otta^cke kibliotkek äer Mettlileratur Oie „6otta'5che Libliotstek Ser Aettliteratur" bietet zu dem p^eise^von 1 für de^ vollständigen, eleMNt m Leinwand «z einer KlarNEn vücherraminlung von nie ver- A attenilem, unvergänglichem Aerie ru rerren. « auch einzeln käuflich ist, enthält bis jetzt: Ariosts Rasender Roland. Deutsch von I. D. Gries. Mit Einleitung von Hermann Fleischer. In 4 Leinenbänden zu je 1 Mark. Aeschylos' Ansgewählte Dramen. Deutsch von L. Graf zu Stol- berg^ Mit Einleitung von L. Türkheim. 1 Leinenband^l Mark. 6^ Bojardo, Der verliebte Roland. Deutsch von I. D. Gries. Mit Ein- leitung von Ludwig Fränkel. In 2 Leinenbänden zu je 1 Mark. Briefwechsel zwischen Lessing und Eva König. Mit Einleitung von T' Edmund Dörffel. In 2 Leinenbänden zu je 1 Mark. xV Briefwechsel zwischen Schiller nnd Goethe. Mit Einleitung von Briefwechsel zwischen Schiller und W. v. Humboldt. 1792—1805. Brieswrchsel zwischen Schiller und L-ttc/i7SS—l80ö/ Mithin- Bürgers Ansgewählte Werke. Mit Einleitung von Nichard M^a ria Byrons Poetische Werke. Deutsch von I. CH. v. Zedlitz u. a. Mit Einleitungen von H. Tuckerman und W. Kirchbach. z - b ^binenbänden zu je 1 Mark. Byrons Poetische Werke. 3. Bd. Korsar. Beppo. Fluch der Minerva. Eherne Zeitalter. Vision des Gerichts. Tassos Klage. Prophezeiung des Dante. Vampir. 4. Lyrische Gedichte. 5. Manfred. Marino Faliero. Himmel und Erde. Sardanapal. 6. Foscari. Kain. Der umgestaltete Ungestalte. Werner. 7. 8. Don Juan. I. II. Calderons Ausgewähltc Werke. Deutsch von A. W. Schlegel und I. D. Gries. Mit Einleitung von A. F. Graf v. Schack. Zn 3 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1. Wundertätige Magus. Laute Geheimnis. 2. Standhafte Prinz. Leben ein Traum. Richter von Zalamea. 3. Dame Kobold. Drei Vergeltungen. Verborgene und Verkappte. Camocs'Lusinden. Mit Ein leitung von K a r l v. R s i n h a r d st ö t t n e r. 1 Leinenband 1 Mark. Cervantes' Ansgewiihlte Werke. Deutsch von H. Müller. Ein¬ leitung von Otto Roquetts. In 6 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1—4. Don Quijote. I—IV. 5 u. 8. Lehrreiche Erzählungen. In.II. Chamissos Gesammelte Werke. Mit Einleitung von Max Koch. In 4 Leinenbänden zu je 1 Mark. Baud I. Gedichte I. Dramatisches. 2. Gedichte. II. Adelberts Fabel. Peter Schlemihl. Vermischtes in Prosa. 3 u. 4. Reise um die Welt. rc. Das Liederbuch vom Cid. Deutsch von Gottlob Regis. Mit Ein¬ leitung von Wilhelm Lauser. In 2 Leinenbänden zu je 1 Mark. Dantes Göttliche Komödie. Deutsch von Karl Streckfuß. Mit Ein¬ leitung von Otto Roquetts. In 2 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1. Die Hölle. DaS Fegefeuer. L. Das Paradies. Anmerkungen. Droste-Hiilshosfs Gesammelte Schriften. Mit Einleitung von Levin Schücking. In 3 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1. Lhrijche Gedichte. Ä. Das geistliche Jahr. Geistliche Lieder. Größere erzählende Gedichte. Anhang. N. Schriften in Prosa. Dramatisches. Firdusis Heldensagen. In deutscher Nachbildung nebst Einleitung von A. F. Graf v. Schack. In 8 Leinenbänden zu je 1 Mark. Goethes Sämtliche Werke. Mit Einleitungen von Karl Goedeke. In 36 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1 und 2. Gedichte. I—II. 3. Westöstl. Diwan. 4. Sprüche. Theater¬ reden. Maskenzüge. Register z. Bd. 1—4. 5. Hermann u. Dorothea. Achilleis. Reineke Fuchs. 6. Lustspiele, dram. Fragmente. 7. Singspiele. 8. Zeitstücke. Dramatische Gelegenheilsdichtungen. 9. Götz v. Berlichingen s1773). Clavigo. Egmont. Stella. Geschwister. 1V. Faust. II. Iphigenie. Tasso. Natürl. Tochter. 12. Elpenor. Pandora. Mahomet. Tankred. Wette. 13. Jugend¬ dramen. Entwürfe: Gottfr. v. Berlichingen. Iphigenie. Erwin und Elmire. Claudine v. Villa Bella. Jahrmarkts. Plundersweilern. Hanswursts Hochzeit. Paralipomena z. Faust. Fragmente e. Tragödie. Nausikaa. 14. Götz v. Ber¬ lichingen (Bühnenbearbeit. sl804j). Mitschuldigen. Theater und dram. Poesie. I». Werthers Leiden. Briefe a.d. Schweiz. I. Unterhaltungen d. Ausgewanderten. Gute Weiber. Novelle. Reise d. Söhne Megaprazons. Hausball. 16 u. 17. Will). Meisters Lehrjahre. I. II. 18. Will). Meisters Wanderjahre. 19. Wahlverwandt¬ schaften. 2V u. 21. Aus meinem Leben. Briefe a. d. Schweiz. II. 22. Ital. 25. Schweizerreise, 1797. Rheinreise, 1814 u. 1815. 26. Tag- u. Jahreshefte. 27. Deutsche Literatur. 28. Auswärtige Literatur. Rameaus Neffe. Anhang: Ilias im^Auszug.^29. Benv. Cellini. 30. Propyläen z. Kunst. ZI^Winckcl- lehre I. II. Nachträge. 36. Gedichte. Urfaust. Prosa. Anhang. Chronologie. Register und Inhaltsverzeichnis. Goethes Leben von Karl Goedeke. 1 Leinenbqnd I Mark. Goethes Briefe. Ausgewählt u. in chronolog. Folge mit Anmerkungen hsrausgegeben von Eduard v. d. Hellen. In 6 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band I. I704-177S. s. 178«—1788. 3. 1788-1797. 4. 1797—181«. Goethes Briefe an Fran von Stein nebst Tagebuch aus Italien. Mit Einleitung v. Karl Heinemann. Jn4Leinenbändsn zu je 1 Mark. Goethes Gespräche mit Eikermann. Mit Einleitung von Otto Roquette. In 3 Leinenbändsn zu je I Mark. Grillparzers Sämtliche Werke. Mit Einleitung von A. S a uer nebst Nachworten von H e i n r. L a ube. In 20 Leinenbänden zu je I Mark. Band 1—3. Gedichte. I—III. 4. Ahnfrau. Sappho. 5. Goldene Vließ. 6. König Ottokars Glück u. Ende. Treuer Diener feines Herrn. 7. Meeres und der Liebe Wellen. Traum ein Leben. Melusina. 8. Weh' dem, der lügt! Libussa. Esther. 9. Bruderzwist in Habsburg. Jüdin v. Toledo. 10. Blanka v. Kastilien. Schreibfeder. Wer ist schuldig? 11—13. Dramat. Fragmente. Stoffe u. Charaktere. Übersetzungen. Satiren. Erzählungen. 14. Studien z. Philosophie u. Religion. Histor. u. polit. Studien. 15. Ästhet, u. sprach!. Studien. Apho¬ rismen. 16. Studien z. Literatur. 17. Studien z. span. Theater. 18. Studien z. deutsch. Literatur. Z.^eig. Schaffen. 19. Selbstbiogravhie. Tagebuch a. d. Reise n. Italien 1819. 80. Tagebücher. Erinnerungen. Register zu Band I—XX. Grillparzers Briefe und Tagebücher. Eine Ergänzung zu seinen Werken. Gesammelt und mit Anmerkungen herausgegeben von C a r l G l o ssy und A u g u st S a u er. In 2 Leinenbdn. zu je 1 Mark. Grimmelshausens Simplicius Simplicissimus. Mit Einleitung von Ferdinand Khull. In 2 Leinenbänden zu je 1 Mark. Gudrnn. Ein deutsches Heldenlied. Übersetzt und eingeleitet von Fritz Lemmermayer. 1 Leinenband 1 Mark. Hauffs Sämtliche Werke. Mit Einleitung von Hermann Fischer. In 6 Leinenbänden zu je 1 Mark. Vand 1. Gedichte. Novellen. I. 2. Novellen II. Phantasien im Bremer Ratskeller 3. Lichtenstein. 4. Memoiren des Satan. 5. Der Mann im Monde. Kontroverspredigt. Skizzen. 6. Märchen. Hebbels Ansgewählte Werke. Herausgegeben und mit Einleitungen versehen von Richard Specht. In 6 Leinenbänden zu je 1 Mark. Vand 1. Biographische Einleitung. Gedichte. Mutter u. Kind. 2. Dramen: Judith. Genoveva. Maria Magdalene. 3. Dramen: Herodcs u. Marianne. Micbel Angelo. Agnes Bernauer. Gyges und sein Ning. 4. Dramen: Die Nibelungen. Moloch. 5. Erzählungen n. Novellen. Meine Kindheit. Schriften Thcoric^dcr Kunst. 6. Aus^agebüchern und Briefen. Mit einem Anhang: Heines Sämtliche Werke. Mit Einleitung von Stephan Born. In 12 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1. Buch der Lieder. 2. Neue Gedichte. Zeitgedichte. Deutschland. Atta Troll. 3. Romanzero. 4. Tragödien. Shakespeares Mädchen und Frauen. 5 u. 6. Reisebilder. I. II. Englische Fragmente. 7 u. 8. Salon. I. II. 9. Ro¬ mantische Schlüe. Schwabenspiegel. Anzeigen u. Rezensionen. 10. Börne. Faust. Geständnisse. Götter im Exil. .11 u. 12. Französische Zustände. Lutetia: Berichte über Politik, Kunst und Volksleben. I. II. Memoiren. Gedanken und Einfälle. - Fortsetzung siehe am Schluß des Bandes. - A lavi sch e Anthologie. In deutschen Uebersehungen. Wit Einteilung von Gregov Krek. Stuttgart. Verlag der A. Ä. Äotta'schen Buchhandlung Nachfolger. o 2 0012 E Druck der Union Deutsche Äerlagsgejellschaft in Stuttgart. Einleitung. Äie Slaven gelangten auf dein Wege des Christentums zur Kenntnis einer phonetischen Schrift und damit wurden ihnen po¬ tentiell auch die Pforten der Litteratur geöffnet. Im ganzen wie im einzelnen erfolgte dies zu einer Zeit, in der die Scheidung der Slaven in die heutigen und in einige ausgestorbene, beziehungs¬ weise ihres Volkstums verlustig gewordene slavische Einzelvölker eine längst vollzogene Thatsache war. Diese ethnische Individuali¬ sierung ging Hand in Hand mit der territorialen Sonderung und war schon diese späterhin, als die Teilung der christlichen Kirche in die orientale und occidsntale erfolgte, ganz dazu geeignet, auch in religiöser Richtung innerhalb des Slaventums einer Spaltung Vorschub zu leisten. In der That wurden der slavische Süden und Osten in die Sphäre des byzantinischen, der Westen in jene des römischen Christentums und ihrer Kultur gezogen. Zwar hatte es den Anschein, als ob Pannonien, woselbst infolge der segens¬ vollen Thätigkeit der beiden Slavenapostsl Kyrill und Method die nationale Kirchenverfassung zur Geltung gelangte, den Krystalli- satiouspunkt zu einer einheitlichen Kirche für alle slavischen Volks¬ stämme abgeben sollte, wie es auch die Wiege der slavischen Lit¬ teratur überhaupt geworden ist, allein ungünstige politische und kirchenrechtliche Verhältnisse vereitelten dies und machten jene Thätigkeit bloß zu einer allerdings glänzenden Episode. Im be¬ sonderen gestalteten sich die politischen und religiösen Verhältnisse schließlich in der Weise aus, daß die Böhmen (Cechen), Polen, Sorben (Wenden in der Lausitz), Kroaten und Slovenen die Kultur des römisch-germanischen Westens, die Bulgaren, Serben und Russen jene des byzantinischen Südens annahmen und die Litteratur zu¬ nächst in diesem Sinne auch national auszubilden und zu vertiefen begannen. Die Kontinuität der in Pannoniens Boden wurzelnden Litteraturbestrebungen ward in Bulgarien, Serbien und Rußland gewahrt und die Litteratur in Bezug auf die behandelten Motive 4 Einleitung. allmählich auf eine breitere Basis gestellt. Nicht unbedeutend ge¬ fördert ward die Litteratur in diesen drei slavischen Reichen durch den Umstand, daß die Sprache der Kirche eine slavische war und eine solche auch in Hinkunft geblieben ist. Diese Litteraturepoche schon hat neben der Nachahmung und Aneignung des Fremden auch mancherlei Selbständiges, obenan „Das Lied vom Heereszuge Igors" („81ovo o polku I^orsvs"), aufzuweisen und es unterliegt in Anbetracht dieses so viel versprechenden Anfanges keinem Zweifel, daß die Litteratur bei ruhiger Fortbildung in einem verhältnis¬ mäßig kurzen Zeiträume keinen gewöhnlichen Aufschwung würde genommen haben. Doch dazu sollte es nicht kommen. Die In¬ vasion der Mongolen, Tataren und Türken hatte politische Um¬ wälzungen zur Folge, die auf die Entwickelung der Litteratur nicht etwa bloß hemmend wirkten, vielmehr eine solche geradezu zur Unmöglichkeit machten. Dritthalb Jahrhunderte verstrichen, bevor Rußland das mongolisch-tatarische Joch abschütteln konnte, das bulgarische und serbische Reich dagegen schlugen die Türken in Trümmer. Die Brutalität der Türken einfülle hielt nicht nrinder die Kroaten und Slovenen in Atem und stand damit gleichermaßen ihrer intellektuellen Entfaltung, wie solches geschichtliche Thatsachen nur zu deutlich darthun, hindernd im Wege. Von dieser einen in kultureller Beziehung für den größten Teil der Slavenwelt so überaus folgenschweren Kalamität, während deren ganzen Verlaufes Slaven für Westeuropa einen mächtigen Schutzwall bildeten, hinter dem die geistige Bewegung freien Spielraum hatte, wurden die Böhmen unmittelbar nicht in Mitleidenschaft gezogen, ein Um¬ stand, dessen wohlthätige Wirkung auf die gleichzeitige ruhige und organische Litteraturentwickelung dieses Volkes unverkennbar ist. Früher als bei irgend einem andern slavischen Volkszweige gelangte in Böhmen auf Grundlage der lateinisch-christlichen Bildung auch die Kunstpoesie, zunächst die geistliche und alsbald auch die pro¬ fane, zur Geltung und zu keiner geringen Entfaltung. Die lyri¬ schen sowie die etwas später auftauchenden dramatischen Produkte asketischen Inhaltes stehen so gut wie ganz im Dienste der Liturgie und demgemäß nach Inhalt und Form in Abhängigkeit von la¬ teinischen Vorbildern. Auf lateinische Vorlagen weisen nicht minder die epischen Dichtungen dieses Genres, allein der enge Kontakt mit dem Gottesdienste steht ihnen ferne und gereicht ihnen dies in mehr denn einer Hinsicht nur zum Vorteile. Den Hauptbestand¬ teil dieser religiösen Dichtung bilden zahlreiche Legenden, darunter die Katharinenlegende, welche alle andern insbesondere durch glatten Versbau und Schönheit der Sprache überragt. Natürlich muß Einleitung. 5 bei der Abschätzung dieser, sowie der Produkte der profanen Dich¬ tung nicht aus den Augen gelassen werden, daß sie insgesamt unter dem ausgesprochensten Einflüsse der mittelalterlichen Romantik Westeuropas stehen und dieser die Vorzüge sowohl wie die Mängel zu danken haben Die profane Dichtung ist in naturgemäßer Konsequenz zeitgenössischer nationaler und sozialer Zustände in Böhmen nahezu ausschließlich an deutsche Muster angelehnt. Seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts werden deutsche Einflüsse im Lande selbst immer mächtiger, zumal sie sich des Schutzes und der Gunst der Könige und des Adels zu erfreuen hatten. Deutsche Gesittung und Bildung bürgern sich in den höheren Ständen mehr und mehr ein und am Hofe böhmischer Könige sind deutsche Minnesänger willkommene Gäste. Das Substrat zu umfangreicheren böhmischen Dichtungen lieferten Sujets, die zu der Zeit das In¬ teresse von ganz Westeuropa fesselten, obenan die mittelalterlichen und die antiken Sagenkreise, letztere natürlich in ihrer roman¬ tischen Umgestaltung und Ausschmückung. Der bretonischen (kel¬ tischen) Sage gehören an „Tristram", „Tandarius und Floribella", der ostgotischen „Der Rosengarten" (Bruchstück), „Laurin" und „Ernst", der antiken die „Alexandreis". Alle diese Produkte sind aus deutschen Vorlagen entstanden, ausgenommen die (übrigens unvollständig erhaltene) Alexandreis, welcher wie der deutschen Bearbeitung dieses Stoffes von Ulrich von Eschenbach das im Jahre 1172 abgefaßte lateinische Gedicht des Franzosen Gautier de Chätillon (Omaltdsrus cls Oastsllions) zum Muster diente. Ungeachtet dieser prinzipiellen Abhängigkeit vom Stoffs zeigt der böhmische Dichter in der poetischen Behandlung desselben viel Selbständigkeit und nationale Stimmung, so daß dieses Produkt als das gediegenste der altböhmischen Romantik anzusshen ist. Demgegenüber ist das eigentliche, d. i. das lyrische Minnelied, soweit aus der lückenhaften Ueberlieferung desselben Schlu߬ folgerungen gestattet sind, inhaltlich wie formal ohne Originalität. Dasselbe ward schon darum wenig kultiviert, weil es nach dem damaligen Stand der Dinge aller Grundbedingungen zur Existenz, namentlich des Schutzes und der Gunst der Fürsten- und Herren¬ höfs enkraten mußte. Die Romantik mit allen ihren vielfach gekünstelten Idealen hatte sich hier, ohne zu einer namhaften Entfaltung gelangt zu sein, rasch überlebt. Nach ihrem Verfalle ist es die didaktische, namentlich die allegorische sowie die satirische Dichtung, die sich einer besonderen Pflege erfreut. Dieser Rich¬ tung gehört auch Smil FlaKka von Pardubic mit seinem didaktischen Poem „Der neue Rat" an, der erste Dichter, dessen Name durch 6 Einleitung. die Tradition erhalten geblieben ist. Derselbe schließt einen Abschnitt der böhmischen Litteratur würdig ab, welcher die Glanzperiode der¬ selben bildet und an Karl IV. (1346 — 1378), dem Gründer der Prager Universität (1348), und dessen Sohn Wenzel IV. (1378—1419) große Gönner und Förderer besaß. Auch diese Periode war von kurzer Dauer und die darauf folgende der hussitischen Bewegung für poetische Schöpfungen äußerst ungünstig. Die Poesie steht nun drei Jahrhunderts hindurch und darüber im Dienste religiöser Ideen oder sie gebraucht als Organ ihrer Aeußerung das Latein, welches auch in Böhmen durch den Humanismus zu hohem Ansehen gelangt war. Zwar heißt die Epoche Rudolfs II. (1576—1612) das goldene Zeitalter der böhmischen Litteratur, allein diese Be¬ zeichnung beansprucht nur in Bezug auf die Prosa ihre volle Gültigkeit, rücksichtlich der Poesie jedoch mit der Beschränkung, daß sie sich in lateinischem Gewände präsentiert. In der stattlichen Reihe dieser Dichter gibt es auch etliche, die den Ehrentitel „der gekrönte oder kaiserliche" (posta lauroatus, oassarsus) führen, aber darunter keinen, der seine Inspirationen in seiner Mutter¬ sprache zum Ausdruck gebracht hätte. Von einer nationalen Dich¬ tung im strengen Sinne des Wortes kann darum in diesem Falle keine Rede sein. Anknüpfend an das Gesagte mag gleich hier erwähnt werden, daß eine ähnliche littsraturgeschichtliche Erscheinung, wie dis zuletzt bezüglich Böhmens angedeutete, auch in Polen zu beobachten ist, nur daß sie einen andern Verlauf nimmt. Die Anfänge der polnischen Kunstpoesie in nationaler Sprache beschränken sich auf das Kirchenlied, welches nur mäßig vertreten und von böhmischen derartigen Schöpfungen stark beeinflußt ist. Die profane Kunst¬ poesie entwickelt sich aber hier in der Zeit der vollen Herrschaft des Humanismus und gelangt zu einer Vollendung, daß die Zeit ihrer Blüte zugleich als das goldene oder klassische Zeitalter der polnischen Litteratur (1548—1606) angesehen wird. Aber auch der Mehrzahl dieser Dichter, worunter es wieder gekrönte gibt, dient das Latein zum Organ und nur der Minderzahl neben dem Latein auch das Polnische, das allerdings schließlich gegenüber der fremden Sprache zum Segen der nationalen Dichtung sich siegreich behauptete. Der letztere Umstand war für das Interesse der nationalen Litteratur der entscheidende. Wahrend die in Rede stehende lateinische Dichtung für die national-böhmische Litteratur völlig unfruchtbar blieb, war sie für die national-polnische sogar Hauptmotor des ebenso raschen als staunenswerten Aufblühens derselben. Zu ihrem Aufschwungs haben nicht wenig die gleich- Einleitung. zeitigen, ihre Tendenzen fördernde» politische» und sozialen Ver¬ hältnisse beigetragen und ihr das nationale Gepräge aufgedrückt, während das siegreiche Durchbrechen der heimischen Sprache zu Litteraturzwecken auf Rechnung der Reformation zu setzen ist. Wo und bei welchem Volke immer diese ihre religiösen Interessen zur Geltung brachte, überall traten gleichzeitig damit die National¬ sprachen in die Rechte von Litteratursprachen. Das war denn auch bei jenen slavischen Volkszweigen, die mit der Reformation in Berührung kamen, der Fall, am ausgesprochensten bei den Slouene» und Sorben, bei denen mit diesem Zeitpunkte die nationale Litte- ratur eigentlich erst anhebt. Polen ward zwar von der in Rede stehenden religiösen Bewegung nur oberflächlich berührt, aber charakteristisch bleibt es, daß die polnisch produzierenden Dichter dieser Zeit meist ihre Anhänger waren. An der Spitze dieser Dichtergrupps steht Mikotaj Rej von Naglowice (1507—1569), „der Vater der polnischen Poesie", in dem indes der Prosaiker den Dichter weit überflügelt. Die Palme gebührt Jan Kochanowski (1530 — 1584), neben dem ein Mik. Sep Szarzynski (gest. 1581 im jugendlichen Alter), Sebast. F. Klonowicz (1545—1602), Stanislaw Grochowski(1554 — 1612), Kasper Miaskowski (1549—1622), Szymon Szymonowicz (1557 — 1629; 1590 vom König Sigismund III. geadelt und mit dem Titel eines Hofdichters ausgezeichnet) lediglich als Talents zweiten Ranges sich behaupten können. An Mustern der altklassischen, vorzugsweise der lateinischen Poesie (Horaz, Catull, Vergil) und jenen der italienischen Lyrik (zunächst Petrarcas und seiner Schule) gebildet, schuf Kochanowski Dichtungen von überraschender Vollendung und unvergänglichem Werte, die nur den einen Fehler haben, daß darin diese Vorbilder mehr, als es einem nationalen Dichter ziemt, bemerkbar sind. Er ist ebenso produktiv als in der poetischen Technik exakt und vielseitig Alle Gattungen der Poesie sowie die verschiedensten Versmaße sind bei ihm vertreten und wurden von den letzteren etliche, wie die Terzine und das Sonett, von ihm zuerst in die polnische Litteratur eingeführt. Mustergültig sind zumal seine lyrischen Schöpfungen und diese sind es auch, die auf seine mitstrebenden Zeitgenossen von besonderem Einflüsse waren, sowie die goldene Periode der polnischen Litteratur mit jener Mickiewicz' oder der modernen Romantik (1822 — 1848) direkt verbinden. Was während dieser drei Jahrhunderte an poetischen Werken geschaffen ward, ist zwar durchaus nicht gering an Zahl und auch an und für sich wenigstens im einzelnen (es sei an K. Wegierski, Stan. Trembecki und be¬ sonders an Jgn. Krasicki und Adam Naruszewicz erinnert) nicht Einleitung. unbedeutend, aber in Vergleich mit ihren Vorgängern zeigt sich an diesen Dichtern ganz deutlich ein Sinken des poetischen Schaffens, am deutlichsten in der auf die goldene unmittelbar folgenden jssuitisch-maccaronischen Periode (1606—1764), die außer andern Mängeln zumal den antinationalen Zug nicht verleugnen kann. Kosmopolitismus und Ausländerei machten sich breit und das weltbeherrschende Latein beanspruchte neuerdings seine usurpierten Rechte. Alles das lag im Wesen des Jssuitismus und seines Unterrichtssystems und manifestierte sich in gleicher Weise in andern slavischen Literaturen, aber überall von nachteiligen Folgen, d. i. vom Verfalle oder Stillstände der Littsratur begleitet. Aber wenigstens unterbrochen ward im Laufe der Jahrhunderte, von ihren Anfängen an bis heute, die polnische Dichtung niemals, wogegen beispiels¬ weise die ihr zeitlich vorausgehende böhmische aus den oben tan¬ gierten Gründen auf Jahrhunderte verstummt. Diese Erscheinung ist für die polnische Nationallitteratur im Vergleich mit jener andrer slavischer Völker sehr charakteristisch, insofern« sie nur noch in dem Entwickelungsgange der nationalen Poesie Dalmatiens eins Analogie findet. Für die nationale Littsratur war es ein gutes Vorzeichen, daß die aus Pannonien und Großmähren vertriebene slavischs Liturgie in Dalmatien sowie in Istrien und auf den quarnsrischen Inseln eine liebevolle Aufnahme fand und durch Jahrhunderte, nahezu bis auf die Jetztzeit und mitunter selbst gegen den Willen Roms gehegt und gepflegt ward. Dieser Umstand zeitigte eine große Zahl von Litts- raturdenkmälern nicht nur kirchlichen, sondern auch profanen Inhaltes, die in der ältesten slavischen phonetischen Schrift, der glagolitischen, und zwar in jener Abart derselben, welche die kroatische heißt, abgefaßt sind, wie denn auch alle diese Denkmäler dem kroatischen Schrifttum zu vindizieren sind. Im Süden war zu gleicher Zeit vorzüglich im Verkehr mit Bosnien und Serbien die von Russen, Bulgaren und Serben dauernd angenommene kyrillische Schrift in Verwendung und zumeist serbisch sind auch die damit geschriebenen Denkmäler. Obwohl beide genannten Schriftgattungen sonach hier wohlbekannt waren und offiziell verwertet wurden, sind die init dem Ende des 18. Jahrhunderts beginnenden Produkte der Kunst- poesis in keiner von beiden, sie sind in lateinischer Schrift abgefaßt. Diese selbst fanden in Dalmatien, zumal im kleinen Freistaate Ragusa (Dubrovnik), einen ungemein günstigen Boden. Richt nur dis geographische Lage des Landes, sondern auch und insbesondere dessen politische und soziale Zustände sowie dis internationalen Beziehungen dieser Zeit wirkten überaus fördernd auf die Ent- Einleitung. 9 faltung der Littsratur sowie der Geistesbildung überhaupt. Durch ihre groß angelegten Handelsbeziehungen kamen die Dalmatiner mit den wichtigsten Kulturstätten der damaligen griechischen und römischen Welt in Berührung und hatten reichlich Gelegenheit, sich an Ort und Stelle mit den Mitteln der Wissenschaft, Kunst und Litteratur sowie mit Einrichtungen eines zivilisierten und ver¬ feinerten Lebens bekannt zu machen. Am intensivsten wirkten natürlich italienische Kultureinflüsse auf Dalmatien ein und Italien zunächst weckte daselbst auch die Liebe zur Poesie uild gab Anregung zu poetischem Schaffen. Durch Vermittelung dieses alten Kultur¬ landes gelangt in Dalmatien vor allem die provencalischs Minne¬ poesie zu einer herrlichen Nachblüte. Fast gleichzeitig fand aber auch der Humanismus Eingang und äußert sich lebhaft in poetischen Reflexen. Der Klassieismus brachte es hier wie anderwärts mit sich, daß die lateinische Dichtung den Uebergang bildet zur natio¬ nalen oder mit andern Worten, daß die Kunstdichtung anfänglich ausschließlich lateinisch spricht. Erst allmählich machen sich Dichter bemerkbar, die neben der lateinischen und nicht selten der italie¬ nischen auch dis nationale Sprache bei ihren Geistesprodukten in Anwendung bringen, eine Erscheinung, die, wie im Vorausgehenden hervorgehoben, in ähnlicher Weise in der polnischen Litteratur beobachtet werden kann. Beiläufig bemerkt haben die beiden Litte- ratursn überdies und wohl auch aus gleichen Gründen das Gemein¬ same, daß darin die Poesie sozusagen unvermittelt in über¬ raschender Vollendung auftritt. Die Zahl der in zwei, beziehungs¬ weise drei Sprachen schaffenden Dichter ist übrigens eine geringe, die überwiegendste Mehrzahl huldigt in dieser Richtung dem natio¬ nalen Gedanken. An dem außerordentlichen Aufschwungs der Poesie dieser Zeit partizipieren mehrere Orte Dalmatiens, zumeist aber doch Ragusa, so daß diese lange, nahezu drei Jahrhunderte währende Littsratur- periode die ragusäische heißt und Ragusa besonders im Hinblicks darauf niit Fug und Recht das südslavische Athen genannt worden ist. Die Wiege der Poesie stand in Spalatv, insoferne der erste Repräsentant derselben, Marko Marulic (1450—1524), hier geboren ist und das Haupt eines Dichterkrsises bildet, zu dem seine jüngeren Zeitgenossen und Freunde Papalic, Martinčič, Natalie, Matulic und Bozicevie gehören. An der Spitze der eigentlich ragusäische» Dichter stehen Hisko Msncetic Vlahovič (1457—1501) und Gjore Drzie (1400—1510), beide vortreffliche Vertreter der von den provencalischen Troubadours begründeten Liebsspoesie und direkt beeinflußt von deren italienischen Reflexen, vorzüglich von Petrarca 10 Einleitung. und seiner Schule. Ihre nach Hunderten zählenden Kanzonen überraschen zumal durch dis Glätte und Schönheit der Sprache und der Diktion, während sie inhaltlich der poetischen Individualität zu wenig Spielraum gewähren. Allem Anscheine nach standen sie auch schon der srisch sprudelnden Quelle des Volksliedes nicht fremd gegenüber, ja einige ihrer Lieder zeigen sich als davon direkt be¬ einflußt oder sie sind geradezu Volkslieder und zwar Frauenlieder l^snslrs psssms), wie sie technisch bezeichnet werden. Auf die beiden Genannten folgen zeitlich zwei nicht minder bedeutende Dichter aus Lesina: Hannibal Lucic (1480 — 1640) und Peter Hektorovic (1486—1572) sowie der poetisch äußerst produktive Ragusäer Mavro Vetranic Cavcic (1482—1576). Der letztere ist wie sein Schüler Marin Drzic auch Verfasser von Dramen ini Sinne der mittelalterlichen Auffassung dieses Begriffes, d. h. von Mysterien, während der erstere, der sich auch durch Liebeslieder voll Glut und Kraft auszeichnet, mit seiner »kobinja" („Sklavin") als Begründer des nationalen Dramas angesehen werden darf. Hinwiederum sicherte sich Hektorovic besonders durch seine nach Art der italienischen Fischerekloge gedichteten Idylle „Hibanjs" („Fischfang") einen angesehenen Namen. Er ist es auch, der deni Volkslieds eine besondere Beachtung schenkt, was schon daraus hervorgeht, daß er der in Rede stehenden Dichtung drei solche und zwar epische oder sogenannte Heldenlieder (sunaeka xsssins) ein¬ gegliedert hat. — Reich an poetischen Namen und poetischer Pro¬ duktion ist das 16. Jahrhundert, mit Andrija Cubranovic (geb. um 1500, gest, um 1550) an der Spitze, dem ersten und überhaupt einem der wenigen ragusäischen Dichter, der nicht dem Patrizier¬ stande entstammt. Hervorragendes schufen außer ihm Nikola Dimitrovic (1493 — 1553), Nikola Naljeskovic (1510—1586), der schon genannte Marin Drzic (1520—1580), Miho Bunic Babu- linovic (gest, um 1590), insbesondere aber die als Talente ersten Ranges glänzenden Lyriker Dinko Ranjina (1536 — 1607) und Dinko Zlataric (1556—1607), beide würdige Vorläufer jenes Dichterpanres des folgenden Jahrhunderts, mit dem die Dichtung hier den Zenith ihrer Vollendung, wie dis Republik Ragusa einen solchen ihrer Macht und Kultur erreicht. Diese Dichterheroen sind Ivan Gundulic (1588 — 1638) und Gjon Palmotic (1606—1657), denen sich als nahezu ebenbürtig aus dem 18. Jahrhundert Jgnjat Gjorgjic (1675—1737) als dritter im Bunde beigesellt. In dieser Dichtertrias wieder ist Ivan Gundulic entschieden der Be¬ deutendste und unter seinen zahlreichen Werken das große Epos „Osman" die Krone seines poetischen Genius. — Leider sollte Einleitung. 11 diesem außerordentlichen Aufschwungs alsbald der Niedergang folgen. Um die Neige dos 17. Jahrhunderts zeigt sich, zumeist als Folge der Ungunst der sie begleitenden äußeren Umstände, der Verfall der poetischen Produktion. Ragusa ward am 7. April 1667 durch ein entsetzliches Erdbeben fast ganz zerstört; sein Wohlstand war gesunken und das politische Ansehen erblaßt. Besonders nachteilig aber wirkte auf die Fortentwickelung der Litteratur der Umstand, daß um diese Zeit schon allgemein das Latein und das Italienische auf Kosten der nationalen Sprache auffallend begünstigt und gepflegt wurden. Neben Gjorgjic tritt nur noch ein Dichter von großer Bedeutung auf: Andrija Kacic-Mio^ic (1680—1760), dessen Dich¬ tungen nationale Stoffe in nationaler Form und Diktion behandeln und ihrem Verfasser eine Popularität verschafften, die noch heute ungsschwacht anhält. Ungeachtet ihrer vorzeitigen Dekadenz bleibt indes die in Rede stehende Litteraturpsriode in ihrer Art eine der glanzvollsten der slavischen poetischen Litteratur überhaupt. Alle Gattungen der Poesie fanden zahlreiche Vertreter, die meisten natürlich die Lyrik und ihr zunächst die Dramatik. Nicht minder ansehnlich im Vergleiche damit ist die Zahl der Uebertragungen altklassischer und italienischer Dichtnngswerks. Alles das bildet eine kleine Bibliothek für sich und die Südslavische Akademie der Wissenschaften hat sich ein großes Verdienst erworben, daß sie sich entschlossen hat, diese Werke nach und nach in einer allen modernen Anforderungen Rechnung tragenden kritischen Gesamt¬ ausgabe allgemein zugänglich zu machen. Die in Rede stehende Litteratur hat einen ausgesprochen pro¬ vinziellen Charakter; nicht einmal jenseits des Velebit, im eigent¬ lichen Kroatien, hat sie Ausläufer «ufzuweisen, aller jener kroatischen und serbischen Territorien nicht zu gedenken, auf denen das Türksn- joch am schwersten lastete. Ein Teil der Kroaten ist gleichzeitig mit den Slovenen von der Reformation berührt worden. Die Slovenen wurden frühzeitig in die Macht- und Interessensphäre eines fremden mächtigen Volkstums und Staatswesens gezogen und mit dem Verlusts der politischen Individualität hatten auch alle nationalen Interessen die empfindlichste Schädigung erfahren. Jahrhunderts hindurch kann bei ihnen von einer litterarischen Tüchtigkeit fast gar keine Rede sein und so war es denn die Refor¬ mation, die hier in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einer eigentlichen Litteratur erst den Grund gelegt hatte. Zieht man die poetische Produktion in Betracht, dann ist es das religiöse Lied, welches sich auch hier bemerkbar macht, wie denn die gleich¬ zeitige Litteratur vorherrschend religiösen Zwecken dienstbar ist. Um 12 Einleitung. irgend etwas von Bedeutung zu leisten, dazu war das Wirken der Reformation selbst hier wie in Kroatien von zu kurzer Dauer, die Gegenreformation aber war nicht nur nationalen Tendenzen abhold, sondern suchte ebenso wie beispielsweise in Böhmen womöglich das bislang Geschaffene den Flammen zu opfern, was ihr zu keinem ge¬ ringen Teile auch gelang. Vorerst und auf lange hinaus verfolgte nun die Litteratur praktische Ziele, und so geschah es, daß die Ansätze einer Kunstpoesie sich erst gegen den Schluß des 18. Jahrhunderts bemerkbar machen. Die ersten derartigen sehr schüchternen Ver¬ suche sind in den drei Bändchen ,l?isamios" (Laibach 1779 bis 1781) niedergelsgt und enthalten Dichtungen von A. F. Dsv, M. Naglic, J. Mihelič, Val. Vodnik und andern sowie den ersten slovenischen Operntext, „Lelin" betitelt. Der als Historiker ver¬ diente Anton Linhart (1756—1795) macht sich durch zwei Lust¬ spiele bemerkbar, die zwar keine Originalschöpfungen sind, aber ebensowenig mechanische Uebertragungen, vielmehr freie Bearbei¬ tungen mit Nationalisierung der Sujets und genauer Anpassung an Sitten und Anschauungen des Volkes, daher sie bis zur Stunde vom Repertoire noch nicht ganz verschwunden sind. Georg Japel (1744—1807) bringt die rhythmischen Grundsätze seiner Mutter¬ sprache in ein organisches Gefüge oder eigentlich er exemplifiziert sie in den eigenen Dichtungen und Nachdichtungen in wirksamer Weise. — In dieser Zeit war in der gleichen Richtung in Slavonien Mat. A. Relkovic (1732—1798) schriftstellerisch thätig und erwarb sich durch sein didaktisch-satirisches Poem,8atir" verdientermaßen einen angesehenen Namen, wie sich eines solchen bishiu nur Andr. Kacic-Miosic rühmen kann. — Nachdem der Druck der Fremd¬ herrschaft einigermaßen nachgelassen hatte, begann endlich auch in den von Serben bewohnten Gebieten, zunächst bei ihren im Jahre 1690 nach Oesterreich ausgewanderten Konnationalen, eine regere litterarische Thätigkeit und just in dem in Rede stehenden Zeit¬ räume die Pflege der Kunstpoesie. Ihre Richtung ist die des Pseudoklassicismus und ihre Sprache keine volkstümliche, vielmehr die sogenannte slaveno-serbische, ein Gemisch von russisch-kirch¬ licher und serbischer Sprache, das sich ein halbes Jahrhundert hindurch als Litteratursprache behaupten sollte. Alle Dichter dieser Periode waren im Banne dieses Mischdialektes befangen, ja selbst das bedeutendste Talent unter ihnen, Lukijan MuZicki (1777 — 1837), der Älopstock der serbischen Litteratur, vermochte sich kaum einiger¬ maßen davon zu emanzipieren. So ist denn diese Poesie weder inhaltlich noch formal eine streng nationale; eine solche entstand erst, nachdem Vuk Stefanovič Karngjic (1787—1864) nach lang- Einleitung. 13 wierigen erbitterten Käinpfen seine Sprachreform durchgesetzt, der rein nationalen Sprache die Revindikation ihrer angestammten Rechte erwirkt und der Kunstpoesie selbst durch seine monumentalen Sammlungen serbischer Volkslieder und andrer Bestandteile der traditionellen Volkslitteratur den lautersten Born erschlossen hatte. Nicht viel früher als hier macht sich die Kunstpoesie in Ru߬ land bemerkbar. Ihre Anfänge datieren, das isoliert stehende „Lied vom Heereszuge Igors" natürlich abgerechnet, von Peter des Großen tief einschneidenden Reformen in Staat und Gesellschaft, welche Rußland westeuropäischen Kultureinflüssen öffneten. Er selbst reformierte die russische Graphik und trug überdies nicht wenig dazu bei, daß die Littsratursprache sich von den Fesseln der russisch-kirchlichen Sprache zu befreien begann. Im übrigen stellte er die Litteratur in den Dienst des Staates und auch die Poesie war für ihn gerade gut genug, seinen Reformen als Stütze zu dienen. In der That sind die Litteraten dieser Zeit zugleich die eifrigsten Verfechter seiner Reformen. Dem Ntilitätsprinzips huldigte die Poesie zum Teile auch unter den folgenden Regierungen, indem sie, vom Mäcenatentum abhängig, eine Art Hofdienst versieht. Sie ist vom französischen Klassicismus durchtränkt und Fürst Antioch D. Kantemir (1708 — 1744) mit seinen Satiren, worin er besonders die Sitten der gleichzeitigen höheren sozialen Kreise geißelt, deren erster begabter Vertreter. In verschiedenen Dichtungsarten ver¬ suchte sich nach ihm Vasilij K. Tredjakovskij (1703 — 1769), aber irgend von Bedeutung findet nian nichts darunter. Hervorragend dagegen als Dichter sowohl wie als Gelehrter und Denker ist Michail Vas. Lomonosov (1711—1765), nicht unpassend als Peter der Große der russischen Litteratur bezeichnet, insoferne es ihm namentlich auch gelang, durchgreifende Reformen auf dem Gebiete der Sprache und der Metrik durchzuführen. Seins Dichtungen zeichnen sich durch Reinheit der Sprache sowie durch Harmonie und Glätte des Versbaues besonders aus. Lomonosov ist Lyriker, während sein Zeitgenosse Alexander Petr. Sumarokov (1718 — 1777) als Dramatiker sich hervorthat. Da seine dramatischen Stücke bühnengerecht abgefaßt sind, erwarb er sich damit auch um die Anfänge des russischen Theaters kein geringes Verdienst. Auch in andern Dichtungsarten ist er ungemein produktiv, allein mit Ausnahme der Satiren, die jene Kantemirs überragen, hat er von dauerndem Werte kaum etwas geschaffen. Ihren Höhepunkt erreichte diese ganze Litteraturrichtung unter der Regierung Katharinas II., die auch selbst litterarisch thätig gewesen ist. Das bedeutendste Talent unter diesen Dichtern ist Gavriil Rom. Derzavin (1743 bis 14 Einleitung. 1816), dem aber freilich trotz seiner sonstigen Größe die meisten jener Mängel anhasten, dis das Charakteristische an dieser Dichter- generation sind und den Kunstwert ihrer Schöpfungen wesentlich beeinträchtigen. Die Lyrik speziell anlangend, ist diese auch bei diesen Dichtern vorherrschend panegyrisch und schon darum mehr rhetorischer als poetischer Natur. Im allgemeinen ist während dieser bis in die dreißiger Jahre unsres Jahrhunderts reichenden Litteraturperiode die Satire besonders beliebt und auch in einer Reihe von Zeitschriften spiegelt sich die satirische und satirisch¬ didaktische Richtung wieder. Von poetischen Gattungen entwickelt sich neben der lyrischen äußerst flott die dramatische, wogegen die epische sehr zurücktritt. Als Dramatiker haben sich Denis Jv. Fon- Bizin (1744—1792), Jak. B. Knjaznin <1742—1781) und Vladislav A. Ozjerov (1770—1816), als Epiker Jppolit F. Bogdanovič (1743—1803) einen Namen gemacht. Speziell als Fabeldichter gelangte Ivan A. Krylov (1768—1844) mit Recht zu hohem An¬ sehen und zu einer Popularität, wie eins solche bishin keinem russischen Dichter auch nur annähernd zu Teil geworden war. Er ist der erste eigentlich volkstümliche Dichter und dabei ein Talent ersten Ranges, so daß seine Fabeln jene andrer europäischer Fabel¬ dichter an poetischem Gehalte überragen. Mit dem Ausgange des vorigen, beziehungsweise dem Anfangs des gegenwärtigen Jahrhunderts beginnt die nationale Renaissance der slavischen Völker. Die Prinzipien und Ideen der französischen Revolution durchzitterten ganz Europa und weckten selbst bei den kleinsten Völkern das nationale Bewußtsein. Das Nationalitäts- prinzip stellte die Litteratur und deren Interessen erst auf ihre natürliche Basis und brachte sie mit dem Volke in die engste Be¬ rührung und Beziehung. Wo die Volkssprache noch nicht in ihrer reinen Gestalt Littsratursprache war, nach Durchbruch der Natio¬ nalitätsidee mußte sie es werden. Das Volkstümliche im Geistes¬ leben der Völker ward jetzt erst einer Beachtung gewürdigt und namentlich der Wert und die Bedeutung des Volksliedes erkannt und dasselbe von nun an in die Sphäre allgemeiner Litteraturinteressen gezogen. Ueberhaupt sollte das Prinzip der nationalen und indi¬ viduellen Freiheit auf die Litteraturbewegung überaus fördernd und erfrischend einwirken. Ein Beweis dafür ist nicht am wenigsten in den Litteraturen der slavischen Nationen zu finden, vorab in jenen, die durch politische Katastrophen eine Unterbrechung erlitten hatten oder durch die Mißgunst äußerer und innerer Zustände ein ziem¬ lich kümmerliches Dasein fristeten. Im einzelnen soll es nicht unerwähnt bleiben, daß wenigstens Keime der nationalen Wieder- Einleitung. IS belebuug der österreichischen Slaven aufs engste mit Kaiser Josefs II. Reformen in Verbindung stehen und dadurch erklärlich sind, daß diese Reformen, insoweit sie Sprachenfragen tangieren, bei den slavischen Völkern des polyglotten Reiches eine der geplanten geradeswegs entgegengesetzte Wirkung erzielten. Das letztere war am schlagendsten bei den Böhmen der Fall, deren Litteratur seit dem dreißigjährigen Kriege mehr und mehr dem gänzlichen Verfalle zusteuerte. Das ganze 17. und mit Aus¬ nahme der neunziger Jahre auch das 18. Jahrhundert waren für die Poesie völlig unfruchtbar. Aber auch alle kunstpoetischeu Traditionen waren in dem Marasmus erblaßt und das Sprachgefühl gesunken, so daß selbst mit der Ausbildung der poetischen Sprache von vorne begonnen werden mußte. Danach kann es nicht wunder nehmen, daß die Anfänge der neuböhmischen Poesie recht bescheiden sind, zumal sie ja irgend Hervorragendes überhaupt nicht erwarten lassen. Das Haupt dieser Dichterschule ist Ant. Jaroslav Puch- majer (1769 — 1820), um den sich die Brüder Jan und Vojt. Nejedly, S. Hnevkovsky, Jos. Rautenkranc u. a. gruppieren. Diesen poetischen Werken fehlt es noch an Originalität und nationalem Kolorit. Zumeist finden pseudoklassische Muster Nachahmung und Wiederhall; besonders beliebt ist die Idylle. Dis Thätigkeit dieser idyllischen Dichterschule reicht bis in den Anfang der zwanziger Jahre, um welche Zeit die zweite Periode der böhmischen Renaissance, die nationale oder patriotische, ihren Anfang nimmt. Gleichzeitig wurden die Dichtungen der Königinhoser und Grünberger Hand¬ schrift bekannt und machte sich deren Einfluß neben jenem der Volkspoesie alsbald auf poetische Bestrebungen in belebender Weise geltend. Diese über dritthalb Jahrzehnte sich erstreckende und mit dem Jahrs 1848 endende Periode hat eine Reihe von poetischen Talenten aufzuweisen, unter denen Jan Kollar (1793—1852) und Fr. Ladislav Celakovsky (1798—1852) weitaus die bedeutendsten sind. Kollar ist der Vater der Idee der kulturellen slavischen Wechselseitigkeit und sein großartiges, aus einem in Distichen ab- gefaßten Prologe und 645 Sonetten bestehendes lyrisch-episches Gedicht „Die Tochter der Slava" („Aüvx ckesra") im Grunde eine Apotheose dieser Idee, welche wie das Poem selbst auf die ganze Slavenwelt einen mächtigen und nachhaltigen Eindruck zu machen berufen war. Kollar sowie Celakovsky charakterisiert ganz besonders der nationale Zug, den ihre Vorgänger noch vermissen lassen, der aber dafür bei ihren Nachfolgern um so schärfer her- vortritt. Celakovsky vertiefte sich auch in das Wesen und die Schönheit des Volksliedes und eine wertvolle Frucht davon ist 16 Einleitung. das „Echo russischer Lieder" („Oülus prsni' rusü/aü") sowie das „Echo böhmischer Lieder" („Oülas prsni ossüz-eü"), Dichtungen, die neben jenen im lyrischen Cyklus „Die hundertblättrigs Rose" (»Kues stolistü") niedergelegien zum Ruhme des Dichters am meisten beitrugen. Darum sind aber seins zahlreichen „Vermischten Ge¬ dichte" (»Lrurssirs lräsrrs") nicht von geringerem Werte, und die Mehrzahl seiner Epigramme darf geradezu als klassisch bezeichnet werden. In die Fußstapfen dieser beiden Meister traten fast alle Dichter dieser Periode. Mehrers davon sind heute halb, andre ganz vergessen, aber trotzdem ist die Zahl jener, die Dauerndes geschaffen haben, keine unbeträchtliche und sind wieder unter diesen I. Marek, Fr. J. Vacek - Kameni cky, I. Krasoslav Chmelensky, K. Vinaricky, V. I. Picek, Boleslav Jablonsky, I. P. Koubek, Jaro¬ mir Rubes, V. K. Klicpera, I. K. Tyl und I. Eraz. Vocel die hervorragenderen. Neben der Lyrik erfreute sich das Drama einer besonderen Pflege, aber auch das Epos ging nicht leer aus. Charakteristisch an den Schöpfungen dieser Dichterschule ist die patriotische Stimmung. Daraus erklärt es sich auch, warum des genialen Karel Hynek Mächa (1810—1836) vom Byronismus in¬ spiriertes lyrisch-episches Gedicht „Mäj" und andre seiner Dich¬ tungen bei den Zeitgenossen so wenig Beachtung fanden. Eine Würdigung derselben blieb der folgenden Dichtergeneration, deren Vorläufer er war, vorbehalten. Inzwischen ist der natürliche Ent- wickelungsprozeß der Litteratur durch die Ereignisse des Jahres 1848 und die darauf gefolgte Reaktion unterbrochen worden. Das Rechts¬ gebiet der böhmischen sowie aller slavischen Sprachen der Monarchie war wieder möglichst eingeengt, ein Umstand, der sofort auch auf die Litteratur nachteilig wirkte. Trotzdem hat die Poesie zumal an Karel Havlicek Borovsky (1821—18S6) in seinen geistvollen poli¬ tischen Satiren („Die Taufe des h. Vladimir"; „Tiroler Elegien"; „Epigramme") und an Karel Jaromir Erben (1810—1870) in seinen formschönen volkstümlichen Balladen („Kytiee", „Der Strauß" > würdige Vertreter gefunden. Glücklicherweise dauerte die Stagnation nicht viel über ein Jahrzehnt. Die latenten Kräfte wurden mit dem Anbruch der neuen konstitutionellen Aera wieder frei und es beginnt mit den sechziger Jahren plötzlich sine littcrarische Bewegung, die an Rührigkeit und Ausdehnung auch jene der zwanziger Jahre weit hinter sich läßt. Die poetischen Schöpfungen entäußern sich allgemach partikularistischsr Tendenzen. Ihren Inhalt bilden all¬ gemein menschliche Ideen. Die Poesie erscheint als lautere Kunst und wird als solche Selbstzweck. Mit dem Inhalt harmoniert die Form; die poetische Technik wird auch hoch gespannten Anforde- Einleitung. 17 rungen gerecht. An der Spitze dieser K. H. Mächa sich anschließenden, an glänzenden Talenten reichen Dichtergruppe stehen Vitczslav Hälek (1835—1874) und Jan Neruda s1834—1891), jener mit den lyrischen Cyklen „Abendlieder", „Erzählungen aus unserm Dorfe" und „In der Natur" neben einer Reihe von epischen und dramatischen Dichtungen, dieser mit den Sammlungen „Friedhofs- blumen", „Bücher der Verse", „Kosmische Lieder", „Balladen und Romanzen", „Schlichte Motive" und „Freitagsgesänge". Diese poetische Strömung hat bald drei Jahrzehnte hinter sich und sind heute Svatopluk Cech (geb. 1846) und Jaroslav Vrchlicky (geb. 1853) ihrs genialsten Vertreter, ja noch mehr, Koryphäen der Poesie, die, wie Mickiewicz oder Puškin, auch den ausgebildetsten Litteraturen zur Zierde gereichen würden. Unter den gleichen äußeren Impulsen wie in den böhmischen Ländern steht die Fortentwickelung der Kunstpossie bei den öster¬ reichischen Südslaven. Die Slovenen haben an Val. Vodnik (1758 — 1819) ihren ersten wirklich nationalen Dichter. Obgleich eigentlich ohne Vorgänger hat er doch durchweg Dauerndes ge¬ schaffen. Ein Freund des Volksliedes schlügt er mit Vorliebe Töne an, die im Herzen des Volkes ihr Echo finden mußten, daher mehrere seiner Lieder geradezu Volkslieder geworden sind. Andre schildern Land und Leute mit seltener Frische und Treue und sind anmutige Bilder der poetischen Kleinmalerei. In seinen Dichtungen ist alles kraftvoll und markig, immer natürlich und doch niemals derb oder trivial. Aus seiner Schule ging eine nicht unbeträcht¬ liche Zahl von Dichtern hervor, darunter auch France Prešeren (1800 — 1849), der sie insgesamt sowohl an intensiver wie extensiver Geistesbildung, an natürlicher Begabung, schöpferischer Kraft und Gestaltungsvermögen, als auch in Bezug auf poetische Technik, Diktion und Sprache weit überragt. Aber auch Vodnik übertrifft er in dein Maße, in welchem ein künstlerisch müßig ent¬ wickeltes Talent vom Genie übertroffen werden kann. Properen führte eine Menge poetischer Formen in die Litteratur ein. Er sang zuerst in männlichen und weiblichen Assonanzen, in der Nibelungsnstrophe und in Distichen, in Terzinen und Ottaven, und von ihn: datieren die ersten Ghasslen und Glossen, Sonette und Epigramme, Romanzen und Balladen, Elegien und Satiren. Dabei wird die poetische Darstellungskunst dem gedankentiefen inneren Gehalt in allen Richtungen gerecht und ist jedes einzelne seiner poetischen Gebilde ein organisches Kunstwerk für sich, wie solche nur von genialen Naturen geschaffen werden können. PreZerens Einflüsse zunächst unterliegen beide folgenden Dichtergensrationen, einem Slavijche Anthologie. 2 18 Einleitung. Einflüsse, der sich bis zur Stunde ungeschwächt forterhalten und zum heutigen hohen Aufschwungs der Poesie wesentlich beigetragen hat. In der Periode der politischen Reaktion haben sich Pozencan, Bl. Potočnik, L. Toman, Fr. Svetlicif, Fr. JeriZa, Fr. Malavašič, A. Umek und ganz besonders A. M. Slomšek, Rodoljub Ledinski, Podgorski, M. Valjavec, Fr. Cegnar, Miroslav Vilhar und J. Koseski (1798—1884) als Dichter vorteilhaft bemerkbar gemacht. Der letztere wird, freilich mit mehr individueller Sympathie als kunstkritischem Verständnisse, gerne Prešeren an die Seite oder selbst über diesen gestellt. Koseskis Stärke liegt weniger in seinen Originalschöpfungen, die seine poetische Individualität nur unklar und einseitig hervortreten lassen, als in der überaus fruchtbaren Thätigkeit, die er als Uebersstzer von klassischen Dichtungen ver¬ schiedener europäischer Nationen entwickelte. Den Uedsrgang von dieser zu der zeitgenössischen jüngeren und jüngsten Dichtergeneration bilden Simon Jenko (1835 — 1869), France Levstik (1831 — 1887) und Josip Stritar (Boris Miran, geb. 1836). Diese sowie Jos. Pagliaruzzi (Krilan, 1859—1885), Simon Gregorčič (geb. 1844) und Ant. Aškerc (Gorazd, geb. 1856) sind je nach dem Grade und der Art mit Prešeren kongeniale Dichternaturen. Außerdem haben insbesondere die Brüder Franco und Josip Cimperman, I. Jenko (Mirko), Fr. Gestrin, Louise Pesjak, Ant. Funtek und Jos. Kržičnik Hervorragendes geschaffen. Die Poesie gewinnt allmählich auch hier einen universellen und exakten Charakter, sowie auch alle Dichtungsarten stufenweise ziemlich gleichmäßig zur Geltung ge¬ langen. Im allgemeinen sind die poetischen Schöpfungen dieser Periode neben jenen Pressrens entschieden das Bedeutendste, was die slovenische Littsratur davon hervorgebracht hat. Die nationale Renaissance der Kroaten vollzieht sich seit Mitte der dreißiger Jahre unter dem Einflüsse der von Lj.Gaj (1809—1872) inaugurierten, auf I. Kollars Ideen der slavischen Wiederbelebung fußenden sogenannten illyrischen Bewegung, mit Agram als poli¬ tischem und geistigem Zentrum. Der Jllyrismus mit seinem national einigenden Grundgedanken in Sprache und Litteratur erwarb sich sofort dis Zustimmung intelligenter Kreise und er ward zumeist durch die Poesie alsbald auch populär. Jetzt erst verliert dis Littsratur ihren lokalen und provinziellen Charakter und wird im eigentlichen Sinne des Wortes national. Um Gaj, der auch selbst poetisch thätig war, scharten sich aufstrebende Talente, von denen in der Folge nicht wenige als Dichter zu Ansehen und Bedeutung gelangt, ja drei darunter die bedeutendsten Vertreter des modernen kroatischen Parnasses geworden sind. Gemeint sind Ivan Kukuljevic-Sakcinsti, Einleitung. 19 T. Blažek, Drag. Rakovac, Ant. Niemcic, M. Topalovic, Dim. Demeter, Anton und I. Aug. Kaznacic, T. Boroevic, Medo Pucic, Ognjeslav Utjesenovic, M. Ban ldie vier letzten werden gleicher¬ maßen zur serbischen Litteratur gerechnet), Ljud. Vukotinovic, Mirko Bogovič, P. A. Kazali sowie Stanko Vraz (1810—1881), Petar Preradovic (1818—1872) und Ivan Mazuranic (1813—1890). Wie PreKeren in die slovenische, so führte Vraz in die kroatische Litteratur alle Formen der modernen Lyrik ein und handhabte sie wie jener mit vollendeter Meisterschaft. Vraz ist nicht nur der hervorragendste, sondern auch weitaus der produktivste kroatische Dichter seiner Zeit. In den verschiedensten lyrischen und lyrisch- epischen Gattungen hat er Vieles und durchaus Wertvolles ge¬ schaffen, aber die Krone seiner poetischen Leistungen bilden dis »Ojulabiss" („Rosenäpfel"), ein Cyklus von vierthalbhundert inhalt¬ lich wie formal harmonisch zusammenhängenden erotischen und patrio¬ tischen Liedern voll Anmut und Frische. Er ist vorherrschend Vertreter der reinen Lyrik, während Preradovic sich als Gedankenlyriker aus¬ zeichnet. Selbst die erotische Dichtung des letzteren ist reflek¬ tierender Natur, ohne indes jemals in eins poetisierende Rhetorik zu verfallen. Die Hauptbedeutung seiner durchaus im Dienste des Idealismus stehenden Muse bildet zwar das patriotische und das Gelegenheitslied, nichtsdestoweniger sind bei ihm alle Dichtungs¬ arten durch diesem nahezu Ebenbürtiges reichlich vertreten. Pre¬ radovic sowie Vraz haben überdies durch Usbertragungen von poetischen Meisterwerken der Weltlitteratur den eigenen Ruhm nur noch erhöht. Der dritte dieser Dichtertrias, Mazuranic, erwarb sich weniger durch seine lyrischen Dichtungen als durch die mit wunderbarer Intuition meisterhaft ausgeführte Rekonstruktion zweier Gesänge von Gundulics „Osman" und Fanz besonders durch sein episches Gedicht „8inrt 6snAiö-s,«s" („Cengic-Agas Tod") einen großen Namen. Nur mit seinen Erstlingen wurzelt noch ein zeit¬ genössischer Poet, Ivan Trnski (geb. 1819), in der illyrischen Periode, seine bedeutendsten Leistungen, darunter die reizende lyrische Rhapsodie „Lrissnioe" („Johannisglimmchen"), fallen wie jene Preradovics in die zweite Renaissanceepoche, die mit der neuen Verfassungsära ihren Anfang nimmt. Da das Jahrzehnt der politischen Reaktion für die poetische Produktion ungünstig war, gehören Preradovic und Trnski und außerdem von be¬ deutenderen Talenten St. JlijaKevic (geb. 1814), L. Botic (1880 bis 1864), J. Jurkovič (1827-1889), Vlad. Vezic (1825—1894) zugleich zur älteren Dichtergeneration der neuen poetischen Rich¬ tung. Die jüngere und jüngste Dichtergeneration ist nicht nur 20 Einleitung. reich an Namen, sondern auch an Talenten und haben namentlich Ivan Dežman (1841—1878), Aug. Senoa (1838—1881), Fr. Markovič (geb. 1845), Fr. Ciraki (geb. 1847), Jv. Despot (1851 bis 1886), Jos. Eug. Tomic (geb. 1848), Jv. Zahar (geb. 1845), A. Palmovic (1847—1882), H. Badalic (geb. 1851), R. Jorgo- vanic (1852—1880), Jov. Hranilovic (geb. 1855), Gj. Arnold (geb. 1855), Aug. HarambaZic (geb. 1861) und A. Tresic- Pavicic (geb. 1867) teils Hervorragendes, teils mindestens Blei¬ bendes geleistet, so daß der überraschende Aufschwung, den die Poesie aller Art seit Mitte der sechziger Jahre genommen, mit diesen Namen unzertrennlich verknüpft bleibt. Für die Fortentwickelung der serbischen Kunstpoesie war es kein Glück, daß Musickis Pseudoklassicismus Schule machte und mit seinen letzten Ausläufern noch das Ende der fünfziger Jahre berührt. Zwar macht sich daneben frühzeitig die Einwirkung des modernen, d. h. des deutschen Klassicismus und Romantismus ebenso bemerkbar, allein fast alle Dichter dieser Periode sind Eklek¬ tiker und stecken viele davon überdies mit dem Pseudoklassicis¬ mus in Bezug auf Sprache und Form im alten unvolkstümlichen Stil. Die dreißiger und vierziger Jahre sind ungemein reich an Dichternamen und dementsprechend an poetischer Produktion, leider ist der Dilettantismus überwiegend und darum die Mehrzahl dieser Namen heute vergessen. Trotzdem gibt es neben den Dilettanten nicht wenige Dichter von Beruf. Als solche gelten von der älteren Generation dieser Periode Jovan Hagjic (Milos Svetic), Jovan Steric-Popovic, Joksim Novic-Otocanin, Nikanor Grujič (Srb- Milutin), Lazar Lazarevič^ von der jüngeren Gj. Maletic, Vas. Zivkovic, Pavle Popovic Sapcanin, Ljubomir P. Nenadovic und besonders Jovan Subotič (1817—1886), der seiner Zeit die Litte- ratur beherrschte und in allen Dichtungsarten außerordentlich viel und Gediegenes produzierte. Die nationale Richtung nach Inhalt und Form schlug als erster Sima Milutinovic (1791—1847) mit Entschiedenheit ein, und zwar in dem großen Cyklus episch-lyrischer Gedichte „Serbijanka", worin er die serbischen Befreiungskriege unter Karagjorgjevic vortrefflich besingt. Die Volkssprache als Litteratursprachs kommt hier zu ihrem angestammten Rechte und auch die Bedeutung des Volksliedes wird nicht unterschätzt. Milu¬ tinovic ist von seinem talentvollen Schüler Peter II. Petrovic- Njegus (1813—1851) überholt worden, dessen herrliches dramatisch¬ episches Gedicht „Gorski Vienac" („Der Bergkranz") unstreitig zu dem Bedeutendsten zählt, was die serbische Litteratur an Kunstpoesie hsrvorgebracht hat. Dem Ebenbürtiges schuf gleichzeitig, vom Volksliede angeregt, Branko Radičevič (1824—1853) in der Lyrik Einleitung. 21 und dies mit einer Meisterschaft, daß seine Schöpfungen in dieser Dichtungsart das Muster selbst für die bedeutendsten seiner Nachfolger geworden sind. Unter den vielen Vorzügen, die seine Dichtungen aufweissn, springt deren krystallreine, echt nationale Sprache besonders in die Augen. Diese beiden großen Dichter wiesen ihren Nachfolgern Richtung und Ziel, und den poetischen Produkten aller ihrer Anhänger ist das nationale Kolorit nach Inhalt und Form eigen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß der Einfluß Radicevics ungleich mächtiger und nachhaltiger gewesen und geblieben ist, als jener Njegus'. Zeitlich macht sich diese Beeinflussung bei Jovan Ilie, Aca Popovic, Gj. Raj¬ kovič und St. Kacanski zuerst bemerkbar. Mit den sechziger Jahren beginnt die Blütezeit dieser poetischen Richtung, und von da an gehören ihr alle Dichter an, die als solche auf Bedeutung und Ansehen Anspruch erheben können. Die Häupter dieses großen Dichterkreises sind Zmaj-Jovan Jovanovic (geb. 1833) und Gjura Jaksic (1832—1878). Nächst ihnen behauptet Jovan Sundecic (geb. 1825), der Apostel der Einheit und Brüderlichkeit zwischen Serben und Kroaten, den ersten Platz und gehört beiden Literaturen gleichmäßig an. An diese schließt sich eine Reihe mehr oder minder hochbegabter Dichter, worunter Jovan Dragasevic, Svetolik Lazarevič, Damjan Pavlovič, Mita Popovic, Laza Kostic, Milan Kujungjic (Aberdar), Vladimir Vasic, Milorad Popovic Sapcanin, Jsid. Gjirie, Jovan Grcic, Sima Popovic, Kosta Trifkovic, Drag. Jlijc und Vojislav S. Jlijc besonders hervorragen. Peter II. Petrovic-Njegus hat an dem Fürsten Nikola I. (geb. 1841) einen kongenialen Nachfolger. Das poetische Schaffen zeigt sich in den sechziger Jahren am regsten, etwa wie im dritten und vierten Jahr¬ zehnt , nur daß dis Qualität des Geleisteten da und dort im großen und ganzen eine grundverschiedene ist. Hierauf sinkt das¬ selbe auffällig, und zwar nicht am wenigsten infolge der gleich¬ zeitigen ätzenden radikalrealistischen Kritik, die an poetischen Werken schonungslos geübt worden ist. Erst neuestens macht sich wieder eine erhöhte Schaffensfreudigkeit bemerkbar, und ist es der moderne Realismus, der mehr und mehr in den Vordergrund tritt. Die Polen treten in dis Epoche der nationalen Renaissance mit einer sehr ansehnlichen poetischen Litteratur ein. Selbst der Pseudoklassicismus kann bei ihnen Vertreter von nicht gewöhn¬ licher Begabung und poetischer Routine aufwsisen, die aber frei¬ lich bei mancherlei Vorzügen etwas Wesentliches, den nationalen Sinn, vermissen lassen. Dem sollte nun durch die neue Richtung abgeholfen werden, die von allem Anfänge an an deut Volksliede 22 Einleitung und an Ueberlieferungen aus der großen nationalen Vergangen¬ heit zwei unversiegbare Quellen für das poetische Schaffen gefunden hat und dieselben sofort mit Liebe und Verständnis sich dienstbar zu machen begann. So ist denn, auffallend genug, die Poesie hier zu einer Zeit, in der die politische Unabhängigkeit schon verwirkt war, im besten Sinn des Wortes national geworden und gelangte alsbald auch zu überraschender Blüte. An Stelle der politischen trat scharf ausgeprägt die nationale Individualität. Der Vorläufer dieser Glanzperiode der poetischen Litteratur ist Kazimirz Brodzinski (1791—1835), deren Häupter aber sind die Dichterfürsten Adam Mickiewicz (1798—1855), Julius; Skowncki (1809—1849) und Zygmunt Krasinski (1812- 1859). Unter diesen dreien ist Mickiewicz nicht nur der universalste und nationalste, sondern ganz entschieden auch der hervorragendste und darum auch derjenige, der dieser noch bis heute fortdauernden Litteraturpsriode den Namen gegeben hat. Er ist der Schöpfer der modernen Epopöe („Grazyna"; „Konrad Wallenrod"; „Herr Thaddäus"), die er zugleich zu einer seitdem nicht wieder erreichten Höhe der Vollendung brachte. Slowackis Größe liegt weniger auf epischem („Johann Bielecki"; „Der Vater der Pesterkrankten in El-Arish"; „Lambro", „Wackaw", „Beniowski") als auf dramatischem Ge¬ biets („Maria Stuart", „Kordyan", „Mazeppa", „Balladyna", „Lilla Weneda", „Beatrice Cenci", „Horstynski"), während Kra¬ sinski am ausgesprochensten in der Lyrik Meister ist. Wie Mickie¬ wicz der Schöpfer der modernen Epopöe, so ist um die gleiche Zeit Graf Alexander Fredro (1793—1876) der Begründer der modernen Komödie, und ist es wieder charakteristisch, daß seine zahlreichen Komödien noch nach einem halben Jahrhunderte sich auf der Bühne ungeschwächt forterhaltsn sowie an Frische und Ursprünglichkeit alles übertreffen, was bis heute in diesem Genre hier geleistet worden ist. — Neben der sogenannten litauischen Dichterschule mit Mickiewicz an der Spitze entwickelt sich zunächst die ukrainische, welche an Ant. Malczewski (1793—1826), Bohdan Jozef Zaleski (1802 — 1886) und Seweryn Goszczyüski (1803—1876) vortreffliche Vertreter hat und der als mittelmäßige Talente auch T. A. Olizarowski und A. Groza angshören. Aus Mickiewicz' Schule sind von angeseheneren Dichtern vor allem A. E. Ody- niec (1804—1885), Fr. Morawski (1785—1861), Ant. Gorecki (1787—1861), Stefan Witwicki (uni 1800—1847) und Stefan Garczynski (1806—1833) hervorgegangen. Gorecki und Garczynski gehören zugleich mit M. Goslawski, Konst. Gaszynski und Win- centy Pol zu den patriotisch-kriegerischen Revolutionsdichtern. Von Einleitung. 23 der älteren Dichtergeneration haben außerdem Jan Nep. Kaminski, Jozef Korzeniowski, Dom. Magnuszewski, Lucyan Siemienski, Edm. Wasilewski, Jgn. Holowinski, I. Jaskowski, G. Zielinski, R. Berwinski, K. Balinski, Fr. Wezyk, Roman Zmorski. Wladimir Wolski, Mieczystaw Romanowski zwar nicht besonders Hervor¬ ragendes, aber zumeist doch Dauerndes geschaffen. Dagegen sind Teofil Lenartoivicz (1822—1893) und Kornel Ujejski (geb. 1823) Talente ersten Ranges, und ebenso zählt Ludwik Kondratowicz (Wladyslaw Syrokomla, 1823—1862) zu den besten und zugleich fruchtbarsten Dichtern dieser Litteraturperiode. Mitte der sechziger Jahre erhebt sich wider die Romantik seitens der litterarischen Kritik eine energische und zielbewußte Opposition, die in der Gesell¬ schaft eine Stütze findet. Die Losung war, die Poesie ausschlie߬ lich in den Dienst des Positivismus zu stellen. Diese Tendenz hat sich insoferne verwirklicht, als in den zwei letzten Decennien Realismus und Idealismus in der Poesie parallel laufen. Im übrigen wird seit dieser Zeit eine Abnahme der poetischen Pro¬ duktion bemerkbar und tritt im großen Stile die Prosa an deren Stelle. Nichtsdestoweniger ist die jüngere und jüngste Dichter¬ generation keineswegs arm an Talenten. Als Lyriker beziehungs¬ weise Epiker verdienen Wladyslaw Belza, Fel. Falenski (Floryan), Waclaw Szymanowski, L. Sowinski, Bogumit Aspis, Karol Brzo¬ zowski, W. Gomulicki, St. Grudzinski, M. Biernacki (Rodoc), C. Jankowski (Czestaw), Wladimir Zagorski, Wladimir Wysocki, Joz. Koäcielski und als der Bedeutendste von allen Adam Asnyk (geb. 1838) hervorgehoben zu werden. Nur beiläufig sei erwähnt, daß in dieser Zeit die dramatischen Gattungen der Poesie sich einer besonderen Pflege erfreuen und sine Reihe bedeutender Ver¬ treter aufweisen können. Als Dichterinnen stehen Narcyza Hmi- chowska, Jadwiga Luszczewska (Deotyma), Marya Bartusowna und zumal Marya Konopnicka (geb. 1846) in hohem Ansehen. In Rußland entwickelt sich nach dem Pseudoklassicismus, ja zum Teile schon neben demselben der Sentimentalismus. Zugleich entbrennt ein erbitterter Kampf zwischen dem sogenannten alten und neuen Litteraturstile und wird zu Gunsten des letzteren ent¬ schieden. Begründet ward die sentimentale Richtung durch den als Reichshistoriograph berühmt gewordenen Nik. Mich. Karamzin (1766—1826), der sich auch als Dichter versuchte, und durch Ivan Jv. Dmitrijev (1760—1837), deren begabtesten und besten Ver¬ treter. Neben diesen behaupten A. Merzljakov, I. A. Neledinskij- Meleckij, Vasilij PuÄin (der Oheim des großen Dichters gleichen Namens), Fürst I. M. Dolgorukij und A. F. Vojejkov einen ge- 24 Einleitung. achteten Namen. Sie bilden den Uebergang zu den modernen Romantikern, an deren Spitze Vasilij Andr. Zukovskij (1783—1853) steht, der indes seinen Ruhm weniger seinen originalen Geistes¬ produkten als seinen äußerst zahlreichen musterhaften Uebertragungen von poetischen Meisterwerken, zumal der deutschen und englischen Litteratur, zu danken hat. Neben ihm erscheinen zunächst der mehr realistische Konst. Batjuskov (1787—1855) und der vorherrschend elegisch gestimmte Ivan Kozlov (1779—1840). Revolutionär¬ romantisch ist die Poesie Kondratij F. Rylejevs (1795—1826) und des Fürsten A. I. Odojevskij (1802 — 1889) mit allen ihren subversiven staats- und sozialpolitischen Tendenzen. Die pro¬ gressive und nationale Richtung vertritt Alexander Serg. Gribo- jedov (1794—1829) in seiner genialen satirisch-romantischen Komö¬ die „Wehe dem Klugen", deren Zeit nach nicht gekommen war. Das dramatische Feld beherrschen mit einer Massenproduktion A. A. Sachovskoj (1777—1846), Mich. N. Zagoskin und N. I. Chmeljnickij, ähnlich wie später durch ein paar Jahrzehnte Alexan¬ der N. Ostrovskij (1824—1886). Unter Einflüssen der Neu¬ romantik und des Byronismus steht anfänglich auch Rußlands größter poetischer Genius, Alexander Serg. Puškin (1799—1837), aber in den meisten und zugleich ausgereiftesten seiner Schöpfungen ist der nationale Typus markant ausgeprägt. In allen Dichtungs¬ gattungen ist er groß, obgleich nicht in allen gleich produktiv, nm produktivsten neben der Lyrik in der Epik und dabei in allen Stücken vollendeter Meister in der poetischen Technik und Schön¬ heit der Sprache. Nicht minder genial als Puškin, aber weniger produktiv ist Michail Jurj. Lermontov (1814 — 1841) und auch in den gleichen poetischen Genres wie jener besonders hervorragend. Sie sind Koryphäen am russischen Parnasss, trotzdem es ihnen nicht beschieden war, sich auszuleben und den Zenith ihrer dich¬ terischen Entfaltung zu erreichen. Neben ihnen ist Alexej Vas. Koljcov (1808—1842) eine bescheidene Erscheinung, aber durch und durch national, so daß mehrere seiner Lieder geradezu Volkslieder geworden sind. Aus Puskins Schule ist sine Reihe von Dichtern hervorgegangen, worunter Jevg. Baratinskij (1800—1844), Ale xander Polezajsv (1810—1888), Nikolaj M. Jazykov (1803 — 1846), Ant. Baron Delvig (1798 — 1831) und Dmitrij V. Venevitinov (1805—1827) die Bedeutenderen sind. Vielseitiger als diese und als poetische Individualitäten einigermaßen ausgeprägter erscheinen V. G. Benediktov (1807 — 1875), Gräfin Jevd. P. Rostopcina (1811 -1858), N. P. Ogarjev (1813—1877) und Fürst P. A. Vja- zemskij (1792—1878). In den vierziger Jahren bildete sich die Einleitung. 25 Schule der Slavophilen und der Westeuropäer (Zapadniki) zur Doktrin aus und haben beide fortan auch in der Poesie ihre Vertreter. In mehr denn einer Hinsicht charakteristisch ist es, daß die ersteren der Volkspoefis die liebevollste. Aufmerksamkeit widmeten, während die andern durch den Mund des bedeutendsten russischen Littsraturkritikers (V. Belinskij) erklärten, ein kleines Gedicht eines wahren Kunstpoeten stehe ungleich höher als alle Volksdichtungen zusammengenommen. Außer N. M. Jazykov sind Alexej Step. Chomjakov (1804- 1860), A. I. Tjutcev (1803—1878) und Ivan S. Aksakov (1823 — 1886) die bedeutend¬ sten Posten der slavophilen Richtung. Die andre ist ihrer Grund¬ lage nach realistisch, in ihren Konsequenzen naturalistisch. Eine eigene Abart davon ist die tendenziös „anklagende" Richtung, die an Nik. A. Nekrasov (1822—1876) den talentvollsten und produk¬ tivsten Vertreter hat. Seit den sechziger Jahren beherrscht der Realismus die Litteratur und feiert in Novelle und Roman und zum Teile auch im Drama wahre Triumphe. Dem gegenüber treten Epik und Lyrik, obzwar sie mehrere bedeutende, verschiedenen Richtungen angehörige Talente aufweissn, mehr und mehr zurück. Unter diesen stehen Apollon N. Majkov (geb. 1821), Graf Alexej K. Tolstoj (1817—1875), A. A. Fet-SenZin (1820—1892) und I. P. Polonskij (geb. 1820) in der vordersten Reihe. Außerdem behaupten Ivan S. Nikitin (1826 — 1861), Nik. F. Scerbina (1821—1869), Lev Sll Mej (1822—1862), Alexej N. PleLcejev (1825 — 1893), A. M. Zemcuznikov (geb. 1821), K. K. Slucevskij (geb. 1837) und A. N. Apuchtin (1841—1893) einen geachteten Namen. Von der jüngsten Dichtergeneration haben S. A. Andrs- jevskij (geb. 1847), Graf A. A. GoleniÄev-Kutuzov (geb. 1848), N. M. Minskij (N. S. Bilenkin, geb. 1856), Großfürst Konstantin Konstautinovic (geb. 1858), S. G. Frug (geb. 1859), S. I. Nadzon (1862—1887), K. M. Fofanov (geb. 1862) und D. S. Merezkovskij (geb. 1865) mehr oder minder Hervorragendes geschaffen. Die Renaissance äußerte sich in Bezug auf Sprache und Litteratur der slavischen Völker einerseits einigend, andrerseits individualisierend Eine Folge des Jndividualisierungsprozesses ist die Sonderexistenz einer slovakischen Litteratur, die in früheren Jahrhunderten als solche unbekannt ist, vielmehr mit der böhmischen eine Einheit bildet. Auf Grundlage des Nationalitätsprinzipes mußte gleichermaßen neben der eigentlichen russischen oder gro߬ russischen Litteratur eine kleinrussische oder ruthenische erstehen, und selbst der kleine Stamm der Sorben erscheint in Bezug auf Sprache und Litteratur in zwei ungleiche Teile gespalten. Indes 24 Einleitung. achteten Namen. Sie bilden den Usbergang zn den modernen Romantikern, an deren Spitze Vasilij Andr, Zukovskij (1788—1853) steht, der indes seinen Ruhm weniger seinen originalen Geistes¬ produkten als seinen äußerst zahlreichen musterhaften Uebertragungen von poetischen Meisterwerken, zumal der deutschen und englischen Littsratur, zu danken hat. Neben ihm erscheinen zunächst der mehr realistische Konst. BatjuÄov (1787 — 1855) und der vorherrschend elegisch gestimmte Ivan Kozlov (1778—1840). Revolutionär¬ romantisch ist die Poesie Kondratij F. Rylejevs (1795—1826) und des Fürsten A. I. Odojevskij (1802—1839) mit allen ihren subversiven staats- und sozialpolitischen Tendenzen. Die pro¬ gressive und nationale Richtung vertritt Alexander Serg. Gribo- jedov (1794 — 1829) in seiner genialen satirisch-romantischen Komö¬ die „Wehe dem Klugen", deren Zeit noch nicht gekommen war. Das dramatische Feld beherrschen mit einer Massenproduktion A. A. Sachovskoj (1777—1846), Mich. N. Zagoskin und N. I. Chmeljnickij, ähnlich wie später durch ein paar Jahrzehnte Alexan¬ der N. Ostrovski) (1824—1886). Unter Einflüssen der Neu¬ romantik und des Byronismus steht anfänglich auch Rußlands größter poetischer Genius, Alexander Serg. Puškin (1799 — 1887), aber in den meisten und zugleich ausgersiftesten seiner Schöpfungen ist der nationale Typus markant ausgeprägt. In allen Dichtungs¬ gattungen ist er groß, obgleich nicht in allen gleich produktiv, am produktivsten neben der Lyrik in der Epik und dabei in allen Stücken vollendeter Meister in der poetischen Technik und Schön¬ heit der Sprache. Nicht minder genial als Puškin, aber weniger produktiv ist Michail Jurj. Lermontov (1814 — 1841) und auch in den gleichen poetischen Genres wie jener besonders hervorragend. Sie sind Koryphäen am russischen Parnass«, trotzdem es ihnen nicht beschieden war, sich auszuleben und den Zenith ihrer dich¬ terischen Entfaltung zu erreichen. Neben ihnen ist Alexej Vas. Koljcov (1808 — 1842) sine bescheidene Erscheinung, aber durch und durch national, so daß mehrere seiner Lieder geradezu Volkslieder geworden sind. Aus Puskins Schule ist eine Reihe von Dichtern hervorgegangen, worunter Jevg. Baratinskij (1800 — 1844), Ale xander Polezajev (1810 — 1888), Nikolaj M. Jazykov (1803—1846), Änt. Baron Delvig (1798—1831) und Dmitrij V. Venevitinov (1805 -1827) die Bedeutenderen sind. Vielseitiger als diese und als poetische Individualitäten einigermaßen ausgeprägter erscheinen V. G. Benediktov (1807 — 1875), Gräfin Jsvd. P. Rostopcina (1811-1858), N. P. Ogarjev (1818—1877) und Fürst P. A. Vja- zemskij (1792—1878). In den vierziger Jahren bildete sich die Einleitung. Schule der Slavophilen und der Westeuropäer (Zapadniki) zur Doktrin aus und haben beide fortan auch in der Poesie ihre Vertreter. In mehr denn einer Hinsicht charakteristisch ist es, daß die ersteren der Volkspoesis die liebevollste Aufmerksamkeit widmeten, während die andern durch den Mund des bedeutendsten russischen Litteraturkritikers (V. Belinskij) erklärten, ein kleines Gedicht eines wahren Kunstpoeten stehe ungleich höher als alle Volksdichtungen zusammengenommen. Außer N. M. Jazykov sind Alexej Step. Chomjakov (1804- 1860), A. I. Tjutcev (1803—1873) und Ivan S. Aksakov (1823—1886) die bedeutend¬ sten Poeten der slavophilen Richtung. Die andre ist ihrer Grund¬ lage nach realistisch, in ihren Konsequenzen naturalistisch. Eine eigene Abart davon ist die tendenziös „anklagende" Richtung, die an Nik. A. Nekrasov (1822—1876) den talentvollsten und produk¬ tivsten Vertreter hat. Seit den sechziger Jahren beherrscht der Realismus die Litteratur und feiert in Novelle und Roman und zum Teile auch im Drama wahre Triumphe. Dem gegenüber treten Epik und Lyrik, obzwar sie mehrere bedeutende, verschiedenen Richtungen angehörige Talente aufweisen, mehr und mehr zurück. Unter diesen stehen Apollon N. Majkov (geb. 1821), Graf Alexej K. Tolstoj (1817—1875), A. A. Fst-SenKin (1820—1892) und I. P. Polonskij (geb. 1820) in der vordersten Reihe. Außerdem behaupten Ivan S. Nikitin (1826—1861), Nik. F. Scerbina (1821—1869), Lev W Mej (1822—1862), Alexej N. Plescejev (1825—1893), A. M. Zemcuznikov (geb. 182 l), K. K. Slucevskij (geb. 1837) und A. N. Apuchtin (1841—1893) einen geachteten Namen. Von der jüngsten Dichtergeneration haben S. A. Andrs- jevskij (geb. 1847), Graf A. A. Goleni^cev-Kutuzov (geb. 1848), N. M. Minskij (N. S. Bilenkin, geb. 1856), Großfürst Konstantin Konstantinovic (geb. 1858), S. G. Frug (geb. 1859), S. I. Nadzon (1862—1887), K. M. Fofanov (geb. 1862) und D. S. Merezkovskij (geb. 1865) mehr oder minder Hervorragendes geschaffen. Die Renaissance äußerte sich in Bezug auf Sprache und Litteratur der slavischen Völker einerseits einigend, andrerseits individualisierend Eine Folge des Jndividualisierungsprozssses ist die Sonderexistenz einer slovakischen Litteratur, die in früheren Jahrhunderten als solche unbekannt ist, vielmehr nut der böhmischen eine Einheit bildet. Auf Grundlage des Nationalitätsprinzipes mußte gleichermaßen neben der eigentlichen russischen oder gro߬ russischen Litteratur eine kleinrussische oder ruthenische erstehen, und selbst der kleine Stamm der Sorben erscheint in Bezug auf Sprache und Litteratur in zwei ungleiche Teile gespalten. Indes 26 Einleitung. der Aufschwung der Littsratur ist bei den soeben genannten Stämmen verhältnismäßig kein wesentlich geringerer als bei den übrigen Slaven. Auch die Poesie hat bei ihnen im letzten halben Jahrhunderte viele und darunter selbst hervorragende Vertreter gefunden, und ist es ein rein äußerlicher Grund, daß an dieser Stelle darauf nicht weiter eingegangen wird. Dieser Grund ist der absolute Mangel an deutschen Uebertragungen aus dem Bereiche dieser Litteratursn, ein Umstand, der ebenso auf dis bulgarische Kunstdichtung Anwendung findet. Relativ machte sich dieser Mangel im übrigen bei den südslavischen Litteraturen außerordentlich fühlbar, und daher kommt es, daß in diesen Teil der Anthologie manche Uebertragung Aufnahme gefunden hat, die bei einem günstigeren Stande der Dingo davon ferne geblieben wäre. Gregor Krek. Wöhrnen. Smil von AuÄubic. Aus „Drr neue Kat". Der König Leu zu einer Zeit Entsandte Boten weit und breit Nach seinen Fürsten und seinen Herr'n Bis hin in die entlegenste Fern': Die großen Tiere wie die kleinen Sollten vor seinem Thron erscheinen. Und er beschied auch den edlen Aar Mit seiner unzähligen Vögel Schar, Die durch den König ihm dienstbar war. Da kam der Adler ohne Verzug Mit dem Gevögel in raschem Flug, Und auch die übrigen Tier' in Haufen Kamen gesprungen und gelaufen Und ordneten sich in weitem Kreis, Gehorsam zu lauschen des Königs Geheiß. Der König den edlen Aar empfing Mit hohen Ehren, ihn gnädig umfing, Und schaute vergnügten Blicks das Gedränge Der rings um ihn versammelten Menge. Dann aber winkt' er mit der Hand, Um zu verkünden, warum er gesandt. „Vernehmt mich," begann er laut, „und hört, Ihr Fürsten und Herr'n, auch Ritter wert! Denn ich weiß, daß ihr mir treu ergeben, Wie meinem Vater durchs ganze Leben, 30 Slavische Anthologie. Der jetzt zwar ruht bei den Toten schon, Doch, als er noch wallte mit Zepter und Kron', Von eurem Rat erleuchtet, geführt, Gar glorreich hat die Welt regiert; Das ist bekannt in allen Gauen, Die Völker haben zu euch Vertrauen. Ihr seht, noch bin ich ein König jung; Drum möget ohne Zögerung Zu Hilf' ihr kommen meinen Jahren Und euren Rat mir offenbaren, Wie ich zu meines Reichs Gedeihn Wohl könnt' ein trefflicher Herrscher sein Und mein' und eure Ehre wahren." Darauf, nachdem die Rede geendet, Der König sich zum Adler wendet: „Wohlan! Zu raten beginne du, Das steht mit Fug und Recht dir zu." Der Aar doch zögert zu beginnen, Scheint anderes im Busen zu sinnen, Er spricht: „O Herr, erlaß mir die Pflicht: Bin ja bei weitem der Klügste nicht. Du hast so viele in diesen Scharen, Die in der Welt weit mehr erfahren. Was soll die Kerz' im Sonnenlicht!" Der König drauf: „Mein edler Aar, Was zögerst du? Ei, Freund, fürwahr, Nicht will ich deines Rats entbehren! Drum künde, was meinen Ruhm könnt' mehren!" Da drangen auch die andern in ihn Und wünschten, er möge sich nicht entzieh», Und als sie alle riefen und drangen, Begann er kühn und unbefangen: „Mein Herr und König! Weil du's begehrst Und gnädig meine Worte hörst, So sei darauf vor allem bedacht, Und sorgsam nimm es stets in acht, Es sei im Glück, in Trübsals Schmerzen: Daß du bewahrest Gott im Herzen. Denn er vor so vielen in der Welt Hat dich auf solche Höh' gestellt, Böhmen. 31 Und Güter dir und Ehren geschenkt, Weil seine Macht das Ganze lenkt: Denn er kann geben und nehmen wieder, Lebendig machen und töten die Glieder, Dich führen zu Himmels Seligkeit, Und auch verderben für alle Zeit. Drum fürcht und ehr ihn mit frommem Sinn, Furcht Gottes ist der Weisheit Beginn. Doch fürcht ihn nicht nach Art der Thoren, Der Knechte, die feig den Mut verloren, Der Sünder gar — nein, thu's in Liebe! So liegt's ja in des Menschen Triebe, Daß, ob er Greis sei oder Kind, Wo einen holden Freund er gewinnt, Er ohne Falsch aufrichtig ihn liebt, Für Gutes Dank zurück ihm gibt: Und welch Geschöpf halt' aus Gottes Händen Erhalten nicht die reichsten Spenden! Wie bist du selbst durch ihn beglückt! Doch weil er mit Gaben dich so geschmückt, So sei nicht karg mit dem, was du hast, Und hüt's nicht ängstlich als tote Last: Bon dem, was dir zufällt, gib auch andern, Laß deine Fülle die Länder durchwandern: Denn Geiz nicht stehet dem Herrscher an, Besser, freigebig woylgethan, Und hast du Ehre vor Gottes Thron, Ist ja der größte Reichtum dein Lohn. Dies, König, wollt' ich kurz dir sagen, Verzeih mir solches kühne Wagen, Und was ich in schlichter Einfalt riet, Führ es in Gnaden dir zu Gemüt!" Josts Wcnzig. 32 Slawische Anthologie. Mn Kollar. Aus „Die Tochter der Stava". Vrokog. Ach, da liegt das Gelände vor meinem weinenden Auge, Unsere Wiege dereinst, jetzo des Slaventums Grab. Halt! Nicht weiter! Geweiht sind die Stätten, wo immer du schreitest. Hebe doch, Tatras Sohn, gegen den Himmel den Blick. Oder zum Eichenwalde, zum traulichen, lenke die Schritte, Der der verheerenden Zeit trotzte bis heute so kühn. Schlimmer als Zeit eracht' ich den Menschen, des eisernes Zepter In dem weiten Gebiet Slavias Nacken gebeugt. Schlimmer als Kriegeswehen und wilder als flammende Blitze, Wenn verblendeter Haß eigene Sippe beschimpft. O Zeit, längstens erloschen, wie Nacht ums Auge gebreitet! O Land, jeglichen Ruhms voll und auch jeglicher Schmach! Von der Elbe Gestade zur treulos wogenden Weichsel — Von der Donau zu Balts raubendem Wogengeschäum — Wo einst lieblich ertönten der tapferen Slaven.Gespräche, Bist vom Hasse verfolgt, Zunge der Slaven verstummt. Und wer hatte begangen den himmelschreienden Frevel An dem unschuldigen Volk, schändend die Menschennatur? Schamvoll sollst du erröten, Germania, Slaven benachbart, Deiner Hände Gewalt führte so grausame Streich'. Kein Feind hatte vergossen des Blutes so viel — und der Tinte, Planend unseren Tod, wie es der Deutsche gethan. Würdig der Freiheit erscheint, der schützt der anderen Freiheit, Sklave nur selbst ist, der Fesseln für andere schlägt. Ob er nun Hände gefesselt, ob Sprachen in Ketten geschlagen, Einerlei, nicht kann er schätzen des anderen Recht. Wer nur Throne gestürzt und Blut der Menschen vergossen, Wer nur Fackeln des Kriegs über die Erde gestreut: Der verdiente vollauf die Ketten, ob Skythe, ob Gote, Nicht, wer sanfteren Sinns Ordnung und Frieden empfahl. Ach, wo seid ihr verschwunden, Stämme der Slaven, die tranken Dort aus pvmmrischem Quell, hier aus der Saale Gerinn? Böhmen. 33 Sanftes Sorbengeschlecht und obotritische Enkel, Ach, wo schwandet ihr hin, Ukren- und Wilzengeschlecht? Weit nach rechts ist gewendet mein Äug' und schweifet zur Linken, Doch in Slavias Reich sucht es die Slaven umsonst, sage du, Baum, gewachsen als Tempel, du sähest in Vorzeit Lohen die Opserflamm', einstigen Göttern geweiht, Wo sind die. Völker verschwunden, die Städte, die Fürsten¬ geschlechter, Die in des Nordens Oed' weckten des Lebens Getrieb? Segel- und Rudergebrauch vorzcigend dem armen Europa Und nach reichem Gestad lenkend der Schiffe Geführt, Dort in Erdentiefen gewinnend glänzende Kiese Mehr den Göttern zur Ehr' als zu der Menschen Gewinn. Dort den Bauer belehrend, wie aus dem Schoße der Erde Furchenden Pfluges Fleiß goldige Saaten gewinnt. Dort des Lindenbaums geheiligte Reiser versetzend, Der am friedlichen Weg Schatten und Düfte verleiht. Städte zu bauen, beleben mit Wandel, das lehrten die Väter, Und von Müttern gelehrt, webten die Töchter das Tuch. Meisterlich Volk, verkünd, welch Lohn dir wurde gewähret? Um der Entartung Preis nur ein zerrissener Kranz! Wie wenn Honigdüfte erspähend in anderer Körbe Bienen in Schwärmen einziehn, Königin mordend und Brut: So ward unterjocht der Herr des eigenen Hauses, Weil der Nachbar ihm -schlau eiserne Ketten umwand. Wo im Wäldergrün die liebliche Slavin gesungen, Ist verstummt schon längst reizender Lieder Getön. Wo einst Marmorpaläste gestanden des donnernden Perun, Baut aus Säulengeknäus Ställe ein Bettelgeschlecht. Wo zum Himmel geragt die Türme des alten Arkona, Dort, ach, zertritt der Gast letztes Gebröckel der Pracht. Wo in Trümmer geschlagen der Tempel im heiligen Retra, Wühlt sich unheimliches Nest Schlangen- und Echsengeschlecht. Slavias Söhne, gelangend in einstiger Brüder Gefilde, Finden den Bruder nicht mehr, missen des Grußes Willkomm! Fremde Sprache ertönt aus slavisch gebildeten Lippen, Slavische Form des Gesichts paßt nicht zum Klange der Red', Denn so tief sind geprägt die Züge der slavischen Mutter, Daß nicht einmal die Zeit sie zu vertilgen vermocht'! Wie zwei Flüsse, wenn auch ein Bett sie vereinigt, Nicht vermischen die Färb' längere Strecken entlang: Slavische Anthologie. ü Z4 Slavische Anthologie. So hat altes Gewoge des Völkerkampfes gemenget Zweier Völker Geblüt, doch ist die Zweiheit zu sehn. Aber die Söhne beschimpfen entartet die eigene Mutter, Küssen die Rute, die schwingt sündhaft ein anderes Weib. Weder slavisch Geblüt, auch nicht germanisch Gewebe — Sind sie der beiven Verein, schier wie ein Zwittergeschlecht. So haust Osmans Geschlecht auf fremd hellenischem Boden, Roßschweif ragt dort hoch auf dem olympischen Berg. So auch verdarb nutzsuchend Europa zwei Welten der Inder, Bildung gewährend, doch Färb'raubend und Sprache und Sitt', Volk und Ehre verschwand auch hier, wie Gebete und Götter, Unversehrt nur blieb ewig sich gleich die Natur. Wälder und Flüsse, Gemeinden und Städte behielten Slavischen Laut, doch leer klingt er und sinnesentraubt. O, wer kömmt zu erwecken aus lebendem Traume die Gräber? Wer gibt Heimatland richtigen Erben zurück? Wer zeigt jenes Gefild, wo einst für die Seinen geblutet Fürst Miliduch, wer wird Säulen errichten dem Held? Wo dem Neuen abhold und Einfalt schützend der Väter Kruk einst führte ins Feld slavischer Heere Gefolg? Wo Bogislav siegreich in Schlachten die Lanze geschwungen Und in Frieden gewährt' weise Gesetze dem Volk. Sind nicht mehr! Die Gebeine der edlen Helvengestalten Bricht in Trümmer und Staub krachend des Ackerers Pflug. Ihre Schatten, erbost ob zweier Epochen Entartung, Klagen im Nebelgrau, das die Ruine bedeckt, Klagen, daß keine Versöhnung noch kennt der Lauf der Geschicke, Daß hier fault, dort krankt aller der Enkel Geblüt. O, welch eisig erstarrtes Herz doch bliebe hier ruhig, Wer doch weinet nicht herb über des Liebsten Gebein. Und doch, bleibe verstummt, o Leid, die Zukunft im Auge! Helleren Blickes zerstreu Wolkengedanken in dir. Schmachvoll ist es, bejammern im Unglück eigenes Elend, Edler, wer mit der That zähmet die Wut des Geschicks. Nicht aus Augen betrübt, aus fleißiger Hand wird die Hoffnung Winken, und Schlimmstes kann wenden zum Guten sich rasch. Nicht das Menschengeschlecht, nur Menschen verfallen der Irrung. Was der eine verkehrt, wird oft dem Ganzen zu Nutz. Zeit kann alles verändern, führen zum Siege die Wahrheit, Und Jahrhunderte wirft über den Haufen die Stund'. Eduard Albert. Böhmen. 35 Äonette. 1. Verweile, goldne Soirne, noch iin Reigen Dort ob des Böhmerwaldes grünem Saum! In weiter Ferne bliebst ja du mir kaum Von allen Schätzen, welche sonst mein eigen. Wie du im Glück mir pflegtest aufzusteigen, So lächelnd scheuche jetzt des Unglücks Traum; Begrüße sie und jenes Gärtchens Raum, Wo unsre Liebe dich gehabt zum Zeugen. O tauche früher noch dein Abschiedslicht In meine Augen, daß es alle Ströme, Die sie vergießen, mit zu ihr hin nehme! Und kommst du hin, so säume, säume nicht, An ihr vor allen freundlich festzuhangen, Zu küssen ihre Lippen, Augen, Wangen! Joses W-nzig. 2. Ihr golddurchwebten Haare, teure Reste Von dem Verlust, durch den mein Tiefstes wund, Wert, daß euch Pope und der Göttermund Homers verherrlichte, der Welt zum Feste! O nicht für Vließe gäb' ich und Paläste Und Sultanszepter, nicht fürs Erdenrund, Euch, die ihr hold bezeuget meinen Bund, Die ich so oft schon an die Lippen preßte! Verschließt mein Herz, solang es nicht verdorrt, O ihr mein Schatz, das Kleinod meiner Liebe, Vor jedem fremden Reiz und niedern Triebe! Und weht der Wind einst meine Asche fort, So schwebt empor zu jenen Sternenkränzen, Wo auch die Locken Berenices glänzen! Joses Wcozig. 36 Slavische Anthologie. 3. Nach Pommerns Küsten ivar ich nusgezogen Durch Slavas Schutt und Trümmerstülten hin, Auf Bineta sucht Bineta mein Sinn Tief in des Meeres buntgefärbten Wogen. Du, deren Ruhm und Schiffe einst durchflogen Den weiten Erdball, Meeresherrscherin, Auf, auf dem Dreizacke Neptuns entrinn, Zur Freiheit wieder schwing dich auf verwegen. Den Dänen hast getrotzt du manch Jahrhundert, Dich fällen konnte nur der Götter Macht, Du Meeres-Herkulanum viel bewundert! O Slavenstadt, zweifachem Tod zur Beute, Verschlungen einst vom Meer in Wellennacht, Und von des Klüglers Witz geleugnet heute! Hermann Leisler. Arantiäek Muli.Äiw CelrrkovLky. Aus der „Kmdertbtätlrigen Uolr". 1. Such mit trockenem Verstände, Kalten Herzens, überall Nach der Wahrheit, hörst doch immer Nur des eignen Trittes Schall. Sieh der Schöpfung Wunderknüuel! Rings im Schlaf scheint sie zu sein; Doch sie wacht, sie glüht und lodert Bis ins Innerste hinein. Böhmen. 37 Rastlos quillt der Born der Wahrheit; Aber, Liebe, nur durch deine Und der Dichtung Allgewalt Nimmt sie Form an und Gestalt. Josef Wenzig. 2. Dort, wo ewig frische Rosen Stets im Morgenlichte stehn, Gottes Werke makellosen Glanzes sich in Wässern sehn; Wo der Geist zu Sternenreichen Mit des Adlers Schwingen fliegt. Und in überirdisch weichen Harmonien süß sich wiegt' Deines Reichs bin ich Geselle, Poesie! aus deinem Quelle Schöpf' ich meinen Becher voll, Frisch, wie es die Jugend soll! Eduard Albert. Aus „Nachhall der böhmischen Lieder". Die Äüfse. O Küsse, die Küßchen, Zwar Bißchen nur klein, Doch süßer, als Beeren Jur duftigen Hain! O Küsse, die Küßchen, Nur kurz und geschwind, Als ob sich zwei Blumen Berührten im Wind! 38 Slamsche Anthologie. Und Küsse, die Küßchen, Wir tauschen sie ein, Stehn hinter dem Hause Wir ganz allein. Das erste beim Finden, Beim Scheiden das zweit' — Auch mehr noch, sie füllen Die Zwischenzeit. Joses Winzig. Aus den ,.Epigrammen". Än einen Dichter. Deine Lieder erotischer Art Sind so ätherisch und duftig zart, So voll von blassem Mondenschein Und seufzerhauchender Liebespein, Daß es aufs höchste mich staunend macht, Wie der Drucker sie aufs Papier gebracht. Joses Wmzig. Karel Hynek Macha. Aus den ,,Sonetten". Wie soll ich Worte finden und Gebärden, Zu stehn in kindlich demutvoller Sitte? Ich bin in dichter Finsternisse Mitte, Und schwinden soll mir jedes Licht auf Erden. Böhmen. 39 Es fliehen vor der Nacht die Wolkenherden Wie Schwäne, und ich fleh' in meiner Hütte: „O bleibe, Herr, mit mir! hör meine Bitte! O bleibe; denn es will schon Abend werden." Umsonst; er will mein Flehen nicht erhören, Nur der Verzweiflung Becher wird gestellt Vor meinen Blick durch eine Zaubermacht. Ich greif' danach, die Lippen zu bethören. In meiner Seel' ist Nacht zu Nacht gesellt, O, eisig kalt ist dieses Reich der Nacht. Eduard Albirt. Zrarel MvliceK MwMch. Aus den „Epigrammen". Die Prager Universität. Er: Zwei Fakultäten hier im Klementinum! Zwei Fakultäten dort im Karolinum! Ich weiß nicht, was die Teilung heißt. Wer hat denn dieses schöne Werk vollbracht? Ich: Im Klementinum wird der Geist, Der Leib im Karolinum umgcbracht. Eduard Albert. 40 Slavische Anthologie. Lovlssia militans. Gegen alle Kirchenseinde, Glaubensgegner, Ketzer arg Publizierte Pater Rozen eine Schrift, An die hundert Bogen stark; Fester Einband und dazu Metallbeschlag — Damit schlügt er alle tot, gar keine Frag'! Eduard Albert. Karel Jaromir Erben. Die Weide. Zeitlich früh am Sommermorgen Fragt der Mann in schweren Sorgen: „Meine Frau, mein liebes Weib! Treu warst du an Seel' und Leib, Herz und Seele waren offen, Eines machte mich betroffen. Seit der Hochzeit sind zwei Jahr, Eines dünkt mir sonderbar. Meine Frau, mein liebes Weib! Welchen Schlaf hat doch dein Leib? Legst dich abends frisch und rot, Ganze Nacht liegst du wie tot. Ganze Nacht regt sich kein Glied, Als ob Leben aus dir schied'. Böhmen. 41 Kalt, als ob dein Blut nicht rollt' Und dein Leib vermodern sollt', Nichts erweckt dich, nicht das Kind, Wenn es nachts zu schrei'n beginnt. Meine Frau, mein liebes Weib! Krank ist wohl dein junger Leib. Wenn ein Siechtum dich verzehrt, Gibt es Rat, der diesem wehrt. Auf dem Felde gibt's der Blumen viel, Eins der Kräuter führt zum Ziel. Gibt's kein Heil in Krnutersaft, Wirket Heil der Worte Kraft. Sprüche können Stürme bannen, Und die Wolke zieht von dannen. Sprüche können Feuer lähmen, Felsen sprengen, Drachen zähmen, Sterne ziehn vom Himmelsrund. Sprüche machen dich gesund." ,,„O mein Herr, mein Gatte lieb! Hier hilft keines Krautes Trieb. Was das Schicksal zugedacht, Heilt nicht Menschenwortes Macht. Kann ich nachts auch nicht erwärmen, Bin ich doch in Gottes Armen, Bin ich doch in Gottes Macht, Der mich schützt und stets bewacht. Sind auch leblos meine Glieder, Morgens kehrt die Seele wieder. Morgens steh' ich frisch und grad. Du befiehl es Gottes Gnad'!"" 42 Slavische Anthologie. Eitle Wort' vom Anbeginn. Andres hat der Herr im Sinn. Sitzt die Hexe, prüft die Zahlen, Schüttet Wasser in die Schalen, Zwölf der Schüsseln in der Runde, Daß sie Schicksals Maß erkunde. „Ach, du Alte, weißt viel Dinge, Was das Schicksal manchem bringe, Weißt, woher die Krankheit rühre, Und der Tod vor wessen Thüre. Sage mir jetzt klar und offen: Was hat meine Frau betroffen? Legt sich abends frisch und rot, Liegt die ganze Nacht wie tot, Ganze Nacht regt sich kein Glied, Als ob Leben aus ihr schied'. Kalt, als ob ihr Blut nicht rollt' Und der Leib vermodern sollt'." „„Wie soll sie sich anders zeigen, Wenn nur Lebenshälft' ihr eigen? Lebt mit dir, wenn's Taglicht wacht, Und im Weidenbaum bei Nacht. Geh zuni Bache, wirst ihn finden, Kennst ihn an der weißen Rinden; Gelbe Zweige trügt die Weide. Jede Nacht vereint sie beide."" „Nahm sie nicht zu meinem Weibe, Daß sie nachts im Baume bleibe. Mein soll ganz die Gattin werden. Weide, faule in der Erden!" Böhmen. 43 Nahm die Hacke, hieb sie nieder, Ließ nur stehn der Wurzel Glieder. Als sie stürzt in Wasserwogen, Kam's wie Hauch heraufgezogen; Kam es wie ein bittres Klagen, Wie wenn man ein Herz erschlagen; Wie wenn eine Mutter endet Und sich nach dem Kinde wendet. — „Welch Gedränge vieler Leute? Stirbt denn jemand bei mir heute?" „„Deine Gattin starb zur Stunde, Wie von eines Schwertes Wunde; War soeben frisch und stramm, Sank, wie ein gefällter Stamm; Es scholl ein Seuszerlaut, Als sie nach dem Kind geschaut."" „Weh mir, wehe meinen Tagen! Habe meine Frau erschlagen; Ahnte selber nichts davon. Waise ist mein kleiner Sohn. O du weiße, weiße Weide Warst zu meinem größten Leide. Und mein Leben halb geteilt! Was zu thun, daß solches heilt!" „„Zieh mich aus dem Wassergrab, Hau die gelben Zweige ab, Schneide Bretter aus deni Stamm, Füg zur Wiege sie zusaMm'. In der Wieg' das Kind lein wieg, Daß der Thränenstrom versieg'. 44 Slavische Anthologie. Schlummern wird das Kindlein warm Wie in seiner Mutter Arm. Pflanz am Bach die Zweig' in Reihe, Daß ein jeder wohl gedeihe. Einstens wird aus jungen Weiden Unser Junge Pfeifen schneiden, Und in jedes Liedchens Ton Spricht dann Mutter mit dem Sohn."" Eduard Albert. VitezMu KleK. Aus den „Abrndtiedrrn". 1. Es schweigt der Blätter Abendlied. Es atmen kaum die Bäume, Die lieben Vöglein schlummern schon Die holdseligsten Träume. Und goldne Sterne tauchen auf, Im Bach die Wellen scherzen; Im Busen ist's so öde nur Und traurig so im Herzen. In ihren Kelch den Silbertau Die schönen Blumen saugen — Mein Gott! und dieser Äbendtau Dringt auch in meine Augen. Gustav Dürft. Böhmen. 45 2. Mein Liebchen, komm und knie zu mir, Soeben ruft der Glocke Ton; Der Mond stieg über Wälder auf, Und wir, wir müssen scheiden schon. Doch falte nicht die Händchen schön, Umarme mich, du Seele mein; Zwei Herzen werden statt der Händ' Zum Nachtgebet gefaltet sein. Und drücke deinen Rosenmund Auf meine blassen Lippen an; Ich lege Worte dir hinein, Dein Hauch, der send' sie himmelan. Und es wird unser Nachtgebet Ein Opfer, glaub mir, rein und warm, Denn wenn die Engel beten dort, Sie beten auch nur Arni in Arm. Gustav Dörfl. 3. Ich gleiche einem Lindenbaum Auf smaragdenen Matten: Du schöne Maienrose, du, Komm her in meinen Schatten! Hier atmet Dust ein jedes Blatt, Hier summt es auf den Ranken, Des Abends fliegen Vögel her — Gedanken sind's, Gedanken. Die fliegen weit, wie Kinder weit Aus väterlicher Hütte; Doch wenn du setzest dich zu mir, Sind sie in unsrer Mitte. Gustav DSvfl. 46 Slamsche Anthologie. Aus „In der Natur". 1. Stille! Langsam schleichen Tage, Und des Jahres Abend naht. Die Natur hat schwere Lider, Winter wird es in der That. Welkes Laub und dürre Zweige Sammelt sie als Streu ins Bett; Stellt die Sonne in den Winkel, Wie die Lamp' im Lazarett, Und verhängt die Himmelsfenster, Schaffet Still' im Walde drin; Schickt die Vöglein, kleine Schwätzer, Zur entlegnen Nachbarin. Auf den Zehen und verstohlen Schleichen Fluß und Bach im Thal. Träume kauern, sich versteckend, In den Bäumen, dürr und kahl. Weißer Flaumenfedern Fülle Hat der Wind bald hergefegt. Stille! Und es wird geschlummert — Bis die Lerche wieder schlägt. Eduard Albert. 2. Ich schreite auf dem steilen Wege wacker, Schon lichten sich die Fichtenreihen; O welche Stille hier im Freien! Das ist des Waldes Friedhofsacker. Wie sich die Grabesfelder weithin dehnen! O sagt, was alles sank in ihren Schoß? Wer pflanzte Heideblumen in das Moos? Es seufzt der Wind, im Grase sieht man Thrünen. Böhmen. 47 Geknickte Birke dort — wie Kreuzeszeichen, Ja, wie ein Prediger, den Arm gestreckt, Auf alles weisend, was die Erde deckt: Der Bäume, Sträuche und der Blumen Leichen. Wacholder stehn in ihrer Trauerhülle Erpressen gleich. Grabstein die Felsenwand, Doch leer; es fehlt der Inschrift Zeilenband Von diesen Schläfern und von ihrer Stille. Da fliegt empor ein Falke aus der Halde, Sinkt ächzend nieder, auf die Birke zu. Jawohl! Es flüchtet her in diese Rub' Vor seinem Sterben auch das Wild im Walde. Eduard Albert. JAN Aernäa. Aus den „Kosmischen Liedern". 1. Der herrliche Knabe, der schöne Mond Mit der liebelohenden Wange, Umkreiset die Erde, die holde Maid, Wie der Täuber das Täubchen schon lange. Und küßt sie sein liebebegehrender Blick, Dann hebt sich in sehnendem Bangen Ihr Busen, von innerem Feuer durchflammt, Die Lippe, sie bebt vor Verlangen. Und dennoch dränget sie schamhaft zurück Die heißen, begehrenden Triebe, Sie schwebt in der Ferne stets spröde dahin — Und der Mond, der verschmachtet vor Liebe. 48 Slavische Anthologie. O kenntest die Mädchen du so wie ich, Du würdest dich anders benehmen: Es weint eine jede vor Sehnsucht bei Nacht, Tags will sie sich sperren und schämen. Und daß die Erde die ganze Nacht Sich härmte, das müßtest du wissen — Ist sie doch morgens voll Thränentau Wie des liebenden Mädchens Kissen. Gustav Pawikovski. 2. Empor zum Himmel die Augen, mein Volk, Du sollst nicht beiseite mehr stehen! Sieh nur, auch kleinere Sterne gibt's dort, Um welche sich größere drehen! Das konimt daher: die kleinen sind Aus festem, aus dichterem Kerne, Hingegen aus dunstigem Stoffe nur Die großen, die dienenden Sterne! Ich hoffe, bei diesem Gedanken wird Mut Begeisternd das Herz dir durchwehen — Nun, seien wir denn der kleinere Stern, Um welchen sich größere drehen! Es geht schon, es geht! Schau jeder nur Zum eigenen Kern, statt zu hadern! Ist jeder von uns aus Granit, dann wird Das Volk, das gesamte, aus Quadern! Gustav Pawikovski. Sallade vom Paradiese. Schritt Maria, schritt zum Paradiese. Wer des Weges kam, der kniete nieder, Sprach: „Gegrüßet seist" und ging dann wieder. Rur die heil'ge Elsbeth unter allen Kniet nicht nieder, grüßt mit keinem Worte. Maria blieb verwundert an dein Orte. Böhmen. 49 „Hörst du, Elsbeth, was soll denn das heißen? Welch ein Leid ist über dich geflogen? Selbst dein Heil'genschein ist krummgebogen; Matt sind deine Augen, matt die Schritte, Stehst wie abgehärmt von Qual und Plagen; Will denn Himmelsluft dir nicht behagen?" Schier ein Vorwurf spricht aus Elsbeths Augen, Sagt halb mürrisch: ,,„O du gute Stunde! Langeweile richtet mich zu Grunde."" „Langeweile also? Langeweile? Jede Heil'ge hält die Ordnung strenge In der Schutzbefohlnen großer Menge. Welche Schützlinge find dir gewiesen?" Himmelwärts die schwarzen Augen schauen, Bitter spricht der Mund: „„Die treuen Frauen! Schon fünfhundert Jahre bin ich heilig, Späh' nach Frauenseelen, forsche, suche — Hab' noch keine einzige im Buche. Einmal kam zu mir die frohe Kunde, Daß in Böhmerlandes schönen Auen Eine engelsreine Frau zu schauen; Kaunr hab' ich sie dort herausgefunden, Sie zu nehmen unter meine Hände — War die liebe Treue grad zu Ende."" Eduard Alberi. Aus den „Ginfachrn Motiven". Daß ich schon grau, sagt euer lustig Lachen? So seht denn, was so heiße Kämpfe machen! Verstand so kalt und Herz so wild, Und felsig auch das Kampfgefild Des Lebens. — Wer hat Sieg erstritten? Geschlagen wer? — Kein weicher Schnee da vorn, Den Jahre sonst auf Schläfen schütten — Es ist ja lauter Hagelkorn. Slavij che Anthologie. 4 50 Slavische Anthologie. Saht ihr das Schauspiel auf des Berges Kamme? Vom Süden fliegt der Wind mie heiße Flamme, Vom Nord ein Sturm wie Eis so kalt, Die Wolken haben sich geballt, Aus ihrem Dunkel fährt geschossen Ein Wirbel, rast um Grat und Felsenstück, Dann hagelt es in harten Schlossen — Grau ist der Berg im Augenblick. Eduard Albert. SMoVluk Tech. Am Srstrrtisch. Nächt'ge Stille rings — Lichtthränen rinnen Von der Wölbung Hängeleuchte nieder; Auf der Tafel unter grauem Linnen Zeichnen sich die starren Totenglieder, Und die Hülle fällt, es naht zum Streiche Schon der blanke Stahl der — Mädchenleiche. . . . Ach! Ein kurzer Lenz flocht seine Rosen In dies Haar, das sanft die Stirn umschmiegt, Das sich, wie im letzten Abschiedskosen, Auf dem jungen, zarten Busen wiegt. Nie mehr kann der heitre Tagesschimmer Dies geschloßne Augenpaar umfächeln; Diese bleichen Lippen werden nimmer Jugendlust und Lebensfreude lächeln. Nun, was ist dir? Warum zagt dein Messer, Mann der Wissenschaft? - Nur zugeschnitten! Jammert's dich? Ergeht's dem Leichnam besser, Wenn der Wurm sich läßt zu Gaste bitten? Böhmen. 51 Ha, der Wurm, der vielgetreue Freier, Dem Vernichtung süße Hochzeitsfeier! Wie so seltsam fühl' ich mich befangen; Soll mir vor dem toten Mägdlein bangen? Weindunst trübt mir wohl die alten Augen, Daß sie nicht für solchen Anblick taugen! — Sieh, ein Ringlein glanzt am schlanken Finger, Ein Erinnrungsgruß vergangner Tage! War's ein Freudenpsand, ein Schmerzensbringer? Deutet's Wonne oder stumme Klage? . . . Und er nimmt den Schmuck. Noch einmal wendet Er den Blick. — Da steht er wie geblendet Von dem Wunder — Strahlend, glanzumwoben, Hat sich jäh die bleiche Maid erhoben: Ihre welke Rechte scheint zu winken, Aus den halbverschloßnen Lidern blinken Dunkle Sterne, schluchzend tönt ihr Flehen, Ihre Worte glaubt er zu verstehen: O gib den Ring, was kann er dir, Du ernster Mann, gewähren? Ihn netzten mir, ihn weihten mir Der Liebe heil'ge Zähren. Mehr als dein Haupt von Wissen schwer, Birgt er geheime Kunde, Er scheucht der finstern Geister Heer In der Vergeltung Stunde. Das Reiflein soll von meiner Hand Kein Sterblicher gewinnen, Es mag an ihr ini Weltenbrand Als goldne Thräne rinnen! O gib den Ring! Was kann er dir, Du ernster Mann, gewähren? Ihn netzten mir, ihn weihten mir Der Liebe heil'ge Zähren. Welche Töne! Gleich dem Klang der Glocken, Gleich des Heimatsdörfleins trautem Gruß! Slavische Anthologie. Ach, ihr Antlitz sieht er, ihre Locken, Die er oft berührt' im Wonnekuß. In, sie ist's. Trägt seines Namens Zeichen Nicht der Ring? Der Wehmut Tropfen schleichen — Seltne Gäste — ihm ins Äug'. Die Tote Liegt vor ihm in fremder, kalter Schöne. Ohne Schrift — ein ungetreuer Bote — Glänzt das Gold, als ob's den Träumer höhne. Klirrend rollt der Ring zur Saalesmitte, Und das Messer zuckt im ersten Schnitte. . . . A. Heinzmunn. Die Kerche. Als Christus noch hienieden Mit seinen Jüngern ging, Da zogen sie zum Haine, Wo Schatten sie umfing. Des Waldes kleine Sänger Erfreuten ihren Gang Mit allem, was ihr Kehlchen Besaß an Meistersang. Das Lied der Finken, Amseln Ob Christi Haupt erscholl Wie süßes Hosianna In Hymnen jubelvoll. Und die Apostel lauschten Dem Vogelpsalm entzückt In Paradiesestrüumen, Der Erdenwelt entrückt. Sie traten aus dem Haine; Da floß auf Feld und Au Der Hauch der Sonnengluten Aus wolkenlosem Blau. Und was an Furchenzeichen Der braune Acker trug, Böhmen. 53 Die zog voll Müh' der Bauer Mit seinem schweren Pflug. Da sprach der heil'ge Petrus: „Hier ist's so traurig-bang! Den Jäger in dem Walde Erfreut der Vögel Sang: Den Hirten, der in Träumen An klarer Quelle ruht, Beglückt aus Buchenkronen Der Vöglein Liederflut. Auch wer die Zeit mit Tändeln Verbringt im Rosenhag, Den wiegt in Edensträume Der Nachtigallen Schlag: Und sieh, den fleiß'gen Landmnnn, Der hier sein Feld bebaut Mit seinem schweren Pfluge, Entzückt kein froher Laut." Der Herr ging schweigend weiter, Da blieb der Ackersmann Still stehn, den Schweiß zu trocknen, Der ihm vom Antlitz rann. Der Tau der düstern Stirne Lief ihm die Furch' entlang Und fiel zur lockren Scholle Herab, die er durchdrang. Und Christus neigt sich nieder, Hebt eine Handvoll auf Der schweißgetränkten Erde Aus brauner Schollen Häuf. Dann sprach er leise Worte, Den Blick empor gewandt, Und öffnet göttlich lächelnd Die heil'ge Wunderhand. Und siehe, ein Geschöpfchen, Geflügelt, zart und braun, 54 Slavischs Anthologie. War in der Hand des Herren Statt Erde nun zu schaun. Das Vögelein entfaltet Die Schwingen wohlgemut, Und streut aus Höh'n hernieder Der Klangesperlen Flut. Und wie sich's immer höher Zum blauen Aether schwang, Erscholl es ringsum lieblich Von seinem Jubelklang. Da wurden alle Herzen Von süßer Lust geschwellt, Daß nunmehr auch der Pflüger Den Acker froh bestellt. Die Schar der Jünger schaute Entzückt und stumm empor, Und folgt dem zarten Sänger, Der sich im Blau verlor, Mit strahlendhellen Blicken, Gewiegt in süßen Traum, Bis kaum das Lied vernehmbar Verhallt im Himmelsraum. „Nun, Petrus," nahm der Meister Voll Himmelshuld das Wort, „Fortan sei dieses Vöglein Des Landmanns Trosteshort! Bestellt am Lenzesmorgen Er seines Feldes Plan, Erheb' sich sein Gefährte Aus erster Furchenbahn! Der Frone schwere Wolke Wird ihm durch Sang erhellt, Und bringt ihm Wonnekunde Aus blauem Himmelszelt: Daß der auch sein geoenket Als Vater, liebeswarm, Die ganze Welt umfassend Mit seinem heil'gen Arm. Böhmen. 55 Der Furche Kind, das Vöglein Im armen Feldgewand, Sei nun den besten Sängern Des süßen Lieds verwandt. Es soll die Arbeit preisen Zunächst dem Himmelszelt, Weil sie als Äenschencmteil Dem Herren wohlgefällt." Marie Kwaysser. Aus dem „Schmied von Hrsrtin". §«m Ab schieb. Weinet nicht, ihr blauen Aeuglein, Kehr' ja wieder bald zurück! Und wo immer ich auch gehe, Seh' ich euren sanften Blick; Jede Kornblum' wird euch malen, Jedes Sternlein wird euch strahlen, Stärken werdet ihr den Arm, Daß er hastet, Niemals rastet Für die Sternlein süß und warm. Holdes Antlitz, werde heiter, Einst wird auch dein Himmel klar! Und wie weit ich immer gehe, Dein gedenk' ich immerdar; Will dich in der Rose küssen, In der Abendröte grüßen, Stärken wirst du meinen Ann, Daß er hastet, Niemals rastet Für sein Röslein lieb und warm. Händchen weiß, wisch ab die Thrüne, Drücken wirst noch meine Hand! 50 Slavischs Anthologie. Trennen uns auch tausend Ströme, Innig bleibt der Liebe Band: In des Schneees weichem Wehen, In der Blut' werd' ich dich sehen, Stärken wirst du meinen Arm, Daß er hastet, Niemals rastet Für sein Blümlein hold und warm. Ed. Fechtuer. Aus „Im Schatten der Kinde". An die Leimat. Stets bleibe dir das Glück, o Heimat, hold! Aus frischer Blumen Reiz strahl' uns dein Lächeln, Stolz rausche deiner vollen Aehren Gold, Den Obstzweig wiege sanft des Windes Fächeln. Es mögen in der Rebe Lockenhaar Die Trauben glänzen gleich saphirnen Spangen, In frischer Röte leuchten immerdar Der Aepfel und der Kleinen runde Wangen! Fest um die Stange winde sich der Hopfen, Schlank, deinen Töchtern gleich, wenn ihre Herzen In starker Jünglinge Umarmung klopfen — Er lad' im Becher ein zu Lust und Scherzen! Dem Fels die Stirne deiner Söhne gleiche, Des Felsens kühner Tann ihr Mannesmut, Nie fehl' in deinem blühenden Bereiche Der Frauen Reiz noch lautren Silbers Gut. Aus enger Furche strebe auf zur Sonne Der Lerche Jubel stets, und Philomele Flöt' ihren Sang voll Wehmut und voll Wonne, Dem Volk erwärme Dichters Lied die Seele. Böhmen. 57 Hell wie die Sonn' an deines Himmels Schilde, Rein ivie ihr Glanz auf blankem Schneegefildc, So leuchte dir des Wissens hehre Macht, Zu wahren dich vor eis'ger Geistesnacht! Es schütze dich vor deiner Feinde Wut Die Liebe deiner Söhn', ihr Arm, ihr Blut! Dem Enkel mag aus unsrer Geister Mühen, Aus unserm Staube goldne Frucht erblühen! So magst denn, Heimat, fürder du gedeihen Und stolzer Blüte ewig dich erfreuen! Die Schwestern, wenn mit ihrem Schmuck sie prahlen, Magst, wie ein Stern, du alle überstrahlen! Ein stolz Kleinod sei an der Brust der Erde, Als prächt'ge Rose ihr die Locken kränze, Zur Ruhmeskron' auf ihrem Scheitel werde, Als Wonnethrän' auf ihrem Antlitz glänze! J. I. Gregory. Der Jugrndpokal. Der letzte Strahl berührt im irren Spiel Die grauen Locken, die gefurchten Wangen Des Mannes, dessen Blick wie traumbefangen Durchs Fenster in des Abends Schönheit siel. Wie lieblich ist's, die Luft voll Goldesglanz, Der Schwalben Flug, der Mücken schnellen Tanz, Den Hag zu schaun in Blütenschneees Flimmer! Ein lauer Wind umkost das Haupt, ein Schall Von Lachen, Sang der Mädchen überall; Die Seele trinkt des Lenzes Wunderschimmer . . . Da sieht der Mann versunkne Zeit erstehen Und fühlt bei der Erinnrung Zauberschein Des bangen Sehnens Macht sein Herz durchwehen: „Ach, nur zurück! Ach, wieder jung zu sein!" 58 Slavische Anthologie Und immer heißer glühte das Verlangen Im Herzen, mancher Seufzer stieg voll Pein, Daß bittre Thränen an der Wimper hangen: „Zum Paradies! Ach, wieder jung zu sein!" Da kam in Purpurmölkchen auf dem Bogen Des Himmels eine Lichtgestalt gezogen, Die mit den schönen, ätherischen Mienen In seinen Jugendträumen wunderbar Vor seinem Geistesaug' erstanden mar, In Wahrheit aber nie vor ihm erschienen. Nun schwebt sie durch den Stubenraum so hold, Gehüllt in leichten Nebeldunst von Gold, Und reicht ihm einen Hellen Trank, der schäumet In dem Krystallpokal mit Perlenglanz, Und zierlich ist des Bechers Rand umsäumet Von einem frischen, roten Rosenkranz. „„Dein heißes Sehnen sei erfüllt! Dir winkt Der neuen Jugend Becher hier, der Helle. Nimm! Wer verschmachtend diesen Nektar trinkt, Dem fließt aufs neu des Lebensfrühlings Quelle, Dem wird die Seele leicht von Sternenschein, Dem zieht die Wonne in das Herz hinein Wie einst und auch das goldne Vöglein Liebe. Der Blick erglänzt in neuer Jugendglut, Und dunkel wallt des Haares Lockenflut, Das Antlitz hell, daß keine Falte bliebe, Entflieht die Sorge, flieht der trübe Sinn, Und ein Gedicht durchzieht den Geist. — Nimm hin!"" So tönt melodisch wie von fern der Klang Der Stimme; von des Bechers Glanz geblendet, Langt er mit Beben gierig nach dem Trank, Der seinen süßen Duft zu ihm entsendet, Frisch, wie der Morgenhauch im Waldesraum, So lieblich wie der Lenzeslüfte Schwingen, Die Seele wiegend in des Edens Traum. Im Ohre tönt's wie goldner Glocken Klingen.- Doch schnell die Hand er von dem Becher zog, Indes ein Schatten seine Stirn umflog, Böhmen. 59 Und fragte: „Birgt denn dieser Wein des Lebens Den Tropfen des Vergessens auch, den kühlen?" „„Drin suchst den dunklen Tropfen du vergebens, Des Schattens Reich darf Lethe nur bespülen."" „Von böser Last, ob sie den Leib auch quäle, Soll ich befreit sein, jung, wobei die Seele Erinnrung hegt von der Verluste Qual Und neue Trennung sieht von jedem Horte Und ein Phantom im Jugendideal, In der Begeistrung Sprache hohle Worte. Soll ich zum Lebenslenz zurück und, ach, Bewußt mir sein, daß Treu' hier selten waltet Und selbst in bester Freundschaft sich ein flach, Ein scheu Gefühl verbirgt, die Hand erkaltet, Die sonst am wärmsten dich umfing von allen, Wie Herzen sich verändern, Masken fallen Und jäh der Mensch nun einsam steht, Rings von der Selbstsucht Eiseshauch umweht? Soll ich mit jungem Herzen wieder hold Der süßen, zarten Minne Zeit umfangen Und wissen, daß der Jugendliebe Prangen Des Märchenreiches täuschend Flittergold, Was ich als Himmel pries, nur dunkle Erde, Daß Paradiesesmanna Brot nur werde, Daß heil'ge Liebe, die des Jünglings Traum, Thront irgendwo in überird'schem Raum? Was soll der Ehrsucht neuer Flammenbrand, Wenn ich des Ruhmesglanzes Trug erkannt, Nicht dessen wert, daß man mit tausend Qualen Den Lorbeerkranz erkauft, den eitlen, schalen? Soll ich nur in Erinnerung behalten, Wie klein und trügend, was im Heil'genschrein Der junge Geist macht' unendlich gestalten, Wie alles Weltgetriebe nichtig, klein, Wo unterm Banner hoher Ideale Regiert bei schöner, edler Worte Schwall Von Tugend, Wahrheit, Lieb' im Erdenthale, Nur Leidenschaft und elendes Metall? . . . Hinweg Pokal! Ich bin nun schon zufrieden Mit diesem grauen Haar. Des Alters Last 60 Slnvische Anthologie. Ist immer leichter noch, als wem beschieden Die Jugend sonder aller Täuschung Glast, Woraus der Jugend Reiz besteht; zerreißt Dies Goldgespinst die rauhe Hand des Lebens, Die aller ird'schen Dinge Leere weist, Dann rufst den Jugendzauber du vergebens, Vergebens dein verlornes Paradies, Wenn Edens Reiz für immer es verließ. Hinweg, du Truggebild der Phantasie! Hinweg, Pokal der Jugend! Laß dich nie, Du Reizgestalt, auf meiner Schwelle sehen! Ich will dein Alter nun mit Friedensmut, Dem dunklen Wesen still entgegengehen, Das, um zu löschen meiner Lippen Glut, Den Achatbecher neigt, drin Perlen schäumen Von dunklem Wein mit des Vergessens Träumen!" Mari- KwaMr. MroMr VrchUcky. Stille Kirbe. Niemals wird ein Wort verraten, Was mir schläft nm Herzensgrund, Sagt ja doch mein Auge alles In des Glückes stiller Stund'. Muscheln, die die wilde Woge Wirft ans Ufer — die sind leer. Echte Perlen ruhn am Grunde So im Herzen, so im Meer. Eduard Albert. Böhmen. 61 Die Landschaft. Auf leeren Feldern lange, lange Reih'n von Bäumen, Die Aeste hängen tief, sind blätterlos. Und auf den Dächerrt sitzen Rabenscharen, träumen, Und ihrer Flügel Schatten sind so groß. Am Horizonte flammte auf ein goldner Streifen Und schwand sehr bald — mar wie Orangengold. Der Kleidessaum des Engels, der den Tag ergreifen, Den sinkenden zum Himmel tragen wollt'! Eduard Albert. An den Klwndstern. Stern der Liebe! Menschen nennen dich so allemal, Flicht ein feines Netz aus Silber, das in deinem Strahl. Daß ich, wenn sie aus dem Fenster blickt, vor Sehnsucht krank, Ihre Seele alsogleich, wie einen Falter, fang'. Eduard Albert. Notturno. Laß nur die Welt jetzt schlafen, nimm in deinen Traum Den letzten Triller, der im Busch erscholl, Als dort das Vöglein sang. Und dieser Ton, er klinge, läute, wie des Silbers Klang, Die ganze lange Nacht, bis jung der Tag erwacht und liedervoll. Laß auch die Sonne schlafen, nimm in deinen Traum Den letzten Strahl, der dem Azur entquoll, Als sie versinken sollt'. Und dieser Strahl verscheuche Schatten, sei der Träume Gold Die ganze lange Nacht, bis jung der Tag erwacht und farbenvoll. 62 Slavische Anthologie. Laß auch die Liebe schlafen, nimm in deinen Traum Noch meinen letzten heißen Kuß, der soll Durchbeben deinen Traum Die ganze lange Nacht, bis jung der Tag erwacht und .glutenvoll, Dann kommen viele Küsse wieder und du zählst sie kaum. Eduard Albert. Der Sestinendichter. Der Sestinendichter schleifet Edelsteine, Läßt in ihre scharfen Kanten Lichtesstrahlen Fallen, die sich brechend zaubern einer Iris Glanz auf seine rollende Gedankenwelle. Sechsmal dreht er fleißig seinen Stein in Händen Und verbindet alle Kanten dann im Einklang. Der Sestinendichter stimmt in reinen Einklang Eine goldne Zimbel voller Edelsteine, Prüft der Rhythmen Glöckchen emsig in den Händen, Lockt aus ihnen Klänge, für die Seele Strahlen; In sechs Bündel flicht er Welle jetzt auf Welle Und zerstäubt sie dann in reicher Töne Iris. Der Sestinendichter malet eine Iris, Mischt verschiedne Farben, bringt sie dann in Einklang, Fängt der Wiesen Grün, das Blau der Stromeswelle, Von den Bergen Purpur, lauter Edelsteine, Häuft die Schatten günstig für des Lichtes Strahlen, Trägt im Pinsel sechs der Farben stets in Händen. Der Sestinendichter hält ein Netz in Händen Für den Fang der Falter, welche eine Iris Auf den Flügeln zeigen in den Sonnenstrahlen; Wühlet dort, wo aller zarten Farben Einklang Wie im Blütenstaub, im Glanz der Edelsteine, Eh sein Netz er taucht zur Poesienwelle. Der Sestinendichter fischet aus der Welle Dieses Lebens Perlen, die in ihren Händen Böhmen. 63 Schlummern wie der Strahlenglanz der Edelsteine, Wie das Gold, das wunderbare Spiel der Iris; Und so locket ihn ihr Licht, ihr Farbeneinklang, Daß er tief ins Dunkel taucht um ihre Strahlen. Der Sestinendichter blickt in goldne Strahlen Träumerisch, entzückt in Wald und Feld und Welle, Sucht im weiten Weltennll geheimen Einklang, Schaut so fromm zur Grille hin in seinen Händen, Gleichwie auf des Pfauenrades stolze Iris, Und die Welt ist ihm ein Berg voll Edelsteine. Worte bergen Strahlen wie die Edelsteine, In der Rhythmen Welle schaukelt sich die Iris, In der Dichtung Händen liegt ein hehrer Einklang. Marie Kwaylser. Von den „Serenaden". 1. Die Vögel schlafen stille in den Aesten. Wir warten, bis der Mond dem Wald entstiegen, Bis es dort ausgeblutet hat im Westen, Bis aus dem Heiderich die Falter fliegen. O welche Trauer auf der ganzen Gegend, Die Erde atmet kaum, zu müd' zur Klage. Was nun? — Dein Haupt zu meinem Herzen legend, Ist es nicht alles Glück, das ich nun trage? Eduard Albert. 2. Trauer, die aus Nachtviolen Sich in meine Seele schleicht, Einem irren Leuchtwurm gleichend, Der in Sommernächten streicht, Leuchte auf in meines Herzens Haus Wie ein Lied von Sehnsucht und Genuß. Lösche dann — in ihrem Kuß — Lösche aus! Eduard Albert. 64 Slavische Anthologie. Das Kird — ein Friedhof. Nachtigall, die Hafis singen hörte in den Bäumen, Wo singst du nun? Rose, über deren Anblick Dante saß in Träumen, Wo blühst du nun? Holder Stern, zu dessen Flammenlicht einst Tasso seufzend Seine Klagen sandte aus des Kerkers düstern Räumen, Wo scheinst du nun? Sapphos Herz, daraus wie auf der Leier Eros spielte, Feingewebt aus Flammenfasern, Wein- und Blütenkeimen, Wo pochst du nun? Neidenswerte Welle, die zu Füßen Heros spielte Und Leanders Leichnam laut umtost' in wildem Schäumen, Wo schäumst du nun?- Trauernd aber legt der Mensch zur Ruh' die toten Götter In dem großen Friedhof hin: im Lied, im Sang, in Reimen — Dort weint er nun! . . . Bronislaw Wellek. Gin Morgen. Der Sommermorgen warf auf goldne Aehren Und auf smaragdne Wiesen seine Glut, Mit Perlen will er jedes Nest bescheren, Das Vogellied mit reicher Klängeflut. Der Baum bewegt sein Haupt, wo Früchte schwellen, Ein einzig Lächeln ist der Himmel nur, Des Wassers Schoß zerfurchen die Libellen, Der Falter wiegt sich auf erblühter Flur. Gleichwie die badentstiegne Maid die Haare, So schlägt das Land zurück den Nebelflor. Die Brücke spannt sich durch die Luft, die klare, Wie Regenbogen ob dem Bach empor. Sieh dort die Mäher mit der Sense gehen. Der Hirte treibt die Herde mit Gesang. Barfüßig geht das Mädchen, Gras zu mähen, Und Perlen streift sie ab auf ihrem Gang. Böhmen. 65 In diese Schönheit, dieses Aehrenwallen, In dieses Farbenransches Glanz und Pracht Fällt dumpfes Rollen ein, der Trommeln Schallen/ Ins Feld zur Uebung zieht die Truppenmacht. Ein Lied soeben, bebt die Erde leise. Der Falter, Vogel sinkt in Gras und Strauch: Es donnert dröhnend der Geschütze Weise, Die klare Himmelsluft trübt Dampf und Rauch. Ich kehrte heim; es quoll mir im Gemüte Von Bitterkeit; denn hier, wo alles voll Von Himmelsblau, von Friede, Lächeln, Blüte — Hier lernen Menschen — wie man töten soll. Marie Kwaysjer. Air den Mond. Du lichte Blüte aus des Dunkels Schacht, Gib, daß ein Strahl sich meiner Brust vermähle, Hör meinen Sterbegrusz, Cäsar der Nacht, Pokal des Friedens, neig dich meiner Seele! Leucht, bleicher Mond, in schlafumfangne Hütten, Mit Feenhand rühr an die Stirn den Kindern, Geh, Silber auf der Armen Bett zu schütten Und jenen, die da krank, den Schmerz zu lindern. Wer in Verzweiflung sitzt auf seinem Lager, Weil stumm die Sphinx auf seiner Fragen Dringen, Mit deinem Licht erhelle du den Frager, Daß Ruhe ihn umweh' mit holden Schwingen! Du lichte Blüte aus des Dunkels Schacht, Gib, daß ein Strahl sich meiner Brust vermähle, Hör meinen Sterbegruß, Cäsar der Nacht, Pokal des Friedens, neig dich meiner Seele! Legt einer wo sich auf die Schienen nieder, Laß deinen Strahl die Seele ihm umschweben, Slavische Anthologie. 5 66 Slavische Anthologie. Und aus der Schlucht des Unheils reich ihm wieder Den Ariadnefaden in das Leben; ° Späht nach dem Opfer in des Waldes Schweigen Ein Sohn der Not, spiel auf der blanken Waffe, Daß ihm die Jugend wieder auf mag steigen Und neu die Lieb' in seinem Herzen schaffe! Du lichte Blüte aus des Dunkels Schacht, Gib, daß ein Strahl sich meiner Brust vermähle, Hör meinen Sterbegruß, Cäsar der Nacht, Pokal des Friedens, neig dich meiner Seele! Und gibt ein hungernd Mädchen preis die Tugend, Dann leuchte auf die Schönheit ihres Leibes, Führ ihr zurück die Träume ihrer Jugend, Zeig ihr den Stolz der Mutter und des Weibes; Schaut auf zu dir ein Dichter, der im Geize Nach Ehre fleht, nur Schönheit mög' sein Los sein, Sag ihm: Es hat auch meine Erde Reize, Und besser ist's im Leben gut, als groß zu sein! Du lichte Blüte aus des Dunkels Schacht, Gib, daß ein Strahl sich meiner Brust vermähle, Hör meinen Sterbegruß, Cäsar der Nacht, Pokal des Friedens, neig dich meiner Seele! Wo Liebende sich aneinander schmiegen, Die Lippe, was das Her^ ersehnt, gefunden, Wo auf zum Paradies die Thore fliegen Und vom Entzücken jeder Laut gebunden, Wo sein Idol der Künstler ganz umfangen Und Leben fühlt Pygmalion im Blocke — Da birg du deines Lilienlichtes Prangen Mild unter des Gewölkes dunkler Glocke! Du lichte Blüte aus des Dunkels Schacht, Gib, daß ein Strahl sich meiner Brust vermähle, Hör meinen Sterbegruß, Cäsar der Nacht, Pokal des Friedens, neig dich meiner Seele! Friedrich Adler. Böhmen. 67 Das offene Fenster. Ich öffne nach Gewitternächten gerne Das Fenster, lasse ein die kühle Luft, Die Frische und den Glanz, und aus der Ferne Dringt reges Leben ein und Blütenduft. Ich atme gierig ein den Hauch, den frischen, Und falte meine Hände zum Gebet. Mit meines Herzens Echo will sich mischen Das Treiben draus;', das Meine Stirn umweht. Ich fühle es und freu' mich immer wieder, Daß ich — des Weltgewühles selbst ein Teil — Sein Echo kleiden darf in meine Lieder, Mit ihm verschmelzen in Nirvanas Heil. Ich denke nach, wie's mir einst wird ergehen: Das Fenster öffnet jemand weinend leis', Die frische Morgenluft wird strömend wehen An meine Schläfe, die so kalt wie Eis. Doch keine Furcht! — Es wölbet sich mein Zimmer Zum Dom des Kosmos; meine Brust wird weit: Der Tod ist nur das offne Fenster immer Zum wahren Leben, hin zur Ewigkeit. Bronislaw Wellck. Aus „Aus dem Karnrvat des Krbens". In den Schatten jener Palmen, Die wir nennen Poesie, Setz dich, Liebster, und erzähl, wie Ins Gedicht eindrang der Reim. Im Beginne, meine Liebe, War das ganze Weltall eine Große und großart'ge Dichtung, Aber freilich ohne Reime. 68 Slavische Anthologie. Sieh! da rauscht' durchs Wort des Schöpfers In das Chaos ew'ge Liebe Und in Sehnsucht wild entflammte Gleich der Osten nach dem Westen, Und in einem Augenblicke, Zusallgleich, erschien in beiden Eine purpurfarbne Röte. Dann ein Heller Stern der Höhe In trostloser Lieb' erglühte Zu der Perle, die in stiller Muschel lag am Meeresgründe. Als der Stern herniederneigte Sehnsuchtsvoll sein Antlitz, sah er In den dunklen Meereswellen Leuchten einen zweiten Stern. Sieh! Schon damals flammten unsre Seelen liebevoll zusammen, Suchten sich in Erdenblüten, Meeresperlen, Himmelssternen, Bis in dieser Menschgestalt sie Sich nach tausend Jahren fanden. Da entflammt' im Nu auf unfern Wangen Glanz der Morgenröte Und im Nu wie Sterne flammten Unsre Augen, — doch die Lippen Suchten — fanden sich, — o hörst du Diesen Ton? Das ist der Reim! O, so küsse, küß nur weiter, Finde schnell den zweiten Reim, — Und im Schatten jener Palmen, Die wir nennen Poesie, Wollen wir zusammen dichten Vollgereimt vielleicht Sonette Oder eintön'ge Ghaselen, Oder lieber süßatmende Und unendliche Terzinen! . . . Edmund Grlln. Voten. Mikata; Ke; van Aagtonme. Die Tugend. Ein wundervolles Kleinod ist die Tugend, Ziert reich und arm, das Alter wie die Jugend: Die Tugend schimmert schöner denn Smaragd, Nicht auf dem Markte treibt man mit ihr Handel, Und ob der Zahn der Zeit an allem nagt, Die Heilige erleidet keinen Wandel. Sie ist des Ehrenmannes starker Arm, Bewacht den Ruhnr und wehrt dem bittern Harm, Die Mächtigste der Mächtigen auf Erden Läßt ihr Gefolge hoch gefeiert werden. Heinrich Mschmnnn. Jan KochanonÄü. Elegien auf den Tod der Tochter. 1. O traute Ursula, wo weilest du, Nach welchem Lande hast du dich begeben? Trug dich dein Flug des Himmels Fernen zu, Um in der kleinen Engel Schar zu leben? 72 Slavische Anthologie. Ward dir im Paradiese deine Stelle, Empfing ein glücklich Eiland deinen Geist? Bot Charon dir den Trank der Lethequelle, Daß du nicht weißt, was mir das Herz zerreißt? Ward, von der menschlichen Gestalt befreit, Dir einer Nachtigall geflügelt Kleid? Mußt du im reinen Feuer dort genesen, Weil dich das kurze Erdensein befleckt? Nahm dich der.Tod dahin, wo du gewesen, Bevor du hier zu meinem Gram erweckt? Wo du auch weilest, hab' mit mir Erbarmen-, Und darfst du nicht wie sonst dem Vater nahn, So tröste, wie du es vermagst, den Armen Als Geist, als Schatten, in des Traumes Wahn! 2. Du, Slaviens Sappho, Bardin lieb und klein, Nicht solltest du nur meines Erdengutes, Nein, auch des Dichterrechtes Erbin sein: Ich hoffte ja darauf so festen Mutes, Wenn früh und spät, fast ohne eignes Wollen, Aus deinem Mündchen kleine Lieder quollen. So singt ini grünen Busche Philomele Die ganze Nacht aus frischer, froher Kehle. Ach, allzufrüh verstummt, gingst du dahin, Verscheucht vom Tode, traute Plauderin! Ich konnte nie genug der Liedlein hören, Run kosten mich die wen'gen reiche Zähren. Nicht schwieg im Sterben selbst dein Liedermund, Die Mutter küssend that er scheidend kund: „Dein Kind, o Mutter, dient dir jetzt nicht mehr, Mein Platz an deinem Tische bleibt nun leer, Ich werde nie des Hauses Schlüssel tragen, Ihr Lieben, ewig muß ich euch entsagen!" Das, und noch mehr >— was ich im tiefen Leiden Vergessen habe — sagtest du beim Scheiden. Heinrich Nitschrnann. Pole!«. 73 Die Kinde. Hier ruhe du, mein Gast, beschirmt von meinen Zweigen, Vertraue meinem Wort: kein Strahl dringt je hieher, Und mag die Sonne noch so hoch um Mittag steigen, Die Schatten unter mir besiegt sie nimmermehr. Vom Felde wehen hier beständig kühle Lüfte, Und lieblich klagt des Stars, der Nachtigall Gesang; Aus meinen! Blütenmeer voll süßer Wonnedüfte Quillt durch der Biene Fleiß der Met zum Herrentrank. In meinen Blättern rauscht und flüstert es gelinde Und wiegt den Menschen leicht in sanften Schlummer ein; Kein Apfel prangt an mir, doch hält mein Herr die Linde Dem reichsten Stamme gleich im Hesperidenhain. KilMlir; Ar-MMM. Arbeit. Zwei Himmelsboten Tag und Nacht Uns zu beglücken sind bedacht. Doch wie verschieden beut uns dar Sein Füllhorn dieses Schwesternpaar: Die eine zahlt als kargen Sold Für grause Schrecken — Ruhm und Gold, Für heißes Sehnen — kalten Tand, Als Fee Fortuna wohlbekannt. Still waltet, schlicht und einfach nur Die andre rings in Haus und Flur; Mischt sie sich je zu Spiel und Tanz, Die Stirn nur schmückt der — Erntekranz. Doch aus dem Segensschoß erblüht Gesundheit ihr und Frohgemüt — 74 Slamsche Anthologie. Kaum mit der Schwester je gepaart, Zur Fee, wie sie, die — Arbeit ward. -O, flüchtet all in ihren Schoß, Ihr, die ihr zogt kein glänzend Los: Fortunas Schlüssel sie entreißt Und sorgt für euch an Leib und Geist! Seid noch so elend, arm und krank, Sie labt euch mit dem Nektartrank: Sie stärkt die Glieder euch zum Lohn Und streut euch auf die Kissen — Mohn! Wie eine Mutter, ties gerührt, Zum Freiersmann die Tochter führt, Den einst verschämt sie nicht erhört, Dem Treu' am Altar heut sie schwört — So führt die Arbeit, harrst du aus, Dir selbst die — Freiheit in das Har^S: Die längst sich von dir abgewandt, Empfängst du nun aus Mutterhand. Den Götzen huldigt nicht der Zeit, Wer seinen Arm der Arbeit weiht: Die Freiheit schafft an jedem Ort Ihm goldne Tage fort und fort. Ob er auch Sklavenarbeit thut, Sie gibt ihm Trost und frischen Mut — Mit Wahrheit ungestraft verkehrt, Wer sich die Schwingen nicht — versehrt! Drum wem der Arm noch nicht erschlafft, Den Götzen trotz' in Jugendkraft. Wo er auf ihre Tempel sieht, Der Freiheit sing' er nur sein Lied! Wohin ihn führen mag das Los, Allwärts ihm winkt der — Mutter Schoß — Die Arbeit ist sein Talisman, Sein Fels, darauf er bauen kann! Albcr« Wkitz. Polen. 75 Frühling. Weiß m Blüten steht der Garten, Emsig füllt nach langem Warten Von den Saaten, aus dem Haine Schon die Biene ihre Schreine. Ledig seiner Sklavenketten Eilt der Bach aus Winters Stätten, Sich mit Blumen zu umringen Und die Wiesen zu verjüngen. Rühret euch, bestäubte Saiten, Mich zum Walde zu begleiten! Neuer Frühling kehrte wieder, Mit dem Frühling neue Lieder. Wanda, komm aus deiner Hütte — Blume! — in der Blumen Mitte; Meine reichsten Lenzesweisen Tönen nur, um dich zu preisen! Heinrich Milchmann. Aäam Micki enmz. Aus der Kauer. Von des Gartens Balkon her Nach dem Schloß eilt voll Hohn der Wojewode mit Wettern und Fluchen; Tritt zum eh'lichen Bette — Aber leer ist die Stätte Der Genossin — umsonst ist sein Suchen. 76 Slawische Anthologie. Senkt den Blick er zur Erde; Mit des Zornes Gebärde Seinen Bart er sich dreht, den ergrauten; Dann den Aermel von Seide Sich abstreift er vom Kleide, Und laßt rufen Raum, den Vertrauten: „Kosak! Nacht ist's zur Stunde, Und nicht Wächter noch Hunde Sind im Garten am Thor mir auf Wache: Nimm die Dachstasch'; dir hole Die Heiduckenpistole, Die gezogene Büchs mir vom Fache!" So, bewehrt sondergleichen, Sie zum Garten sich schleichen, Zum Spalier an des Altans Geländer; Dort im dämmernden Scheine, Sitzt ein Weib aus dem Raine, Hell ihr schimmern die Linnengewänder. Sie verhüllt mit der Rechten Sich die Aeuglein, die Flechten, Und den Flor, der den Busen umschmieget; Mit der Linken, ohn' Ende Von sich abwehrt die Hände Sie des Manns, der zu Füßen ihr lieget. Er umschlingt ihre Füße, Lispelt leis: „O, du Süße! Hab' ich alles denn, alles verloren? Hat dein zärtliches Drücken, Deinen Schmerz, dein Entzücken Selbst der Herr Wojewod' sich erkoren? Dich nur lieb' ich seit Jahren — Von dir fern, trotz Gefahren, Dich nur lieb' ich — vertraure mein Leben Liebt er nicht dich, du Holde, Er nur klirrt mit dem Golde — Und du willst dich ihm ewig ergeben? Polen. 77 Dieser Greis soll am Abend, Sich am Schmanenbett labend, Auf den Schoß nut dem Haupte dir sinken? Soll von Lippen und Wangen, Die erglüh» vor Verlangen, Mir verbotene Wonnen dir trinken? Der auf treulichem Rosse, Ich bei Mondlicht zum Schlosse Hergesprengt bin trotz Wetter und Tosen — Soll mit Seufzern und Grüßen Ich dir wünschen, der Süßen, Gute Nacht! nur, und — glückliches Kosen?" — Aber nimmer schon hört sie, Wie er leise beschwört sie, Immer neu, daß sie sein sich erbarme; Als die Kraft ihr entschwunden, Ihre Hand überwunden, Sinkt ermattet sie — ihm in die Arme. Aus die Kniee sich strecken In des Dickichts Verstecken Wojewod' und Kosak; die Patrone Aus dein Paß ziehen hervor sie, Beißen ab, um ins Rohr sie Mit dem Ladstock zu stoßen voll Hohne. Flüstert „Herr!" der Košake, „Ob der Teufel mich packe — Aus die Kleine kann nimmer ich schießen: Als den Hahn just ich spannte, Mich der Schreck übermannte, Auf die Pfanne sah Thränen ich fließen!" — — „Still! Du Schuft von Heiducken! Soll ich lehren dich mucken? Nimm aus Lissa dies Pulver, das reine . . . So! Abtrockne die Pfanne, Füll das Zündloch und spanne — Denn ihr Haupt gilt es, oder — das deine!" 78 Slavische Anthologie. „So! ... Rechts! ... höher! ... halt! ... Still noch! Laß mich schießen ... Ich will doch Ihren Buhlen selbst weihen dem Tode!" — Halt! — Zu spät! Nur ein Knacken . . . Und vom Schuß des Kosaken Sinkt, durchbohrt, hin der — Herr Wojewode! Albert Weiß. Die Deimkehr des Unters. Geht, Kinder, alle an die Säule treten Wollt vor der Stadt auf dem Raine, Auf euern Knieen unterm Kreuze beten, Gläubigen Sinns im Vereine. „Nicht kommt Liebvater, ob ich treu in Zähren Tag und Nacht harre mit Schrecken, Austraten Ströme, Wölf' im Wald und Bären, Räuber ihm dröhn an den Ecken!" Die Kinder alle an die Säule treten Drauß' vor der Stadt auf dem Raine, Auf ihren Knieen unterm Kreuz sie beten, Gläubigen Sinns im Vereine. Den Staub sie küssen: „Sei gebenedeiet, Vater und Geist samt dem Sohne! Dreieinigkeit, dein Name sei geweihet —> Ewig auf heiligem Throne!" Manch Ave, Credo, Paternoster sendet Aufwärts die Schar auf den Knieen, Als Rosenkranz und Zehngebot beendet, Büchlein hervor alle ziehen. Und Litaneien ihr, der ewig Reinen, Bruder, der ältere, singet: „Schütz unfern Vater!" stimmen ein die Kleinen, „Du, die da Hilfe nur bringet!" Polen. 79 Da rasselt's fernher, wie von nahnden Wagen, Kaum, daß den Klang sie vernommen, Die Kinder schreien im Entgegenjagen: „Vater, lieb Vater wird kommen!" Der Kaufmann sieht sie, freudetrunken naht er, Fliegt fast vom Wagen hernieder; „Ha! Sehntet ihr euch auch nach eurem Vater? Sehn wir auch alle uns wieder?" „Sind Mutter, Tante wohl? Im Haus sie alle? Mitbring' im Korb ich Rosinen!" — Bald der, bald jener ruft mit Jubelschalle, Freude verklärt ihre Mienen. „Fahrt ihr nur vorwärts!" heißt er den Genossen, „Ich geh' zur Stadt mit den Kleinen!" — Er geht, da — ist von Räubern er umschlossen: Zwölf ihn umringen, den einen, Mit langen Bärten, Blicken, wild verschmitzten, Blutig-besudelten Kitteln; — Im Gürtel Dolche, blanke Säbel blitzten, — Fäuste sie schwangen mit Knütteln. Die Kinder schreien, die der Vater bebend Birgt unterm Mantel in Falten: Bleich mit den Dienern er, die Hand erhebend, Fleht zu den wilden Gestalten: „Die Wagen nehmt, und was wir auf dem Leibe Und nur laßt froh uns vereinen, Den Gatten raubet nicht so jungem Weibe, Macht nicht zu Waisen die Kleinen!" Richt hört der Schwarm sie. Einer spannt vom Wagen Schon und entführt die Pferde; „Geld!" rufen andre. Mit dem Säbel schlagen Dritte die Diener zur Erde. Da, „Halt!" ertönt es von des Führers Munde, Stob auseinander die Bande, 80 Slamsche Anthologie. Vater und Kinder sind befreit zur Stunde: „Furchtlos zieht weiter im Lande!" Ihm dankt der Kaufmann. — „Dank will ich nicht haben, Doch laß vom Räuber dir sagen, Wär' das Gebet nicht deiner frommen Knaben, Ich hätt' aufs Haupt dich geschlagen. Nur durch die Kinder du dem Tod entgingest, Sie nur das Leben dir schenken: Bevor noch ihnen deinen Dank du bringest, Hör mich und woll' es bedenken: Ich und die Meinen hatten kaum vernommen, Daß vor der Stadt hier am Raine Ein Kaufmann werde heut vorüberkommen, Lauerten wir dort im Haine. Da seh' die Hände ich zu ihrem Gotte Kinder im Dickicht erheben — Ich hör' es — anfangs lach' ich auf und spotte, Mitleid dann macht mich erbeben. Ich hör's — die Keule mir entsinkt — mir eilet Heimwärts der Geist, denn ich habe Daheim ein Weibchen, und daheim mir weilet Lieblich, wie dieser, ein Knabe. Mich ruft's zum Walde. Kinder, wollet treten Oft vor der Stadt auf dem Raine Zur Säule, knien, für meine Seele beten, Beten für mich im Vereine!" Albert Weitz. Polen. 81 Dor Wnegat. Welt, was in Iran jüngst sich begeben, Hör es, mein Lied soll beginnen: Auf seines Harems Kaschmir-Geweben Ernst sitzt der Pascha in Sinnen. Griechin, Tscherkessin singen ihm Lieder — Aeuglein mit Saphirgefunkel — Eine Kirgisin tanzt auf und nieder — Aeuglein, wie Eblis so dunkel. Pascha den Turban über die Augen Schob sich; nichts hört er, noch sieht er, Scheint wie im Traunr nur am Tschibuk zu saugen: Wolken draus, duftende, zieht er. Da vor dem Glücksthor lärmt es, und schweigend Oeffnen die Hüter die Pforte: Einführt die neue Sklavin, sich neigend Ruft Kislar-Aga die Worte: „Herr, du, des Glanz kein Stern hier zu Lande Je wird im Diwan erreichen, Wie die Demanten im Sternengewande Vor Aldeboran erbleichen, Stern du des Diwan, zu mir heut dich wende, Botschaft verkünd' ich dir, gute: Lehistans Wind, dein Diener, mit Spende Naht dir, mit neuem Tribute. Nimmer solch Blümlein im Garten der Wonne Stambuls Sultanen erblühte: Stammt's aus dem Lande doch nordischer Sonne, Dem all dein Sehnen erglühte!" Da fällt der Schleier, der sie umfangen, Alles klatscht Beifall und Dank ihm; Pascha, nur einmal schaut' ihre Wangen — Schläft er? . . . Der Tschibuk entsank ihm! 82 Slavische Anthologie. Sinkt auch der Turban, er selbst sinkt zur Seite . . . Sklaven, zu wecken ihn, nahten' Blau sind die Lippen, leblos ins Weite Starrt der Blick des — Renegaten! Albert Weiß. An den Meinen. Riemen, mein Heimatstrom! Wo sind die Wellen, Die einst das Kind genetzt, wenn's Blumen pflückte, In die der Jüngling dann, der Glutberückte, Getaucht an wild einsamen Waldesstellen? Wo ist die Zeit, da Laura zum Gesellen Den eignen Schatten wählte, bunt sich schmückte, Wo ich ihr Bild, wenn's mich im Strom entzückte, Mit Thränen trübte tief aus Herzensquellen? Riemen, mein Heimatstrom! Wo sind die Wogen? Mit ihnen so viel Glück und sel'ges Wähnen? Wohin ist meiner Kindheit Lust entflogen? Wohin des Jünglings sturmbewegtes Sehnen? Wo ist die Lieb', die Freundschaft hingezogen? Wenn alles schwand, was blieben denn die Thränen? Peter Cornelius. Aus „Sonette aus der Krim". Das Ärab der Votocka. Im Frühlingsland, im Paradiesesglück Verwelktest du, o Rose; von den Stunden, In denen du des Falters Lust empfunden, Blieb der Erinnrung Larve nur zurück. Polen. 83 Im Nord, nach Polen strahlt der Sterne Blick Der Heimat zu, an die mein Herz gebunden; Dein Auge, dessen Blitze nicht entschwunden, Glänzt dort vielleicht als Gottes Meisterstück. O Polin! Einsam muß auch ich einst enden, Mag eines Freundes Hand mir Erde streun! Oft nahen Fremdlinge am Pilgerstabe; Wenn ihre Lippen Polens Laut entsenden, Ein Sänger kommt, um dir sein Lied zu weihn: Dann gilt dies Lied vielleicht auch meinem Grabe. Heinrich Nitschmann. Julius SimracKi. Aus „Johann Hirlrrl'.i". Die Dorfkirche. Ein Kirchlein war's, von Lärchenholz gezimmert, Hinfällig schon, von Pfeilern unterstützt, Des Daches Blech im Schein der Sonne blitzt, Ihr Lichtstrahl, durch die Fenster zitternd, schimmert In schöner, mannigfacher Farbenhelle. Drei Birken ragen weinend dran empor, Aus ihren Wipfeln blickt ein Kreuz hervor, Ein Bettler murmelt betend vor der Schwelle, Die Blumen auf dem Friedhof rings verleihen Der Liebe Schmuck des Dorfes Gräberreihen. Der Kirchenglocke Ton hallt weit hinaus, Und fernher eilt das Volk von Hof und Haus, Der Tag der Feier ist's, der gottgeweihte, Die Pflugschar ruht, es ruhn die Felder heute, 84 Slavischs Anthologie. Mit Blumen kränzten Mädchen den Altar, Der Jugend Stimmen führten die Gesänge, Der Pfarrer kam, gebeugt von manchem Jahr, Alsbald verstummte der Gesang der Menge, Um auf des Priesters Rede jetzt zu lauschen, Zu der am Fenster sanft die Birken rauschen. Nur matt noch ächzt des Glockenschlags Getön, Ein Greis gibt Antwort aus des Pfarrers Worte, Die Vögel zirpen, von des Turmes Höhn Entweicht die Schwalbe zum Gesims der Pforte. Zwei Wandrer traten in die Kirche ein, Der eine warf sich küssend auf den Stein, Der andre beugte seine Stirne nicht/ Man konnte, wenn der Mantel aufschlug, sehen, Daß reich sein Kleid, doch traurig sein Gesicht. Sie wagten nicht ins Jnnre vorzugehen Und blieben demutvoll am Eingang stehen. Der Pfarrer schloß das reiche Meßbuch nun, Dem Volke Gottes Worte kund zu thun. „O Brüder! Kinder, daß ich das erlebte, Daß ich, des Haupt gebleicht an diesem Ort, Daß ich, der stets nur Schmerz zu lindern strebte, Heut Schmerz bereiten muß durch Gottes Wort; Auf jener Bank, die heute leer ist, hat Der Herr des Dorfs, Bielecki, sonst gesessen, Sein Vaterland verriet er pflichtvergessen; Der Primas trug mir auf, an seiner Statt Den Bannfluch auszusprechen über ihn. Doch laßt zuvor noch im Gebet uns einen . . . Und jetzt vernehmt denn: ich verfluche ihn!" — - Der Priester wankt, die alten Augen weinen, Man hört ihn kaum ein leises Amen sagen, Ein Amen, daß ihm Herz und Stimme bricht. Und jetzt erhebt ein Weinen sich und Klagen, Wie bei dem Auferstehn zum Weltgericht. Doch ehe noch das Schluchzen, das dem Worte Des Banns gefolgt, den Weg zum Himmel fand, Entstand Verwirrung an der Kirchenpforte. Der Pilger einer, der am Eingang stand, Polen. 85 Sank tieferschüttert, regungslos zur Erde, Der andre kniete bleich auf dem Gestein Und hüllte ihm mit sorglicher Gebärde Das Antlitz in des Mantels Falten ein. Der Pfarrer eilte, Hilfe ihm zu leihn, Zum Friedhof wird der Pilger hingetragen, Sie lehnen ihn an einen Leichenstein, Um den des Gottesackers Blumen ragen. In Schattens Frische ruht er unter Bäumen, Des Schattens, der des Grabes Blüten deckt, Vielleicht, das; ihn des Windes Kühlung weckt! Mit Hilfe naht der Pfarrer ohne Säumen, Er schaut und bebt . . . denn wie des Blitzes Strahl Trifft ihn das Bild, das Antlitz bleich und fahl: „Verfluchter!" rief er . . . „Kinder kommt von hinnen." Und schnell verließ der Menschenschwarm den Ort, Mit der Gemeinde geht der Hirte fort; Am Thorweg blieb er stehn mit ernstem Sinnen Und sprach mit Würde: „Gott ist unser Hort, Sein Mitleid reichlicher denn alles Gut, Als Sand am Meer und tiefer als die Flut." So schlief der Wandrer auf dem Grabespfühl; Und nieder glitt des andern schwarzes Kleid, — Man sah sein Antlitz . . . Himmel! eine Maid! Ach — Anna war es! Schwand ihr das Gefühl? Die trockne Wimper zeigte keine Regung, Den Marmorzügen fehlte die Bewegung; Die Lippe schwieg, doch ihre Augen glühten, Sie trug noch auf der Stirn verwelkte Blüten, Im Haare schimmerten Korallenbänder, Und von Brillanten strahlten die Gewänder. „Geliebter! Du, mein Alles, was ich habe!" So sprach sie jetzt, „wir. sind nun ganz allein, Sieh, wo du schlummerst auf dem kalten Grabe, Da gehn die Toten auch zur Ruhe ein. Du schweigst? O sprich, und sei es unter Thränen." Da plötzlich schrie sie auf in wilden Tönen, — Und dann begann sie Blumen ihm zu streun. „Hier außen, Teurer, ist für dich kein Bette, Ich will dich bergen an geweihter Stätte." 86 Slamsche Anthologie. Sie sprach's und riß ein Kreuz heraus, bedacht, Ein Grab damit zu graben für den Gatten, Doch fühlte sie die Kräfte bald ermatten, Und still und traurig nahte jetzt die Nacht, Im Westen schwand der Sonne goldne Pracht, Die Birken warfen riesengroße Schatten, Erquickung hauchte rings der Blütenduft, Die Gräser rauschten in bewegter Luft, Und mehr und mehr zerfloß der Farben Fülle, Der Mond durchdrang der Birken Blätterhülle Mit einem Gruß, den Gräbern dargebracht, Dann barg er unter Wolken sein Gefunkel, Und Hügel, Kirche deckte tiefes Dunkel. Und Anna, einsam in der finstern Nacht, Pocht an die Kirchenthür verschiedne Male, Ob ihr dort Hilfe wird von Gottes Macht; Und wieder glänzt der Mond, in seinem Strahle Erscheint wie zarter Nebel die Gestalt; Sie schlägt das Thor mit immer mattern Händen, Das Echo, das zurück vom Friedhof schallt, Wird schwächer jetzt, kaum hörbar, um dann bald Mit der erschöpften Kraft der Maid zu enden, Wie ein Gebet, wie ferner Sang verhallt. Die Jungfrau schlief auf harter Schwelle ein, — Es wird vielleicht ein Schlaf aus ewig sein. Heinrich Nitschmann. Zygmunt KrnjmM. Abschied. Kaunr lernt' ich kennen dich — und muß schon scheiden, — Ein Abschied, als ob ewig Hand in Hand Mit dir ich teilte Seelenglück und Leiden, Und zöge jetzt in ein entferntes Land, Um dich, Geliebte, nimmermehr zu sehen, Es sei denn einst verklärt in Himmels Höhen. Polen. 87 Ach! bliebest du doch lebensfrisch zurück, Nicht giftgeopfert, nicht betäubt von Kummer, Wie Julia einst lag in Grabesschlummer, O dürft' ich träumen doch von deinem Glück: Daß du das schwarze Augenpaar nut Freuden Nur einmal darfst an diesen Fluren weiden, Leis flüsternd: „Gott, wie schön ist deine Welt!" Dann wären meine Thränen nicht vergällt!! Jetzt wein' ich zwar, doch keine Zähre blinkt Im Auge, denn sie birgt sich tief im Herzen, Wie Kindleins Schluchzen nicht zur Wimper dringt, Doch innen brennt es mit des Giftes Schmerzen. Die Zähre bleibt dem Menschenblick verhüllt, Nur Gott allein ermißt, wie viel sie gilt, Nur Gott allein kann alle Dornen zählen Im Kranze, welcher deine Stirn umfängt, Ich kann es nicht, doch weiß ich, wie sie quälen, Denn, gleich als ob sie mir ins Herz gesenkt, So fühl' ich sie, — zerreißt doch jede Spitze Die Seele mir, und deiner Martern Bild Durchzuckt mein Jnnres stets mit neuem Blitze Beim Licht des Tags, und wenn mich Nacht umhüllt, So daß, von deiner Trauer ganz erfüllt, Mein eigen Sein hinüberging in deines! Was mich bewegt, das nennt der Worte keines, — Wozu mit Namen Heiliges beflecken! Was nie ein' Mensch ergründet und ermißt, Das lebt in mir mit ew'gen Leidens Schrecken. Gib mir die Hand in dieser Abschiedsfrist, Der Stunde, welche nie mein Geist vergißt, Für mich währt ewig dieses Tages Schimmer, Die Welt des Geistes kennt den Abschied nimmer. Heinrich Nitschmann. Uaht heute oder morgen mir dir Stunde. Naht heute oder morgen mir die Stunde, Da mir des letzten Schlummers Los beschicken, Dann möcht' ich friedlich, ohne Herzenswunde, Die Fessel lösen, die mich hält hienieden, 88 Slawische Anthologie. Hinüberwallen ohne Spur und Kunde Wie ein Gewölk im Blau, im Strom die Zähre. Doch noch bevor ich ganz von hinnen gehe Und mich zu Gott, von dem ich ausging, wende, Verlangt es, Teure, mich nach deiner Nähe, Auf daß ich still in deinen Armen ende! Und bin ich dann entlastet meiner Sorgen, Und hast du in der Erde mich geborgen, Dann laß kein eng Gewölbe mich umgeben, Das hinter mir sich schließt wie Klosters Thüren, Ach! Ein Gefängnis war ja schon mein Leben, Der Tod soll mich in freie Allen führen. Ja, bette mich in grünendes Gefild, Dem ewig lacht des blauen Himmels Bild, — Dort magst du meinem Haupt die Ruhe geben; Und stelle einen Marmorstein daneben, Um den sich schattend duftig Strauchwerk flicht, Dann pflanze Rosen um mich her und Nelken, Auch Epheu, Immergrün, die nie verwelken, Dazu das liebliche Vergißmeinnicht, Italiens Myrte schaue auf mich nieder Und Maimonds Glöckchen, unsrer Haine Zier. Die Blumen, die du liebst, und die ich dir Im Leben schenkte, gib dem Toten wieder! Wenn du sie mir zum Kranz gewunden hast, Der Bitte des Entschlummernden gedenkend, Laß schwer und schwerer sein der Blumen Last, Mich immer tiefer in die Gruft versenkend Zur Ewigkeit — daß ich im Schoß der Erde Als Zweig und Blätter neu geschaffen werde, Bis hoch am Reis zum Blumenkelch gestaltet, Mein duftend Herz sich neu vor dir entfaltet, So will ich aus des Todes Nacht und Grauen In jedem Lenz mit tausend Augen schauen, Im Sonnenlicht zu dir empor mich ringen Und sanft mit weichen Fesseln dich umschlingen. Heinrich Nitschmmin. Polen. 89 Das dürre Dlättchcn. Du dürres Blättchen machst der Zeit mich denken, Wo über den Albano trüben Blicks Ich herbstlich sah der Bäume Dach sich senken, Wie welke Kronen des verwelkten Glücks. Tief unten lag die schöne, stille Flut, Die ewig wie in Himmels Frieden ruht. Ob Gottes Blumen welkten an dem Strande, Und ob der Mantel riß der grünen Au, Ob niedersank der Menschcnschlösser Bau, Vergilbte Blätter deckten Pfad und Lande, Es spiegelte der See des Luftmeers Glanz, Er war des Himmels Abbild voll und ganz! So wahrt die Seele, die der Qual ergeben, Von Sorge und von Kümmernis erfüllt, In ihrer Tiefe Gottes reinstes Bild: Im welken Herzen — dauert noch das Leben. So eint das Herz sich — gleich dem Flutengrunde — Den Himmelshöhn in unsichtbarem Bunde! Heinrich Nitschmann. Des Herzens Ideal. Umsonst umgaukelt mich die Erdenwelt Mit Faltern, die sie selbst für Engel halt, Mit Blütenduft und Blendwerk ringsumher — Den Glauben raubt sie doch mir nimmermehr! Durch Glück und Leid ging ich den Lebenspfad, Bis jenem Reich des Geistes ich genaht, Wo unverändert, wie der Sonnenstrahl, Die Schönheit thront, des Herzens Ideal! 90 Slamsche Anthologie. Noch heute lieb' ich, die ich einst geliebt, Die Lichtgestalt, wie keine mehr es gibt, Die Seele, die ich pries den Göttern gleich — Heut beide sind sie — eins im — Schattenreich. Nur meine Liebe, trotzend Raum und Zeit, Glaubt an ihr Ideal in — Ewigkeit! Alb-rt Weiß. Johclan I. MeM. Dir Steppe. Hörst du bang die Winde klagen? Siehst du jene Hügel blau, Die wie Wolkenmassen ragen? O Ukraine, Steppenau, Ha, wie stolz dein Meer sich wiegt, Wenn, den Türkenfeind zu jagens Es Kosak und Roß durchfliegt! Weites Feld der Totenhügel, Fruchtbar durch der Ahnen Blut, Welch ein Aufruhr! Schnelle Flügel Leiht dem wilden Roß sein Mut, Die gehörnten Herden ziehn Zahllos hin auf grünem Spiegel, Schwimmen, springen und entfliehn. Wie mit tausend bunten Segeln Schwebt es drüber scharenweis, Eingeteilt nach Menschenregeln In Gemeinde, Staat und Kreis: Dort gebeut des Adlers Macht Und des Falken; nieder» Vögeln Kündet ihr Signal die Schlacht. Polen. 91 Steppe, die uns gab das Leben, Ach, von dir, der Mutter, ward Uns die Phantasie gegeben, Kinder sind wir gleicher Art: Bruder ist uns der Gesang, Dein wie unser Herz durchbeben Gleiche Saiten, seltsam bang. Ewig hört man Weisen klingen Wie der Zither Melodien, Niemand weiß, woher sie dringen, Scheinen Gräbern zu entfliehn; Träumerisch und wild durchzieht, Wie der fernen Windsbraut Singen, Steppe, dich dein Sehnsuchtslied. Bojans, Bojans Liederwellen, Einst so üppig und voll Pracht, Wie des Kataraktes Schwellen, Schwand denn heute eure Macht? Steppenlied, wann kommt die Zeit, Wo die Tapfern du auf schnellen Rossen wieder führst zum Streit? Heinrich Nitschmann. Der Kreislauf. Rosig ist der Lenz erstanden, Lieblich lacht des Himmels Blau — Ach, da naht auch schon den Landen Herbstlich trübes Wolkengrau. Also kreist das Leben immer: Das Gefühl läßt Qual zurück; Auf das Leid folgt Hoffnungsschimmer, Auf die Hoffnung selten Glück. Heinrich Nitschmann. 92 Slavischo Anthologie. Sewenm GoLzcui ÜLki. Mutter Uatnr. Wenn von Freundschaft hintergangen, In Zerwürfnis mit der Liebe, Wenn von Bosheit rings umfangen, Ich, erschöpft vom Weltgetriebe, Fühle, wie die Kräfte schwinden, Selbst in der Verzweiflung Bangen — Weiß ich wieder Trost zu finden. O gesegnete Natur, Zuflucht beut mir deine Flur, Neues Leben, neue Lust Reicht mir deine Mutterbrust. Bis zu dir verfolgt mich nicht Des Verräters Angesicht; Brechen Thränen auch hervor, Werden sie zum lichten Flor; Mag ein Dämon in nur toben, Nimmer wagt er sich nach oben. Schon nach kurzer Friedensstunde Naht ein Lächeln meinem Munde, Heller wird der trübe Blick, Und ich kehre froh zurück. „Seltsam," ruft der Haufe dann, „Immer glücklich ist der Mann!" Heinrich Nitschmaim. Polen. 93 Antoni Knmrtl Gümütt. Das Altern des Griftes. So mancher hadert mit dem Lose, Daß nie die Jugend wiederkehrt, Die Minnezeit, die knmmerlose, Die des Gedankens Feuer nährt. Doch wird dann, wenn die Sonne steiget Gen Mittag, wieder hell ihr Schein? Und wenn sie sich zum Schlummer neiget, Büßt sie an Kraft und Umfang ein? Und unser Geist, das Licht, das nimmer Erlischt, weil es oom Himmel stammt, Erkalten soll sein Strahlenschimmer, Je näher er dem Herde flammt? Er sollte altern mit der Hülle, Er, dessen Erdenzweck allein, Zu wachsen zur Vollendung Fülle, Um gleich den Himmlischen zu sein. O, die in frischen jungen Jahren Das wahre Wort des Herrn erkannt, Die nie des Körpers Sklaven waren, Das Herz dem Glauben zugewandt — Ihr Geist wird niemals älter werden, Und wenn der Leib, die eitle Spreu, Dereinst vergeht zu Staub auf Erden, Dort oben keimt der Same neu. Heinrich Nitschmann. 94 Slnmsche Anthologie. IrMMzek MorNMLkr. An einr Srtrndr. Dürft' ich dem Pinsel alle Farben geben, Wie sie der Lenz verleiht der Blumenau, Ihn tauchen in ein überirdisch Leben, In Sternenschimmer, in des Aethers Blau — Es malte wohl die Kunst nach der Natur Dein Bild, wenn auch mit halber Wahrheit nur. Doch wenn dein Auge aufblickt voll Vertrauen, Mit Thränen fleht um Mitleid in der Not, Wenn Jugend, Schönheit lieblich daraus schauen, Daß es zu schwimmen scheint im Morgenrot: Und endlich, wenn dein Blick zu Gott erhoben Mir sagt, Er müsse ganz dein Sein durchglühn — Das malt kein Mensch, dem Farben nicht von oben, Nicht Engelshände, nicht dein Geist vcrliehn! Heinrich Nitschinanil. Wenn ich gewußt! Ich weiß nun, daß du schnöde mich betrogen; O, wenn ich es vor Jahren doch gewußt! Ich hätte nie geliebt, wär' fortgezogen, Wenn ich gewußt. Du hast mein junges Lebensglück zertreten! Hast mit Verrat zerfleischt die treue Brust. Ich dürfte heute nicht vor Schmach erröten, Wenn ich gewußt. Es ist geschehn, nicht frommt es mehr zu klagen, Bald heilt der Tod die Wunden meiner Brust, Doch noch im Untergange werd' ich sagen: Wenn ich gewußt! Heinrich Nitsch mann. Polen. 95 Steftm Witmicki. Uorsicht. Sich ihres Bildes freuend stand Manschen an des Baches Rand, Flocht bunte Blumen sich zum Kranz Und winkte freundlich ihrem Hans. „Du Vielgeliebter, komm zu mir Und trinke von dem Wasser hier." — „„Wer weiß, es thut vielleicht nicht gut, Ich fürchte mich vor dieser Flut."" — „Sag an, welch Unglück kann dir drnun Aus diesem Bache klar und rein?" — „„Als du so tief geschaut hinein, Da kann er leicht verzaubert sein."" Heinrich Nitjchmann. Wunsch. Ich möchte wohl die liebe Sonne sein, Für keinen strahlen als für dich allein, Nicht in den Wäldern, nicht auf dem See, Sondern allstündlich in deiner Näh? Ich schiene nur in deine Fensterlein — O dürft' ich doch die liebe Sonne sein! Ich möchte wohl ein kleines Vöglein sein, Mein Lied erklänge nimmer durch den Hain, Nicht durch die Fluren, nicht auf den: See, Sondern allstündlich in deiner Näh'. Ich sänge nur in deine Fensterlein — O dürft' ich doch ein kleines Vöglein sein! Heinrich Nitschmami. 96 Slavische Anthologie. Iuümk KonllrNtomc). Drr Schmetterling. Flüchtiger Knabe, lerne dich zügeln! Schmetterling schwebt dort, Gold auf den Flügeln: Wie er sich freut! Laß ihm die Freude, raub sie ihm nimmer Noch seines Kleides prangenden Schimmer, Thu ihm kein Leid! Laß ihm das Leben, laß ihm das Leben! Wenige Stunden sind ihm gegeben, Kurz seine Zeit. Flüglein erglänzen, Aeuglein erglühen, Scheint doch die Matte ihm nur zu blühen; Thu ihm kein Leid! Ihm sind Sekunden Frist ohne Grenze, Gilt doch ein Lenz ihm niehrere Lenze; Beugt sich hinab, Möchte so gern der Süßigkeit Spende Saugen aus jedem Blättchen ohn' Ende; Laß von ihm ab! Schlürfend den Giftsaft träumt er von Rosen, Darf auch den Schierling nippend umkosen, Weil er gefeit Balsam aus allen Blüten nur naschet. Sünde begeht ja, wer nach ihm haschet; Thu ihm lein Leid! Ja wenn sein Leben unserm gleich währte, Wenn er der Menschen Geist nicht entbehrte, Dann, Knabe, dann — Wohl ihm, dem Frohen, wenn er den Morgen Nicht mehr erwartet — greif ohne Sorgen Tödlich ihn an! Heinrich Nitschmann. Polen. 97 Was nützt mir die Schönheit, die Jugend! WaS nützt mir die Schönheit, die Jugend, Mein schwärmerisch Augenpanr, Was nützt mir der Schall meiner Lieder, Mein wallendes Lockenhanr? Die Schönheit mir welkt mit der Jugend, Die Aeuglein fast wein' ich mir blind, lind wie die Locken, die Lieder Verwehn mir in Wetter und Wind! Mein Herz ist betrübt, wie gefangen Im Käsig ein Vögelein — Was nützt mir die Schönheit, die Jugend — Kann, Liebster, bei dir ich nicht sein! Aldert W-iß. Hinterm Krrge. Hinterm Berge geht die Sonne Schlafen bis zum Morgen — llntcrm Strohdach in der Heimat Wär' auch ich geborgen. In der Fremde dem Verwaisten Schließt sich jede Pforte: Niemand spendet ihm ein Lächeln, Niemand Trostcsworte. Hinterm Berge geht die Sonne Schlafen bis zum Morgen, Bis sie weckt der Chor der Sänger, Tief im Laub verborgen — Wird die Sonne jemals scheinen Mir am Wnnderstabe? Wird das Glück mir jemals lächeln, Eh ich ruh' im — Grabe? Elnvijche Anthologie. 98 Slavische Anthologie. Ach! vergebens stehn im Auge Mir der Sehnsucht Thränen — Blendwerk nur ist meine Sonne Und mein Glück nur — Wähnen! Albert Weitz. Teofil Icnartluricz. Gespräch mit der Nachtigall. Erzähle, Nachtigall, erzähle, Kleine, Ich flehe dich um alles in der Welt, Was, wenn du bei des Abends Dämmrungsscheine In unserm Garten singst, dein Lied enthält. Vertrauest du vielleicht der Töne Wogen, Was du gethan, was du erfahren hast, Durch welche duft'gen Büsche du geflogen Und welchen Baum du dir erwählt zur Rast? Wie du dich hältst im Blättergrün verborgen, Solang die Sonne thront in ihrer Macht, Wie du den Tau vom Fittich stäubst am Morgen, Wenn die Natur in stillem Frieden lacht? Besingst du, wie die kleinen Sterne flimmern Am klaren Himmel, wenn der Tag entwich, Wie jene stillen Wasserfluten schimmern? Erzähle mir, erzähl, ich bitte dich! - Ich will dir's, holdes Mädchen, gern erzählen: So misse denn, ich sing' dein eigen Lied, Wenn Sehnsuchtstriebe deine Brust beseelen Und eine Thräne dir den Blick umzieht, Polen. 99 Wenn dir entschwand das Lächeln von der Wange Und blasse Trauer dich umfangen hält, Wenn Blum' um Blume dir im Schwermutsdrange Aus den verzweiflungsmatten Händen fällt Heinrich Nitsch mann. Die Zigeunerin. In meiner Jugend Wonnemai, Da kaum die Sonn' erstand, Mir winkt' ein braun Zigeunerweib: „He! Knäbchen, gib die Hand. Die Zukunft laß dir prophezei», Komm, gib die Hand geschwind. Gott wird dafür auch allezeit Glück schenken dir, mein Kind!" — Die Alte rief's, zerlumpt und welk Von Hand und Angesicht. Ich sah sie an und hort' ihr zu, Doch glauben macht' ich's nicht. Von weitem hörte noch und sah Ich die Zigeunerschar, Bis in der Bäume Schatten sie Im Wald verschwunden mar. Ich gab die Hand . . . „Ha! Sagt' ich's nicht? Sieh! Silber nur und Gold . . . Wirst glücklich sein dein Leben lang, Das Schicksal ist dir hold! Wirst ohne Leid und kerngesund Durchs Erdendasein gehn; . . . Zu hohem Alter, glaube mir, Bist, Knäbchen, ausersehn . . . Im Heimatdörfchen, deiner Welt, In Frieden, eng vereint Mit Brüdern du und Freunden, brauchst Zu fürchten keinen Feind!" . . . — „Wie? Nichts vertreibt von meinem Wald Mich je, von meinem Strand?" — lOO Slavische Anthologie. Da blickt die Alte düster drein Und liest mir aus der Hand, Und preßt den Finger an die Stirn, Und grinsend seufzt sie schier: „Zuni Stabe greif, dein Bündel schnür!" Nur dies verriet sie mir. . . . Albert Weis;. Das väterliche Heim. Wie freut mich doch alles, was heimisch, was mein, Wo find' ich doch Menschen desgleichen? Kann je etwas schöner als Vaters Haus sein, Als Vögleins Gesang in Gesträuchen? Das Mütterchen, spinnend im Stübchen den Lein, Die Aecker, die Garben uns reichen, Der Stern, der sich spiegelt im Borne so rein, Der Mond in dem Wipfel der Eichen! Und was übertrifft wohl der Freunde Verein, Die Klarheit der Wasser in Teichen, Das warme Gedenken, das Teure uns weihn? Ach, nichts kann dem Heimatsort gleichen! Heinrich Nitschmann. Kornel Njchcki. G, stille Uacht. 1. Mich flieht der Schlaf... die Fenster auf! Die Sterne glühn im ew'gen Lauf Verschleiert halb im Nebelwehn, Wie Augen, die in Thronen stehn! Polen. k 01 Nicht würdigt dich, o stille Nacht, Nach deiner Reize Zauberpracht, Wer — schlummert hinter Mauern schwül Auf Lumpen oder — seidnem Pfühl! Nur wer sein Herz dir anvertraut, Ob noch so bang sein Auge schaut, Dem gibst den Frieden du zurück, Als ob ersteh' ihm — totes Glück! Alben Weiß. O stille Nacht! Gleichwie im Schoß Der Mutter birgst du unser Los Und senkst, von mildem Glanz erhellt, Geheimnisvoll vom Sternenzelt, Gewahrst du unsre Schuld und Oual, Im Tau die -- Thrän' ins Erdenthal! O stille Nacht! Dein Fittich rauscht! Wie gern mein armes Herz dir lauscht, Das, wenn des Tages Lärm sich legt, Zu neuem Leben erst sich regt Und neue Lieder, neues Leid Verflicht in deine — Einsamkeit! O stille Nacht! Der Zeiten Geist Mit Geierkrallen oft zerreißt Mein Herz: mit grübelndem Verstand — Entroll ihm der — Erinnrung Band, Das Trost iin Kummer ihm gewährt Und selbst die Thränen ihm verklärt! O stille Nacht! Umschwebe lind Und wiege wie ein weinend Kind Mich fest in Schlaf! Doch führ im Traum Mich nicht zurück zum — Erdenraum: Nichts hält' ich, würd' ich wieder jung, Als — Thränen der — Erinnerung! Alberi Weiß, 102 Slavische Anthologie. Der Mond und Sie. I. Auf deni Meere, auf dem Meere Schiss ich pfadlos in die Leere. Wenn sich legt des Sturms Getose, Scheint der Mond herabzusteigen. Schwimmend gleich der Wasserrose Hängt er an Äorallenzweigen. Und die Meerflut, stillestehend, Gleicht dem Wein in Bechers Raumes Vom Verdecke niedersehend, Steh' ich da in süßem Traume. Doch ivie sich der Sturm erneuert, Reißt der Zweig sich von der Rose; Wie mein Schiff ins Trübe steuert, Schwimmt der Mond ins Bodenlose 2. So steht sie vor meinen Blicken, Wenn des Lebens Wogen steigen, Nachtgedanken mich berücken, — Winkt mir mit der Hoffnung Zweigen. Still wird's in des Herzens Raume, Und von ihr umfächelt linde Neigt es sich zum süßen Traume Gleich dem müden Engelskinde. Aber wieder wird es regel Aus der Nähe seiner Lieben Eilt das Herz auf böse Wege, Und ihr Bild verschwimmt im Trüben Polen. 103 3. Auf dem Meere, auf dem Meere Schiff' ich pfadlos in die Leere. Ach, wann darf ich — neues Leben Atmend auf des Ufers Hügel — Zu dem Äug' den Blick erheben, Das hier schwimmt auf glattem Spiegel? Wann aus Sturm und Felsenriffen, Die an Wrack und Segeln rütteln, Endlich in den Hafen schiffen, Um den Meerschaum abzuschütteln? Nach dem Lande steht mein Sehnen! Möchte matt von Müh' und Kummer, Bald an ihre Brust mich lehnen, Sei es auch zum ew'gen Schlummer! Heinrich Mischman« Daheim. Ihr kennt von mir so manch Gedicht, Und kennt doch mich, den Dichter, nicht. Einst eurem Blick ins Wolkenreich Entschwebt' ich jäh, dem Vöglein gleich, Dem doch wie euch so lieb und traut Der Zweig, darauf sein Nest erbaut, Die Scholle, fern im Heimatland, Da ihm der Jugend Traum entschwand. Wie ward ihm bang und einsam, trug Es hoch und höher stets der Flug! Wie schwebt hernieder cs so gern, Als ihm sein Dörflein winkt von fern. Zum stillen Heim auf grüner Alm, Da nickend grüßt es jeder Halm, Da es begeht im weichen Nest Des — Wiedersehens Wonnefest! 104 Slavische Anthologie. Wie wohlig ward auch mir zu Sinn, Seit ich im Schoß der Heimat bin! Wie ward sie mir zum Paradies, Seit ich das Wolkenreich verließ! Wie strahlt mir goldner jeder Stern, Wie blick' ich gläubig auf zum Herrn, Hier, da ich staunend hör' und seh' Sein Walten, wo ich geh' und steh'. Einst als der Seele wilder Flug Mich hoch und immer höher trug, Dem Schiffer gleich im morschen Kahn Umbrauste mich der Ozean — Seit ich zum Hcimatstrand gewallt, Mich meiner Lieben Lust umschallt — Nach Sturm und Drang, den ich gebüßt. Mich meiner Kinder Lächeln grüßt! Albert Weitz. Aliam Armyk. Ueilchcn. Jene Veilchen, die mich reizen, Wachsen nicht auf wald'gem Plan, Unter langer, dunkler Wimper Schaun sie träumerisch mich an. Schöner schattet diese Wimper Als des Waldes grünes Kleiv, Aus des blauen Blickes Tiefen Schaut auf mich Unendlichkeit. Ungemeßne Wundertiefcn! Alles, alles birgt sich drin, Was die Phantasie erträumte, Was entzücket Herz und Sinn. Pole». 105 Aber eine Hand von oben Hält verschlossen diesen Hort, Und die Augen wie die Lippen Bannt ein mächtig Zauberwort. Bis das Losungswort gefunden, Liegt darauf Geheimnisflor, Und nur selten dringt und flüchtig Draus ein jäher Blitz hervor. Unter hold gesenkter Wimper Schlummert künft'ger Gluten Hort — O wie ist er überglücklich, Der einst spricht das Zauberwort! Selig, wenn sich diese Augen Oeffnen voller Liebcsschein! Ach! die Welt macht' ich durchwandern Nach dem teuren Schlüsselein. Ach ihr Veilchen, hold und tückisch Wendet eurer Blicke Licht! Ach! ich werde sterben müssen, Find' das Zauberwort ich nicht. Ladislaus Gumplowuz. Die schönsten Kieder. Meine allerschönsten Lieder Lehrte mich ein Mägdelein, Denn es mar mein weiser Meister- Wohl ihr rotes Mündchen klein. Von den roten Lippen tönte Stets ein neuer, süßer Klang, Melodie war jedes Lächeln, Jedes Wörtlein war Gesang. Alles, was das Herz erträumte, Was zu kühn selbst Träumen schien, 106 Slavische Anthologie. Blitzt' mls ihren Kinderaugen, Floß in holdem Lied dahin. Also saßen wir beisammen, Seit' an Seite traut geschmiegt, Und ich sah ihr in die Augen, Süß von Klängen eingemiegt. Was das Ohr nicht könnt' erlauschen, Was zu fern den Blicken stund, Pflückt' von den Korallenlippen Ich mir selbst mit meinem Mund. Ladislaus Gumplowicz. Im Anfänge. Oedes Chaos war im Anfang, Eingehüllt in trübe Nacht, Bis ihr schwarzes Auge blitzte Und der roten Lippen Pracht. Ihre Blicke widerstrahlend Glänzten Sonn' und Stern' umher, Als sie sprach das erste Wörtlein, Sprang die Erde aus dem Meer. Als ein Lächeln ihre Wangen Ueberflog in raschem Lauf, Flogen Vögel auf und Falter, Blühten rings die Blumen auf. Noch war nicht der Mensch geschaffen, Toter Thon den Boden deckt', Bis mit ihrem Feuerküsse Sie zum Leben — mich erweckt. Und voll Seligkeit erwacht' ich In der Liebe Wunderland; Doch auch ich ward wie die andern Aus dem Paradies verbannt. Ladislaus Gumplowicz. Polen. 107 Die Bekehrung. Als sie sechzehnjährig blühte, War gar skeptisch ihr Verstand, Wollte mir es, ach! nicht glauben, Als ich wunderschön sie fand! Zweifelte an ihren Reizen, Glaubte nicht an Amors Macht, Als ich Liebe ihr gestanden, Hat sie gar mich ausgelacht! Aber heut nach vielen Jahren Beugt sie gläub'gen Sinns ihr Haupt, Und bereut mit bittrer Klage, Daß sie einst mir nicht geglaubt! An der Liebe Allmacht glaubt sie, Seufzt, daß sie doch jung noch mär', Glaubt, daß ich sie stets noch liebe, Aber ich — ich glaub's nicht mehr. Ladislaus Gumplowicz. Will dich nicht pMrken. Will dich nicht pflücken, Maiglöckchen weiß! Würdest ja klagen, Ich thät's mit Fleiß. Müßtest ja nutzlos Welken so bald, Blühe denn weiter Im grünen Wald! Fern ist er, dem ich Dich brächte dar, Der dich mir heimlich Raubt' aus dem Haar. 108 Slavische Anthologie. Fern ist der Nachbar, Der Blumendieb, Ein arger Räuber, Und doch so lieb! Bis er nicht heimkehrt, Kann mich nichts sreun, Immer nur denk' ich An ihn allein. Alles mißfällt mir Rings um mich her, Selbst Blumen pflücken Mag ich nicht mehr! Blühe denn friedlich Am Brünnlcin hier, Heut mir nicht frommet Blumige Zier. Doch wenn er heimkehrt Und mich beglückt, Dann, Maienglöckchen, Wirst du gepflückt. Ladislaus Gurnplowicz. WrenMlos. Es haben die Flüsse ihr Bette, Es hat ihr Gestade die See Seit Ewigkeiten zu eigen, Den wolkenstürmenden Bergen Hat Gott gesetzt ihre Höh', Sie können höher nicht steigen! Das Menschenherz nur strebet In die Unendlichkeit Durch Thränen und Sehnen und Ringen Und hofft, in seinem Schoße Das All, die Ewigkeit, Den Himmel zu umschlingen! Ladislaus Gumplowicz. Polen. 109 Erwacht. Die Maiensonne Gibt holden Schein, Verkläret golden Den Rosenhain, Birgt sich in Wölkchen, Kommt wieder gleich, Eilt über Wiesen, Badet im Teich, Zittert in Strahlen Am Lindenbanm, Wecket die Blumen Aus stillem Traum, Löset der Knospen Enges Gewand, Trinket die Tropfen Vom Kelchesrand. O welch ein Glänzen, Wie einzig schön! Die Vögel zwitschern Auf grünen Höhn, Und unterni Fenster, Mit süßem Schalls Singt ihre Lieder Die Nachtigall. Es tönt ihr Singen Weit in die Fern', Drunten im Thale Hören sie's gern, Alles erwachet Munter vom Schlaf, Alles sich reget Freudig und brav. Auch mir im Herzen Ist was erwacht, Was wunderheimlich Bangen mir macht. Liebliche Wünsche, Rätselhaft ganz, rio Slamsche Anthologie. Süßholdes Klingen, Rosiger Glanz Dringt mir ins Herze, Schwellt mir die Brust, Halb wie vor Bangen, Halb wie vor Lust. Ahnend was Neues, Erwart' ich still, Weiß doch wahrhaftig Nicht, was ich will. Abwersen macht' ich Die Mädchengestalt, Fliegen als Vöglein Wohl durch den Wald, Tanzen ans schwankem Birkengezweig, Schütteln von Blättern Tauperlen reich, Streifen im Fluge Den kühlen Fluß, Bieten den Fischlein Flüchtigen Gruß, Und über Wiesen, Ueber den Hain Wonniglich fliegen Im Rosenschein, Und immer höher Fort in die Fern', Endlich am Himmel Blinken als Stern. Möchte auch hernach Blühen als Ros', Im Waldesschatten Duftig und groß, Sonnig erglühend, So einzig schön, Daß alle Blumen Davor vergehn, Die Nachtigallen Im grünen Hain Polen. 111 Im Sange preisen Mich nnr allein. Das goldne Ringlein Hält' ich so gern, Das zaubermächtig Trägt in die Fern', Rasch uns verwandel! In manch seltsam Bild, Alle geheimen Wunsche erfüllt. Aber noch heißer Wär' mein Begehr, Freudig zu finden Noch etwas mehr . . . Wär' es ein Engel, Wär' es ein Mann, Aus meinen Träumen Blickt er mich an. Möchte ihn finden An meiner Seit', Mir in die Augen Sah' er mit Freud', Herzlich ihm reicht' ich Die Händchen klein, Bliebe dann ewig, Ewiglich sein . . . Und mit ihm plaudernd Durch Wälder gehn, Und wonnig träumend Ins Äug' ihm sehn, Und alles Schöne Im Weltenraum Schließen ins Herze Fn sel'gem Traum, In blauem Glanze Am Himmel dort, Fn eiv'gem Frühling Wandeln hinfort! Ladiöltius Gurnplowüz 112 Slavische Anthologie. Mm'M Kanapnicku. Hauernlos. Leis der Wind geht durch die Felder, Und das Korn, es wogt und wiegt sich. Hei! herbei du braune Hexe, Sag mir wahr mein künftig Los! Sag mir wahr aus jenen Sternen, Die ob meiner Hütte stehen, Aus den Lüften, die da fliegen Von dem grünen Wald herüber, Aus der Quelle, die dort rieselnd Zaubermächt'ge Lieder murmelt; Sag mir wahr aus meiner Rechten, Aus der arbeitsmüden Hand! Sag mir wahr in weisen Worten Aus des Himmels Regenbogen, Sag mir wahr in heiliger Sprache, Wie sie in der Schrift geschrieben! „Nicht in Schriften ist dein Schicksal, Nicht in Wassern, nicht im Himmel, Nur in deinem grauen Kleide Und in deinem schwarzen Brot. Nicht aus goldner Sterne Reigen, Nicht aus klarer Quellen Rauschen Kann des Bauern Los sich künden, Nur aus seiner Rechten Schwielen, Aus der arbeitsmüden Hand! Wirst ein Herr sein ohnegleichen — Nicht ein König, nicht ein Herzog; Ja ein Herr der harten Erde, Die du furchst mit deinem Pflug! Glanz des Silbers wird dich schmücken, Strahlend hell von deiner Sense, Die du schwingst in Sonnengluten; Polen. 113 Und in Purpur wirst du prangen — Ja in blut'gen Schweißes Kleid! Reiche Schätze wiest du heben AuS der aufgewühlten Erde, Silberlinge und Dukaten — Nicht für dich, für deinen Herrn! Eine Fürstin wird dich minnen, Der du ewig wirst zu eigen, Die dir treu bleibt unablässig Bis zum letzten Hauch: die Not! Auf der Schwelle wird sie sitzen, Mit dir wachen, mit dir schlafen, Scheucht die Mensch» n von der Thüre, Wehrt die Einkehr dir zu Gott. Wenn im Lenz die Blumen knospen Und vereiste Flüsse tauen, Singt in Schlaf sie deine Kinder Mit des Hungers hohlem Lied. Eine Straße wirst du ziehen, Nicht zur Ferne, nicht zur Höhe, In die Erde führt sie dich: Und es werden dich die Straße Weiße Rinder langsam führen, Und die Glocken werden lauten, Daß du drunten findest Ruh'!" Ladislaus Gumplowicz. Und als der König zog ins Feld. Und als der König zog ins Feld, Da spielten die Soldaten, Zu spornen seinen hohen Mut Zu kühnen Siegesthaten. Und als der Peter zog ins Feld, Da rauscht' der Quell im Hage, Da rauscht' die reife Aehrensaat Mit leiser Trauerklage. 114 Slavlschc Anthologie. Die Kugeln sausen her und hin, Es sinkt daS Volk wie Garben, Derweil den höchsten Heldenruhm Die Fürsten sich erwarben. Gewonnen ist die blut'ge Schlacht, Die Fahnen heim sie tragen; Mit heiler Haut der König kehrt, Der Peter liegt erschlagen. Im Morgenrot die Königsburg Empfängt den hohen Krieger; Die Glocken künden rings der Welt Den ruhmgekrönten Sieger. Als sie den Peter gruben ein, Da klangen nur gar leise Die Glockenblumen auf der Au Den, stillen Mann zum Preise. Ladislaus Gumplowicz Du, adrr Krim! Keiner hat für dich geworben, Nicht der Vater, noch die Mutter — Nur der Lerche Morgentriller, Den sie jubelt' in die Mailuft, Nur der Quell, der silberklare, Drin ich tränkte meinen Rappen, Nur die leichtbeschwingte Taube, Nur der Weg zu deiner Hütte, Nur des Hirtenknaben Flöte, Die erschallt am Bergeshange, Nur der Wind im Tann und Röhricht Rief mir zu: Du, oder keine! Keiner hat für dich geworben, Nicht der Vetter, noch die Muhme — Polen. UI 5 Nur des Föhrenwaldes Rauschen, Nur das Sehnen, das im Herzen Wuchert wie im Feld das Unkraut, Nur die taubenetzte Matte, Drüber nachts die Nebel wallen, Nur der Purpurglanz der Sonne, Die verglimmt im Niedergange, Einen Abend, wie den andern, Still mir folgend auf dem Fuße, Rief mir zu: Du, oder keine! Keiner hat für dich geworben, Richt die Nachbarn, noch die Freunde — Nur des Mondlichts Silberschimmer Und der Sterne Goldgeflimmer; Keiner hat mir zugeredet, Keiner auf mein Wohl getrunken, Noch von dir gebracht mir Kunde — Nur die nächtlich stille Stunde, Stand ich unter deinem Fenster, Bis der Morgentau mich netzte Und mich weckt" aus süßen Träumen, Trug zu mir manch liebes Wörtchen, Rief mir zu: Du, oder keine! Altttl W'ib- In dir Wiesen. In die Wiesen, in die Lande Schritten Glück und Leid hinaus, Jedes warf aus dem Gewände Blumensaat in Fülle aus. Feucht von Thrünen fielen nieder Schwarze Körner hier wie dort, Doch der weißen zart Gefieder Trug sie leicht wie Falter fort. 116 Slmnsche Anthologie. Als der Frühlingssonne Segen Dann die Saat entlockt der Flur, Wuchsen Dornen allerwegen, — Blumen, Beeren selten nur! Heinrich Niischmann. Abrndlied. Und wüßtest, lichte Sonne, du, Wie viel auf dieser Welt Noch Schatten, dunkel wie das Grab, Verblieben unerhellt, Du gingest nicht so früh zur Ruh' Dort Hinterm Wald, Im Purpurmantel nicht hinab Stiegst du so bald! Und folgt nach kurzem Tag so rasch Die Nacht dem Morgengraun, Wie sollen wohl in ihrer Pein Die starren Herzen taun, Wenn viel zu schnell das Himmelslicht Von dannen zieht, Wenn uns der Sonne warmer Schein So eilig flieht? O traf' der Menschheit trüben Blick Im grauen Erdenthal Einmal herab aus Himmels höhn Des Geistes Heller Strahl! O brach' für alle, die voll Gram Zu Boden sahn, Der Tag der Zukunft, jugendschön, Auf ewig an! Ladislaus Gumplowicz. Aussen. Michail Vas. Jo mo nosov. Morgengedanke». Schon hat das schöne Licht erfüllet Mit seinem Glanz die Erde weit Und unsres Gottes Werk' enthüllet. Mein Geist, vernimm's mit Freudigkeit! Sieh staunend dieser Lichter Pracht Und denk, wie groß des Schöpfers Macht! Wenn Sterblichen zu solcher Höhe Sich zu erheben mär' vergönnt, Daß unser Auge in der Nähe Die Sonnenleuchte schauen könnt': Ringsum erscheinen würde dann Ein ewig glühnder Ozean. Dort sieht man Feuerwogen brausen, Die nimmer finden ein Gestad, Dort hört man Flammenwirbel sausen Und sich bekämpfen früh und spat; Wie Wasser sieden Steine dort, Glutregen rauschen fort und fort. Und dieses All, so ungeheuer, Ein Fünklein ist's von deiner Macht. O, welch ein Helles Lampenfeuer Hast du, o Gott, uns angefacht Für unsrer Tageswerke Kreis, Die uns beschieden dein Geheiß. 120 Slawische Anthologie. Befreiet von dem nächt'gen Grauen Sind Meer und Wälder und Gefild Und lassen unserm Blick sich schauen, Mit deinen Wundern angefüllt. Von jedem Wesen tönt es dort: Groß ist der Schöpfer, unser Hort. Des Tages Strahlen, sie umglänzen Die Oberflächen nur allein; Dein Auge dringet sonder Grenzen Tief in der Wesen Grund hinein. Der Schimmer deiner Augen streut In alles Leben Freudigkeit. Erleucht, o Gott, mich nächtlich Trüben Mit deiner Weisheit für und für, Und lehre du mich immer üben, Was wohlgefällig ist vor dir, Und schauend deine Schöpfung, Herr, Zu preisen dich, Unsterblicher! Von der Borg. Gavrül Dom. Derzumn. Nde an Mott. Du, weiter als die weitsten Weiten, Du Pulsschlag, wo sich Staub bewegt, Du Ew'ger überm Strom der Zeiten, Ohn' Antlitz sichtbar dargelegt: Du Seele aller Lebenskcime, Du, ohne Ursach', ohne Räume, Vor welchem jedes Wissen Spott; Du, der mit sich die Allheit füllet, Sie gründet, schüüt und aus ihr guillet, Dem wir den Namen gaben: Gott. Russen. 121 Ob auszumessen auch die Meere, Das Licht zu zählen Strahl an Strahl, Dem Geiste Macht gegeben märe: Du, Ew'ger, hast nicht Maß noch Zahl. Der Seraph selbst, der, lichtgeboren, Für deine Nähe ward erkoren, Er bebt vor deinem Flug zurück: Kaum darf die Denkkrnft zu dir streben, Sie muß in deinem Glanz verschweben, Wie im Aeon der Augenblick. Du riefst des Chaos graue Zeiten Vom Grund der Ewigkeit herauf, Doch als den Grund der Ewigkeiten Thatst du das eigne Selbst einst auf, Dich selbst dir selbst entgegenstellend, Mit deiner Glorie dich erhellend, Du Licht, aus dem des Lichtes Schein! Mit einem Wort die Welten streuend, Setzst du dich fort, die Welten neuend; Du warst, du bist und du wirst sein! Der Wesen Kette wohnt dir inne; Du, jedes Werdens Aufgebot, Vereinst den Ausgang dem Beginne Und gibst ein Leben selbst dem Tod. Wie Funken aus der Flamme sprühen, So neue Sonnen vor dir ziehen: Wie auf der Ruh' beschneiten Lands Im Mittngslicht die Stäubchen zittern Und blitzend wechseln tausend Füttern: So unter dir der Sterne Glanz. Millionen Strahlensphären schwimmen Dahin die uferlose Welt, Als deiner Offenbarung Stimmen, Von deinem Lebensborn erhellt. Doch dieser Leuchten Glanzgepränge, Doch dieser Scharen Festgedränge, Doch dieser goldnen Wellen Pracht, Doch dieser Himmel Rosenflammen: 122 Slanische Anthologie. Vor dir ist all ihr Glanz zusammen Wie vor dein Tage ist die Nacht. Ein Tropfen, von der See verschlungen, Ist all das Firmament für dich! Und alles, was mein Äug' erschwungen, Was ist's, und was vor dir bin ich? Die dort millionenfach erglühen, Ob deren lichtem Meere ziehen Millionen Welten andern Lichts; Kaum sind, wenn ich sie dir geselle, Ein Stäubchen sie vor deiner Schwelle Und ich dir gegenüber nichts. Ein Nichts bin ich, doch angestrahlet Von deinem Lichte, groß und mild; In meinem Selbst dein Selbst sich malet, Wie in dem Tau der Sonne Bild. Doch fühl' ich Leben mich durchdringen Und flieg' mit ewigjungen Schwingen Dem Ziele aller Größe zu. Es ahnt mein Geist entzückt den deinen, Kann Schluß mit höh'rem Schluß vereinen: Ich bin und also bist auch du! O du, den die Natur bethätigt, Du bist! das Wart des Herzens spricht'S, Und mein Verstand hat es bestätigt, Du bist! und schon bin ich kein Nichts! Mich faßt als Teil ein ew'ges Ganze, Die Schleife bin ich in dem Kranze, Zu dem du die Naturen wandst, Als endigend des Staubes Rechte Und winkend himmlischen: Geschlechte Durch mich der Wesen Ring du bandst. Ich soll das Band der Welten weben, Ich, ird'scher Keimkraft höchster Schwung, Bewegungsort für tausend Leben Und Anfangspunkt der Göttlichung. Dem Staub muß sich mein Staub vermählen, Dem Donner kann mein Geist befehlen, Rosse». 128 Ich Wurm, ich Gott, ich Nacht, ich Licht. Doch welche Wunder auch mir eigen, Woher entstamm' ich? Lautlos Schweigen! Doch aus mir selber stamm' ich nicht. Du gabst mir Leben, Allbeleber, Mich, ew'ge Weisheit, schuf dein Wort. O, Quell des Seins, des Guten Geber, Seel' meiner Seele, du mein Hort. Gesetzt ward nur zum hohen Lohn, Daß aus des Todes dunklem Schoße Hervor ich ginge, todbefreit: Daß ich des Staubes Hülle trüge Und ich vom Tode aufwärts stiege Zu deines Jchs Unsterblichkeit. Du, nicht zu nennen, nicht zu künden, Ich weiß, mein Selbst ist zu gering, Als daß in seines Wesens Gründen Es nur dein Schattenbild empfing'. Daß deiner Feier Klang ertöne, Bleibt für der Erde schwache Söhne Kein andres Richtmaß des Gesangs, Als, ahnend kaum die fernen Höhen, Im ew'gen Abstand zu vergehen Und Thränen weinen stillen Danks. Notier. Ivan A. Krulau. Dir Kornblume. War eine Kornblum' aufgeblüht im Walde, Dann ward sie matt und welkte hin: Das Köpfchen neigt sich auf den Stengel balde, Des Todes wartet sie mit bangem Sinn. 124 Slavische Anthologie. Sie raunt dem Zephyr zu, der sie umschwebte: „O brache doch der Tag bald an! Die Sonn' ergoss ihr holdes Licht alsdann, Vielleicht, daß sie auch mich belebte." — „„Das ist einfältig, meine Liebe,"" Summt ihr ein Küfer zu, der in der Nähe kreist, „„Als ob der Sonne nur die Sorge bliebe, Wie du gedeihst. Glaub mir, sie hat für dich nicht Zeit noch Lust. Flögst du herum, wie ich, in weiter Welt, So wäre dir bewußt, Daß Wiesen, Saatenfelder Sie wohl in ihrer Pflege hält: Sie nährt durch ihren warmen Hauch Die Zedern und die Rieseneichen, Sie schmückt mit reichen Farben auch Gar manche Blume; Doch du kannst dich ja nicht vergleichen Mit solchem Ruhme. Denn jene Blumen sind so schön, Daß es selbst Kronos schmerzt, sie abzumähn. Du aber hast nicht Duft noch Pracht, Es hat die Sonne dein nicht acht, Du quälst sie fruchtlos mit Gestöhn, Dein Los ist schweigen und vergehn."" Jetzt stieg die Sonn' empor, belebte die Natur, Goß ihre Strahlen aus auf Wald und Flur, Und spendete dem armen Blümchen auch Erquickend neuen Lebenshauch. Ihr, denen das Geschick erhabnen Platz verlieh, Verschmäht nicht die Allegorie, Laßt euch die Sonne Vorbild sein. Seht hin, ihr Strahlenschein, Wohin er dringe, Bringt Heil, der Zeder wie dem Halm, Kein Wesen ist ihr zu geringe. Darum auch tönt ihr laut des Dankes Psalm Und lebt ihr Bild in allen Herzen Hell, wie sich spiegeln im Krystall die Kerzen. Ferdinand Löwe. Nüssen. 125 VuWs A. Zukomkij. Der Schiffer. Wild verfolgt vom Mißgeschicke, Ohne Steuer, ward mein Kahn Fortgeführt von SturmeStücke In den weiten Ozean. Durchs Gewölk ein Sternchen flimmert: Sternchen! — fleht' ich —- birg dich nicht, Sternchen barg sich unbekümmert, Und der letzte Anker bricht. Dunkle Nebel rings sich dehnen, Wogend kocht das milde Meer; Vor mir schwarze Schlünde gähnen, Grause Klippen um mich her! „Keine Rettung im Getümmel!" Murrt' ich im VerzweislungSwahn — Thor, der Lenker dort im Himmel War dein stiller Steuermann. Durch empörte Meeresgründe, Durch die grause Klippenwand, Durch die nachtumhüllten Schlünde Trug mit unsichtbarer Hand Mich des mücht'gen Schirmers Milde. Dunkel schwand, es schwieg der Nord; Vor mir Edens Lustgefilde, Und drei Engel weilen dort. O, du ew'ger Gnadenbronnen! Nicht mehr murr' ich unbedacht; Auf den Knien, in Himmclsmonnen Schau' ich ihres Bildes Pracht. Wer beschreibet ihre Schöne? Ihren Seelenzauber, wer? l26 Slavische Anthologie. Himmelsodem, Himmelstone, Heil'ge Unschlckd um sie her. O, unnennbares Entzücken: Ihnen atmen, ihnen glühn! Ihr Gekos', ihr süßes Blicken, Tief in Herz und Seele ziehn! Einen Wunsch nur, a Verhängnis! Ihnen lächle mild und licht, Ihnen Wonne, mir Bedrängnis! Nur — sie überleben nicht! Bon der Borg. Wacht. Des Tages letztes Glühn verschwand Schon in den purpurfarbnen Wogen, Schon dunkler wird der Himmelsbogen Und kühler Schatten deckt das Land. Die Nacht bricht an in tiefem Schweigen, Und vor der Sterne goldnem Neigen, Dem Tage wie zum Abschiedsgruß, Strahlt glanzvoll hehr der Hesperus. Himmlische Nacht, o deck uns zu Mit deiner dunklen Zauberhüllc, Uns mit Vergessenheit erfülle Und schenk dem müden Herzen Ruh'! Laß uns, in deinem Schutz geborgen, Frei sein von Kummer und von Sorgen, Lull uns in Schlummer mild und lind, Wie eine Mutter wiegt ihr Kind. Friedrich Bodensirdl. Russen. 127 Imn Iv. Rozlou. An dir Frrude. O, Freude, du zerrinnst wie Schaum, Als Hefe bleiben Schmerzen! Du raubst den schönsten Hoffnungstraum Dem armen Menschenherzen! Es tragen dich so fern, so fern Empor die Strahlenschwingen; Nie kannst du uns als goldner Stern Der Trauer Nacht durchdringen! Kanin ist dein holder Zauberblick In unsre Brust gedrungen, So fliehst du, ach, und läßt zurück Des Einst Erinnerungen. Und mag auch die Vergangenheit Den bangen Geist umschweben, Kann doch geschwundne Seligkeit Die Seele nicht beleben! Es ist ein wüster Fiebertraum, Von fernen Wonnestunden, Der in des Herzens düstrem Raum Nicht heilen macht die Wunden. So strahlt der Vollmond auf den Fluß Und spielt mit seinen Wellen Und will mit silberlichtem Kuß Der Wogen Nacht erhellen. Wohl blinkt der Fluß auf seiner Bahn Und wiegt die Mondesgluten, — Und strömt zum dunklen Ozean Die eisigkalten Fluten . . . 128 Slavische Anthologie. Alex-uuler Serg. Nuäkin. Drr Talisman. Wo das Meer mit ewigen Wogen Sich an öden Riffen bricht, Wo vom nächtigen Himmelsbogcn Wärmer strahlt "das Mondenlicht, Wo des HaremS Hochgenüssen Schwelgend frönt der Muselmann — Eine Zauberin unter Küssen Gab mir einen Talisman. Und sie sprach: „Mein Glück, mein Leben! Hüte diesen Talisman — Wunderkraft ist ihm gegeben, Liebe gibt ihn, denke dran! Nicht vor Krankheit und vor Sterben, Vor Gewitter und Orkan, Nicht vor Elend und Verderben Schützet dich mein Talisman. Sind auch Schätze dir vonnöten, Frönt er nicht der Goldesgier, Und die Jünger des Propheten Unterwirft er nimmer dir. Ist dein Herz voll Sehnsucht worden. Nach des Freundes Brust, sodann Trägt zum heimatlichen Norden Nicht vom Süd mein Talisman. Aber wenn in nächtiger Stunde Augen locken voll Gelüst, Wenn du dann von falschem Munde Ohne Liebe wirst geküßt; Vor Verbrechen dann und Reue Und vor neuem Liebeswahn, Vor Verrat an deiner Treue — Schützt dich stets mein Talisman!" Russen. 12S Der Antschar. Vom Hauch des Wüstenwinds umweht, Versengt vom glühen Sonnenbrände, Antschar, der Baum des Todes, steht, Ein graus'ger Wächter auf dem Sande. Die Gottheit hat erschaffen ihn Am Tag des Zornes zum Verdorren, Mit Gift getränkt der Blätter Grün Und seiner Wurzeln rauhe Knorren. Gift tropfet durch sein Rindenkleid Im Tagesglühn am Stamme nieder; Doch um die abendliche Zeit Erstarrt zu Harz die Masse wieder. In seinem Laub kein Vogel weilt, Der Tiger flieht ihn; nur mit Grollen An ihm der Smum vorübereilt Und stürmet weiter, giftgeschwollen. Und trifft, verirrt von ihrer Bahn, Die Wetterwolke seinen Gipfel, Vergiftet rauscht der Regen dann Aus seinem todesschwangern Wipfel. Und einst, den Haß im Blick, gebot Mit Herrscherspruch ein Mensch dem andern, Ob dort auch lauerte der Tod, Zum Wüstenbaume hinzuwandern. Er ging, und siehe, kehrte bald, Das Harz in seinen Händen, wieder; Doch von der Stirne feucht und kalt Rinnt ihm der Schweiß in Strömen nieder. Die Kniee wanken, er erblaßt, Und sterbend brechen seine Glieder Auf den geflochtnen Weidenbast Zu des Gebieters Füßen nieder. — Slavis'chr Anthologie. 9 130 Slavische Anthologie. Mit diesem Gifte tränkte doch Der Fürst die Pfeile sonder Grollen — Und einer nach dem andern flog Todbringend in die Nachbargauen . . . A. Alcharin. Der schwarze Shawl. Mein Äug', wie im Wahnsinn, blickt starr auf den Shawl, Am eisigen Herzen nagt bittere Qual. Jung war ich an Jahren, leichtgläubig mein Sinn, Da gab einer Griechin ich glühend mich hin. Schön war sie und minnig, stolz nannt' ich sie mein: Doch bald brach der Tag meines Unglücks herein. Einst saß ich mit Gästen im fröhlichen Kreis, Da naht sich ein Jude und flüstert mir leis: „Du schwelgst hier mit fröhlichen Gästen vergnügt, Derweil deine Griechin dich treulos betrügt." Ich fluchte dem Juden, doch gab ich ihm Geld, Und schnell ward mein treuester Sklave bestellt. Wir flogen auf mutigen Rossen dahin, Und jegliches Mitleid entwich meinem Sinn, Kaum daß ich die Schwelle der Griechin erschaut, Da trübt sich mein Auge, ich zittre, mir graut . . . Ich schleiche zum Zimmer des Mädchens allein, Da saß sie mit ihrem Armenier zu zwei'n. Von selbst hob mein Arm sich zu wuchtigem Hieb, Noch küßte der Schurke das buhlende Lieb. Mit Füßen zertrat ich den kopflosen Leib: Starr sah ich noch lang auf das treulose Weib. Russen. 131 Ich denk' ihrer Thränen, ich hör' ihren Schmerz . . . Doch tot ist die Griechin, und tot ist mein Herz! Ich riß von dem zuckenden Haupt ihr den Shawl Und wischte dann schweigend das Blut von dem Stahl. Die Leichen der beiden: im Dunkel der Nacht Mein Sklav' hat sie heimlich zur Donau gebracht. Seitdem küss' ich funkelnde Augen nicht mehr, Seitdem drücken lustige Nächte mich schwer. Mein Äug', wie im Wahnsinn, blickt starr auf den Shawl, Am eisigen Herzen nagt bittere Qual. Fr. Badenstedt. Das Kloster auf dem Kasbek. Es glänzt, Kasbek, dein Herrscherzelt Hoch über dem Gebirg, erhellt Von einem ew'gen Strahlenscheine; Es schwebt in wolkenloser Reine Dein Kloster, wie die Arche, dort Kaum sichtbar ob der Berggemeine. Du ferner, du ersehnter Port! Dorthin, nach freien Regionen Aufsteigen aus der Schluchten Haft, Ein Mönch dort über Wolken wohnen Blocht' ich in Gottes Nachbarschaft! Theodor Opitz. 132 Slavische Anthologie. Ständchen. Nächtlicher Duft Weht durch die Lust; Es saust, Es braust Der Guadalquivir. Sieh, der Mond ist aufgegangeu: Leise, horch . . . Guitarrenton . . . Eine Maid in Jugendprangen Steht gelehnt auf den Balkon. 'Nächtlicher Duft Weht durch die Luft; Es saust, Es braust Der Guadalquivir. Nimm vom Nacken die Mantilla, Wie der Tag uns aufzugehn — Schönstes Mädchen von Sevilla, Laß dein kleines Füßchen sehn! Nächtlicher Duft Weht durch die Luft; Es saust, Es braust Der Guadalquivir. Fr. Bodenstedt. Dir Walke. Vorbei ist der Sturm, das Gewitter zerstoben, Was schwebst du allein noch, o Wolke, dort oben? Verdunkelst allein noch den blühenden Hag, Betrübest allein den frohlockenden Tag! Russen. 133 Hast eben erst grollend den Himmel umhangen, Daß zündende Blitze dir zuckend entsprangen; Hast Donner geschleudert, dich finster gesenkt, Die lechzende Erde mit Regen getränkt. Erfrischt ist nun alles, das Wetter zerstoben, Verschwinde auch du, letzte Wolke, dort oben! Der Wind, der jetzt kost mit den Blattern am Baum, Vertreibt dich sonst bald aus dem sonnigen Raum. Die beiden Uaben. Durch die Luft ein Rabe krächzt, Hungermüd nach Labung lechzt; Frügt er einen andern Raben; Werden mir heut Speise haben? Und der andre Rabe spricht; Heut an Speise fehlt es nicht: Tot im Feld, am Waldessaume, Liegt ein Ritter unterm Baume. Wer, warum man ihn erschlug? Weiß der Falk nur, den er trug, Weiß des Ritters schwarzes Roß nur Und sein junges Weib im Schloß nur. Flog der Falk zum Walde fern, Blieb das Roß dem Feind des Herrn; Und die Frau harrt ihres Lieben, Aber des nicht, der geblieben . . . Fr. Badenstedt. 134 Slavische Anthologie. Das Denkmal. Ein Denkmal hab' ich mir in meinem Volk gegründet, Nicht Menschenhand erschus's, kein Gras bewächst den Pfad — Doch stolzer ragt es auf als jenes, das verkündet Napoleonsche Ruhmesthat. Nein! ganz vergeh' ich nicht: mag auch zu Staube werden, Was der Verwesung Raub, der Leib, den man begräbt Im Liede lebt mein Geist, solange noch auf Erden Auch nur ein einz'ger Dichter lebt. Durch alles Russenland trügt meinen Ruhm die Muse, Wo einst mich jeder Stamm in seiner Zunge nennt, Der stolze Slave mich, der Finne, der Tunguse, Wie der Kalmück der Steppe kennt. Und lange wird mein Volk sich liebend mein erinnern, Weil ich es oft erfreut durch des Gesanges Macht, Für alles Gute Sinn erweckt in seinem Innern, Und den Gefallnen Trost gebracht. O Muse! folge stets der Stimme deines Gottes, Fürcht nicht Beleidigung, nicht auf Belohnung sieh, In Gleichmut hör den Ruf des Ruhmes wie des SpotteS, Und mit den Thoren streite nie! Fr. Bvdeustedt. Michail I. Uermontou. Dir drei Palmen. Drei Palmen wuchsen im Wüstensand, Stolz ragten sie auf im arabischen Land. Und unter den Palmen entsprang eine Quelle Dem sandigen Boden so frisch und so Helle, Russen. 135 Geschützt durch der Bäume grünschimmerndes Laub Vor Sonnengesenge und Wrbelstaub. Unhörbar ein Jahr nach dem andern entschwand; Doch nahte kein Pilger aus fremdem Lauch Zur Rast sich im kühligen Schatten zu setzen, Mit Wasser die brennenden Lippen zu netzen. Schon dorrte das Laub in der Sonnenglut, Versiegte allmählich der Quelle Flut. Da klagten die Palmen zum Himmel das Wort: „Du hast uns geboren, nun sind wir verdorr«! Wozu unser Wachstum, wozu unser Blühen Im Samumgewirbel und Sonnenstrahlglühen, Wenn nie sich ein Mensch unsres Segens erfreut? . . . Ist das deiner Satzung Gerechtigkeit?" . .. Und sieh — in der Ferne tiefblauendem Flor, Da wirbelte goldig der Sandstaub empor, Stets näher erklang ein Getön und Geschelle, Auf Höckern erglänzten Gewirke und Felle, Und es schritt, gleich schaukelnden Schiffen im Meer, Ein Zug von Kamelen im Sand einher. Hoch zwischen den schwankenden Höckern steht Manch Zelt, von farbigen Tüchern umweht; Nun ziehen sie bräunliche Hände zurücke, Nun lugen ins Land glutflammende Blicke. Ein hagrer Araber mit Speer und Geschoß, Er spornt sein herrliches Bcrberroß. Da bäumt sich das Roß; in rasender Eil' Fliegt's hin wie ein Panther, getroffen vom Pfeil; Weit wehen des weißen Gewandes Falten, An des Faris Schultern mit Spangen gehalten; Hoch wirft er den Speer und fängt ihn auf Mit Geschrei und Gepfiff im Sturmeslauf. Nun hält bei den Palmen der Zug; alsbald Ruht wohlig im Schattenhort jung und alt; Mit Wasser gefüllt sind die Krüge. Es nicken Die Kronen der Palmen, sie grüßen und blicken 136 Slavische Anthologie. Herab auf der Gäste erflehte Schar; Froh sprudelt die Quelle so kühl und klar. . . . Doch als die Nacht auf die Erde sank — Die Axt an den Stämmen der Palmen erklang! Und die seit Jahrhunderten prangten im Sande, Sie wurden zerschellt, und in loderndem Brande Verglühten sie mählich während der Nacht, Und Kinder zerrissen der Blätter Pracht. Und als der Nebel nach Westen fiel, Verfolgte der Zug seiner Reise Ziel. Nichts fand von den Palmen des Morgenrots Schimmer, Als schwärzliche Asche und Funkengeglimmer; Dann strahlte die Sonne voll Majestät — Doch war jede Spur vom Winde verweht. Und heute liegt's stumm und verödet ringsher, Es flüstert kein Laub mit der Quelle mehr; Vergebens flehen um Schatten die Fluten — Nur Sandstürme wehn in der Sonne Gluten; Der Geier nur kreist in den Lüften und kreischt, Indem er die Beute zerrupft und zerfleischt. Fr. Fiedler. Der Palnyweig aus Palästina. Sag, Zweig aus dem gelobten Lande, Von welchem Baum bist du gepflückt? Erblühtest du am Stromesrande, Hast einen Berg, ein Thal geschmückt? Hat dich des Jordans Flut umflossen, Mit reiner Welle dich erquickt — Bist du dem Libanon entsprossen, Vom Bergeswind gewiegt, geknickt? Erklangen alter Lieder Töne, Erscholl es betend durch den Raum, Russen. 137 Als Solimans verarmte Söhne Dich pflückten von dem heim'schen Baum? Und steht die Palme noch im Süden Und lockt mit breitem Blütterhaupt Den Wüstenwanderer, den müden, Des Schutzes in der Glut beraubt? Oder ward sie der Trennung Leiden Verwelkend, wie du selbst, zum Raub, Sah sich des Blätterschmucks entkleiden, Verdorrt im heißen Wüstenstaub? Sprich, war's ein Pilger, der dich pflückte, Dich hertrug von der heim'schen Flur? Sprich, ob ihn Gram und Kummer drückte, Und wahrst du seiner Thränen Spur? Sprich, oder war's der beste Streiter Jehovas im gelobten Land, Der immer fromm, gerecht und heiter Vor Gott und vor den Menschen stand? Ein Sprößling heiliger Gefilde, Bewahrt durch eine höh're Macht: So stehst du vor dem goldnen Bilde, Des Heiligtumes treue Wacht! Die Bilder all — der Lampenschimmer — Das Kreuz, des Glaubens Sinnbild hier . . . Es weht der Frieden Gottes immer Um dich und auf und unter dir! Fr. Bodeustedt. Der Traum. Die Brust durchbohrt, lag ich auf fels'gem Grunde Von Dhagestan in schwüler Mittagsglut, Es rauchte noch die grause Todeswunde Und langsam niedertropfend rann das Blut. 138 Slavlsche Anthologie. Ich lag allein auf gluterhitztem Sande, Nur düstre Felsen ragten um mich her, Die Häupter glüh vom heißen Sonnenbrände — Ich aber schlief den Schlaf des Todes schwer. Es träumte mir, daß bei dem Glanz der Kerzen Ein Fest gefeiert werd' im Heimatland, Viel schön geschmückte Mägdlein unter Scherzen Gedachten meiner auch am fernen Strand. Und während hin und wieder Witzesfunken Und Neckereien schwirrten voller Lust, Saß eine da, in Träumerei'n versunken, Und mancher Seufzer hob die schöne Brust. Sie sah im Geiste sich auf fernem Grunde, Zu Füßen ihr ein Leichnam auf dem Sand, Noch rann das Blut aus tiefer Todeswunde — Und ach, der Tote war ihr wohlbekannt! A. Ascharm. Der Dolch. Ich lieb' es, deinen kalten Glanz zu sehn, Mein Dolch, mein Kampfgenoß, mein treuer Diener! Zum wilden Kampfe schliff dich der Tschetschsn, Dich schmiedete zur Rache der Grusiner! Es schenkte eine Lilienhand dich mir, Als mich ihr Arm zum letztenmal umschlossen, Und — statt des Bluts — zum erstenmal auf dir Um mich geweinte Thränenperlen stossen. Ihr schwarzes Auge in der Schmerzensflut Bald trüb sich schloß, bald blendend funkelte: Gleichwie dein Eisen bei des Feuers Glut Bald Blitze warf, bald sich verdunkelte. Russen, 139 Zum Pfände treuer Liebe weihte mir Ihr Auge dich, das thränenfeucht verklärte: Drum liebend ewig treu sein will ich ihr, Ja, fest wie du, mein eiserner Gefährte! Fr. Bodenstedt. Md. Wenn deiner Stimme Klang Schmeichelnd ins Ohr mir tönt, Hüpft, wie im Käfig Ein Vöglein, das Herze mir. Blick' ich ins Auge dir, Tief in das Himmelsblau — Will mir die Seele Sprengen die glühe Brust. Thräne des höchsten Glücks Perlt mir im Auge, Und an den Hals dir Flog' ich vor Seligkeit! . . . Fr. Fiedler. Ws quält mich, es drückt mich. Es quält mich, es drückt mich, und keiner ist, der mich versteht, Ich leide und klage vergebens . . . Und während erfolglos mich ewig Verlangen durchweht, Entschwinden die Jahre, die besten des Lebens. Die Liebe? ... ihr flucht'ger Genuß ist der Mühe nicht wert, Und ewig zu lieben unmöglich. 140 Slavische Anthologie. Im Herzen wird bald jede Spur des Vergangnen verzehrt, Und Freude, wie Gram, ist hier kleinlich und kläglich. Der Leidenschaft Toben, ob früh oder später, entflieht, Verstand und Zeit bringt sie zur Stummheit; Das Leben ist, wenn man's bei kaltem Verstände besieht, Eine elende Posse voll Jammer und Dummheit. . . . Fr. Bodenstedt. Das Mrbrt. Wenn nur das Herz vor Weh vergeht, Die Brust erglüht im Leid, Dann spricht ein wundersam Gebet Mein Geist voll Innigkeit. Voll Lebenskraft und Weihe tönt Der Worte Harmonie, Drin atmet heilig, gottversöhnt, Der Schönheit Poesie. Der Zweifel, der mein Herz versteint, Wie Felsenlast entweicht — Die Seele glaubt, das Auge weint, Mir wird so leicht, so leicht! . . . Fr. Fiedler. Alexej VW. Koljcor. Dir Dlume. Du holde Tochter der Natur, O Blume, Schmuck und Zier der Flur, Zu kurzem Sein vom Lenz geküßt — Wer ist es, der dich liebend grüßt? . Russen. 141 Was trägst du so dein Rot zur Schau? Was schimmerst du, benetzt vom Tau? Was atmest du so unbewußt Des Lebens heiligreine Lust? Für wen erfüllest du mit Duft, Allein, den Dörfern fern, die Luft? Für die beschwingten Freunde nur, Die frohen Sänger der Natur? Ihr Gräser alle, reifet ihr Für sie nur mit der bunten Zier, Dem süßen Hauch, dem Blütenkleid, Den Beeren in der Einsamkeit? O singe, Schnitter, rufe laut Der Sängerin, der Schnitterbraut, Bevor du noch mit Sensenschall Berührt die holden Gräser all! Fr. Fiedler. Kird. Du mein gülden Ringelein, Augenlust und Reichtum mein, Liebespfand — blick hell und klar Mir ins schwarze Augenpaar! Wenn sie Seelenkummer hat — Werde trübe, blinke matt; Ist sie frohgemut — alsdann Nimm des Demants Gluten an! Wenn sie meiner nicht mehr denkt, Andern ihre Gunst verschenkt — Dann, mein Ring, so güldenklar, Werde schwarz für immerdar! Fr. Fiedler. 142 Slavische Anthologie. Drr Stern. Wo ich auch sei — vor mir steht immer Ein Stern mit demanthellem Schimmer Bis an der Morgenröte Licht Und blickt mir in das Angesicht . . . Er strahlte, als wir schieden. — Bald indessen War jene Wunde, war das Lieb vergessen! Doch nicht so dieses einen Sternes Glühn: Denn nimmermehr gewöhn' ich mich an ihn! Ach, er erfüllt mit Wehmut mich zuzeiten, Mit Reue bald und bald mit Seligkeiten, Doch öfter noch mit herber Traurigkeit — Und immer thut mir die Gefallne leid! . . . Fr. Fiedler. Philomete. Bezaubert von der Rose Pracht, Klagt Philomele Tag und Nacht: Jedoch die Rose horcht und — schweigt, Zum Unschuldsschlaf das Haupt geneigt . . . So singt mit zarten Lyratönen Ein Dichter oft das Lob der Schönen: Sein Herz durchglüht der Liebe Leid, Doch ahnt es nicht die junge Maid — Wen er besingt, warum sein Lied Ein tiefer Seelenschmerz durchzieht. Fr. Fiedler. Das letztr Wagen. Stürme heulten, Donner rollten Mir zu Häupten wild dahin: Schauder faßte meine Seele, Schicksalsfurcht den zagen Sinn. Doch nicht fiel ich in dem Kampfe, Trug mit Stolz des Schlages Schmerz: Russen. 143 Wünsche wahrte fest mein Busen, Kraft der Körper, Glut das Herz. Was ist Untergang, was Rettung! Komme, was zu kommen dräut! Auf des Himmels reiche Güte Baut mein Herz seit langer Zeit. Dieser Glaube kennt nicht Zweifel, Er erfüllt mich lebenslang; Frieden beut er, beut mir Ruhe, Unermeßlich ist sein Drang. Drohe nicht mit Unheil, Schicksal, Ruf mich nicht zum Kampf heraus: Bin bereit, mit dir zu streiten Und besiege dich im Strauß! Riesenkraft hegt meine Seele, Blut mein Herz! — Was geht mir ab? An dem Kreuz hängt meine Liebe, Unterm Kreuz sei einst mein Grab! Fr. Fiedler. Jeugenij A. MruünLki;. Wir trennten uns. Wir trennten uns. Mein Leben zu verschönen, Ward mir zu teil nur kurze Rauscheslust . . . Nie lausch' ich mehr der Liebesworte Tönen, Nie atm' ich mehr aus liebevoller Brust. Ich hatte alles — alles schwand von hinnen, Ich träumte kaum — doch wich des Traumes Glück! . . . Bestürzung nur und starres, dumpfes Sinnen Blieb mir von meiner Seligkeit zurück. Fr. Fiedler. l44 Slamschc Anthologie. Unzertrennlich. Es ging die Freude und das Leiden Einst Hand in Hand den Lebenspfad, Doch bald entzweiten sich die beiden Verschiednen Freunde. In der Thnt Sprach bald der eine zu dem andern Am Kreuzweg: Lebe wohl! Allein Nach einem Tag schon wieder wandern Des Weges Rest sie im Verein. E. Baumbach. WrMj M. Jazvktw. Ginrm Dichter. Wenn die Begeisterung sich dir vermählte, Wenn dir das Herz erzittert in der Brust, Wenn dich die Weihe des Berufs beseelte, Wenn du dir deiner Segenspflicht bewußt, Und wenn dir zur Gestaltung nichts gebricht, Worin der Gott sich kund auf Erden thut: Der Hochgedanken Glut und Licht, Der Flammemvorte Kraft und Mut — Tritt in die Welt, daß der Prophet sich künde — Doch sei erhaben, heilig in der Welt! O, fliehe vor dem süßen Kuß der Sünde, Erstrebe nicht den Lohn in Ruhm und Geld! Ob auch des Schicksals Wut dir alles raube, Ob dir sein Auge lache hold und klar — Sei unbescholten wie die Taube, Kühn und entschlossen wie der Aar! Russen. 145 Erzeugen werden deiner Harfe Saiten Der Harmonie beseligenden Klang. Vergessen wird der Sklave seine Leiden Und König Saul wird segnen deinen Sang. Es wird dein Leben stolz und hehr erblühen Und, ewig Helle wie der Alpen Firn, Wird leuchten deine reine Stirn Und deiner Augen keusches Glühen. Doch wenn nach Ruhm und der Gelüste Labe Dein irdisch Streben und Verlangen steht — So trage nicht des Sammelns reiche Gabe Zum Altar deines Gottes! Dein Gebet Wird er verwerfen und des Opfers Tücke, Und seines Zornes Blitz und Donner wird Vernichten sie — und vor dem grimmen Blicke Weicht furchtdurchbebt der Priester, schamverwirrt! Fr. Fiedler. MalUmir G. AenelMttov. Altes Kird. Es war zur schönen Lenzeszeit — Zum Ufer waren sie gegangen — Des Flusses Wellen rauschten leis, Im Morgenrot die Vögel sangen. Da drüben lag ein stilles Thal Mit seinen üppig grünen Gründen, Und nah dem blühnden Schlehdornbusch Der Laubgang stand von dunklen Linden. Es war zur schönen Lenzeszeit — Zum Ufer waren sie gegangen — Elavijche Anthologie. 1V 146 Slcwische Anthologie. So lieblich war sie wie der Mai - Ihm färbte leichter Flaum die Wangen. O hätte jemand sie gesehn An diesem klaren Frühlingsmorgen, Ihr süßes Zwiegespräch belauscht, So heimlich und so weltverborgen. Ihm wäre Freude aufgeblüht In seiner Seele gramumdüstert, Hütt' er vernommen, was so hold Die erste Liebe dort geflüstert. Ich sah sie später in der Welt — Sie — eines andern Frau indessen — Und ihn als einer andern Mann — Was einst gewesen — war vergessen! In ihren Mienen — welche Ruh', Einförmig glatt floß hin ihr Leben, Und trafen sie bei Fremden sich, Sie konnten kühl die Hand sich geben. Und ferne an des Flusses Rand Da blühte wohl der Schlehdorn wieder, Und Fischer nur in ihrem Boot, Sie sangen dorten ihre Lieder. Es blieb, ach, kein Erinnern mehr Von Worten, hier dereinst getauschet, Auf welche in der Lenzeszeit Sie beide glückerfüllt gelauschet. Schmidt. Rüssen. 147 Gräfin Jemtokizu P. KosiMina. Der sollende Stern. Er schoß herab — im nächt'gen Granen Sah ich, wie er sich niederschwang, Doch fand nicht Zeit, ihm zu vertrauen, Was wünschend mir das Herz durchdrang. Ich sah ihn fallen und entschweben: Warum ward ich nicht auch geweiht, Wie dieser Stern, zu einem Leben Der Freiheit und der Schnelligkeit? Gleichwie der Stern könnt' ich vom Himmel Mich stürzen in die blaue Fern' Und fliegen durch das Weltgetümmel Und glanzvoll sterben wie der Stern. Fr. Bodeustedt. Jürjt Mer A. VjuMlMj. Thronen. Ach, wie viel vergoß ich Thranen einst im Schinerz Und wie viel verschloß ich Tief ins wunde Herz! Die dem Äug' entbebten, Deren denk' ich nie: Frisch wie Tau belebten Meine Seele sie. 148 Slavische Anthologie. Die im Herzensgründe Ihr verborgen floßt — An der alten Wunde Haftet ihr wie Rost! Wilhelm Wolfsohn. Alexej Step. Chomjukor. Ich danke dir! Ich danke dir! — Als deine Strahlenblicke So liebevoll entgegen mir gelacht, Entschlief in meiner Brust, besiegt vom Glücke, Der Wünsche Herrschermacht. Ich danke dir! — Als auf den jungen Sänger Du kalt geblickt mit strengem Angesicht, Da bäumte sich mein stolzer Sinn, und länger Trug ich die Fesseln nicht. . . . Noch höher strebt mein Geist auf Riesenflügeln, Es blüht mein Herz in friedereicher Brust Und schlägt so frei und kann mit Mühe zügeln Der Dichtkunst Götterlust. Anr hellsten blaut das Meer nach Sturmestoben Und haucht den stärksten Duft das Blumenfeld: So kommt der Aar, von lahmer Schwing' erhoben, In seine Wolkenwelt! Fr. Fiedler. Russen. 149 JeoÜor I. Tjutceu. Mein Vaterland. Diese darbende Umgebung, Diese kümmerliche Herde — Heimat duldender Ergebung, Du, des Russenvolkes Erde! Nicht erkennt und nicht gewahret Stolzer Fremdenblick die Größe, Die an dir sich offenbaret, Still in demutsvoller Blöße. Er, der für die Welt gelitten, Seiner Kreuzeslast erlegen, Hat in Knechtsgestalt durchschritten Dich mit seinem Hinimelssegen. W. Wolflohn. Jimn Serg. AKMor. Die Spatfler lutrose. In herbstlich ernster Blumen Mitte, Die schon manch bösen Sturm gesehn, Sah ich, wie unterm Elsentritte, Ein lieblich Frühlingskind erstehn; Ein purpurn Röslein, dessen Düste Sich süß erschlossen über Nacht 150 Slaoische Anthologie. Und Sonnenglanz und Maienlüfte Mir ungeahnt zurückgebracht. Du lieber Gast, o sei willkommen! Von Jugend, Liebe, Frohgenuß, Von allem, was die Zeit genommen, Bringst du mir wehmutsvollen Gruß. I. B. Nikolaj A. AeKrajov. HrimatstiUr. Korn allerorten, keine Spuren Von Schlössern, Bergen, Meeren weit . . . Dank, Heimat, dir für deiner Fluren Heilkräftige Unermeßlichkeit! Fern an des Mittelmeers Gestaden Und unter heißerm Himmelsstrich Wollt' ich der Trübsal mich entladen, Und keinen Trost erlangte ich! Mir selbst dort fremd, verstumm', verzag' ich, Könnt' meinem Schicksal nicht entgehn: Mich seinem Walten beugend lag ich . . . Nun du mich angehaucht — vermag ich Vielleicht den Kampf noch zu bestehn! Dein bin ich. Macht' des Vorwurfs Zürnen Mir auf den Fersen folgen — nein, Nicht fremder Länder Thal und Firnen — Der Heimat galt mein Lied allein! An meinem Lieblingstraum vollend' ich Die Prüfung heut init Emsigkeit, Und allem, tief ergriffen, send' ich Mein Willkomm zu . . . Die Ströme breit, Russen. 151 Die rauh den Kampf mit Wettern wagen, Erkenn' ich, lausche voll Behagen Der Fichtenwälder leisem Sang, Und seh' die stillen Dörflein ragen, Kornfelder unabsehbar lang . . . Da seh' ich Heller blinkend drüben Die Kirche auf dem Berge stehn Und fühl' von kindlich reinen Trieben Mir's plötzlich durch die Seele wehn. Nicht stört des Zweifels list'ge Führung, Und eine Stimme flüstert drein: Erfaß den Augenblick der Rührung, Tritt mit entblößtem Haupte ein! Wie warm auch fremde Meere seien, Lockt auch die Fremde, schön geschmückt, Nicht sie kann uns vom Leid befreien, Vom Kummer, der uns Russen drückt! Wohl gehen Seufzer nur und Weh um In deines Landes winz'gem Dom: Von schwerem hallt's im Koliseum Und in Sankt Peter nie zu Rom. Dein teures Volk trug seiner Schmerzen Und Trübsal, die nie auszumerzen, Ehrwürd'ge Last zu diesem Ort — Und ging erleichtert wieder fort. Tritt ein! Und unter Christi Händen, Durch seines heil'gen Willens Macht Wird deines Herzens Oual sich wenden, Dein krank Gewissen heil gemacht. . . . Ich hört's . . . betrat die heil'ge Stätte . . . Und schluchzte lang, schlug im Gebete Die Stirn auf harte Fliese dar, Daß mir vergebe, mich vertrete, Im Kreuz mich schütze und bewahr' Der Gott der Schwachen und Bedrückten, Gott der Geschlechter, die sich bückten Vor diesem ärmlichen Altar! C. Arsirn. l52 Slavische Anthologie. AxaUon A. Majkw. In meinem fernen Morden. In meinem fernen Norden will Ich dieses Abends stets gedenken! Wir blickten nach den Weiden still, Die sich zum Weiher niedersenken. In blauer Fern' der Lorbeerhain, Des Oleanders Blüten prangten, Und undurchdringlich ob uns zivein Als Dach sich dichte Myrten rankten. In blauem Duft die Höh'n umher; Zu schwimmen in die Ferne schienen Durchs golddurchglühte Nebelmeer Die Aquädukte und Ruinen . . . Und beim Kaskadenrauschen hier, In dieses Sonnenglanzes Helle Sprachst du zu mir berauscht: Mit dir Könnt' sterben ich an dieser Stelle. . . . Hermann Roskoschny. In den Alpen. In des Morgenrotes Strahlen Auf der Höh' ein Holzkreuz steht, Vor dem Kreuze auf den Knieen Liegt ein Mädchen im Gebet. . . . Für den Wandersmann, den fremden, Bete auch, du reines Kind, Bete auch für die Betrübten, Ob sie gut, ob böse sind. . . . Reines Kind, für den auch bete, Der noch weit vom Ziele hält, Der mit lieberfülltem Herzen Steht allein doch auf der Welt. . . . Hermann Rotzkoschny. Russen. 153 Winter. Mein Kind, die Wunderzeit, mir sahen sie verschwinden, Der Lilientage, der Syringen, duft'gen Linden! Die Nachtigall ist stumm, der Ammer Lied verhallt. — Laß ab! — Nicht winden kannst Guirlanden du im Wald, Noch mit Vergißmeinnicht das Köpfchen dir umkränzen, Nicht grüßen mehr, im Tau, des Morgenrots Erglänzen, Nicht mehr dich freun, wie sonst, wenn Äbendschatten wallten, Wenn unten überm See sich warnte Dünste ballten, Und wenn die Stern' hindurch in seinen Spiegel sahn. Nicht rankt sich Epheu mehr, noch Blum' den Fels hinan, Nur Moos starrt aus der Kluft, von Flocken früh um¬ schwärmt. Doch du, dieselbe stets, so ungestüm und mild. — Ich lieb' es, wenn, vom Lauf ermüdet und erwärmt, Du, mit des Frostes Hauch, in meine Hütte wild Eindringest und, den Schnee vom Haupte schüttelnd, grüßest Und, munter lachend, mich so hell und herzlich küssest! - Arn. von Tideböhl. Aus dunklem Thal. .. Aus dunklem Thal zieht's wunderbar Den Blick empor zur Bergeschar; Und immer scheint s, als rufe dort Ein Glockenläuten fort und fort: „Hierher! hierher!" Stand' hoch im Eis Etwa ein Dom zu Gottes Preis? Den: hehren Rufe folgt' ich, stand Schon hoch an ew'gen Eises Rand — Kein Dom war da! rings alles leer . . . Kein Lebenslaut erschallet mehr, Die Erde deckt ein Nebelflor - Doch über mir tönt wie zuvor Den weiten Himmelsdom entlang „Hierher! hierher!" — Derselbe Klang. C. Jisstn. 154 Slavische Anthologie. Graj Alexej J. Tolstoj. Der Strömung entgegen. Hört ihr, Freunde, das gellende Schreien der Leute: „Ergebt euch, ihr Sänger und Künstler! Die Flammen Eurer Musen erlöschen im praktischen Heute! Schaut um euch, Phantasten, wie schmelzt ihr zusammen! Weicht dem Andrang der Neuzeit, ihr könnt ihn nicht hemmen! Die Welt ist ernüchtert, mag Täuschung nicht hegen — Ihr, verkommnes Geschlecht, wähnt, ihr könntet euch stemmen Der Strömung entgegen?" Glaubt's nimmer, o Freunde! Stets lockt mit Verlangen Dieselbe unnennbare Macht aus der Ferne: Wie sonst nimmt der Nachtigall Lied uns gefangen: Und immer noch sreun uns die himmlischen Sterne! Und Wahrheit bleibt Wahrheit! Wenn Dunkel euch höhnen, Vertraut auf der hehren Begeisterung Segen; Auf, rudert in Eintracht, im Namen des Schönen Der Strömung entgegen! Denkt nur: wie zur Zeit byzantinischen Verfalles Bei dem Ansturm auf Kirchen stets wüster und wilder, Das erbeutete Heiligtum jauchzenden Schalles Beschimpfend, auch schrieen die Stürmer der Bilder: „Wer kann unsrer Uebermacht Widerstand leisten! Wir erneuten die Welt mit der Denkkraft Belegen — Will die Kunst, die besiegte, zum Kampf sich erdreisten Der Strömling entgegen?" Und da, als am Leibe den Heiland sie schädigten, Und drauf die Apostel ausgingen, die Seher, Und die Worte des Meisters allüberall predigten, Was sprachen in Hoffart die Herrn Pharisäer: „Der Rebell ist gekreuzigt! Stets bleiben verspottet Die verhaßten, unsinnigen Lehren! Wie zögen Solch Elende, aus Galiläa gerottet, Der Strömung entgegen?" Russen. 155 O rudert nur, Freunde! Die Tadler vermeinen Jin Irrwahn, ihr Hochmut gereicht uns zur Schande: Mit unserem heiligen Banner erscheinen Im Triumph wir als Bänd'ger der Wogen am Strande! Endlosem muß Endliches doch unterliegen, Und wir, unsres hohen Berufs voll, erregen Die Gegenströmung, in welcher wir siegen Der Strömung entgegen! C. Jessen. Aus der Krim. Kühl weht um Mitternacht die Luft, Aus Schlucht und Thal steigt Nebelhelle, Die Pflanzen hauchen stärker» Duft Und lauter dröhnen Wasserfälle. Wie blendend ist des Mondes Strahl, Wie scharf begrenzt die Bergeskuppen! Wie heimlich unten liegt das Thal Baidars mit schlanker Bäume Gruppen. Hoch droben glänzt der Himmelsbau, Nor uns liegt's schwarz gleich bösen Wettern, Und zitternd funkelt rings der Tau In großen Thränen auf den Blättern . . . Mir wird so leicht, frei fühle ich Mich von des Lebens Kleinlichkeiten, Nicht Furcht noch Hoffnung bannen mich — Was noch geschieht, was war vor Zeiten — Mir gilt es gleich — und was mich früh Mit Ketten an die Welt gebunden, Ist alles mit des Tages Müh' Und Last im Mondenglanz verschwunden. Wohin schweift der Gedanken Jagd, Die irrend durch die Dümmrung gleiten? Läßt uns ein Traum mit Zaubers Macht Selbander längs dem Abhang reiten? Wärst du's, die schüchtern in der Nacht Dich zu mir neigtest, dich zu leiten? 156 Slavische Anthologie. Sah' ich's denn wirklich nicht im Traum: Wie Sterne in der Höhe schweben, Wie 's Rößlein schreitet hörbar kaum, Wie deine Glieder leis erbeben? — Will bei des Monds unsicherm Licht Ein trügerisch Gesicht mich necken — Und war's ein Traum? Dann wolle nicht Mich aus so holdem Schlummer wecken! L. J-si-n. O, zweifle stets. O, zweifle stets, wenn ich vor Leidesschwere Verneine unsrer Liebe junges Glück: Zur Zeit der Ebbe traue nicht dem Meere — Zum Ufer kehrt es liebevoll zurück! Bald wird die Sehnsucht mir den Busen schwellen, Bald bin ich wieder ganz in deinem Bann — Und sieh, schon fluten mit Gebraus die Wellen Zu dem geliebten Userwall heran! Fr. Fiedler. Afunusij A. Fet-SenNN. Alles schläft. Alles schlaft, mein Lieb — komm in des Gartens Nacht! Alles schlaft, uns sieht allein der Sterne Pracht ... Doch auch sie erspühn uns nicht im Blätterhort, Nur die Nachtigall hört unsrer Liebe Wort . . . Nein, sie singt so laut ihr Lied, sie hört uns nicht . . . Herz und Hand vernimmt nur, was die Liebe spricht: Russen. 157 Es vernimmt das Herz, wie große Erdenlust, Wie viel Glück wir hergebracht in unsrer Brust; Und die Hand vernimmt es, spricht zum Herzen leis, Wie noch eine andre in ihr bebt so heiß, Wie auch diese bei dem Beben wonnig glüht Und wie mächtig es das Haupt zur Schulter zieht! . . . Fr. Fiedler. Sturm. Es braust der Wind, es zieht die Nacht herauf, Es heult die See, es schäumt der Wellenkamm, Es spritzt der Schaum an den granitnen Damm, Bald vor-, bald rückwärts rollt des Meeres Lauf. So wild entfesselt ist der Brandung Wut — Ans Ufer braust die Woge also schwer, Als ob sie eine dunkle Masse wär', Wie glühendheiße rote Eisenglut; Als ob der Meergott in den Fluten tief Mit seinem Dreizack, unerbittlich laut, Zorndrohend mit der wilden Meeresbraut (jnv8 sAo! da mit Donnerstimme rief! Fr. von Khaynach. Frichtiugsnacht. Flüstern, banges Atmen, Lauschen; Philomeles Schlag; Bächleins träumerisches Rauschen; Silberschein im Hag. Nacht voll Licht, Nacht bar des Lichtes; Schatten allerseits — Des geliebten Angesichtes Wechselneuer Reiz. 158 Slaoische Anthologie. In den Wölkchen Purpurrosen, Goldner Farbenkranz — Wonnethränen, Liebeskosen, Frühlicht, Morgenglanz! Fr. Fiedler. Jakov P. Monskij. Die innere Klimme. Wenn deine Seel' in Leidenstagen Dem Drang der Liebe sich ergibt, Und doch nicht fassen kann und sagen, Wen und warum sie glühend liebt — Dann, mo der Puls von deinem Leben Dir schlügt im tiefsten Herzensgrund, Wird meine Stimme sich erheben; Merk auf! ihr Rufen gibt dir kund: Ich bin — mich kann kein Blick durchdringen — Doch nah dem Herzen, wie das Leid, Und wie ein Traum auf mächt'gen Schwingen Trag' ich dahin, so hoch, so weit! Unnahbar müßigen Gedanken — Ich, der vom Gnadenthron herab Dem Firmamente seine Schranken Und deiner Seele Freiheit gab — Ich bin geheimsten Denkens Quelle, Mein Licht durchleuchtet jede Brust;. Mich kümmern nicht die Wechselfälle Von deinem Gram und deiner Lust. Russen. 1l,9 Doch endlos weh' ich durch dos Ganze, Erfüllt soll alles Leben sein; Den Samen großer Fragen pflanze Mein Odem dir ins Herz hinein. Ich sage dir: Auf dürft'ger Scholle Laß reifen meine Gottessaat; Der Erntetag, der mühevolle, Bringt meinen Lohn für deine That. W Wolsiohn. Das lobende Modell. Unter Krankheit, Hungerplage, Der Geschwister Jammerklage Sah ich Wochen, Monde zieh«, Bis ich, von der Not getrieben, Zur Versorgung meiner Lieben In dem Atelier erschien. Schamrot fleht' ich: „O, verbindet Mir die Augen!" . . . Wie erblindet Trat ich in den Männerkreis. Wehrlos preisgestellt dem Schimpfe, Stand ich marmorstarr als Nymphe, Nur das Auge weinte leis. . . . Und nun dien' ich, um zu essen, Treu der Kunst, und ganz vergessen Hab' ich meine Frauenpflicht: Kenne keine Rötelkreide, Und sobald ich mich entkleide, Lass' ich mich entkleiden nicht! Fort die Hände! Gottgegeben Ist der Schönheit nacktes Weben,. Ist kein Reiz der Lüsternheit! Dieser Körper sei nur Seele! Drum beginne, Künstler — quäle Nicht dein Fleisch! ... Ich bin bereit. 160 Slavische Anthologie. Düfte weht zu mir der Flieder, Lichtgetaucht sind meine Glieder In der Sommersonne Schein. Fremd ist mir die Scham, das Trauern . . Manchmal nur faßt mich Bedauern: „Könnt' ich eine Puppe sein!" Sie ist nicht des Schicksals Sklave, Fürchtet nicht des Himmels Strafe, Wird nicht hungrig, wird nicht krank: Kein Verführer kann sie kirren, Ihr bleibt fremd das Suchen, Irren In der Leidenschaften Drang! . . . Deine Hand erbebt! ... Ich sehe Dich in manchem Kampf noch, ehe Du besiegst dein Glutgefühl. Künstler, lerne dich bezwingen! Willst die Palme du erringen — Die Geduld nur führt ans Ziel! . . . Einst, vielleicht, nach vielen Tagen, Hast du Kapital geschlagen Aus dem nackten Npmphenleib. Bettelnd aber brech' ich wieder Krank an deiner Thüre nieder, Ein unsäglich elend Weib! . . . Fr. Fiedler. Ivan S. Mkitin. Tief grub der Spaten. Tief grub der Spaten ein Grab in die Erde . . . Leben, mein Leben, so reich an Beschwerde, Leben, so heimatlos, duldend und traurig, Leben, wie Herbftesnacht schweigend und schaurig — Russen. 161 Bitter, fürwahr, ist dein Los auf der Welt - Und du erlischst wie ein Feuer im Feld! Stirb denn! — Bald wird keine Thräne mehr fließen: Fest wird der Deckel den Eichsarg verschließen, Schwer wird die Erde belasten den Müden — Einer nur ist aus der Menschheit geschieden: Einer, des Heimgang kein Menschenherz kränkt, Einer, des niemand mit Wehmut gedenkt! . . . Horch — welch ein silbernes Tönen und Klingen, Horch — welch ein sorgenlos jubelndes Singen! Sieh — in des Aethermeers blauenden Wogen Badet die Lerche — dem Süden entflogen! . . . Schweige, du Leben voll zweifelnder Qual! Lieder voll Thränen, verstummet zumal! . . . Fr. Fiedler. DMMj F. ScerbinN. Das Kad. Licht war der Abend. Sie stand am krystallhellen Flusse, Netzte den zierlichen Fuß mit den perlenden Fluten; Wonnig umfing ihn das Naß mit liebendem Kusse, Rauschte und leuchtete sanft in des Abendsterns Gluten. Schlangengeschmeidigen Leibs geneigt zu den Wogen Stand die schöne Gestalt aus schwärzlichem Steine, Und der Busen, von Lockengermgel umflogen, Schimmerte hell in des Mondes silbernem Scheine: Perlend prallte die Flut von der Brust, wie vom Marmor Prallt der Krystall und zerbricht. . . . O, würde die Schöne Also versteinen zur Niobe, würde sie Marmor — Ewig entzückte den Blick die badende Schöne! . . . Fr. Fiedler. Slavrsche Anthologie. 11 162 Slavische Anthologie. Alexej A. WeÄejev. Krb wohl! Leb wohl — geschlagen hat die Stunde, Leb wohl — es muß geschieden sein! Das Segel blinkt, am dunklen Himmel Erstrahlt der Sterne goldner Schein. O, biete meinem müden Haupte Als Stütze deine Schulter dar! Laß nochmals dir mit Thränen netzen Die Marmorbrust, das Seidenhaar! . . . Gleich scheiden wir für lange Monde, Und wenn wir einst uns wiedersehn — Wird statt der Liebesflamme Glühen Nur Eishauch uns im Herzen wehn. Dann werden wir mit dreistem Hohne Entweihen die Vergangenheit Und — heiße Thränen des Bedauerns Vergießen in der Einsamkeit! . . . Leb wohl, mein Lieb, mein Eins und Alles! Leb wohl — gewaltsam drängt's mich fort : Sieh, ungeduldig plätschern, schlagen Die Wogen an des Schiffes Bord. . . . Fr. Fiedler. Russen. 163 M A. Mej. Traurig bist bu. Traurig bist du, bist bekümmert, Thränen trägst du gar zur Schau? Kennst du nicht das alte Liedchen: „Mädchenthränen — Morgentau?" Morgens blinkt er auf den Auen, Mittags schon bleibt keine Spur . . . Auch die jungen Thränen schwinden Gleich den Tropfen auf der Flur. Trocknen wird der Tau der Thränen Von dem flammend heißen Blut, Von der Jugend Herzensstürmen Und der Liebe Sonnenglut! Fr. Fi-dler. Konstantin K. StncerÄüj. Die Statue. Am träumenden Ufer des Waldsees, Da rieselt und plätschert ein Quell Und blitzt mit den eisigen Fluten Und hüpft über Kies und Geröll. Dort kniet ein verwundeter Fechter, Der herrlichste Jüngling im Gras; Die brennende Wunde zu kühlen, Erhascht er das flüchtige Naß. 164 Slavische Anthologie. Doch kaum schwebt das Dunkel vom Himmel Und schimmern die Stern' in der Höh' — Da steigt die Wasserjungsrau Empor aus blauschwarzem See. Sie preßt an das Steinbild die Brüste, Umringelt's mit perlendem Haar Und seufzt verschmachtend in Liebe Und schließt das Augenpaar. Es sehen die Mitternachtssterne Der Seemaid verlangendes Flehn: Ihr Leib heischt glühes Umschlingen, Das Herz will vor Sehnsucht vergehn. Und es flüstern die Mitternachtssterne Dem Mond und dem Wolkensaum, Wie kalt und fühllos der Fechter In seinem verzauberten Traum. . . . Zwei herrliche Leiber blinken Noch lang ob dem flutenden Blau; Die stumme Mitternacht funkelt Im blitzenden Demanttau. Die Nebel wallen; es leuchtet Der Himmel im Vollmondstrahl; Es blühen und wachsen hörbar Die Moose und Kräuter zumal. Der Morgen erwacht. Die Seemaid Starrt regungslos, traurig und bleich; Dann taucht sie mit seufzender Klage Ins schauernde Flutenreich. . . . Fr. Fiedler. Russen. 165 Graf Arfemj A. Goleniäcev-Kutiyou. Im Gitzugr. Nacht ist's. Die Waggons, vom Schlafe Eingelullt, füllt Menschenfracht. Blinder Satzung blinder Sklave, Jagt der Zug in finstrer Nacht. Jagt der Zug — ich kann nicht schlafen . . . Denke, als der Abschied nah, Wie mich holde Blicke da Noch um Rückkehr flehend trafen — Hätt' auch gern des Rufes acht, Kehrte heim zu meiner Lieben; Doch von roher Kraft getrieben Jagt der Zug in finstrer Nacht! Reglos, einsam Stund' um Stunde Lieg' ich in des Dunkels Schoß; Hirngespinste zügellos Tummeln sich auf dunklem Grunde . . . Vor mir rast in wilder Jagd Der Gesichte toll Geschäume, Jagen Schemen, jagen Träume . .. Wie der Zug in finstrer Nacht! Meiner Kindheit goldner Morgen, Stürme kecker Jugendzeit, Alles, was im Tod geborgen, Jagt durch mein Erinnern heut; Jagt der Leiden bös Gelichter, Jagt das Glück, der Schönheit Pracht, Jagen Jahre und Gesichter ... Wie der Zug in finstrer Nacht! Und mir scheint, als wenn unbändig Spurlos unverwandt im All Durch die große Nacht beständig Alles jagt . . . und überall! .166 Slavische Anthologie. Hinten blieb des Grußes Labe, Wie ihn Liebe beut und Glück, Zarter Freundschaft lautre Gabe, Blieb des Glaubens Licht zurück: Einem unbekannten Lose Nach ein Rennen, eine Jagd, Wie der sinn- und willenlose Eilzug hier in finstrer Nacht! (5. Jessen. Warum erglüht mein Der;. Warum erglüht mein Herz in wildem Grollen Und perlt im Äug' der Thräne heißes Leid, Wenn meine Lippen ewig schweigen sollen, Wenn jeder Wahn dem frühen Tod geweiht? Warum durchtobt mein Blut die Kraft des Lebens, Da sie doch nimmer sich den Sieg erquält? Der Nachen ohne Segel strebt vergebens, Nichts frommt die Frage, wenn die Antwort fehlt! Fr. Fiedler. Mkolaj M. Minskij. Mein Dämon. Nein, niemals noch, seitdem die nachtgezeugten Wesen Durch Zweifel, Sehnsuchtsqual den Menschengeist erschlafft, Durch der Verneinung Spott, den Wahnsinnstneb zum Bösen Und durch das Gift der Leidenschaft; Seitdem die kluge Schlang' dein Staube sich entwunden Und zu dem Sternendom sich schwang nach kurzer Frist — Russen. 167 Ward noch kein Dämon je so graus, so bös befunden, Wie er's mir stets erschienen ist . . . Mein Dämon schreckt mich, weil auf seiner Stirn kein Zeichen Von Schadenfreude, Haß und Tücke eingebrannt, Weil er durch Flüche nie den Himmel wollt' erreichen Und nie dem Guten widerstand. Mein Dämon schreckt mich, weil, nach höchster Wahrheit ringend, Die Wahrheit dieser Welt er schonungslos verneint, Weil, als Versucher stets mein armes Herz umschlingend, Er heilig der Vernunft erscheint. Sein Wort ist mild, sein Blick glänzt sanft, als ob er flehte, Aus seiner Rüge tönt ein überirdisch Leid . . . Und will ich bannen ihn im brünstigen Gebete — Er betet mit voll Brünstigkeit! Fr. Fiedler. In meinem Herzen. In meinem Herzen geht die Liebe Wie eine Sonne auf voll Glanz, Und reiht viel holde Minnelieder Zu einem duftigen Blumenkranz. Mein Herz durchflammen Sonnengluten, Von deinem kalten Blick entfacht . . . O, daß dein kalter Blick erglühte Von meiner Sonne Flammenmacht! Fr. Fiedler. 168 Slavische Anthologie. Großfürst Konstantin Konstantinova. Krrenade. Rosabella, Madonna, mein Kind — In der Mainacht nun lasse mich singen Serenaden im kosenden Wind. Trost in Träumen sollen sie bringen, In der Stille der Nacht, Ritornelle voll Pracht, Sie mögen dich magisch umtönen. Rosabella, mein Stern — in der Welt, In der irdischen, waltet nur Kummer, Drum schlafe, den Engeln gesellt, Solang du umfangen vom Schlummer, In der Stille der Nacht, Wie von Geistern bewacht, Entrückt allen irdischen Leiden. Rosabella, mein Leben, mein Herz, Schlafe süß bei meinen Accorden! Trügen Träume dich himmelwärts, Wärst du selbst ein Engel geworden — Ritornelle süß und sacht, In der Stille der Nacht, Sie locken dich kosend zur Erden. Rosabella, die Lerche, sie ruft, Holde Engel dich stetig umschweben, Im Traum wie in sonniger Luft, Allstündlich im irdischen Leben. — Nach der Stille der Nacht Auch der Morgen erwacht, Uns zu eigen auf ewig zu geben. Julius Grosse. Rüssen. 169 Du hast gesiegt, Galiläer. Den Cäsar ereilte sein rächend Geschick: Im Kampf mit Assyrern geworfen, Zum Himmel erhob er den sterbenden Blick: Du hast gesiegt, Galiläer! — Julian ist gefallen, des Gottessohns Feind, Aufatmet befreit mm die Kirche; Hosianna fingen die Treuen vereint: Du hast gesiegt, Galiläer! Bezwingen auch wir so des Bösen Gewalt, Vom Schlummer zum Licht uns erhebend, Auf daß unser Hymnus zum Himmel erschallt: Du hast gesiegt, Galiläer. Julius Grosse. Abschied von Neapel. Es war die Zeit, da wir nach Nordland fuhren. Bald blickten wir empor zum Himmelsprangen, Bald auf die Wellen purpurn und ažuren; Die goldne Zeit, wie rasch war sie vergangen! Vor uns das Wasser ohne Strand im Blauen, Weit flammt der Golf, gleichwie ein Traum des Plato; Und eine Stimme rief im letzten Schauen: » 0 Kolla Uapoli — o suol Konto! — Julius Grosse. Erwacht ist die Erde. Erwacht ist die Erde — der Schlaf ist vorbei, Des Sommers Verkünder erschienen. O wie du so schön bist, du lächelnder Mai, Mit Rosen, mit Schwalben und Bienen! 170 Slavische Anthologie. Wie lieb' ich die Breiten der wallenden Flur, Die Frühlingsbäche, die Felder! Wie atmet zur Brust die erneute Natur Im Rauschen der Ströme und Wälder. Wie traurig, daß alles, was herrlich und groß, Was lieb von Herzen wir haben, Hinstirbt einst im starrenden Winterschoß, Im sausenden Schneesturm begraben! — Julius Grosse. Längst loschen die Lichter im Zimmer ans. Längst loschen die Lichter im Zimmer aus, Nur die Rosen duften und funkeln, Im Birkenschatten am Bienenhaus Auf der Bank wir saßen im Dunkeln. Wie liebten wir heiß, wie waren wir jung, Wie selig im Lenz wir waren — Noch heute leuchtet Erinnerung Nach längst entschwundenen Jahren. — Wie blitzte des jungen Mondes Licht Mit seinem Schimmer so eigen — Wir schwiegen beide, wir sprachen nicht, Weit heiliger war uns das Schweigen. Deine blauen Augen, so tief, so klar, Du schlugst sie nieder zum Grundei Auch die stummen Worte sind wunderbar Beredsam in solcher Stunde. — Des Hoffens Hangen und Bangen all, Was im Herzen sich barg gezwungen, Das alles hat für uns die Nachtigall In ihrem Liede gesungen. Julius Grosse. Russen. 17s Zwar das Fenster ist offen. Zwar das Fenster ist offen, erfrischt war ich nicht, Auf die Kniee hin war ich gesunken, Und die Frühlingsnacht wehte mir lau ins Gesicht, Von dem Fliederduft war ich wie trunken. In der Fern eine flötende Nachtigall sang, Und ich lauschte mit Wehmut den Tönen, Da gedacht' ich der Heimat so sehnsuchtsbang, Meiner Heimat gedacht' ich, der schönen. Wo die Nachtigall heimische Lieder singt, Nicht kennt sie die irdischen Sorgen — Auf den duftenden Zweigen des Flieders klingt Austönend ihr Lied bis zum Morgen. Juliutz Grosse. Maiglöckchen, strahlend wir Demanten. Maiglöckchen, strahlend wie Demanten, Wir pflückten viele auf dem Feld: Der Abendsonne Strahlen brannten, So warm, so goldig war die Welt. Ein Bild, wie reizlos, weltvergessen : Ein Birkenwäldchen irgendwo, Die Ebnen weit und unermessen Mit Sumpf und Sand, mit Lehm und Stroh. Ein Wüstenbild, unschön und schaurig; Seit manchem ungezählten Jahr Und längst bekannt als arm und traurig, Und doch wie schön, wie wunderbar! Ans Herz gewachsen' — lieb geworden Ist mir der Anblick: Feld und Sand — O Norden, du mein Heimatnorden, O Norden, du mein Heimatland! — Julius Grosse. 172 Slavische Anthologie. Semjan G. Frng. Das Krbrn und dir Hoffnung. Du nennst ein grundlos Meer das Leben, Die Hoffnung einen Anker; fest Vertraust du, daß durchs Meer des Lebens Die Hoffnung leicht dich schwimmen läßt. O, welch verhängnisvolle Blindheit, O, welch verhängnisvoller Hohn An deinem Leben, deiner Hoffnung, Du stauberzeugter Menschensohn! Vermag dein Anker Grund zu fassen — Wie seicht ist dieses Meer alsdann! Und ist des Meeres Tiefe grundlos Was hilft dein Anker dir, sag an?! ... Fr. Fiedler. Semjon I. Mäsvn. Dicht ganz gehör' ich dir. Nicht ganz gehör' ich dir — mich ruft Ein andres Leben, andres Sehnen . . . Nicht überbrückt die Scheidekluft — Nicht deine Küsse, deine Thränen. Ich liebe dich, doch nicht allein Genuß heisch' ich von diesem Leben: Noch lockt mein Herz der Strahlenschein Der Wahrheit — ihr nur gilt mein Streben. Russen. 173 Nie band ich feige meinen Kahn Ans Ufer, daß ich ruhig schliefe — Durch Wellengrimm geht meine Bahn Zum Kampfe mit der finstren Tiefe! ' Fr. Fiedler. Gin Wurm . . . Ein Wurm, zertreten vom Geschick, Muß ich mit Todesqualen ringen; Und doch, mit halberloschnem Blick Will ich das Leben niederzwingen . . . Doch lachend höhnt es meine Wut Ringsum im frohen Menschentrubel, Im Blumenduft, im Vogeljubel Und in des Tages Glanz und Glut! Es schreitet machtvoll, strahlenrein, Und reißt in seines Strudels Wellen, Gleichwie im Lenz des Gießbachs Schnellen, Was gut und böse, groß und klein. Verzweifelnd streck' ich meine Hand Nach seines Prunkgewandes Falten, Verzweifelnd such' ich's aufzuhalten Durch Spott und Hohn — es hält nicht stand! Ohnmächtig ruft mein Zorn: „Ich bin's, Der dir gebietet, stehn zu bleiben! Dein Weltgesetz entbehrt des Sinns, Des Zwecks entbehrt dein tolles Treiben! . . . Wie bist du leer, wie bist du dumm! Du bist der Leidenschaften Sklave! Empörend blind bist du und stumm, Und sinnlos graus ist deine Strafe!" Doch stolz geht es an mir vorbei, Erhaben, ruhig, kalt wie immer, Und antwortlos erstirbt mein Schrei — Die Wüste schweigt! . . . Und mit Gewimmer Versuch' ich's, mit verloschnem Blick, Vom blut'gen Staub mich zu erheben — Ein Wurm, zertreten vom Geschick, Umwogt von Millionen Leben! Fr. Fiedler. 174 Slavische Anthologie. Konstantin M. Fafnnon. Aus den Aochattar . . . Auf den Hochaltar der Liebe Legte einst der Mensch sein Herz Voll der höchsten, reinsten Triebe, Blickte gläubig himmelwärts. Doch die keusche Seelengabe Rahm die Liebe höhnend an, Und sie bot als Gegengabe — Feuer, Blut und Kettenbann. Fr. Fiedler. Steh nur . . . Sieh nur — welche Hand verstreute Dieser Rosen frischen Kranz? Sieh — im Kelch der Rosen flimmert Jrisfarbner Perlenglanz! . . . — Rosen siehst du rings und Perlen? Nein, -- die Rosen sind zuhauf Unsre Träume, und die Perlen Weinten unsre Augen drauf. Fr. Fiedler. Küöslaven. (Kroaten, Serben, Stovenen.) SMa Mencetu. Das Hild Lrr Teuren. Mein Herze wird immer Zu eigen dir bleiben, Was immer du wünschest, Magst du mit ihm treiben; Und wenn du's zerschnittest, Würd' noch aus den Stücken Dein eigen Gesichtchen Dich freundlich anblicken. Gojmir Krek. Gjore DM. Gin Gelübde. Mög' mein Herz zu Eis sich frierend gestalten, Mög' mir der Sonne Kreis auf ewig erkalten, Wenn ich, wie selber mich, nicht sollte dich lieben! Sollt' ich verlieren dich, ich müßte zerstieben, längst hat im Liebesbann geschmachtet der Knabe — Liebe denn mög' den Mann geleiten zu Grabe. Mcwro Spicer. Slavische ArNholMe. 12 178 Slavische Anthologie. Muko K-lnjin-l. Ktebrspein. Glücklich, ihr Blinden, da ihr nicht schauet Weibliche Schönheit, die euch erbauet; Glücklich, ihr Tauben, könnet nicht hören Giftiger Weiberworte Bethören; Glücklich, ihr Stummen, habt keine Sprache, So euch nicht peinigt weibliche Mache; Glücklich, ihr Toten, kennt keine Liebe: Sanft ruht ihr fern vom Weltengetriebe. Mavro Spicer. Ignjut Gjorgjic. Kebe. Wenn das Lieben Unbill deutet, Wenn die Liebe Sünde heißt: Dann ist auch der Himmel Sünde, Sünde, was darunter gleißt. Denn die Liebe ist's, in Allmacht Die gebietet: Alle liebt! Nur die Liebe ist's, die allem Lebenskraft hienieden gibt. Lieb' bringt dar die Erd' dem Himmel, Sonne dem erhellten Stern, Mond dem mild schimmernden Meere, Küssend' Meer den Ufern fern. Muvro Spicer. Südslaoen. 179 Stanko Vraz. Aus den „Kasrnäpfrln". 1. Einem Zauberbuche Deine Lippen gleichen, Saftig rote Rosen Selbst davor erbleichen. Glücklich wär' ich, wollten Sie ihr Schweigen brechen, Nur drei kurze, süße Worte zu mir sprechen. Deine schwarzen Augen Sind zwei Helle Sterne, Die wie Engel lächeln Aus der weiten Ferne. Wenn ich mich in ihren Feuerblicken sonne, Strahlen sie ins Herz mir Himmlisch süße Wonne. Deine Seidenlocken Lauernde sind Schlingen, Die schon längst mein Herz und Seine Freiheit fingen. Willst nicht grausam quälen Mich und rühmlos knechten, Mußt aus diesem Band ein Band der Liebe flechten. Deine frischen Wangen Sind ein Rosengarten, Wovor Scheu und Scham als Wächter uns erwarten. 180 Slavische Anthologie. Ach geruhe, daß ein Lächeln sie verkläre, Mir nur einen Blick ins Paradies gewähre! Herz und Stirne gleichen Einem Weihaltare, Zwei Orakeln, wo ich Mein Geschick erfahre. Folge, Mädchen, folge Deines Herzens Drange, Denn vor deinem Haupte Wird es mir so bange. Deine Augen sprühen Funken, schleudern Blitze, Scheuchen meine Ruh' aus Ihrem stillen Sitze. Schließe sie, o Mädchen, Schließe; laß mich nippen Ruhe, sanfte Ruh' an Deinen Rosenlippen. 2. Was zwingt mich zu sehen In die schwarzen Augen? Was, aus ihrem Anblick Schwarzes Gift zu saugen? Augen, ach, ihr Augen, Gift'ger Honigseim! Ihr verbannt den Frieden Stets aus meinem Heini! Meine Sonnenblume! Will aus ihnen trinken, Sollt' ich auch zur Stelle Tot jetzt niedersinken. Franz Selak. Südslaven. 181 Solch ein Tod ist süß ja, Ohne Weh und Klagen: Denn du wirst mich auf den Weißen Händen tragen! Anno. Lieblich, o lieblich ist unsre Anne, Saget, ist's Wahrheit, ist's Spiel des Trugs? Neidvoll erzittern Föhre und Tanne, Blickend auf Annas herrlichen Wuchs. Stumm sind im Haine die Nachtigallen, Lauschend des Mädchens süßem Gesang, Gleichwie um Rosen tändeln und wallen Falter um Annas blühende Wang'. Schamvoll vor Anna birgt sich die Rose Staunend und trunken ins dunkle Laub, Sehnend umschlingt sie Zephyr, der lose, Sinnet und sinnt auf Annas Raub. Jäh von dem Fels in schleunigen Sätzen Rauscht der Kaskade perlender Schaum, Selig mit Hellem Taue zu netzen Ihres Gewandes wallenden Saum. Alles, ach, späht in Sehnsucht und Liebe Nach der Geliebten teueren Spur, Stumm vor des Mädchens Äug' und trübe Steh' ivie gebannt allein ich nur. August Serwa. 182 Slavische Anthologie. Was ist die Klebe? Was ist die Lieb'? Ein Zephyr lind, Mit jedem neuen Lenz geboren, Zu Blütenküssen auserkoren. Was ist die Lieb'? Ein Sturmeswind, Der unbezwinglich rast und wettert, Der Blumen knickt und Eichen schmettert. Was ist die Lieb'? Ein Frühlingsstrahl, Dran tausend Blumen neu erblühen. Was i.st die Lieb'? Ein Glutenball, Dran Blüt' und Laub' zu Asch' verglühen. Was ist die Lieb'? Ein Himmelssteg, Drob uns die Engel Manna bringen Und Sterblichen mit goldnen Schwingen Zum Himmel bahnen sichern Weg. Was ist die Lieb'? Ein Dämon scheel, Der uns mit Lasters Gift bethöret, Zu Staub die ird'sche Hüll' zerstöret, Des Himmelreichs beraubt die Seel'. Doch deine Liebe, teures Kind! Sei stets wie sanfter Lenzeswind, Belebend stets wie Frühlingssonne, Ohn' Schmerz, ohn' Leid, voll steter Wonne, So reich' mir deine Engelshand Und führe mich ins Himmelsland. Juan Maznramc. Aus „Trngir Agas Tod". Der Geistliche apostrophiert die zur Bollziehung des Racheaktes ausziehenden Männer: „Meine Kinder, tapfre Heldensöhne! Euch hat dieses Land das Licht gegeben, Felsig wohl, doch teuer euren: Herzen. Eure Ahnen sind ja hier geboren, Südslaven. 183 Eure Väter sind ja hier geboren, Und auch ihr seid alle hier geboren: Heiliger gibt's für euch kein Land auf Erden. Ihm ward eurer Ahnen Blut geopfert, Ihm ward eurer Väter Blut geopfert, Ihm seid ihr auch willig, Blut zu opfern: Teurer gibt's für euch kein Land auf Erden. Adler horsten immer nur auf Bergen, Tief im Thale findet ihr nur Schergen. Kümmert's euch, die so genügsam Fristen ihres Lebens Tage, Ob euch schwellend winkt vom Fels die Traube, Ob euch wogt vom Fels die goldne Aehre, Ob am Fels der stolze Seidenfalter schwirre, Wenn euch kühlend winkt der Quelle Labung, Wenn auf Triften fette Herden brüllen, Und auf Bergen muntre Schafe blöken? Pulver hast du, Blei dazu in Fülle: Im Gefechte stahlerprobt die Rechte; Unter Wimpern spähen Falkenaugen; Feurig glüht das Herz dir in dem Busen; Stark dein Glaube, wie des Felsens Wurzeln; Bruderliebe lohnt die treue Freundschaft; Treu umschlingt das Weib den treuen Gatten ; Goldne Lieder lohnen Heldenthaten; Brauchst du Eisen? Such's als Türkenbeute, Hast dann alles, was dein Herz erfreute. Aber teurer noch als all der hehre Felsenschmuck ist wohl das Kreuz dort oben; Das isrs, was euch stärkt in eurem Kummer, Das ist, gottgesandt, die beste Wehre. Möchten doch des Erdballs Völker alle Aus den Thälern dort, den nebelgrauen, Sehn dies Kreuz, das bisher nie besiegte, Das dort ragt zum Himmel über Lovcen — Wüßten sie auch, wie das Tnrkenscheusal Seinen ekeln Rachen nach ihm kehrt, doch 184 Slavische Anthologie. Stets sich bricht am Felsen seine Zähne: Traun, nicht lässig kreuzten sie die Hände, Wenn ihr leidet für die Kreuzesspende, Nie mehr nannten sie euch dann Barbaren, Daß ihr stärket, als sie müßig waren." K. Mtilr PrerMomc. Der Fischrr. Närrische Fischchen, Fliehet nicht immer! Kommet doch näher — Niedliche Schwimmer. Weich ist die Angel, Süß doch der Köder, Hier lebt man herrlich — Das weiß ein jeder. Euerer Schuppen Werdet ihr ledig, Hier hat den Harnisch Niemand mehr nötig. Herzlich willkommen Seid ihr bei Tische, Arme und Reiche — Lieben die Fische. Jedermann hegt euch Hier um die Wette, Anstatt im Wasser — Schwimmt ihr im Fette. Südslaven. 185 Kommet doch, Fischchen, Laßt das Gewässer, Glaubt mir — auf Ehre, Hier ist es besser. Kommt nur, und — heilig Kann ich euch schwören, Daß auch — nicht einer Zurück wird kehren. Svetozar Manojlovic. Kühr, Herzchen! Was ist dir, mein Herz, geschehen, Daß du schlägst mit solchem Bangen? Wie ein Vöglein im Gefängnis Hast du nach der Welt Verlangen, Diese hört ja nicht die Klagen, Ruhe, Herzchen, lern entsagen! Schlage, Herzchen, nicht so heftig, Kannst die Brust mir leicht zersprengen; Abgequält ist sie, und schwächlich, Keine Reifen sie beengen, Und die Schmerzen würden größer —- Ruhe, Herzchen, es ist besser. Drücke dich in deinen Winkel Und verschmerze dein Begehren, — Ist doch weich und warm mein Busen! — Draußen wird dich niemand hören. Jeder sorgt für seine Lage — Ruhe, Herzchen, nicht verzage. Lasse sein die Welt, die könnte Nicht verändern dein Befinden, Kränkelt doch sie selbst von jeher, Kann für sich kein Mittel finden, Wo dann erst für deine Leiden — Ruhe, Herzchen, lerne meiden. 186 Slavische Anthologie. Draußen wirst du wie ein Bettler Dich von Haus zu Hause schleichen, Und die Menschen werden höchstens Dir ein Brot aus Mitleid reichen — Niemand kann dein Leid ermessen! Ruhe, Herzchen, lern vergessen. Ja, ich weiß, daß dich die Schmerzen Gleich zu Liebchens Thüre trieben, Aber nicht mehr dein ist Milka, Nicht mehr dich will Milka lieben, Und ein andrer darf sie küssen — Ruhe, Herzchen, lerne missen. Wenn ich dich am Fenster sehe. Wenn ich dich am Fenster sehe, Seh' ich, wie mein Tag entstehe, Seh' den Morgen am Azur — Aber selten, selten nur. Wenn ich heimlich dich begleite, Hinter dir beseligt schreite, Geh' ich meines Glückes Spur — Aber selten, selten nur. Wenn du mich ans Herz gezogen, Deinen Arm um mich gebogen: Lag ich in der Edenflur — Aber selten, selten nur. Wenn von deinen Rosenlippen Ich ein Küßchen durfte nippen, Himmelswonne mich durchfuhr — Aber selten, selten nur. Südslaven. 187 Wann werd' ich dich immer küssen, Herzen können, nicht mehr missen, — So wie ich es heute kann, — Sage, Liebchen, sage: wann? Svetozar Maiwjlovie. Ivan TrnM. An dir Uatur. Natur, Natur! Deine Berge — nah' und ferne — Deine Sonne, Mond und Sterne: Steile Felsen, mächt'ge Wälder, Tiefen Meere, flachen Felder, Tiere, Blumen, — was ich merke: Zählt zum Gottes-Wunderwerke. Natur, Natur! Doch vergebens wären: Sonne, Sterne, Mond und Blütenwonne; Berge, Ströme und die Meere, Wenn der Mensch dabei nicht wäre Mit der Seele, die empfindet, Sieht, bewundert, hört, ergründet. Natur, Natur! Deine Kräfte und Gewalten, Deine Bilder und Gestalten Kann der Mensch nur geistig sehen, Sie begreifen und verstehen. Ohne diesem Gottessohne — Fehlte dir, Natur, die Krone! Svetozar Manojlovic. 188 Slavische Anthologie. August Senau. Aus den „Hrvatulje". Wie die Sterne von dem blauen Himmel Fielen von dem Baum die Pomeranzen, Alle in das Gras; nur eine sollte Einem Mädchen in den Schoß baß tanzen. Sieh! Gleich packt' die holde Kleine diese Und verbarg sie in des Jäckchens Krause; Doch die andern kümmerten sie gar nicht, Ließ sie liegen und ging froh nach Hause. Willst du, Herz, daß ich die Pomeranze Nenne, die das Mägdlein aufgelesen? Süße Maid, nicht wahr — ich rate richtig? Die Orange ist mein Herz gewesen. Äojmir Krek. So wechselt dir Zeit! In zierlichem Blumenhaine Stand ein herrlich Schloß; Aus schattiger Bäume Gruppen Süßes Duften floß. Der Nachtigall holdes Schlagen Helle Lust dir beut'; Doch dies Schloß ward zur Ruine: So wechselt die Zeit! Eine einzige Rose nur Im Schlosse noch blüht: Dein teuerer Name, Liebchen, Mir im Herzen glüht. Mavro Spicer. Südslaven. 189 Franjo Markom c. Drei Krünxe. Zwei Genossen, treu beisammen Aus der Schlacht geritten kamen; Einer singt aus froher Kehle, Andrer weint aus tiefer Seele. „Hat denn dich der Lorbeerkranz Nicht entzückt mit Ruhmesglanz?" Doch der traurige Geselle Spricht dann seufzend auf der Stelle: „„Wenn du mir so sprichst vom Kranze, Ziehen mir im Wirbeltanze Drei Kränze vors Angesicht, — O, du dritter, welke nicht! Hab' ein Mägdelein gesehen Im Gestrüppe suchend gehen; Hat Leuchtkäferchen gefangen, Sich das Haar damit behangen; — Sah aus wie ein Kranzgewind', Flog jedoch davon geschwind. Später hat das schöne Mädchen Blumen sich gepflegt im Gärtchen, Hat sich einen Kranz gewunden, Um ihr Köpfchen ihn gebunden; Doch die Blumen welkten ab Und der Kranz fiel bald hinab. War dann meine Braut gewesen . . . Längst schon ist sie nun verwesen. Einen Kranz für ew'ge Stunden Hab' ich um ihr Haupt gewunden; Äiemals welkt je dieser Kranz: Nie versiegt der Thräne Glanz."" 190 Slavische Anthologie. Ivan Zahar. An die Schwachen. Kleine Vöglein, leichter Flügel Schwingt euch fröhlich in die Luft: Schon winkt euch der Heimat Hügel, Schon der Sonne Glanz euch ruft. Was wohl über Bergeshöhen, Neber mächtigen Wassern harrt? Wenig Wonne, viel, ach! Wehen, Doch ruft Mutter mild und zart. Ruft und locket gar gewaltig Warmer Sonne Heller Strahl; Auch mich zieht es heimwärts baldig — Grüßt die Heimat tausendmal! Mavro Spicer. Franjo CiraN. Aus den ,,FlorrntlNischrn Glegirn". VIII. Sei mir gegrüßt des Abends friedlicher, goldiger Stern du, Gruß deinem lieblichen Strahl schmückend das Himmels- gezelt. Blinkest und schimmerst am hehren bläulichen Himmelsgewölbe, Lockst in den grünenden Hain manches sich kosende Paar. Rötliche Rosen und sonstige bunte, duftende Blumen Streuen hier Wohlgeruch aus, würzend des Abendes Luft. Südslaven 191 Mich auch lockte hinaus des Abends himmlischer Zauber; Längst schon hinter mir blieb leer mein trauliches Heim. Leichten Schrittes ich wandle im schönen cascinischen Haine, Weh! warum bin ich allein — wo bist, Gefährtin, du mir? Gestern erst war's, da sah ich am bunten Markte ein Mädchen Blumen anbietend zum Kauf Fremden, zu schmücken die Brust. Seit nun erblickt' mein Auge den Sproß jener weiblichen Schönheit, Noch hab' ich nirgends erschaut würdiges Gleichnis zu ihr. Nur in den alten Gemälden längst geschiedener Meister, Schmückend den Pitti'schen Dom, fand ich ein ähnliches Werk. Aehnliche Züge und ähnliche Anmut ine lieblichen Antlitz, Süßlich das Lächeln auch, wie von der Göttin Gebild! Selbst jenes zarte Körbchen ist voll von üppigen Blüten, Bläuliche Nelke berückt, gelbe Orange entzückt. Selig der Mensch, dem zu schauen gegönnt solch zauberhaft Wesen, Sel'ger noch Tizian du, solchen Modells im Besitz! Mavro Spicer. Hugo MäM. Der erste Kuß. Du pflücktest Blumen im Garten Im wonn'gen Monat Mai, Ich sprach in Minne gefangen: Mein diese Rose sei. Du gabst mir dann eine Rose, Es war ein Dorn daran — Und Blut floß aus meinem Finger Hinab ins Dunkel dann. 192 Slavische Anthologie. Wir saßen traulich am Fenster, Schon stieg herab die Nacht, Der bleiche Mond nur alleine Hat über uns gewacht. An deinem lieblichen Busen — War's Traum, war's Paradies? — Hab' schüchtern dann ich geflüstert: Gib einen Kuß mir süß! Und bebend am ganzen Leibe Schlugst nieder du den Blick, Von deinen Korallenlippen Trank ich der Wonne Glück. Und lange, lange ich schlürfte Honig von deinem Mund. Die Wonne schwand — und von Sehnsucht Blieb mir mein Herze wund. Im Garten welket die Rose, Es ragt nur noch ein Dorn; In meiner Brust aber klaffet Der ewigen Sehnsucht Born. Mavro Spicer. Gsuro ArnM. Der Immortrllenbrnnx. Von Immortellen, niemals die erblassen, Hab' einen schönen Kranz ich dir gewunden; Hast ihn beachtet nicht — bist mir entschwunden, Nun einen andern liebst, soll ich dich hassen? Nein, nein! — Doch sollt' er untreu dich verlassen, Wenn deines Hoffens Glanz weicht trüben Stunden, Südslauen. 193 Wenn heiß dich brennen deines Herzens Wunden: Dann mög' Erbarmen meiner dich erfassen! Dann heb den Kranz, den armen, aus dem Staube, Den ich gewunden dir in sel'gen Tagen; O schau ihn an — und höre seine Sprache: Noch ist an dich, o Mädchen, fest sein Glaube, Noch will er sklavisch deine Gunst erjagen, Dieselbe Glut für dich ist ihm noch wache! Mavro Spicer. August TurumLuÄc. Mein Her;. Mein Herz ist eine winzige Kapelle, Ein prächtiger Altar darin erstand, Worauf mein Leben lang wird glühnde Helle In Liebe strahlen für Kroatiens Land. Drauf werde alle Opfer hin ich legen Zur Freiheit meines teuren Volkes stets; Dort will iöy alles Wünschen, Hoffen pflegen, Mög' hören Gott die Stimme des Gebets! Doch eine Gruft ist unter dem Gestelle, Worin des Lebens mir die Hälfte ruht; Atem Herz ist eine winzige Kapelle Und drin dies Grab — mein allerhöchstes Grit. Sieh her — ein Kreuzchen steht auf diesem Grabe, Und drin träumt die Geliebte ewigen Traum; Das finstre Schicksal raubte meine Habe, Im Herzen doch fand tot sie ihren Raum! Mavro Spiccr. Slavische Anthologie. IS 194 Slavischc Anthologie. Aus den „Moamarialiedrrn". ZZluhc, bkiihe, Rösekcin. Blühe, blühe, Röselein, In dem kleinen Gärtelein: Bald fällt deine Blüte ab, Bald sinkst du ins Grab hinab: Welkst dahin stets Allzufrüh: Meine Liebe Nie, ach nie! Mavro Spiccr. Jomn Snhotic. Fragen an die Kose. Sage mir, mein holdes Röschen, Woher hast denn du dein Rot? „Angeblickt hat mich ein Mädchen, Als es gab das erste Küßchen! Daher habe ich mein Rot." Sage mir, mein holdes Röschen, Wozu hast du denn dein Rot? „Daß der Bursch daran erkenne, Wie das Herz des Mädchens brenne: Dazu habe ich mein Rot!" Sage mir, mein holdes Röschen, Woher hast du deinen Duft? Südslaven. 185 „Angehaucht hat mich ein Mädchen, Als es seufzte nach dem Liebsten; Daher habe ich den Duft!" Sage mir, mein holdes Röschen, Wozu hast du deinen Duft? „Daß der Duft dem Burschen sage, Wie das Liebchen nach ihm klage; Dazu habe ich den Duft!" Sage mir, mein holdes Röschen, Woher hast du deinen Dorn? „Als die Tochter trat ins Leben, Hat mich Mutter mitgegeben; Daher habe ich den Dorn!" Sage mir, mein holdes Röschen, Wozu hast du deinen Dorn? „Daß, wenn keck der Bursche stürme — Ich des Mädchens Busen schirme; Dazu habe ich den Dorn." Svetozar ManojloviL. Iranka Nallicemc. Als ich zu sterben dachte. Gelblich wird das Waldlaub auf den Höhen, Gelb das Laub, es fällt zur Erde nieder, Grünen werde ich dasselbe niemals wieder, Niemals sehen. Tief gebeugt das Haupt, vom Leid umfangen, Tief die Augen, gelblich-fahl die Wangen; Schwach die Knie, gebrechlich schon die Arme, Matt der Körper, abgezehrt vom Harme — . . . Herbe Leiden zwingen mich zu scheiden! 196 Slawische Anthologie. Lebe wohl, o Leben, süßes Träumen, Morgenröte . . . liebliches Erglühen! Lebe wohl, o Welt, mein Himmelsgarten — Muß nach einem andern Ende ziehen. O, wenn ich dich nicht so feurig liebte, Würde ich noch schauen deine Sonne, Hören deinen Donner, dein Gewitter, Würde lauschen noch mit Lust und Wonne Dem Gesänge deiner Nachtigallen, Würde staunend auf den Knien ich liegen Und bewundern deine Ströme, Quellen. . . Meines Lebens Quell ist — im Versiegen. O ihr Lieder, meine armen Waisen, Kinder meiner jugendlichen Freuden! Wollt' den Regenbogen ich vom Himmel ziehen, Um in dessen Farben euch zu kleiden, Mit den Sternen wollte ich euch schmücken Und erleuchten mit den Sonnenstrahlen, Doch entschwunden ist der Regenbogen, Und die Sterne sind ins All gefallen; Auch die Sonne ist von meinem Himmel Abgestürzt, erlöschend wie ein Krater — Alles schwand, was ich euch vorbereitet, Und — in Lumpen bleibt ihr nach dem Vater. Svetozar Manojlovic. Meine Können. Auf dein Himmel scheint mir eine Sonne, Scheint bei Tage, abends geht sie unter, Du, mein Vater, bist die zweite Sonne, Die sich niemals senkt ins All hinunter. Einstens hatte ich noch eine dritte, — Lang ist's her, daß ich sie nicht mehr habe! — Süße Mutter! Nimmer schlagt im Busen Dir das Herz, du ruhst im stillen Grabe. Du, o Vater, und der teure Bruder, Ihr seid alles, was mir noch erhalten. — Südpaven. 197 Und mein Herz, es sucht, um dir zu danken, Sich zum Born der Lieder zu entfalten, Niemals aber wird es ihm gelingen: Deines Herzens Güte zu besingen. Deine Güte gleicht dem Licht der Sonne, Meine Lieder nur dem Duft der Blüten, Und das Licht verleiht der Welt das Leben, Während Blüten — nichts als Düfte bieten. Svetozar Manojloviö. Kred. Die Liebste liegt auf grüner Flur, Ein Wirbelwind ersteht, Fing ihr das Röckchen leicht am Saum Und hat's emporgeweht: — Die Füßlein guckten hold hervor, Wie Schnee so weiß und hell, O trage sie mit dir Und-bringe sie zu mir, Du kleiner Quell! Georg von Schulpe. Mein Album. Mit meinem Herzen tränk' ich Die Lieder ohne Zahl. Ich dichte froh vorn Morgen Fort bis zum Abendstrahl. Ich schreibe in ein Büchlein Die Lieder, die entstehn: Dort kann man manche schönen, Liebholden Blüten sehn. Die Rose prangt am schönsten In diesem Blumengewind'. Die Rose — bist du, mein Kind! Ich sing' auch von der schönen, Der strahlenhellen Nacht. 198 SInuische Anthologie. Ich schmücke meine Lieder Mit goldner Sternenpracht. Wie lächeln sic so lieblich, Wie sing' ich von ihnen gern; Am allerschönsten pranget Der milde Morgenstern. Er leuchtet zauberherrlich In diesem Strahlengemind. Der Stern — bist du, mein Kind! O blüht für alle, bunte Blumen, Die ich zum Kranz gepflückt! Weit in die Lande strahlt ihr Sterne, Mit denen mein Leid ich geschmückt! Du vollerglühte Rose, Du Stern nut dem schönsten Schein, O dufte, strahle, Liebste, Für mich, für mich allein! — — Georg von Echulpe. Gsura Jakäic. Unter und Sohn. Einst ging der edle, greise Amidscha, — Stolzer als mancher spanische Don, — Knapp hinter ihm, mit munteren Sprüngen Folgte sein jüngster, würdiger Sohn. Markt ist gerade, und da zu haben: Säbel, Pistolen, Sattel und Roß; Seidene Stoffe, goldene Uhren, Silberne Spangen mit Schlüssel und Schloß. „Sage nun, Söhnchen, was willst du haben?" — Prüfte Amidscha den würdigen Sproß, — Südslaoen. 199 „Willst du den blanken Säbel, den scharfen, Oder das stolze arabische Roß? Oder du wünschest Kleider aus Seide, — Diese zu kaufen wäre doch leicht! Sprich doch, mein Söhnchen, sage dem Vater: Willst du den goldenen Harnisch vielleicht?" — Kratzend am Ohre, schwieg erst der Junge, Sprach dann — verlegen, zupfend am Nock: „Vater, ach, Vater! kaufe ein wenig, Kaufe von jenem — gebratenen Bock!" — Nun sich der Alte kratzte verlegen, Musternd sein Söhnchen und — seinen Stock: „Waffen und Rosse . . . lieb' ich noch heute, Er: den gebratenen — Ziegenbock!!" — Svetozar Manojlovic. Menn ...! Wenn die Mädchen Sterne wären, Würde niemals meine Seele Rach dem Tageslicht begehren. Svetozar Manojlovic. Der Floh und die Fliege. Es begegnet eine Fliege Einem Floh in einer Wiege, Und so, wie sie da nun steckten, Kam's dazu, daß sie sich neckten. 200 Slavischc Anthologie. Leise frug der Floh die Fliege: „Sage mir, doch ohne Lüge, — Brauchst nicht ewig auch zu trotzen, — Woher hast du solche — Glotzen?" Diese Frage, ziemlich spitzig, Macht die Fliege noch nicht hitzig, Und sie sagte schelmisch witzig: „Bin so klein und doch, ermesse! Treib' ich mit dem Menschen Späße; Summe oft ihm um die Ohren, Daß er greulich muß rumoren; Drohend regt er dann die Glieder — Ich entfliehe, doch bald wieder Kehr' ich um und lass' mich-nieder An der Stirne, und dann rase Ich herab an seiner Nase, Wütend brüllt er: ,Tod und Hölle!' Schlägt nach mir und haut sich schnelle — (Da ich fort schon) eine — Schelle. Und ich hock' und schau' verstohlen, Schau' mir an den Fant, den tollen, Der so schrecklich aufgesessen — Lache, lache, wie besessen, Und vom Lachen (auch vom Trotzen) Hab' ich nun die großen — Glotzen." Drauf zum Floh die Fliege sagte: „O du kleine, schwarzbefrackte Kreatur, du wärst nicht häßlich, Doch dein Buckel — steht dir gräßlich! Sag, mein flinker Knirps, mein kecker: Woher hast denn du den Höcker?" So, voll Spott, die Fliege fragte, Und der Floh darauf nun sagte: „Bin ein Knirps, das ist schon richtig, Bei der Arbeit aber tüchtig, Hebe Lasten, die gewichtig! Keinen Faulpelz gibt's, — auf Ehre! — Selbst wenn er zwei Zentner wäre; Keinen Recken gibt's im Leben, Den der Floh nicht würde heben. Südslavcn. 201 In der Nacht, wenn er am Rücken Liegt und — röchelt zum Ersticken, Springe ich auf ihn in Eile, Horch' dem .Brummbaß' zu 'ne Weile; Schleiche dann vergnügt und heiter In den Aermel und so weiter, — Will ihn aber noch nicht drücken, Bis ich unter seinen Rücken Mich gehörig eingeschoben — Nun — ein Ruck! und er ist oben. Jetzt bedenke: ich, der Kleine, Heb' zwei Zentner ganz alleine, Jst's ein Wunder dann, du — Schabe, Daß ich einen — Buckel habe?" Tief die Fliege sich verneigte, Auch der Floh sich höflich beugte: „Kannst mich wieder bald besuchen!" Sprach's und . . . hops! . . . nun kannst ihn suchen. Svetozar Manojlovie. Der Zigeuner tobt sein Koji. Schaust, nicht wahr? nach meinem Rößlein, Alter Gutsverweser! Weißt nicht, ob's ein Roß, ein Vöglein, Ob's ein schmuckes Schwälblein? Fort die Augengläser! Kannst ja so dich satt nicht sehen — Kauf es, es ist besser! Und du fragst noch, ob „Halaulich" Noch was tauglich? Wie noch — keiner! Wär' er's nicht, so wär' er nimmer Beim Zigeuner. Nicht der Kaiser kann auf so ein — Rößlein weisen, Nur versteh' ich nicht so recht es — Anzupreisen. 202 Slavische Anthologie. Wenn du's jetzt aus reinem Golde Würdest gießen, Würde man an Wert ein — „Goldstück" Noch vermissen. Wenn du Heu hast, frißt es gerne, Auch den Hafer; Wenn du's nicht hast, es verlangt's nicht Und wird braver. Schaue nicht auf dessen Zähne Und auf Mähne, Habe selbst sie nie besehn — Denn der Zelter — Wird nicht älter! Ja, je länger du ihn reitest, Wird er jünger, Und gehörig muß sich wappnen Sein Bezwinger. Was, du frägst: ob er im Springen Einen Graben könnt' bezwingen? Graben, Graben . . . welchen Graben? Jeden Graben! Müßt' mich schämen, Wenn er ihn nicht würde nehmen; Uebersetzt ihn wie ein Hühnchen — Nicht der Breite nach, mein Lieber! Nach der Länge — fliegt er drüber! Pflege ohne Sattel mich Auf den Gaul zu setzen, Rach dem Passe frag ihn nicht, Kannst ihn nur verletzen. Aber, aber! was er findet! Frägt nun, ob er nicht erblindet, Schlimmres kann man nicht erfinden: Sieht von vorne wie von hinten; Sieht am Tage wie zur Nachtzeit Und zur Nachtzeit wie am Tage — So, wie ich es sage. Südslaveu. 203 Ha! mm fragst du nach den Fehlern! Zum Erstaunen! Dieserwegen will verkaufen Ich den Braunen, Weil — kein Fehler nicht zu finden, Ja, — nicht einer! Und so gute Rosse sind nicht Für Zigeuner. Ob er flink ist? O, wie bitter! Flinker fast als — das Gewitter! Will dir's sagen Ohne Zagen: Einmal kehrt' ich eiligerweise Bon der Reise, Und obwohl der Sturm uns jagte, Dieses Niißlein — nicht versagte. Kam der Regen drohend näher, Lief mein Brauner immer jäher, Ja, er schien den Gaul zu hassen, Wollt' ihn fassen, Aber er — nur schielend blickte — Und entrückte. Endlich hat er sich entladen, Wollt' uns beide tüchtig baden, Doch als wir erreicht die Zelte, — Der Zigeuner „Burgenkranz", — War am Braunen alles trocken, Nur ganz wenig naß Der Schwanz. Svetozar Mauojlovie. 204 Slavische Anthologie. France DreZeren. Unter -em Fenster. Von den Zinnen — Mondbeschienen — Tönt die Glocke Mitternacht; Liebesschmerzen Tief in: Herzen Haben schlaflos mich gemacht. Mitleidslose, Stolze Rose Bist die Quelle meiner Not; Schlägst mir Wunden, Hast gefunden Meiner Ruhe sichern Tod. Meiner Liebe Heiße Triebe Zaubern vor das Äug' dein Bild; An dir hangend, Treu verlangend Trüb mein Herze überquillt. Einmal wieder Blick hernieder, Nur die Sterne sehen dich; O erscheine, Holde, Reine, Hassen kannst ja nimmer mich! Gib ein Zeichen! Will ja weichen, Scheu'st zu sprechen dich mit mir. Spät die Stunde! Ohne Kunde Steh' ich Elender'noch hier. Südslaven. 205 Sternlein blicket, Ob sie nicket, Schläft im stillen Kämmerlein? Prüft sie 's Sehnen, Meine Thränen, Schließt ihr Herz 'nen andern ein? Sei ihr Schlummer- Frei von Krimmer, Mag sie prüfen meinen Schmerz: Ihre Liebe, Wenn sie bliebe Eines andern — brach' mein Herz. A. Pace. Andenken. Schlau hat im Netz dich ein andrer gefangen, 's wankende Herze, es ist nicht mehr mein: Etwas doch macht, daß an mir du mußt hangen, Was es ist, wissen kaum wir zwei allein. Oft ist dein Reden verlegen, verwirret, Hast du im Menschengewühl' mich erblickt: Oft auch, mich suchend, dein Äug' herumirret, Bist auch wohl, wenn du mich missest, gedrückt. Oft wenn, ermüdet von fröhlichen Scherzen, In dich versunken du weilest allein, Drängen sich dir in die Seel' meine Schmerzen, Mußt an mich denken und fühlst meine Pein. Manchmal, wenn froh dein Geliebter gesungen, Selig gepriesen der Lieb' herrlich Glück, Sind dir ins Herz meine Lieder gedrungen, Welche verkündet ihr traurig Geschick. Strenge, ich weiß es, hast du mich gerichtet, Strenge du jetzt auch dich wendest von mir, 266 Slavische Anthologie. Dennoch mit finsterem Blick wird vernichtet, Wer mich verklagt und verleumdet bei dir. Unübersteigbar die Wand sich erhebet, Welche auf ewig von dir mich getrennt; Doch drüber weg der Gedanke frei schwebet, Der keine Schranken, kein Hindernis kennt. Andere haben dich flehend beschworen, Ihrer zu denken, ich — nie vor dir lag, Alle vergaßt du im Laufe der Horen, Mein doch du denkst bis zum spätesten Tag! A. Pavie auch Stürme um den Hügel tosen, Man schläft so ruhig unter weißen Rosen. Edward Samhabcr. Miroslav Vilhar. Am Abend. Seht, die Sonne sinkt schon nieder, Scheidend winkt die Strahlenpracht, Thal und Berge decket wieder Dunkel — feierliche Nacht. In dem Blätterdach verschwiegen Ruhn die Vöglein lieb und traut, Lassen sich von Zweigen wiegen, Bis der goldne Morgen graut. In der Blätter weiche Arme Auf den Fluren, reichbetaut, Südslaven. 2Il Daß das Herzchen noch erwärme, Hüllen sich die Röslein traut. Bleich durch die umwölkten Räume Uns des Mondes Schimmer lacht, Träumet holde, süße Träume, Teure Schwestern — gute Nacht! I. Simon Jenko. Aus den „Mdern". 1. Grau der Nebel oben Mit dem Winde gleitet, Treibt in schöne Lande, Wo die Save schreitet. Dort wird über Bergen Er sich dann voll Freuden In das Goldgewande Der Aurora Eleiden. Dann wird er sie sehen, Wenn im Park sie ist, Dann wird er ihr sagen: Teure, sei gegrüßt! Gojmir Krck. 2. Grünes Moos bedecket Die verfallnen Bauten, Und der Wind seufzt drinnen In wehmütigen Lauten. 212 Slavische Anthologie. Sage du, Ruine, Finster trotz des Lichtes! Was die Macht des Menschen, Was das Werk des Wichtes? Ja — und unser Leben, Das so schnell hinjagt, Ist es nichts als Traume? — Träume — 's Echo sagt. Äojmir Krek. 8ummr> lovi. Jupiter! Hör, was ich raten dir kann, Was ich zum Heile der Menschheit ersann: Stähle dem Greise die Knochen wie Erz, Unser Blut, heiß wie Glut, fließ' ihm durchs Herz. Uns aber spende, woran es uns fehlt, Was wieder alte Leut' haben: das Geld! Gojmir Krek. Irance JerM. Das Mädchen und das Uoglrin. Es schöpft mit dem Eimer blank und bell Ein Mädchen frisches Wasser am Quell, Da schaut es ins Wasser, erblickt sein Gesicht Und rühmt sich geblendet von eigenem Licht: „Die Schönheit, welche mein Antlitz verklärt, Ist mehr als drei schimmernde Burgen mir wert." Südslaven. 213 Am Baume ein munteres Vöglein springt, Zur Jungfrau schelmisch also es singt: „„Und stellt sich der Wahre, Richtige ein, Umsonst wohl die Schönheit nennet er sein."" — „Wie garstig du lügst, mein kleiner Wicht, Ach, hätt' ich nur Schwingen, ich duldet' es nicht!" — „„Und hättest du meiner Schwingen Wahl, Du zögest sofort über Berg und Thal, Und fändest du einen nach deinem Sinn, Und mär' er auch arm und ohne Gewinn, Es würden sogleich ihm ausgemacht Die drei schimmernden Burgen deiner Pracht."" Kaum spricht's das Vöglein und flattert schon Zum Himmel, am Himmel weiter davon. Das Mädchen erst sinnt, dann leise es spricht: „Ich zürne dem kecken Schnabel nicht! Gar viele Menschen das Vöglein sieht, Es weiß wohl, was rund in der Welt geschieht." Franz Selak. Die zwei Enten. Zwei Enten kamen geflogen Zum See ins stille Thal', Dort rudern sie nebeneinander Und plätschern im kühlen Krystall. Ich sehe durchs Fenster zwei Enten, Und stürmischer pocht mein Herz; Gedenkend vergangener Tage Vergeht es vor Sehnsucht und Schmerz. Franz Selak. 214 Slavische Anthologie. Der Trimerin. Mein Lieschen, mein Mädchen, du Blümchen so schön! Wann wir uns im Tanze so wonniglich drehn, Dir schwindelt's im Kreise und wanket der Grund, Doch schweiget von Liebe mein schüchterner Mund. Und wann ich im Schwünge dich drücke ans Herz, Da hüpft es im Busen vor Wonne und Schmerz, Es schwindelt im Kreise und wanket der Grund, Doch immer noch schweiget von Liebe der Mund. Doch suchst mit dem Blick einen anderen Mann, Da geht erst das Leiden, das bittere, an. Da steigt in die Wange das Blut und bezeugt, Was schüchtern zu lange mein Mund dir verschweigt. Franz Levstik. Wunsch. Wenn deine Lippen einmal du Auf meine wolltest drücken, Zwei Küßchen geben, eins dazu, Zum Nehmen frenndlich nicken, Dann mög' die Kaiserkrone gar Mein stolzes Haupt bekleiden, Ich legt' sie weg fürwahr Um solchen Lohnes Freuden. Gvjmir Krek. Des Fischers Tochter. Oestlich blutete der Himmel; In die Wellen warf ich's Netze, Zog's dann wieder auf das Trockne — Feiner Sand nur war im Garne! Südslaven. 215 Wieder lass' ich's Netz ins Wasser, Voll Begier heb' ich es wieder: Nichts als feiner Sand im Garne. Und so sitz' und wart' ich lange, Bis schon hoch die Sonne stehet, Und ich zieh' am zarten Netze, Zartem Netz voll feinen Sandes. Feiner Sand birgt Edelsteinchen, Glitzernd wie die junge Sonne, Kostbar wie die Zarenkrone. Steck' es in den stillen Busen Und bewahr' es nah am Herzen, Aber kaum verrinnt die Woche, Schon beschleicht ein Dieb mich in dem Schlaf und stiehlt das Edelsteinchen. Einen Stein find' ich wohl nimmer, Wie es dieser Stein gewesen; Solchen teuren find' ich nimmer, Wie es, ach, mein Freund gewesen: Weh, doch alles ist verloren! Gojmir Krek. Der flüchtige König. Die Nacht ist finster, einsam sprengt von dannen Der flücht'ge König durch ein fremd Gefilde; Dahin sein Reich, erschlagen seine Mannen, Er birgt sich in dem Dickicht gleich dem Wilde; Hat weder Töchter noch Gemahl noch Söhne, Sie alle fielen unterm Feindesschwerte; Kein Haus, das gastlich Obdach ihm gewährte, Er irrt verlassen in des Winds Gestöhne. Und hin ins Dickicht jagt er weltverloren; Da stutzt sein Pferd, steht stille, will nicht weiter, Springt auf die Seite, spitzt erschreckt die Ohren: Ein Abgrund thut sich auf vor Roß und Reiter; 216 Slavische Anthologie. Der König aber blickt vergeblich nieder, Steigt ab vom Rosse, bindet's fest am Baume, Streckt sich auf seinen Mantel, und am Saume Des Abgrunds senkt sich Schlaf auf seine Lider. Da nimmt ein Traum des Milden Sinn gefangen: Ein Königsthron vor seinem Blick erglänzet, Drauf thront er selbst in stolzen Reichtums Prangen, Mit Ehren und mit hohem Ruhm bekränzet; Und über seinem Haupt, auf hohen Pfosten, Wölbt sich die glanzerfiillte Königshalle, Er sieht die Gänge, die Gemächer alle, Still wandelt außen auf und ab der Posten. Und Trommelwirbel dringt an seine Ohren, Trompetenstöße hehren Anblick melden, Es klirren hell die Schwerter und die Sporen, Es schreiten durch den Saal die kühnen Helden; In ihrer Mitte wankt zum Königssitze Der König, der ihn schnöde überfallen, Und huldigend mit allen den Vasallen Beugt er sein Knie, senkt seines Schwertes Spitze. Aufs neu erschallen nun Trompetentöne, Es kommt die Königin, hold anzuschauen, Es kommen ihre Töchter, ihre Söhne, Sie ist umringt von vielen edlen Frauen; Und alle sinken vor des Thrones Stufen; „So möge Glück und Ruhm dich stets begleiten, Heil deinen Enkeln in den spätsten Zeiten!" Es zittert der Palast vor Freudenrufen. — Da seufzt der König auf, vom Traum berücket: „Bin König, und die Flucht aus meinen Landen War nur em Traumgesicht, das mich gedrücket!" Jäh schnellt er auf in wachen Traumes Banden, Will zu den Seinen, breitet aus die Hände — Dumpf rasselt Schwert samt Panzer hin im Fallen, Das Roß, es reißt sich los, Hufschläge schallen — Es krächzt die Rabenschar ein Lied vom Ende! Allton Funtek. Südsliwm. 217 JoM Stritar. Der Kruder. t- -I- „Was sitzest du, Fremdling, im Winkel hier, Warum ist dein Blick so düster und stier? Komm, rücke zu uns, sei unser Gast, Der Wein erleichtert des Herzens Last. Was auch du erfahren, vergiß dein Leid, Auf Gretchens Gesundheit thu mir Bescheid." — „„Das thue der Teufel, ich thu' es nicht, Du elender Prahler, du feiger Wicht! Für deine Lügen beim Kreuz um zehn Sollst du mit dem Schwert mir Rede stehn."" — „So spät? Doch ich komme, du hast mein Wort! Und nun, ihr Freunde, trinken wir fort!" — 2. „Wohin, mein Bruder, ziehst du mich fort, So spät in der Nacht? sprich nur ein Wort! Nach Jahren kehrst du zurück, warum So finster dein Blick, dein Mund so stumm? Nach Jahren führt dich heim das Geschick, Und du hast für mich nicht einen Blick? Was hab' ich dir, liebster Bruder, gethan? O sieh mich nur einmal, nur einmal an! Südslaven. 219 Im Dunkel der Nacht, was hast du vor? Das Rauschen des Wassers schreckt mein Ohr!" — „„Wir sind zur Stelle, das Wasser rauscht, Knie nieder und beichte, niemand lauscht!"" — „Was soll, mein Bruder, das schreckliche Wort? Du sinnest doch nicht der Schwester Mord!" — „„Nie werde mir Schwester die Metze genannt, Drum muß ich dich morden mit rächender Hand."" — „Mein Leben kaum siebzehn Jahre noch zählt, Und soll schon sterben, weil ich gefehlt! Nicht wahr, mein Bruder, du wirst es nicht thun, Der Eltern gedenk, die im Grab uns ruhn! O denke der goldenen Kinderzeit, Wie teilten wir treulich Freud' und Leid! Gerettet bin ich — ich hab' es erreicht — Sein Auge ist naß, sein Herz erweicht." — „„Bei Gott ist Erbarmen, bei mir ist es nicht, Vollenden muß ich das Strafgericht."" — „Du furchtbarer Richter, halt ein, halt ein! Schon dämmert am Himmel des Morgens Schein. O furchtbar, zu sterben in Nacht und Graun, Den lichten Tag laß mich einmal noch schaun. Komm, rette, Geliebter, sieh, was er mir thut!" — „„Der liegt im Walde in seinem Blut!"" — „Dann muß ich wohl sterben, daß Gott erbarm', O würge mir, Henker, nicht blutig den Arm!" — Die Schwester faßt er mit rasender Hand, Er reißt sie mit sich an des Ufers Rand. 220 Slavische Anthologie. Er hebt sie empor und wirft sie hinab Und stürzet ihr nach in das Wellengrab! Am Himmel erglänzt des Morgens Licht — Vollbracht ist das nächtliche Strafgericht. 3. S Dir Thrünr. An deinem Busen lag ich träumend, Mein Äug' in deines still versenkt, Die du nach langem, heißem Flehen Mir gütig Herz und Huld geschenkt. Du kostest Stirne mir und Wange, Dein Arm um meinen Hals sich schlang, Daß süßer, wonnevoller Schauer Mir Seel' und Sinne hold durchdrang. Sieh da! Ins Herz mir dunkle Trauer, Ins Äug' mir eine Thräne schlich; Du, Mädchen! sahst die Thrän' im Auge, Du wurdest bleich, du fragtest mich: „Was soll die Thrän' in deinem Auge? Dem bangen Herzen Antwort gib; Bist du nicht glücklich, mein Geliebter? Du hast wohl gar ein andres Lieb?" — Ja, ja! ich hab' ein andres Liebchen, Das mich in ew'ger Macht umschlang; Doch ach, sie ist verlassen, elend, Sie liegt und weint und stöhnt so bang. O weine, weine nur, du Mädchen, Mich rühren deine Thrünen nicht; Mehr lieb' ich sie als dich, als alles, Sie lieb' ich, bis mein Herz mir bricht. Südslaven. 221 Könnt' ihr die schweren Leiden lindern Dein rotes, warmes Herzensblut; — Nicht wankend stieß' ich kalt das Messer Dir in die Brust mit festem Mut! Laß mich aus deinen Schmeichelarmen, Nicht halte mich mit weicher Hand; Wie dürst' ich wohl im Glücke schwelgen, Da elend ist mein — Vaterland! I. S. Gin- und Ausfälle. 1. Sein Brot mit Thränen essen — o Not! So hör' ich den Dichter rührend klagen. Was soll denn, zum Henker, jener sagen, Der Thränen wohl hat, doch dazu kein Brot. I. S. 2. Willst eine kluge Christin du sein, Dann mach's wie die heilige Magdalene; Erst Liebe, — die Buße dann hinterdrein — Das frommt dir für diese Welt und für jene! I. S. Dir glückliche Insel. Und hast du den Mut, reich mir die Hand, Morsch alles ist hier, verrottet, verlogen; Wir suchen ein andres, ein glückliches Land, Vertrauend dem Wind und den gütigen Wogen. Ein Eiland weiß ich im Ozean, Ein grünes Juwel, so lieblich zu schauen! 222 Slavische Anthologie. Ein Wäldchen, ein Quell und ein Wiesenplan. Da wollen wir unsere Hütte uns bauen. Der Himmel ob uns und rings das Meer! Hier lebt man fern von der Menschen Verbände, Kein störender Laut dringt zu uns her, Die Woge nur plätschert lieblich am Strande. Hier kennt man nicht Haß und Brudermord, Hier lebt man nicht von blutigem Raube: Frei spielt das Reh hier im Gras und dort — Am Felsen brütet die Turteltaube! Wir wollen tief in des Meeres Grund Erinnrung vergangner Tage versenken; Zu neuem Leben schließen den Bund, Nur unser und unserer Liebe gedenken. Was zögert dein Fuß? ich sehe dich bang Mit feuchten Blicken die Heimat grüßen; Es ist dir ein schwerer, ein banger Gang, Sei ruhig, wirst dich nicht trennen müssen. Nein, bleibe hier im geliebten Land, Kaum trügest du wohl des Abschieds Stunde; Du liebtest mich nie — reich mir die Hand! — Ich stehe allein auf dem Erdenrunde! I. S. Simon Gregorčič. Uur keinen Menschen. In deine Werkstatt hab' ich geblickt, Du, der unzählige Wesen gestaltet, Du, dessen Hand geheimnisvoll waltet; Südslaven. 223 Nichts ward unvergänglich geboren, Dennoch kein Atom geht verloren. In deine Werkstatt hab' ich geblickt: Drinnen erschaut' ich ein ewig Erstehen, Ewiges Bilden, ewig Vergehen, Schassen und Schöpfen, Formen, Gestalten, Neue Wesen entstehn aus den alten, Nirgends jedoch hab' den Tod ich erblickt. Dennoch weint die vernunftlose Welt, Wenn eine duftende Blume geknickt, Wenn von denen, die heiß sie geliebt, Einer aufs neue dein Grabe verfällt, Klagend: „Es hat ihn der Tod uns entführt," Jener Tod — den es nirgendwo gibt. — In deine Werkstatt hab' ich geblickt, Dort nur die Wandlung des Lebens gespürt, Nirgends jedoch hab' den Tod ich erblickt. — Schöpfer, du, der mich weckte zum Leben, Hast mir des Geistes Funken gegeben, Schlossest in irdische Hülle ihn ein, Doch das Warum? weißt du nur allein — Ist auch der irdene Kerker verdorben, Ich bin ja dennoch nimmer gestorben, Auf des entfesselten Geistes Schwingen Werd' ich dem Thale des Jammers entschweben, Werde zu dir empor mich erheben, Zu deinem Throne werde ich dringen, Um dein göttliches Antlitz zu schauen, Um zu erschauen dein Angesicht, Das nur von Liebe und Wahrheit spricht. . . Erde wird man zur Erde senken, Und über Nacht schon vergißt diese Welt, Wen dieser Hügel umschlossen hält. — Sie vergesse! was liegt mir daran, Du wirst sicher meiner gedenken! Ziehst meinen Staub zu Neuem heran; Was du schaffest? wem ist es bewußt? Du alleine bist ja der Herr! Eine Bitte nur hegt meine Brust, Mög' aus dem Staub sich ein Blümlein erheben, Singend ein Vogel zum Walde entschweben, Lasse erstehn, was dir immer gefällt; 224 Slavische Anthologie. Doch wer wie ich, auf dieser Welt, So viel gelitten, so viel empfunden, So viel erlebte der bitteren Stunden, So viel gezweifelt, so viel gestritten, So viel an glühender Sehnsucht gelitten, Fleht: Keinen Menschen nur schaffe, o Herr!! Arthur Brehmer. Aus „Uon den Krädern". 1. Es treibt auf die einsamen Graber Mich oft mein ruhloses Herz; Es ahnt wohl, daß hier erst entschlummert Die Sehnsucht und jeglicher Schmerz. Gar mancher Gedanke beschleicht mich, Gar manches Gefühl hier erwacht, Und nahe Verwandtschaft umweht mich Aus stiller Grabesnacht. Beini Anblick der Grüber bedünkt's mich, Ich blick' in mein Herz hinein, Es liegt ja auch drinnen, da drinnen Unzähliger Toten Gebein. Was teuer und lieb mir gewesen, Der Tod hat mir alles geraubt: Erstickt ist mein feuriges Hoffen, Geknickt ist, worauf ich gebaut. Die Sehnsucht hab' selbst ich ertötet, Mein Planen der Welt rauhe Luft, Nun ruhn die Verstorbenen alle In uneingeweihter Gruft. Kein Denkmal erhebt sich darüber, Und niemand trauert darauf; Mein Lied nur gedenket noch ihrer Und meiner Thränen Lauf. Südslaven. 225 Die Toten in all diesen Gräbern Erweckt das jüngste Gericht; Die Toten jedoch meines Herzens Erwachen, erwachen nicht. . . . Franz Selak. 2. Wie pranget ihr schön, ach, wie duftet ihr süß, Ihr Grabhügel schmückenden Blüten! Wohl pflanzt eine liebende Hand euch hierher, Ein liebendes Herz muß euch hüten! Und dennoch . . . wer weiß, ob aus euch wohl spricht Die Liebe, die einstige Treue? Nur Sühne für Unrecht gar seid ihr vielleicht, Vielleicht nur der Ausdruck der Reue. Hat wohl nicht die Hand, die so zart euch jetzt pflegt, Einst jenen ohn' Gnade gehetzet, Hat dem sie nicht, der unter Blümelein schläft, Mit Dornen die Seele verletzet? Dann kam wohl zu spät, ach, all eure Pracht, Sie paßt nicht aufs Bette des Toten: Den, dem ihr da blüht, freut die Blüte nicht mehr, Der Dornen gar leicht kann er spotten! Ins Leben die Dornen, die Blüten aufs Grab! Wohl umgekehrt ziemt es dem Geber: Ins Leben säet lieber die Blümelein uns, Die Dornen hebt auf für die Gräber! Gojmir Krek. „Freund" und Schatten. Ein „Freund" gleicht einem Schatten sehr, der schön Dir folget über Stock und Steine, Falls dir des Glückes Sonne scheine; Doch wenn die Wolken drüber gehn, Daß man die Sonne nicht kann sehn, Dann macht auch er sich auf die Beine! Gojmir Krek. Slavische Anthologie. 15 226 Slavische Anthologie. Im Dnin. Aus tausend Nosen süßer Dust, Und froher Sang von tausend Zweigen; Die Blüten, schwer von Tau, sich neigen, Und lebhaft Zwitschern füllt die Luft. Und mitten da im jungen Hain Nur Freude schlägt an meine Ohren; Warum ist mein Herz auserkoren Allein zu Leid und ew'ger Pein? Ach, da im Herzen wird's nicht licht, Dem Frohsinn will's nicht Einlaß bieten, Prang, Rose, oder nicht, in Blüten, Sing, Vöglein, oder singe nicht! Doch nein! Sing, Vöglein, für und für! Mag auch schon tot sein meine Seele, Ein andrer horcht dem Klang der Kehle Vielleicht, der froh noch singt mit dir! O prange, Blüte, schön geziert! Es werden sich die Mädchen bücken Und dich zum Kranz den Liebsten pflücken — Wenn auch für mich es niemand wird. Gojmir Klek. Projekt. Daß Gold nur die strahlende Sonne, Der Mond nur aus Silber besteht, Wer wollte wohl daran noch zweifeln? Erzählt's uns doch jeder Poet! Ach, wären mir Schwingen gegeben, Wie wollt' ich entfalten sie weit, Ich flöge mach jenen Welten Und ließ' mich dort nieder voll Freud'. Südslaven. " 227 Da prägte dm Mond ich zu Thalern, Die Sonn' zu Dukaten mir reich, Damit könnt' die Schulden ich zahlen Des Staates, die meinen zugleich. Gojmir Krek. An den Weltraum. Am Bergeshang, von Schnee umschlossen, Erhebst du dich mit grünen Sprossen So lebensfrisch im öden Raum, Mein Liebling, mein Olivenbaum! Oasengleich in toter Wüste Grünst freundlich du in junger Tracht; Mir ist's, als ob nach heißer Schlacht Ein Krieger mich am Schlachtfeld grüßte: Des Sturmes Wucht verschont' nur ihn, Die Brüder sanken alle hin! Wozu wohl du dem Tod entgangen In Frühlingskraft und Frühlingsprangen? Auf daß, ein lebend Totenmal, Du ragst aus Gräbern sonder Zahl? Ach nein, dies Grün, es kündet eben Uns neuerstandnes frisches Leben, Wo die Natur aufs neu erwacht, Geschmückt mit bunter Blumenpracht! Vom kahlen Busch beschwingte Gäste Umflattern die begrünten Aeste Und zwitschern laut und froh dabei Im Wahn, daß es schon Frühling sei. Und ach, wie weilt im kahlen Raum So gern mein Bick auf dir im Traum! Gepriesen, mein Olivenbaum, Du Zeuge einst'ger Herrlichkeiten, Du Bürge künft'ger beßrer Zeiten, Ich grüße dich Herzinniglich! Dein Saft ist's, der die Wunden heilet, Mit heil'gem Balsam uns beteilet, 228 Slavische Anthologie. Der auf den Körper wirkt mit Macht, Durch Licht vertreibt die dunkle Nacht! Ich preise dich! Von alters her schon bist du wohl Des Friedens liebliches Symbol! Es wollt' die Welt in Lust erschlaffen, Und leid that's dem allweisen Gott, Daß er den Menschen je erschaffen. Da brachte jähen, furchtbarn Tod Die Flut dem fündigen Geschlechte, Verschont' nur wenige Gerechte! Auf einem Fahrzeug drängte sich Das Häuflein, das dem Tod entwich — Wer ist's, der ihm Erlösung brachte? Der Himmel dräuend anzuschaun, Ringsum endlose Wasserwüste, Kein rettend Land und keine Küste — Welch Graun, welch Graun! Wann sinkt dies Meer, das berghoch stehet, Wann wird des Himmels Groll gestillt? Ist Gott zu zürnen stets gewillt? — Lau übers Meer sein Odem wehet, Die Flut, sie schwindet, fällt, vergehet, Wie Schnee im Sonnenschein zerquillt! Und sieh, da sich die Fluten neigen, Sprießt auf ein Baum mit grünen Zweigen, Ein weißes Täubchen drauf sich schwingt! Das blickt herum mit klaren Aeuglein Und pickt und hackt, daß hell es klingt, Und sieh, im roten Schnabel bringt Es mit ein grün — Olivenzweiglein! — Wie freudig wohl der Schiffer da Die Taube mit dem Zweig ersah! Dies Reislein vom Olivenbaume, Es ward vom Himmel selbst gesandt Dem Schifflein auf dem Wogenschaume Als Friedens- und der Sühne Pfand! Uns auch bist du ein solch Symbol! Es kam der Tag der Palmenweihe, Zum Gotteshaus in dichter Reihe Strömt hin das Volk, so freudenvoll. Und all die Kleinen und die Großen, Südslaven. 229 Sie tragen grüne Oelbaumsprossen, Wenn Sprossen nicht, doch Reislein klein, Die Kirche dünkt ein Hain zu sein! Durchs Fenster gießt die Gottessonne In diesen Hain ihr Himmelslicht, Doch Heller strahlt des Glückes Wonne Der Kinderschar vom Angesicht Durchs Grün, das schattend sie umflicht. Ein Greis tritt zum Altar und fleht Des Himmels Heil und reichen Segen Herab im innigen Gebet Auf diese Zweige allerwegen: „O, wär' durch sie nur Glück und Frieden Auf Erden immerdar beschieden!" Jawohl, des Glückes Unterpfand Ist dies geweihte Reis hienieden, Wenn segnend wir mit frommer Hand Damit besprengen Haus und Land! Sieh Feld und Flur, weit hingezogen, Wie stehn sie da so wohlbestellt! Sieh des Getreides goldne Wogen, Wie strotzt die Aehr', von Frucht geschwellt, Welch Lohn, wenn sie in Garben fällt! Und diese Bäume, fruchtgebogen — Heil ihm, der solchen Preis erhält! Doch ach, wie wird die Luft so schwer! Sieh, Wolken ziehn wie dunkle Riesen Hin über Gärten, Aecker, Wiesen, Ein Hagel schwer, ein furchtbar Heer! Kind, Greis und Weib, hin sinken sie Vor ihrer Hütte in die Knie, Mit feuchtem Blick, mit Furcht und Grauen Zur Wolkenwand sie aufwärts schauen, Und innig fleht Ihr heiß Gebet. Der Vater aber sorgenvoll Verbrennt geweihte Oelbaumblütter, Auf daß sich leg' des Sturmes Groll; Da schwebt der heil'ge Rauch zum Wetter, Und sieh, aus schwerer Wolke quillt Aufs Feld ein Regen sanft und mild! — O, könntest du den Sturm beschwören, 2go Slamscho Anthologie. In dem sich Herzen auch empören, Du heilig Reis, o brächtest du Die Leidenschaften doch zur Ruh', Die Tag und Nacht mein Herz bethören! Mein Herz, es spricht, du wirst es thun, Besprengt von dir find' ich Erhören! Ich seh' im Geist ein niedrig Zimmer, Drin strahlet bleicher Kerzen Schimmer, Da sehe einen Mann ich ruhn, Er sieht so blaß im schwarzen Kleide, Das rings verbrämt mit Silberfeide, Er schläft mit festgeschloßnem Lid, Erschöpft vom Gang durchs Weltgedränge. Und mancher, der ihn schlafen sieht, Mit einem Oelzweig niederkniet, Auf daß er betend ihn besprenge — O Brüder, ja, wenn dies geschieht, Dann ist vorbei des Daseins Strenge, Verstummt sind all die Schmerzensklänge, Dann mag ich ruhn für alle Zeit Von Herzensweh und Menschenstreit! Anton Funtck. Anton Aäkerc. Ahorn und Kinde. Von bleichem Monde beschienen Erhebt sich ein Ahorn am Hang, Es rauschen in nächtlicher Stille Die Zweige so süß und so bang. Geheimnisvoll flüstert auf ihnen Das Laub, sich wiegend im Traum . . . Südslaven. 231 Was mag wohl so seltsam bewegen Den armen, vereinsamten Baum? Es blüht neben ihm eine Linde, Die schönste im ganzen Hain; Es drängt ihn nach ihrer Umarmung Der Sehnsucht qualvolle Pein. Laß ab von der Linde, mein Ahorn, Es lockt dich vergeblich ihr Duft! Es trennt dich auf ewig vom Liebchen Eine unüberbrückbare Kluft. Franz Selak. Der letzte Hricf. „Sechs lange Monde sind's, o Gram, Seitdem von Haus er Abschied nahm. Und immer noch ist er nicht hier, Auch keine Nachricht schickt er mir. O guter Herzensliebster mein! Wird denn das Kriegen ewig sein?" Im Hausflur steht das Mägdlein dort, Das Posthorn schmettert durch den Ort. „Hast, Postillon, du was für mich?" „„Ist wohl ein Brief da, glaube ich!"" Drückt ihr ein Brieslein in die Hand, Das Briefpapier trägt schwarzen Rand. Sie liest und liest das Briefelein, Doch nimmer geht der Sinn ihr ein. 232 Slavische Anthologie. „Les' doch ein andrer mir geschwind, Weil ich der Worte Sinn nicht find'!" Und Schwestern, Brüder, alles liest, Was in dem Brief geschrieben ist: Daß ein Geschoß auf der Bastei Ihm tief ins Herz gedrungen sei! — Sie hört, wie sie den Brief verstehn, Doch in den Sinn will's ihr nicht gehn. Und Tag für Tag am Hausthor lehnt Das Mägdelein, wenn 's Posthorn tönt; Und fragt den Mann tagaus, tagein, Ob er nicht hätt' ein Briefelein. — Gar viele Briefe bringet er, Allein für sie bringt er nichts mehr! Äojmir Krek. Gin Glatt aus der Chronist des Zairer Klosters. Ruhmbekränzter, großer heil'ger Bruno, Der Kartäuser-Mönche hehrer Pater! Der im wilden Thale uns geboren, Ferne in dem Thale der Kartause; Der du hier auch über uns den Mantel Breitest, die wir hier in Zajc versammelt; Ach vergib, o Vater, ach, vergib mir, Daß dein Sohn, der alte Mariophil — Deines Klosters einst'ger Ueberwacher Und jetzt Prior des unwürd'gen Hauses — Heute hier in diese Chronik schreiben Und dem Pergament muß einverleiben Eine Kunde, die dich wird betrüben. Südslaven. 233 Dreißig lange Jahre flössen seither In die Ewigkeit, ja, dreißig Jahre! 's war ein warmer, prächt'ger Tag im Herbste, Als ich hergepilgert kam vors Kloster, Barhaupt kam vor unser Zajcer Kloster. Mit der Rechten stützt' ich auf den Stab mich, Und den Rosenkranz hielt meine Linke. Dicht vor unsrer Kirche blieb ich stehen. Dann betrat ich sie, andächtig betend. Durch die hohen got'schen Bogenfenster Fluteten die Hellen Sonnenstrahlen. Sieh! das Gotteshaus ist leer, verlassen! Nun ins Refektorium! Es werden Dort die Brüder sein. Denn angelweit ist Da die Thür geöffnet; alle Tische Schwanken von der Last des Mahles; doch auch Hier im Saal ist keine einz'ge Seele! Durch die langen Gänge schreit' ich einsam — Leer ist jede Zelle, alles stille, Höre laut nur meine Schritte hallen, Wunderlich echoend im Gemäuer! Ernste Mienen überrasch' ich, die auf Mich verwundert von den Wänden schauen: Bilder lang entschlafener Prioren, Bilder der Wohlthäter dieses Klosters. Leises Grauen schleicht mir durch die Seele. Weiß selbst nicht, wie lang herum ich irrte: Halt, zu ebner Erde, dort im finstern Korridor ist halb nur angelehnt die Thür, aus der ich Lärm und Worte höre! Auf den Zehenspitzen schleich' ich hin mich, Horche, horche — das klingt eigentümlich! Still wird's, hör, man singt mit hoher Stimme: „Verschiedner Orte, Zeiten Gibt's Bücher bei uns hier, Doch ich lob' unter allen Den Band Gedichte mir. Was sind Horaz und Pindar! Was Sappho und Ovid! 234 Slavischs Anthologie. Nur dies mein Buch hat höhren Poetischen Esprit. Wenn süß mich dessen Inhalt Empor zum Himmel hebt, Dann fühl' ich, wie auch mein Geist In Dichtersphären schwebt!" . . . Ei, die Väter in der — Bibliothek hier?! Von Gelehrten dieses Klosters hört' ich ... Also wirklich! . . . Horch, ein zweiter Bruder! „Mein Lieblingsfoliant ist der alte! Aus ihm ich mich gerne belehr': Die Zeit hat die Jahrzahl zernaget, Den Drucker, den kennt man nicht mehr. Wenn ich diese tiefen Ideen Durchdenke bis spät in die Nacht, Entschleiert Natur ihre Wunder, Daß gleich sie zum Weisen mich macht!" . . . Ernst stimmt jetzt ein tiefer Baß sein Lied an, Daß der Saal gewaltig dröhnt vom Echo Und die Mauern ober mir erzittern: „Die Wahrheit hab' lange umsonst ich gesucht, Unzählige Schriften durchwühlet; Erst dieser Folianten gewaltige Flucht Hat gleich meinen Durst mir gestillet!" Doch da hör' ich lautes Glüserklirren! Oeffne ganz die Thür, tret' ein und grüße: „Nsrnsntoto mori!" . . . Welch ein Keller! Kühl empfangen mich die weiten Raume. In der Mitte der gewalt'gen Fässer Aber sitzen die Kartäuser-Patres, Rings um einen Eichentisch gelagert: Südslaven. 235 Jedem schäumt em Becher voll in Händen. . . „Teure Brüder: Ovininnsvobisonm! Eure Bibliothek ist also das hier?! — Streng nach dem Befehl von der Kartause Kam zu euch der Bruder Mariophil, Daß er euer Zajcer Kloster sehe Und den Fortschritt in den Wissenschaften, Die aus dieser Bibliothek euch fließen. . . Schweren Herzens schrieb ich diese Zeilen, Schrieb auch die Begebenheit ich nieder. Du Erlöser hier auf meinem Pulte, An der Wand du, Alatsr äolorc>8a! Ihr seid Zeugen mir, daß schwer ich heute, Ungern meine Gänsefeder führte. Doch der sünd'ge Mönch Mariophil, der im Schreiben dieses großen Buchs ergraut ist, Dieser Chronik unsres Zajcer Klosters, Ach, er konnte und er durst' nicht anders! Treu soll der Chronist stets nur berichten Wahrheit, lautre Wahrheit soll er schreiben. Niemals blick' nach rechts er, nicht zur Linken, Frage nicht danach, was Zeitgenossen, Nicht danach, was Spätere noch sagen! — Und so wirst du's wohl nicht Übelnehmen, Daß dein Sohn Mariophil in der Chronik Die Begebenheit hat ausgeschrieben, Die im schönen Zajc sich zugetragen, Als der Jahre tausend man fünfhundert Vierundsechzig zählte noch nach Christus, — Sicher wirst in deiner Herrlichkeit du Mir vergeben, Vater Bruno! Amen. Äojmir Krek. 236 Slavische Anthologie. Der Hofnarr. „Lehne nicht so einsam träumend, Edler Ali, weiser Ali; Sieh, es woget laute Freude Buntbewegt in: lichten Saale. Was verfinstert dir die Stirne? Sieh, es fliegen hin die Paare, Fürstensöhne, Fürstentöchter Schwingen sich im leichten Tanze. Weiser Ali, welterfahren, Sage doch, an welchem Hofe Sahst du solche Pracht erglänzen, Solcher Feste Glanz und Hoheit? Feurig spielen Diamanten In Sultanens Diademe; Es verlangt mich zu erfahren, Wo ein schönres Spiel zu sehen. Weiser Ali, gibt es Ketten, Goldne Ketten, schwerer wiegend, Als sie heute Jusuf Pascha Trägt, im Staatsgewande blitzend? Und die feenhaften Trachten! Ja, wo gibt es solche Seide, Wie an meinen Odalisken? Wo Kostüme also reizend? ..." Auffährt Ali traumverloren, Steht dem König Red' und Antwort, Lustig klingt die Schellenkappe, Spöttisch grinst sein Saturantlitz. „„Steine sah ich Heller spielen, Perlenreihen reiner sprühen, Kleiderstoffe reicher strahlen, Kettenbande schwerer drücken! Südslaven. 237 Nicht in fremder Herren Ländern, Nah genug kannst du erfahren, Daß dein Narr, der weise Ali, Wahres nur dir offenbaret. Teurer als die Staatsgewänder Sind die rauhen Bauernkleider, Da durch schwere Händearbeit Jedermann sie trägt zu eigen. Schwerer als die goldnen Ketten, Welche jene Gecken schmücken, Herr, sind wohl die Sklavenbande, Die mein Volk zu Boden drücken! Hellre Perlen willst du sehen? Thrünen sind's von Millionen: Herr, sie fallen deinetwillen, Der du schwelgst in üpp'ger Hoffart. Und die schönsten Diamanten? — Das sind wohl die Tropfen heilig, Ihm von heißer Stirne rinnend, Der da kämpft ums Brot der Seinen!"" Anion Funtek. Des Sängers Grab. Hier also die Stätte, wo einsam er ruht, Wo Frieden gefunden sein wallendes Blut; Der Name, er steht auf dem Steine, Kein Zweifel, er ist's, den ich meine! Wohl lange, wohl lange schon ruhet er hier, Und doch ist's, als stünde er wieder vor mir So, wie er gelebt und gewesen, So, wie ich in Schriften gelesen. . . . 238 Slavischs Anthologie. Im Garten des Klosters, da stand einst ein Baum, Da träumte er sinnend so mancherlei Traum, Die Vöglein, sie kamen von ferne, Die Blümlein, sie lauschten so gerne! „Maria, die Jungfrau, pries lange mein Mund, Will singen andere Lieder zur Stund'; Hört, Vöglein, euch will ich vertrauen, Euch, Blümlein, auf sonnigen Auen! Ein wunderbar Sehnen das Herz mir durchzieht, Ich darf es nicht singen das herrlichste Lied, Und kann es doch nimmer verdrängen, Es würde die Brust mir zersprengen! Doch wenn ich gestorben, dann Vöglein ihr all Laßt über dem Grabe erklingen den Schall; Sprießt Blumen empor aus dem Herzen, Laßt klingen verhaltene Schmerzen! Und wenn ich geschlafen jahrhundertelang, Laßt tönen, laßt duften den hehren Gesang Hoch oben in Lüften, den blauen, Tief unten auf blühenden Auen! ..." Doch als er gestorben in einsamer Zell', Nicht konnte er ruhen im Garten, so hell, Mußt' schlafen im Kirchlein alleine, Tief unter dem marmornen Steine. Und was er gesungen, der träumende Mann, Wie könnte es tönen am Grabe fortan? Nicht können die Vögel es singen, Nicht kann es aus Blumen erklingen. . . . Und dies nun die Stätte, wo einsam er ruht, Wo Frieden gefunden sein wallendes Blut? Sein Name, er steht auf dem Steine, Kein Zweifel, er ist's, den ich meine. In üppigem Haine sein Grabmal nun steht, Von Bäumen beschattet, mit Blumen besät, Südslaven. 239 Und mitten im Walde darinnen, Da stehen des Klosters Ruinen. Wohl brausten die Stürme vernichtend einher, Auf daß sich erfülle des Sängers Begehr, Auf daß er im Grabe noch höre Der Vögel berückende Chöre. . . . Es jauchzen viel Stimmen im sonnigen Licht, Die Vöglein, sie fingen des Mönches Gedicht, Und nun so die Töne erklingen, Versteh' ich dies Sagen und Singen. . . . Es klagt von vergeblicher Hoffnung der Sang, Er seufzt von verlorener Freiheit so bang: Wie Hoffnung so jählings entschwindet, Wie Freiheit sich nimmermehr findet. . . . Anton Funtek. Das alte Schloß. Dort ragt auf zerklüfteten Felsen Gar einsam ein Schloß und gar hehr; Der Epheu nur ist ihm Genosse, Die Eulen — die Damen im Schlosse, Der farbige Molch ist der Herr. Dort stand ich wohl oft auf den Zinnen, Vom prächtigen Ausblick gebannt! . .. Doch wenn sich das alte Gemäuer Vermummt in den nächtlichen Schleier, ' Ging' dort ich hinauf um kein Pfand! Denn kaum künden Schläge der Dorfuhr Verhallend die Mitte der Nacht, Wird's hell in des Schlosses Gemäuer, 240 Slavische Anthologie. Beleuchtet von zaubrischem Feuer Erglänzt es in einstiger Pracht. Und bleich sitzt der Graf mit den Freunden Im herrlich erleuchteten Saal; Ein Mägdlein er kühnlich umschlinget, Das scheu seinem Arm sich entringet, Und jauchzend er schwingt den Pokal. „Nicht fürchte dich! reizendes Mädchen! Nicht fürchte dich!" tröstet der Herr. „Ach laß doch die bitteren Thrünen! Wirst bald ja an mich dich gewöhnen; Sieh! Holde, ich lieb' dich so sehr!" Ein schallendes Trinklied ertönet Zu Ehren dem Burggrafen bleich, Und wild lacht die Sippe beim Weine, Es schluchzet, es schluchzt nur die Kleine, Sie weinet und lachet zugleich. . . . Doch horche! Wer raset und wütet Dort unter dem Schlosse so blind? Die Waffen in Händen ihm beben, Ach, ihm soll zurück man sie geben — Sein Kind, sein gefangenes Kind! Bald aber verstummet dort unten Des Bauern laut klagend Geschrei . . . Es bringt vor die tollende Menge Das blutende Haupt im Gedränge Der Schlächter gehorsam herbei. . . . Im Dorf kräht der Hahn schon zur Frühe, Schon blitzet Aurorens Geschoß; Im Nu all der Glanz ist erblichen, Die Zauber sind wieder gewichen — Und finster ist's wieder im Schloß. Ävjmir Krek. Südslaven. 241 Der Fährmann. Mit donnerndem Dröhnen, durchs Thor Gigantischer Felsen hervor Wälzt Sava die langsamen Wogen. Ein Nachen wiegt schaukelnd sich dort, Der einsame Fischer an Bord Hat drinnen der Ruhe gepflogen. „Hoi, Alter, die Ruder zur Hand, Setz rasch uns hinüber ans Land Hier über der Save Gewässer! Hör' funkelndes türkisches Gold Sei, ruderst du uns, dein Sold . . . Wenn nicht — fällt dein Kopf durch das Messer! Noch schweigen der Wald und das Feld, Dort drüben im christlichen Zelt Ruhn sicher noch alle die Recken. Gehüllt in den Mantel der Nacht, Sind wir hier gesendet, ganz sacht Des Feindes Versteck zu'entdecken . . „„Behaltet doch nur euer Gold! Müßt' nicht, was es nützen mir sollt'; Umsonst ja geleit' ich euch drüber. Auch habt ihr das Köpfen nicht not, Denn, statt zu erleiden den Tod, Willfahr' ich euch tausendmal lieber!"" Schon schießet vom Ufer der Kahn, Er trügt der Spione drei Mann; Der Fährmann regieret den Nachen Im Auge den Strudel, der wild Gar gern mit den Schiffen erst spielt, Dann gierig sie reißt in den Rachen. „Ja, wahrlich, ein Schiffer ihr seid, Wie keinen man weit und breit Wohl finden wird hier in der Runde! Gelingt's uns, welch herrlichen Lohn Slavische Anthologie. 16 242 Slavische Anthologie. Hat der Hauptmann versprochen uns schon Für eine erfreuliche Kunde!" „„Zur Stell'!"" - ruft den dreien der Mann Laut zu, es erzittert der Kahn . . . „„Hier euer und mein Lohn! 's ist besser!"" „Verfluchter!" — ein Plumps und ein Schrei, Ein Schwanken der Wellen dabei — Nnd stille ist's überin Gewässer. Gojmir Krek. Virhalt. Einleitung Seite 3 Böhmen. Snnl nun Pardubic. Aus „Der neue Rat" .... 29 Jan Kollar. Aus „Die Tochter der^Slava" . 32 Frantisek Ladislav Celakovsky. Aus der „Hundertblättrigcn Nose" 36 Aus „Nachhall der böhmischen Lieder".37 Aus den „Epigrammen" ... 38 Karel Hynek Macha. Aus den „Sonetten".38 Karel Havlicek Borovsky. Aus den „Epigrammen" ... 39 koolssia. milit ans.40 .Mrel Jaromir Erben. Die Weide.40 Vitezslav Halek. Aus den „Äbendliedern" ... 44 Aus „In der Natur" .... 46 Jan Neruda. Aus den „Kosmischen Liedern" . <17 Ballade vom Paradiese.... 48 Aus den .Einfachen Motiven" . 49 Svatopluk Cech. Am Sezierlisch.50 Die Lerche. „ . . 52 Aus dem „Schmied von Lesetin" 55 Nus „Im Schatten der Linde" . 56 Der Jugendpokal.57 Jaroslav Vrchlicky. Stille Liebe..60 Die Landschaft.61 An den Abendstern.61 Notturno . 61 Der Sestinendichter.62 Von den „Serenaden" .... 63 Seite Das Lied — ein Friedhof... 64 Ein Morgen.64 An den Mond.65 Das offene Fenster.67 Nus „Aus dem Karneval des Lebens".67 Voten. Mikotaj Rej von Nngtowice. Die Tugend ....... 71 Jan KochanowAi. Elegien auf den Tod der Tochter 71 Die Linde.73 Kazimirz Brodzinski Arb-it.7S FrMMm.7S Adam Mickiewicz. Auf der Lauer.75 Die Heimkehr des Vaters ... 78 Der Renegat .81 An den Niemen.82 Aus „Sonette aus der Krim" . 82 Julius; Stowacki. Aus „Johann Bielecki" ... 83 Zygmunt Krasinski. Abschied.86 Naht heute oder morgen mir die Stunde.87 Das dürre Blättchen .... 89 Des Herzens Ideal.89 Bohdan I. Zaleski. Die Steppe.9!) Der Kreislauf.91 Seweryn Goszczynski. Mutter Natur.92 Antoni Edward Odyniec. Das Altern des Geistes ... 93 244 Slamsche Anthologie. Franciszek Moramski. An eine Betende.94 Wenn ich gewußt!.94 Stefan Witwicki. Vorsicht.95 Wunsch.95 Ludwik Kondratowicz. Der Schmetterling.96 Was nützt mir die Schönheit, die Jugend!.97 Hinterm Berge.97 Teofil Lenartowicz. Gespräch mit der Nachtigall . . 98 Die Zigeunern!.99 DaS väterliche Heim .... 100 Kornel Ujejski. O, stille Nacht.109 . Der Mond und Sie ... . 102 Daheim.163 Adam AsNyk. Veilchen.10 l Die schönsten Lieder .... 105 Im Anfänge.106 Die Bekehrung.107 Will dich nicht pflücken . . . 107 Grenzenlos.108 Erwacht.109 Marya Konopnicka. Bauernlos.112 Und als der König zog ins Feld t 13 Du, oder keine!.114 Jn die Wiesen.115 Abendlied.116 Russen. Michail Vas. Lomonoscw. Morgengedanken.119 Gavriil Rom. Derzavin. vd! an Gott.iso Ivan A. Krylov. Di! Kornblume.ISZ Vasilij A. Zukovskij. Der Schiffer.ISS «acht.IS6 Ivan Jv. Kozlov. An die Freude . . . . . IS7 Alexander Serg. Puškin. Der Talisman.128 Der Antschar.129 Der schwarze Shawl .... 130 DaS Kloster aus dem Kasbek . 131 Ständchen.132 Die Wolke.132 Die beiden Raben.133 DaS Denkmal.134 Seite Michail J. Lermontov. Die drei Palmen . . . . . 131 Der Palmzweig aus Palästina . 136 Der Traun:.137 Der Dolch.138 Lied.139 Es quält mich, cS drückt mich . 139 Das Gebet.140 Alexej Vas. Koljcov. Die Blume.140 Lied.141 Der Stern.142 Philomele.142 DaS letzte Ringen.142 Jevgenij A. Baratinskij. Wir trennten uns.143 Unzertrennlich.144 Nikolaj M. Zazykov. Einem Dichter.144 Vladimir G. Benediktov. Altes Lied.1.45 Gräfin Jevdokija P. Nostopcina. Der fallende Stern.... 147 Fürst Peter A. Vjazemskij. Thräncn.147 Alexej Step. Chomjakov. Ich danke dir!.148 Feodor I. Tjutcev. Mein Vaterland.149 Ivan Serc;. Aksakov. Die Spätherbstrose.149 Nikolaj A. Nekrasov. Heimatstille.150 Apollon N. Majtov. In meinem fernen Norden . . 152 In den Alpen.152 Winter.153 Aus dunklem Thal.153 Graf Alexej K. Tolstoj. Der Strömung entgegen . . . 154 AuS der Krim.155 O, zweifle stets . . 156 Afanasij A Fet-Sensin. Alles schläft.156 Sturm.157 FrühlingSnacht.157 Jakov P. Polonskij. Das lebende Modell .... 159 Ivan S. Nikitin Nikolaj F. Hcerbina. Dos Bad. IVI Alexej N. Plescojev. Leb wohl!.162 Inhalt. 245 Leo A. Mej. Traurig bist du 163 Konstantin K. Slucevskij. Die Statue.163 Graf Arsenij A. Goleni^cev- Kutnzov. Im Eilzuge 165 Warum erglüht mein Herz . . 166 Nikolaj M. Minskij. Mein Dämon 166 In meinem Herzen 167 Großfürst Konstantin Kon- fiantinovic. Du hust gesiegt, Galiläer. . . los Abschied von Neapel .... 169 Erwacht ist die Erde .... 169 Längst loschen die Lichter im Zim¬ mer aus 170 Zwar das Fenster ist offen . .171 Maiglöckchen, strahlend wie De¬ manten 171 Semjon G. Frug. Das Leben und die Hoffnung . 172 Semjon I. Nndzon. Nicht ganz gehör' ich dir. . . 172 Ein Wurm 173 Konstantin M. Fofanov. Auf den Hochaltar 171 Sübslaven. lKroaten, Kerben, Klooenen.s SiÄo Mencetic. Das Bild der Teuren.... 177 Gjore Drzic. Ein Gelübde 177 Dinko Ranjina Liebe-Pein 178 Jgnjat Gjorgjic. Liebe 178 Stanko Braz. Ans den „Roseniipfeln" . . . 179 Anna 18 l Was ist die Liebe? 182 Ivan Mazuranic. AuS „Ccngie AgaS Tod" ... 182 Petar Preradovic. Der Fischer 184 Ruhe, Herzchen!.195 Wenn ich dich ani Fenster sehe. 180 Ivan Trnski. An die Natur 187 Angust Senoa. Aus den „Hrvatulje" .... 188 So wechselt die Zeit! .... 188 Franjo Markovič. Drei Kränze.I8S Ivan Zahar. An die Schwalben 190 Franjo Ciraki. Aus den „Florentinischen Elegien" 190 Hugo Badnlic. Der erste Kuß 191 Gjuro Arnold. Der Jmmortellenkranz ... 192 August Harambasic. Mein Herz 193 Aus den „Nosmarinliedern" . . 194 Jovan Subotič. Fragen an die Nose .... 194 Branko Radičevič. Als ich zu sterben dachte ... 195 Meine Sonnen 196 Lied 197 Mein Album 197 Gjura Jaksic. Vater und Sohn 198 Wenn...! . 199 Zmaj-Jovan-Jovanovic. Der Floh und die Fliege . .199 Der Zigeuner lobt sein Noß. . 201 France PreZeren. Andenken 205 Die unverehelichte Mutter . . 206 Beim Abschied 207 Wohin? 208 Ghasel 208 Aus den Sonetten 209 Miroslav Vilhar. Am Abend.210 Simon Jenko. Aus den „Bildern" . . . . 211 8ummo «lovi 212 France Levstik. Das Mädchen und das Vöglein 212 Die zwei Enten 213 Der Tänzerin 214 Wunsch 214 Des Fischers Tochter .... 214 Der flüchtige König . . . .215 Josip Stritar. Der Bruder. (DaS nächtliche Gericht.) 217 Die Thräne 220 246 Slavische Anthologie. Ein- und Ausfälle.221 Die glückliche Insel .... 221 Simon Gregorčič. . Nur keinen Menschen .... 222 Aus „Von den Gräbern" . . 22-1 „Freund" und Schatten . . . 225 Im Hain .226 Projekt . 226 An den Oelbaum ..... S27 Seite Anton Aškerc. Ahorn und Linde.220 Der letzte Brief.221 Ein Blatt aus der Chronik des Znjcer Klosters . 232 Der Hofnarr.236 Des Sängers Grad .... 237 Das alte Schloß ... . 239 Der Fährmann.241 Urrlag der J. G. Cotta'schm Nnchhaildtung Nachfolger in Stuttgart. Bibliothek russischer Denkwürdigkeiten, herausgegeben von Theodor Schiemann. Grster Wand: Memoiren von Jacob Iwanowitsch de Sanglcn. 1776—1831. Ans dem Russischen übersetzt von 0. von Warnitz. Preis geheftet 3 Mark. Zweiter Wand: Grinnernngen von Alexander Lwowitsch Seeland ans der polnischen Revolution von 1880M. Aus dem Russischen übersetzt von Georg Freiherrn von Saß. Preis geheftet ö Mark. Dritter Wand: Uicolai Iwanowitsch Pirogow: Lebensfragen. Tagebuch eines alten Arztes. Aus dem Russischen übertragen von August Fischer. Preis geheftet 6 Mark. Verlag der J. G. Cotta'schen Suchhandlung Aachiolger in Stuttgart. Werter ZLand: Konstantin Kawelins nud Iwan Turgenjews Sozialpolitischem Wmiefwechsel mit Alexander Iw. Herzen. Herausgegeben von Bros. Michail Dragomanow. - Antorisierte Nebcrsetznng ans dem Russischen von vr. V. Ninzes. Preis geheftet ö Mark. Künfter Mand: Erinnerungen eines Dorfgeistlichen. Lin Beitrag zur Äeschichtc der Leibeigenschaft und ihrer Aufhebung. Ans dem Russischen übertragen von Mar von Köttingen. Preis geheftet 5 Mark. Die Z.iibliottjek rusfischcr Denkwürdigkeiten" stellt sich die Aufgabe, ein treues Bild des gesellschaftlichen und politischen'Lebens unsrer russischen Nachbarn zu geben. Die Memoiren, welche zur Auf¬ nahme in unsre Sammlung bestimmt sind, dürften wohl am besten in das Thun und Leiden, in Denken und Empfinden jener so nelfach anders gearteten Welt einführen. Sie haben vor allem den W"rr, ein Stück Wirklichkeit zu sein und dem Leser die Möglichkeit zu bieten, sich ein eigenes Urteil über Land und Leute zu bilden. Weitere Bände werden in zwangloser Folge erscheinen. - * Zn beziehen durch die meisten Buchhandlungen. S-^S^SMtzKMW^AA^SÄK^ Herders Ausgewählte Werke. Mit Einleitung von Joseph Lauten¬ bacher. In 6 Leinenbänd en zu je 1 Mark. Band 1. Cid. Gedichte in Auswahl. 2. Volkslieder. 3. Kleinere Dichtungen. Prosaaufsäheu. Schnlreden. 4—6.Ideen z. Philos. d. Gesch.d.Menschheit.I—III. E. Th. A. Hoffmanns Ausgewählte Werke. Mit Einleitung von Joseph Lautenbacher. In 4 Lsinenbänden zu je 1 Mark. Band 1. Goldene Topf. Nußknacker u. Mausekönig. Klein Zaches. 2. Ritter Gluck. Ode Haus. Majorat. Fernrate. Artushof. Rat Krespel. Don Juan. Bergwerke zu Falun. 3. Fräulein v. Scudery. Meister Martin. Spielerglück. Vetters Eckfenster. Doge und Dogaresse. 4. Kater Murr. Hölderlins Gesammelte Dichtungen. Mit Einleitung von Berthold Litzmann. In 2 Lsinenbänden zu je 1 Mark. Vand 1. Gedichte. 2. Hyperion. Empedoklcs. Homers Werke. Deutsch von I. H. Voß. Mit Einleitung von Joseph Lautenbacher. In 2 Leinenbänden zu je 1 Mark. Horaz'Sämtliche Dichtungen. Deutsch von E. Günther u. Ehr. M. Wieland. Mit Einl. v. Hermann Fleischer. ILnbd.IMark. Jean Pauls Ausgewählte Werke. Mit Einleitung von Rudolf Steiner. In 8 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1.2. Vorschule der Ästhetik. I. II. 3.4. Flegeljahre. I. II. 5. Quintus Fixlein. 6. 7. Siebenkäs. I. II. 8. Katzenbergers Badereise. Klagelieder der Männer. Wunderbare Gesellschaft. Jmmermauns Ausgewählte Werke. Mit Einleitung von Franz Muncker. In 6 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1. Cardenio u. Celinde. Friedrich II. Merlin. 2. Andreas Hofer. Alexis. Ghismonda. 3. Tulifäntchen. Tristan und Isolde. 4. 5. Münchhausen. I. II. 6. Jugend vor 25 Jahren. Fränkische Reise. Düsseldorfer Anfänge. H» v. Kleists Sämtliche Werke. Mit Einleitung von Franz Muncker. In 4 Leinenbünden zu je 1 Mark. Bandi. Gedichte. Familie Schroffenstein. Zerbrochene Krug. 2. Amphitryon. Penthesilea. Käthchen von Heilbronn. 3. Hermannsschlacht. Prinz von Homburg. R.Guitzkard. 4. Erzählungen. Politische Aufsätze. Kl. vermischte Schriften. Briefe. Klopstocks Gesammelte Werke. Mit Einleitung von Franz Muncker. In 4 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1. 2. ^Messms. I. 11.^3. Oden und geistliche Lieder. 4. Tod Adams. Körners Sämtliche Werke. Mit Einleitung von Hermann Fischer. In 4 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1. Gedichte. I. Dramatische Spiele. Szenen und Fragmente. 2. Ge¬ dichte. II. Epische Fragmente. Erzählungen. 8. Zriny. Die Sühne. Toni. Rosamunde. Hedwig. Joseph Heyderich. 4. Grüne Domino. Braut. Nacht¬ wächter. Gouvernante. Vetter aus Bremen. Vierjährige Posten. Kampf mit dem Drachen. Fischermädchen. Bergknappen. Alfred d. Große. Lenaus Sämtliche Werke. Mit Einleitung von Anastasius Grün. In 4 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1. Gedichte. I. 2. Gedichte. II. Dichterischer Nachlaß. Lyrische Nachlese. 3. Klara Hebert. Marionetten. Anna. Mischka. Ziska. Faust. 4. Savonarola. Albigenser. Dramatischer Nachlaß : Don Juan. Helena. Lessings Sämtliche Werke. Mit Einleitungen von Hugo Göring. In 20 Leinenbünden zu je 1 Mark. Bundi. Gedichte. Fabeln. Abhandl. ü. d. Fabel. 2. Dämon. Junge Gelehrte. Misogyne. Alte Jungfer. Freigeist. 3. Juden. Schatz. Sara Sampson. Philotas. Minna von Barnhelm. 4. Emilia Galotti. Nathan. 5. Dramatische Entwürfe. Fragmente. 6. Beiträge z. Historie u. Aufnahme d. Theaters. Neuestes a. d. Reiche Lessings Sämtliche Werke. d. Witzes. Briefe. Vorrede zu „Verm. Schriften d. H. Ehr. Mylius". 7.8. Theatral. Bibliothek. I. II. rc. 9. Briefe, neuesteLiteraturbetr. 10. Laokoon. II.Sovhokles. Hamburg. Dramaturgie, l. 12. Hamburg. Dramaturgie, II. Dramat. Entwürfe u. Fragmente. 13. Meusels Apollodor. Briefe antigu. Inhalts. Wie d. Alten d. Lod gebildet. Kl. Schriften u. Nachlaß. 14 Kl. Schriften verm. Inhalts. Rezen¬ sionen. lo.Kl. Philolog.Abhandlg. 16. Kl. Abhandlg z. deutschen Sprache u Lite¬ ratur. Vorreden. Rezensionen. 17. Theolog. Abhandlg. 18. Thcolog. Streitschriften u.-Nachlaß. 19. Rezensionen. Philosoph. Schriften u. -Nachlaß. 20. Kollektaneen. Lessings Lebe» von Hugo Göring. 1 Leinenband I Mark. Manzoni, Die Verlobten. Deutsch von E. v. Bülow. Mit Ein¬ leitung von Ludwig Fränkel. In 2 Leinenbänden zu je I Mark. Molieres Ausgewählte Werke. Deutsch von F. S. Bierling. Mit Einleitung von Paul Lindau. In 8 Leinsnbänden zu je 1 Mark. Bandi. Lächerl.Preziosen. Männerschnle. Frauenschule. Kritikd.Frauenschule. Don Anon. Menschenfeind. 2. Arzt wider Willen. Tartüffc. Amphitrho. Geizige. 3. G. Dandin. Adelige Bürger. Gelehrte Frauen. Kranke in der Einbildung. Das Nibelungenlied. Bearbeitet und eingeleitet von Roman Woerner. 1 Leinenband 1 Mark. Platcns Sämtliche Werke. Mit Einleitung von Karl Goedeks. In 4 Leinenbänden zu je I Mark. Band 1. Gedichte. I. 2. Gedichte. II. Dramatisches. 3. Gläserne Pantoffel. Schatz des Rhampsinit. Turm mit sieben Pforten. Treue um Treue. Ver¬ hängnisvolle Gabel. Romantische Ödipus. Liga von Cambrai. 4. Abbassiden. Rosensohn. Das Theater als National-Jnstitut betrachtet. Die Hohenstaufen. Geschichten des Königreichs Neapel. Ursprung d.Carraresen. Lebensregeln. Anhang. RacmesSämtlichedramatischeWerke. Mit einer biograph.-literarhistor. Einleitung v. Heinrich Welti. In 4 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1. Thebais. Alexander d. Gr. Prozeßsüchtigen. L.Andromache. Britanni¬ ens. Berenice. 3. Bajazet. Mithridat. Jphigenia. 4. Phädra. Athalia. Esther. Nonsseaus Ausgewählte Werke. Deutsch von J. H. G. Heusinger. Mit Einleitung v. PH. A. Becker. In 6 Leinenbänden zu je 1 Mark. s Bandel—ll. Bekenntnisse. I—III^ 4.^5. Emil. 6. Gesellschaftsvertrag. Ur- Rückerts Werke. Herausgegeben von Ludwig Laistner. In 6 Leinenbänden zu je 1 Mark. Band 1. Liebesfrühling. Agnes'Totenfeier. Amaryllis. 2. Geharnischte Sonette. Vermischte Gedichte. 3. Vermischte Gedichte. 4. Die Verwandlungen des Abu Seid Schillers Sämtliche Werke. Mit Einleitungen von KarlGoedeke. In 16 Leinenbänden zu je 1 Mark. Bandi. Gedichte. 2. Räuber. Fiesko. Kabalen. Liebe. 3. Don Karlos. Semele. Menschenfeind. 4. Wallensteins Lager u. Tod. Piccolomini. 5. Maria Stuart. Jungfrau v. Orleans. 6. Wilhelm Tell. Huldigung d. Künste. Braut v. Messina. 7. Iphigenie in Aulis. Szenen a. d. Phönizierinnen d. Euripides. Macbeth. 8. Turandot. Parasit. Neffe a. Onkel. Phädra. 9. Geschichted Abfalls d. Nieder¬ lande. 10. II. Geschichte des öojähr. Kriegs. I. II. 12. Prosaische Schriften. 13—15. Kleine Schriften vermischten Inhalts. I—III. Rezensionen. Anhänge. 1V. Dramatische Entwürfe und Fragmente, zusammengestellt von Gustav Kellner. Schillers Lebe» von Karoline v. Wolzogen. 1 Leinenband 1 Mark. Schopenhauers Sämtliche Werke. Mit Einleitung von Rudolf Steiner. . In 12 Leinenbänden zu je 1 Mark. 2. u. 3. Welt als Wille und Vorstellung. 1.-^-4. Buch. 4—6. Kritik der Kantischen Philosophie. Ergänzungen zum 1.—4. Buch der Welt als Wille und Vorstellung. 7. Die beiden Gruudprobleme der Ethik. 8—11. Parerga und Paralipomena. I—IV. 12. Farbenlehre. Aus dem Nachlaß. irk. -th". irk. rrk. Nit ark. rrk!' ke. rrk. fen. lrk. ke. rk. cle. rk. 'lf rk. rrk' ^ich^.^Was^hr,wollt ode^Trc...^-.^--..^.. ^.. .. Shakespeares Leben von Max Koch. 1 Leinenband 1 Mark. Slavische Anthologie. In deutschen Übersetzungen. Mit Einleitung Tassos Befreites Jerusalem. Deutsch von I. D. Gries. Mit Ein¬ leitung von HermannFleischer. In 2 Leinenbänden zu je 1 Mark. Tegners Ausgewählte poetische Werke. Deutsch von Gustav Zeller und Julius Minding. Mit Einleitung von Werner Söderhjelm. In 2 Leinenbänden zu je I Mark. Tiecks Ausgewählte Werke. Mit Einleitung von Heinrich Welti. In 8 Leinenbänden zu je 1 Mark. Uhlands Gesammelte Werke. Mit Einleitung von Hermann Fischer. In 6 Leinenbänden zu je 1 Mark. Wielands Gesammelte Werke. Mit Einleitung von Franz Muncker. In 6 Leinenbänden zu je 1 Mark.