COMPTES RENDUS, RÉCENSIONS, NOTES POROČILA, OCENE, ZAPISI France Bezlaj, ETIMOLOŠKI SLOVAR SLOVENSKEGA JEZIKA. Dritter Band P-S. Ergänzt und redigiert von Marko Snoj und Metka Furlan. Herausgegeben von der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Institut für Slowenische Sprache. Ljubljana: Mladinska knjiga, 1995. 355 Seiten. Der nach einer mehr als zehnjährigen Pause (1/1976, 11/1982) erschienene dritte Band des Etymologischen Wörterbuchs der slowenischen Sprache ist um ein Drittel umfangreicher als die bisherigen zwei Bände und bringt auf 355 Seiten mehr als 2200 Stichwörter mit den Anfangsbuchstaben P, R, S. Rund 620 Stichwortartikel hat noch der im Frühjahr 1993 verstorbene France Bezlaj verfasst, die übrigen Stichwörter wurden von den beiden Indogermanisten Metka Furlan (Abkürzung M. F.) und Marko Snoj (Abkürzung M. S.) beigetragen, die bereits bei der Entstehung des zweiten Bandes mitgewirkt haben. Ihr Verdienst ist es nicht nur, dass der hier behandelte Band erschienen ist, sondern auch, dass das gesamte Wörterbuchprojekt zum Abschluss kommen wird und sein Umfang von den ursprünglich vorgesehenen drei Bänden auf vier Bände (und einen fünften Band mit Wortverzeichnis) erweitert ist. Diese beiden Autoren haben auch die technische Redaktion deijenigen Stichwortartikel übernommen, die vor geraumer Zeit noch von F. Bezlaj verfasst wurden, und - wo sich dies als erforderlich erwies - in eckigen Klammern am Ende der Stichwörter neue etymologische Erklärungen und andere Ergänzungen sowie auf 10 Seiten die berücksichtigte Literatur und eine ergänzende Liste der verwendeten Abkürzungen hinzugefügt. Der Band wurde vollständig im originären Computerprogramm Eva von Primož Jakopin gesetzt, technisch wurde er von M. Snoj bearbeitet und gestaltet. Dieses Wörterbuchprojekt wurde bald nach der Gründung der slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste (1939) in deren Arbeitspläne aufgenommen, sein Konzept wurde Ende 1942 von Fran Ramovš im Namen der Kommission für das Etymologische Wörterbuch der Slowenischen Sprache in groben Umrissen vorgestellt und durch 20 ausgewählte Wörter illustriert (siehe Letopis AZU I, 1938-1942-XXI, Ljubljana 1943, 352-359). Das Wörterbuch sollte in erster Linie ein handliches, zugleich aber wissenschaftlich fundiertes Werk sein, das den slowenischen Grundwortbestand erfasst; einerseits sollten allgemein bekannte Wörter aufgenommen werden, andererseits sollten auch weniger bekannte Wörter (z. B. Dialektismen, nur sprachgeschichtlich verzeichnete Wörter) lautlich standardisiert werden, die schon alt sind und auf den Kulturstand und die kulturellen Verbindungen mit Nachbarvölkern in früheren Zeiten hinweisen. Ramovš spricht zwar von einem etymologischen Wörter- 353 buch, doch meint er eigentlich ein historisches Wörterbuch und betont ausdrücklich, dass dieses den geschichtlichen Weg slowenischer Wörter darstellen wird, d. h. die Zeit und den Raum, von wo diese Wörter in die slowenische Sprache gelangten, ferner ihre Verbreitung in den slowenischen Mundarten sowie die Entwicklung ihrer Gestalt und Bedeutung auf slowenischem Boden. Auch deshalb widmete er seine zentrale Aufmerksamkeit der erschöpfenden Erstellung einer sprachlichen Dokumentation (d. h. erster Beleg, Verbreitung, dialektale Varianten, Bestimmung der Wortbedeutungen und Erklärung der Beziehungen zwischen den einzelnen Bedeutungen, Synonyme usw.) für jedes behandelte Wort, während der etymologisch-vergleichende Anteil nur einen Rahmen absteckt. So sollten bei den Wörtern, die bereits in den etymologischen Wörterbüchern von F. Miklošič und E. Berneker zuverlässig erklärt sind, die indogermanische Urform und nur die wichtigsten slawischen, griechischen, lateinischen, germanischen und baltischen Parallelen angeführt, bei Wörtern ohne zuverlässige Etymologie auch die spätere etymologische Literatur angegeben werden. Etymologisch noch nicht erklärte Wörter sollten sprachwissenschaftlich eingehend beleuchtet werden, auch vom Gesichtspunkt der semantischen Entwicklung. Der Probeband (Slowenische Akademie der Wissenschaften und Künste, Ljubljana 1963) und die ersten zwei Bänder des Wörterbuches zeigen, wie das ursprüngliche Wörterbuchkonzept von F. Bezlaj geändert und ergänzt wurde. Da sich im Laufe der Vorbereitung des Wörterbuches erwies, dass das slowenische Wortgut nicht ausreichend erforscht und daher auch nicht zugänglich ist, wurde der ursprünglich geplante Umfang der geschichtlichen und dialektalen Angaben zu den Wörtern reduziert, zugleich wurden Eigennamen als wertvolle sprachliche und geschichtliche Informationsquelle verhältnismäßig systematisch und gleichwertig in die Behandlung aufgenommen. Auch durch die intensive Entwicklung der slawischen Lexikografie (z. B. der dialektalen und sprachgeschichtlichen) nach dem Zweiten Weltkrieg, die bis dahin unbekannte lexische Fakten aus den slawischen Sprachen zeigte, ferner durch das Erscheinen oder die Vorbereitung neuer slawischer etymologischer Wörterbücher, die das Material aus vergleichend-geschichtlicher Sicht beleuchteten und bewerteten, und nicht zuletzt durch neue theoretische Ansichten und methodologische Ansatzpunkte, die die Lexik als ein System von Elementen behandelten und ihre Rolle auch beim Studium von ethnogenetischen Fragen sowohl des Urslawischen als auch der einzelnen slawischen Sprachen neu festlegten, erwies sich, dass die Begrenzung auf nur vergleichendes Material in den Wörterbüchern von Miklošič und Berneker nicht mehr ausreicht. Gerade dadurch, dass sich Bezlaj von diesen beiden Wörterbüchern löste und sich auch anderen vergleichenden und interpretativen Quellen zuwandte, d. h. auch der etymologischen Zeitschriftenliteratur, profilierte Bezlaj das Werk als vorrangig etymologisches Wörterbuch und schuf solidere Grundlagen für alle künftigen etymologischen Untersuchungen im slowenischen Raum. Auch im dritten Band sind das Wörterbuchkonzept und die Methodologie ergänzt: Sehr vertieft sind die Analysen des indogermanischen Kontextes der behandelten 354 Wörter, die aus den theoretischen und methodologischen Thesen der modernen Indogermanistik hervorgehen (vgl. svéker. séstra. sésti. pâsti I. pâsti II. raz I. râven D: Rekonstruktionen sind im Wörterbuch zum zentralen Instrument geworden, das einen Vergleich zwischen Wörtern aus slawischen und nichtslawischen Sprachen ermöglicht; die Rekonstruktion berücksichtigt die Charakteristiken so vieler Sprachebenen (d. h. lautliche und morphologische Ebene, Akzentebene, Bedeutungsebene), wie es das Vergleichsmaterial erlaubt; die Anzahl der die Typologie und den kulturellen Hintergrund beleuchtenden Kommentare zu lautlichen, Wortbildungs- (vgl. ratai, skorlûp). Akzent-, Bedeutungs-, kulturgeschichtlichen u. a. (vgl. palača, podgâna. rokovniâc. srëda) Fragen bezüglich der behandelten Wörter auf verschiedenen diachronen Ebenen wurde erhöht; enthalten sind viele Parallelen typologischer Natur, mit denen etymologische Lösungen begründet werden und die zugleich auch die Methodologie der etymologischen Analyse beim jeweiligen Wort beleuchten. Bei der etymologischen Analyse ist für die Bestimmung des Ursprungs eines Wortes zwar auch heute die Bestimmung des Wurzelmorphems, über das dieses Wort in eine bestimmte Wortfamilie eingeordnet wird und aus welchem sich auch die Bedeutungsmotivation für das Wort erklärt, am bedeutendsten, doch haben sich die Autoren sichtbar von einer ausschließlichen Wurzeletymologie losgelöst. Deshalb enthalten die Stichwortartikel vorwiegend nur diejenigen slowenischen Wörter, die mit dem Stichwort hinsichtlich der Wortbildung in möglichst unmittelbarer Verbindung stehen, und da dieses Prinzip im Rahmen des Möglichen auch bei der Anführung slawischen Materials angewandt wird, sind in den Stichwortartikeln viele slawische Wortbildungsparallelen zu finden. Diese sind häufig unmittelbar aus primären Quellen entnommen (d. h. aus Wörterbüchern oder Wörterbuchsammlungen slawischer Sprachen) und waren zuvor aus etymologischen Quellen nicht bekannt (z. B. plaviš 'der letzte, schlechtere Branntwein, der Nachbranntwein', čak. plaviš 'der schlechte Branntwein'), oder ihre slowenischen Äquivalente waren nicht bekannt (z. B. potač 'Rad' zu tschech. potač, obersorb. potač, niedersorb. pötac; skorôcelj 'Schafgarbe, Achillea millefolium' zu alttschech. skorocel). Jedoch wird ein Teil der slowenischen Wörter slawischen Ursprungs auch nur morphematisch rekonstruiert, etymologisch verwandte slawische Parallelen werden nach demselben Prinzip angeführt (z. B. požar 'Wasserstrudel, der verschiedene Gegenstände verschlingt', kaschub. požara 'gefräßiger Mensch'; pôdlanec 'Dreschboden' < *po-doln-bCb '*ebener Raum' zu urslaw. *dolnb). Als Stichwörter erscheinen schriftsprachliche, dialektale (z. B. pen 'Berggipfel', sôkva 'steiler Felsen') und geschichtlich belegte Appellative, Präfixe (z. B,pa-,po-1, II, pra-, pro-), Bestandteile von Komposita (z. B. -prog. *-sapel. -strékel). seltener auch Eigennamen, die recht systematisch bei den entsprechenden Appellativen erfasst sind (z. B. Perun. Ples. Pôhorie. Polskava. Porenta. Prüle. Ramovš. Retie. Rim. Sart. Skarücna. Slop II, Slovèn. Smriene. Sostro. Sovatna). Nur einige Appellative darunter sind in zumindest teilweise dialektaler Lautform angeführt (z. B.prstien. ridža. rôusta-ti, routa), manche sind auch für den Bedarf dieses Wörterbuches standardisiert worden 355 (z. B. *streva für belegt Strieva *'Mutterkuchen', *porar für dial. püdrar 'eine Art Bohrer', *priiatie 'Wohnstätte' zapriathie). Der erreichte Entwicklungsstand der slowenischen geschichtlichen und dialektologischen Lexikologie und damit verbunden auch der etymologischen erlaubt noch keine statistische Bewertung des gesamten Korpus der Lehnwörter und ihrer zeitlichräumlichen Verteilung, doch genügt sie bereits fiir eine verhältnismäßig klare Vorstellung davon, von wo die slowenische Sprache das jeweilige Wort übernommen hat. Selten unter den Appellativen sind diejenigen, bei denen bedingt sogar eine unmittelbare Entlehnung insbesondere aus einem (romanisierten?) vorslawischen Substrat vermutet werden kann (z. B. vielleicht pen 'Berggipfel' < kelt.; pöla 'steile Bergweide' < illyr. *pala < idg. pelä ('Weide'), bei den meisten insbesondere romanischen Lehnwörtern ist eine genaue Bestimmung des Zeitpunkts der Entlehnung jedoch nicht sicher. Im behandelten Band trifft man einige hundert ausgewählte Lehnwörter für verschiedene Wirtschafts- und Kulturerscheinungen oder -begriffe, die aus oder über benachbarte Sprachen (Friaulisch, Deutsch, Italienisch, Ungarisch, Kroatisch und andere Balkansprachen) in das Slowenische gekommen sind, während die Entlehnungen aus den anderen slawischen Sprachen vorwiegend später und bewusst übernommen worden sind. Das Wörterbuch enthält Wörter, die hier erstmals als Entlehnungen erklärt sind, natürlich mit Angabe des Ausgangswortes, d. h. der Entlehnungsquelle (z. B. paset 'hölzerner Maßstab' aus friaul. passet; *pavrje 'Cancer pagurus' (über Lat.) aus griech. pägouros; pävha 'Unterlage beim Fass, damit dieser nicht rollt', vielleicht aus mhd. phäl 'Pfahl'), oder sie sind als mögliche ältere Entlehnungen charakterisiert (z. B. poric 'rusticus' ist vielleicht aus mhd.-bayr. *pour übernommen und ist keine verzerrte Schreibung für paur-ic). Bei den meisten Lehnwörtern, insbesondere denjenigen, die in mehreren Sprachen erscheinen, findet man kurze, enzyklopädische Darstellungen ihrer Etymologie, Varianten, Bedeutungsentwicklung, Geschichte, Wanderungsrichtungen von Sprache zu Sprache u. a. (z. B.ploskün, m\at flasconum < ahd.flascö; pinca 'eine Art feines Milchbrot' < friaul. pinze, it.pizza < ahd. *bizzolpizzo 'Bissen'; pajdäs 'Gefährte, Kamerad'). Da Etymologen die Provenienz eines Wortes erst dann zuverlässig angeben können, wenn sie eindeutig festgestellt und nachgewiesen ist, stellen diejenigen Wörter eine besondere Herausforderung dar, die ihrer Lautstruktur nach und auch wegen der Möglichkeit der morphematischen Segmentierung nach den Regeln zweier Sprachen auch zwei Sprachen angehören könnten, die sowohl ererbt als auch entlehnt sein könnten. Ein solches Wort scheint z. B. slowen. dial. patüs 'Zwerg, Krüppel' (Vrsno) zu sein, das K. Strekelj als aus friaul. patüs entlehnt ansieht, mit folgenden Bedeutungen: 'Stroh, Holzsplitter, Späne, Abfall, der als Streu verwendet wird', 'Armut' und 'Kindheit', während das hier behandelte Wörterbuch gerade auf die Bedeutungsdifferenz zwischen slowen. patüs und friaul. patüs hinweist, bei der nicht bewiesen war, dass sie sekundär ist (d. h. ob eine Bedeutungsentwicklung im Slowenischen oder ein Verlust der entsprechenden Bedeutung im Friaulischen vorliegt). Methodologisch könnte man durchaus auch von einem slawischen Ursprung des Wortes 356 *pätus ausgehen, insbesondere im Kontext des kroat. Adj. patüsan 'klein, zierlich' (Lika), teilweise kann man auch die hier vorgeschlagene morphematische Segmentierung *pä-tus-b (d. h. mit dem urslaw. Präfix *pa- und *-tusb) akzeptieren, wobei der Bestandteil *tus- im Sinne von '*was schlecht, unvollkommen, klein u. Ä. ist' auf Grundlage von slowen. tüsek 'ein schlechtes, leichtes Getreidekorn' rekonstruiert ist. Eine solche Interpretation von *tus- ist zwar möglich, doch könnte man aus mehreren - unter anderem auch arealen - Gründen im Sbst. *patusb auch eine Wortschöpfung mit dem hypokoristischen Suffix *-usb aus dem Synonym slowen. dial. patülek -Ika 'Zwerg' undpatuljak 'Zwerg, Krüppel', kroat. (dalmat.)patüljak < *patul-jakb sehen. Noch schwieriger ist die etymologische Interpretation von homophonen Wörtern oder deren Bestandteilen in Fällen, in denen es zwischen ursprünglich slawischen und nichtslawischen Wörtern zu einer semantischen oder auch nur assoziativen Annäherang und sogar zur Kreuzung kommen kann und wo dem Etymologen keine entscheidenden Unterscheidungsmerkmale zur Verfugung stehen, auf die er seine Lösung zuverlässig stützen könnte. Eine solche Verflechtung liegt wahrscheinlich bei der Basis tanc- vor, wo bei slowen. potanec -nca 'ungesäuertes Brot' von slaw. *po-tbnbcb (d. h. urslaw. *tbn-bkb, vgl. Vb. *{po-)tbniti) ausgegangen werden kann, ebenso auch in slowen. potancäti -am 'niedertreten' wegen des Akzents und der Lautvariantepoten-cäti -am, während bei slowen. dial. patqnc '*viel zu tun (haben)' (wegen des slowenischen Präfixes pa- < *po- auch deverbativ) wirklich eher vom entlehnten deutschen Wort tanzen auszugehen ist. Nicht nur für die slowenische, sondern auch für die slawische und indogermanische Etymologie haben diejenigen Wörter einen besonderen Wert, die sich im vergleichenden Kontext (d. h. wegen Parallelen außerhalb der slowenischen Mundarten) als uralt erweisen, insbesondere dann, wenn sie bisher nicht bekannt oder nicht in diesem Sinne erklärt waren. Solche Fälle sind im behandelten Band zahlreich; zur Illustrierung mögen folgende genügen: •Slowen. dial. setine 'Spreu' (Kras, Vipava) ist der Bedeutung nach mit lit. selena, selena" 'Schale eines Getreidekorns', der Wortbildung nach hingegen mit altnord. saö 'Spreu', ahd. sät 'Saat' < *seH-ti- (idg. *seH- 'säen' und 'cribere') vergleichbar. •Die Erklärung von slowen. pläniti planem 'eine schnelle Bewegung machen, auf jemanden losstürzen' und kroat. planuti planem < urslaw. *pöl-nQ-ti pöl-no/e- als nasal suffigiert zu urslaw. Vb. *pölti pol(')q und vergleichbar mit ahd. fallan 'fallen' < *phol-no/e- und lit. (dial.) pulnü 'fallen' < *phöl-no/e- usw. • Slowen. dial. svan -äna 'gräulicher Ochse' mit einer Wortbildungsparallele in lett. salns 'gräulich' < Adj. *sol-no-, etymologisch verwandt mit urslaw. *sölvb 'gelblich grau' < *soluo-. Hieraus soll auch slowen. slanjüga 'faules Frauenzimmer' < *soln '-uga, russ. dial. solönja 'liederliche Frau' < *soln 'a (neben dem umgeformten solöxä) entstanden sein, sich also aus der Bedeutung '*schmutzig, grau' entwickelt haben, was eine akzeptablere Erklärung als die bisherige Verbindung mit dem Anthro-ponym Salome ist. 357 • Slowen. dial. prevor 'Schneebahn; Rinne über die Straße' neben kroat. prijevor 'Pfad zwischen zwei Bergen' und kroat.-dalmat. privorac 'Tal zwischen zwei Bergen' < urslaw. *per-vörb ist vergleichbar mit lit. pervara/pervara 'Durchgang für das Vieh'. • Die gleiche Bedeutungsmotivation und Bildung wie bei slowen., kroat. poreklo 'Herkunft', bulg. poreklo 'Spitzname, Beiname' neben russ. archaisch reklo 'Name' < *rek-'reden, sagen' ist in lit. vardas '(Vor-)Name, Benennung, Titel' neben pävardis -dzio und pavarde 'Nachname, Beiname' < *uer- 'reden, sagen' zu finden. Die semantische Rekonstruktion des Sbst. *poreklo im Sinne '*was neben dem Namen besteht' ist akzeptabel, doch könnte angesichts von lit. Komposita auf -i/ys und -e, mit welchen etwas neben der mit dem Substantiv ausgedrückten Sache Stehendes bezeichnet wird (z. B. mit vardas), so auch in urslaw. *poreklo 'Beiname', auch vom Kompositum (und nicht von der supponierten Präpositionalphrase *po rekle oder vom Deverbativ aus dem Verb *po-rekti) mit dem Präfix *po- + *reklo 'Name' < *rek-lo ausgegangen werden; dieser könnte auch auf gleiche Weise wie urslaw. *sedlo > *selo gebildet sein (und nicht über das neutrale Partizip *reklö). Die Bedeutung 'origo' ist auf jeden Fall sekundär auf Grundlage der Bedeutung 'Name' gebildet (vielleicht im Sinne eines Sippennamens). Im Wörterbuch sind viele Details zu finden, die unsere Kenntnisse der einzelnen Wort-bildungs-, arealen u. ä. Charakteristiken der urslaw. Lexik mosaikartig ausbauen, vorwiegend - nicht jedoch ausschließlich - auf Grundlage von slowenischem Material. Erstaunlich ist, dass z. B. neben urslaw. *semq -ene aus kroat. (cak.) simen auch das bisher unbekannte urslaw. (dial.?) *semy -ene mit einer Parallele in lit. semuö semens 'Saat, Samen' (seme) rekonstruiert werden kann. Unter slowen. sec -a 'urina' sind neben urslaw. *sbc -a < *sik"iö- auch die Varianten *sbCb -a (altruss., kroat.-cak.) < *sik'o-und *sb£b -i < *sik"i- (slowen.) supponiert. Neben dem Morphem *slab- in urslaw. *slabina kommen auch südslawische Wörter vor, die auf die morphematische Variante *slap- in slowen. slapina 'Weiche der Seite' (Pohlin, Gutsmann), serb./kroat. dial. slap 'Bezeichnung eines Knochens im hinteren Teil des menschlichen Oberkörpers' neben lit. slepsna 'Weiche, Dünnung (bei Tieren und Menschen), Deckleisten dem Euter der Kühe' < *slep- (slapina) hinweisen. Die Möglichkeit einer Variante mit dem generalisierten nasalen Infix *te-n-k- zu urslaw. *tek- 'cadere' (neben 'ire, currere') wird im Zusammenhang mit slowen. dial. preteknjen 'mager, hager', poln. pociqknqc 'abmagern', pociqkfy 'abgemagert' (pretaknien) erwähnt. Auf die lange o-Stufe des Stammes zu urslaw. *zivati zovq weisen slowen. dial. pozavcin 'Hochzeitslader' (neben po-zvacin) und kroat.-kajk. dozavati (zum Verb *zavati) hin. Auf die o-Stufe des Stammes *tek- 'currere', mit der die Bedeutung 'rabiosus' ausgedrückt wird, deutet slowen. dial. stök 'Hundswut' < *vbztokb mit den kroat.-kajk. Parallelen sztochen 'rabiosus', Sztochi-na/fztochnofzt 'rabies' neben dem allgemeineren slaw. *vbztekh -la -lo: slowen. stekel 358 stekla, tschech. vztekly, poln. wsciekly, ukr. vsteklyj usw. aus demselben Stamm. Auf ein mögliches urslaw. dial. *sleza 'lacrima' wird aufgrund der ukr. dial. Reflexe slizä und des Diminutivs slizka (neben urslaw. *slbza) geschlossen, doch ist bei ihm wegen der ukr. Entwicklung von urslaw. *-lb/b- > ly (d. h. slyza) in dieser Basis eine etymologische Verbindung mit *shza (sölzä) nicht völlig ausgeschlossen. Bei einzelnen Wörtern, die bereits urslawisch waren, jedoch nicht gemeinslawisch sind, erfahrt man, dass sie auch in slowenische bzw. südslawische Mundarten reichen, z. B. slowen. ström 'Baumstamm' (Gutsmann), serb. ström 'Baumstamm', kroat. dial. stromica 'allein stehender Baum' < urslaw. *strörm>; die urslaw. Basis *slim- ist auch in slowen. slima 'saliva, Speichel' (aufgezeichnet im Jahre 1607) ausgewiesen; urslaw. dial. *bhrna, identisch mit lit. bürnä", ist auch aus slowen. dial. pödbrnki 'Doppelkinn, Kragen' feststellbar und ergänzt dessen bekanntes südslawisches Areal. Von denjenigen Fällen, bei denen das Vergleichsmaterial aus unbekannten Gründen ausgeblieben ist, obwohl es bereits auch in etymologischen Wörterbüchern erscheint (jedoch ohne slowenische Parallelen), sei folgender angeführt: slowen. dial. stögla 'Schnürriemen, Bundschuhschnur', stogelj -Ija mit der Ableitung stogljaj < *sb -tQgb-la, *sb-tQgz -l 'b (zu urslaw. *sz> -tqgnQti, Wurzel *tqg-), bei dem Wortbildungsäquivalente in slowak. dial. stuhl'a -le, stuheV (und stuhol) < *sb-tQgbl'a, *sz-tQgzl f> (und *si,- tQgbh) neben dem auf einem größeren Areal belegten *sbtQga (z. B. tschech. stuha, stouha, alttschech. vztüha 'Schnürriemen', slowak. stuha -y 'trak', niedersorb. stuha, poln. wstqga, altruss. situga 'Verbindung') bestehen. Das Wörterbuch bringt auch interessante slowenische Wörter slawischen Ursprungs ohne entsprechende Wortbildungsparallelen anderswo, die der Wortbildung oder nur der Bedeutung nach vielleicht wahre Slowenismen sind und über die etymologische Analyse verständlicher werden: z. B. procke 'aus dünnen Ruten geflochtene Schneeschuhe' (Valvasor) < Adj. *prqtbskb (urslaw. *prqtb 'Rute, Zweig'); rejäva 'leeres Feld, kahles Gelände' < *red'a (urslaw. *redbkb), risel 'Masern' < *rysbl'b (urslaw. *rysb 'rot, bräunlich'); slüg 'Schnecke ohne Haus' < Wurzel *sleug(h)- 'rutschen, gleiten, kriechen' (vgl. ähnliche Bedeutungsmotivation für urslaw. dial. *pblzb), sokva 'steiler Felsen' < *vysoky -bve (urslaw. *vysokb), pasänke 'Kleie' wegen slowen. dial. päsauke < *po-sevbki (urslaw. *sejati). Überraschend sind nur die slowenischen Formen Spatje und fpietje (Gutsmann) neben dem üblichen spanje: Die Autorin erklärt sie als alte Wortschöpfung *sbpa-tb-je < idg. *supä - (Aoriststamm) und *sbpe-tb-je < idg. *supe- (d. i. der Präsensstamm ohne das Merkmal -j -) (späti spim). Besonders möchte ich auf die originären neuen etymologischen Erklärungen urslawischer Wörter hinweisen, für die bereits eine oder mehrere Erklärungen bestehen. Hierzu kann die Erklärung des urslawischen Ornithonyms *strbnadb/*stbrnadb (slowen. stmäd) gezählt werden, die von einem alten Kompositum ausgeht, das als *strbn-adb mit der ursprünglichen Bedeutung '*der Getreide, Körner Fressende' (vgl. dt. Kornvogel, Gersterammer) zerlegt und rekonstruiert ist: Das zweite Glied -adb soll den idg. Stamm *Hed- 'essen, beißen' enthalten, und zwar die Bildung *Hodö- 359 ( 'Beißende' (ähnlich vielleicht auch urslaw. *dbach> und *dvadb, vgl. lit. üodas 'Stechmücke'), während beim ersten Glied mit Vorbehalt von idg. *k'ri-m(e)n- ausgegangen wird, das vielleicht in griech. krimnon 'grobes Gerstenmehl' und alb. drithe 'Weizen' (mit zweitem Suffix) enthalten ist. Interessant ist auch die etymologische Erklärung des Bestandteils *-ozz> in urslaw. *rogdzz -öza (< Kompositum *rog-ozdo-), bei welchem *-ozi mit dem zweiten Teil des Kompositums *-ozdo- mit der Bedeutung ^abstehender Ast' (vgl. arm. ost, griech. lödzos, got. asts 'Ast') identifiziert wird. Neu ist auch die Erklärung für urslaw. *stremq -ene 'stapes' < Wurzel *strebh- 'wickeln, flechten' (vgl. griech. strephö 'wickeln, flechten', ströphos 'Band, Strick, Seil', aus welcher geschlossen wird, dass bei den Slawen Steigbügel ursprünglich aus Bändern hergestellt waren). Sogar bei etymologischen Lösungen, die endgültig scheinen, sind überraschende Aiternatiworschläge angeführt, die jedoch stets aus bestimmten rationalen Elementen entspringen und vom Forschungsgeist der beiden Autoren zeugen: z. B. wird wegen slowen.pleme //in der Bedeutung 'einzelner Faden eines Seiles, Schnur' und wegen Bedeutungspaaren wie südslaw. *päsma, *päsmina 'Rasse, Züchtung' : *päsmo 'Strähne', frz. lignage, ligne 'Reihe von Nachfahren derselben Familie' : linea, altind. (wedisch) täntu- 'Faden' > klassisch 'Kind, Nachkommenschaft', auch die etymologische Herleitung von slowen. pleme I in der Bedeutung 'genus, indoles' aus der urslaw. Basis *plet- (d. h. als *plet-men- und nicht ausschließlich aus *pled-men-) vorgeschlagen. Von den etymologischen Erklärungen, auf die man sicherlich noch wird zurückkommen müssen, sei die Etymologie von slowen. dial. (Prekmuije) pörta 'Regenschauer' erwähnt, was ein Deverbativ von *po-vbrtä und etymologisch mit der bulg.-mak.-serb. Basis vrn- mit der Bedeutung '*fallen (Regen, Schnee, Hagel)' identisch sein soll; bei ihr soll es zu einer Bedeutungsentwicklung aus der urslaw. Basis *-vbrt-(vgl. die Verben *vbrt-nQ-ti, *vbrteti) gekommen sein. Dieser Erklärung des Sbst. pörta könnte aus folgenden Gründen widersprochen werden: (a) die Bedeutung 'fallen (Regen usw.)' in der Basis vrn- ist ausgesprochen südlich (bulg.-mak.-serb.), im Norden müsste sie entweder ein urslaw. Überrest oder ein Uskokenelement sein; (b) das Sbst. pörta hat im Süden keine Wortbildungsparallele und auch das Verb *povbrte/ati kommt nicht in dieser Bedeutung vor; (c) auch die im Prekmuije vorkommenden Verben povrnöuti se undpovrtäti -vrtan sind nicht in der Bedeutung 'fallen (Regen usw.)' belegt; (d) die Lautgruppe *-vbrt- entwickelt sich in der Regel zu -vrt- und *-vbrtn- zu -vrn-, deshalb wäre die Entwicklung *-vbrt- > -ort- schwer zu erklären und müsste angesichts des Akzents bereits relativ früh verlaufen sein. Ebenso unzuverlässig scheint auch die Erklärung von slowen. snet II 'secundina' mit den Parallelen kroat. sriijet 'Missgeburt' und niedersorb. snes -i 'entartete Pflaume', die von slowen. *jbz-metb -i (urslaw. *met-l *met- 'werfen') mit der vermuteten phonetischen Entwicklung der Konsonantengruppe sm- > sn- ausgeht. Die Erklärung ist in phonetischer Hinsicht schon an sich unzureichend, weil: (a) das Wort ursprünglich nicht sm-, sondern zm- < *jbz-m- enthalten haben soll, wobei die Entwicklung zm- > sm- bei einem Sonanten nicht üblich ist; 360 (b) es ist nicht wahrscheinlich, dass es in drei Sprachen zu dieser Entwicklung ge-kom-men ist; (c) die kroatischen Wörter izmet, izmetak 'Frühgeburt', 'Missgeburt', izmetine auch 'Auswurf, Missgeburt' weisen drei Charakteristiken auf, und zwar einen kurzen Stammvokal, ein o-Paradigma und das unverkürzte Präfix iz-, was den Vergleich noch unwahrscheinlicher macht. Dem Leser ähnlich unverständlich (und auch nicht angeführt) sind die Gründe für die etymologische Verbindung von slowen. piska 'Heiserkeit' undpiskati 'röcheln' mit kroat. pijehati 'spirare, anhelare',pijehnja 'schweres Atmen', montenegrinischpijehnuti 'sein Leben aushauchen' und die Erklärung aus der idg. Wurzel *(s)pei-s/sk'- 'blasen, atmen'; aus der Literatur ist bekannt - und hier ist diese Feststellung durch nichts widerlegt -, dass die Basis pijeh- ein Pseudo-e (d. h. ein Pseudo-Jekawismus) anstelle von i (d. h. pijeh- < pih- < urslaw. *pyx-) enthält, was auch aus arealen Gründen (vgl. cak. pihät 'schwer atmen' und pihüra 'Asthma') wahrscheinlich scheint. Überraschend ist auch die Erklärung des slowen. Adv. potehmal 'danach' unmittelbar aus einer Prä-positionalphrase (d. h. aus Lpl. *po texz» + Gpl. *mah>), die nicht nach den slawischen syntaktischen Regeln strukturiert ist; nicht in Betracht gezogen wird die Möglichkeit, dass es vielleicht auch analog zu den Adverbien dotehmal/dosihmal und odtehmal/odsihmal entstanden ist, die die zu erwartende Struktur aufweisen (d. h. die genitive Präpositionalphrase *do texb mah) und höchstwahrscheinlich die ursprünglichen sind. Ähnlich scheint es auch beim slowen. Adv. zjütraj angebrachter, von der genitiven Präpositionalphrase *sb jutra auszugehen, als den Anlaut z- mit dem urslaw. Demonstrativpronomen *sb (sa) zu erklären; auch wäre es sinnvoller, slowen. dial. prstßn 'unangenehm, widerwärtig' traditionell aus *pri-stud'eni herzuleiten (und nicht aus *pri-stT>denz, was phonetisch *przden ergeben würde, d. h. -std- > -sd- > -zd-). Ungewöhnlich scheint auch die vorgeschlagene Bedeutungsmotivation für slowen. posanica 'Trinkglas', rekonstruiert als '*das Aufgesaugte, Ausgeschlürfte'. Auf Grundlage von ukr. svizyj, russ. svez svezd svezö wäre es beim Adj. *svezb besser, vom urslaw. Akzentparadigma b (und nicht c) auszugehen, insbesondere deshalb, weil dem nicht einmal slowak. sviezi widerspricht. Die Rekonstruktion des urslaw. Akuts zu *sQteska scheint wegen tschech. souteska, slowak. süteska und auch serb./kroat. sütjeska (d. h. mit verkürztem -e- in der auf die Betonung folgenden Silbe) wahrscheinlicher als die vorgeschlagene (*sQteska). Die Rekonstruktionen sind verhältnismäßig einheitlich, ein gewisses Schwanken zwischen der etymologischen (morphematischen) und der jüngeren phonetischen Form kommt vor allem bei bestimmten Lautgruppen vor, z. B. *-kti/-gti und -t'i im urslaw. Inf.: *rekü (poreklo reci), *vhz-tek-ti (stekel) /*vbz-tek-ti (stök), *seg-ti (seci). sek-ti (seci) und *pet "i (peci). *velt 'i (podlecek). per-mot 'i (premog): in den ein Jota enthaltenden Lautgruppen -plj- und -/?'-: *sypati -pljq (sipati I) : *sipati sip 'esb (sipati II); in der palatalisierten Lautgruppe -zg-, z. B. urslaw. *ruzziti anstelle von *ruzjiti (rtiziti). An manchen Stellen weicht die Verwendung der Akzentzeichen für urslaw. Toneme von der üblichen ab, insbesondere bei betonten kurzen Vokalen, die sich nicht in der ersten Silbe befinden (z. B. *svoje, *suknö, *sedlö : *sqvöjb -a'), oder bei verkürzten akut- 361 ierten Vokalen (z. B. rqkä, *slbzä : *svojä, Gsg. SQvojä'), wobei jedoch zwischen neuen und alten urslaw. Akzenten unterschieden wird. In manchen Fällen sind die Akzentcharakteristiken bei ein und demselben Lexem, das an mehreren Stellen erscheint, nicht einheitlich, z. B. urslaw. *sinQti (siniti sinerri) und *sinQti (*smii). Der nach einer Kontraktion der Lautgruppe -äje- entstehende Vokal ist ein zirkumflektiertes -ä - und kein akutiertes -a- (siiati siiem/siiam). Auch technisch ist der Band sehr sorgsam ausgearbeitet - nur wenige "Druckfehler" kommen vor. Einige sind dem prüfenden Auge dennoch entgangen, z. B. Pu§kariu > Pu§cariu (piiavkä). poln. stativy > statiwy (stätve). formatom > förmantom (pötle). Letopis LMS > Letopis MS (sezeni). urslaw. *svitajetz 3. Sg. Präs. > *svitajetb (svitati se), poln. jestesmi > jestesmy (sem). Ungeachtet obiger Anmerkungen ist der dritte Band ein für die slowenische und slawische Etymologie relevantes Werk mit reichem Material und zuverlässigen Erklärungen. Sein Wert bestätigt sich bei der Benutzung stets von neuem. Alenka Sivic-Dular 362