Muzikološki zbornik Musicologica! Annual XVIII, Ljubljana 82 UDK 78.01 Lutosjawski Zofia Helman INTELLEKT UND PHANTASIE IN DER MUSIK Warszawa VON WITOLD LUTOStAWSKI Am Anfang eines Kapitels des Buches "Die Struktur der modernen Lyrik" von Hugo Friedrich wurden zwei Zitate, beide aus dem Jahr 1929, zusammengestellt. Das eine von Paul Valéry: "Ein Gedicht soll ein Fest des Intellekts sein", das andere von André Breton: "Ein Gedicht soll der Zusammenbruch des Intellekts sein". Die Parole "Fest des Intellekts" kommt im 20. Jahrhundert in verschiedenen Kunstprogrammen auf dem Gebiet der Literatur, Malerei, Architektur und Musik immer wieder vor. In den Manifesten der Künstler wie auch in den theoretischen Formulierungen sind dabei mehrmals konvergierende Auffassungen, ähnliche Termini, gemeinsame Gedanken zu finden, die eine übergeordnete, homogene, verschiedene Künste, ja, verschiedene Kunstrichtungen verbindende Idee durchschimmern lassen. Als Apollinaire 1917 im Vortag "L'esprit nouveau et les poetes" den Anbruch einer neuen Kunstepoche verkündete, deren Kennzeichen logische Ordnung, exaktwissenschaftliche Präzision und kartesianisches Prinzip als Muster sein sollten, äusserte er damit eine Meinung, die später oftmals auch in anderen künstlerischen Doktrinen vertreten wurde. Die erste Nummer der Zeitschrift "L'esprit nouveau" (1920) eröffnet ein Manifest, in dem vom Bedürfnis des Suchens nach der neueren Entwicklung der exakten Wissenschaften und des technischen Wissens entsprechenden, neuen Kunstformen die Rede ist. Derselbe übergeordnete Grundsatz erscheint in den Programmen des Konstruktivismus und Purismus, in der Dichtung und im kritischen Denken eines Eliots, wie auch in der Poetik des schon zu Anfang genannten Paul Valérys. Valéry sieht z.B. den Schaffensprozess als Erfassung des Chaotischen und Gestaltlosen in eine künstlerisch vollkommene Form, als Verwandlung der eigenen Unordnung in eine Ordnung, des bloss Möglichen in ein Vermögen ("Je disais quelquefois I Stephane Mallarmé", 1931). Ahnliche Gedanken finden wir bei den Komponisten vor. Strawinsky so wie Valéry, schreibt, dass "das Phänomen der Musik ist uns zu dem einzigen Zweck gegeben, eine Ordnung zwischen den dingen herzustellen'^ ynd in seiner "Poétique Musicale" 1 Strawinskys Erinnerungen^ in; Igor Strawinsky3 Leben und Werk - von ihm selbstj Mainz 1957s S. 59» 69 betont er des öfteren die Rolle der bewussten Reflexion im schöpferischen Prozess, die Notwendigkeit von Regeln9 Konventionen, Selbsteinschränkungen und von einer der wissenschaftlichen Arbeit nahestehenden Exaktheit des Denkens. Hindemith, nach dem Vorbild der Philosophen des Mittelalters, bringt das Schöne in der Kunst auf Gesetze der Zahl und der Proportion zurück und bemüht sich seine Theorien physikalisch und mathematisch zu begründen. Auch Schönberg, um diesmal in die oppositionelle Partei zu greifen, beruft sich auf Gesetze der Natur und der Physiologie des Hörens, wenn er seine Zwölftonmusik auf eine rationelle Basis stellen will. Seine Formulierungen sind nicht weit von denen Strawinskys entfernt (obwohl die Musikpraxis der beiden völlig verschieden war), als er von der Dodekaphonie schreibt, dass es eine Methode ist, die eine logische Ordnung und Organisation erfordert.2 Die Analyse des "Kammerkonzerts" von Alban Berg, eines Werkes, welches aus vielseitigen Anwendungen der "heiligen" Zahl "3" aufgebaut wurde, könnte als Gipfel der musikwissenschaftlichen Spitzfindigkeit gelten, hätte die Analyse nicht der Komponist selbst gemacht.3 Anton Webern beruft sich wiederum auf "Metamorphosen" von Goethe und die Idee der Urphänomene, indem er sie als ein geheimes Gesetz und als Ausgangspunkt des musikalischen Aufbaus gelten lässt.4 Exaktwissenschaftliche Anregungen, Gleichsetzung von Kunst und Wissenschaft sind auch im schöpferischen Denken von Edgard Varese präsent, um wieder einen ganz anderen musikalischen Stil vertretenden Komponisten zu nennen. Im vollen Ausmass gab sich die rationalistische Idee in der Musik der Nachkriegszeit kund und bestimmte im gleichen Masse die Versuche der Komponisten wie die der Theoretiker. Zum Beispiel Kompositionssystem Joseph Schillingers bildet eine eigenartige Synthese von Musiklehre einerseits und Physik, Mathematik und Psychologie andererseits. Von dem aristotelischen Grundsatz "ars imitatae naturae" ausgehend entwickelt Schillinger die These, dass ästhetische Qualitäten der Musik auf geometrische Relationen ihrer Komponenten zurückgebracht werden können und dass Musik immer Gesetze der mathematischen Logik verwirk!icht.5 Die Zeittheörie von Karlheinz Stockhausen, die im engen Zusammenhang mit der seriellen Technik steht, erinnert eher an Exaktwissenschaften als an überlieferte Musiktheorie. Beispiele rationalistischer Denkweise als Grundlage vieler Musikkonstruktionen in der heutigen Musik könnte man ins Unendliche aufzählen: Boulez, Nono, Xenakis, Bo Nilsson; Musikstücke, die auf Fibonacci-Reihe oder auf Pascalsches Dreieck gestützt sind, vielerlei Anwendungen der Informationstheorie, schliesslich auch die elektronische Musik 2 A. Schönberg, My Evolution, "The Musical Quarterly", X, 1952, S. 517ff. 3 Alban Bergs Kammerkonzert für Geige und Klavier mit Begleitung von dreizehn Bläsern (Offener Brief an Arnold Schönberg), "Pult und Taktstock" Nr. 2/3, 1925, S. 23ff. 4 Vgl. A. Nebern, Briefe an Hildegard Jone und Josef Humplik, Wien 1959, (Briefe von 26.V.1941 und 25.VII.1942), S. 46-47, 49. 5 The Schillinger System of Musical Composition, hrsg. L. Bowling u. A. Shaw, New York, 1941, 1946, vol. 1-2. 6 Vgl. H. Kirchmeyer, Vom historischen Wesen einer rationalistischen Musik, "Die Reihe" VIII, Wien 1962, S. 11 ff. 70 nicht zu vergessen, die eine vollständige Synthese von Wissenschaft und Kunst in die Tat umsetzt. Das volle Aufblühen dieser Tendenzen stiess letzten Endes auf Vorwürfe: Spekulativi tat, herzloser, kunstfremder Intellektualismus, Mathematisierung der Kunst (obwohl sie häufig, de- facto mit der Mathematik nichts zu tun hatte). Die Anhänger dieser Tendenzen sahen dagegen ihre Ideen durch die jahrhundertelange Tradition bestätigt und behaupteten, dass von Guido d'Arezzo, wenn nicht schon von Pitagoras an, über isorhythmische Motette, niederländische und Bachsche Polyphonie, bis auf die Theorie der rhetorisch-musikalischen Figuren der Barockzeit, immer in der Musik rationalistische, jeweils auf die herrschenden ästhetischen Kategorien zugeschnitten, Ideen und Zahlenmanipulationen zu Worte kamen.6 Das ganze Gebäude der "intellektuellen Musik" errichtete ich nur deswegen, um jetzt seine Existenzberechtigung in Frage zu stellen. Denn worum geht es hier eigentlich? Wenn man auf wissenschaftliche Gesetze rekurriert, handelt es sich in Wirklichkeit um den ästhetischen Grundsatz, der dazu da ist, um den Wert eines Musikwerkes zu beweisen; oder sind all die Zahlen, Berechnungen, geometrische Projektionen, theoretische Spekulationen nur eine Methode der kompositorischen Arbeit, die bei der Bildung des Musikalisch-Schönen ihre Dienste erweist, ausserdem aber im Vergleich mit den ästhetischen Qualitäten eine bloss komplementäre Rolle spielt? Ich zweifle nicht, dass wissenschaftliche, das musikalische Werk fundierende Gesetze über den Wert des Werkes nicht entscheiden können. Sollten sie aber, als ein Wert für sich, die Existenzberechtigung eines bestimmten Werkes zu begründen, so würde sich das "Fest des Intellekts" unweigerlich in den "Zusammenbruch des Intellekts" verwandeln. Andererseits dürfte jene Tendenz, "latente" Strukturen zu bilden, Zahlen zu manipulieren, Zeitabschnitte präzise, wenn nicht geradezu pedantisch auszumessen, Proportionen aufzubauen, kein Bedenken erregen, solange sie Werke austrägt, in welchen intellektuelle Motivationen den ästhetischen Qualitäten untergeordnet bleiben. Und wenn dem Zuhörer diese latente Strukturen im Grunde gleichgültig sein können, kann für den das Werk analytisch prüfenden Musikwissenschaftler das Verfolgen der Gedanken des Komponisten zu einem intellektuellen "Abenteuer" werden. Oder vielmehr in der Lage, wo wir mit unseren verbalen Ausdrucksmitteln einem seinerNatur nach Unverbalen ratlos gegenüberstehen, ist es der einzige denkbare Forschungsbereich? Die Musik von Witold Lutosjawski im Kontext des "Festes des Intellekts", also im Rahmen der rationalistischen Strömung in der Musik des 20. Jahrhunderts zu sehen, heisst ihr Anderssein, ihre besondere Stellung der Tradition wie auch dem zeitgenössischen musikalischen Geschehen gegenüber auszuweisen. Wir haben etwa das Recht zu sagen, dass es eine "intellektuelle Musik" ist. Das haben ihre zahlreiche Interpretationen an den Tag gebracht, das hat der Komponist selbst nie bestritten. Die Präsenz des Intellekts, der theoretischen Reflexion ist im Fall Lutosjawskis Musik nicht das gleiche, wie wissenschaftliche Fundierung gewissermassen extra muros, ausserhalb der musikalischen Komposition zu suchen. Für Lutosjawskis Musik brauchen weder pitagoreisehe Tradition, weder Gesetze des Universums und Struktur des Kristalls, noch Quantentheorie Zeugnis abzulegen. Die Musik selbst genügt. Der Intellekt drückt sich in ihrer inneren Logik, in ihrer rationellen 71 Anordnung, in der musikalischen Organisation des Ganzen aus. Zahlreiche Aussagen des Komponisten weisen auf die wesentliche Rolle der bewussten Reflexion im Schaffensprozess hin. Sie bestätigen die Wichtigkeit einer präzisen Organisation des Musikmaterials auf dem Plan der Mikro- und Makroform. Könnte man etwa von einem "Musiksystem" bei Lutosjawski reden? Der Komponist scheut das Wort "System".7 Systemhaftig.keit birgt die germanische Denk- und Fühlweise. Seiner Meinung nach ist ein System zwar homogen und integral, aber zugleich auch normativ und vorkompositorisch, so wie z.B. das Dur-Moll-System, das dodekaphonische System oder die serielle Technik. Systemhaft ist in diesem Sinn also weder die Kompositionstechnik von Debussy oder sogar von Messiaen, noch die von Lutosjawski selbst. Warum dann kehrt bei den Autoren, die sich mit Lutosjawskis Musik befassen, das Wort "System" immer wieder, wenn doch seiner Musik innewohnende Regelmässigkeiten entweder ganz allgemein (zu allgemein, um die Individualität eines solchen Systems auszumachen) bestimmt werden können, oder sie sich als variabel und von Stück zu Stück anders erweisen? Jedenfalls ist das "System" von Lutosjawski keineswegs a priori, wie das dodekaphonische System, gegeben. Es wäre doch zu vage zu sagen, dass dieses System in einer Strukturierung der Intervalle bis zur Ausschöpfung - im Vertikalen und Horizontalen - des vollen Materials der zwölf Töne bestehe. Und trotzdem liesse sich a posteriori aus seinen aufeinanderfolgenden Werken ein System deduzieren. Man könnte nachweisen, was in diesen Werken wiederholt vorkommt oder auch in ihnen nur ähnlich ist: das freilich als eine Norm und nicht im Sinne einer konkreten, einmaligen Ralisation der Norm. Ein solches System wäre also nur eine Verallgemeinerung, ein Abstraktum, ein Modell, aber keine Vorschrift, welche eine mechanische Reproduzierbarkeit zulassen würde. Die Grundsätze dieses Systems in Lutosjawskis Musik könnte man nun als Ordnung der Töne, als Organisation der Tonhöhen auf verschiedenen Ebenen der musikalischen Konstruktion bezeichnen - von den einfachsten Konfigurationen der Intervalle, über Abschnitte, die durch eine festumrissene Zwölftonstruktur gekennzeichnet sind, über Unterteile und Teile bildende Gruppen solcher Abschnitte, bis auf Ganzheiten, in welchen kleinere Teile funktionelle Verbindungen eingehen. Eine derartige Hierarchie liesse sich in jedem Werk des Komponisten aufweisen, obwohl sie in jedem Werk etwas anders gestaltet ist. Drei Momente scheinen in der Kompositionstechnik von Lutosjawski relevant zu sein: erstens, Tonhöhenorganisation (Handhabung der Zwölftonaggregate), zweitens, aleatorische Technik, drittens, Organisation der geschlossenen Form. In einem Aufsatz ist es nicht möglich all die Probleme zu erörtern. Ich beschränke mich also auf einige Beispiele. Aleatorik und Tonhöhenorganisation Unter der Vielzahl der Möglichkeiten, die das Zufallselement bietet, ist Lutosjawskis Begriff der Aleatorik nicht fern davon, 7 W. Lutosjawski, Mi-Parti, in: "Zeszyty naukowe" Nr, 3, Z problemow muzyki wspotczesneg (Zum Problem der Musik der Gegenwart), PWSM in Krakow, Krakow 1978, S. 43-54. 11 wie sie auch von Meyer-Eppler verstanden wird: "Aleatorik nennt man Vorgänge» deren Verlauf im Groben festliegt, im einzelnen aber vom Zufall abhängt".8 Es ist also ein solches Kompositionsverfahren, in welchem die Zufälligkeit beschränkt, kontrolliert und vom Komponisten gesteuert wird. Nach den Worten Lutosjawskis, dienen die Zufallselemente zur "Bereicherung des Bestandes der bewusst verwendenten Ausdrucksmittel aber nicht zur Einführung der Klangerscheinungen, die für den Zuhörer oder sogar für den Komponisten selbst eine Überraschung sein sollten".9 Solche Auffassung der Aleatorik "ändert wenig an dem wesentlichen Werkbegriff als einem ,Zeitgestand *, übt aber einen radikalen Einfluss auf seine rhythmische und expressive Physiognomie".1° Die Aleatorik führt bei Lutosjawski eher zu Herausbildung einer bestimmten Satzart (Textur) als zu Exploration der Klangmöglichkeiten vermittels des Zufalls. Sie kommt bei Lutosjawski im Rahmen der sogenannten ad 1ibitum-Abschnitte vor, wo es für einzelne aufführende Stimmen keinen gemeinsamen Zeitmass gibt. Die Form als Ganzes (die Anordnung der nacheinander folgenden Abschnitte) wird vom Komponisten streng festgesetzt, dasselbe betrifft auch Tonhöhen und rhythmische Werte in den Instrumentalstimmen. Das Ad-libitum bezieht sich dagegen auf Tempo der Aufführung der bestimmten Abschnitte und auf Möglichkeit der Einführung des Rubato, wie auch der eventuellen Wiederholungen des musikalischen Textes. Jeder Musiker führt seine Stimme frei und unabhängig von anderen Mitgliedern des Ensembles auf. Die 6berlagerung aller rhythmischen Strukturen ergibt eine zufällige Konfiguration, die, nach den Worten Lutosjawskis, "komplexer als irgendwelche polyrhythmische Struktur in der traditionellen Musik ist".11 Den Ausgangspunkt bildet eine bestimmte, vom Komponisten beabsichtigte Klangvision, die sogar bei verschiedenen Aufführungen desselben Werkes nur unwesentliche Änderungen aufweist. Entscheidend für diese Einheitlichkeit ist eine präzise Tonhöhenorganisation, wobei die Parameter der Klangfarbe (bei einer instrumental-vokalen Besetzung) und der Lautstärke festgelegt und invariabel sind. Abgesehen von den Aufführungsunterschieden wird in jeder konkreten Aufführung in den ad-1ibitum-Abschnitten dieselbe Klangstruktur, derselbe "Zusammenklang" realisiert. Nehmen wir als Beispiel "Venezianische Spiele", den Anfang des Stückes. Die Basis des ad-1ibitum-Abschnittes bildet ein Zwölftonaggregat:12 g a ci di e1 fisi n1 cis2 dis2 eis2 gis2 ais2 mit der Intervalstruktur: 2 3 2 2 2 5 2 2 2 3 2 8 W. Lutosjawski, O rytmioe i organizaoji wysokosoi dzwiekow w teehnioe Komponowania z zastosowaniem ograniozonego dziaXania przypadku (über Rhythmik und Tonhöhenorganisation in der Kompositionsteahnik unter Anwendung der beschränkten Zufallswirkung), in: Muzyka w kontekéoie kultury - Spotkania muzyazne w Baranowie 1976, Krakow 1978, S. 76. 9 W. Lutosjawski, ibid.* S. 76. 10 W. Lutosjawski, ibid., S. 76-77. 11 W. Lutosjawski, ibid., S. 77. 12 W. Lutosjawski, ibid., S. 79-80. 13 W. Lutosjawski, Nowy utwar na orkiestrq symfonioznq, "Res facta", Nr. 4, Krakow 1970, S. 6-7. 73 Dieser Zusammenklang ist nach dem Muster der Spiegelsymmetrie geformt, wobei die Symmetrieachse das Quartintervall bildet (5). Die aufgezählten Töne erscheinen in keiner der Instrumental stimmen in streng festgesetzter Reihenfolge, sondern sind "modal" (dies eine Bezeichnung des Komponisten) behandelt, also als eine Menge (im mathematischen Sinn), ein Klangvorrat. In den Abschnitten A, C, E, G kommt das Zwölftonaggregat mit Verdopplung der einzelnen Töne im mittleren Register vor (die Ausfüllung der Quart durch die Halbtöne). Infolgedessen ergibt sich 1m Abschnitt A das Aggregat: g a c1 dl e1 fisi gis1 a1 hl cis2 dis2 f2 gis2 ais2 23222 2 122 2 2 3 2 und im Abschnitt Es g a ci d* e1 fisi gi g i s 1 a* b1 hi cis2 dis2 f2 gis2 ais2 2 3 2 2 2 11 1112 2 2 3 2 In beiden Fällen 1st die Spiegelsymmetrie beibehalten. Im Abschnitt G kommen Terzzusammenklinge um eine None voneinander entfernt in den Aussenregistern des Klaviers hinzu. Auch hier wird die Spiegel Symmetrie beibehalten. Im dritten Teil der "Venezianischen Spielen", vom Abschnitt D an stützen die Stimmen einzelner Instrumente in jedem der ad-1ibitum-Abschnitte auf Zwölftonaggregate von einer variablen, unterschiedlichen Intervallstruktur und von einer unterschiedlichen Verteilung im Klangraum. Bedenkt man, dass im ganzen Teil einheitliche Satzart herrscht, so besteht die innere Differenzierung gerade in der Vielfältigkeit der Zwölftonaggregate. In den Abschnitten mit kurzen Streichereingriffen (D, G, J, L, T, W) werden die Klangkontraste (zwischen den Streichern und sonstigen Instrumenten), wie auch die Kontraste der Rhythmik und der Satzart durch die aus der unterschiedlichen Struktur der Zwölftonagregate resultierenden Innenkontraste ergänzt. Zum Beispiel im Abschnitt D: Holzinstrumente, Harfe* Klavier h c es* e* f* fis» gl as1 a1 b» des2 d2 Ambitus 13 111 11113 1 der Dezime Streicher E es as c1 fis* a1 h1 d2 f2 b2 des3 g3 Abmitus 11 546 323353 6 der drei Oktaven + Dezime In den weiteren Abschnitten (E, F, G, H, ü) in der Flötenstimme, in den Stimmen der Holzinstrumente, der Harfe und des Klaviers 74 FI., CI, Ar. FI.I,II,CI.I,II,Ar, Pf. Fl. I,II,CI. 1,11, CI.B.,Fg.,Ar.,Pf. D Vni.,Vle, VcXb. m M= Fl. I.II, Ob.,CI. I, II, CI.B.Fg, Ar.. Pf. ^^P «fc w3 11112 112 16 FI.I,ILob.,CI.IJI,CI.B.lFg.,Ar(Pf. I ^9 ^^^j*^2- G 3^** 2 3 3 1114 13 Fl. I.II, pb.,CI. II,CI.B.,Fg.,Ar.,Pf. ^P » o k^- G Vnl.,Vl0, Vc.,Cb. ^ —P-0M--------.-------- 6 1 3332323 123 75 kommt es zu einer allmählichen Erweiterung des Ambitus der Zwölftonaggregate von einer engen Lage (so wie im Abschnitt D) bis zu einer erweiterten Lage, wie im Abschnitt «J : vier Oktaven + Tritonus (in den Streichern: Oktave + Tritonus). Die Tonhöhenorganisation, die in jedem Werk Lutosjawskis präzise ausgearbeitet ist, zeugt davon, dass in seiner Kompositionstechnik gewisse Normen vorhanden sind, auch wenn Realisationsmöglichkeiten dieser Normen unendlich bleiben. Dieser Aspekt Lutosjawskis Technik ist eben die Frucht der bewussten Reflexion, ist intellektuell bedingt. Individualität, Persönlichkeit des Schöpfers bleibt dennoch eine Sache der kreativen Vorstellungskraft, Invention, Intuition. Zerspalten wir diese Momente theoretisch, so sind sie doch im Schaffensprozess selbst und im akustisch gegebenen Werk untrennbar, nicht gegensätzlich, sondern koexistent und sich einander bedingend. In anderen Worten, erklärt die Logik der Werkkonstruktion den eigentlichen Sinn dieser Werke, ihre Wirkungskraft noch lange nicht. Streng geordnete Zwölftonaggregate sind in den Werken Lutosjawskis nicht nur gewisse harmonische Einheiten, sondern ihre Bedeutung ist in demselben Masse in ihren Klangeigenschaften wie in ihrer emotionellen Charakteristik verwurzelt, die wiederum durch ihre Stellung innerhalb des Ganzen bestimmt werden. Intervallstruktur eines Zwölftonaggregats ergibt zwar eine bestimmte Klangfarbe und Klangdichte, aber eine wesentliche Rolle spielt auch die Weise, wie diese Klangeigenschaften verwirklicht werden, d.h. bestimmtes Register, agogisch-rhythmische Merkmale, Artikulation usw. Das Problem lässt sich auch umkehren: was als eine bestimmte Klang- und emotionelle Eigenschaft vernommen wird, ist nicht nur durch äussere Faktoren, sondern darüber hinaus auch durch eine logische und präzise Konstruktion bedingt. Nehmen wir als Beispiel den Anfang des zweiten Teiles von "Paroles tissées". Eine durchaus übersichtliche Satzart: Klangfarben der Harfe, der Vokalstimme und der Streicher, wie auch einzelne Register (Harfe und Stimme - mittleres Register, Streicher - hohes Register) werden gegenüberstellt. Gleichzeitig: eine präzise Tonhöhenorganisation, die in einer komplementären Ergänzung des Harfenparts und der Vokalstimme -einerseits und der Streicher - andererseits bis zum Zwölftonaggregat besteht. Im ersten Teil der II. Symphonie die zwischen den aufeinanderfolgenden Episoden und den eingeschobenen Refrains auftretenden Kontraste beschränken sich nicht nur auf instrumentale Klangfarben und agogisch-rhythmische Kontraste, sondern sind ebenfalls Folge der unterschiedlichen Strukturierung einzelner Abschnitte (Gegenüberstellung der dichten Halbtonaggregate und der weit aufgelegten Intervalle). Eine gewaltige Kulmination im zweiten Teil der Symphonie (Nr. 153), die eine den ganzen Aufführungsapparat einbeziehende Entladung mitbringt, ist aus dem Gesichtspunkt der Innenstruktur - eine Reihe chromatischer Töne im vollen Registerumfang des Orchesters (vom tiefsten bis zum höschsten Register) mit starker Betonung der Quart (Quint)-Intervalle, des Tritonus und des Halbtons im linearen Verlauf. Der maximalen Konzentration aller äusseren Mittel entspricht also eine maximale Verdichtung der Innenstruktur. 76 Andante con moto Formorganisation In den Werken Lutosjawskis erfüllen auch die kleinsten Werkelemente im Rahmen des Ganzen eine bestimmte Funktion und bleiben auf verschiedenen Ebenen der Werkorganisation mit dem ganzen verbunden. Die Idee der Form als eines Ganzen setzt also schon auf der Stufe der Strukturierung von Tonhöhen an, und die innere Dynamik des ganzen Werkes wird durch die Konstruktion dieser kleinsten Teile mitbestimmt. Eine Perzeption des Werkes und das Verstehen seines musikalischen Sinns scheinen demnach erst mit Erfassung seines ganzheitlichen, hierarchischen Aufbaus möglich zu sein. Als Beispiel derartig hierarchischer Struktur schlage ich ein kurzes Stück vor: "Postludium" aus den Jahren 1958-60, das für Lutosjawskis Denkweise sehr charakteristisch ist. Die Form des "Postludiums" kann in einem sehr einfachen 77 Schema dargestellt werden 42-72, â1 « Takte 72-95), StOcks in dem einfachen S Teil A setzt sich au ausgedrückt, aus zwei par "Handlungen" zusammen. Di Motiven der Blasinstrumen Harfe, des Klaviers, des Geigen). Die zweite - bil lang aufgehaltene Klänge Das Initialmotiv der durch Oboe und Klavier en darauffolgenden Abschnitt Takte 12-22 in Tromp und kleinen Terz, Takte 22-32 in Flöte des Tritonus und der kiel Takte 32-42 in der e -intervalle der Quarte u zu Beginn festgelegte, me : A B Al (A « Takte 1-42, B = Takte obwohl die spezifische Dramatik des chema nicht ganz aufgeht. s zwei Klangflächen oder, anders alle! verlaufenden musikalischen e erste besteht in kurzen, abgebrochenen te (Ergänzt durch die Stimmen der Xylophons, der Celeste und der ersten den Stimmen aller übrigen Streicher: im Quint- und Quartverhältnis. Sekunde (1 2 1), welches anfänglich twickelt wird, wird in den en intervallisch erweitert: eten und Harfe - Intervalle der grossen , Xylophon und Celeste - Intervalle nen None, rsten Klari nd Quinte. lisch-rhyth nette und in Bassklarinette Beibehalten wird jedoch der mische Muster der Motive. (T.2-5Î Einsatz der Quint- und Quartintervalle bringt Gleichsetzung der beiden Flächen, Aufhebung des strukturellen Kontrastes bei und führt zur Einbeziehung der einen Fläche in die andere, wie auch zur Vereinheitlichung der Satzart, zugleich aber zur dynamischen Kulmination (Schlagzeug). Teil A1 bildet Wiederaufnahme des Plans A-Teiles mit dem Unterschied, dass die Abschnitte, die früher sukzessiv in Instrumentenpaaren aufgeführt waren, jetzt übereinander als Kanon und mit Erweiterung der die Motive trennenden Pausen in den nacheinander einsetzenden Stimmen auftreten. Es kommt damit zu einer Verkürzung des Umfangs im Vergleich mit dem A-Teil (24 Takte gegenüber den 42 Takten des A-Teiles), aber im grossen und ganzen bleiben ihr Material und ihre Substanz unversehrt. Auf dem Plan der Streicher kehrt die Satzart des A-Teiles wieder, 78 nur dass diesmal das Intevall der kleinen Sekunde die grundlegende Bedeutung gewinnt. Der Schluss ist also eine Rückkehr zum Anfang, doch mit Umkehrung: auf dem Plan der Blasinstrumente - Quart- und Quintintervalle, auf dem Plan der Streicher - kleine Sekunden. Besteht also der Formentwurf des Stückes in einem Nacheinander von Festsetzung einer Ordnung (Teil A), ihrer Zerstörung (Teil B) und ihrer Wiederherstellung (Teil A^), haben in dem Entwurf die einzelnen Intervalle nicht nur eine konstruktive, sonder auch eine dramatische Funktion. Strukturierung der Intervalle wird zur Grundlage einer musikalischen "Handlung". Es gibt in diesem Ganzen keine Ungebundenheit, keine losen Stellen, weil alle Elemente eng verknüpft bleiben. Das Beispiel des "Postludiums" zeigt quasi in Miniatur die kompositionstechnische Denkweise Lutosjawskis. In jedem seiner Werke kommt das Denken in den Kategorien der geschlossenen Form zum Vorschein. Zeigen also Eigenschaften seiner Musiksprache volle Offenheit gegenüber den neuen musikalischen Ideen und bezeugen sein Engagement für die zeitgenössische Werkstatt und Technik, so bleibt sein Formverständnis auf der Seite der traditionellen Auffassung der Musik als eines Kunstwerks, welches seinerseits mit der geschlossenen Form identifiziert wird. Lutosjawski schreibt, dass geschlossene Form "ihr Dasein der Fähigkeit des Zuhörers verdankt, die einzelnen, vernommenen Fragmente im Gedächtnis zu behalten, damit das Stück, nachdem es zu Ende gehört wurde, als eine beinahe ausserhalb der Zeit bestehende Vorstellung, so wie ein Bild oder Skulptur, sich erfassen liesse"."^ Die "gegenständliche" Idee des Kunstwerks, die bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht, steht im Wiederspruch zu der in der musikalischen Avantgarde herausgebildeten Idee "work in progress", die den endgültigen, ein für allemal festgesetzten Charakter des Kunstwerks in Frage stellt. Carl Dahlhaus14 weist darauf hin, dass in der heutigen Musik vielmehr die Tätigkeit des Komponierens, die Methode und das musikalische Material (wie es Adorno verstanden hat) den Vorrang zu Ungunsten der Form als eines Ergebnisses dieser Tätigkeit gewinnen. Dahinaus verweist mit Nachdruck auf den Zerfall des Kunstwerks als solchen in der gegenwärtigen Musik, auf die Destruktion des gegenständlichen Formcharakters und auf - als Folge davon - die Absage an das Werk als ein überdauerndes, als eine isolierte ästhetische Tatsache. Technik, kreative Methode, theoretische Ideen sind schon keine Funktion des Werkes selbst, welches das Endziel davon sein sollte, sondern bilden ein Bündel Probleme, die sich ausserhalb der Musik selbst bewegen. Das Verhältnis Mittel-Ziel wurde umgekehrt. Das Mittel dient keinem bestimmten künstlerischen Zweck mehr, d.h. dem Kunstwerk, sondern ist selbst zum Ziel geworden. Obwohl es schwierig wäre der zugespitzten Problemstellung bei Dahinaus zuzustimmen (meiner Ansicht nach kann man in der heutigen Musik eher von einer Umfunktionierung der Werkkategorie oder von einer Erweiterung der Grenzen des traditionellen Werkbegriffes reden), so erlaubt doch die von Dahinaus 14 C. Dahinaus, Plädoyer für eine romantische Kategorie - Der Begriff des Kunstwerks in der neuesten Musik; über den Zerfall des musikalischen Werkbegriffs, in: Dahlhaus, Schönberg und andere, Gesammelte Aufsätze zur Neuen Musik, Mainz 1978, S. 270ff. und S. 279ff. 79 aufgestellte Antithese von Werk und "work in progress" die besondere Stellung Lutosjawskis Musik in der Gegenwart sichtbar zu machen. Diese Musik bildet nämlich ein Plädoyer für das Kunstwerk als einen ästhetischen Gegenstand, als ein Kunstwerk, welches von vornherein auf sein überdauern, auf seine Unversehrtheit nicht verzichtet, auch wenn es den neuen schöpferischen Ideen gegenüber offen bleibt. Ein Kunstwerk also, das alte Formtypen und Gestaltungstechniken nicht nachmacht, sondern eine neue Ordnung, neue Hierarchie der Elemente aufstellt. Das Opus Lutosjawskis, begriffen als eine aus der kreativen Vorstellungskraft hervorquellende Welt für sich, scheint die Idee der ewigen Klassizität auszudrücken, obwohl nicht im Sinne einer Stilisierung oder Restauration, auch nicht im Sinne eines Gegenstücks des Romantischen, sondern als eine bestimmte Vision der Kunst und der Welt: einer gegenwärtigen Klassizität also, die das Gleichgewicht von Ratio und Emotio, von Intellekt und Phantasie verkörpert; einer Klassizität, die sucht nach einer neuen Ordnung und stellt das Zerstörte wieder her. Denn wenn wir an dem Mythos harmonischer Weltordnung verzweifeln, kann diesen Mythos nur die Kunst aufrechterhalten. POVZETEK LutosXawski sam ni nikoli osporaval, da je njegova glasba intelektualna in dejansko se intelekt izraza v celotni njeni organiziranosti. Številne skladateljeve izjave opozarjajo na bistveno vlogo zavestnega razmišljanja v ustvarjalnem procesu in potrjujejo pomembnost precizne organizacije glasbenega gradiva v mikro- in makroformi, Seveda ne gre pri Lutos%awskem za sistem, ki je dan a priori kot npr, v dodekafoniji, Kljub temu pa je mogoèe iz njegovih del a posteriori deducirati doloèen sistem, ki ga lahko oznaèimo kot serijo tonov, kot organizacijo tonskih višin na razliènih ravneh glasbene zgradbe. Za Lutosfawskega je tudi aleatorika kompozicijski postopek* v katerem avtor upravlja sluèajnost, tako da je torej omejena in kontrolirana. Elementi nakljuèja rabijo za obogatitev zavestno uporabljenih izraznih sredstev in ne za uvajanje zvoènih pojavov, ki naj bi bili za poslušalca ali celo skladatelja preseneèenje, Aleatorika se pojavlja pri Lutosfawskem v "ad libitum" odsekih, kjer parti nimajo skupnega me truma. Tu pa zajema "ad libitum" le tempo, možnost uvajanja rubata kakor tudi ponovitve glasbenega teksta. Vsak glasbenik izvaja svoj part svobodno in neodvisno. Pri tem je rezultat suponiranja vseh ritmiènih struktur nakljuèna konfiguracija, ki je bolj kompleksna kot katerakoli poliritmièna struktura v tradicionalni glasbi. Vseeno je organizacija tonskih višin v vsakem delu LutosZawskega precizno izdelana. To izprièuje, da obstajajo v njegovi kompozicij ski tehniki doloèene norme, pa èetudi so možnosti realizacije teh norm neskonène. Ob vsem tem ostaneta seveda indivudalnost in osebnost ustvarjalca stvar kreativne moèi, invencije in intuicije. Vsi ti momenti so v ustvarjalnem procesu in akustièno v delu med seboj neloèljivi in drug drugega pogojujejo. Tako torej logika zgradbe še daleè ne pojasni dejanski smisel in moè uèinkovanja kompozicije 80 Lutostawskega* Strogo urejeni avana j sttonski agregati niso tu le doloèene harmonske enote* ampak njihov pomen izhaja v enaki meri iz zvoènih svojstev kakor tudi emocionalnih znaèilnosti* ki so doloèene glede na njihovo mesto v oeloti. Glasba LutosZawskega je zagovornik umetnine kot estetskega objekta* umetnine torej* ki ne posnema stare oblikovne tipe in tehnike oblikovanja* ampak postavlja nov red in novo hierarhijo elementov* Tako se tudi pokaže mojstrov opus kot izraz tiste klasiènosti* ki uteleša ravnotežje razuma in èustva* intelekta in fantazije. 8f