Gesetz-m,d Verordnungsblatt für das österreichisch - istirische Mltenhmö, hiftebcnb aus der gefürsteten Grafschaft Görz und GradiSca, der Markgrafschaft Istrien »itd der reichSunmittelbaren Stadt Triest mit ihrem Gebiete. -------------- Jahrgang 11)02. XVII. 6tii rf. flusg cgtb en und versendet am 13. September 1902. 31. Kundmachung der f. f. küstenländischen Statthalterei vom 8. August 1902, Nr. 20163, womit Vorschriften zur Verhütung der Weiterverbreitung der Tuber- culose verlautbart werden. Die nachfolgenden, vorn Ministerium des Innern auf Grunds esnes Gutachtens des obersten Sanitätsrathes erlassenen Vorschriften werden zur allgemeinen Darnachachtung und insbesonders auch zur Richtschnur für die politischen Behörden und Gemeinden hixmit kundgemacht : Allgemeine Vorschriften zur Bekämpfung der Wberculose. i ' ? -V ' • Einleitung Nach den als feststehend anerkannten Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung ist die Tuberculose eine Infectionskrankheit, welche bei hiefür bestehender Empfänglichkeit durch in den Körper eingedrungene Tnberkelbacillen verursacht wird. Sie kann durch entsprechende 17 Vorsicht oft verhütet, sowie bei Anwendung geeigneter Behandlung und richtiger Pflege unter bestimmten Voraussetzungen geheilt werden. Die Ansteckung erfolgt in den meisten Fällen durch die Luftwege in der Weise, daß die an zerstäubten Theilchen des frischen ober eingetrockneten Auswurfes Tnbcrkelkranker haftenden Bacillen eingeathmet werden, seiner dadurch, daß Tnberkelkeime enthaltender Schmutz in verletzte Hantstcllen gelangt, ober von tuberculösen Thieren stammende Nahrungsmittel (Milch, Fleisch), welche Tnberkelbacillen enthalten könnten, in ungekochtem Zustande genossen werden. Während die letztbezeichnete Gefahr der Jnfcction mit Tnberkelbacillen durch die den Gemeinden obliegende strenge Handhabung der Vieh- und Fleischbeschau, sowie der Lebensmittel» Polizei abgewehrt, und diese Abwehr durch Vermeidung des Genusses von Fleisch und Milch unverläßlicher Herkunft in ungekochtem Zustande verstärkt werden kann, ist die Verhütung der Verbreitung der Tubercnlose durch das tuberkelkeimhältige Hnstensecret der Tuberculösen und die am Aufenthaltsorte derselben sich sammelnden tnberkelkeimhältigen Verunreinigungen, welche in den Staub übergehen, mit öffentlichen Maßnahmen mir zum Theile erreichbar. Solchen Maßnahmen wird zwar der Erfolg überall gesichert werden können, wo öffentliche, oder der behördlichen Überwachung zugängliche Locale, in denen sich Tuberculöse aufhalteu, in Betracht kommen; hingegen wird die Durchführung der betreffenden sanitätspolizeilichen Maßregeln großen Schwierigkeiten begegnen, wenn es sich um Privatunterkünfte und Familienwohnnngen handelt, in denen Tuberculöse von gesunden Personen gepflegt werden oder mit solchen in intimer Berührung leben. Diese Wohnungsgenossen der Tuberculösen, insbesondere Kinder, welche im Staube der Wohn- und Krankenstube von Tuberculösen spielen, sind der Ansteckungsgefahr in erhöhtem Maße ausgesetzt. Diese zu verhüten, wird umso schwieriger, je beschränkter die Wohnräume, je kärglicher die materiellen Hilfsmittel der Familie, je geringer die Einsicht der Wohnnngsgenossen ist, welche sich der nothwendigen Vorsichtsmaßregeln befleißen sollen. Unter derlei Verhältnissen der Privatkrankenpflege vermag vor Allem der Arzt mit dem Gewichte seiner Autorität und durch unermüdliche Einflußnahme auf den Kranken und seine Umgebung die im öffentlichen Interesse nothwendigen Maßnahmen zur Abwehr der Jn-fectionsverbreitung zur Geltung zu bringen und die im Haushalte mit Tuberculösen Lebenden, sowie die an Tuberculöse Erkrankten selbst zu einem hygienisch richtigen Verhalten zu erziehen. I. Verhütung. A. Obligatorische Maßnahmen. a) Allgemeiner Art. Bei jeder Erkrankung an Tuberculöse ist es Pflicht der Pfleger des Kranken und dieses selbst, den infectiösen Hnstenanswurf und etwaige andere tuberculöse Ausscheidungen (Ge-schwürsecret) zuverlässig unschädlich zu machen und hiedurch die Weiterverbreitnng der Tuberkelkeime hintanzuhalten. Zu diesem Zwecke sind nachstehende Verhaltungsmaßregeln unbedingt zu beobachten: Sobald ein Erkrankungsfall beim behandelnden Arzte den Verdacht auf Tuberculose erweckt, ist die mikroskopisch-bacteriologische Untersuchung der diagnostisch wichtigen Excrete thnnlichst bald zu veranlassen. Ist die Tuberculose constatirt, so ist nach Thunlichkeit Sorge zu tragen, daß dem Kranken — unbeschadet der humansten Pflege — ein abgesonderter Schlafraum, jedenfalls aber ein eigenes Lager, eigene Bett- und Leibwäsche, eigene Kleidung, eigene Wasch- und Speiseregnisiten beigestellt werden. Das Sputum des Kranken darf fortan in und außer dem Hause, worauf der Arzt mit dem ganzen Nachdrucke seiner Autorität zu dringen hat, nur in hiezu bereitzuhaltende Aufnahmebehälter (Spuck-Näpfe, -Schalen, -Fläschchen it. dgl.) unter Vermeidung des Aus-spnckens ans den Boden oder in das zur Reinigung der Nase bestimmte Taschentuch beseitigt werden. Beim Husten hat sich der Kranke nach Weisung des Arztes geeigneter, vor den Mund zu nehmender Schutzvorlagen zu bedienen, um das Versprühen des Sputums zu vermeiden. Diese und alle mit tnbercnlösen Jnfectionsstoffen verunreinigten Gebranchögegenstände sind, insoferne sie nicht, wie z. B. Verbandstoffe, wegen Werthlosigkeit sofort verbrannt werden können, bei Vermeidung jeder Manipulation, durch welche — wie beim gewaltsamen Entfalte» geballter Schnupftücher — eingetrocknete Verunreinigungen verstäuben könnten, durch Auskochen, eventuell Desinfection im Wasserdampf oder mit chemischen DesinfectionSmitteln für den weiteren Gebrauch unschädlich zu machen. Das Auskehren der Räume, in denen sich ein Tuberkelkranker befindet, hat stets auf feuchte Weise zu geschehen. Das Entstauben von Staubtüchern durch Fenster oder andere Öffnungen auf die Straße ist allgemein polizeilich zu verbieten; die Entstäubung soll womöglich in einen zweckmäßigen Kehrichtbehälter stattsinden und der Kehricht verbrannt werden. Die Leib- und Bettwäsche der Tnbercnlösen ist mittelst Anskochens in Lauge oder Sodalösung oder Einlagerung in kalte, zehnfach verdünnte Cresolseifenlösnng durch 24 Stunden vor dem Waschprocesse zu desinficiren. Im Falle des Abganges eines tnbercnlösen Kranken aus seiner Wohnung in Spitals-pstege, bezw. überhaupt beim Wechsel der Unterkunft, desgleichen im Falle seines Ablebens, sind alle von ihm bisher benützten Gebranchsgegenständc vor neuerlicher Verwendung durch Andere einer verläßlichen Reinigung und Lüftung an der Sonne, bezw. nach ärztlicher Anordnung der Desinfection zu unterziehen und ist die von ihm verlassene Wohnung vor neuerlicher Benützung an Wänden und Fußboden gründlich zu reinigen und nach ärztlicher Anordnung gleichfalls zu desinficiren. Zur Pflege der Tnbercnlösen sollen nur solche Personen verwendet werden, welche weder an Tuberculose leiden, noch hiezu in evidenter Weise disponirt sind. Das Pflegepersonale, bezw. die Angehörigen des tnbercnlösen Kranken sind vom behandelnden Arzte mit genauen Weisungen zu versehen, wie sie den Kranken in sanitätsgemäßer Weise zu pflege» und sich selbst vor Ansteckung zu schützen haben. Insbesondere ist ihnen aufzutragen, daß sie sich, gleich wie die Ärzte, nach einer etwaigen Verunreinigung der Hände oder anderer bloßer Körpcrtheile oder der Bekleidung durch tuberculöse Ausscheidungen mit einer geeigneten DesinfeetionSflüssigkeit reinigen, während der Hustenanfälle der Patienten nicht überflüssigerweise den Körper in den Bereich der versprühten Schleimbläscheu bringen, oder sich vor deren Einathmnng durch Bedecken von Mund und Nase schützen, und sich der größten persönlichen Reinlichkeit befleißen. Um bei der Bekämpfung der Tuberculöse wirkliche Erfolge zu erziele», ist eö nothwendig, daß alle betheiligten Personen, Kranke und Gesunde, in strengster Selbstdisciplin die Anordnungen des Arztes befolgen, bezw. deren Befolgung selbst überwachen. Es ist nothwendig, daß Jedermann die Überzeugung erlange, daß ein ans den Boden entleertes Sputum eines Tnberculösen eine Gefahr für ihn selbst enthalte, und daß er demgemäß ein Interesse und eventuell die Pflicht habe, derartiges hintanzuhalten. Jedermann muß aber auch darauf achten, daß er nicht selbst Anderen ein schlechtes Beispiel gebe und sich daher des Spucken-auf den Boden enthalten. Andererseits muß der Tuberculöse erinnert werden, daß er vermeiden müsse, durch sorgloses AuSspuckeu eine Gefahr für die Anderen zu sein, und er wird es vermeiden, sobald man ihn aufmerksam gemacht haben wird, daß die ersten Opfer seiner Unachtsamkeit die Mitglieder seiner Familie und die Personen seiner unmittelbaren Umgebung sein könnten. Da es evident ist, daß die verbreitete Gewohnheit des Ansspnckens auf den Boden eine ebenso widerwärtige, als wegen der großen Zahl der in der Gesellschaft lebenden Tuber-culösen gefährliche Unsitte ist, muß derselben unablässig mit allen Mitteln entgegengewirkt werden. Das Ausspucken auf den Boden wirkt minder schädlich ans offenen Straßen und Plätzen, weil die Tuberkelbacillen unter dem Einflüsse des Sonnenlichtes und der Austrocknung im Freien bald abgetödtet werden. Um so verderblicher ist dessen Nachwirkung in geschlossenen, von Menschen zum Aufenthalte genommenen oder stark frequentirten Räumen. Es ist daher dringend nothwendig, diese üble Gewohnheit im Wege der Volkserziehung sowohl durch Geltendmachung des Einflusses aller Gesitteten im öffentlichen Gesellschaftsleben, als durch Volksbelehrung und insbesondere durch Unterweisung der Jugend in allen Lehr-und Erziehungsanstalten, sowie durch Anhaltnng derselben zur Vermeidung der bezeichnten Unsitte allgemein abzustellen. Dort, wo den staatlichen oder autonomen Behörden, öffentlichen Körperschaften und Unternehmungen eine unmittelbare Einwirkung auf die Bevölkerung zukonunt, wird die Hintanhaltnng des bezeichnten Unfuges durch directe, unbedingte Verbote des Ansspnckens zu erreichen sein. Solche Verbote werden insbesondere bezüglich der öffentlichen Versammlungsorte, wie z. B. Kirchen, Theater, Museen, Gasthäuser, Tanz- und Vergnügungslocale rc., dann bezüglich der einer Aufsicht oder Einflußnahme der erwähnten Behörden und Körperschaften unterstehenden Anstalten und Unternehmungen, wie z. B. Kanzleien, Schulen, Turnsäle, Spielplätze, Spitäler, Sanatorien, Irren-, Siechen-, Waisen-, Armenhäuser, Krippen, Kinderasyle und dgl., dann bezüglich der gewerblichen Betriebsanlagen, insbesondere der Fabrikssäle, ferner in Casernen, Nachtquartieren, Verpflegsstationen, Gefangcnhänsern und Detentionsanstalten und dgl., endlich bezüglich der öffentlichen Transportmittel für den Personenverkehr und der dazu gehörigen Betriebsräume, wie z. B. der Wartehallen auf Eisenbahnstationen, der Personenwagen in Eisenbahnziigen, der Passagicrränine ans Dampfschiffen, bezüglich der elektrischen und Pferdebahnen, Postwagen, Omnibusse, Miethwagen u. s. w. zu erlassen sein und ihre Strafsanction in der Kais. Vrdg. vom 20. April 1854, R.-G.-Bl. Nr. 96, der Vrdg. vom 30. September 1857, R.-G.-Bl. Nr. 198, der Gcmcindeordnung, der Gewerbeordnung, der Eisenbahn-betricbsordnung, der Strafgerichtsinstrnction u. s. w. oder anderen besonderen Ordnungsvorschriften finden können. Zugleich wird jedoch dafür vorgcsorgt werden müssen, daß unter Beobachtung der gebotenen Anstandsrücksichten besondere, für die Aufnahme des Sputums bestimmte und geeignete Gefäße — zur Hälfte mit feuchtem Desinfectionsmateriale oder Desinfectionsflüssigkcit gefüllt und am zweckmäßigsten in einer Höhe von 0-9 Meter angebracht und mit einer entsprechenden Aufschrift versehen — zur Benützung des Publicnms dieser Ubicationen bereit gehalten werden. Selbstverständlich muß zuverlässig vorgesorgt werden, daß der Inhalt dieser Gefäße regelmäßig nach Desinfection in unschädlicher Weise beseitigt, eventuell nach Vermengung mit Torfmull oder Sägcspänen verbrannt und daß die Gefäße selbst durch Auskochnng oder mittelst Carbolwassers (3 %*3e wässerige Lösung) oder des Lysitol oder Lysolwassers (2°/0 Lösung) gereinigt werden. Wo immer der behandelnde Arzt bezüglich der Durchführung unumgänglich nothwendiger Maßnahmen zur Hintanhaltung der Verbreitung der Tnbercnlose auf nnbehebbare Hindernisse stößt, ist er verpflichtet, die Mitwirkung der localen, eventuell staatlichen Sanitätsbehörde anznrufen. Insbesondere ist er jedoch verpflichtet, die Anzeige des Bestandes der Tnbercnlose in einem Haushalte oder einer Wohngemeinschaft zu machen: a) im Falle des Ablebens eines tuberculösen Kranken, b) beim Wechseln der Wohnung oder Unterkunft des Tuberculösen. Zur Ablebensauzeige ist auch der Todtenbcschaner verpflichtet. Die Anzeigepflicht der Ärzte über das Auftreten der Tnbercnlose unter besonderen Verhältnisse« wird im spcciellen Theile festgesetzt. b) Specieller Art. Diese allgemeinen Grundsätze, deren Geltendmachung allen Ärzten bei Ausübung ihrer privaten Praxis zur besonderen Pflicht zu machen ist, werden unter besonderen Verhältnissen eine Specialisirnng und Präcisirung erfahren müssen. Dies ist insbesondere der Fall hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten jeder Art, seien es nun öffentliche oder private. 1. An Heilanstalten. In Kranken-, Irren-, Gebär-, Findel- und Annenanstalten, Siechenhäusern u. dgl., wo Plegebedürftige in größerer Zahl gemeinsam untergebracht sind, wird der gesonderten Pflege der Tuberkelkranken in licht- und luftreichen, besonders rein zu haltenden, staubfrei zu reinigenden Räumen, der sorgfältigen Schulung des für solche Kranke bestellten Wartepcrsonalcs, der Deöiiifection aller inficirten Gebranchsgegcnstände iind der Unschädlichmachung der tiißetcnlöfen Excrete die peinlichste Aufmerksamkeit zu widmen und werden alle Kranken und Pfleglinge zur hygienischen Selbstdisciplin namentlich in Bezug auf unschädliche Beseitigung des Ans-wnrfes in die ausreichend beizustellenden Spnckgefäße zu erziehen sein. Es ist darauf zu halten, daß alle zur Hintanhaltung der Verbreitung der Tubercnlose dienlichen Maßnahmen in allen Kranken- und Pflegeanstalten in musterhafter Weise zur Geltung gelangen, so daß die Kranken in denselben mit den betreffenden Verhaltungsmaßregeln vollständig vertrant werden und die Spitalskrankenpflege der Tuberculösen zum Vorbild der rationellen Privatkrankenpflege dienen können. 2. Zn Curorten und Sommerfrischen. Desgleichen werden diese allgemeinen Vorschriften in Ansehung der Curortc und Sommerfrischen, als Sammelstätten von Heihmgs- und Erholungsbedürftigen, eine besondere Verschärfung und Ausgestaltung erfahren müssen, namentlich bezüglich solcher Orte, welche von Tuberculösen zur Wiedererlangung oder Besserung ihrer Gesundheit ausgesucht werden. Jnbesoudere ist unbedingt nothwendig, daß mit der Einordnung oder in eigens zu verlautbarenden Kundmachungen alle jene sanitären Verhaltnngsmaßrcgcln angeordnet werden, nach welchen sich sowohl die Kranken selbst, als ihre Begleitung, als auch ihre Wohnnngsgeber und Wirthc zum Zwecke der Vermeidung von Jnfectionsübertragnngen zu benehmen haben. Die Curver-waltungeii und Curgemeinden haben alle jene sanitären Vorkehrungen zu treffen, welche zur Beaufsichtigung und Instandhaltung der Unterkünfte tnbercnlöser Cnrgäste und zur epacten Handhabung des DesinfectionSdienstes erforderlich sind. In Curorten, in welchen rohe Milch oder Milchprodukte als Curmittel verwendet werden, ist durch die zuständige politische Behörde eine strenge Überwachung sowohl dieser Genußmittel selbst, als auch der Stätten ihrer Provenienz zu veranlassen, damit die Verwendung tnbercnlöser Thicre von der Milchgewinnung sicher ausgeschlossen werde. 3. In Wohngemeinschaften aller Ärt Auch in Wohngemeinschaften und Pflegeanstalten jeder anderen Art, in welchen eine größere Anzahl von Personen im gemeinsamen Haushalte leben, wie in BersorgnngSanstalten, Asylen, Herbergen, Arbeite-, Corrections- und Gefangenhäusern rc., insbesondere aber in Instituten und Convicten für jüngere Personen, dann in geistlichen und weltlichen Gemeinschaften und dgl., wird eine sorgfältige Anpassung und Ausgestaltung der obigen allgemeinen Vorschriften platzzugrcifen haben. Insbesondere dürfen zur Pflege der Kinder in Krippen und Kinderbewahranstalten niemals tuberculöse oder der Tubercnlose auch nur verdächtige Personen zngelassen werden. Dem Auftreten der Tubercnlose in derlei Gemeinschaften wird von dem mit der Besorgung des ärztlichen Dienstes betrauten Arzte die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden sein und ist derselbe verpflichtet, im Falle der Constatirung eines derartigen Erkrankungsfalles dem Anstaltsvorstande sofort die Anzeige zu erstatten und die Mittel darzulegen, welche geeignet sind, die Heilung des Kranken zu ermöglichen und jede Gefahr der Verbreitung der Tnberculose abznwehren. Der Aufsicht führenden Behörde ist über derartige Maßnahmen die Anzeige zu erstatten. B. Empfehlenswerthe Maßnahmen. Neben diesen directen Maßnahmen gegen die Verbreitung der Tnberculose ist jedoch noch eine ganze Reihe von Vorkehrungen aufzuzählen, deren Durchführung wegen der indirecten Förderung deö angestrcbten Zweckes als dringend empfehlcnswerth bezeichnet werden muß, da die beharrliche Vernachlässigung derselben den günstigen Erfolg der elfteren Maßnahmen sogar in Frage zu stellen geeignet ist. Eine wichtige Rolle kommt in dieser Hinsicht der Anfklärnng und Belehrung der weitesten BevölkcrungSschichten über Entstehung und Bekämpfung der Tubercnlose und über das hierauf abziclcndc Verhalten im gesunden Zustande und im Falle der Erkrankung zn. Diese Belehrung kann durch populäre Vorträge und Aufsätze von Ärzten und anderen Sachverständigen und Verbreitung hierauf abzielendcr guter Volksschriften durch humanitäre Vereine sehr gefördert werden. Den an Tnberculose Erkrankten wird das Anfsuchcn einer Heilanstalt für Tuberculöse oder, wen» dies nicht möglich ist und eine entsprechende, die nothwendige Absonderung des Kranken berücksichtigende Behandlung innerhalb der Familie nicht platzgreifen kann, eines Spitales überhaupt dringend zu empfehlen sein. Tuberculöse Eltern, welche keine Kinder besitzen, sollen im Verkehre mit diesen die allergrößte Vorsicht beobachten. Tuberculöse Personen dürfen ihre Kinder und Verwandten nicht auf den Mund küssen, tuberculöse Mütter ihre Neugeborenen womöglich nicht selbst stillen. Tuberculöse Frauen dürfen zum Ammendienste nicht zngelassen und sollen womöglich von der Kinderpflege ferngehalten werden ; auch ist tubercnlösen Personen die Verehelichung abzurathen, solange der tuberculöse Proceß nicht zur Heilung oder doch zum Stillstände gebracht ist. Tuberculöse oder zur Tnberculose veranlagte Personen sollten durch verständige Einwirkung von solchen Berufsarten abgehalten werden, welche wegen ungünstiger hygienischer Verhältnisse, wie Stanbbildnng, Arbeit in gesperrter oder mit schädlichen Dünsten erfüllter Luft, wegen anhaltend sitzender und gebeugter Körperhaltung, eine Besserung ihres ZnstandeS zu verhindern oder denselben zu verschlimmern geeignet sind, oder welche den Tubercnlösen mit anderen Personen in engsten Verkehr bringen oder sie zwingen, mit verkäuflichen Lebensund Genußmitteln fortgesetzt zu manipuliren. In den letztbezeichneten Beziehungen ist es von besonderer Wichtigkeit, daß in Fabriks- und Gewerbebetrieben der sorgfältigen Beobachtung der nothwendigen hygienischen Rücksichten auf die Gesundheit der Arbeitenden, insbesondere jugendlicher Personen, sowol in Bezug ans die ArbeitSlocalitätcn, als ans die Art und Dauer der Arbeit die größte Aufmerksamkeit zngcwendet werde. Außerdem gehört zu den empfehlenswcrthen Maßnahmen die Vorsorge für die Salu-brität, Hygiene und Reinlichkeit in Ansehung ganzer Gemeinden und Ortschaften im Allgemeinen, sowie der Häuser, der Wohnungen in denselben und der Lebensführung ihrer Bewohner im Besonderen. Die planmäßig fortgesetzte Assanirung ganzer Gemeinden und einzelner Ortschaften durch Herbeiführung gesunder Lebensbedingnngen, insbesondere durch Erhaltung reiner Luft und Beistellnng gesunden Wassers, durch die Beschaffung lichter und luftiger, trockener und ausreichender Wohnungen für die ärmeren Bevölkernngsclassen, durch eine wohlgeordnete, unter genauer Marktpolizci-Controle stehende Approvisionirnng mit gesunden Lebensmitteln, ferner durch Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Bewohner mittelst Darbietung reichlicher und billiger Gelegenheit zur persönlichen Neinlichkeitspflege und zur Abhärtung mittelst öffentlicher Bäder und Schwimmanstalten; die strenge Handhabung der Gesnndheitspolizei unter Benützung aller Fortschritte der Hygiene, insbesondere die rationelle Regelung der Sammlung und Abfuhr des Hanskehrichtes und der Hausabfälle, die unschädliche Ableitung des Unrathes; die öffentliche Neinlichkeitspflege, insbesondere die regelmäßige und häufige Straßenreinignng bei Vermeidung von Stanbbildnng; die strenge Handhabung von Polizeivorschriften zur Sicherung der Reinlichkeit in den Höfen, vornehmlich den Lichthöfen, den Gängen und Stiegen der Häuser, desgleichen zur Hintanhaltnng des Ansstanbens von Wohnnngseffecten und Abwischtüchern durch die Fenster auf die Gasse u. dgl.; dies Alles sind Mittel, utu der Entstehung und Verbreitung der Tnbercnlose indirect immer mehr an Boden zu entziehen. Nicht zu nnterschätzen ist hiebei auch die erziehliche Wirkung der öffentlichen, comum-nalen Reinlichkeitspflege ans die private, sowohl hinsichtlich der Wohnungen als auch rücksichtlich der Person der Bewohner, zu der sich in wirksamer Weise der Einfluß der Schule bereits von der Kindheit an gesellen muß. II. Heilung. Aber nicht blos der Verhütung, auch der Heilung der Tnbercnlose, welche mit der Unschädlichmachung der Tnberkelbacillen im Körper selbst und Beseitigung der von ihnen hervorgernfcnen Schäden identisch ist, muß eine besondere Aufmerksamkeit zngewendet werden. Sowohl die anatomisch-pathologischen, als auch die klinischen Erfahrungen lassen die Tnbercnlose, besonders in den Anfangsstadien, als heilbar erscheinen. Die erfolgreiche Behandlung der Tnbercnlose setzt jedoch die rigoroseste Einhaltung einer Reihe von ärztlichen Vorschriften voraus, welche bei Belastung des Kranken in häuslicher Pflege meistens kaum durchführbar ist. Bon ganz besonderem Nutzen, ja geradezu als nuabweisliche Nothwendigkeit erweist sich hier die Unterbringung in sogenannten Lungenheilstätten oder Tnbercnlosenasylcn, wo eine sorgfältig geregelte, mit systematischen Kräftignngscnren verbundene ärztliche Behandlung platzgreist. Durch die in diesen Heilanstalten eintretende Pflege wird nicht bloö den Forderungen der Humanität Rechnung getragen, sondern es werden auch durch die häufig erzielte gänzliche, oder doch zur Arbeitsleistung befähigende Wiederherstellung der Pfleglinge die wirthschaftlicheu Interessen der Gemeinden, Jndustriennternehmungen, Krankenversicherungs-Anstalten, welchen diese Erkrankten angehören, gefördert. Die näheren Weisungen an die unterstehenden politischen Behörden über das im Sinne dieser Kundmachung zu Beranlasscnde ergehen unter Einem mit gesondertem Circular-Erlasse. Der k. k. Statthalter: Goöss m. p.