je deloma ohranil v Ljubljani (Narodna in univerzitetna knjinica) in deloma na Dunaju (Arhiv drube prijateljev glasbe) so tudi pisma raznih glasbenikov, ki so bili v zvezi z ljubljanskim koncertnim mojstrom Hansom Gerstnerjem in so sodelovali na koncertih filharmoniènega orkestra. Pisma izvirajo iz obdobja od leta 1899 do 1937, natanèneje iz èasa kmalu po razpustu Filharmoniène drube leta 1919. Pisma, naslovljena na Hansa Gerstnerja: Busch Adolf (4), violinist; Funtek Leo (2), violinist in dirigent; Grädener Karl (1), skladatelj; Grümmer Paul (8), violonèelist; Grünfeld Alfred (2), pianist; Horn Kamillo (3), skladatelj; Kienzl Wilhelm (6), skladatelj; Rojic Anton (5), skladatelj; Sauer Emil (1), pianist; Stolz Robert (1), skladatelj; Ševèik Oskar (7), violinski pedagog; Weingartner Felix (1), dirigent in skladatelj; Zajic Florijan (3), skladatelj; eno pismo je od ene Maxa Regerja. (Edo Škulj) 108 PRIMO KURET (1935)