Nr. 4744. XII. 1904. Kirchliches Derordmmas-Klatt für die Lavcrnter Diöcefe. Inhalt: 107. Hirtenwort an die Katholiken Österreichs. — 108. Vorschriften über die Bekämpfung der Tuberkulose. — 109. Entscheidung, betreffend das Patronat der Pfarre hl. Ole ist i» Lode. — 110. Der erste Jnstruktionsknrs für Organisten in Marburg. — 111. Diäcesan Nachrichten. 107. Hirtenwiut an die Katholiken Gsterreichs? pie betrübenden Ereignisse und Vorfälle an verschiedenen Stätten der Monarchie veranlassen die an der Herbstkvnserenz dieses Jahres teilnehmenden Oberhirten ihre Stimme zn erheben, uni den geliebten Gläubigen die katholischen Grundsätze vor Angen zn stellen, die da bei der Beurteilung und Behandlung der heute die Gemüter so heftig bewegenden Nationalitätenfrage in Betracht kommen. Eine nächste Veranlassung zur Anfrvllnng dieser Frage gab zwar das Bestreben des ersten Kaisers der Franzosen, ganz Europa den Interessen Frankreichs dienstbar zn machen, ivas eben die Reaktion der anderen Völkerschaften hervorrief, die gleichfalls ihre Große und ihren Wert geltend machten. Die in verschiedenen Staaten zersplitterten Nationen strebten nach einem einheitlichen Staatswcsen und die in einem gemeinsamen Staatskörper vereinigten Nationalitäten verlangten immer entschiedener die volle Berücksichtigung ihrer Eigenart in Sprache und Sitte, in Bildung und Fortschritt. Nichtsdestoweniger ist diese die Geister gegenwärtig so tief bewegende und mächtig aufregende Frage keine neue. Die Samariterin am Jakobsbrunnen sprach zum göttlichen Heilande, der sie um einen Trunk Wasser bat: Wie begehrst Du, der Du ein Jude bist, von mir zu trinken, da ich ein samaritanisches Weib bin? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. (Ioan. 4, 9). Und eben diese hochgradige, das göttliche Gebot der Nächstenliebe völlig mißkennende Entfremdung zwischen Juden und Samaritern benützte der göttliche Lehrmeister bei der unvergleichlich schönen Erläuterung des Begriffes der wahren Nächstenliebe. Das herrliche Gleichnis vom barmherzigen Samaritan, der einem Nichtstaininesbrnder so großen Liebesdienst erwiesen, möge in unseren, von Parteileidenschaft aufgewühlten Zeiten eifrig beherzigt und die im Schlußsatze der denkwürdigen Parabel enthaltene Mahnung des göttlichen Erlösers getreu beobachtet werden: Gehe hin und tue desgleichen! (Luc. 10, 37). 1 Die slovenische Überfetzung des „Hirtenwortes" folgt in der nächsten Nummer des „Kirchl. Verordnungs-Blattes". Über die Veranlassung zur Entstehung der Verschiedenheit der Sprachen berichtet das älteste Buch der Heiligen Schrift, die Genesis: Es war ungebührliche Erhebung und Erhöhung des eigenen Namens seitens der Bewohner des Landes Senaar. Und der Herr sprach: Siehe, es ist ci» Volk und eine Sprache unter allen. Sie werden von ihren Gedanken nicht a blassen, bis sie selbe im Werke vollbracht haben. Lasset uns daher ihre Sprache verwirren, daß einer des anderen Rede nicht v e r st e h e ! Und der Herr z e r streute sic von da über alle Gegenden. (Gen. 11, 6—9). Diesen schlichten Bericht der Heiligen Schrift bestätigt vollauf die Geschichts-nnd Sprachforschung. Die Geschichte zeigt uns die ersten Versuche der Staatengründnng durch Knschiten in der Enphrat-gegend und ist durch Aufdeckung der Ruinen des alten Babylon und Ninive instand gesetzt, den biblischen Bericht ans das bestimmteste zu erhärten. Die Trennung der Völker durch die Sprachverschiedenheit ist demnach im Plane Gottes gelegen. Jedoch sollte sie nicht zur Entfremdung, zum Haß und zur Feindschaft führen. Durch das vom Gottmenschen Jesus Christus vollbrachte Erlösungswerk sollte die Annäherung der einstmals Getrennten wieder angebahnt werden und zwar durch die Einheit des Glaubens und Einheit der Liebe. Das gemeinsame Ziel ist die Erkenntnis und Liebe Gottes und die aus beiden quellende beseligende Freude. Durch diese Akte werden wir mit Gott vereint, so daß er in uns ist und wir in ihm sind. Das Lamm ist getödtet worden und hat uns Gott erkauft mit feinem Blute aus allen S t ä in m e n u n d Sprachen und Nationen und hat uns unserem Gott zu einem Königreiche gemacht. (Apoc. 5, 9. 10). Christus der Herr nahm durch seine Menschwerdung und durch sein ganzes Erlösungswerk die Scheidewand, nämlich die Feindschaft, die zwischen Juden und Heiden, überhaupt zwischen den Völkern bestand, hinweg. Nun sind alle 3)iit= bürger des Reiches Christi, sind alle in einer Gottesfamilie vereinigt, wie es im Briefe an die Ephesier heißt: Christus ist unser Friede, der aus beide» eins gemacht und die Scheidewand niedergerissen hat, die Feindschaft durch sein Fleisch, indem er das Gesetz der Gebote durch Lehren aufhob, damit er zwei durch sich selbst zu einem Menschen schüfe, Frieden machte und beide, zu einem Leibe vereinigt, mit Gott versöhnete durch das Kreuz, indem er die Feindschaft durch sich selbst tötete. Er kam und verkündete Frieden euch, die ihr ferne wäret, und Frieden denen, die nahe waren; denn durch ihn haben wir Zutritt beide in einem Geiste zu dem Vater. (Ephes. 2, 14—18). Das am ersten Pfingstfeste geschehene Sprachenwnnder sollte offenbar darauf hindenten, daß, wie durch die Sünde die Trennung unter die Menschen kam, so durch die Ausgießung des Heiligen Geistes, dieser kostbarsten Erlösnngsgabe, die Menschen wieder geeint werden sollen in der eminent einen katholischen Kirche, dem Gottesreiche ans Erden. Ein solches providentielles Eingreifen war für die durch die Sprachenverschiedenheit getrennte Menschheit notwendig. Denn diese entfremdet und trennt den Menschen vom Menschen. Wenn sich Menschen begegnen, die sich ob der Verschiedenheit der Sprache nicht mitteilen können, was sie fühlen, so nützt zur Vereinigung die Gleichheit der Natur wenig. Da die Verschiedenheit der Sprache ein solches Trennungsmittel bildet, und wenn der katholische Christ die fieberhafte Erregung unter den verschiedenartig sprechenden Nationen und Völkerstämmen erwägt, so muß er sich bei der Beurteilung und Behandlung der nationalen Frage die richtigen Grundsätze »»verrückt vor Augen halten. Das christliche Volk Österreichs soll unerschütterlich feststehen zur heiligen, katholischen Kirche, die durch die Einheit des Glaubens und Gemeinschaft der Liebe zur wahren Eintracht, Brüderlichkeit und Gleichheit einladet und sicher führt. Der Einheit des Glaubens widerstreitet das ruchlose Bestreben jener, die da die Katholiken Österreichs von Rom, dem Mittelpunkte der christlichen Einheit, losreißen wollen und vor denen wir neuerlich mit allem Nachdrucke warnen. Der Majestät des katholischen Glaubens widerspricht die beklagenswerte Sucht, durch die Popularisierung der Gott entfremdeten Wissenschaft den alleinseligmachenden Christusglauben zu zerstören. Der allumfassenden christlichen Liebe widerstrebt der Grundsatz, dem zufolge die eigene Nationalität ohne Rücksichtnahme auf die dem Nachbar schuldige Liebe und Gerechtigkeit gefördert wird. Das christliche Volk Österreichs einigt ferner die getreue Beobachtung des Gebotes desjenigen, der sich als König bekannte, freilich des übernatürlichen Reiches: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist. Das katholische Volk Österreichs gibt Gott, was Gottes, beziehungsweise was seines Statthalters ans Erden ist, und es gibt ebenso seinem Kaiser, was des Kaisers ist. Der erste römische Papst Sankt Petrus ermahnte in seinem ersten Rundschreiben eindringlich die Gläubigen zur Gottesfurcht und zur Verehrung des Königs: Fürchtet Gott und ehret den König! (I. Petr. 2, 17). Und der gefeierte Völkerlehrer Paulus befahl den Gehorsam gegen die bestehenden Gewalten im klassischen 18. Kapitel seines erhabenen Römerbriefes, welches Kapitel der Staatsobrigkeit und sonach der ruhigen Entwicklung der Menschheit mehr genützt hat als alle die philosophischen und gelehrten Abhandlungen über den Staat und dessen Rechte seit den ältesten bis zu den neuesten Rechtslehrern. Jedermann unterwerfe sich der obrigkeitlichen Gewalt; denn es gibt keine Gewalt außer von Gott und die, welche besteht, ist von Gott angeordnet. Wer sich demnach der Gewalt widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes. Und die sich dieser widersetzen, ziehen sich selbst die Verdammnis zu . . . Darum ist es eure Pflicht, untertan zu sein, nicht nur um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen. (Rom. 13, 1 — 7). Dieses Mahuwort des zweiten Apostelfürsten verkündet den Glauben an den göttlichen Ursprung der obrigkeitlichen Gewalt, beleuchtet und erklärt den hehren Titel: Kaiser von Gottes Gnaden. Zn dieser apostolischen Lehre müssen die katholische» Christen um so fester und treuer stehen, je mehr die Mächte der Finsternis den Glanz der fürstlichen Krone, der ans den Worten Gottes auf sie herniederstrahlt, zu verdunkeln sich bemühen. Ja, diesen unseren Glauben an die gottgesetzte Autorität, geistliche und weltliche, wollen wir stets-fort durch Wort und Werk betätigen, wie durch treue Anhänglichkeit an die angestammte erlauchte Dynastie, deren Oberhaupt Kaiser Franz Joseph l. das feste Band bildet, welches die durch Sprache, Sitten und Geschichte vielgestaltigen Elemente des großen Reiches untrennbar zusammenhält, ihnen Schutz lind Schirm gemährt, die freie Entwicklung ihrer Eigenart verbürgt. Seine Majestät mit dem providentiellen Wahlspruche: Viribus unitis sprach gelegentlich das bedeutsame Wort : Österreich m n ß e i n H o r t a l l e r V ö l k e r sein! und tat den vertrauensvollen Ausspruch: Welcher Sprache sich die Völker dieses großen Reiches bedienen mögen, Ich vertraue, daß sich alle als treue Söhne des Gesamtvaterlandes bekennen und bewähren werden. Fürwahr, mit vollem Rechte betonte Papst Leo XIII. unsterblichen Angedenkens in seiner an die österreichischen Pilger am 16. April 1888 gehaltenen Ansprache, daß die Österreicher allen Grund haben, in ihren Herzen die Hingabe an den Papst mit der Liebe zu ihrem erhabenen Kaiser zu verbinden. Dies ivill auch die Kirche, die den Gehorsam und die Ergebenheit gegen die Fürsten ihren Kindern zur strengen Pflicht macht und in der jetzigen Zeit will dieselbe wie musterhafte Katholiken, so anderseits die besten Burger und treuesten Untertanen. So einige beim die Österreicher stets hingebende Liebe zum geliebten Vaterlande und unentwegte Treue und williger Gehorsam gegen den Vater des Vaterlandes, den gottgesetzten Monarchen. Die vielen Nationen treten als Bürger eines Reiches, als Glieder einer großen Einheit, der altehrwürdigen, aber niemals alternden habsbnrgischen Monarchie, sich recht nahe und gehen in der Förderung der christlichen Kultur und des christlichen Fortschrittes, in der Festigung und Stärkung des großen Kaiserreiches zusammen, welches da im Herzen Europas ein Werk der göttlichen Vorsehung ist. Der König der Könige, der Herrscher der Herrschenden hat dieses vielvölkerige und vielsprachige Kaiserreich zusammengefügt. Und darum, was Gott gefügt, soll der Mensch nicht trennen. Deshalb wird und muß sich auch der unselige Streit zwischen den vortrefflich veranlagten Völkerstämmen Österreichs legen. Es mögen sich nur alle edlen Patrioten, und welcher Österreicher wollte das nicht sein, die Hände reichen, und es werden Friede und Ruhe, und mit ihnen Glück und Segen in allen Landen des Reiches Einzug halten. Der wahre, dauerhafte Friede ist ein Kind der christlichen Gerechtigkeit und Liebe. Darum sollen, diese zwei Tugenden die österreichischen Nationen leiten, ihr Tn» und Lassen regeln, ihr gegenseitiges Verhältnis ordnen. Es muß eines jeden aufrichtigen Patrioten vornehmste Aufgabe sein, die nationalen Gegensätze zu mildern und nach allen Kräften dahin zu wirken, daß die Völker friedlich und freundschaftlich, zufrieden und vergnügt nebeneinander und miteinander leben. Da die Ntv tionen einmal da sind und das Recht zu bestehen haben, so sind sie eben nicht zu trenne», sondern zu einigen im geliebten Vaterhause Österreich. Woher mag doch der widrige Streit und niedrige Zwist kommen? Der gutgesinnte Bürger und der biedere Landmann wollen ihn ja nicht; er wird ihnen aufgenötigt, wird ihnen erbarmungslos aufgedrungen; wie wenn unsichtbare Mächte ihre verderbliche Wirksamkeit entfalteten. Das Heil der Kirche, das Wohl des Staates, das Interesse der Dynastie, die Wohlfahrt der Untertanen, ja Österreichs Größe, Glück und Glanz hängt davon ab, daß sich die verschiedenen Nationalitäten miteinander vertragen, oder richtiger gesprochen, daß die sie in der Öffentlichkeit vertretenden Parteien miteinander anskoinmen, daß sie sich gegenseitig verständigen und einander Wohlwollen. Deshalb dürfte es öffentlich nie zu leidenschaftlichen Auftritten kommen; nie dürften die Vertreter der Nationen eines Reiches feindselig einander begegnen, sich gering achten, da sie ja die Auserlesenen der Völkerstämme sind und sich dein entsprechend behandeln sollen. Und dieses unbedingt notwendige gegenseitige Wohlwollen würde sich einstellen, wenn alle der christliche Geist durch-dringen würde, wenn alle katholisch und dann österreichisch und national denken, fühlen, reden und handeln würden. Bei solcher Gesinnung wäre der Streit unter den österreichischen Völkern und Stämmen nur ein edler Wettstreit um die hohen und höchsten Ziele, um die heiligen und heiligsten Güter, um die Palme der christlichen Kultur und Zivilisation. Wahrlich, soll der unheilvolle Unfriede zwischen den trefflich begabten Nationen des herrlichen Großstaates unaufhörlich währen? Soll umsonst seit fast zweitausend Jahre» das Christentum über Europa, zumal Mitteleuropa verbreitet sein? Soll sie nie mehr der Geist wahrer Nächstenliebe und Gerechtigkeit beseelen, ihr gegenseitiges Verhalten ordnen, sie zu gemeinsamer Förderung edler Ziele und Zwecke bewegen? „Die Unterschiede der Völker in Sprache, Sitte und Lebensgewohnheiten habe» im göttlichen Weltplane ihre Berechtigung ; und ihr Wettstreit miteinander soll die Entwicklung und den Fortschritt der Menschheit fördern; deshalb ist auch der Anspruch auf Schutz und Schonung dieser Volkstümlichkeiten völlig gerechtfertigt. Allein diesen Anspruch muß die Reichseinheit zur Voraussetzung haben und die Lebensbedin-gungen des gemeinsamen Vaterlandes achte». Von der friedlichen Bereinigung der Völker Österreichs, von der vertrauensvollen Ausgleichung ihrer gegenseitigen Beziehungen hängt Österreichs Stärke und Weltstellung ab." (Hirtenschreibe» des österr. Episkopates vom 15. Februar 1891). Es bedarf nur der christlichen Duldsamkeit, daß der Friede unter den Bewohnern Österreichs wieder herrsche. Die österreichischen Nationen sollen sich nur frei entwickeln, sie sollen sich in der Erreichung christlicher Bildung und christlichen Fortschrittes gegenseitig unterstützen. Das nützt und frommt dem Gemeinwesen. In der nationalen Verschiedenheit der Völker liegt eben die Eigentümlichkeit Österreichs, dieses prachtvollen Mosaiks, in dem alle Teile harmonisch ineinandergreifen und passen, weshalb auch kein Teil verletzt werden kan», ansonsten leidet das Ganze. Da es vie allwaltende göttliche Vorsehung gewollt hat, daß die Länder der habsburgischen Monarchie mehrere Nationen bewohnen, so folgt für sie daraus die strenge Pflicht, sich als gute Nachbarn zu vertragen und einander zu stützen, nicht aber dürfen sie sich entzweien und schwächen. Und daraus ergibt sich wieder für jeden Österreicher die unabweisliche Pflicht, die wo und wie immer entstehenden Differenzen auszugleichen, die anftauchende» Gegensätze zu mildern und zu beseitigen. Das katholische Österreich ist ähnlich der katholischen Kirche. Wie diese für alle Völker der Erde bestimmt ist und sie alle unter ihren mütterlichen Schutz nimmt, ähnlich finden verschiedene Nationen in Österreich ihr väterliches Heim und kräftige Schutzwehr. Die Angehörigen Österreichs mögen die Tugend der christlichen Friedfertigkeit üben, der Mahnung des Völkerapostels getreu: Soviel an euch liegt, so habet Frieden mit allen Menschen! (Rom. 12, 18). Die katholische Kirche erkennt die einzelnen Völker in ihrem gesonderten Bestehen als eine Einrichtung der göttlichen Vorsehung a» und erblickt darin die Berechtigung derselbe». Sie befeindet kein Volk und bevorzugt keines; aber sie verwirft die heidnische Absonderung und Trennung der Völker. Die Kirche achtet mib ehrt die Liebe und Anhänglichkeit an die eigene Nation; sie achtet und ehrt die Sprache, die Rechte lind Eigentümlichkeit einer jeden; aber sie muß es entschieden mißbilligen, wenn diese Liebe und Anhänglichkeit ansarteli würde zn Ungerechtigkeiten gegen die Rechte anderer, zur leidenschaftlichen Befeindung jeder fremden Volkseigcntünilichkeit. Hier gilt das Wort des Herrn: Was du nicht willst, daß dir geschehe, das tue auch dem ändern nicht. Wenn Bildung und historische Entwicklung einem Volke an sich eine hervorragende Stellung zubilligen, so ist das kein Grund, andere zn bedrücken und sie nicht zu denselben Gütern gelangen zn lassen. Der Nationalismus, der von Gott und allem Rechte absieht, ist unchristlich und bildet eines der gefährlichsten revolutionären Fermente. Ein Assyrerkönig gab seinen Obersten den gefaßten Plan kund, die ganze Erde seiner Herrschaft zu unterwerfen. (Iudith 2, 3). Der absolute Nationalismus predigt die ungeordnete Selbstliebe, schließt die Lostrennnng von den Angehörigen eines anderen Volkes und den Haß derselben in sich, säet und nährt die Zwietracht unter den Bürgern und führt zur Verletzung der Rechte anderer Nationen, ja sogar zur Losschälung von der göttlich gestifteten Kirche. Das christliche Volk von Österreich setzt sich zusammen ans Angehörigen verschiedener Nationen, und innerhalb der einzelnen Nationen gibt es wieder verschiedene Richtungen je nach den Auffassungen des öffentlichen Lebens und der Grundsätze, von welchen dieses geleitet werden soll. Diese Tatsache erklärt vollends die Möglichkeit von Gegensätzen im christlichen Volke, die an sich nicht zn verurteilen sind, insolange die ewig geltenden Wahrheiten der Verantwortlichkeit vor Gott und der Nächstenliebe, die von der Selbstliebe nicht beeinträchtigt werden darf, das Leben des christlichen Volkes beherrschen und nicht der größere oder geringere Vorteil oder die Übervorteilung das Leitmotiv bilden. Nach den, panlinischen Worte ist das Reich Gottes nicht Speise und Trank, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geiste. (Rom. 14, 17). Kein Wunder also, daß Papst Leo XIII. die Katholiken so oft und so nachdrncksvvll zur Einheit in wesentlichen Dinge» ermahnte, daß er die katholische Organisation, das ist das Zusammenschließen der katholischen Christen zur Erreichung des religiösen Zieles mtb Zweckes durch Vereine und gesellschaftliche Einrichtungen ans religiöser Grundlage so sehnlich wünschte. „Damit die Eintracht der Geister", heißt es in der Encyclica „Cum multa“ vom 8. Dezember 1882, „durch einander entgegengesetzte Parteibestrebnngen nicht gestört werde, muß man sich stets vor Augen halten, welches der Zweck der Vereine ist, die sich katholisch nennen, und daß sich die Geister bei den Beratungen einzig und allein mit diesem Zwecke beschäftigen, damit sie nicht einmal den Schein einer Parteiung erwecken, eingedenk des Ausspruches des heil. Paulus: Ihr alle, die ihr in Christus getauft seid, habt Chri- stus angezogen. Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier: denn ihr alle seid eines in Christus Jesus." Zur Wahrung der heilsamen Eintracht und Einigkeit sollen die religiösen und weltlichen Angelegenheiten nicht verwechselt oder einander gleichgestellt werden. Die Katholiken müssen darauf sehen, daß in Dingen des Glaubens, der Moral und Kirchendisziplin durch Unterordnung unter den mit dem römischen Papste in Gemeinschaft stehenden Diözesanbischof Einheit herrsche, daß in rein weltlichen Angelegenheiten Freiheit walte und in allem die Liebe gebiete. Am wenigsten darf lvcise Mäßigung fehlen bei den Führern der Parteien. Die religiösen Interessen müssen den profanen Angelegenheiten vorausgehen und nicht etwa diese letzten den ersten vorgezogen werden. Besonders möge sich der katholische Seelsorger von der christlichen Klugheit und Mäßigung in den nationalen Streitigkeiten leiten und lenken lassen. In der Seelsorge berücksichtige er die Sprache des Ortes gemäß der Anordnung des heiligen Konzils von Trient (sess. 24. cap. 7 de reformatione). Beim Streite über die Sprache beherzige er nach Umständen, daß Papst Leo XIII. in seinem Schreiben an den Kardinalvikar vom 20. Mai 1885 die lateinische Sprache als „coraes et administer religionis catholicae Occidente toto“ bezeichnet und bestimmt. In seinem ganzen Walten und Wirken halte er hock) das Recht seines Diözesau-Oberhirten, Weisungen zu erteilen und zu beanspruche», daß seine Stimme, so oft er glaubt, sie erheben zu sollen, gehört und befolgt werde, wie dies Leo XIII. in seiner grundlegenden Encyelica „Sapientiae cliristianae“ vom 10. Jänner 1890 dem Klerus eingeschärft hat. Wenn dem Seelsorger trotz aller seiner Umsicht und edlen Bemühung nationale Voreingenommenheit von der einen oder anderen Seite begegnet und ihm Schwierigkeiten bei der Ausübung der Seelsorgepflichten bereitet werden, so nehme er sich auch hierin den göttlichen Heiland zum Vorbilde, der den Samaritern ein so herrliches Denkmal in der Parabel vom barmherzigen Samaritan gesetzt hat, jedoch selbst von ihnen nicht ausgenommen worden ist, so daß seine Jünger über die undankbare Stadt Feuer vom Himmel herabgernfen wissen wollten Ihr göttlicher Herr und Meister aber zieh sie des ungestümen Eifers. Ihr wisset nicht, wessen Geistes ihr seid (Luc. 9, 55). Der katholische Seelsorger bleibe im Falle des Widerspruches sanft »nd demütig, beherrsche sich selbst und bewahre de» christlichen Gleichmut. Der sich selbst überwindet, überwindet ohne Mühe alles andere, das sich ihm in den Weg stellt. So einige denn die Bevölkerung Österreichs die Liebe zum Altar und Thron, zur Kirche und zum Vaterland, zum Papst und Kaiser, zu Pins X., der das Weltreich, die Kirche, mit seinem tiefsinnigen Wahlspruche: „Omnia instaurare in Christo“ glücklich und glorreich regiert, und zn Franz Josef I., dessen mildes Zepter sich schon weit über ein halbes Jahrhundert über unser teures Österreich so segensreich neigt. Der Allmächtige, durch den die Könige regieren, die Fürsten herrschen unb die Mächtigen Gerechtigkeit üben (Prov. 8, 15), erhalte unseren Heiligen Vater, schütze unseren Landesherrn wie sein Allerhöchstes Herrscherhaus, dessen Wappenschild der Dvppelaar mit dem Kreuze und Schwerte ziert, und segne das gesamte Kaiser-Königreich, dessen Bewohner, >vie sie gegenwärtig ein gemeinsames irdisches Vaterland haben, so auch nach dem gemeinsamen Vaterlande im Himmelreiche beharrlich streben sollen. Wien, mit Feste des heil. Leopold, den 15. November 1504. Das bischöfliche Komitee. 108. Vorschriften über die Bekämpfung der Tuberkulose. Aie hochjöbliche k. k. Statthalterei in Graz hat unterm •41. Juli 1904, Z. 31.515/03 ein Exemplar des unten ab-gedruckteu H. Ministerialerlasses, betreffend die Maßnahmen zur Bekämpfung der Tuberkulose, mit nachstehendem Begleitschreiben anher mitgeteilt : „Das k. k. Ministerium des Innern hat mit dem Erlasse vom 14. Juli 1902, Z. 29.949 Vorschriften herausgegeben, welche einerseits die Richtungen andeuteu, in denen sich fortan die auf die Bekämpfung der Tuberkulose abzieleude Tätigkeit der politischen Behörden und ihrer Sauitätsorgane zu bewegen haben wird, und andererseits die Vorkehrungen undVerhaltnngs-maßnahmen bezeichnen, welche den zur Mitwirkung berufenen Faktoren von der staatlichen Sanitätsverwaltung zur Durchführung und Beachtung dringend empfohlen werden müssen. Die Statthalterei nimmt dies zum Anlaß auf diese in einem Separatabdrucke beiliegenden „Vorschriften" mit dem Ersuchen aufmerksam zu machen, für die Amts räume der unterstehenden Pfarrämter in Steiermark, für die K i r ch e u und sonstigen Versammlungsorte die Erlassung direkter und unbedingter Spuckverbote sowie die Aufstellung geeigneter Spucknäpfe veranlassen zu wollen." Vorschriften über die Bekämpfung der Tuberkulose. Erlaß des k. k. Ministerpräsidenten als Leiters des Ministeriums des Innern vom 14. Juli 1902, Z. 29.949 an alle politische» Landesschefs, betreffend die Maßnahme» zur Bekämpfung der Tuberkulose. Unter den vom kranken Menschen auf Gesunde übertragbaren Krankheiten erheischt die durch spezifische Bazillen verursachte Tuberkulose wegen ihrer außerordentlichen Verbreitung die größte allgemeine Beachtung und unermüdlich sorgfältige Abwehr. Nach den Forschungen der Wissenschaft ist die Tuberkulose eine Infektionskrankheit, welche einerseits verhütbar, anderseits in einem gewissen Stadium heilbar ist. Aus dieser Erkenntnis erwächst für die staatliche Sa-nitütsverwaltnng die Aufgabe, jene Maßnahmen zu ergreifen, welche geeignet sind, der Entstehung und Weiterverbreitung dieser Krankheit vorzubeuge». Indem die staatliche Sanitätsverwaltuug dahin abzielende Anordnungen trifft, ist sie sich dessen voll bewußt, daß durch die von ihr erlassenen obligatorischen Vorschriften, deren Um fang nur ein begrenzter sein kann, das augestrebte Ziel nicht erreicht werden kann, wenn dieselben nicht durch anderweitige zweckmäßige Vorkehrungen und Verhaltnngsinaßnahineu, deren Beobachtung die staatliche Sanitätsverwaltung lediglich dringend zu empfehlen vermag, ergänzt werden. Die Sanitätsverwaltuug ist demnach bei Bekämpfung der Tuberkulose ebensowohl auf die pflichtmäßige eifrige Unterstützung der unterstehenden Organe, als ans die bereitwillige verständnisvolle Mitwirkung der verschiedenen Behörden, Verwaltungen, Korporationen, des einsichtsvollen Teiles der Bevölkerung, insbesondere aber auf die eifrige Unterstützung aller die Praxis ausübenden Aerzte angewiesen. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, gebe ich nach den Anträgen des Obersten Sauitätsrates die nachstehenden Anordnungen bekannt, welche einerseits die Richtungen andeuten, in denen sich fortan die auf die Bekämpfung der Tuberkulose abzielende Tätigkeit der politischen Behörden und ihrer Sanitätsorgane zu bewege» haben wird, anderseits die Vorkehrungen und Verhaltungsmaßuahmen bezeichnen, welche den zur Mit-Wirkung berufenen Faktoren von der staatlichen Sanitätsverwaltung zur Durchführung und Beachtung dringend empfohlen werden müssen. In Anbetracht der unverkennbaren Bedeutung dieser Angelegenheit für das Gesundheitswohl des Einzelnen, sowie ganzer Familien, desgleichen für das wirtschaftliche Gedeihen der gesamten staatlichen Gesellschaft beehre ich mich, Hoch denselben nachdrücklich zu ersuchen, diesem Gegenstände Ihre besondere anhaltende Aufmerksamkeit und regste Fürsorge zuzuwenden. Hvchdieselben wollen einerseits dafür Sorge tragen, daß die auf Grund der nachstehenden Anordnungen an die politischen Behörden zu erlassenden Weisungen auf das pünktlichste befolgt werde», anderseits aber mit allem Eifer dahin wirken, daß die an der wirksamen Handhabung der allgemein giUigeu Vorkehrungen zur Bekämpfung der Tuberkulose mitbeteiligten Faktoren i» richtiger Erkenntnis der ihnen hiebei znsallenden wichtigen Aufgabe, den Bestrebungen der staatliche» Sanitätsverwaltung jene werktätige Unterstützung angedeihen lasse», ohne welche ein voller Erfolg nicht erreichbar ist. * * -X- Mgcmrinr UoiTrijriftcu tur Miim|ifumji brr Tuberkulose. Einleitung. Nach den als feststehend anerkannten Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung ist die Tuberkulose eine Infektionskrankheit, welche bei hiefiir bestehender Empfänglichkeit durch in den Körper eingedrnngene Tuberkclbazillen verursacht wird. Sie kann durch entsprechende Vorsicht oft verhütet, sowie bei Anwendung geeigneter Behandlung und richtiger Pflege unter bestimmten Voraussetzungen geheilt werden. Die Ansteckung erfolgt in den meisten Fällen durch die Luftwege in der Weise, daß die an zerstäubten Teilchen des frischen oder eingetrockneten Answurfes Tn berkelkranker haftenden Bazillen eingeatmet werden, ferner dadurch, daß Tnberkel-keime enthaltender Schmutz in verletzte Haut stellen gelangt, oder von tuberkulösen Tieren stammende Nahrungsmittel (Milch, Fleisch), welche Tnberkelbazillen enthalten können, in ungekochtem Zustande genossen werden. Während die letztbezeichnete Gefahr der Infektion mit Tuberkelbazillen durch die den Gemeinden obliegende strenge Handhab» n g d e r V i e h- n n d F l e i s ch b e s ch a u, sowie der Lebe ns mittel Polizei abgewehrt, und diese Abwehr durch Vermeidung des Genusses von Fleisch und Milch un-verläßlicher Herkunft in ungekochtem Zustande verstärkt werden kann, ist die Verhütung der Verbreitung der Tuberkulose drnch das tnberkelkeimhältige Hustensekret der Tuberkulösen und die am Aufenthaltsorte derselben sich sammelnden tuberkelkeimhältigen Verunreinigungen, welche in den Staub übergehen, mit öffentliche» Maßnahmen nur zum Teile erreichbar. Solchen Maßnahmen wird zwar der Erfolg überall gesichert werden können, wo öffentliche oder der behördlichen Überwachung zugängliche Lokale, in denen sich Tuberkulose aufhalten, in Betracht kommen; hingegen wird die Durchführung der betreffenden sanitätspolizeilichen Maßregeln großen Schwierigkeiten begegnen, wenn es sich um Privatnnterkünfte und Familienwohnungen handelt, in denen Tuberkulöse von gesunden Personen gepflegt werden oder mit solchen in intimer Berührung leben. Diese Wohnungsgenossen der Tuberkulösen, insbesondere Kinder, welche im Staube der Wohn- und Krankenstube von Tuberkulosen spielen, sind der Ansteckungsgefahr in erhöhtem Maße ausgesetzt. Diese zu verhüten wird umso schwieriger, je beschränkter die Wohnräume, je kärglicher die materiellen Hilfsmittel der Familie, je geringer die Einsicht der Wohnnngsgenossen ist, welche sich der notwendigen Vorsichtsmaßregeln befleißen sollen. Unter derlei Verhältnissen der Privatkrankenpflege vermag vor Allem der Arzt mit dem Gewichte seiner Autorität und durch unermüdliche Einflußnahme auf den Kranken und seine Umgebung die im öffentlichen Interesse notwendigen Maßnahmen zur Abwehr der Jnfektionsverbreitnng zur Geltung zu bringen und die im Haushalte mit Tuberkulosen Lebenden, sowie die an Tuberkulose Erkrankten selbst zu einem hygienisch richtigen Verhalten zu erziehen. I. Verhüt,nift. A. Obligatorische M a s; n a h in e ». a) Allgemeiner Art. Bei jeder Erkrankung an Tuberkulose ist es Pflicht der Pfleger des Kranken und dieses selbst, den infektiösen H » st e n a n s tv n r f und etwaige andere tuberkulöse Ausscheidungen (Geschwürsekret) zuverlässig unschädlich zu mache» und hiedurch die Weiterverbreitnng der Tnberkel-keinie hintanzuhalten. Zu diesem Zwecke sind nachstehende Verhaltungsmaßregeln unbedingt zu beobachten: Sobald ein Erkranknngsfall beim behandelnden Arzte den Verdacht ans Tuberkulose erweckt, ist die m i k r o s k o p i s ch-bakteriologische U nt e r s u ch u n g der diagnostisch wicht! -gen Exkrete tunlichst bald zu veranlassen. Ist die Tuberkulose konstatiert, so ist nach Tunlichkeit Sorge zu tragen, daß dem Kranken — unbeschadet der humansten Pflege — ein abgesonderter Schlafraum, jedenfalls aber ein eigenes Lager, eigene Bett- und Leibwäsche, eigene Kleidung, eigene Wasch- und Speisereqnisiten beigestellt werden. Das S p n t » m des Kranken darf fortan in und außer dem Hause, worauf der Arzt mit dem ganzen Nachdrucke seiner Autorität zu dringen hat, nur in hiezu bereit» znhaltende Aufnahmebehälter (Spucknüpfe, -Schalen, -Fläschchen u. dgl.) — unter Vermeidung des Aus-spnckens auf den Boden oder in das zur Reinigung der Nase bestimmte Taschentuch — beseitigt werden. Beim Husten hat sich der Kranke nach Weisung des Arztes geeigneter, vor den Mund zu nehmender S ch utzvor-Inge» zu bedienen, um das Versprächen des Sputums zu vermeiden. Diese und alle mit tuberkulösen Insekti olissi o s s e u verunreinigten G e b r a n ch s g e g e n st ä n d e sind, insofern sie nicht, wie z. B. Verbandstoffe, wegen Wertlosigkeit sofort verbrannt werden können, bei Vermeidung jeder Manipulation, durch welche — wie beim gewaltsamen Entfalten geballter Schnupftücher — eingetrocknete Verunreinigungen verstäuben könnten, durch Ans!ochen, eventuell Desinfektion im Wasser dampfe oder mit chemischen Desinfektionsmitteln für den weiteren Gebrauch unschädlich zu m a ch e it. Das Auskehren der Räume, in denen sich ein Tuberkelkranker befindet, hat stets auf feuchte Weise zu geschehen. Diis Entstaube» von Stanbtüchern durch Fenster oder andere Öffnungen auf die Straße ist allgemein polizeilich zu verbieten; die Entstäubung soll womöglich in einen zweckmässigen Kehrichtbehälter stattfinden und der Kehricht verbrannt werden. Die Leib- und Bettwäsche der Tuberkulösen ist mittelst Auskochens in Lauge oder Sodalvsung ober Einlagerung in kalte, zehnfach verdünnte Cre s ols e ifen-lösung durch 24 Stunden vor dem Waschprozeße zu desinfizieren. Im Falle des Abganges eines tuberkulösen Kranken a us seiiter Wohn ung in Spitalspflege, beziehungsweise überhaupt beim Wechsel der Unterkunft, desgleichen im Falle seines Ablebens sind alle vom ihm bisher benützte» Gebrauchsgegenstände vor neuerlicher Verwendung durch Andere einer verläßlichen Reinigung und Lüftung an der Sonne, beziehungsweise nach ärztlicher Anordnung der Desinfektion zu unterziehen, und ist die von ihm verlassene Wohnung vor neuerlicher Benützung an Wänden und Fußboden gründlich zu reinigen und nach ärztlicher Anordnung gleichfalls zu desinfizieren. Zur Pflege der Tuberkulösen sollen nur solche Personen verwendet werden, welche weder an Tuberkulose leiden, noch hiezu in evidenter Weise disponiert sind. Das Pflegepersonale, beziehungsweise die Angehörigen des tuberkulösen Kranken sind vom behandelnden Arzte mit genauen W e i s u n g e n zu versehen, wie sie den Kranken in sanitätsgemäßer Weise zu pflegen und sich selbst vor Ansteckung zu schützen haben. Insbesondere ist ihnen aufzutragen, daß sie sich, gleich wie die Ärzte, nach einer etwaigen Verunreinigung der Hände oder anderer bloßer Körperteile oder der Bekleidung durch tuberkulöse Ausscheidungen mit einer geeigneten Desinfektionsflüssigkeit reinigen, während der Hustenanfälle der Patienten nicht überflüssiger Weise den Körper in den Bereich der versprühten Schleimbläschen bringen oder sich vor deren Einatmung durch Bedecken von Mund und Nase schützen und sich der größten persönlichen Reinlichkeit befleißen. Um bei der Bekämpfung der Tuberkulose wirkliche Erfolge zu erzielen, ist es notwendig, daß alle beteiligten Personen, Kranke und Gesunde, in strengster Selbstdisziplin die Anordnungen des Arztes befolgen, beziehungsweise deren Befolgung selbst überwachen. Es ist notwendig, daß Jedermann die Überzeugung erlange, daß ein auf den Boden entleertes Sputum eines Tuberkulösen eine Gefahr für ihn selbst enthalte, und daß er demgemäß ein Interesse und eventuell die Pflicht habe, derartiges hintanzuhalten. Jedermann muß aber auch darauf achten, daß er nicht selbst anderen ein schlechtes Beispiel gebe, und sich daher des Spucke ns ans den Boden enthalten. Anderseits muß der Tuberkulöse erinnert werden, daß er vermeiden müße, durch sorgloses Ausspucken eine Gefahr für die Anderen zu sein und er wird es vermeiden, sobald man ihn aufmerksam gemacht haben wird, daß die ersten Opfer seiner Unachtsamkeit die Mitglieder seiner Familie und die Personen seiner unmittelbaren Umgebung sein könnten. Da es evident ist, daß die verbreitete Gewohnheit des Ausspuckens auf den Boden eine ebenso widerwärtige, als wegen der großen Zahl der in der Gesellschaft lebenden Tuberkulösen gefährliche Unsitte ist, muß derselbe» unab-läßig mit allen Mitteln entgegengewirkt werden. Das Ausspucken auf den Boden wirkt minder schädlich auf offenen Straßen und Plätzen, weil die Tuberkelbazillen unter dem Einllusse des Sonnenlichtes und der Austrocknung im Freien bald abgetödtet werden. Umso verderblicher ist dessen Nachwirkung in geschlossenen, von Menschen zum Aufenthalte geuommenen oder stark frequentierten Räumen. Es ist daher dringend notwendig, diese üble Gewohnheit im Wege der V o l k s e r z i e h u n g sowohl durch Geltendmachung des Einflusses aller Gesitteten im öffentlichen Gesell-schaftsleben, als durch Volksbelehrung und insbesondere durch Unterweisung der Jugend in allen Lehr- und Erziehungsanstalten, sowie durch Anhaltung derselben zur Vermeidung der bezeichneten Unsitte allgemein abzustellen. Dort, wo den staatlichen oder autonomen Behörden, öffentlichen Körperschaften und Unternehmungen eine unmittelbare Einwirkung auf die Bevölkerung zukommt, wird die Hintanhaltung des bezeichneten Unfuges durch direkte, unbedingte Verbote des Ausspuckens zu erreichen sein Solche Verbote werden insbesondere bezüglich der ö s s e n t l i ch e n Versammlungsorte wie z. B. Kirchen, Theater, Museen, Gasthäuser, Tanz- und Vergnügungslokale re., dann bezüglich der einer Aufsicht oder Einflußnahme der erwähnte» Behörden und Körperschaften unterstehenden Anstalten und Unternehmungen, wie z. B. Kanzleien, Schulen, Turnsäle, Spielplätze, Spitäler, Sanatorien, Irren-, Siechen-, Waisen-, Armenhäuser, Krippen, Kinderasyle und dergleichen, dann bezüglich der gewerblichen Betriebsanlagen, insbesondere der Fabrikssäle, ferner in Kasernen, Nachtquartieren, Verpflegsstativnen, Gefangenhäusern und Detentivnsanstalten und dergleichen, endlich bezüglich der öffentlichen Transportmittel für den Personenverkehr und der dazu gehörigen Betriebsräume, wie z. B. der Wartehallen auf Eisenbahnstationen, der Personenwagen in Eisenbahnzügen, der Passagierräume auf Dampfschiffen, bezüglich der elektrischen und Pferdebahnen, Postwagen, Omnibusse, Mietwagen it. s. w zu erlassen sein und ihre Strafsanktiou in der kaiserlichen Verordnung vom 20. April 1854, R. G. Bl. Nr. 96, der Verordnung vom 30. September 1857, R. G Bl. Nr. 198, der Gemeindeordnung, der Gewerbeordnung, der Eisenbahn-betriebsordnung, der Strafgerichtsinstruktion u. s. w. oder anderen besonderen Ordnungsvorschriften finden können. Zugleich wird jedoch dafür vorgesorgt werden müssen, daß unter Beobachtung der gebotenen Anstandsrücksichten be- sondere für die Aufnahme des Sputums bestimmte und geeignete Gefäße — zur Hälfte mit feuchtem Desiufektionsmateriale oder Desiufektionsflüssigkeit gefüllt und am zweckmäßigsten in einer Höhe von 0.9 Metern angebracht und mit einer entsprechenden Aufschrift versehen — zur Benützung des Publikums dieser Ubikationen bereit gehalten werden. Selbstverständlich muß zuverläßig vorgesorgt werden, daß der Inhalt dieser Gefäße regelmäßig nach Desinsektion in unschädlicher Weise beseitigt, eventuell nach Vermengung mit Torfmull oder Sägespänen verbrannt, und daß die Gefäße selbst durch Auskochnng oder mittelst Karbvl-wasser (3°/0iger wässeriger Lösung) oder des Lysitvlwassers oder Lysolwassers (2%i3a' Lösung) gereinigt werden. Wo immer der behandelnde Arzt bezüglich der Durchführung unumgänglich notwendiger Maßnahmen zur Hintanhaltung der Verbreitung der Tuberkulose auf unbehebbare Hindernisse stößt, ist er verpflichtet, die Mitwirkung der lokalen, eventuell staatlichen Sanitätsbehörde anzurnfen. Insbesondere ist er jedoch verpflichtet, die Anzeige des Bestandes der Tuberkulose in einem Haushalte oder einer Wohngemeinschaft zu machen: a) im Falle des Ablebens eines tuberkulösen Kranken, b) beim Wechsel der Wohnung oder Unterkunft des Tuberkulösen. Zur Ablebeusanzeige ist auch der Todtenbeschauer verpflichtet. Die Auzeigepflicht der Ärzte über das Auftreten der Tuberkulose unter besonderen Verhältnissen wird im speziellen Teile festgesetzt. b) Spezieller Art. Diese allgemeinen Grundsätze, deren Geltendmachnug allen Ärzten bei Ausübung ihrer privaten Praxis zur besondere» Pflicht zu machen ist, werde» unter besonderen Verhältnissen eine Spezialisierung und Präzisierung erfahren müsse». Dies ist insbesondere der Fall hinsichtlich der Heil-und Pflegeaiistalten jeder Art, seien es nun öffentliche oder private. 1. In Heilanstalten. In Kranken- . . und Armenanstalteu, Siechenhäusern u. dgl., wo Pflegebedürftige in größerer Anzahl gemeinsam untergebracht sind, wird der gesonderten Pflege der Tuberkelkranken in licht- und luftreichen, besonders rein zu haltenden, staubfrei zu reinigenden Räumen, der sorgfältigen Schulung des für solche Kranke bestellten Wartepersonales, der Desinfektion aller infizierten Gebranchsgegenstände und der Unschädlichmachung der tuberkulösen Exkrete die peinlichste Aufmerksamkeit zu widmen, und werden alle Kranken und Pfleglinge zur hygienischen Selbstdisziplin, namentlich in Bezug auf unschädliche Beseitigung des Auswurfes in die ausreichend beizustellenden Spuckgefäße zu erziehen sein. Es ist darauf zu halten, daß alle zur Hintanhaltung der Verbreitung der Tuberkulose dienlichen Maßnahmen in allen Kranken- und Pflegeaustalten in musterhafter Weise zur Geltung gelangen, so daß die Kranken in denselben mit den betreffenden Verhaltungsmaßregeln vollständig vertraut werden, und die Spitalskrankenpflege der Tuberkulösen z u m V o r b i l d e der rationellen Privatkrankenpflege dienen könne. 2. In Kurorten und Sommerfrischen. Desgleichen werden diese allgemeinen Vorschriften in Ansehung der Kurorte und Sommerfrischen als Sammel-stätteu von Heilungs- und Erholungsbedürftigen eine besondere Verschärfung und Ausgestaltung erfahren müssen, namentlich bezüglich solcher Orte, welche von Tuberkulösen zur Wiedererlangung oder Besserung ihrer Gesundheit ausgesucht werden. Insbesondere ist unbedingt notwendig, daß mit der Kurordnung oder in eigens zu verlautbarenden Kundmachungen alle jene sanitären Verhaltungsmaßregeln angeordnet werden, nach welchen sich sowohl die Kranken selbst, als ihre Begleitung, als auch ihre Wohnuugsgeber und Wirte zum Zwecke der Vermeidung von Jnfektionsübertragungen zu benehmen haben. Die Kurverwaltungen und Kurgemeinden haben alle jene sanitären Vorkehrungen zu treffen, welche zur Beaufsichtigung und Instandhaltung der Unterkünfte tuberkulöser Kurgäste und zur exakten Handhabung des Desinfektiousdienstes erforderlich sind. In Kurorten, in welchen rohe Milch oder Milch-Produkte als Kurmittel verwendet werden, ist durch die zuständige politische Behörde eine strenge Überwachung sowohl dieser Gennßmittel selbst, als auch der Stä tten ihrer Provenienz zu veranlassen, damit die Verwendung tuberkulöser Tiere von der Milchgewinnung sicher ausgeschlossen werde. 3. In Wohngemeinschaften aller Art. Auch in Wohngemeinschaften und Pflegeaustalten jeder anderen Art, in welchen eine größere Anzahl von Personen im gemeinsamen Haushalte lebt, ivie in Versorgungsanstalten, Asylen, Herbergen, Arbcits-, Korrektivns- lind Gefangenhäusern rc., insbesondere aber in Instituten und Konvikten für jüngere Personen, dann in geistlichen und weltlichen Gemeinschaften u. dgl. wird eine sorgfältige Anpassung und Ausgestaltung der obigen allgemeinen Vorschriften platzzugreifen haben. Insbesondere dürfen zur Pflege der Kinder in Krippen und Kinderbewahranstalten niemals tuberkulöse oder der Tuberkulose auch nur verdächtige Personen zu gelassen werden. Dem Auftreten der T u b e r k n l o s e in derlei Gemeinschaften wird von dem mit der Besorgung des ärztlichen Dienstes betraute» Arzte die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden sein, und ist derselbe verpflichtet, im Falle der Kon-statiernng eines derartigen Erkrankuugsfalles dem Anstalts-vorstande sofort die Anzeige zu erstatten imb die Mittel darzulegen, welche geeignet sind, die Heilung des Kranken zu ermöglichen und jede Gefahr der Verbreitung der Tuberkulose abzuwehren. Der Aufsicht führenden Behörde ist über derartige Maßnahmen die Anzeige zu erstatten. 13. Empfehlenswerte Maßnahmen. Neben diesen direkten Maßnahmen gegen die Verbreitung der Tuberkulose ist jedoch noch eine ganze Reihe von Vorkehrungen aufzuzählen, deren Durchführung wegen der indirekten Förderung des angestrebten Zweckes als dringend empfehlenswert bezeichnet werden muß, da die beharrliche Vernach-läßigung derselben den günstigen Erfolg der elfteren Maßnahmen sogar in Frage zu stellen geeignet ist. Eine wichtige Rolle kommt in dieser Hinsicht der Aufklärung und B e l e h r u n g d e r w e i t e st e n Bevölkerungsschichten über Entstehung und Bekämpfung der Tuberkulose und über das hierauf abzielende Verhalten im gesunden Zustande und im Falle der Erkrankung zu. Diese Belehrung kan» durch populäre Vorträge und Aufsätze von Ärzten und anderen Sachverständigen und Verbreitung hierauf abzielender guter V v l k s s ch r i f t e n durch humanitäre Vereine sehr gefördert werden Den an Tuberkulose Erkrankten wird das Aufsuchen einer Heilanstalt für Tuberkulöse oder, wenn dies nicht möglich ist, und eine entsprechende, die notwendige Absonderung des Kranken berücksichtigende Behandlung innerhalb der Familie nicht platzgreifen kann, eines Spitales überhaupt dringend zu empfehlen sein. Tuberkulöse Eltern, welche kleine Kinder besitzen, sollen im Verkehre mit diesen die allergrößte Vorsicht beobachten. Tuberkulöse . Personen dürfen ihre Kinder und Verwandten nicht auf den Mund k ü ff e n, tuberkulöse Mütter ihre Neugeborenen womöglich nicht selbst stillen. Tuber kulöse Frauen dürfen zum Ammendienste nicht z»gelasse u und sollen womöglich von der Kinderpflege fern gehalten werden; auch ist tuberkulösen Personen die Verehelichung a bz u r a t e n, solange der tuberkulöse Prozeß nicht zur Heilung oder doch zum Stillstände gebracht ist. Tuberkulöse oder zur Tuberkulose veranlagte Personen sollten durch verständige Einwirkung von solchen Berufsarte» abgehalten werden, welche wegen ungünstiger hygienischer Verhältnisse, wie Staubbildung, Arbeit in gesperrter oder mit schädlichen Dünsten erfüllter Luft, wegen anhaltend sitzender und gebeugter Körperhaltung eine Besserung ihres Zustandes zu ver- hindern oder denselben zu verschlimmern geeignet sind, oder welche den Tuberkulösen mit anderen Personen in engsten Verkehr bringen oder sie zwingen, mit verkäuflichen Lebens- und Genuß mittel» fortgesetzt zu manipulieren. In den letztbezeichneten Beziehungen ist cs von besonderer Wichtigkeit, daß in Fabriks- und Gewerbebetrieben der sorgfältigen Beobachtung der notwendigen hygienischen Rücksichten auf die Gesundheit der Arbeitenden, insbesondere jugendlicher Personen, sowohl in Bezug auf die Arbeitslokalitäten, als auf die Art und Dauer der Arbeit die größte Aufmerksamkeit zugewendet werde. Außerdem gehört zu den empfehlenswerten Maßnahmen die Vorsorge für die Salubrität, Hygiene und Reinlichkeit in Ansehung ganzer Gemeinden und Ortschaften im Allgemeinen, sowie der Häuser, der Wohnungen in denselben und der Lebensführung ihrer Bewohner im Besonderen. Die planmäßig fortgesetzte Assanierung ganzer Gemeinden und einzelner Ortschaften durch Herbeiführung gesunder Lebensbedingungen, insbesondere durch Erhaltung reiner Luft und Beistellung gesunden Wassers durch die Beschaffung lichter und luftiger, trockener und ausreichender Wohnungen für die ärmeren Bevöl-kernngsklassen, durch eine wohlgeordnete, unter genauer Marktpolizei-Kontrole stehende Approvisi»nierung mit gesunden Lebensmitteln, ferner durch Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Bewohner mittelst Darbietung reichlicher und billiger Gelegenheit zur persönlichen Reinlichkeitspflege und zur Abhärtung mittelst öffentlicher Bäder und S ch w i Ni m a n st alt en ; die strenge Handhabung der Gesnndhcitspvlizei unter Benützung aller Fortschritte der Hygiene, insbesondere die rationelle Regelung der Sam mlung und Abfuhr des Hauskehrichtes und der Hausabfälle, die unschädliche Ableitung des Unrates; die öffentliche Reinlichkeitspflege, insbesondere die regelmäßige und häufige Straßen reinigung bei Vermeidung von Staubbildung; die strenge Handhabung von Polizeivorschriften zur Sicherung der Reinlichkeit in den Höfen, vornehmlich den Lichthöfen, den Gängen und Stiegen der Häuser, desgleichen zur Hintauhaltung des Aus» staubens von Wohnungsesfekten und Abwischtüchern durch die Fenster auf die Gaffe u.dgl.; dies alles sind Mittel, um der Entstehung und Verbreitung der Tuberkulose indirekt immer mehr an Boden zu entziehen. Nicht zu unterschätzen ist hiebei auch die erziehliche Wirkung der öffentlichen, kommunalen Reinlichkeitspflege auf die private, sowohl hinsichtlich der Wohnungen, als auch rücksichtlich der Person der Bewohner, zu der sich in wirksamer Weise der Einfluß der Schule bereits von der Kindheit an gesellen muß. II Heilung. Aber nicht bloß der Verhütung, auch der Heilung der Tuberkulose, welche mit der Unschädlichmachung der Tuberkelbazillen im Körper selbst und Beseitigung der von ihnen hervorgerufenen Schäden identisch ist, muß eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden. Sowohl die anatomisch-pathologischen, als auch die klinischen Erfahrungen lassen die Tuberkulose, besonders in den Anfangsstadien als heilbar erscheinen. Die erfolgreiche Behandlung der Tuberkulose setzt jedoch die rigoroseste Einhaltung einer Reihe von ärztlichen Vorschriften voraus, welche bei Belass» ng des Kranken in häuslicher Pflege meistens kaum durchführbar ist. Von ganz besonderem Nutzen, ja geradezu als unab-weisliche Notwendigkeit erweist sich hier die Unterbringung in sogenannten Lungenheilstätten oder Tuberkulösen asylen, wo eine sorgfältig geregelte, mit systematischen Kräftignngsknren verbundene ärztliche Behandlung platzgreift. Durch die in diesen Heilstätten eintretende Pflege wird nicht bloß den Forderungen der Humanität Rechnung getragen, sondern es werden auch durch die häufig erzielte gänzliche, oder doch zur Arbeitsleistung befähigende Wiederherstellung der Pfleglinge die wirtschaftlichen Interessen der Gemeinden, J n d u st r i e u n t e r » e h-m u u g e n, Krankenversicherungsan st alten, welchen diese Erkrankten angehören, gefördert. Diese Körperschaften und Unternehmungen sollten daher a» der Errichtung solcher Heilstätten und an der Unterbringung von Tuberkelkranken in denselben einen besonders werktätigen Anteil nehmen. Ungeachtet des großen Reichtums an hiezu bestens geeigneten Gegenden sind in den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern nur sehr wenige solcher Anstalten vorhanden. Den Bemühungen Hochderselben um die Hebung der allgemeinen Wohlfahrt in Ihrem Verwaltnngsgebiete eröffnet sich hier ein weites Feld ersprießlicher Betätigung. Hochdieselbe» werden durch zielbewnßte fortgesetzte Einflußnahme ans die in Betracht kommenden öffentlichen Faktoren, sowie durch eifrige Unterstützung bestehender oder zu begründender Vereine und Institutionen, welche derlei Zwecke verfolgen, durch persönliche Anregung und Förderung dahin abzielender Bestrebungen unschwer in der Lage sein, das Entstehen solcher allgemein zugänglicher, namentlich für die minder bemittelten Volksklassen leicht erreichbarer Heil- und Pflegestätten für Lungenkranke zu ermöglichen oder doch zu bewirken, daß an die bestehenden öffentlichen Krankenanstalten besondere A n n e x p a v i l l o n s in günstiger sonniger Lage mit Vorkehrungen für rationelle Freiluftbehandlung und Kräftigungskuren angeschlossen werden. Gemeinsame Lchlnsibestimmungen. Zur Durchführung der im Obigen dargestellten Maßnahmen wird — neben dem umsichtigen und tatkräftigen Vorgehen der staatlichen Behörden, insbesondere der staatlichen Sanitätsorgane, sowie jener der u n t e r r i ch t s-behördlichen und gewerblichen Aufsicht —die eifrige und bereitwillige Mithilfe der autonomen Verwalt u n g e n der Königreiche und Länder, der Bezirke und Gemeinden, der Ärztekammern und aller einzelnen Ärzte, die verständnisvolle und entgegenkommende Unterstützung der Leitungen aller Heil- und Pflegeanstalten, der Schul- und Erziehungsinstitnte, der Verkehrs- und Betriebs-unternehmungen, der sozialen Versicherungsverbände, der Humanitären Vereine und Körperschaften, ebenso wie der anfklärende Einfluß der Presse und die hilfsbereite Teilnahme der g e s a m t e n Bevölkern n g unerläßlich sein. Die politischen Behörden und ihre Sanitätsorgane werden die Verhältnisse der Verbreitung der Tuberkulose in ihrem Amtsbereiche einem fortgesetzten Studium, namentlich anläßlich der periodischen Bereifungen, Inspizierungen von Schul e n und sanitätspvlizeilich wichtigen Objekten, desgleichen anläßlich ihrer Interventionen bei Assentierungen zu unterziehen und die gemachten Wahrnehmungen bei Bekämpfung der Tuberkulose zu verwerten haben. Hochdieselben wollen demnach die im Sinne der vorstehenden Ausführungen erforderlichen und zweckdienlichen Vorkehrungen treffen, den politischen Behörden mit aller Beschleunigung die vorstehenden Direktiven zur entsprechenden Anweisung der Ärzte, der Geineindevvrstände, der Direktionen und Verwaltungen von Kranken-uiti) Pflegeanstalten, der Lehr- und Erziehungsinstitute, der Verkehrs- und Industri e unte r ne lini un gen, Kurorte und öffentlichen Erholnugs-attstalten und anderer einschlägiger Unternehmungen zur Kenntnis bringen, mit dem Landesausschuße und den in Betracht kommenden Landesbehörden zur gemeinsamen Förderung der Ziele der Bekämpfung der Tuberkulose sich in Verbindung setzen und unausgesetzt dahin wirken, daß die allgemeine Teilnahme und Aufmerksamkeit an dieser das gemeinsame Wohl Aller berührenden Angelegenheit geweckt und wach erhalten werde und sich in fruchtbarer und nutz* bringender Weise betätige. Über die von Hvchdenselben getroffenen Verfügungen gewärtige ich einen ausführlichen Bericht und ersuche Hochdieselben Veranlassung zu treffe», daß die Erfolge der cinzii leitenden Aktion zur Bekämpfung der Tuberkulose, und namentlich die Vorkehrungen zur Absonderung der Tuberkulösen und systematischen hygienischen Erziehung der Pfleglinge in Heil- und Pflege- a n ft a 11 c it alljährlich im Jahressanitütsberichte iit einem besonderen Abschnitte zur übersichtlichen Darstellung gelangen. Körber m. p. Zur gründlicheren Durchführung der zur möglichsten Bekämpfung der heimtükischen Tuberkulose getroffenen Maßnahmen wird hicutit angeordnet, daß die hochw. Seelsorgsgeistlichkeit bei jeder sich ihr ergebenden Gelegenheit auf die Bevölkerung dahin einwirken soll, daß das Ausspucken auf den Boden — wenigstens in geschlossenen Räumen — ehemöglichst außer Übung kommt. Es müssen daher in jeder Pfarrkanzlei, dann aber auch in den Kirchen und Sakristeien, ans den Mnsikemporen und in den Beichtstühlen geeignete Spueknäpfe oder Spnckschalen in genügender Anzahl aufgestellt lucriteli. Ärmere Kirchen können nach Ansicht von Sanitätsorganen jene billigen Nntersatzeln wählen, die man unter die Blumen- töpfe zu stellen pflegt. Werden dieselben mit Kalkmilch gefüllt, die am Lande meist sehr leicht erhältlich ist, so werden jene gefährlichen Bazillen gleich unschädlich gemacht. Spucknäpse mit Sägespänen müssen viel häufiger gereinigt werden und ist bereit Inhalt jedesmal zu verbrennen. Spuck-schalen mit Kalkmilch oder Lisolwasser sind jedoch den Süge-späncn entschieden vorzuziehen. Eine besondere Aufmerksamkeit ist der Reinhaltung von Beichtstühlen znznwcnden. Die Sprechgitter sind allwöchentlich, im Advente und zur Zeit der österlichen Beichte aber noch öfters nicht bloß abzuwischen, sondern auch sorgfältig abzu-waschen, um Staub und Schmutz davon ferne zu halten. Die hochw. Herren Dechante werde» auf ihren Visitationen auf die genaue Einhaltung dieser keineswegs geringfügigen Anordnungen dringen und darüber Bericht erstatten. 109. Entscheidung, betreffend das Datrsnat der Pfarre hl. Geist in Loöe. Aie hochlöbliche k. k. Statthalterei in Graz hat mit dem Erlasse vom 19. November 1904, Zl. 51.212, nachstehendes anher mitgeteilt: „Die k. k. Bezirkshanptmannschaft in Gonobitz hat mit der rechtskräftigen Entscheidung vom 20. Mürz 1904, Zahl 2759 erkannt, daß die Kirche Hl. Geist bei Loöe dem Patronate der Hauptpfarre Gonobitz nicht unterliege." Dies wolle die hochwürdige Seelsorgegeistlichkeit zur Kenntnis nehmen. 110. Der erste Instruktionskurs für Grganisten in Marburg. Mittcr dem Schutze der unbefleckt empfangenen Mutter Gottes Maria und angespornt durch das Motu proprio Sr. Heiligkeit Papst Pius X. vom 22. November 1903 über die Reform der Kirchenmusik, veranstaltete der Cüzilienverein für die Diöcese Lavant mit Genehmigung des F. B. Lavanter Ordinariates vom 13. Juli 1904, Nr. 2477, in den Tagen vom 27. bis 30. September d. I. in den Lokalitäten des Marburger Katholischen Meistervereines im Viktringhofe den ersten Jnstruktionskurs für Organisten in Marburg. Der Kurs, dessen zeitweise Veranstaltung im Zwecke des Cäzilienvercines gelegen ist, erfreute sich seitens der Organisten und Lehrer einer regen Beteiligung, erschienen doch zu demselben ihrer gegen 40, welchen mit Erlaubnis des hochwürdigsten Herrn Fürstbischofes von der Hochw. F. B. Priesterhausdirektion in den Räumen des Priesterhauses freie Unterkunft und eine billige Verpflegung gewährt worden ist. Im Kurse erteilten den Unterricht: Herr Karl Bervar, Stadtpfarrorganist in Cilli, aus der Harmonielehre; Herr-Heinrich Drnzoviö, des. Lehrer an der Knabenvolksschnle für Umgebung Pestali, im Orgelspiel; Herr Franz Špindler, F. B. Nechnnngsrevident in Marburg, im kirchlichen Chor- und Volksgesange; Herr Franz Trop, Chorvikar an der Domkirche zu Marburg, im Choralgesange. Das Programm für den Jnstrnktionskiirs war folgendes: Dienstag, 27. September: 8 Uhr früh Eröffnung des Kurses, sodann bis 10 Uhr vormittags Choral; 10—11 Uhr Harmonielehre; 11—12 Uhr Orgelspiel; 1—2 Uhr nachmittags praktische Übungen; 2—3 Uhr Harmonielehre; 3—4 Uhr Orgelspiel; 4 — 6 Uhr Gesang; 6—7 Uhr praktische Übungen. — Mittwoch, 28. September: 7—8 Uhr früh praktische Übungen; 8 Uhr Choralmesse in der Domkirche; 9—10 Uhr vormittags Choral; 10—12 Uhr Orgelspiel; 1—2 Uhr nachmittags praktische Übungen; V82—7,3 Uhr Choral; 3 Uhr feierliche Vesper in der Domkirche; 4-5 Uhr Gesang; 5—7 Uhr Harmonielehre. —Donnerstag, 29. September: 7—8 Früh praktische Übungen; 8 Uhr-feierliches Pontifikalamt in der Domkirche; 9-11 Uhr vormittags Choral; 11—12 Uhr Gesang; 1—2 Uhr nachmittags praktische Übungen; 2—3 Uhr Harmonielehre; 3—4 Uhr Orgelspiel; 4—5 Uhr Gesang; 5 Uhr Vortrag des Herrn Reli-gionslehrers Alois Čižef über den Hl. Gregor den Großen und die Liturgie; <> Uhr kircheninnsikalische Aufführung des Vereinschores in der Vorstadtpfarrkirche zur Hl. Maria in Marburg (1. Dr. Fr. Witt, Pius et piissima, gem. Chor mit Instrumentalbegleitung; 2. R. Wagner, Orgelfantasie, vorgetragen von Rnd. Wagner; 3. L. A. Coerne, Sanctus aus der sechsstimmigen Messe für gem. Chor; 4. I. S. Bach, Passacaglia, vorgetragen von Heinrich Drnzoviö; f>. M. Brosig, Resurrexit ! achtstimmiger gemischter Chor; 6. Schütkh, Tantum ergo, gem. Chor; 7. Choralrhytmns: Salve mater, einstimmiger Chor). — Freitag, 30. September: 7—8 Uhr früh praktische Übungen; 9 Uhr früh Choralrequiem in der Domkirche; 9 Uhr vormittags Schluß des Jnstruktionskurses und hierauf Generalversammlung des Cäzilienvereines für die Diärese Lavant. Der Unterricht >var von nicht geringem Erfolge begleitet und die Teilnehmer am Kurse sprachen am Schluffe desselben mit dem Dank den Wunsch und die Bitte ans, daß ein derartiger Jnstrnktionskllrs bald wieder abgehalten werde» möge. 111. DiöceslM-Nllchrichteii. Investiert wurden: Ziti. Herr Heinrich Verk, Scisti. Rat, Hauptpfarrer und Dechant in Saldeuhofen, auf die Pfarre Maria Himmelfahrt in Drachenburg; Herr Anton Drofenik, Kaplan in Kleinsonntag, auf die Pfarre St. Nikolaus in Felddorf; Herr Friedrich Horvat, Provisor in St. Lorenzen ob Marburg, auf eben diese Pfarre; Herr Josef Krohne, Provisor in St. Daniel in Raßwald, auf die genannte Pfarre; und Herr Johann Rožman, Kaplan in Praßberg, auf die Pfarre St. Peter in Zavodnje. Bestellt wurden: Ziti. Herr Heinrich Verk, Geist!. Rat und Pfarrer in Drachenburg, als Dechant des gleichnamigen Dekanates; Herr Joses Öernko, Pfarrer in Wuchern, als Administrator des Dekanates Saldenhofen; Herr Anton Kocbek als Provisor in Hl. Kreuz ob Marburg und Herr Viktor Preglej als Provisor in Saldenhofen. WlcdcraiigestcUt wurde als Kaplan in Praßberg Herr Ferdinand Žgank, Provisor in St. Peter in Zavodnje. Übersetzt wurden die Herren Kaplane: Josef Krajnc von Galizien nach St. Peter bei Marburg; Josef Lasbacber von Peilenstein nach St. Anton in W. B. ; Simon Petek von St. Ruprecht ob Duffer »ach Kleinsonntag; Ignaz Škamlec von St. Anton in W. B. nach Luttenberg (III.) und Anton Srabočan von Luttenberg nach Gonobiz (k.). In den dauernden Ruhestand ist getreten Ziti. Herr Martin Kragl, Jubelpriester, Geistl. Rat und Pfarrer in Felddorf. Gestorben ist am 11. November Herr Franz Kocpek, Pfarrer in Hl. Kreuz ob Marburg, im 4ti. Lebensjahre. Unbesetzt sind geblieben die Kaplansposten in Saldenhofen, Ga lizien, Peilenstein und St. Ruprecht ob Düffer. F. B. Lavaitter Ordinariat zu Marburg, am 10. Dezember 1904. t Michael, Fürstbischof. St. LyrilluS-Buchdruckerri.