D AS LAIBACHER BARACKEN-NOTHSPITAL GESCHILDERT VOM DIRECTOR D R ALOIS VALENTA EDLEN von MARCHTHORN K. K. REGIERUNGS- UND SAN1TATSRATH IN LAIBACH. SEPARAT-ABDRUCK AUS DER WOCHENSCHRIFT: »DAS OSTERREICHISCHE SANITATSWESEN« (1895, Nr. «). WIEN 1895. ALFRED HOLDER, K. G. K. HOF- UND UNIVERSITATS-BUCHHANDLER I., EOTHENTHURMSTKA6SE IS. 59211 Alle Redite, auch das der Uebersetzung, vorbehalten. Es diirfte sich wohl noch nie ereignet haben, dass sammtliche Verpflegte eines grossen Krankenhauses und einer Gebaranstalt plotzlich Monate lang in Baracken untergebracht, resp. vorpflegt werden mussten, wie dies tbatsacblicb in Laibach der Fali war und nocb ist, wo in Folge der Erdbebenkatastrophe das ganze Spitals- gebaude unbewohnbar geworden war. Zweifelsohne wird es nicht allein Fachmanner, sondern aucb Laien interessiren, zu erfahren, wie dieses Barackenspital eingerichtet war, ob und wie es sich betviibrt bat, welche Vor- und Nachtheile mit demselben verbunden waren u. s. f. — also genug Griinde, welche nicbt nur diese Veroffentlichung reclitfertigen, sondern aucb die Skizzirung der Umstande wllnscbenswertb erscbeinen lassen, in Folge welcher nach viermaliger Uebersiedlung endlich eine einbeitliche und entsprechende Unterbringung der Kranken in den Baracken zu Stan d e gekommen ist. In derSchreckensnacht vom 14. auf den 15. April mussten die Kranken unter freiem Himmel im Spitalsgarten am Boden auf Kotzen, Stroh u. dgl. lagern, jedocb scbon ftir die nachste Nacht ward'es mit Hilfe der k. und k. Militarbehorden der Spitals- direction ermoglicbt, die meisten Kranken in Lagerzelten, jedocb nocb immer auf dem Boden liegend, unterzubringen, bis endlicb nach drei Tagen sammtliche Kranken nicht nur in Zelten, sondern auch auf Betten lagern konnten. Wegen der kalten Nacbte und des eingefallenen Regenwetters musste jedocb, da ja voraussichtlich bis zur Uebersiedlung in das neue Spital*) nocb Monate vergehen konnten, auf eine zweckentsprechendere Unterbringung gedacbt werden. — Demgemass wurde mit den internen und externen Kranken in das stabile stadtische Notbspital (Clioleraspital) iibersiedelt und die Aufstellung einiger inzwiscben vom Prasidium der Oesterreichischen Gesellscbaft vom Rothen Kreuze von Wien gesandten Baracken thunlichst rascb bewerkstelligt, dann eine Holzlege und ein Gartenpavillon durcb Bretterverscballung bewohnbar gemacbt und eine scbon frtiher vorhanden gewesene Sommerbolzbaracke bezogen. So war der Stand der Krankenunterbringung bis zum 7. Mai, dem Tage des Allerbochsten Besucbes Sr. Majestat des Kaisers Franz Joseph I., welcher bei der Besichtigung des vom Erdbeben scbwer beschadigten Spitalsgebaudes auch liber die hier getroffenen Verfiigungen im Allgemeinen die. Allerhochste Zufriedenheit aus- *) Dieses Spital ist derzeit bereits fertiggestellt und kurzlich erSffoet worden. 4 zusprechen geruhte. Indem sich die Unterbringung der Kranken in den im unmittel- baren Anschlusse an die in Beniitzung gebliebene Anstaltskiiche des Civilspitals- gebiiudes errichteten Baracken als weitaus zweckentsprecbender erwiesen batte, als die Uebertragung derselben in das entfernte sogenannte Choleraspital, so wurde nun bis zum Beziehen des im Pavillonstyl gehaltenen und bis auf die innere Einrichtung vollendeten n e u e n grossen landschaftlichen Civilspitals die systematische Herstellung zahlreicber den hygienischen wie sanitaren Zwecken moglichst entsprechender stabil bleibender Baracken beschlossen. Und wieder war es das bilfsbereite P r a s i d i u m derOesterreichischen Gesellschaft v o m R o t b e n K r e u z e in Wien, das in Folge dieses massenhaft gesteigerten Bedarfes in Laibach nun als wabrerRetter in der Noth einspringen konnte. Dieser Hilfsaction batte man es in erster Linie zu danken, dass iiber fiinf Monate die Kranken des landschaftlichen Civilspitals eine im Ganzen zweckent- sprecbende Unterkunft genossen, dass sich in den weiten Raumen des Spitalgartens, und zwar mitten im herrlichen Griin tiefschattiger Alleen auf den zwischen diesen sich dehnenden Wiesen- und Gartenflachen diese eigenartigen Spitalsbauten befanden, deren detaillirte Situation auf der Planskizze ersichtlich ist. Der hiezu verwendete circa vier Joch umfassende Garten des alten Krankenhauses, vom Spitalgebaude gegen Norden gelegen und nirgends verbaut, bat drei der ganzen Lhnge nach parallel verlaufende Alleen, deren Beniitzung gleichsam als Gassen des zu errichtenden Barackenstadtchens als einfachste und richtigste Losung der Aufgabe erschien. Demgemass wurden auf den zwischen und neben diesen Alleen gelegenen Wiesen- und Gartengriinden unter thunlichster Beriicksichtigung der Isolirung der einzelnen Krankenabtheilungen die Baracken in drei Reihen aufgestellt. Gleich bei dem gegen Westen gelegenen Eingangsthore steht eine kleine Holz- baracke fiir den Portier (1), dann daneben eine DoeckePsche Baracke (2) fiir die Yerwaltungskanzlei (Verwalter Kremžar), an welche sich weiter nordlich der oben erwahnte, nunmehr von den barmherzigen Schwestern beniitzte, in eine Baracke umgewandelte Gartenpavillon (3) anschliesst. In dem westlichen Zwischenraume zwiscken der ersten und zweiten Allee liegt eine Baracke (4), welche drei Secundararzte bewohnen; dann folgen gegen Norden sieben Baracken, welehe die chirurgische Abtheilung (Primar. Dr. Šlajmer) beherbergen (5—11), wahrend die achte etwas weiter abstehende Baracke (12) als Operationslocale beniitzt wird. Dieselbe ist in drei Abtheilungen getheilt, um Septische zu isoliren, und wurde alsbald heizbar hergerichtet, da wegen der empfindlichen Morgenfrische gewisse Operationen im ungeheizten Raume nicht vorgenommen werden konnten; sie ist mit den iibrigenBaracken durch einen westlich angebrachten gedeckten Gang verbunden. In dem mittleren Zwischenalleeraume liegt gleich vorne (13) eine kleine niedliclie Baracke aus Korkziegeln (System Bockmaier), welche als Empfangs- und Arbeits- locale den barmherzigen Schwestern (Oberin Ho p p e) dient, wahrend die nachsten drei Ba¬ racken (14—16) von den Ordensschwestern als Wobn- und Sclilafraume beniitzt werden. Nun kommt der von einer Querallee durchschnittene Hauptplatz des Baracken- stadtchens, auf welchem sich ein Ziehbrunnen (17) und ein Ausflussbrunnen der stadtischen Wasserleitung (18), der Dampfdesinfections-Apparat (19) und eine Holz- baracke als Wohnung fiir zwei Secundararzte (20) befinden. Gegen Norden folgen dann sechs D o e c k e r’sche Baracken (21 inclusive 26), der medicinischen Abtheilung (Primar. Dr. R. v. Bleiweis-Trsteniški) zugetheilt. Die nunmehr folgende zuletzt in dieser Reihe gelagerte Holzbaracke (27), nach dem Systeme Pummerer erbaut, sowie auch die in der dritten ostlichen Barackenreihe postirten zwei Pummer er’schen Holzbaracken (28, 29), dienen der syphilitisch-derma- tologischen Abtheilung (Primar. Dr. Gregorič). An diese schliessen sich gegen Siiden zwei Baracken nach K u n z und Hofgriiff (30—31), und eine Doecker’sehe (32) fiir die ophthalmologische Abtheilung (Primar. Dr. Bo ek); den Schluss macht die ge- 5 burtshilflich-gynakologiscbe Abtbeilung (Prof. und Primar. Dr. v. Valenta), bestehend aus einer Pummerer’schen Baracke (33), welche als Hebammen-Lebranstalt, respective Gebarklinik*) benutzt wird und aus einer Do e c k e r’schenBaracke (34) fiir gynako- logische Kranke, welche zugleich der Schulhebamme als Wobnung dient. Nun folgt die Eingangs erwfthnte, zum Wohnraume fiir die Ordenscandidatinnen hergericbtete Holzlege (35) und das die Todten-Beisetzkammer, den Secirsaal und das pathologisch-anatomiscbe Museum umfassende Gebaude. Eine improvisirte Hauskapelle sammt Kanzlei des Spitalscuraten (P. Heidrich), die Directionskanzlei, das Krankenaufnahmslocae, dann die Anstaltskiiche mit Vor- ratbskammer, endlich das Wascbemagazin sind ebenerdig im alten Spitalsgebaude untergebracht. Die Beleucbtung in den Alleen wird durch an den Bitumen ange- brachte Petroleumlampen bewerkstelligt. i I Tlnrlpr . i /‘iimmpjrr Kimz-lfirffi/rdff '8£i&Bockmayzr WS t t)'eirotoiZuMlirettz7iBaniAx!n Zu bemerken ist noch, dass jede Baracke mit einem Graben umgeben wurde um das Regenvrasser aufzufangen; dass ferner zwiscben der dritten und vierten medi- cinischen Baracke und hinter der geburtshilflichen Baracke Nothkiichen, gleichzeitig Waschraume (36, 37), angebrackt sind. In der dritten Allee (38) war noch ein zweiter Brunnen der Wasserleitung an- gebracbt. Beide Brunnen mit IIydranten zum Feuerlbschen verseben. Die Aborte wurden bei den cbirurgischen Baraeken an der Ostseite, bei den mediciniscben Baraeken an der Westseite angebracht, und so blieben die beiden Seitenalleen, welche hauptsacblicb von den Kranken zum Spaziergange benutzt wurden, von derartigen, einen unasthetischen Anblick gewahrenden Anlagen verschont. Der Abstand zwischen den einzelnen Baraeken, zwischen welchen Nutzpflanzen angebaut sind, betragt mindestens 3 Meter. Was den Krankenstand anbelangt, so wurden bis nun durchsclmittlich im ganzen Barackenspitale circa 250 Personen per Tag verpflegt. Im Monate Juli waren auf den Abtheilungen, und zwar auf der mediciniscben 190 Kranke, auf der chirur- *) Die Hebammen-Lebranstalt war die eiezige Sehule, welclie trotz dem Erdbeben nicht ge- scblossen wurde. 6 gischen 253, auf der oculistiscken 141, auf der dermatologisch-syphilitischen 90 und auf der geburtshilflich-gynaekologischen 37, zusammen 711 Personen in Verpflegung gestanden. Jede Baracke kann bequem 20 Kranke beherbergen. In der Operationsbaracke wurden mit dem glricklichsten Erfolge die schvvierig- sten Operationen, wie Laparotomien u. dgl. vorgenommen, ebenso Augen- und ge- burtshilfliche Operationen in den Abtheilungsbaracken ausgefuhrt. *) * Schlussbemerkungen. Jede Institution hat Licbt- und Scbattenseiten, so auch die Spitalsanlage von verschiedenen Krankenbaracken, und es handelt sich diesbeziiglich nur darum, welche Seiten die uberwiegenden sind? — Im Interesse der Sache und gestiitzt auf eine fiinfmonatliche Beobachtung erlaube icb mir daber einige kritiscbe Bemerkungen iiber die Vor- und Nachtheile der in Vertvendung gestandenen Baracken beizufugen. Zerlegbare Spitalsbaracken werden immer nur als Nothbehelfe dienen, jedocli in Bedarfsfallen nach Elementarereignissen, gleicbwie in unserem Falle, dank- barst in Verwendung zu ziehen sein. A. Vortheile. a) X m A. lige m eine n. 1. Der grosste Vortheil dieser zerlegbaren Baracken, welcher im Bedarfsfalle alle Nachtheile iiberwiegt, ist und bleibt die entsprechend rasche und leicbte Zufubr und Aufstellung derselben, wodurch die Moglichkeit geboten ist, in sich ergebenden Dringlickkeitsfallen der Delogirung den Notbleidenden durck baldige Unterbringung derselben in geschlossene Raume momentan entsprecbende Unterkiinfte zu verscbaffen. 2. Ein weiterer Vorzug derselben liegt ferner darin, dass man die ansteckenden Kranken leicht isoliren kann, dass aseptiscbe von septiscben getrennt behandelt werden konnen, was besonders im Kriegslalle wichtig ist. 3. Sehr vortheilliaft ist die Moglichkeit, dass auch schwachere Kranke bei giinstiger Witterung leicht ins Freie gelangen oder dahin getragen werden konnen. 4. Die Ventilation der Baracken ist im Grossen und Ganzen eine befriedigende zu nennen ■— nur muss selbe richtig gehandkabt werden. 5. Die zu den Baracken gehorigen Badewannen sind recht practisch und konnten die zum Wasserwarmen dienenden Oefen auch zur Beheizung verwendet werden. 6. Hygienisch sehr wichtig ist die Erfahrung, dass sich das Wartpersonale bei der Pflege in den Baracken entschieden wohler befindet, als in den geschlossenen Spitalsraumen; die barmherzigen Schwestern bekamen bei dem steten Aufenthalte in der Gartenluft eine auffallend bessere Gesichtsfarbe. b) X m Besondere n. 1. Die Doecker’schen Baracken reprasentiren sich sehr freundlich und elegant — wahrend die Pummererscken aussen und innen diister aussehen. 2. In den HofgrUffschen Baracken scheint die Deckung des Daches mit einer Leinwandplacke eine etwas gleichmassigere Temperatur zu bewirken; ferner ist deren Fensterconstruction giinstig, weil durch dieselbe auch bei Regen das Oeffnen moglieh ist und der Innenraum der Baracke hiedurch nicht beeintriichtigt wird. 3. Die Pummerer’schen Baracken halten am besten die Warme zuriick. B. Nachtheile. a) I m. A- 11 g © m © i n e n. 1. Den Hauptnachtheil bildet in den Baracken die ungleickmassige Temperatur — Mittags oft eine fast unertragliche Hitze, welche durch Begiessen *) Als Cuviosum moge hier erwahnt sein, dass in den ersten acht Tagen nach dem Erdbeben sich kein Todesfall im Spital ereignete. 7 der Dacher mittelst der Hydranten theilweise bekampft wurde, Nachts eine grimmige K alte.*) Ist aus diesem Grunde schon im Sommer der Aufenthalt in Barackeu liistig und nachtheilig, so kann von einem Uoberwintern mit Kranken in solehen ein- fachen Baracken kaum die Rede sein. 2. Ist die Uebertvachung und Verpflegung der Kranken schwieriger und theurer, jedenfalls ein grosseres Wartpersonale erforderlich. 3. Die Aborte sind in allen Dimensionen beschrankt, so dass dieUnterstiitzung eines scbwachen oder blinden Kranken durch eine Wartperson unmoglich wird. 4. Grosse Feuersgefabr. 5. Schwierige Reinhaltung iiberhaupt, und insbesondere des Bodens, durch dessen Ritze Verunreinigungen leicbt eindringen. 6. Fehlen Nebenconstructionen, mittelst welcher eine grossere Anzalil von Baracken unter einander durch einen gedeekten Gang verbunden tviirden, damit die Aufstellung provisoriseber Gange aus Brettern und Latten entfalle. 7. Bei Regen- oder Magehvetter ist der Larm von den auf die dlinnen Baracken- dacber niederprasselnden Regentropten und Hagelkbrnern sebon bei Tage hochst aufregend, bei Nacht jedooh schlafstorend. b) I na BesoncLeren. 1. Bei den Doecker’schen Baracken war der Anstricb — respective die Beschaffenheit des Farbmaterials zu beanstanden, denn in der Hitze entwickelte sich nocli nacb mehrmonatlichem Gebrauche ein belastigender Geruch. Einen leicbt zu verbessernden IJebelstand bildet die Beschaffenheit der Aborttburen. Um selbe offnen zu konnen, muss man die Baraekentkiir zuerst schliessen, und dies ist kaum moglich, ohne aus dem kleinen Vorraume lierauszutreten. Statt der bohen Eingangsstufen ware vielleicht ein Brett in schiefer Ebene besser angebracht. Die Temperatur ist bei diesen Baracken ungleichmassig — sebr beiss und sehr kalt. 2. Bei den Kunz-Hoffgraffschen Baracken ist die Ventilation un- zureichend und unzuverlassig, besonders in Betreff der unteren Klappen. An den Aborten ist nebst der Kleinheit der Umstand zu riigen, dass die nach aussen gebende Oeffnung tur die Entnahme des Gefasses, in welches die Facalien fallen, zu klein ist und dass daher die Manipulation eine schtvierige und un- saubere ist. 3. Bei den Pum m ere r’schen Holzbaracken tritt besonders der Uebel- stand hervor, dass die Bretter sich werfen, deshalb dann nicbt schliessen, und dass es daher alluberall zieht und bereinstaubt. * Icb kann meine kurze Darstellung der anlasslich des Erdbebens geschaffenen provisorischen Spitalsunterkiinfte in Laibach nicht schliessen, ohne dem Delegirten der Gesellscbaft vom Rotben Kreuze, Herrn Rittmeister Baron Friedrich Liechten- s t e r n und den beiden Herren Lieutenants Schuster und S a m m e r fiir deren hervorragend erspriessliche Thatigkeit bei der Aufstellung der Zelte und Baracken im Namen der armen Kranken gebuhrenden Dank zu zollen und die aufopfernde Thatigkeit der p. t. Herren Sp ital s arz te, Beamten, barmherzigen Schwestern vom heil. Vincenz de Paula, Laienwarter und Amtsdiener in den Tagen des Schreckens und der Gefahr ruhmend hervorzuheben. *) Am 18. October waren die Barackenfenster mit Eiszapfen geziert und Eis in den Lavoirs (!), daher musste die Uebersiedlung in das neue Spital alsbald bewerkstelligt werden. Druck VOH Friedrich Jasper i ■M ; ■\Vien. NARODNA IN UNIVERZITETNA KNJI (17U: (17UNICA 00000460108