//^/^^7^^ Wanderungen durch die Mongolei nach Thibet von Huc und Gabct. Neue Ausgabe. ^o-SKH^--^. - Leipzig, 1867. Verlag von G. Htnf's Buchhandlung. Wanderungen durch die Mongolei nach Thibet zur Hauptstadt des Tale Lama. Von Hur und Gäbet. In deutscher Bearbeitung herausgegeben von Karl Andrer. Neue Ausgabe. Leipzig, 1867. Verlag von G. Senf's tluchhandlnng. Vorwort. Oouvenirs d'un voyag-e dans la Tartarie, le Thibet el la Chine pendant les annees 1844-, 1845 el 1846, par M. Hue pretre-missionaire de la congregation de Si. Lazare. Paris 1853 2. Vl8., ist der Titel des Werkes, von welchem wir unseren Lesern eine deutsche Bearbeitung geben. Es gehört ohne allen Zweifel zu den interessantesten Neiscbeschreibungen unserer Zeit. Hucist eine durchaus gesunde, kräftige Persönlichkeit, klug, lebendig, manchmal sogar waghalsig und keck; er versteht es sich in alle Lagen zu schicken, ver-liert auch unter den bedenklichsten Verhältnissen die Zuversicht nicht, und weiß stets sich zu helfen. Sem christlicher Eifer kann keinem Zweifel unterliegen; um seinen Glauben auszubreiteu wagt er sich. nur dürftig mit Geldmitteln versehen, in Begleitung seines Lands, maunes Gäbet, tief nach Asien hinein, und durchwandert Gegenden, die vor ihm nie ein Europäer betreten hat. Er lebt unter den schwarzen Zelten der Mongolen, in den Lamaklöstern der Buddhisten, in chinesischen Herbergen, und in der thibetanischen Hauptstadt im Palaste des Regenten; er durchzieht Steppen und Wüsten, erklimmt Hochgebirge und trotzt männlich der ihm täglich drohenden Lebens--gefahr. Wir nehmen keinen Anstand diesem Missionair einen wahrhaften Heroismus zuzuschreiben. Und was, abgesehen von seiner vortrefflichen Darstellung, noch ganz besonders fesselt, ist sein mildes Urtheil, seine billige Denknngsart. Der Lazarist tritt uns, wie begreiflich, als ein strenggläubiger katholischer Missiouair entgegen, Vl Polwett. aber er ist fern von jener süßclnden und ausschließende» Frömmelei welche so manche Icrusalemwallcr znr Schan tragen. Allerdings betrachtet er Vieles durch die Gläser seines Dogma, aber er ist auch gegen Heiden und Hcidcnthum gerecht, nnd macht unter allen Umständen den Eindruck eines wahrhaftigen Mannes. Gäbet, der vor einigen Jahren an der brasilianischen Küste starb, war ein Geistlicher von nicht geringerm Glaubenseifer, aber wie es scheint ohne höhere geistige Bedeutung. In seiner Vorrede giebt Huc einen kurzen Abriß seiner weiten Wanderungen. Im Februar 1839 wurde er in Paris vom Erzbi-schofe zum Missionair geweiht, und schiffte sich in Havre nach Ma> eao ein. Nach einer beinahe sechsmonatlichen Fabrt langte er in China au, beinaheum dieselbeZeit als die Engländer ibrcFeindselig» - keitcn gegen das himmlische Ncich eröffneten. Während des langen und hartnäckigen Opiumkriegcs wehte die englische Flagge auf dem Blauen Strome und unter den Mauern von Nan king: der Beherrscher der Blume der Mitte wurde gedcmüthigt und sah sich gezwun« gen, dem allgemeinen Verkehr fünf der größten Seehafen seines Reiches zu eröffne». Aber „offen" ist darum China immer noch nicht; weder die Aufständischen welche dem „Sohne dcö Himmels" folgen, noch die Kaiserlichen wollen den Europäern freien Zugang und ungehinderte Bewegnng im Innern gestatten, und so muffen auch heute noch die Missionairc heimlich und verkleidet Cbina durchziehen. Als Huc eben den chinesischen Boden betreten, erhielt er die betrübende Nachricht, daß Pater Perb o y re, gleichfalls ei» Laza« rist. zu U tschang fu. der Hauptstadt der Provinz Hu pe, de» Tod eines Märtyrers erlitten hatte. Die Kleider des Hiügerichten wurden nach Macao geschafft. Er, noch ein Neuling in Cbina. hat den Muth diese Klcider Pcrboyrc's zn tragen, und in denselben seine Reise durch Clmia getrost zu wagen! Er zieht durch die Strafen von Canton nnd gilt für einen Chinesen; er pilgert drei volle Mo< nate nach Norden hin, bis er endlich Peking erreicht. Hier ruht er aus, und ist selber höchlich erstaunt, dast es überhaupt möglich war so viele» Gefahre» zu c»trinnen. Nun stand er mitten unter den Chinesen, lebte mit diesem wunderbar eigenthümlichen Volke, das Vlnwort. VI l ihm täglich neue Seiten darbot, und mit dessen Wescn er sich allmälig so vertraut machte daß er wirklich für einen Cl'iueseu gelten konnte. Uebcrall fand er bei den über das Land zerstreuten Christen Obdach und gastliche Aufnahme. Nach längerm Auftnthalt in Peking überschritt er die Große Mauer, und verwaltete Jahre lang die Seelsorge in kleinen Christengemeinden der Mongolei. Wir glauben ihm gern daß dort sein Amt mühsam und schwierig war, nnd daß er großer Ausdauer und Vcharrlkl'keit bedürfte. Im Ialne 1844 begann er in den Lama-klöstern die Religion der Buddhisten gründlich zu studiren. , Er beschloß eine Reise uachTliibet zu wagen, „um dcu Aberglauben welcher die Völker Hochasicns beherrscht, an der Quelle kennen zu lernen." Nach unglaublichen Mühseligkeiten uud Entbehrungen gelang es ihm Ll,a Ssa, die Hauptstadt des Dala'l (Tale) Lama zu erreichen. Er fand bei den Thibetanern eine wohlwollende Aufnalnne, und dnrfte ungehindert den Lamas wie dem Volke lehren, erfreute sich also einer Dnldung welche die christlichen Staaten Europa's den Heiden schwerlich zugestehen würdeu. Aber der Bevollmächtigte des chinesi. schen Hofes hielt aus politischen Gründen die Wirksamkeit der christlichen Missionaire für verderblich, wies sie aus, und ließ sie nnter Bedeckung nach Macao führen. Bald nachher wagte Hne abermals eine Reise nach Peking; es war seine dritte Wanderung durch China, das cr, gleich derMongolei, gründlicher kennt, als irgend ein anderer Europäer. Die ganz ungeheueren Anstrengungen welchen Huc sich aufallen diesen Wanderungen unterziehen mußte, hatteu seine Gesundheit an> gegriffen und seine Körperkraft beinahe erschöpft. Das Klima von Peking ward ihm unerträglich, cr ging nach dem Süden zurück, und sah sich endlich gezwungen nach Europa heimzukchren. wo er im Bade zu Ax in dcn Pyrenäen Genesung fand. Er schiffte sich am 1. Januar ,852 zu Macao auf eiucr französischen Dampfcorvctte ein. welche die Küsten von Cochinchina. Tonkin und mebrerc malayiscke Inseln berülnte. Zu Singapore begab cr sicli an Bord einer französischen Fre< gattc, die nach dem indischen Meere bestimmt war. Er besuchte Pon« dichery, Mähe und Bombay, Ceylon und Aden, fuhr im Nöthen VIII Vorwort. Meere bis Suez, ging nach Kairo und Alexandria, von dort nach Beyrut, Tyrus und Sidon, erstieg den Carmel und den Libanon, kam aber zu seinem Leidwesen nicht bis Jerusalem. In der Hei» mat schrieb er seine Reiseerlebnisse nieder, welche, wie bereits bemerkt, schon deshalb das Interesse iu Anspruch nehmen, weil Huc in dem vorliegenden Werke auch solche Gegenden schildert, welche bis dahin von Europaern unbesucht geblieben waren. Die beiden Bände der Urschrift umfassen sechzig Druckbogen; der deutsche Bearbeiter hat Hucs Mitteilungen in einen Band zusammengedrängt. Es war seine Aufgabe an manchen Stellen zu kürzen, ohne die*Eigenthümlichkeit des Originals zu beeinträchtigen. Er mußte die Färbuug und Stimmung desselben wiedergeben, und durfte zugleich nichts was unsereLeser irgendinteressiren konnte und was irgend von wissenschaftlichem Belang ist, was Land und Leute kennzeichnet, antasten. Wir glauben daß durch die zweckmäßig vor» genommenen Abkürzungen und Zusammenziehungcn das Werk keinerlei Beeinträchtigung erfahren hat. Zwei Gegenstande, welche Huc im Texte behandelt, haben wir theils in dieses Vorwort, theils in die Einleitung hcrübcrgenommcn, nämlich seine Bemerkungen über den englischen Reisenden Moor-croft, und seine Uebersicht der mongolischen Völkerschaften. Die letztere ist geignct dem Leser gleichsam als Vorhalle zu dienen. Als Ki Schan, der Bevollmächtigte des chinesischen Kaisers am Hofe des Tale Lama zu Lha Ssa, die Ankunft der beiden christlichen Glaubensbotcn erfnhr, ließ er das Gepäck derselben mit größter Genauigkeit untersuchen ; es kam ihm insbesondere darauf an, sich zu überzeugen, ob die Fremdlinge ans ihren Wanderungen Land« charten entworfen und gezeichnet hätten. Bei dieser Gelegenheit äußerte der Gouverneur der in Lha Ssa ansässigen Mohamcdaner aus Kaschmir, gegen den mit ihm befreundeten Huc Folgendes: „Landcharten sind hier zu Lande ein sehr gefurchtetes Ding, besonders seit dem Vorfalle mit einem gewissen Engländer Namens Moor» croft, der hierher nach Llia Ssa gekommen war und für einen Kaschmiricr galt. Er blieb zwölf Jahre hier; dann reiste er ab, wurde aber auf dem Wege nach Ladak ermordet. Unter seinen Sachen Vorwort. ' - IX fand man viele Landcharten und Zeichmmgen, welche er während seines Anfenthalts in 3ha Ssa entworfen hatte. Seitdem sind die chinesischen Behörden uugemeiu argwöhnisch." An einer andern Stelle erzählt Huc: „Eines Tages brachte der Oonverncur der Kaschmirier einen seiner Landslcute mit zn uns. Er hieß Nisam, und war lange Zeit Diener Moorcrofts in Lha Ssa gewesen. Er sprach viel von seinem Herrn, und seine Mittheilungen bestätigten was wir bereits gehört hatten. Nach den Erkundigungen welche wir an Ort und Stelle in der thibctanischen Hauptstadt einzogen, kam Moorcroft im Ihre 1826 aus Ladak uach Lha Ssa. Er trug sich wie ein Muselmann, sprach Farsi und zwar nnt einer solchen Geläufigkeit daß die in Lha Ssa angesiedelten Kaschmirier ihn für einen ihrer Landsleute hielten. Er miethete in der Stadt ein Haus, welches er zwölf Jahre lang mit seinem Diener Nisam bewohnte, den er aus Ladak mitgebracht hatte, und der ihn gleichfalls für einen Kaschmirier hielt. Moorcroft hatte einige Heer< den Ziegen und Yaks (Gnmzochseu) gekauft, die in den Gebirgsthälern bei Lha Ssa weideten uud von Hirten überwacht wurden. Unter dem Vorwande nach seinen Heerden zu sehen, konnte der Muselmann Ausflüge im Lande machen, Charten entwerfen uud zeichnen. Man sagte uns, er habe nie die thibetauische Sprache gelernt und deshalb mit den Landeseingeborenen keinen unmittelbaren Verkehr gehabt. Nach zwölfjährigem Allfenthalt schlug er den Weg nach Ladak cin wurde aber in der Provinz Ngari von Räubern überfallen und ermordet. Die thibctanische Regierung ließ die Missethäter verhaften und fand einen Theil der Effekten des Reisenden, unter diesen namentlich Zeichnungen und Landcharten. Erst jetzt erfuhr man daß der angebliche Kaschmirier kein Anderer war als der Englander Moorcroft. Bevor derselbe sich von seinem Diener getrennt, hatte er ihm ein Schreiben gegeben, und dabei bemerkt, wenn er einmal nach Calcutta komme, so möge er es dort vorzeigen; er werde dadurch ein Glück machen. Es war ohne Zweifel ein Empfehlungsschreiben. Der Vorfall mit dem wiederaufgefuudcnen Reisegepäck und den Laudchartcn machte in Thibet so großes Aufsehen, daß Nisam jenes Schreiben vernichtete, M nicht etwa compromittirt zn werden. X Vorwort. Er sagte uns jenes Billet habe Schriftzüge enthalte», welche den linsrigen ganz gleich waren." „Die hier berichteten Thatsachen liaben wir aus dem Munde des Regenten von Lha Ssa. des Gouverneurs der Kaschmirier. Ni-sams und mehrcr anderen Einwohner der Stadt. Wir batten nie zuvor von Moocroft etwas gewußt, und crl'ieltcn damals die allererste Kuude über diesen englischen Reisenden. Nach alledem erscheint es ausgemacht daß Moorcrost 1826 wirklich nach Lha Esa ging. dort zwölf Jahre verweilte, und auf dem Wege nach Ladak ermordet wurde." „Aber andere Berichte stimmen keineswegs übereinmitDemwas wir in der Hauptstadt Thibets vernahmen. Karl Ritter schreibt in seiner Erdkunde vou Asien (Band V. S. 800, Berlin 1837), daß Morcroft 1812 eine zweimonatliche Reise machte, dann von der englisch-ostindischcn Compagnie den Auftrag erhielt, Pferde aus Turkestan zu kaufen, welche zur Zucht in den Gestüten Indiens bestimmt waren. Zu diesem Behuf trat er im November 1819 eine zweite Reise an, kam bis Ladak, blieb dort zwei Jahre lang, verließ im October 1822 diese Stadt um nach Kaschmir zu geben, und starb am 25. August 1825 zu Andkho iAndkhni), im Westen von Balkh, als er im Begriff gewesen war, sich dem Ziele seiner laugen Unter« »ehmnng (dem noch unerforschten Vadakschan) zu nähern. Der Tod des Reisenden und derOrt wo dieser starb, wurden von seinem Reisegefährten Tribeck bekannt gemacht, in einem Briefe datirt Va lkh 6. September 1825, adressirt an Cavitain Wade zu Ludiauah. (^5ialie Journal XXI. 786; XXII, 596. Eine Notiz über Moor-crofts Papiere im Journal der londoner geographischen Gesellschaft, 1831, S. 234.) Wir gestehen daß es uns unmöglich ist zwei ein» ander so schnurstracks widersprechende Nachrichten in Uebereinstimmung zu bringen. Wenn Moorcrost nicht in Lha Ssa gewesen ist, wie kommt es denn daß man ihn dort so genau kennt, und mit so großer Bestimmtheit von seinem Ausenthalte spricht? Was für ein Interesse könnten die Thibetaner haben, dergleichen Anekdoten zu fabricircn? Wenn aber, andernthcils. Moorcroft in Lha Ssa gelebt hat, wie erklärt sich dann der Brief Hes Herr» Tribeck, der ans. Vorwort. Xl driicklich schreibt, sein Reisegefährte sei 1825 gestorben, also ungefähr um dieselbe Zeit als er, der andern Angabe zufolge, nach derHanpt-stadt Thibets unterwegs war? Wir sind außer Stande diese Widersprüche auszugleichen, wir wollen aber eine Thatsache hervorheben, die uns selber betrifft, und mit Moorcrofts Angelegenheit einige Aehnlichkeit hat, Einige Zeit nach unserer Ankunft in Macao lasen wir in dem zu Calcutta erscheinenden Bengal Catholik Herald, XII. Nr. 9. S. 120 Folgendes: — Canton 12. September. Bei den französischen Missionairen in unserer Stadt ist vor Kurzem die Nachricht eingetroffen, daß die beiden Patres ihrer Mission in der tatarischen Mongolei eines kläglichen Todes gestorben sind. Ein französischer Lazarist Namens Huc kam vor drei Jahren zu einigen chinc-schen Familien welche sich im Thalc der Schwarzen Gewässer, etwa zweihundert Wegstunden von der Großen Mauer, angesiedelt hatten. Ein anderer Lazarist, dessen Name mir unbekannt ist (Gäbet), schloß sich ihm an; Beide wollten gemeinschaftlich eine Mission unter den mongolischen Buddhisten gründen. Sie studirtcn die mongolische Sprache bei den Lamas in in den benachbarten Klöstern. Es scheint daß man sie für fremde Lamas hielt, und daß sie sehr freundlich behandelt wurden, insbesondere von den Buddhisten, die sehr unwissend sind, und das Latein im Brcviarium für Sanskrit hielten, wovon sie nichts verstehen: sie haben aber große Ehrfurcht vor demselben, weil in ihren Nitualbüchern das aus dem Sanskrit übersetzte roth gedruckt steht. Als die Missionaire die Sprache genugsam inne zu haben glaubten, drangen sie ins Innere vor, um ihrBekehrungs-werk zu beginnen. Seitdem hat man nur unbestimmte Nachrichten über sie; im verflossenen Mai verlautete aber aus der Mongolei, sie seien an Noßschwcife gebunden und zu Tode geschleift worden. Grund und Ursachen dieses Ereignisses sind noch nicht bekannt." — „Während man unser Ableben mit so großer Bestimmtheit meldete, waren wir bereits dem Endziel unserer Neise ganz nahe, befanden uus schon unweit von Canton, und waren glücklicherweise im Stande jene Nachrichten durch unser persönliches Erscheinen zu widerlegen. Wären wir aber etwa in den thibetanischen Hochgebirgen verunglückt oder unterwegs ermordet worden, so hätte gewiß XII Vorwort. Niemand daran gezweifelt, daß wir in der Mongolei gestorben seien, nachdem man uns an Roßschwcife gebunden. Wahrscheinlich hätte man gar nicht geglaubt, daß wir jemals die Hauptstadt Thibets besucht hätten. Ulld wäre später irgend ein europäischer Reisender nach Lha Ssa gekommen und hätte dort von uns reden hören, so wäre es für ihn gewiß eben so schwierig gewesen, die Widersprüche zwischen den verschiedenen Angaben zu heben, wie für uns in Betreff Moorcrofts." — Dresden, 10. August 1855. Karl Rndree. Inhalt. Einleitung. S. XVll—XXXII. Grstes Kapitel. Die französische Mission in Peking. — Ein Blick anf das Königreick, Uniot. — Vorbereitungen znr Abreise. — Ei„ tatarisck-chiucsischcs Gasthaus. — Samdadschiemba. — Sain Ula, das gute Gebirge. — Kälte nnd Straßenräuber. — Lagerplatz in der Wüste. — Der große kaiserliche Wald. — Buddhistische Denkmäler anf den Gipfeln der Berge. — Topographie des Königreiches Geschekten: Charakter seiner Bewohner. — Eine Goldgrube. — Abenteuer Saindadschiemba's. — Die Umgebungen der Stadt Tolon Noor. S. 1—22. Zweites Kapitel. Eine Spcisewirthschaft in Tolon Noor. — Aussehen der Stadt. -Gießereien von Glocken und Götzenbildern. — Unterhaltungen mit den Lamas. — Ziegelthec. — Die Königin von Murghevan. — Mongolische Wallfahrten und Pilgerreisen. — Ein Mongole erzählt von dem englisch-chinesischen Kriege. — Beschreibung der acht Bauner von Tschakar. — Die Viebhecrden des Kaisers. — Gestalt und Ausstattung der Zelte. — Tatarische Sitten und Gebräuche. — Lagelplatz an den drei Seen. — Nächtliche Erscheinungen. — Samdadschiemba erzählt die Abenteuer seiner Iuaend. — Die grauen Eichhörnchen. — Ankunft in Schabortch. S. 22—46. Drittes Kapitel. Schaborteh. — Das Fest dci Mondsbrötc. — Festmahl in einem Mon-golenzelte- — Toolholos oder mongolische Rhapsoden. — Poetische Ueberlieferungen von Timur. — Tatarische Erziehung. — Betriebsamkeit der Frauen. — Eine alte verlassene Stadt. — Die Straße von Peking nach Kiachta. — Russisch-chinesischer Handelsverkehr. — Das russische Kloster in Peking. — Mongolische Aerzte. — Der Tenfel des Wechselficbers. — Begräbnisse. — Das Lamakloster der fünf Thürme. — Leichenbegängnisse tatarischer Könige. — Ursprung des Königreichs Esel). — Turnübungen der Mongolen. — Drei Wölfe.— Fuhrwerke. S. 46—70. XIV Inhalt. Viertes Kapitel. Gin junger Lama wird zum Christenthum bekehrt. — Das Kloster Tschortscin. —Bauart au dcu l'uddbistischeu Tcmvcl». —Beschreibung von Groß-Kureu im Lande der K!,a!kl,as. — Reise des 6iuisou Tamba nach Peking. — Das Kuren der tausend Lamas. — Proces; zwischen dem Lamakönig u,id seinen Ministern. — Adler in dcr Mongolei. — Das westliche Tumct. — Ackerbauende Monadic». — Ankunft <>' der Blauen Stadt. — Bcmerkuugeu über das Volk'der Maudsch». — Beschreibung der östlichen Tatars und ihrer Erzeugnisse. — Die Maudscl'u als Bogenschützen. " ' S. 70—92. fünftes Kapitel. Die alte Blaue Stadt. — Chinesische Betrüger. — Die Herberge zu den drei Vollkommenbeitcn. — (Geldwechsler. — Ein m>.'ngol!scher Münzfälscher. — Kamcele und Kamecltreiber. — Ermordung eiues ^rcßlama und Aufstand dcr Klostelmöuche. — Nnterhaiidluugeu zwischen den Höfen von Peking uud Lha 5sa, — 'Ansässige und landstreichendc Mönche. — Potttik der Maudschudyuastic in Bezug auf die Klöster. — Zusammen-treffen mit einem thibctanischeu Lama. S. !13—1l(>. Sechstes Kapitel. Ein Mougoleufresscr. — Große Karawaue. — Ankunft in Tschagan Kuren. — Der Gelbe Etrom. 2. NO—N«. Siebentes Kapitel. Vertilgung des Ungeziefers. — Unsauberkcit der Mongolen. — Vorstellungen dcr Lamas nber die Tccleuwandciiing. — Nomadenleben. — Waucn'ögel. — Der Z)üen :.')ang. — Fischfang — Ku-Kno oder Ignatius-bohne. — Der Paqa Ool. — Ein Minister des Königs der Ortus. S. 11«—l26. Achtes Kapitel. Das Land dcr Ortus oder Ordos. — Vebautes Laud uud sandige Ttev-veil,- —.3tegicrnngsfo>!n bei den mongolischen Völkern. — Adel. -Sclavcrei. — Ei,', kleines Lamakloster. — Wahl uud Amtscmseknng eiues lebendigen Buddha. — Klosteregelil uud Studien. — Ein heftiger ^turm. — Mongolische Hochzeitsfeierlichkeiten. — Vielweiberei und Ehefchcidung. — Das weibliche Geschlecht bei dcn Mongolen. S. l'^!6—144. Neuntes Kapitel. Ein fruchtbares Tbal — Pilgcrzügc. — Lamaische Ceremonien. — Das Kloster Rasche Tschnrin. — ^cbetinnhlcu. — Zank zweier Lamas. — Beichreibuiig des Tabsnn Noor oder Salzsees. — Die Kamccle in der Mongolei. ^ S. 144—154. Zehntes Kapitel. Mongolisches Fcstgclag. — Tiefe Brunnen. —Der Lagerplaß bei den Hundeit Brunnen. — Begegnuug mit dcm Köuigc von Ale>chan. — Die jäl'rlichcn Reisen dcr Mongolenfnrsten nach Peking. — Der Kaiser als Fa!,chmnuzer. — Die Teufelscistcriic. — Ein ll/bergang über de» Hoaug Ho. '3. 154—«6 Westen — Seine Unterredung mtt dem Obcrlama von ^hlbet und Reform des Bnddhaeultus. - Buddhismus uud Katbolieismuc'. - Der Baum der zehntausend Bilder. - Gebete. - Pilgerfahrten. - Die Lamas und das Christenthum. - Abrede nach ^chogona^. ^^ Vierzehntes Kapitel. Das Lamakloster Tschogortan. - Beschauliche Lamas.-Hirten-Lamas. — Bilddhistffche Gn'üdlehreu. - Verkündigung deo Bnddhaenttus i» yh> - Die schwarzen Zelte. - SMcn und Gebrauche der Sl fan. — Der Nak oder Grnnzochs. — Rngaben elncr Lamachroiuk über den Ursprung der Völker. - Das Pflanzenreich. - Elnthe.lnng der Arlzols. — Räuberaeschichten. - Errichtung der Frledcu^'yraimde. - Hie thibetauischen Aerzte. - Abreise nach dem Kn-Kn-Noor. S. 221-233. Fünfzehntes Kapitel. Am Ku-Ku-Noor. — Die Kolostämme. — Die große Karawane. — Uebergana über dcu Pnhaiu Gol. - Die Mongolen von T,aidam. -Unaes'uudc Dünste auf dem Burban Bota. — Besteigung der Berge Schüqa und Baycu Kharat. - Wilde Och,en. — ^a'tc und Räuber. — Die Hochebene von Taut La. — Mineralancllen. — Wnstenbrand. — Das Dorf Na Ptschn.' — Die Ebene am Pamvu. — Aukuuft iu Lha Ssa. S. 234—255. Sechzehntes Kapitel. Die Hauptstadt der buddhistischen Welt. — Palast des Tale Lama. — Die Thibctaucr uud ihre Frauen. — Betriebsamkeit. — Gold- und Sil-beraruben. — Fremde in Lha Ssa: Pebuns. (5hinc!e!i, Kat,chis. - Du-Stellung Thibets gegenüber China. — Un,cr Verkehr mit den Behörden - Regieruugo'form. — Der Großlama von DschaM Lumbo. — Brüderschaft'der Kclaus. — Prophezeiungen. — Tragischer Tod dreier Tale Lamas - Notiz über Ki schau. — Verurtheilung des Nomclhan. — Aufstand im Kloster Sera.. S. 255—270. XVI Inhalt. Siebenzehntes Kapitel. Polizeispionc. — Wir erscheinen vor dem Regenten und werden von K< Echan verhört. — Eine Nacltt in Gefangenschaft. — Aensieruugcn des Gouverneurs der Katscln. — Haussuchung und Forschung nach Land» charten. — Wir wolmen in einem Hanse des Regenten und predigen das Evangelium. — Ein Mikroskop, — Unterbaltn'ngen mit Ki Schan. — Der Buddhismus. — Blattern. — Bcaräbnißgcbräuche. S. 276—295. 2lchtzehntes Kapitel. Von Lha Tsa nach Europa. — Erörterungen mit dem chinesischen Me» sandten und dessen Zwist mit dem Regenten. — Unsere Ausweisung wird befohlen. — Bericht Ki Schans an'dcn Kaiser. — Die thibetanisclie Zeitrechnung. — Ncnjabr. — Buddlnstischc Klöster in der Provinz Ui. — Khaldan. Prebnng. Sera. — Abschied vom Regenten. — Trennung von Eamdadschicmba. — Abreise von Lha Ssa nach Canton. S. 296—313. Nennzehntes Kapitel. Chinesische Nachrichten über Tbibet. — Einrichtung bei den Ulah. — Theatralische Darstellung in MedschuKung. — Das Gebirge Lnmma Ni. — Ankunft in ßjhiamda. — Hölzerne Brücken. — Ueber das Einhorn. — Der Berg der Geister.— Die Gebirge La Nhi. Ecbor kou Ia und Alan to. — Der Berg Tanda. — Pustcinrichtung in Tbibet. — Der Schntzgeist des Berges Wa ho. — Eine Gott gewordene Kröte. — Ankunft gnadigt worden. Dieser Titel ist mongolisch, bedeutet tapfer, und ist die höchste Würde welche einem Militairmandarin übertragen weiden kann. Im Kriege gegen die Engländer mußte auch der Baturu Jang gegen die Meeresteufel ins Feld rücken; diesmal aber blieb seine oben geschil» derte Taktik unwirksam. Während unserer Reisen in China haben wir mehrfach Mandarinen geftagt, weshalb Mang die Engländer nicht vernichtet hätte? Sie antworteten, diese Menschen hätten ihn gedauert! — Die »ielen Fürstenthümer in der Mongolei sind in höherm oder geringerm Maße vom Mandschukaiser in Peking abhängig. Man kann sie als Feudalkönigreiche betrachten, die ihrem Oberlehnsherrn Gehorsam leisten, so weit Furcht vor ihm oder eignes Interesse es erheischen. Die Mandschudynastie ist der Mongolen wegen in steter Besorgniß, denn sie begreift, daß dieselben für China sehr gefährlich werden können, falls einmal ein unternehmender Mann sie vereinigen und sich an ihre Spitze stellen sollte. Deshalb sucht sie freundliches Einvernehmen aufrecht zu erhalten, und nebenbei die Macht dieser Nomaden möglichst zu schwachen. Sie begünstigt zum Beispiel die Lamas und die Klöster, denen sie willig Privilegien ertheilt. Sie hat von Volk und Fürsten nichts zu befahren, so lange die Geistlichkeit auf ihrer Seite steht. - Ferner trachtet sie dar. nach durch Familienverbindungen ihren Einfluß zu befestigen und aus« zudehnen. Der Kaiser verheirathet seine Töchter und Verwandten in mongolische Fürstenfamilien. Die chinesischen Prinzessinnen behalten auch in der Mongolei eine große Vorliebe für den Glanz des kaiserlichen Hofes; das einförmige Leben in der Steppe langweilt sie und sie sehnen XXVIII Einleitung. fich nach Peking. Aber der Kaiser hat strenge Verordnungen gegeben, damit die Prinzessinnen ihren Männern leine allzugroßen Ungelegcn-heiten bereiten. In den ersten zehn Jahren nach ibrer Verheirathung dürfen sie gar nicht nach Peking kommen; thun sie es dennoch. so zahlt der Kaiser dem Gemahl einer Widerspenstigen sirner kein Iabresgebalt. Nach Ablauf von zehn Jahren dürfen sie die kaiserliche Hauptstadt be. suchen, zuvor aber hat eine besondere Behörde zu nntersuchen ob für eine solche Reise gewichtige Gründe vorliegen. Wird die Erlaubniß ge. geben, so bestimmt das Tribunal zugleich, wie lange die Dame in Peking verweilen darf. Tie wird je nach ihrer Würde auf des Kaisers Koste» unterhalten, muß aber auf Tag und Stunde wieder abreisen. Den höchsten Rang unter den mongolischen Fürsten haben die Thsin Wang und die Kiün Wang; dieser Titel entspricht etwa unserm König. Nächst ihnen kommen die Peile, Ve'lsse, die Kung erster und zweiter Abtheilung und die Dschassak, die wir mit unseren alten Herzögen, Grafen, Baronen :c. vergleichen können. Diese Fürsten alle sind dem Kaiser zu einem Tribut verpflichtet, die Gabe ist aber so geringfügig, daß sie wenig bedeutet, und eigentlich nur einen politischen Sinn hat. Im Grunde zahlt eigentlich der Mandschukaiser dem Mon» golenfürsten Tribut, denn statt des Viehs welches sie ihm geben, empfangen sie jährlich Geld, Seidenzeuge, fertige Kleider und andere Gegenstände des Luxus, z. B. Glasknöpfe. Pelze. Pfauenfedern ,c. Jeder Wang ersten Ranges bezieht jährlich zwcitausendfünfhundert Unzen Silbers und vierzig Stück Seidenzeug; alle übrigen Fürsten erhalten Antbeile je nach dem Titel welchen der Kaiser ibnon zuerkannt hat. Ein Dschassak empfängt jährlich hundert Unzen Silbers und vier Stücke Seidenzeug. Es giebt kaiserliche Lamaklöster. Jeder Lama eines solchen muß. sobald er den Grad eines Kelon erbält, dem Kaiser eine Silberbarre im Werth von fünfzig Unzen verehren. Dann wird sein Name zu Pe» king in das Registerbuch des kaiserlichen Klerus eingetragen und bat damit ein Anrecht auf die Gaben und Spenden mit welchen die Lamas des Kaisers alljährlich Kdacht werden. Alle diese Maßregeln sind sehr wohl berechnet und der chinesischen Politik förderlich. Nur den Kbalkhas gefällt das Alles nicht lm Mindesten; sie erblicken in den MandschuS lediglich Nebenbuhler, die sich einer Beute bemächtigt habe» welche jenen entgangen ist. Wir haben sehr häufig aus dem Munde von KhalkhaS Ausdrücke vernommen. die ganz und gar nicht von Ehrfurcht gegen den Einleitung. XXIX Kaiser zeugten. Die Khalkhas sagen, sie seien einzig und allein vom Guison Tamba abhängig, von dem „Heiligen", nicht aber von dem «schwarzen Mann" in Peking. Diese Nachkommen Dschingiskhans haben den.Gedanken an Eroberungen noch keineswegs aufgegeben; es heißt, fie harren nur auf ein Zeichen ihres Oberlama um gegen Peking anzurücken, und ein Reich in Besitz zu nehmen, das sie für ihre Beute halten, weil vor Zeiten dort einmal ihre Vorfahren herrschten. Die mongolischen Fürsten beziehen von ihren Sclaven oder Unter« thanen Abgaben, die zumeist in Schöpsen bestehen, und nach einem sehr ungerechten und widersinnigen Maßstab vertheilt werden. Der Eigen» thümer von fünf oder mehr Ochsen muß einen Hammel geben; der Eigenthümer von zwanzig Schöpsen einen Hammel, von vierzigen zwei; aber von Allem was er mehr besitzt giebt er gar nichts. Die Steuer fällt also zumeist auf die Armen, und der Reiche zahlt stets nur zwei Hämmel, gleichviel wie stark seine Heerde ist. Nußer diesen regelmäßigen Abgaben erheben die Fürsten noch gelegentlich Steuern von ihren Sclaven, z. B. bei Hochzeiten und Begräbnissen, oder wenn sie eine weite Reise vorhaben. Bei solchen Gelegenheiten müssen je zehn Zelte ein Pferd und ein Kameel stellen. Jeder Mongole der drei Kühe befitzt, muß einen Eimer Milch abgeben. und hat er deren fünf, so liefert er eine Maß Kumis, d. h. Milchbranntwein. Der Besitzer einer Hammelheerde von hundert Stück hat einen Filzteppich oder eine Iurtendecke zu bringen; wer mindestens drei Kameele hat, giebt ein Pack Seile, womit das Ge« pack gebunden wird. Uebrigens werden natürlich in einem Lande wo Alles von dem Belieben des Häuptlings abhängt, dergleichen Vorschriften nicht genau befolgt; bald wird den Unterthanen die eine oder andere Ab« gäbe erlassen, bald wird sie doppelt eingefordert. Diebstahl und Mord weiden sehr streng geahndet, aber der Ge« schädigte oder dessen Familie muß selber den Schuldigen verfolgen und ihn vor Gericht stellen. Wenn kein Kläger auftritt, bleibt auch ein offenkundiges Verbrechen ungestraft, es mag fo schwer sein wie es wolle. Man nimmt an. daß der Verbrecher sich nicht gegen das Gemeinwesen sondern nur gegen den Geschädigten vergangen, also ein Privatverbrechen verübt habe. Aehnliche Begriffe herrschen auch in China und Thibet. Die Mongolei bietet im Allgemeinen einen traurigen und wilden Anblick dar, und vergeblich schaut das Auge nach Mannigfaltigkeit und XXX Einleitung. Wechsel in der Landschaft ans. Die Einförmigkeit der Steppe wird nur unterbrochen durch Schluchten, tiefe Erdspalten oder unfruchtbare Felsen« Hügel. Gegen Norden hin, im Lande der Khalkhas, ist die Natur schon belebter; die Berge find mit Hochwald bestanden und die Wiesengründe von Flüssen und Bächen durchzogen; aber im Winter ist alles Land »elt und breit mit einer Schneedecke belegt. In der Nabe der großen Mauer schleicht die chinesische Civilisation wie die Schlange in der Wüste; dort erheben sich Städte, im „Graslande" gewinnt mau schon Ernten, und der Hirt muß nach Norden hin zurückweichen. Der größte Theil der Mongolei besteht aus sandigen Ebenen die vollkommen bäum« los find; kaum gedeiht und auch nur spärlich kurzes sprödes Gras; dazu kommen dornige Kriechpflanzen, und da und dort magere Büschel Haidekraut; das ist der ganze Pflanzeuwuchs der Gobi, in welcher zu« dem Waffer äußerst selten ist. In weiten Abständen findet man Brun» nen, die zum Gebrauch der Karawanen gegraben worden sind. Die Mongolei hat nur zwei Jahreszeiten, nämlich neun Monate Winter und drei Monate Sommer. Manchmal ist die Hitze fürchterlich, insbesondere auf den Sandsteppen, sie hält aber nur einige Tage lang an. Die Nächte sind fast immer kalt. In jenen Strichen der Mongolei in welchen die Chinesen Ackerbau treiben, fallen sämmtliche Arbeiten in den Zeitraum von etwa einhundert Tagen. Der Boden wird, nachdem er einiger« »aßen aufgethaut ist, in aller Eile umgepflügt und sogleich besäet; Alles wächst ungemein rasch, und gleich nach der Ernte tritt der scharfe Winter ein. Die ungemein strenge Kälte rührt hauptsächlich von drei Ursachen her; von der hohen Lage des Landes, dem mit Salpeter geschwängerten Boden und der Abwesenheit all und jeden Anbaues, mit Ausnahme der kleinen Strecken welche die Chinesen unter den Pflug gebracht haben. In diesen letzteren ist die Temperatur merklich milder geworden, die Wärme nimmt zu je weiter der Anbau vorrückt, und einige Getreidearten welche anfangs der Kälte wegen nicht gedeihen wollten, geben schon jetzt guten Ertrag. In der weiten Einöde schwärmen viele wilde Thiere umher, Hasen, Fasanen. Adler, gelbe Ziegen d. h. Antilopen, „graue Eichhorn» chen" — wohl ein Erdhase, wie jener in den russischen Steppen oder wie ^rclom/3 lucluvieiana, der sogenannte Prairiehund in Nordamerika? —; Füchse und Wölfe sind ungemein häufig. Es ist bemerkenswerth, daß die Wölfe in der Mongolei lieber Menschen als Thiere angreifen; Einleitung. XXXI sie laufen nicht selten um Schafheerden herum, lassen dieselben in Ruhe, und suchen Gelegenheit um über den Hirten herzufallen. In der Nähe der großen Mauer brechen sie manchmal in die chinesisch-mongolischen Dörfer ein, lassen das Vieh unangetastet, und dringen in die Wohnungen um Menschen zu zerreißen; sie packen ihr Opfer allemal am Halse. Fast alljährlich richten sie dergleichen Unheil an. Ferner hat die Mongolei Hirsche, wilde Böcke, Dschiggetais, wilde (?) Kameele, Yaks. braune und schwarze Bären, Luchse. Unzen und Tiger. Die Mongolen reisen stets wohlbewaffnel mit Bogen, Lanzen und Flinte. Der Mongole hat ein plattes Gesicht, vorstehende Backenknochen, kurzes, zurücktretendes Kinn, eine nach hinten zurücktretende Stirn, kleine schräg geschlitzte gelbliche Augen, schwarzes, straffes Haar, dünnen spar» lichen Bart. dunkelbräunliche, außerordentlich grobe Haut. Sein Wuchs ist von mittler Größe; er trägt hohe Lederstiefeln, einen weiten Schaf« pelz, und sieht daher kleiner aus als er wirklich ist. Sein Gang ist langsam und schwerfällig, seine Sprache hart, scharf und überhäuft mit ab» scheulichen Aspirationen. Seine äußere Erscheinung ist also höchst un-vortheilhaft; aber im Gegensatz zu ihr hat der Mongole einen milden, äußerst gutmüthigen Charakter; äußerste Fröhlichkeit wechseln bei ihm mit tiefem Trübsinn. Im gewöhnlichen Verkehr hat er etwas Schüch« ternes, aber er ist heftig, stürmisch und muthig sobald Fanatismus oder Rachsucht ihn in Wallung bringen. Er ist unbefangen und leichtgläubig wie ein Kind, und liebt deshalb auch leidenschaftlich Erzählungen, Sagen und Märchen. Die Einkehr eines reisenden Lama in ein Zelt ist allemal willkommen. Der Mongole wird geschildert als arbeitsscheu, er liebe ein müßiges, träges Lebeu, raube und plündere gern, sei grausam und widernatürlichen Lastern ergeben. Das wären seine Fehler. Die alten Schriftsteller haben gewiß nicht übertrieben als sie die Greuel und Verwüstungen darstellten, welche der Mongolenfturm in seinem Gefolge hatte. Wir aber glauben fest, daß die Mongolen heute nicht mehr find, was sie damals waren. Ueberall wo wir mit ihnen in Berührung kameu, fanden wir sie groß» müthig, offen und gastfrei; gleich Kindern suchten sie sich geringfügige Sachen welche ihre Neugier erregten, anzueignen, aber auf Raub und Plünderung sind wir bei ihnen niemals gestoßen. Arbeitsscheu sind sie freilich auch heute noch, und ihre Sitten keineswegs streng, doch spielt XXXIl Einleitung. dabei ein Sich gehen lassen eine weit größere Rolle als eigentliche Lieder» lichkeit und Verderbtheit. In dieser Beziehung stehen sie hoch über den Chinesen. Von Gewerbfleiß ist keine Rede; doch weben sie Filzdecken und gerben Leder; die Frauen nähen und sticken. Dagegen ist der Mon. gole ein vollendeter Hirt; Geficht, Gehör und Geruch find bei ihm außerordentlich schars entwickelt. So ist das Volk unter welchem wir jahrelang lebten. Erstes Kapitel. Die französische Mission in Pelln«. — Ein Blick auf das Königreich Uniot. — Vorbereitungen znr Abreise. — Ein tatarisch-chinesisches Gasthaus. — Samdadschiemba. — Sain Ula, das gnte Gebirge. — Kälte und Straßenräuber. — Lagerplatz in der Wüste. — Der große kaiserliche Wald. — Buddhistische Dcnrmäler auf den Gipfeln der Berqc. — Topographie des Königreiches Geschekten; ssliarakter seiner Bewohner. — Eine Goldgrube. — Abenteuer Samdadschicmba's. — Die Umgebungen der ^tadt Tolun Noor. Die französische Mission zu Peking befand sich unter den ersten Kaisern aus der Mandschudynastie in einem Zustande hoher Blüthe, aber als Kia King. der fünfte in der Reihe jenes Herrscherstammes, seit 1799, die Christen zu verfolgen begann, wurden die Missionäre vertrieben oder hingerichtet, und jene Anstalt geneth ganz in Verfall. Von dem zu jener. Zeit stürmisch bewegten Europa her brachte man den Glaubensgenossen im fernen Lande keine Hilfe, und man hatte sie so völlig aus den Augen verloren daß die französischen Lazaristen nur noch schwache Trümmer vorfanden . als sie nach Peking kamen. Viele Christen waren in das Land jenseit der großen Mauer geflüchtet, und hatten in den Einöden derMon-golei Sicherheit vor den Verfolgungen der chinesischen Behörden gesucht; sie lebten da und dort zerstreut, und bebauten mit Erlaubniß der Mongolen etwas Land. Einzelne Missionäre ließen sich unter diesen verspreng« ten Christen nieder, brachten cs durch Ausdauer und Beharrlichkeit da« hin, sie zusammen zu halten, und leiteten von der Mongolei aus die vormalige Mission zu Peking, welche der Fürsorge einiger chineschen Laza-ristcn anvertraut wurde. Denn französische Missionäre dursten es nicht wagen in der frühern Wnse ihre Wirksamkeit in Peking zu beginnen; sie würden durch ihre Anwesenheit die kaum wieder auflebende Mission den größten Gefahren blosgestM haben. Huc, Mongolei, . , .. 1 2 Ausflüge »ach T sa o - T i. l 1. Kap. Auf unseren Besuchsreiscu zu den chinesischen bristen in der Mon» golei haben wir mancbe Ausflüge in die unbebauten Steppengegendcn gemacht, die man als Tsao-Ti, das Grasland, bezeichnet. Wir fanden Obdach unter den Zelten dieses Nomadenvolkes, lernten es kennende, wannen es lieb, und beschlossen, ihm das Evangelium zu predigen. Seit-dem trieben wir mit großem Eiser das Studium der mongolischen Sprache. Im Jahre 1842 errichtete der Papst ein apostolisches Vieanat für die Piongolei. Im Jahre 1844 langten Eilboten aus Si'Wang an, einem klci. nen chinesischen Dorfe, das nördlich von der großen Mauer etwa eine Tagereise von Tuen Hoa Fn entfernt liegt. Iil Sie, doch habe sich Niemand Rechenschaft von diesem peinlichen Bewußtsein ablegen können. Schon im Winter 1831 gingen unheilverkündende Sagen durch das Land. Es hieß: Im nächsten Jahre wird es weder Arme noch Reiche geben, das Blut wird von den Bergen herabströ, men, die TlMer werden von Knochen ausgefüllt; — u fu, u kiung; hüe man schau, ku man tschuan. Diese Worte waren in Aller Munde, und sogar die Kinder riefen sie einander beim Spielen zu. Die Menschen waren unruhig bewegt, nnd im Innersten geängstigt ohne noch zu wissen warum. So brach das Jahr 1832 herein. Weder im Frühjahr noch im Sommer fiel ein Regentropfen; vor der Ernte kamen Hagelschauer und richteten alle Feldfrüchte zu Grunde. Nun war die Noth groß. Man bot Häuser. Felder. Thiere für etwas Korn, das beinahe mit Gold ausgewogen wurde; die Leute aßen Gras, nnd als sie das nicht mehr fanden grnben sie Wurzeln aus der Erde. So wnrde die Propbe» zeiung erfüllt; viele Menschen starben auf den Bergen wo sie Gras ge. sucht hatten, auf den Wegen lagen Leichen umher, Häuser standen leer, ganze Dörfer waren bis auf die letzte Seele ausgestorben. Es gab in der That weder Reiche noch Arme, die entsetzliche Hungersnoth hatte Alles gleich gemacht. ') Ei starb 185,l. und war der sechZtc Kaiser aus der Mandschu-dynastie. Ihm folgte sein neunzehnjähriger Sohn. welcher seine Regierung alö Hicn Foug, allgemeine Mickscliglcit. bezeichnet. Tao-kuang bedeutet Mauz der Vernunft. (Vcrgl lh'ühlaff. Vcbeu des Kai>crs Taokuaug. Leipzig i«52.) 1. Kap.) Vorbereitungen zur Abreise. g In diesem traurigen Lande harrten wir des Eilboten. welchen wir nach dem Königreiche Naiman geschickt hatten. Er kam zu der anberaumten Zeit nicht zurück, und es verliefen noch manche Tage ohne daß Lama, Kameele oder Eilbote sich einstellten. Wir sahen nns min aufs Aeußerste gebracht, konnten unmöglich noch länger in der bisherigen Weise zuwarten, und mußten auf anderweitige Mittel zum Fortkommen denken. So bestimmten wir denn unabänderlich einen Tag zur Abreise, und beschlossen uns von einem Christen, der über einen Karren zu verfügen hatte, bis Tolon Noor begleiten zn lassen, das von den Schluchten etwa fünfzig starke Wegstunden entfernt liegt. In Tolon Noor wollten wir diesen Führer zurückschicken nnd dann unsere Pilgerfahrt weiter fortsetzen. Dieser Vorsatz erfüllte die Christen mit Besorgniß; es erschien ihnen durchaus unbegreiflich, wie zwei Europäer ohne Führer und Begleiter eine weite Reise durch ein unbekanntes Land wagen konnten, in welchem ohnehin manche Gefahren drohten; wir hatten aber gute Gründe fest ans nnserm Entschlüsse zu beharren. Chinesen mochten wir nicht zu Begleitern haben. Es schien uns platterdings nothwendig, endlich einmal die Fesseln zu sprengen, mit welchen man in China die Missionäre gebunden hat. Die vorsichtige Sorgfalt oder vielmehr der Kleinmuth eines chinesischen Kate-chisten war uns im Lande der Tataren zu gar nichts nütze; ein Chinese konnte uns lediglich Verlegenheit bereiten. Am Sonntag Abend war Alles bereit; am andern Morgen wollten wir die Neis? antreten. Wir hatten llm unsere kleinen Koffer Ketten gelegt, und die Christen hatten sich schon eingefunden um uns Lebewohl zu sagen. Da kam zu Aller Uelerraschung, als eben die Sonne untergehen wollte, unser Eilbote zurück, wir sahen es aber gleich an seiner klägliche» Miene daß er keine guten Nachrichten mitbrachte. Er sprach: „Meine geistigen Väter, die Sachen stehen schlimm; Alles ist verloren nnd ihr dürft auf Nichts mehr hoffen; im Königreiche Naiman hat die heilige Kirche keine Kamerle mehr. Der Lama ist gewiß todtgeschlagen worden, nud ich meine daß hier der Tenftl seine Hand im Spiele gehabt hat." Zweifel und Besorgnisse wirken auf unser Gemüth oft viel peinlicher als die Gewißheit eines handgreiflichen Misgeschickes. Nnd so enthoben denn so niederschlagende Nachrichten auch uns dcr Ungewißheit, in wel» cher wir bisher schwebten. Wir beharrtcn anf unserm Vorsatze. Nach« dem wir genugsam die Klagen und Beileidsbezeigungen der Christen angehört hatten. legten wir uns schlafen. Am andern Tage sollte dann unser Nomadenleben beginnen. g Äufbrnch zur Reise. sl. Kap. Als die Nacht weit vorgerückt war vernahmen wir plötzlich von draußen her Stimmen und allerlei Geräusch; bald nachher wurde heftig an unsere Hausthür gepocht. Haftig sprangen wir auf. Der junge Lama war endlich, sammt den Kameclen. eingetroffen. Dadnrch änderte sich freilich die Tacke, und die Abreise wurde nun auf Dieickag festgesetzt. Auch wollten wir den Narren zurücklassen und ganz tatarisch auf Kameelen reiten. Frod und guter Dinge gingen wir wieder zu Bett. aber Schlaf kam nicht in unsere Augen; wir dachten daran wie wir unsere kleine Karawane am zweckmäßigsten einrichten könnten. Aber wesbalb war der Lama so lange fortgeblieben? Er erzählte uns am andern Morgen, daß tl längere Zeit krank danieder gelegen. nnd nach seiner Genesung ein Kamee! aus der Wüste a/bolt babe; ein anderes sei ihm gestohlen und erst nach einem langwierigen Processe zurück erstattet worden. Am Montage trafen wir die letzten Vorbereitungen zum Ausbruch. Am Zelte, das aus blauer Leinwand verfertigt war. nahmen wir allerlei Verbesserungen vor; unsere Frennde schnitten einen beträchtlichen Vor« rath langer Holznägel; der große Messingkessel nnd der Dreifuß wnrden ausgebessert, Seile gewunden, die Geschirre für die Kameele nacl'gescbcu. Am Dienstag früb war Alles so weit fertig daß wir mir uötbig batten, den Kameelen Holzpflöcke in die durchbohrten Nasenknorpel zu stecke», und damit befaßte sich unser junger Lama. Die armen Tbiere schrien entsetzlich, weil die Operation sehr schmerzhaft war. Alle Christen waren herbeigeeilt und hatten um den Lama einen Kreis geschlossen; sie wollten sehen wie er die Kameele zur Neis« anschirre lind bepacke, denn für die Chinesen ist dergleichen etwas nicht Alltägliches. Nachdem Alles fertig war, tranken wir Tbee und gingen in die Kapelle. Die Christen stimmten einen Abschicdsgesang an. wir sagten der kleinen Gemeinde Lebewohl und machten uns auf den Weg. Samdadschiemba, das war der thibetanische Name unsers Kameelführers, saß mit ernster Würde auf einem kleinen schwarzen Maultbicr und ritt voran; hinter ikm gingen die beiden mit unserm Gepäck beladcncn Kameelc; dann folgten wir, die beiden Missionare Huc und Gäbet; der erstere ritt eine großeKameelstute, der andere ein Pferd, und zwar einen Schimmel. Wir waren darüber einig daß wir uns in unserm äußern Leben so viel als möglich tatarisch umgestalten und alles Chinesische abstrcisen wollten. Doch konnte das nur allmälig geschehen; denn anfangs befanden wir uns noch unter Chinesen, die uns das Ehrengeleit gaben, und am ersten Abend mußten wir in einem Gasthause einkehren, welches der l. Kap,) Ein tatarisch-chinesisches Gasthaus, 7 Oberkatechift der Schluchten kielt. Mit der Karawane wollte es aber nicht gleich von vorne herein erwünschten Fortgang nelimen. denn wir waren Neulinge, und verstanden uns nicht auf das Satteln und Lenken der Kameele; wir mußten deshalb oftmals still l'alten und das Eine oder Andere wieder in Ordnung bringen, so gut es eben ging. Natürlich kamen wir nur sehr langsam vorwätts. Nackdem wir 35 Li') zurückgelegt hat-ten, kamen wir aus dem angebauten Land in das Land der Graser oder Kräuter, das heißt in die unbebaute Steppe, Tscw'li. Von da an ging es besser vorwärts, denn die Kameele wußten sich dort in ihrem eigentlichen Elemente und trabten in der Wüste weit rascher vorwärts als zwischen bebauten Feldern. Bald mußten wir einen hohen Berg binanklim» men, die Kameele wußten sich jedoch für die Anstrengungen zu entschädigen; sie weideten die Pflanzen ab, welche sie am Wege fanden. Wir hatten dann große Mühe sie weiter zu treiben, und unser Geschrei war stark genng. lim die Füchse aufzuschrecken, die aus ihren Löchern hervorkamen und in aller Eile das Weite suchten. Von dem Gipfel des steilen Berges erblickten wir die tief unten liegende christliche Herberge von Uan-Pa-Eül. Der Weg dortbin war uus deutlich vorgezeichnet; wir brauchten nur dem Laufe einiger klaren Bache zu folgen welche auf dem Berge entspringen, am Fuße desselben sich vereinigen und dann einen prächtigen Fluß bilden, welcher den Gasthof umsä'längelt. Der Obergastwirth oder. um es chinesisch zu bezeichnen, der Intendant der Kasse, begrüßte uns. Man trifft hin und wieder in der Mongolei, in den Gegenden welche an China grenzen. Herbergen mitten in der Wüste, die eine ganz eigen« thümliche Einrichtung haben. Gewöhnlich bilden sie ein sehr großes eingehegtes Viereck. Inmitten desselben erhebt sich ein etwa zehn Fuß hohes Haus, zu dessen Aufbau weder Holz noch Stein, sondern lediglich Erde benützt wird. Zur rechten und linken Seite findet man einige kleine sehr armselige Zimmer, das Uebrige bildet nur einen großen Saal, der Alles in Allem ist, nämlich Küche. Speisezimmer und Schlafgemach. Die Reisen« den werden gleich nachdem sie abgestiegen find in diesen überaus schmuzi« gen, übelriechenden und von Nauch und Qua!m geschwärzten Saal geführt, wo man ihnen einen langen und großen Kang anweift. Ein Kang ist eine Art von Ofen der ziemlich drei Vicrthcile des großen Gemaches einnimmt , etwa vier Fuß über den Boden sich erhebt und eine platte Oberfläche hat. Auf derselben ist eine Matte ausgebreitet; reiche Leute legen, *)3<^ chnicsiscbe Meile, deren zehn auf eine franzosische Lieue oder eine starke deutsche Wegstunde gehen. o Ein tatarisch-chinesisches Gasthaus, sl. Kap. um es bequemer zu haben, noch Filzteppiche und Pelzwelk darauf. Au der Vorderseite sind drei mächtig große Kessel eingemauert, in welchen die Reisenden ihre Speise» lochen. Die Ocffnuugen vermittelst welcher mau die Feuerung iu diesen ungeheuern Ofen bringt, stehen mit dem Inneru des Kang in Verbindung, und die Hitze wird in demselbeu gleichmäßig vertheilt. So kommt es daß auch bei strenger Winterkälte eine sehr warme Temperatur vorhanden ist. Der Intendant der Kasse ladet jeden Reisen» > den der iu den Saal tritt sogleich eiu auf den Kaug zu steigen. Dort nimmt man an einem großen Tische Platz, dessen Füße fünf bis sechs Fuß hoch sind, und schlägt die Beine übereinander ganz so wie unsere Schneider bei der Arbeit. Im untern Theile des Saales gehen die Gäste und die zum Wirtbshaus gehörenden Leute ab und zu, unterhalten das Feuer, kochen Thee und kneten Mehl. Solch ein Kang in den chinesisch, mongolischen Herbergen bietet einen äußerst lebhaften und in seiner Weise malerischen Anblick dar. Dort wird gegessen, getrunken, geraucht, gespielt, geschrieeu, und manchmal fehlen auch Schlägereieu uicht. Am Tage ist der Kang Speisezimmer, Zechsaal und Spielhölle, Abends verwandelt er sich iu ein Schlafgemach. Dann rollen die Reisenden ibre Decken auseiu-andcr, vorausgesetzt uämlich daß sie dergleicheu haben, oder decken sich mit ihre» Kleidern zu. Sind zahlreiche Gäste da, so legen sie sich in zwei langen Reihen nieder, und zwar iu der Weise daß sie einander die Füße zukehren. Alle haben sich am Boden hingestreckt, aber daraus folgt noch nicht daß sie schlafen; allerdings schnarchen manche aus Leibeskräften, aber andere rauchen, trinken Thee oder schwatzen laut. Auf diese phantastische Scene, die einen tiefen und eigenthümlichen (5'indruck macht, wirft der trübe Schein einer Lampe ein mattes ungewisses Licht, ein graueuhaf. tes Helldunkel. Mau kann uicht sagen daß die Lampe in solchen Herbergen hübsch uud zierlich sei; sie besteht insgemein aus einer zerbrochenen Tasse-, die mit übelriechendem Oel gefüllt ist; in demselben schwimmt in schlangengleichen Windungen ein langer Docht. Solch eine Porzellan« scherbe steht in einem Wandloche zwischen zwei Klötzen, die ihr einigen Halt geben. Uns hatte der Intendant der Kasse sein eigenes Zimmer zugedacht; und wir nahmeu in demselben gern unser Abendessen eiu. (5s wollte uns aber uicht anstehen darin auch zu schlafen, deuu wir waren nuu einmal mougolische Reisende, hatten ein hübsches Zelt uud wollten ohne Weiteres den Versuch machen, wie wir in uud mit demselben zmecht kämeu. Dage« gen konnte ohnehin Niemand etwas einwenden, weil man überzeugt war, 1. Kap.) Kleidelwechsel. 9 daß wir nicht etwa die Herberge verachten, sondern dem Brauche der Nomaden tren bleiben wollten. Das Zelt wurde demnach aufgeschlagen. Dann breiteten wir unsere Vockfelle aus, und ließen ein lustiges Feuer flackern, denn allgemach begannen die Nächte kalt zu werden. Wir hatten uns eben schlafen gelegt, als der „Inspector der Finsterniß" furchtbar auf eine Kesselpauke losschlug. Die vollen uud gewaltigen Töne dieses Tamtam fanden Wiederhall in den umliegenden Thalern, und schreckten Tiger und Wölfe von dcnmen. Schon vor Tagesanbruch waren wir auf den Beinen, um eine Metamorphose von nicht geringer Wichtigkeit an uns vorzunehmen. Es kam nämlich daranf an, die chinesischen Kleider welche wir bisher, getragen, abzulegen und mit anderen zu vertanschen. Alle Missionäre die in China verweilen tragen sich so, daß sie im Aeußern sich durch nichts von Leuten bürgerlicher Beschäftigung unterscheiden. Das hat für sie allerlei Uebel» stände, so weit wenigstens ihre amtliche Wirksamkeit in Frage kommt. Unter den Mongolen wird ein „schwarzer Mann", der sich Herausnahme über religiöse Angelegenheiten zu reden, ausgelacht oder verächtlich behandelt. Die Tataren nennen alle Nichtgeistlichen „schwarze Menschen" (Hara-Humu), vielleicht weil sie das Haar wachsen lassen, im Gegensatz zu dem weißen Kopfe der Lamas, die das Haar völlig abscheeren müssen. Ein schwarzer Mensch hat sich nur um Angelegenheiten dieser Welt zu bekümmern, und religiöse Dinge gehen ihn nichts an; diese sind ausschließlich den Lamas zugewiesen. Für uns aber waren jetzt keine Gründe mehr vorhanden das bürgerliche chinesische Kleid zu tragen; wir legten es daher ab und wählten eine Tracht, welche der Würde unsers geistlichen Amtes entsprach. Die Ansichten welche in dieser Beziehung der apostolische Viear in den uns ertheilten Verhaltungsregeln aussprach, trafen durchaus mit unseren Wünschen zusammen. Wir wählten demnach die bürgerliche Kleidung, welche die thibctanischen Lamas gewöhnlich tragen, nicht die geistliche Tracht mit welcher sie sich schmücken, wenn sie in den Pagoden beten oder anderen geistlichen Feierlichkeiten beiwohnen. Die Kleidung der thibetanischeu Lamas schien uns auch noch deshalb angemessen, weil unser junger Neubekehiter Eamdadschiemba sie trug. Wir erklärte» den Christen in unserer Herberge, daß wir ferner nicht mehr aussehen wollten wie chinesische Kaufleute, es sei vielmehr unsere Absicht, den Zops wegzuschneiden nnd das Haupthaar abzuscheeren. Dieser Entschluß machte sie bestürzt und erregte ihre Empfindlichkeit, ja Einige schienen sogar Thränen deshalb zu vergießen. Andere gaben sich Mühe <« Der Lamaanzug. II. Kap. uns eines Bessern zu belehren, und uns umzustimmen, doch machten ibre pathetischen Vorstellungen keinerlei Eindruck, denn wir nabmen ein Schecr-messer und gaben es unserm Samdadschiemba in die Hand. Nach einer Minute war der lange Zopf, den wir seit unserer Abreise aus Frankreich hatten wachsen lassen, mit Stumpf und Stiel entfernt. Dann zogen wir-einen weiten gelben Nock an, der auf der rechten Seite vermittelst fünf vergoldeter Knöpfe geschlossen wurde; legten einen rotben Gürtel um. und zogen über den Nock eine rothe Jacke uüt einem kleinen Kragen von veil« chenfarbenem Sammet. Dazu kam dann noch eine gelbe Mütze mit rothem Büschel, und unser Lamaanzug war fertig. Dann kam das Frühstück, aber unsere Freunde waren trüb und misgestimmt; sie sprachen nur wenig. Als der Intendant der Kasse die kleinen Gläser und die Urue brachtcu, auf welcher der warme chinesische Wein stand, erklärten wir ihm daß für uns von nun an eine ganz andere Lebensweise beginne. „Nimm Wein lind Kohlenbecken fort," sagten wir. „fortan trinken wir keinen Wein und bedürfen auch der Pfeife nicht mehr. Dn weißt," so fügten wir lächelnd hinzu, „daß ein gntcr Lama weder Wein trinkt noch Tabak raucht." Aber die chinesischen Cbristen waren weit entfernt zu lachen, sie starrten uns an und sagten kein Wort', wir sahen es ihnen an, daß sie uns bedauerten, deuu sie waren fest überzeugt wir würden in den Wüsteu der Mongolei vor Hunger und Elend zu Grunde gehen. Nach dem Frühstück legten die Leute aus der Herberge die Zelte zusammen, schirrten die Kameele an und machten Alles zur Abreise fertig; wir aber nahmen einige in Wasserdampf gekochte Stücke Brot und suchten uns zum Nachessen am Bache wilde Stachelbeeren. Bald nachher wurde uns gesagt, daß Alles bereit sei. So bestiegen wir denn unsere Thiere und schlugen den Weg nach Tolon Noor ein; unser einziger Begleiter war Samdadschiemba. So befanden wir uns deun ohne Führer ganz aNein in einer neuen Welt! Von jetzt an gab es keine Pfade mehr, auf welchen schon vor uns Missionäre gewandelt waren, denn wir kamen in ein Land wo noch Niemand das Evangelium gepredigt hatte. Aber es war einmal geschehen. Wir sahen keine Christen mehr die bereitwillig uns Dienste erwiesen, wir waren uns selbst überlassen, mitten in einem feindlicben Lande, mußten unsere Angelegenheiten selbst besorgen und durften nicht erwarten, auf der Reise die Stimme eines Freundes und Bruders zu vernehmen. Indessen, was lag daran? Wir fühlten uns im Herzen stark nnd muthig, und gingen Kraft dessen der gesagt hat: Gehet hin und lehret alle Völker. 1. Kap.) Samdadschicmba. H.1 Eamdadschiemba war, wie bemerkt, unser einziger Reisegefährte. Dieser junge Mensch war weder Chinese, noch Tatar, noch Thibetaner, doch sah man auf den ersten Blick, daß er dem großen mongolischen Volks» stamme angehötte. Seine Nase war breit und aufgeworfen, der Mund groß und gerade geschnitten, die Lippen waren dick und vorstehend, und seine Gesichtsfarbe war stark broncirt; der ganze Anblick seines Gesichts war unangenebm und hatte etwas Wildes. Wenn seine kleinen Augen nnter den langen haarlosen Lidern hervorstachen, und er uns stirnrunzelnd ansah, flößte er zugleich Furcht und Vertrauen ein. An dieser seltsamen Gestalt war aber doch eigentlich nichts, was scharf hervorgetreten wäre, weder die bosbafte Verschmitztheit des Chinesen, noch die offene franke Gutmüthigkcit der Mongolen, oder das muthige Kraftbewußtsein des Thibetaners; wohl aber hatte er etwas von alle dem an sich. Samda» dschiemba war ein D sch iahn r. Wir worden später Gelegenheit finden,' über die Heimat unsers Kamcelführers zu sprechen. Samdadschiemba war als elfjähriger Knabe ans einem Lamakloster entlaufen, weil sein Lehrer ihn aFznstreng gezüchtigt hatte, trieb sich dann manches Jahr als Landstreicher nmher, und lebte bald in den Einöden der Mongolei bald in chinesischen Städten. Man^ssireift, daß da« bei die angeborene Rauhhcit und Herbe seines ganzen Wrsms nicht ab. geschwächt oder gemildert wcrden konnte; seine Geistesanlagen waren durchaus unentwickelt geblieben. Dagegen konnte er sich einer ungeheuern Mnskelstärke rühmen, auf welche er sich denn. auch viel zu Gute that. Nachdem Herr Gäbet ihn unterrichtet und getauft hatte, war er iu den Dienst der Missionäre getreten'; und die Neise, welche wir jctzt antraten, entsprach vollkommen seinem Hang zu einem hcrumschweisendcn aben» teuernden Leben. Als Wegweiser durch die mongolische Wüste konnte er uns von kcincm Nutzen sein. denn in jener Richtung welche wir einschlu. gen kannte er sie cbmso wcnig als wir selber. Wir mußten uns daher auf unsern Kompas und die vortreffliche Charte 'Andriveau Goujons verlassen. Eeitdcm wir die Herberge Yan Pa Eül vertanen hatten, kamen wir ungehindert vorwärts nnd Alles ging nach Wnnsck von Statten, ab. gerechnet einige Flüche, die uns von einigen chinesischen Kanfleuten entgegen geschleudert wurden als wir über einen Berg ritten. Diese Leute batten nämlich vor schwerbeladene Karren viele Maulthiere gespannt, und diese gingen durch als sie unsere Kameele erblickten. Dabei wurden einige Wägen umgestürzt; die Verwirrung war groß, und es regnete Verwün« schlingen gegen uns und unsere gelben Kleider. 12 Sain-!U.i, das gute Geblrge. — Kälte. sl. Kap. Das Gebirge welches wir hinanklimmten heißt Sa in»U la, das gute Gebirge, und führt diesen Namen wahrscheinlich weil es gerade das Gegentheil davon ist. Im ganzen Lande hat es schlechten Ruf wegen vieler Unglückssälle und Unthaten für welcke es den Schauplatz bildet. Wir erstiegen dasselbe auf rauhem, steilem Wege. der zum Theil von Felsstücken unwegsamer gemacht wmde als er schon an sich war. Etwa auf der halben Höhe steht ein der „guten Alten", Tain Nai, geweihter Tempel, in welchem ein Mönch wohnt, der dann und wann einige Schau» feln Erde an die unwegsamsten Stellen der Straße wirst, und für diese Bemühung vou den Reisenden eine kleine Belohnung einfordert. von welcher er dann seinen Lebensunterhalt bestreitet. Nachdem wir drei Stunden lang bergauf geritten waren. befanden wir uns endlich oben auf einer weiten Hochfläche, dereu Ausdehnung von Osten nach Westen etwa eine Tagereise betragen mag; von Norden nach Süden ist sie dagegen ungleich betrachlicher. Von dieser Höhe herab sieht man in weiter Ferne wie in den Ebenen der Tatarei die Zelte der Mongolen gleichsam amvhitheatralisch an den Abhängen der Hügel aufgeschlagen sind; es sieht aus als habe man eine Menge von Bienenstöcken vor sich. An den Abhängen dieses Gebirges haben mehrere Flüsse ihren Ursprung. Unter anderen erkennt man den Schara Muren oder gelben Fluß (nicht zu verwechseln mit dem chinesischen Hoang Ho), dessen vielfach gewundenen Lauf durch das Köuigreich Geschekten man deutlich verfolgen kann. Nachdem er dieses letztere nnd Naiman bewassert hat, bricht er durch die Pfahlbarriere in die Mandschurei, und fließt in der Richtung von Norden nach Süden zum Mcere; an seiner Mündung führt er den Namen Leao-Ho. Das gute Gebirge ist auch berüchtigt durch seine Kälte, der fast in jedem Winter viele Reisende erliegen. Manchmal bleiben ganze Züge ans, die man im Unterlande vergeblich erwartet; bei Nachsuchungen trifft es sich dann wohl daß man Menschen und Thiere erfroreu findet. Dazu kommen noch die Gefahren, welche von Räubern und wildeu Thieren drohen. Die ersteren haben dort gleichsam ihre Herbergen aufgeschlagen und lauern den Reisenden auf, die von Tolon Noor kommen oder dorthin gehen. Wehe Jedem der diesen Räubern unter die Hände fällt', denn sie nehmen ihm nicht blos Geld, Kameele oder Pferde ab, sondern ziehen ihm anch die Kleider aus, sodasi er vor Frost und Hunger eines elenden Todes stirbt. Aber dabei verfahren sie mit äußerster Höflichkeit, setzen den Leuten nicht etwa das Feuerrohr auf die Brust und fordern ihm mit 1. Kap.) Straßexräuber. — Lagerplatz in der Wüste. 13 barschen Worten seine Habe ab. Sie treten vielmehr ganz bescheiden an den Reifenden heran und sprechen: „Mein lieber älterer Bruder, es wird mir zu beschwerlich zu Fuße zu gehen, willst Du mir nicht Dein Pferd leihen? Auch habe ich kein Geld; also borge mir Deine Börse. Heute ist es auch recht kalt; Du kannst mir wohl Deinen Rock borgen." Thut der „ältere Bruder" das, so sagt man ihm: „Schönen Dank, Bruder;" aber wenn er sich weigert und sperrt, wird er gestoßen, geschlagen und auch wohl niedergehauen. Wir befanden uns noch immer auf der Hochfläche als schon die Sonne dem Untergehen nahe war, und mußten also an einen Lagerplatz denken. Vor allen Dingen kam es darauf an, Brennstoff, Waffer und Weide zu finden, und bei dem bösen Rufe in welchem das gute Gebirge steht, wünschten wir zudem noch einen abgelegenen recht einsamen Platz ausfindig zu machen, denn die Furcht vor einer Heimsuchung durch die Räuber quälte uns allerdings. Wir waren ja noch Neulinge im Noma-den leben, mid was hätten wir ohne Kamee/e imd Pferde ansangen sollen? Endlich wählten wir eine von Bäumen eingefaßte Niederung, ließen die Kameele kmecn, luden das Gepäck ab, und versuchten unser Zelt aus einer ebenen Stelle aufzuschlagen, die am Naude des Kaiserwaldes lag, dicht nebeu einer hundertjährigen Fichte neben welcher ein Quell rieselte. Der Aufbau unsers kleinen Lcinwandpalastes machte uns freilich viel zu schaffen, allein — anfangs wollte cs nicht recht vorwärts, dann ging es etwas besser, nachher wieder besser und zuletzt recht gut vou Statten. Nachdem wir mit dieser ersten Arbeit fertig waren, kam es darauf an unseru Thürhüter in sein Amt einzuweisen. Wir hätten schon früher bemerken sollen, daß auch ein solches Iudividuum unserer Karawane an« gehörte. Wir schlugen einen großen eisernen Nagel bis zum Kopf in die Erde; durch den Kopf ging ein Niug. an welchem eine lange Kette bese« stigt war, die ihrerseits mit dem Halsband uusers getreueu Arsalan in engster Verbindung stand,. Arsalan, das heißt im Tatarisch-Mongolischen Löwe, hatte die Aufgabe laut zu bellen sobald ein Fremder sich blicken ließ. Somit war nun das Gebiet vou welchem wir für die bevorstehende Nacht Besitz genommen hatten, möglichst gesichert. Dann banden wir eimge Reisigbündel zufammen und suchten Argots. So beißen bei den Tatareu die Düngerfladcu wenn sie getrocknet sind und sich als Brennstoff verwenden lassen. Bald flackerte ein lustiges Feuer, das Wasser im Kessel siedete und wir warfen einige Packchen Kuamien hinein, eine Art zubereiteten Teiges, der gleich den Vermicelli auf eine lange Schnur gezogen 14 Knamien: Ngao lü Ml; Echang l« hnng. II. Kap. wird. Um ihn zu fetten und schmackhafter zu machen, thaten wir Speck hinzu, den nns die Christen in der Herberge Yan Pa Eül geschenkt hat» ten. Bald schien aNes gar und gut gekocht zn sein, wir zogen unsere Näpfe, die immer vor der Brust stecken, hcivor und schöpften Kuamien aus dem Kessel. Aber unser Nachtessen war abscheulich und platterdings nicht zu genießen. Die Leute welche Kuamien für den Verkauf anfertigen, pflegen die Waare stark zu salzen, damit sie länger haltbar bleibe; die unsere war nun leider ganz entsetzlich versalzen. Wir sahen einander lachend an, obwobl uns recht sehr hungerte. Wir mußten noch einmal von vorn anfangen, denn nicht einmal Arsalan wollte das Erzeugniß nn« serer Kochkunst genießen. Allein unser zweiter Versuch lief ebenso unglücklich ab als der erste, das Gericht war wieder ungenießbar, wenigstens fur uns, nicht aber für Samdadschiemba. dessen Magen vor nichts zurückbebte. Ihm mundete der Inbalt des Kessels, während wir. wie die Chinesen sich ausdrücken, auf Kaltes und Trockenes beschränkt blieben, uns mit etwas Brot behalfen und unsere Schritte nach dem Kaiserwalde lenkten, um einige Bewegung zu haben. So war denn unser erstes Abendessen im Nomadenleben kläglicher ausgefallen als wir gedacht hatte». Aber am Walde fanden wir köstliche Früchte, nämlich Ngao lü Eül und Schang ly hun g. Das erstere ist eine Art wilder Kirsche von sehr angenehmem Geschmack; sie wäckft auf einem kleinem Stamme der nur vier bis fünf Zoll hoch wird. Dcr Echang ly hung. ein kleiner ponceaurotber Apfcl, schmeckt scharf sauer-lich; man bereitet aus demselben eine reckt saftige Compote. Der Baum ist sehr klein hat aber ein starkes, vielfach veraftctes Gezweig. DerKaiserwald hat von Norden nach Süden eine Ausdehnung von mehr als hundert Wegstunden, und von Osten nach Westen etwa achtzig. Der Kaiser Kang Hi batte auf eiucm seiner Züge in der Mongolei an» geordnet, daß künftig seine Jagden in diesem Walde veranstaltet werden sollten. Er kam seitdem alle Jahre und seine Nachfolger thaten desglei« chen, bis aufKia King, der auf dcr Jagd bei Dsche - hoEül vom Blitze getroffen wurde. So sind denn nun (1844). feit siebenundzwanzig Jahren die großen kaiserlichen Waidmannszüge eingestellt worden. Tao« kuang. Sohn und Thronfolger Kia King's, glaubte daß ne allemal ver« hängnißvoll für den Herrscher werden müßten, er kam deshalb nie nach Dsche-Ho-Eül, das seither gleichsam das Versailles der chinesischen Kaiser gewesen war. Aber dieses Fernbleiben der Herrscher hat weder dem Walde noch den Thieren Nutzen gebracht. Das Gesetz verordnet, daß Jeder aus 1. Kap.) Der große kaiserliche Wald. 15 ewig in die Verbannung geschickt werden soll wer sich bewaffnet im Walde betreten läßt. Nichtsdestoweniger wird. derselbe arg von Wilddieben und Holzfällern heimgesucht. An Wärtern und Wächtern, die über das ganze Gebiet vertheilt sind, ist allerdings kein Mangel, diese Leute scheinen aber lediglich vorhanden zu sein, nm sich ein Monopol für den Ver« kauf von Wildpret und Holz anzumaßen. Sie hindern nicht etwa den Diebstahl, sondern befördern ihn auf alle Weise, vorausgesetzt daß für sie ein gut Theil abfalle. Wilddiebe sind besonders vom vierten bis zum siebenten Monate in Menge da. Denn in jener Zeit wechselt der Hirsch, und sein neues Geweih enthalt Blut das halb geronnen ist. In China nennt man es Lu-dschung, und es spielt in der chinesischen Arznei» künde eine große Rolle. Ein Lu-dschung ist schon mit ,150 Unzen Silber bezahlt worden. Trotz der Wilddiebe schwärmen Hirsche nnd Rehe in Menge in diesem ungeheuern Park umher; auch au Tigern, wilden Schweinen, Bärm, Panthern und Wölfen ist kein Mangel. Wche den Jägern oder Holzhauern die sich einzeln oder zu Wenigen in dieses Wald« labyrinth wagen! Sie verschwinden für immer, und man findet nie wie« ter Spuren von ihnen anf. Wir unsererseits wagten uns nicht weit hinein nnd kürzten unsern Spaziergang ab; ohnehin wurde es dunkel. Unser erster Schlaf im Zelte, in der Wüste, war ein ruhiger. Wir standen auf als eben der Morgen graute, warfen eine Handvoll Hafer, mehl in den Thee und damit war unser Frühstück fertig. Dann beluden wir die Kameele und ritten vorwärts. Noch immer befanden wir uns auf der Hochfläche des guten Gebirges. Nach einiger Zeit erreich, ten wir den Großen Obo, vor welchem die Tataren Gebete an den großen Geist des Gebirges richten. Dieses Monument besteht lediglich aus einer ungeheuern Meuge von Steinen die ohne alle Ordnung über und durch einander liegen. Vor diesem Steinhaufen hat man eine große Granitschale aufgestellt, in welcher Raucherweik verbrannt wird. Anf dem Gipfel gewahrt man verschiedene dinre Zweige, die der eine oder andere Andächtige zwischen die Steine gesteckt hat; in den Zweigen hän. gen Knochen nnd Papierstreisen mit mongolischen oder thibctanischen Sinn. sprüchen. Alle Andächtigen werfen sich vor dem Obo nieder und zünden Räuchcrwerk au, manche werfen auch Geld auf diesen Steinhaufen. Auch die Chinesen welche des Weges ziehen machen Halt, bcngen einigemal das Knie. und eignen sich dann die Spenden an, welche der gutmüthige Mongole als Opfer dargebracht hat. Dergleichen kunstlose Monumente findet man in allen Ländern dcr , Iß Topographie deS Königreiches Gescheiten. II. Ka^'. Tatarei, namentlich auf dem Gipfel der Berge, und die Mongolen unter« nehmen häufig Wallfahrten zn solchen OboS, welche an die laea kxcolsa erinnern, an den die Juden, trotz aller Warnungen der Propheten, ihre Andacht verrichteten. Um Mittag kamen wir an eine Stelle wo die Hochfläche sich zu neigen begann; bald wurde der Abbang steiler lind wir gelangten in ein tiefes Thal wo einige Mongolen wohnten. Doch hielten wir bei ihnen nicht an, sondern schlugen unser Zelt am Rande eines kleinen Teiches auf. Nun befanden wir uns in, Königreich Geschekten. Es ist ein von Hügeln durchzogenes von vielen Bachen bewässertes Land, mit guten Weideplätzen, und auch Brennholz ist in Menge vorhanden. Aber die Räuber sind hier zu einer wahren Landplage geworden, seit die Chine« sen nach Gescheiten kamen, und dasselbe in eine Herberge für Missethäter aller Art umwandelten. Wenn man sagt. daß einer aus Gescheiten sei, so bedeutet das jetzt so viel als: er ist ein Mensch ohne Treu und Mau« ben, er bebt vor keinem Verbrechen zurück, nicht einmal vor Mord. Wo in Geschekten der Pflug gegangen ist, hat das Land einen traurigen An« blick gewonnen, ist dürr und sandig geworden. Man baut nur Hafer, und Hafermehl ist die Hmiptspeise derVewobner. Im ganzen Lande giebt es nur einen einzigen Handelsplatz, den die Mongolen Altan-Some, den goldenen Tempel, nennen. Er war ursprünglich ein großes Kloster, in welchem an zweitansend Lamas wohnten; allmälig aber siedelten sich Chinesen an um mit den Tataren Handel zu treiben. Als wir diesen Ort 1843 besuchten war er schon zu einer nicht unbedeutenden Stadt herangewachsen. Von Altan-Some führt eine große Straße nach Norden durch das Land der Khalkas-Mongolcn. über den Fluß Kerulau sKerlon), die King-ganbergc bis nach Nertschinsk im russischen Sibirien. Arsalan beNte lant als eben die Sonne untergehen wollte und wir im Zelt unsern Thee lockten; ein Fremder nahte, wir hörten den Huf« schlag eines Pferdes. Gleich nachher stieg ein Reiter ab, ein Tatar. Er begrüßte uns mit dem Worte Mend u und legte seine gefalteten Hände auf die Stirn. Wir boten ihm eine Schale Thee an, er band sein Pferd an einen Zcltpflock und nahm beim Feuer Platz. Er begann die Unter« redung in folgender Weise: ..Meine Herren Lamas, unter welchem Theile des Himmels seid ihr geboren?" „Wir find unter dem westlichen Himmel geboren. Und wo ist Deine Heimat?" 1. Kap.) Charakter seiner Bewohner. 17 „Meine arme Jurte steht im Norden, dort hinten in jenem großen Thale. das uns zur Rechten liegt." „Deine Heimat Geschekten ist ein schönes Land." — Darauf schüttelte der Mongole den Kopf und schwieg. Nach einer Pause sprachen wir: „Bruder, eS ist noch sehr viel Grasland im Königreich Geschekten. Wäre es nicht wohl gethan. die Wiesen in Ackerland zu verwandeln? Was nützt euch der unbebaute Boden? Würden reiche Getreideernten euch nicht vortheilhafter sein als Gras?" Darauf antwortete er, offenbar aus voller Ueberzeugung. Folgendes: „Die Mongolen sind einmal dazu erschaffen unter Zelten zu wohnen und Viehheerden zu weiden. So lange der alte Brauch in unserm Königreiche Geschekten galt, befanden wir uns wohl und waren reich. Seit aber die Mongolen Häuser gebaut baben, und den Acker pflügen, sind sie arm geworden. Die Kitat (Chinesen), sind ins Land gekommen, und Alles geht in ihre Hände über, Heerden, Boden, Häuser. Einige Wiesen und Weidegründe sind uns noch geblieben, und auf diesen leben noch einige Mongolen, welche das Elend nicht zwang, nach seinen Gegenden zu wandern." „Aber weshalb babt ihr denn die Chinesen ins Land kommen lassen, wenn sie euch so widerwärtig sind und so vielen Schaden zufügen?" „Da sagt ihr ein wabres Wort. Aber. meine Herreu Lamas, ver-geßt nicht, daß die Mongolen schlichte Leute sind und ein schwaches Herz haben. Anfangs dauerten uns diese nichtswürdigen Kitat, die jammernd und weinend ins Land kamen und um Almosen baten. Aus Erbarmen ließen wir sie unter uns und sie durften den Acker pflügen. Manche Mongolen folgten ihrem Beispiel, verließen das Nomadenleben, tranken ihren Wein. rauchten ihren Tabak, und zwar Alles auf Borg; auch kauften sie Zeuge von ihnen. Als aber gezahlt weiden mußte, wurden vierzig bis fünfzig vom Hundert mehr genommen. Die Kitat erlaubten sich Gewaltthätigkeiten, und die Mongolen mußten ihnen Alles überlassen: Häuser, Grund und Boden, und die Heerden obendrein." „Konntet ihr euch denn vor Gericht nicht zum Necht verhelfen?" ..Ha. Recht vor Gericht! Das ist unmöglich. Die Kitat verstehen sich aufs Reden und Lügen. Ein Mongole kann nie Necht gegen einen Kitat erhalten. Meine Herren Lamas, für das Königreich Geschekten ist Alles verloren!" Der Mongole sprang auf, machte uns eine Knieverbeugung, stieg aufs Pferd und trabte rasch von dannen. Hm, Mongolci, - ^ 18 Eine Goldgrube. II. Kap. Wir reisten noch zwei Tage lang durch daS Land Gescheiten und überzeugten uns. daß es den Bewohnern allerdings übel erging. Und doch ist das Land an sich ungemein reich. und hat namentlich sehr ergie« bige Gold. und Silbergruben. Aber gerade diese Schätze find zu einer Quelle des Unheils geworden. Es ist streng verboten diese Bergwerke zu bebauen; nichtsdestoweniger kommt es vor, und zwar keineswegs selten, daß chinesische Räuber in ansehnlicher Menge erscheinen und nach edlen Metallen suchen. Es giebt Leute die mit wunderbarer Spürkraft heraus» bringen wo Gold liegt; sie sehen es an der Art des Gesteins und an den Pflanzen welche auf demselben wachsen. Ein solcher Mensch zieht Tau« sende von Abenteurern an sich, die das Land überschwemmen und gleich Heuschrecken verwüsten. Während einige nach Gold graben, ziehen andere auf Raub und Plünderung aus. vergreifen sich an Personen und Eigenthum und verüben Abscheulichsten die allen Glauben übersteigen. Und dann währt der Unfug so lange bis sie allzuüberm),thig werden, und sich an irgend einem Mandarin vergreifen, der mächtig genug ist sie zu Paa. ren zu treiben. Von derartigem Misgeschick ist das Land Geschekten schon mehr als einmal betroffen worden. Noch ärger wurde aber 1841 das Königreich Uniot heimgesucht. Damals ging ein Chinese, der nach Goldgruben suchte, auf einen Berg, fand edles Metall und zog eine Menge Landsleute herbei. Nach und nach hatten sich nahezu zwölftausend Mörder und Straßenräuber zusammengefunden. und dieses Heer spielte volle zwei Jahre lang den Meister im Lande. Das ganze Gebirge wurde durchwühlt, und Gold in solcher Menge gewonnen, daß, wie man sagt, der Werth desselben in China um die Hälfte sank. Die Landesbewohner klagten vergeblich bei den chinesischen Mandarinen über den entsetzlichen Druck, welcher auf ihnen lastete; was hätte es den Beamten auch für Vortheil gebracht, sich mit den Goldgräbern und Räubern zu verfeinden? Sie ließen die Dinge eben gehen. Selbst der König von Uniot wagte nicht gegen die Räuber einzuschreiten, deren Zabl immer mehr anwuchs. Einst unternahm die Königin eine Wallfahrt zum Grabe ihrer Ahnen. Der Weg fühcte durch ein Thal in welchem die Goldgräber sich gelagert hatten. Die Rotte umzingelte den Wagen, hieß die Königin ausfteigen, und nahm ihr Schmuck und Kostbarkeiten ab; dann durfte sie ihre Reise fortsetzen. Von nun an ließ sie ihrem Gemahl ferner keine Ruhe. und der König konnte nicht umhin die Mannen seiner zwei Banner einzuberufen, und gegen die Goldgräber ins Feld zu rücken. Diese hatten sich verschanzt, standen aus einem für sie sehr vortheilhaften Gelände und 1. Kap.1 Kampf mit chinesischen Räubern. lg vertheidigten sich längere Zeit. Am Ende aber gelang eS der mongo. lischen Reiterei sie zu überwältigen. und sie richtete ein furchtbares Ge» metzel unter den Räubern an. Viele glaubten eine Zuflucht im Innern der Minen finden zu können, aber die Mongolen verrammelten dann die Ausgänge. Die Eingeschlossenen. rasend vor Hunger und Verzweiflung, heulten wie wilde Thiere, doch die Mongolen kannten kein Erbarmen und ließen sie elendiglich umkommen. Einige wenige, die man noch am Leben fand, wurden vor den König gebracht; er ließ ihnen die Augen ausftechen. Als wir die Grenzen des Reiches Geschekten überschritten hatten, befanden wir uns im Lande Tschakar. Dort fanden wir ein kleines Lager; die in demselben aufgestellten chinesischen Soldaten sollen Ordnung und öffentliche Sicherheit aufrecht erhalten; es ist aber allgemein bekannt, daß gerade sie die allerunverschämtesten Räuber find. Wir mieden wohlweislich ihre Nähe und machten zwischen Felsen Halt. wo gerade Platz genug für unser Zelt war. Wir hatten dasselbe eben aufgeschlagen als wir bemerkten, daß in der Ferne, am AbHange des Ge< birges viele Reiter galoppirten. Wir glaubten an ihren raschen und plötz« lichen Wendungen abnehmen zu können, daß fie einer Beute nachstellte», die ihnen mehrmals entwischte. Zwei der Reiter hatten uns bemerkt und kamen herangesprengt. Vor dem Zelte stiegen sie ab, und warfen sich nieder; es waren mongolische Tataren. Tiefbewegt sprachen fie: „Ihr Männer des Gebets, wir wollen euch bitten uns ein Horoskop zu stellen. Uns sind heute zwei Rosse gestohlen worden, und wir suchen die Diebe bis jetzt vergeblich. Ihr seid Männer, deren Wissenschaft und Macht ohne Grenzen ist; sagt uns also wo wir unsere Pferde wieder finden." „Bruder." antworteten wir. „an Horoskope glauben wir nicht; wir find keine buddhistischen Lamas. Wer behauptet, er könne durch seine Gewalt und Kenntniß es so anstellen, daß verlorene Sachen wieder gefunden werden, der lügt und betrügt." — Nichtsdestoweniger drangen diese beiden Mongolen noch weiter in uns. und ritten erst wieder fort als fie endlich sahen, daß mit uns gar nichts anzufangen sei. Samda« dschiemba hatte während der ganzen Verhandlung geschwiegen und sich scheinbar gar nicht um fie bekümmert; er saß am Feuer und hielt seine Schale mit Thee in beiden Händen. Endlich kniff er die Augenlider zu, sammen, stand plötzlich auf und ging au die Thür des Zeltes. Die Reiter waren schon weit weg; nichtsdestoweniger fing unser Dschiahur laut zu schreien an, und rief sie möchten umkehren. Das ließen sich die Mongolen nicht zweimal sagen; sie glaubten offenbar wir hätten uns 2* 20 Abenteuer Samdadschiemba's. II. Kap. eines andern besonnen und wollten ihnen doch das Horoskop stellen. Samdadschiemba aber sprach zu ihnen: Mongolische Brüder, seid doch künftig ein bischen gescheidter; wenn ihr eure Heerden gut überwacht, wird euch Niemand etwas stehlen. Prägt euch das wohl ein, denn diese Worte sind mehr werth als alle Horoskope." Daraus ging er mit möglichster Würde in das Zelt zurück, setzte sich wieder ans Feuer und trank seinen Thee. Uns war eigentlich dieser Zwischenfall nicht angenehm, als aber die beiden Reiter die Sache nicht übel aufnahmen, singen wir an zu lachen. Samdadschiemba murmelte vor sich hin: „Sonderbare Menschen, diese Mongolen, paffen nicht auf ihre Heerden und wollen sich ein Horoskop stellen lassen, wenn die Pferde gestohlen worden sind! Nur wir sagen ihnen rund heraus, wie es sich verhält; von den Lamas werden sie in ihrer Leichtgläubigkeit bestärkt, und müssen noch dafür bezahlen. Man kann es aber eigentlich auch mit ihnen gar nicht anders machen. Sie glauben es euch gewiß nicht, wenn ihr ihnen sagt, daß ihr kein Horoskop zu stellen verständet, und bleiben dabei, daß ihr es nur nicht wollt. Am besten werdet ihr sie los, wenn ihr ibnen eine Antwort ins Blaue hinein gebt." Dabei lachte Samdadschiemba so herzlich, daß seine kleinen Augen gar nicht mehr zu scben waren. Wir fragten: „Hast vielleicht Du einmal das Horoskop gestellt?" Er antwortete: „Als ich etwa funfzebn Jahre alt sein mochte, wanderte ich durch das Rothe Banner von Tschakar; einige Mongolen führten mich in ihr Zelt. Dort sollte ich ihnen sagen, M'hiu sich ein Ochse verlaufen habe, den sie seit drei Tagen vermißten. Ich sagte, davon wiffe ick nichts, ich könne auch nicht einmal recht lesen. Aber sie entgegneten, ich wolle sie nur täuschen, ich sei ja ein Dschiahur, und sie wüßten, daß alle Lamas die von Westen her kämen sich mehr oder weniger auf das Weissagen verständen. Ich wußte nicht wie ich mir aus der Klemme helfen sollte; mir fiel aber endlich bei wie es wohl der eine oder andere Lama bei ähnlichen Gelegenheiten gemacht hatte. Da sagte ich dem einen Mongolen, er möchte mir elf recht trockene Hammelknochen herbeischaffen. Das geschah; ich setzte mich feierlich nieder, zählte die Knochen, sortirte sie. zählte sie noch einmal, legte sie auf meinen Rock. und sagte endlich den Mongolen: Ihr müßt euern verlorenen Ochsen in der nördlichen Himmelsgegend suchen. Sogleich wurden vier Pferde ge< sattelt, die Reiter sprengten in aller Eile gen Norden in die Etevpe, und fanden wirklich den Ochsen. Da wurde ich acht Tage lang festlich be. wirthet, und als ich dann abzog noch reichlich mit Butter und Thee bepackt. l. Kap.1 Umgebungen der Stadt Tolon Noor. 21 Jetzt aber. da ich der heiligen Kirche angehöre, weiß ich. daß dergleichen Dinge schlecht und unerlaubt sind. Denn sonst würde ich jenen beiden Reitern schon ein Horoskop gestellt haben, das uns wohl einen guten Thee mit Bntter eingebracht hätte." Da wir uns in einem so berüchtigten Lande befanden, verdoppelten wir die Vorsichtsmaßregeln, und banden Pferd und Maulesel beim Eingänge des Zeltes an. und ließen unsere Kameele in der Art lagern, daß Niemand an das Zelt kommen konnte, ohne daß wir es sogleich gemerkt hätten. Denn die Kameele machten ein durchdringendes Geräusch, wenn bei Nacht etwas Fremdes sich ihnen näherte. Sodann steckten wir eine Laterne an, hingen sie an eine Zeltstange und ließen sie die ganze Nacht hindurch brennen. Es wollte aber kein rechter Schlaf in unsere Augen kommen, dagegen ließ dcr Dschiahur sich gar nichts anfechten und schnarchte aus Leibeskräften bis Tagesanbruch. In aller Frühe brachen wir auf, um baldmöglichst nach Tolon Noor zu gelangen, das nur noch einige Weg« stunden entfernt lag. Unterwegs sprengte ein Reiter auf uns zu und hielt plötzlich vor uns still. Nachdem er uns scharf ins Auge gefaßt sprach er: „Ihr seid doch die Häuptlinge der Christen die in den Schluchten wohnen?" Wir antworteten ihm, daß er ganz richtig vermuthe. Dann ritt er fort. sah sich aber mehrmals um und betrachtete uns. Er war ein Mongole, welcher die Aufsicht über die Heerdcn an den Schluchten geführt, und uns in jener christlichen Gemeinde manchmal gesehen hatte; jetzt erkannte er unS nickt genau, weil wir eine ganz andere Kleidung trugen. Auch den beiden Mongolen, welchen wir am Abend vorher das Horoskop hatten stellen sollen, begegneten wir; sie hatten sich schon vor Tagesanbruch nach Tolon Noor begeben, um dort ihre gestohlenen Pferde zu suchen; indessen waren ihre Bemühungen ohne Erfolg geblieben. Unterwegs bemerkten wir viele mongolische und chinesische Reisende, und überzeugten uns bald. daß wir uns in der Nähe einer großen Stadt befanden. Aus der Ferne strahlten die vergoldeten Dächer der beiden Lamaklöster in hellem Sonnenschein; sie liegen im Norden der Stadt. Lange Zeit ritten wir an Gräbern vorbei; denn überall si»d die Menschen mit Trümmern und Spuren ausgeftorbener Generationen nmgcben. Wenn wir bedachten, wie eine zahlreiche Volksmenge gleichsam von einem Gürtel von Knochen und Grabsteinen umgeben ist, so konnten wir uns des Gedankens nicht erwehren, daß der Tod die Lebendigen man möchte sagen blockire und belagere. Inmitten dieses ungeheuern Friedhofes, 22 Ankunft in Tolon No or. s2. Kap. welch« die Stadt einschließt, bemerkten wir da und dort einige lleine Gärten. in welchen mit Mühe und Noth dem Boden etwas Gemüse ab« gewonnen wird: Porro. Spinat, harter bitterer Lattich und einiger Kopfkohl, der vor nicht langer Zeit aus Rußland eingeführt worden ist. und sich im nördlichen China sehr gut eingebürgert hat. Aber mit Ausnahme einiger Gemüse wäckst in der Umgegend von Tolon Noor überhaupt gar nichts; der Boden ist dürr und sandig. Wasser selten; nur an einigen Stellen quillt es hervor, verschwindet aber in der heißen Jahreszeit. Zweites Kapitel. Eine Sveisewiitbschaft in Tolon Noor. — Anssehen der Stadt. -Meiereien von Glocken und Götzenbildern. — Unterhaltungen mit den ^ ^ 7" 3'^ltW' -Die Königin von Murahevan. - Mongolische Wallfahrten und Pilgerrelsen. - Ein Mongole erzählt von dem eng-Illch-chlnejlichen «ricge. — Beschreibung der acht Banner von Tsckalar. - Die Viebbeerden des Kaisers. - Gestalt und Ausstattung der Zelte. -Tatansche Sttten und Gebräuche. - Lagelplatz an den drei Seen. — Nächtliche Ur,chemungen. — Samdadschiemba erzahlt die Abenteuer seiner ^ugend. — Die grauen Eichhörnchen. — Ankunft in Schaborteh. Wir hatten nun die Stadt Tolon Noor erreicht, wußten aber nicht wo wir absteigen sollten, und irrten lange Zeit in einem Labyrinth enger krummer Gassen umher, die so gedrängt voll Menschen waren, daß unsere Kameele nur mit Mühe sich hindurchzwängen konnten. Endlich kehrten wir in einer Herberge ein. luden unsere Thiere ab, stauten das Gepäck in dem uns zugetheilten kleinen Gemach auf. und gingen auS, um Futter für die Kameele und Pferde zu kaufen. Der Gastwirth händigte uns. wie im Lande üblich ist, eine Kette ein, die wir vor unsere Thür hingen. Sodann machten wir uns wieder auf den Weg. um ein Speisehaus auf. zusuchen. denn es hungerte uns sehr. Wir bemerkten auch bald eine dreieckige Fahne vor einem Hause; dort war also was wir suchten. Wir traten ein und schritten durch einen langen Gang in eine geräumige Halle, in welcher viele kleine Tische sehr ordentlich und ebenmäßig aufgestellt waren. Nachdem wir Platz genommen, stellte man ohne Weiteres vor jeden von uns einen Theetopf, wie das einmal herkömmlich ist und jeder Mahlzeit vorausgeht. Man muß immer viel und zwar sehr heißen Thee 2. Kap-1 Eine Speisewlrthfchaft. — Bedeutung von Tolon Noor. 23 trinken, bevor man etwas Anderes genießt. Während man ihn zu sich nimmt, macht der „Intendant der Tafel" seinen Besuch; er stellt sich vor. Eine solche Person ist in der Negel ein Mann von zierlichem Gebabren und von außerordentlicher Redefertigkeit; nebenbei kennt er alle Welt und weiß von allen Dingen Bescheid. Nach vielem Wortschwall kommt er endlich zur Hauptsache und fragt was wir zu speisen wünschen. Wir nennen ihm die Gerichte, und er wiederholt laut singend was wir sagen, damit der „Statthalter des Küchenherdes" sie berrich« ten lasse. Man wird bewunderungswürdig rasch und aufmerksam bedient. Die Höflichkeit verlangt, daß man sich vom Stuhl erhebt, und der Reihe nach alle im Saale Anwesenden zum Miteffen einladet; erst wenn man das gethan hat darf man speisen. Man ruft, die Arme bewegend, den übrigen Gästen laut zu: «Kommt und trinkt ein Glas Wein mit mir; laßt euch ein wenig Reis gefallen!" Die Eingeladenen antworten: „Wir danken sehr; komm, sehe Dich lieber an unsern Tisch; wir laden Dich ein." Damit ist den Vorschriften der Höflichkeit genügt, man hat, wie der landesübliche Ausdruck lautet, seiner Ehre genug gethan, und kann sich nun als Mann von Erziehung satt essen. Sobald man sich vom Tisch erhebt, triit der Intendant der Tafel abermals beran. Wahrend wir durch den Saal schreiten, singt er nach der Reihe die Benennung aller Speisen ab, die wir verlangt und gegessen haben; zuletzt schreit er möglichst laut und vernehmlich, wie hoch unsere ganze Zeche sich beläuft. Diese zahlt man am Gabentische.*) Die chinesischen Gastwirthe verstehen sich trotz den besten europäischen vortrefflich darauf, die Eitelkeit ihrer Gäste zu stacheln und sie zu Geldausgaben zu reizen. Wir hatten mehr als einen Grund, Tolon Noor zu besuchen. Einmal mußten wir allerlei Reisebedarf einkaufen, und zweitens kam es darauf an mit den Lamas in Verbindung zu treten, um von ihnen über allerlei mongolische Verhältnisse Auskunft zu erhalten. Während wir Das und Jenes erhandelten, hatten wir Gelegenheit, die verschiedenen Theile der Stadt zu durchstreifen. Tolon Noor. das heißt die Sieben Seen. wird von den Chinesen Lama Mi ao oder Kloster der Lamas genannt; die Mandschu nennen es Nadan Omo und die Thibetan« Tsot Dün; diese letzteren Benennungen bedeuten ganz dasselbe wie Tolon Noor, näm» lich Sieben Seen. Auf der Charte von Andriveau-Goujon, die bis auf "j Das ist der alte gute deutsche Ausdruck für „Bureautafel." A. 24 Aussehen der Stadt. — Metallgießereien. 12. Kap. einige Ungenauigkciten, ganz vortrefflich ist und uns sehr gute Dienste geleistet hat, ist diese Stadt als D sch o-Naini an-S um 6 verzeichnet; diese mongolischen Wörter beißen so viel als Achthundert Klöster. Im Lande selbst kennt man diesen Namen nicht. Tolon Noor ist nicht mit einer Mauer umgeben. und bildet eine massenhafte Anhäufung von häßlichen, unregelmäßig vertheilten Häusern. In den Straßen findet man überall Pfützen und Cloaken. Die Fuß» ganger schreiten zu beiden Teilen den Häusern entlang, einer hinter dem andern, auf einem sehr schlechten Fußsteige; Fubrwerke und Lastthicre halten sich in der Mitte, und kommen in ei>«m schwarzen, tiefen und übelriechenden Schlamme nur sehr mühsam fort. Nicht selten schlägt ein Wagen um, und allemal entsteht dadurch eine entsetzliche Verwirrung; denn die Thiere ersticken fast in dem Koth. die Waaren werden beschädigt oder von Gaunern gestohlen; denn dergleichen Gelichter eilt allemal rasch herbei. Tolon Noor ist eine keineswegs angenebme Stadt, die Umgegend ist. wie schon bemerkt wurde, durchaus unfruchtbar, der Winter ist entsetzlich kalt, der Sommer drückend heiß; nichtsdestoweniger hat sich hier eine große Menschenmenge zusammengefunden und der Handel wird un» gemein schwunghaft betrieben. Russische Waaren kommen auf dcr Straße welche nach Kiachta führt; auf derselben treiben die Mongolen unablässig zahlreiche Heerden von Ochsen. Kameelen und Pferden und nehmen als Rückfracht Tuche, Tabak und Ziegelthce. Dieses unablässige Zu- .und Abströmen von Fremden giebt der Einwohnerschaft von Tolon Noor einen sehr belebten Anblick. Hausirer bieten auf der Straße den Vorübergehen» den allerlei Sachen an; die Kaufleute stehen in ihrer Bude und rufen mit allerlei Höflichkeitsworten Käufer herbei; die Lamas. roth und gelb gekleidet, suchen durch ihre Gewandtheit im Reiten feuriger Rosse die Bewunderung der Leute auf sich zu lenken. Unter den Handelsleuten find jene aus der Provinz Schan Ei am zahlreichsten vertreten; sie pflegen sich aber in Tolon Noor nicht dauernd niederzulassen, sondern kehren in ihre Heimat zurück, nachdem sie sich ein Vermögen erworben haben. ?ln diesem Handelsplätze werden die Chinesen alle wohlhabend, die Mongolen aber richten sich zu Grunde. Tolon Noor ist gleichsam eine riesige Lust« pumpe, welche die Börsen und Koffer der Tataren leer macht. Die Gießereien von Tolon Noor liefern prächtige Statuen von Giftn und Erz, die mit vollem Rechte weit und breit berühmt sind. und zwar nicht blos in der Mongolei, sondern bis in die entferntesten Gegenden von Thibet. Diese Gießerei wird fabrikmäßig in großem Maßstabe 2. Kap.I Unterhaltungen mit den Lamas. 2g betrieben; sie versorgt alle buddhistischen Länder mit Götzenbildern, Glocken und Tempelgeräthschasten. Die kleineren Bilder sind aus einem einzigen Stück, die größeren werden in Theilen gegossen und dann zusammen« gefügt. Als wir uns in Tolon Noor befanden, ging eben ein ungeheurer Transport nach Thibet ab, nämlich eine Etatue Buddha's, mit deren einzelnen Theilen nicht weniger als vienmdachtzig Kameele beladen waren. Ein Prinz aus dem Königreiche Udschu Murdschin, der nach Lha-Ssa pilgerte, wollte sie dem Tale-Lama zum Geschenk machen. Wir ließen in Tolon Noor ein Cbristusbild nach einem schönen Erzmodell ausFranl< reich gießen, und es fiel so vortrefflich aus daß man Urbild und Abbild kaum zu unterscheiden vermochte. Die chinesischen Wcrkleute arbeiten rasch, billig und sind ganz außerordentlich willfährig; von dem Eigen» sinn der europäischen Künstler findet man bei ihnen keine Spur; sie richten sich vielmehr gern nach dem Geschmack ihrer Kunden und gehen auf deren Ansichten und Wünsche bereitwillig ein. Sie fangen wieder von vorn an, wenn dem Käufer das vorgelegte Modell nicht zusagt. Während unsers Aufenthalts in Tolon Noor hatten wir oft Gele« genheit die Lamaklöster zu besuchen, und uns mit den buddhistischen Prie« stern zu unterhalten. Uns wollte bedünkcn, daß es mit dem Wissen der Lamas nicht eben sonderlich bestellt sei; im Allgemeinen sind ihre religiösen Anschauungen nicht viel mehr geläutert als jene des großen Haufens. Ihre Lehre ist durchaus unbestimmt und schwimmt inmitten eines Pantheismus, über welchen sie sich keine eigentliche Rechenschaft ablegen können. Sie waren allemal in großer Verlegenheit, sobald wir auf eine klare und feste Antwort drangen; einer wollte sie immer dem andern zuschiebe». Die Schüler versicherten uns ihre Lehrer wüßten Alles, diese letzteren verwiesen uns an die Oberlamas, die gleichsam allwissend seien, und die Groß-Lamas ihrerseits gaben sich für Ignoranten aus gegenüber manchen „Heiligen" in gewissen Lamallöstern. Aber darin waren Schüler und Lehrer, große und kleine Lamas, einig und einstimmig, daß die Lehre vom Westen herkomme. Sie sagten uns: »Je mehr ihr nach Westen hin vordringt, um so reiner und lichtvoller wird die Lehre euch offenbar weiden." Sie ließen sich nie aufErörterungen ein wenn wir ihnen christliche Wahr« heiten auseinandersetzten, sondern entgegnctcn mitNuhe: «Wir haben alle diese Gebete nicht. Die Lamas im Westen werden euch alles erklären und euch von allem Rechenschaft ablegen; wir glauben an die Ueberlieferungen die von Abend her kommen." Diese Aeußerungen stehen völlig in Einklang mit einer Thatsache, die man überall in der Mongolei beobachten 2ß Abreist von Tolon Noor. s2. Kap. kann. Es giebt nämlich kaum ein Lamakloster, in welchem der Vorsteher, Großmama, nicht ein Mann aus Thibet wäre. Jeder Lama, der einmal in Lha-Ssa gewesen ist. bedeutet schon dadurch allein viel unter den Mongolen; er gilt für mehr als andere. gleichsam für einen Menschen vor welchem Vergangenheit und Zukunft offen daliegen, und der die Geheimnisse im Innern des ewigen Heiligthums und im Lande der Geister kennt. Denn Lha. Ssa. „Land der Geister", heißt im Mongolischen Monhe-Dschot, «das ewige Heiligthum." Nachdem wir alle Mittheilungen, welche die Lamas uns machten, wohl erwogen hatten, beschlossen wir die Richtung nach Westen hin ein« zuschlagen. Nm 1. October verließen wir Tolon Noor und kamen nur mit Mühe durch die elenden Gassen hindurch, weil unsere Kameele nicht durch den allzutiefen Schlamm zu waten vermochten, sondern von einer Seite zur andern gleichsam über Berg und Thal einen Weg suchen muß< ten. Das Gepäck schwankte und schaukelte hm und her, bei jedem Schritt mußten wir besorgen, das Gleichgewicht werde verloren gehen und das eine oder andere Thier sich im Kothe wälzen. Wo wir eine trockene Stelle fanden hielten wir an, um die Ballen fester aufzuschnüren. Samda-dschiemba war wüthend; zwar sprach er kein Wort, biß sich aber auf die Lippen. Als wir am westlichen Ende der Stadt angelangt waren, fanden wir freilich keinen tiefen Schlamm mehr. dafür trat aber eine andere Ver» legenheit ein; wir erblickten nämlich gar nichts was einem Wege auch nur entfernt ähnlich gesehen hätte. Vor uns lag eine lange unendliche Kette kleiner Hügel die aus feinem beweglichen Sand bestanden, in welchem wir nur mit großer Anstrengung fortkamen. Dabei war es drückend beiß, unsere Thiere waren mit Schweiß bedeckt, wir selbst wurden vom Durft entsetzlich gepeinigt, und suchten vergeblich nach Wasser. Es wurde spät und wir mußten uns nach einer geeigneten Lager» stelle umsehen. Allmälig wurde der Boden etwas fester und wir erblickten sogar einige Spuren von Pflanzenwuchs; zur Linken öffnete sich unweit von uns eine Schlucht. Herr Gäbet beschleunigte den Tritt seines Ka» meels. um die Oertlichkeit näher zu untersuchen; bald erblickten wir ihn auf einem Hügel. von wo er uns zurief und winkte. Wir folgten und fanden einen kleinen Teich, der zur Hälfte mit Binsen und Sumpfpflanzen bedeckt war; am übrigen Rande stand da und dort etwas Gesträuch. Mehr bedurften wir durstigen, ausgehungerten und ermüdeten Reisenden nicht. Die Kameele knieeten nieder, wir aber zogen unsere hölzernen Schälchen hervor und schöpften zwischen den Binsen Wasser, daS ziemlich 2. Kap.) Ein Festmahl. — giegelthee. 27 frisch war aber stark nach Schwefel roch. Ich habe ähnliches Wasser zu Ax in den Pyrenäen getrunken; dergleichen wird auch in französischen Apotheken verkauft. Nachdem wir unsern Durst recht herzhaft gelöscht hatten, stellten sich nach und nach unsere Kräfte wieder ein; wir konnten nun unser Zelt aufschlagen und anderweitige Arbeiten verrichten. Herr Gäbet sammelte Reisig, Samdadschiemba trug in seinem Rockschoos Argols herbei, Herr Huc saß am Eingänge des Zeltes und versuchte sich in der edlen Koch« kunft; er weidete ein Huhn aus, nach dessen Eingeweiden es dem Hunde Arsalan gelüftete. Wir wollten doch einmal auf unserer Wüstenfahrt uns den Luxus eines festlichen Mahles gönnen, und aus Patriotismus unsern Dsckiahur mit einem nach allen Regeln französischer Küchenkunft zubereiteten Mahle erfreuen. Wir thaten das Huhn in den Kessel, und warfen Zwiebeln, rothen Pfeffer und anderes Zubehör hinein. Bald brodelte und siedete Alles, denn wir hatten an jenem Tage Feuerung in Hülle und Fülle. Samdadschiemba steckte seine Hand in den Kessel, zog ein Stück vom Huhn heraus und betrachtete es. Die Kost sei genießbar, meinte er. und wir rücken den Vessel vom Feuer, um ihn ins Gras zu stellen. Jetzt nahmen wir Platz, langten unsere Speisestäbchen hervor und haschten nach den Fleischftückchen, die in einem Ocean von Brühe schwammen. Nachdem wir gespeist, dankten wir dem gütigen Gott für dieses Festmahl in der Wüste; Samdadschiemba schwenkte den Kessel am Teich aus. Dann kochten wir mongolischen Thee. Die Mongolen trinken anders zubereiteten Thee als die Chinesen. Diese letzteren nehmen bekanntlich nur die kleinsten und zartesten Blätter, und gießen Wasser darauf; so erhalten sie ein goldgelbes oder bräunliches Getränk. Andererseits werden die gröberen und feineren Zweige zusammengepreßt, und er-halten die Gestalt eines Backsteins. Diese Sorte Thee kommt als Ziegel-thee oder mongolischer Thee in den Handel; er wird nur von den Mon. golen und Russen getrunken; diese letzteren verbrauchen davon eine große Menge. Die Mongolen bereiten ihren Thee in folgender Weise. Sie schlagen von dem Ziegelstein, wenn man so sagen darf. ein Stück ab. zerstampfen es zu Pulver, und sieden das letztere so lange im Kessel, bis das Wasser eine röthliche Farbe erhalt; dann werfen sie etwas Salz hinein und lassen Alles noch einmal aufkochen, bis die Flüssigkeit beinahe schwarz geworden ist; dann erst schüttet man nach Belieben Milch hinzu, und gießt Alles in ein anderes Gefäß ab. Dies ist das Liebliebsgetränk der Mongolen; Samdadschiemba schwärmte dafür, und wir tranken es weil wirkein anderes hatten. 28 Die Königin von Mmghevan. s2. Kap. An dieser Stätte, wo uns eine Nachtruhe vergönnt war. errichteten wir am Morgen ein kleines hölzernes Kreuz; dasselbe haben wir auf allen anderen Lagerplätzen gethan. Welch eine andere Spur könnten auch Missionaire von ihrer raschen Wanderung durch die Wüste zurücklassen? Nachdem wir etwa eine Stunde Weges zurückgelegt hatten, ver» nahmen wir hinter uns Pfeidcgewieher, auch drangen menschliche Stim« mm zu uns. Wir hielten an und sahen daß eine starke Karawan« mit schnellem Schritte uahe kam. Bald hatten drei Reiter uns eingeholt; einer davon, ein tatarischer Mandarin, rief uns mit dröhnender Stimme an: „Meine Herrcn Lamas, wo ist eure Heimat?" — „Wir sind unter dem westlichen Himmel geboren." — „Auf welche Gegend ist euer heil« bringender Schatten zuletzt gefallen?" — „Wir kommen aus der Stadt Tolon Noor." — „Hat der Friede euch auf eurem Wege begleitet?" — „Bisher ist unsere Neise glücklich von Statten gegangen. Aber weilt auch Frieden bei euch, was ist eure Heimat?" — „Wir sind Khalkhas aus dem Königreich Murghcvan." — ,,Habt ihr Regen genug gehabt, und sind eure Heerden in gutem Gedeihen?" — „Nuf unseren Weide« Plätzen ist Alles ruhig." — „Wohin zieht eure Karawane?" — „Wir wollen unsere Stirne vor den FünsTh ü rmen neigen." Während wir diese kurze und rasche Unterhaltung hatten, waren die Uebrigen herangekommen. Wlr befanden uns nun an einem Bache, dessen Ufer mit Gesträuch bestanden war; der Führer der Karawane ließ Halt machen. Die Kameele kamen in langer Reihe an, und stelllen sich dann in einen Halbkreis. in dessen Mitte ein vierräderiger Wagen auffuhr. Sok, s ok! riefen die Treiber, und die Kameele knieten auf dieses Be« fehlswort alle zu gleicher Zeit nieder. Am Bache erhoben sich viele Zelte wie durch Zauberschlag, zwei Mandarine vom blauen Knopfe näherten sich dem Wagen, öffneten den Schlag, und eine mongolische Frau trat heraus; sie trug ein grünseidenes Gewand. Wir sahen die Königin des Landes Khalkhas, welche auf einer Pilgerfahrt nach dem berühmten Lama» kloster der Fünf Thürme unterwegs war; dasselbe liegt in der Pro» vinz Schan Si. Sie grüßte uns indem sie ihre Hände empor hob, und sagte: „Meine Herren Lamas, wir wollen liier lagern; ist der Ort auch glücklich?" Unsere Antwort lautete: „Königlicher Pilgrim von Mur» ghevan. Du magst hier Dein Feuer im Frieden anzünden; wir müssen weiter reisen;" denn die Sonne stand schon hoch als wir unsere Zelte ab« brachen. Damit verabschiedeten wir uns. In uns drängten die verschiedensten Gedanken einander. Die Kö« 2. Kap.1 Neisebeschwerden in der Wüste. 29 nigin pilgerte mit einem zahlreichen Gefolge in weite Ferne durch die Wüste, scheute keine Kosten, trotzte allen Gefahren und Entbehrungen, um ihrer Andacht Genüge zu thun. Diese guten Mongolen haben ein tiefreligiöses Gefühl, sie denken unablässig an das Jenseits und achten die Dinge dieser Welt nur gering; sie leben auf Erden als wären sie gar nicht da. Tie beackern den Boden nicht und bauen auch keine Häuser, find gleichsam nur durchreisende Fremdlinge, und von diesem lebendigen Gefühl sind sie tief durchdrungen. Die Pilger aus Murghevan waren schon weit hinter uns. Wir be> dauerten eigentlich daß wir nicht an jenen lieblichen Bach aus der fetten Wiese bei ihnen unser Lager aufgeschlagen batten. Uns wurde etwas ängstlich zu Muth als dickes schwarzes Gewölk immer höher stieg und die Luft verfinsterte. Wir sahen weit und breit keine Stelle wo wir hatten ausruhen können, auch fehlte Waffer. Einzelne Regentropfen deuteten an. daß keine Zeit zu verlieren war. Samdadschiemba drang heftig darauf das Zelt in Bereitschaft zu setzen. „Wir brauchen kein Wasser zu suchen, bald wird der Himmel einstürzen." — „Du hast gut reden. Wie sollen wir das Vieh tränken, und Du allein, Samdadschiemba. ver» schlingst an jedem Abend einen Kessel voll Thee!" — „Meine Väter, wartet nur ein Weilchen; bald wird mehr Wasser zu haben sein als wir brauchen. Nur rasch das Zelt, und fürchtet euch nicht; heute sterben wir gewiß nicht vor Durst; wir graben Löcher in den Boden und trinken Regenwasser. Doch nein. auch das ist nicht nöthig. Seht Ihr dort die Heerde? Wo Vieh ist muß auch Wasser sein." Wirklich trieb in einiger Entfernung ein Hirt Schafe vor sich her; wir gingen ihm entgegen, und eilten um so rascher von dannen als ein Platzregen uns übersiel. Zum größten Misgeschick verschob sich auf einem unserer Kameele das Gepäck; es rutschte vom Rücken unter den Bauch, und wir mußten natürlich die Sache wieder ins Gleiche bringen. Als wir endlich einen Teich erreichten, , waren wir durch und durch naß. Von Auswahl einer Lagerstelle konnte an jenem Abend keine Rede sein; wir mußten bleiben, wo wir gerade waren. Allmälig ließ der Regen nach. aber der Wind begann immer stärker zu wehen, und es kostete große Anstrengung unser armseliges Zelt aus« einander zu rollen; es war so naß und schwer wie Leinwand die man aus dem Waschkübel zieht. Mit dem Aufrichten wollte es auch nicht vor» warts gehen, und ohneSamdadschiemba's Nicsmstärke. wären unsere Bemühungen fruchtlos gewesen. Endlich hatten wir doch Schutz gegen den 30 E festigt wird. Das Innere des Zeltes zerfällt in zwei Abtheilungen. Die Seite links vom Eingänge ist den Mannern vorbehalten und dortbin müssen sich auch die Fremde» begeben; ein Mann welcher auf die rechte Seite träte, würde eine große Unschicklichkeit begehen. Denn diese rechte Seite gehört den Frauen und dort liegt'und steht auch alles Zeltgerätb, zum Beispiel ein großes Gefäß von gebranntem Thon in welchem Wasser auf« bewahrt wird, ausgehölte Holzstämme von verschiedener Größe und Dicke die als Eimer und Gelten benutzt werden; man bewahrt in ihnen Milch auf und was ans derselben zubereitet wird. Mitten im Zelte steht ein großer Dreifuß, und auf demselben ein großer eiserner Kessel dm man fortnehmen kann: er hat die Gestalt einer Glocke. Hinter dem Hcerde und gegenüber der Tbür findet man eine Art Kanapee;-es ist das seltsamste Geräth das uns im Lande der Mongolen vorkam. An beiden Enden desselben sind Lehnen, mit vergoldetem. gut ausgemeißeltem Kupfer verziert. Ein der. artiges kleines Bett findet man, so viel wir wissen, in jedem Zelte; es scheint ein unumgänglich nothwendiges 3lück Möbel zn scin. Aber es ist uns immer seltsam und unerklärlich vorgekommen, daß wir wabrend unserer weiten und langen Reise nicht ein einziges gesehen haben, welches 2. Kap.1 Mestalt und Ausstattn,!^ dcr Zelte. I? in neuerer Zeit verfertigt worden wäre. Wir hatten Gelegenheit uns in den Wohnungen mancher wohlhabenden nnd reichen Mongolen umzusehen, aber anch dort fanden wir immer nur Kanapees die offenbar sckon ein hobes Alter ausweisen konnten. Es erbt von einem Geschleckt alls das andere. Man kann in den Städten wo die Mongolen Handel treiben. Waarenlager, Trödlerbndcn und Leihhäuser durchstöbern und wird dock nie ein dergleichen Kanapee finden, gleichviel ob ein altes oder neues. Neben dem Kanapee, nach der Abtheilung für die Männer hin, stebt insgemein ein kleiner Schrank von viereckiger Gestalt. In demselben werden die vielen Siebensachen aufbewahrt, mit welchen dieses einfache kindlicke Volk sich herauszuputzen pflegt. Es dient zugleich als Altar für ein kleines Idol das den Buddha darstellt. Der Gott ist aus Holz oder vergoldetem Kupfer gebildet, gewöhnlich in sitzender Figur, mit übereinander geschlagenen Beinen, und bis an den Hals mit einer gelbseidenen Schärpe umwickelt. Neon kupferne Gefäße, von der Größe und Gestalt unserer kleinen Liqueurgläscr, sind ebenmäßig der Reihe nach vor dem Buddha aufgestellt; in diesen kleinen Kclcken opfern die Mongolen täglich ibrem Gott Milch. Wasser, Butter und Mehl. Den Sckmuck dieser kleinen Pagode vollenden einige. gleichfalls mit gelber Seide umwickelte, tibetanische Bücher. Diese Gebetbücher darf nur ein Mann mit geschorenem Haupte, der im chelosem Stande lebt. berührcu; ein „schwarzer Mann" der Ne mit seinen uureinen weltlicken Händen aufschlagen wollte, beginge gewissermaßen eine Tempelschändung. An den verschiedenen Pfählen und Stangen sind Bockshörner angebracht, und damit ist die Möbliruug eines Mongolenzeltes vollendet. An diesen Hörnern bängt man Nind- und Schöpsenfleisch auf. Blasen mit Butter gefüllt. Pfeile, Bogen und Luntcngcwehre; denn fast jede mongolische Familie besitzt eine sseuerwaffe. Ns überraschte uns einigermaßen in Timkowski's Neise durch die Mongolei nach Peking folgende Worte zu lesen: „das Geränsch unserer Feuerwaffen zog die Mongolen herbei, denn sie kennen nur Bogen nnd Pfeile." Der russische Schriftsteller hätte billig wissen können, daß die Mongolen mit den Feuerwaffen keineswegs so unbekannt sind wie er qlaubt. Es ist ohnehin ausgemacht daß schon im Ansang des dreizehn« ten Jahrhunderts Tscheng-Kis-Khan (Dschingiskhan) in seinem Heere Artillerie hatte. Die Gerüche welche man in einem Mongolenzelt einathmet find abscheulich, und für Jeden, der noch nicht daran gewöhnt ist. beinahe uner-trägliäv Die scharfe Ausdünstung will Einem beinahe das Herz aus 33 Mongolische Sitten und Gebräuche. l?. Kap. dem Munde drücken; sie rührt daher, daß die Kleider nnd alle Gegenstände deren sich die Mongolen bedienen, mit Fett und Butter überzogen und davon gleichsam durchdrungen sind. Wegen ihrer Unsauberkeit hei. ßen diese Leute bei den Chinesen Stinktataren, Tsao.Ta-Dze. und alle Welt weiß. daß doch auch die Chinesen mit der Sauberkeit e« nicht im Mindesten genau nehmen, daß auch sie übel riechen. Das Hauswesen nnd die Sorge für die Familie gehören bei den Mongolen zu den Obliegenheiten der Frau. Sie melkt die Kill« und besorgt das Milchwesen. holt Wasser, das oft nur weitab vom Zelte zu finden ist, sammelt Argots. trocknet sie und stapelt sie hanfenweis beim Zelt auf; ferner verfertigt sie Kleider, gerbt Felle, kämmt und spinnt Wolle, kurz auf ihr liegt Alles -, und nur die Kinder helfen ihr, so lange sie nämlich klem sind. Der Mann dagegen hat nur wenige Beschäfti» gungen; er treibt die Heerden auf gnte Weideplatze, was für Leute die von früher Jugend an zu Pferde sitzen mehr ein Vergnügen als eine Ar» beit ist. Er unterzieht sich gar keiner Anstrengung, außer wenn er ent-laufenen Thieren nachsetzt. Dann sprengt er fort, fliegt mehr als er reitet, ist bald auf Bergesgipfeln bald in Schluchten, und giebt sich nicht eher zufrieden als bis er seinen Zweck erreicht hat. Der Mongole reitet manchmal ans die Jagd, aber er thut es niemals zum Vergnügen; mit Rehen, Hirschen nnd Fasanen macht er insgemein seinen Kömgen ein Geschenk. Füchse schießt er niemals, denn er will den Balg nicht verderben, der sehr geschätzt wird. Er lacht über die Chinesen die dem Meister Rei« necke Fallen stellen in die er bei Nacht geht. Mir sagte ein im Nöthen Banner sehr berühmter Jäger: Wir halten nns bei solcher List nicht auf, sondern gehen dem Fuchs gerade auf den Leib. Wenn er sich blicken läßt. springen wir zu Pferde, überholen ihn lind er wird allemal unser. Abgesehen vom Reiten verbringen die Mongolen ihre Tage mit Müssiggang..liegen im Zelt umher, schlafen, trinken Tbee mit Milch und rauchen Tabak. Und doch dämmeit und bummelt der Mongole auch um» her trotz einem Pariser, er tlint es aber auf seine eigene Weise, und bedarf dabei weder des Epazierstockes noch des Lorgnons. Sobald es ihm einfällt zu erfahren was in der Welt um ihn her vorgeht. nimmt er seine Peitsche vom Bockshorn über der Zeltthür, besteigt ein Pferd, sprengt in die Steppe hinaus. gleichviel nach welcher Richtung. reitet dem ersten Besten dessen er ansichtig wird entgegen, spricht in den Zelten vor, und beabsichtigt nichts weiter als sich ein Weilchen mit den Leuten zu unterhalten. 2. Kap 1 Zusammentreffen mit einem mongolischen Jäger. 39 Die zwei Tage welche wir auf den schönen Ebenen von Tschakar verweilten, waren für uns nicht ohne Nutzen. Wir konnten unsere Kleider trocknen, unser Gepäck in Ordnung bringen, und hatten eine sehr günstige Gelegenheit uns mit den Sitten und Anschauungen der Mongolen näher bekannt zu machen. Als wir Allstalten zur Weiterreise trafen , waren unsere tatarischen Nachbarn uns beim Zusammenlegen des Zeltes und beim Aufpacken behilflich. Dann sprachen sie: „Herren Lamas, ihr werdet heute bei den drei Seen lagern, wo gute Weide in Menge ist; wenn ihr euch rasch dazu haltet, so könnt ihr vor Sonnenuntergang dort sein. Auf beiden Seiten der drei Seen findet ihr Waffer erst in weiter Entfernung. Wir wünschen euch glückliche Reise." Wir ent« gegueten: „Bei euch walte Frieden." Dann eröffnete Samdadschiemba, der aus seinem kleinen schwarzen Maulthier saß, den Zug. Wir verließen jene Lagerstätten, gleich den früheren, ohne Bedauern; nur waren die Aschenhaufen größer und Gras und Kräuter ringsum mehr zertreten als bei den übrigen. Am andern Morgen war das Wetter ruhig aber sehr frisch, um Mittag erhob sich jedoch der Wind mit großer Heftigkeit und wurde so schneidend, daß wir bedauerten unsere Pelzmützen weggepackt zu haben. Unablässig schauten wir bald nach rechts bald nach links hin um die drei Seen zu finden. aber vergeblich. Es wurde schon spät. und nach dem was die Mongolen uns gesagt hatten, mußten wir besorgen die richtige Stelle verfehlt zu haben. Da gewahrten wir zu unserm Glück einen Reiter, der aus einer fernen Schlucht heraus ritt; Herr Gäbet sprengte ihm entgegen und konnte ihn einholen. Als der Reiter ihn erblickte, sprach er: „Heiliger Mann. hat Dein Auge die gelben Ziegen (Antilopen) erspäht? Ich kann sie nicht wieder finden. Doch von wannen kommst Du. und wohin willst Du Dich begeben?" die Autwort lautete: „Ich gehöre zu der kleinen Karawane welche Du dort unten siehst. Man hat uns gesagt, daß hier in der Gegend drei Seen lägen, an welchen wir unser Zelt auf« schlagen könnten; aber wir sehen sie nicht." - „Wie ist das möglich? Erlaube mir. Herr Lama. daß ich in Deinem Schatten reite, ich will Dir die drei Seen zeigen. Ihr seid ja unlängst ganz in ihrer Nähe gewesen." Damit gab er dem Pferde einige Schläge mit der Peitsche, und ritt neben dem langbeinigen weit austretenden Kameel her. Als wir Alle beisammen waren, sprach dieser Jäger: „Ihr Männer des Gebets seid ein wenig zu weit gegangen lind müßt wieder umkehren. Dort unten wo ihr die Störche seht, liegen die drei Seen." — «Wir danken Dir, Bruder. Es 4H Lagerplatz an den drei Seen. l^> Kap. thut uns sehr leid daß wir Dir nicht sagen können, wo die Antilopen fich befinden." .Der mongolische Jäger sagte uns einen Abschiedsgruß indem er seine gefalteten Hände vor die Stirn legte, und wir ritten auf die an> gedeutete Stelle zu. Bald überzeugten wir uns, daß die Seen in der Nabe sein mußten, denn Gras und Kräuter wurden spärlicher und waren weniger grün, sie krackten unter unseren Tritstn wie dürres Reisig, und der weiße Satpeterausschlag wurde immer dicker. Endlich erreichten wir den einen See. konnten auch die beiden anderen erblicken, stiegen ab und schlugen, bei dem heftigen Winde nur mit großer Müde. unser Zelt auf. Wahrend Samdadschiemba Thee bereitete und wir von dcu Anstrengungen des weiten Rittes ein wenig ausruhten, konnte» wir bcob« achten mit welcher (Vier die Kameele den Salpeter vom Boden ableckten; dann gingen sie an den See und schlürften in langen Zügcn und ungeheurer Menge das brackige Wasser desselben ein. In diesen Beobachtungen wurden wir durch Samdadschiemba gestört, der uns zu fich rief. Wir kamen noch gerade zu rechter Zeit nm unsern Leinwandpalast zu retten; der Wind hatte eine andere Richtung genommen und webte nun gerade von der Seite ber wo sich die Tbür zum Zelt befand, das in Gefahr stand hinweggerisscn zu werden. Auch war eine Feuersbrunst zu besorgen, weil der Sturm die brennenden Argols auseinander riß. Am Ende brachten wir noch Alles in Ordnung. aber Samdadschicmba war den gan< zenAbend in einer abscheulichen 5!aune. weil es mit demTheekochen länger als gewöhnlich dauerte. Späterhin ließ der Wind nach und das Wetter wurde prächtig; der Himmel war so klar, die Sterne funkelten so bell und der Mond schien so friedlich auf die weite Einöde herab, m weicher wir am Rande der Ebene die seltsamen Formen des Gebirges in mehr oder weniger bestimmten Umrissen erblickten. Alles war still. bis auf die Wasservögel welche am Ufer der Seen zwischen den Binsen schnatterten. Während Samdaschiemba bei ftinem Feuer beschäftigt war. gingen wir um den großen See der etwa eine Stlinde im Umfang halten mochte, und beteten den Rosenkranz. Mehr» mals glaubten wir verdächtiges Geräusch zu hören; es schien uns als ob mehrere Menschen halblaut mit einander sprächen. Waren Räuber in der Nähe? Als wir einen kleinen Hügel erstiegen hatten wollte uns be-dünken, daß in geringer Entfernung in dem hohen Grase sich etwas hin und her bewege; es kam uns vor. als seien es menschliche Gestalten. Die Stimmen vernahmen wir ganz deutlich, konnten aber nicht entscheiden ob wir mongolische oder chinesische Worte hörten. Es schien uns wohl- '.>. Kap.) Nächtliche Erscheinungen. 4^ gethan eiligst nach dem Zelte zu gehen, und wir thaten es so leise, als immer möglich. „Hier sind wir nicht sicher," sagten wir zu Samdadschiemba. „Wir haben Menschen gesehen und gehört. Lauf und hole die Thiere, damit wir sie unter Aufsicht haben," Samdadschiemba entgegnete stirnrunzelnd: „Wenn nun die Räuber kommen, was machen wir dann? Kämpfen wir mit ihnen, dürfen wir sie todschlagen, erlaubt die heilige Kirche das?" — „Geh nur erst und hole die Thiere, nachher wollen wir Dir schon sagen was zu thun ist." Unser Dschiahur brachte die Thiere, band sie beim Zelt an, und trank ruhig seinen Thee, während wir abermals hinausgingen um wo möglich über unsere geheimnißvolle Nachbarschaft einige Gewißheit zu erlangen. Wir fanden am See einen ziemlich ausgetretenen Pfad, und glaubten jetzt annehmen zu dürfen. daß jene Stimmen von harmlosen Leuten herrührten. Als wir, ruhiger als eine Weile vorher, wieder in unser Zelt traten, war Samdadschiemba eifrig darüber uns auf den Leder« sohlen seiner großen Stiesel einen russischen Säbel zu wetzen, den er in Tolon Noor gelauft hatte. „Wo siud die Räuber?" rief er uns zornig entgegen und erprobte mit seinem Daumen ob die Schneide seiner Waffe auch scharf genug sei. - „Es sind keine Räuber da; rolle nur die Vocks-fclle auseinander, wir wollen jetzt schlafen." — „Ha. das ist schade; seht nur. das hier ist sehr spitz und scharf/' — „Schon gut. schon gut. Samdadschiemba; Du spielst den tapfern Mann weil Du weißt daß kein Feind in der Nähe ist." — „O, meine geistigen Väter, sagt das nicht: man muß allezeit offen reden. Ich will nicht leugnen daß ich für Gebete« lernen ein schlechtes Gedächtniß habe, aber Muth besitze ich trotz Einem." Wir lachten über diese wunderliche Zusammenstellung. „Ihr lacht, meine Väter, weil ihr die Dschiahnrs nicht kennt. Im Westen hat daö Land der drei Thäler (San Tschuan) einen großen Namen. Meine Landsleute achten das Leben für gar nichts; sie tragen stets Säbel und Lnntenflinte. Wenn Einer den Andern nur schief an» sieht, so giebt es Mord und Todtschlag. Ein Mann der Niemand ums Leben gebracht hat. darf sich gar nicht mausig machen; man kann von ihm nicht sagen daß er wacker und tapfer sei." „Das ist ja bewunderungswürdig. Daß Du ein Tapferer seiest, hast Du uns selber gesagt. Nun theile uns aber auch mit. Samdaschiemba. wie viele Menschen D u ums Leben gebracht hast, als Du Dich noch im Lande der drei Thäler befandest." 42 Samdadschiemba erzählt scine Iugeudabenteucr. l" Kap. Diese Frage brachte ihn doch einigermaßen außer Fassung; er wandte seinen Kopf nach der andern Seite und ließ ein gezwungenes Lachen vernehmen. Um der Sache eine andere Wendung zu geben, tauchte er seinen Napf in den Kessel und schöpfte sich Thee heraus. „Das ist recht," sagten wir. «trinke Thee. und dann erzähle uns etwas von Deinen Heldenthaten." Samdadfchiemba trank, wischte dann das Napfchen mit feinem Rock« schooß rein. steckte es wieder vor die Brust, und begann folgendermaßen zu erzählen: „Meine geistigen Väter, ihr wollt daß ich von mir rede, und ich will euch eine Geschichte erzählen. Ich habe eine große Sünde begangen, hoffe indessen daß Jehovah sie mir vergeben hat als ich in die heilig« Kirche eintrat. Ich war noch jung und mochte etwa sieben Jahre alt sein. Ich mußte meines Vaters alte Eselin auf die Weide treiben; wir hatten weiter kein Thier. Der Sohn eines Nachbarn kam oft und spielte mit mir; der Knabe war mit mir in gleichem Alter. Einst geriethen wir in Zank und Streit, und ich schlug dabei meinen Gespielen mit einer gro< ßen Baumwurzel so start auf den Kopf daß er niederstürzte. Als ich ihn für todt auf der Erde liegen sah. wußte ich vor Furcht und Bestürzung gar nicht was ich anfangen sollte, und dachte: nun werden sie dich wieder ums Leben bringen. Ich suchte hin und, her, um meinen Gespielen irgendwo verbergen zu können, aber vergeblich. Da dachte ich. nun mußt du dich selbst verstecken, und kroch in einen großen Haufen Reifig, der un« weit von unserm Hause sich befand, so tief als nur möglich. Dabei ritzt« ich mich blutig, war aber entschlossen nicht wieder vorzukommen. Nach Ein« bruch der Dunkelheit suchte man mich allenthalben, ich hörte daß die Mutter meinen Namen rief, verhielt mich aber still, regte lein Glied, und schwebte fortwährend in Todesangst. Ich hörte, wie die Leute laut hin und her sprachen; es kam mir vor als seien sie in Streit gerathen. Am andern Morgen hungerte mich entsetzlich. Da fing ich an zu weinen, aber nicht laut. sonst hatten es vielleicht die Leute vernommen. Ich wollte und wollte nun einmal aus meinem Versteck nicht heraus." — ..Aber dachtest Du denn nicht ans Verhungern?" — „Ich dachte nicht daran; mich hungerte, das war Alles. Ich hatte mich versteckt um nicht getödtet zu werden. Ich blieb drei Tage und vier Nächte in dem Reisig« baufen; dann entdeckte man mich. Es war mir noch so viel Kraft geblieben daß ich zu entlaufen versuchte, aber man hielt mich fest. Da weinte ich und schrie: „Macht mich nicht tod, ich habe ja den Nasamboyan 2. Kap.1 Samdadschiemba erzählt seine Iugendabenteuer. 43 nicht ums Leben gebracht!" Sie schleppten mich ins Haus und lachten laut; sie sagten mir. ich sollte nur keine Angst haben, denn Nasanboyan sei gar nicht todt. Wirklich kam er selbst zu mir, frisch und gesund, nur hatte er eine Wunde im Gesicht; er war von dem Schlage nur betäubt gewesen." Der Dschiahur war nun mit seiner Erzählung fertig. schaute uns lachend an und wiederholte mehrmals daß ein Mensch drei Tage lang ohne Nahrung leben könne. „Das ist ohne Frage ein ganz hübscher Anfang. Samdadschiemba; aber Du hast uns immer noch nicht gesagt, wie viele Menschen Du tapferer Mann schon ums Leben gebracht hast." — „Ich habe Niemand getödtet, weil ich mich nur so lurzeZeit in meinem Heimat» lande der drei Thäler aufgehalten habe. Denn als ich zehn Jahr alt war that man mich in ein großes Lamakloster, und gab mir einen alten sehr strengen Lama zum Lehrer. Er prügelte mich tagtäglich weil ich die Ge«. bete nicht ordentlich hersagen konnte. Aber das Prügeln half weder ihm noch mir, denn ich lernte doch nichts. Da ließ er es mit dem Studiren auf sich beruhen und verwandte mich zu anderen Dingen; ich mußte Wasser holen und ArgolS suchen. Prügel bekam ich aber doch. Solch ein Leben wurde mir unerträglich, ich lief fort und zwar in die Gegend nach der Mongolei hin. Unterwegs begegnete ich einem Oberlama der nach Peking reiste, schloß mich seiner großen Karawane an und trieb Hämmel. Ich mußte unter freiem Himmel schlafen, weil in den Zelten kein Platz für mich war. Einst war ich etwas abseits von der Karawane gegangen und hatte mir zur Schlafstelle eine Felsengruppe ausersehen, wo ich gegen den Wind geschützt war. Als ich am andern Morgen etwas spät er» wachte, sah ich nichts mehr von der Karawane; sie hatte mich allem in der Wüste zurück gelassen. Damals konnte ich noch nicht einmal die vier Himmelsgegenden unterscheiden, und irrte also auf gut Glück umher bis ich einige Mongolenzelte fand. So habe ich mich etwa drei Jahre lang bald da bald dort umhergetrieben, und diente den Leuten, welche mich gastfrei aufnahmen. Endlich kam ich nach Peking. Dort ging ich in das große Lamakloster Hoang Sse, in welchem nur thibetanische und Dschiahur Lamas sind, und wurde gern darin aufgenommen. Meine Landsleute legten Geld zusammen, und kauften mir eine rothe Schärpe und eine große gelbe Mütze; nun konnte ich im Chor Gebete mit singen und erhielt auch einen Antheil von den Almosen." Wir fielen Samdad« schiimba ins Wort, und fragten > wie er sich beim Abfingen der Gebete habe betheiligen können, da er doch weder Lesen noch Beten verstand? — „Das war ganz leicht gethan", entgegnete er; „einer meiner Freunde 44 Samdad!'3. Kap. station Schaborieh ganz nahe sei. Dieser Ort lag freilich nicht auf unserm geraden Wege, wir konnten uns aber nur dort die nöthigen Vor-rathe velschaffen; die Blaue Stadt, wohin wir dann unsere Schritte lenk» ten. war tann noch etwa hundert Stunden weit entfernt. Wir schlngcn also die Richtung zur linken Seite ein, und kamen nach Schabortch. Drittes Napitel. Schaborteh. ^ Das Fest der Mondsbröte. — Festmahl in einem Mongolenzelte. — Toolholos oder mongolische Nbavsoden. — Poetische Ueberlieferungen von Timnr. — Tatarische Erziehung. — Betriebsamkeit der Frauen. — Eine alte verlassene Stadt. — Die Straße von Pekina nact» Kiachta. — Nussisck'chinesischer Handelsverkehr. — Das russische Kloster in Peking. — Mongolische Aerzte. — Der Teufel des Wechselfiebcrs. - Vegräbuisse. — DaS Lamakloster der fünf Thurme. — Leickenbc-gängni'sse tatarischer Könige. — Ursprung des Königreichs Efeh. — Turnübungen der Mongole». — Drei Wölfe. — Fuhrwerke. Wir erreichten Schaborteh am fünfzehnten Tage des a«bten Mon« des> welchen die Chinesen mit großen Lustbarkeiten feiern. Dieses Fest, bekannt unter dem Namen Iüe.ping, Mondsbröte. reicht ins bohe Alterthum hinauf, und bezieht sich auf die Verehrung des Monds. An jenem Tage wird alle Arbeit eingestellt, und die Werkleute bekomme« ein Geldgeschenk von ihren Meistern. Jeder legt seine besten Kleider an, und überall herrscht Frohsinn und Heiterkeit. Freunde und Verwandte schicken einander Kuchen zn, auf welchen das Sinnbild des Mondes an» gebracht ist, nämlich ein kleines Gebüsch, in welchem ein Hase kauert. Seit dem vierzehnten Jahrhundert hat aber dieses Fest eine politische Vc-deutung von welcher die Mongolen wenig wissen, während unter den Chi» neseu die Ueberlieferung noch lebendig ist. Etwa um das Jahr 1368 trachteten sie dahin, das Joch der von Tscheng-Kis-Khan gestifteten tatarischen Dynastie abzuschütteln; sie waren derselben ungefähr ein Jahrhundert lang Unterthan gewesen. Eine große Verschwörung war über alle Provinzen verzweigt, und sollte am fünfzehnten Tage des achten Mondes an vielen Punkten zugleich ausbrcchen. Man wollte alle mongolische Krieger ermorden; jeder Familie war vom Eroberer ein solcher zugetheilt worden um das Land desto sicherer zu behaupten. Das Zeichen wurde durch einen in den Mondskuchen versteckten Zettel gegeben. Die Verschwörung kam wirklich zum AuSbruche. und die über das ganze Neich weit und 3. Kap.) Festmahl in einem Mougolenzelt. 47 breit zerstreut umherliegenden mongolischen Krieger wurden beinahe alle ermordet. Dadurch wurde die Herrschaft der Mongolen gebrochen, und seitdem kümmern sich die Chinesen bei der Feier der Mie-Ping weniger um die Verehrung des Mondes als um jenes Ereigniß, welches ihnen wieder zur Unabhängigkeit verhalf. Bei den Mongolen scheint, wie angedeutet, das Andenken an jene blutigen Vorgänge fast verschwunden zu sein, denn auch sie betheiligen sich am Feste, und feiern, ohne es zu wissen, einen Sieg, den ihre Feinde einst errangen. Etwa in Schußweite von unserm Lagerplatze standen einige mongolische Zelte, deren Geräumigkeit und sauberes Ansehen von Wohlhabenheit der Insassen zeugte; in der Umgegend weideten zahlreiche Heerden stattlichen Viehes. Wahrend wir das Brevier lasen, stattete Samda-dschiemba den Mongolen einen Besuch ab. Bald nachher kam ein Greis mit vollem weißen Bart zu uns; er schien ein angesehener Mann zu sein. war von einem Lama begleitet und führte ein Kind an der Hand. Der Greis sprach > „Meine Herren Lamas, alle Menschen sind Brüder, aber jene, welche unter dem Zelte wohnen sind wie Fleisch und Knochen. Herren Lamas kommt, und nehmt Platz in meiner bescheidenen Wohnung. Der fünfzehnte dieses Monats ist ein Feiertag; ihr seid fremd und auf der Reise, und könnt heut Abend nicht am Heerd eurer edeln Familie Platz nehmen. Ruhet eiuige Tage bei uns aus; eure Anwesenheit wird Glück und Freude bringen." Wir entgegneten dem würdigen Greise, daß wir nicht in allen Stücken seinen Wunsch erfüllen könnte»; aber am Abend nach dem Gebet würden wir den Thee bei ihm trinken. und uns mit ibm über sein Volk unterhalten. Der gute Mongole entfernte sich nun, bald aber kam sein Begleiter, der junge Lama, zurück und sagte, daß man uns nun er. warte. Wir folgten also der so offen und wohlwollend an uns ergange. nen Einladung, empfahlen dem Dschiahur gut aufzupassen und gingen. Ill dem Mongolenzelte fanden wir eine Sauberkeit, die uns billig überraschen konnte; dergleichen war uns in der Tatarei noch nicht vorgekommen. In der Mitte war keine Feuerstelle. auch lagen keine Küchengeräthe unordentlich umher, und man sah wohl, wie sorgfältig alles für den festlichen Tag hergerichtet war. Wir setzten uns auf einen großen rotheu Teppich; dann brachte man uns aus einem andern Zelte das als Küche benutzt wurde, Thee mit Milch, kleine in Butter geröstete Brot-schnitten, Käse, getrocknete Trauben und rothe Bruftbeeren (Iujuben). Nachdem wir mit der zahlreich anwesenden mongolischen Gesellschaft bekannt geworden waren, kam das Gespräch ganz zwanglos auf das Fest 48 Gespläch Nber das Fest der Mondsbröte. s3. Kap. der Mondöbröte. „In ullserm Lande", „sagten wir, kennt man dasselbe nicht; wir beten nur Iebovah an . den Schöpfer des Himmels und der Erde, der Sonne, des Mondes und aller vorhandenen Dinge." — „Das ift eine heilige Lehre", sprach der Greis und hielt die gefalteten Hände vor die Slirn. „Auch die Mongolen beten den Mond nickt an; sie sebendaß die Chinesen dieses Fest feiern und machen eS mit. ohne eigentlich viel daran zu denken warum." — „Ja, entgegneten wir. ihr macht einen (Nebrauch mit ohne zu wiffen weshalb. Du hast das rechte getroffen. Hört. was wir von den Kitat vernommen haben." — Und dann erzählten wir unter diesem Mongolenzelte was wir von jenem blutigen Tage der Yüe - Ping wußten. Die Mongolen waren erstaunt und wie angedonnert über Alles, was sie von uns hörten. Die jungen Männer raunten einander leise Worte zu; der Greis aber schwieg, saß mit gesenktem Haupte da und dicke Thränen quollen aus seinen Augen. Wir wandten uns zu ihm mit den Worten: „Bruder, der Du an Iahreu so reich bist, es scheiut als ob unsere Erzählung Dich keineswegs überrascht, aber fie hat Deine Brust mit tiefem Schmerz erfüllt." — Er hob den Kopf, trocknete die Thränen mit der verkehrten Hand und sprach: „Heilige Mäuner. das schreckliche Ereigniß vor welchem die jungen Männer da sich entsetzen, ist mir nickt unbekannt; doch wollte ich es wäre mir nie zu Ohren gekommen; ich mag nicht daran denken. Jedem Mongolen. der sein Herz nickt an die Kitat verkaufte, muß Zorn auf die Stirn treten. Es muß ein Tag kommen, und unsere großen Lamas werden wissen, wann. an welchem das Blut unserer ermordeten Vorväter gerächt wir>. Wann der beilige Mann, der uns anführen soll, erscheint, dann erheben wir uns und folgen ihm, und gehen im Angesicht der Sonne um von den Kitat Rechenschaft zu vcrlan. gen über das Mongolenblut, welches sie im Duukel ibrer Häuser vergossen. Die Mongolen feiern alljährlich ein Fest, in welchem die meisten nur eine gleichgiltige Feierlichkeit erblicken; aber es giebt auch manche in deren Brust die Mondsbröle das Andenken an die Ermordung unserer Väter wach erhält, und die auf Rache und Vergeltung siunen." Der Greis schwieg eine Weile und fuhr dann sort: „Wie dem aber auch sein möge. heilige Männer, heute ist bei uu« dennoch Feiertag, weil ihr unsere bescheidene Wohnung mit eurer Gegenwart erfreut. Wir wollen nicht ferner an trübe Sachen denken. Mein Kind, und dabei wandte er sich zu einem jungen Mann, der auf der Thürschwelle saß. wenn der Hammel genug auf dem Feuer gewesen ist. so hole die Milchspeise." — Wahrend im Innern des Zeltes gekehrt wurde, trat der älteste Sohn 3. Kap.1 Verlegenheit beim Festmahle. 4g ein. Er trug in beiden Händen einen länglichen Tisch, auf welchem ein in vier Theile zerlegter Hammel übereinander geschichtet war. Dieser Tisch wurde mitten Mischen die Gäste gestellt, das Oberhaupt der Fa» milie nahm das Messer aus dem Gürtel, schnitt den Hammelschwanz ab, zerlegte ibn in zwei Theile und gab jedem von uns Beiden eine Hälfte. Die Mongolen halten dm Hammelschwanz für den größten Leckerbissen, und man erweist dem Gaste. welchem man ihn zutheilt eine große Ehre. Diese mongolischen Schöpsenschwänze sind ungemein groß. breit, länglich rund und sehr dick; je nach der Größe des Hammels sind sie mit einer sechs bis acht Pfund schweren Fettlage umgeben. Nachdem der Alte uns so große Ehre erwiesen, griffen die übrigen Gäste zum Messer und schnitten sich nach Belieben Fleisch von den vier Vierteln. Von Tellern u»d Gabeln war natürlich keine Rede; jeder legte das abgeschnittene Stück auf seine Knie und löste ab soviel er eben zum Munde bringen wollte; von Zeit zu Zeit wischte er dann das reichlich herabfließende Fett mit seinen Kleidern ab. Wir waren anfangs in nicht geringer Verlegenheit. Als man uns den weißen Hammelschwanz vorlegte, war das in der allerbesten Absicht geschehen; wir hatten aber unsere europäischen Vorurthcile noch nicdt hinlänglich abgestreift um ein großes Wagniß zu unternehmen, das beißt ohne Brot mid Salz in diese bebende Fettmasse hineinzubeißen. Wir pflogen also in unserer Muttersprache Rath auf welche Weise wir uns wohl am besten aus einer so schwierigen Lage würden herauswickeln können. Es wäre im höchsten Grade unklug gewesen so große Fctlmassen wieder auf den Tisck zu legen; und unserm freundlichen Wirth gerade heraussagen, wie unmögliches uns werde seine Leckerbissen hinunter zu bringen, ging noch viel weniger; wir hätten dadurch gegen alle mongo» lische Höflichkeit verstoßen. Wir halfen uns also in folgender Weise. Der Hammelschwanz wurde von uns in lauter kleine Bissen zerschnitten; von diesen legten wir jedem Anwesenden einen vor, und baten zugleich an diesem Feiertage unser köstliches Gericht mcttt zu verschmähen. Anfangs wehrte und sperrte man sich dag/gen, nach und nach drangen wir aber durch. Wir entledigten uns auf solche Weise des Fettes, und konnten ein mageres Stück genießen, das saftig und unseren europäischen Vorurthci» len entsprechender war. Nach Vollendung dieses Homerischen Mahles war in der Mitte deS Zeltes nichts mehr vorhanden als ein mächtiger Haufen weißer glatter Knochen. Darauf nahm ein Kind eine dreisaitige Zither von einem Bocks. Horn herab, und reichte sie dem Greise. Dieser gab sie seinerseits einem Huc, Mongolcl. 4 50 Toolholos oder mongolische Rhapsoden. l3- Kap- Jünglinge, der mit gesenktem Kopfe da saß; als er aber die Zither in die Hand nahm belebte sich sein Auge. Der Alte sprach: „Edle und heilige Fremdlinge, ich babe einen Toolholos eingeladen, er wird nns den Abend durch schöne Erzählungen noch angenehmer machen." Indischen ließ der Barde seine Finger über die Saiten gleiten und begann, nacb lurzem Vorspiel, mit kräftiger Stimme und angemessenem Absatz des To< nes seinen belebten feurigen Gesang. Alle Mongolen hingen gleichsam an den Lippen des Sängers, und begleiteten mit wechselndem GefichtS-ausdruck seine Worte. Der Toolholos besang vollsthümliche Thaten, er wurde dramatisch, und wußte alle Hörer zu fesseln. Wir unsererseits wa« ren zu wenig mit den Einzelheiten der mongolischen Geschichte bekannt, als daß die Personen, von welchen der Barde sang, unsere Theilnahme hätten in Anspruch nehmen können. Nachdem er eine Weile die Anwesenden durch seinen Vortrag ergötzt hatte, reichte der Geis ihm eine große Schale voll MilchweinS. Der Sänger legte die Zither auf seine Knie und feuchtete seinen durch Erzählungen großer Heldenthaten ausgetrockneten Schlund an. Während er noch trank sagten wir: „Toolholos, Du haft uns schöne bewunderungswürdige Sacken vernehmen lassen, aber noch sagtest Du kein Wort von dem außerordentlichen Tamerlan, und doch ist der Oesang von Timur unter euch Mongolen berühmt und beliebt." — Ja fing uns von Timur! riefen Mehrere. Alles war still, der Toolholos besann sich ein Weilchen, sammelte seine Gedanken, und be« gann mit kräftigem Ton und lnegerischlr Weise den Anruf an Timur: „Als der göttliche Timur noch unter unseren Zelten wohnte, war das mongolische Volk kriegerisch und gefürchtet. Wenn es sich regte, bebte die Erde, ein Blick von ihm jagte eisiges Entsetzen ein den zehntausend Völkern, welche die Sonne bescheint." ..O, göttlicher Timur, wird Deine große Seele bald wieder ge» boren werden? Kehre zurück, komm wieder; wir harren Deiner, o Timur! Wir leben auf unseren weiten Steppen, ruhig und sanft wie Läm< mer, aber in unseren Herzen kocht es; sie sind noch voll von Feuer. Das Andenken an die ruhmreichen Zeiten Timurs verfolgt uns ohne Unterlaß. Wo ist der Hauptmann, der sich an unsere Spitze stellt und uns wieder zu Kriegern macht? O, göttlicher Timur, wird Deine große Seele bald wieder ge. boren^ werden? Kehre zurück, komm wieder, wir harren Deiner, o Timur! 3. Kap.I Patriotische Ueberlieferung von Timur. M Der Mongolenlüngling hat Kraft im Arm, er kann den wilden Hengst bändigen; er erspäht von weitem im Grase die Spur eines verirrten Kameels. Aber ach, eS gebricht ihm an Kraft den Bogen der Vorsahren zn spannen, seine Augen gewahren nicht mehr die Verschlagen» heit des Feindes. O, göttlicher Timur, wird Deine große Seele bald wieder ge« boren werden? Kehre zurück, komm wieder, wir harren Deiner, o Timur! Wir haben gesehen wie auf dem heiligen Hügel die rothe Schärpe des Lama flattert, und die Hoffnung ist wieder aufgeblüht in unseren Zelten. Sag es uns. o Lama. Wenn das Gebet auf Deinen Lippen schwebt, enthüllt dann Hormustha die Dinge vom künftigen Leben? O. göttlicher Timur. wird Deine große Seele bald wieder ge» boren werden? Kehre zurück, komm wieder, wir harren Deiner, o Timur! Wir haben wohlduftendes Hol; verbrannt vor den Füßen des göttlichen Timur; mit zur Erde geneigter Stirn haben wir ihm das grüne Theeblatt geopfert und die Milch unserer Heerden. Wir sind bereit. Die Mongolen stehen aufrecht, o Timur! Und Du, Lama, laß Glück sich herabsenken auf unsere Fahnen und Lanzen! O, göttlicher Timur, wird Deine große Seele bald wieder ge. boren werden? Kehie zurück, komm wieder, wir harren Deiner, o Timur!" Nachdem der mongolische Barde diesen voltsthümlichen Gesang beendet, erhob er sich. machte uns eine tiefe Verbeugung, hing die Zither an einen Zeltpflock und ging hinaus. Der Greis bemerkte. daß auch in den anderen Zelten Festtag sei: „Auch sie." äußerte er. ..erwartenden Sanger. Da ihr aber, wie mir scheint, tatarischen Gesängen mit großer Theilnahme zuhört, so wolle» wir damit fortfahren. Denn unter unseren Brüdern ist einer, der viele Lieblingsweiscn kennt, .er versteht aber das Zitherspielen nicht, ist daher kein Toolholos. Doch das schadet nichts; tritt nur näher Nymbo; es find nicht alle Tage Lamas aus dem westlichen Himmelsstriche da, um Dir zuzuhören." Nun trat aus einem Winkel des Zeltes ein Mongole hervor, den wir bis jetzt gar nicht bemerkt hatten. und nahm den Platz ein, welchen eben der Toolholos inne gehabt. Dieser Mensch hatte einen ganz eigen» thümlichen Gesichtsausdruck; sein Hals war ganz zwischen beiden Schul« tern eingesenkt, daS Weiße in seinem großen fast unbeweglichen Auge 52 Leben der mongolischen Toolholos. 13» Kap. stach scharf gegen seine von dei Sonne noch stärker gedunlelte Gesichts» färbe ab; sein Haar wallte in Strängen wirr vom Kopfe berat», der ganze Mensch hatte ein recht wildes Aussehen. Er fing an sich boren zu lassen, aber was wir vernahmen, war eine Parodie auf eigentlichen Gesang. Seine größte Stärke lag darin, daß er den Athem scbr lang anhalten konnte, und daß seine Fugen kein Ende nabmen. Es war um in Ohnmackt zu fallen, und wir waren dieses Geschreies bald satt und müde. Mit Ungeduld sehnten wir eine Pause herbei, um dann die Sitzung aufzuheben. Das war freilich keine leichte Sache; es war als hätte der entsetzliche Virtuose geahnt, was wir im Schilde fühlten; denn kaum war er mit einem Stück fertig, so kam auch schon ohne alle und jede Unterbrechung ein anderes hinterher. So mußten wir denn bis tief in die Nacht hinein zuhören. Endlich hielt er einen Augenblick inne. um etwas Tbee zu genießen. Er schluckte eine Schaale voll rasch hinab, räusperte sich und wollte gleich wieder anfangen. Wir standen aber auf, reichten dcm Kreise unsere Pbiole mit Schnupftabak, grüßten die ganze Gesellschaft und gingen nach unserm Zelte. Man trifft in der Mongolei häufig dergleichen Toolholos oder wan« dernde Sänger, die von Zelt zu Zelt gehen und überall volksthümliche Männer und Ereignisse besingen. Meist sind sie arm; ihre ganze Habe besteht in Zither und Flöte, welche fie am Gürtel tragen, aber in den Zelten ist ein Sänger allemal ein willkommener Gast, den man mit Freundlichkeit und Achtung empfängt. Manchmal verweilen sie mehrere Tage, und wenn sie scheiden giebt man ihnen reichlich Käse, Blasen mit Wein und Thee auf den Weg. Dergleichen fahrende Sänger kommen auch in China vor; in keinem Lande aber find sie so volksthümlich, als in Thibet. Sehr ftüb am andern Morgen fand sich ein Knabe vor unserm Zelt ein; in der Hand trug er ein mit Milch gefülltes Geschirr, an seinem Arme hing ein aus Binsen geflochtener Korb mit Butter und frischem Käse. Gleich nachher kam ein alter Lama, begleitet von einem Mongolen, der einen Sack mit Argols trug. Wir luden Alle ein in unserm Zelte Platz zu nehmen. «Brüder aus dem Abendlande." sagte der Lama, „nehmt diese geringe Gaben, welche unser Herr euch schickt." — Zum Zeichen des Dankes macbten wir eine Verneigung; und Samdadschiemba beeilte sich den Thee zu bereiten. Wir baten den Lama zu verweilen, bis das Getränk fertig sei, er entgegnete aber. daß er jetzt nicht bleiben könne, am Abend wolle er jedoch wieder kommen; jetzt sei es seine Pflicht, 3. Kap.) Mongolische Erziehung. — Pferdefang. 53 einem Schüler das Gebet zu bezeichnen, welches derselbe heute lernen solle. Er wies dabei auf den Knaben hin , der uns die Milch gebracht hatte, nahm ihn bei der Hand und Beide gingen fort. Dieser alte Lama war Lehrer in der Familie. welche lins am Tage vorher so freundlich aufgenommen hatte; er mußte den Knaben thibeta-niscke Gebete lehren. Die Jugenderziehung ist bei den Mongolen sehr dürftig und beschränkt. Lesen und beten können fast nur die. welche einen geschorenen Kopf tragen. In keinem Lande ist eine öffentliche Volksschule , und fast alle jungen Lxute, welche etwas leinen wollen, müssen in ein Lamakloster gehen. Eine Ausnahme machen nur diejenigen reichen Leute, welche ihren Kindern einen Hauslehrer halten. Die Klöster sind die einzigen Mittelpunkte und Stätten für den Unterricht in Künsten, Wissenschaften und Gewerben; außer ihnen findet man von dergleichen auch nicht eine Spur. Der Lama ist nicht blos Geistlicher und Prediger, sondern auch Maler, Bildhauer, Baumeister und Arzt, er ist Kopf uud Herz und Orakel der Leute. Ein junger Mongole, den man nicht in ein Kloster schickt, muß fich von früh an im Gebrauch des Bogens und der Luntenfiinte üben, vor allen Dingen aber Pferde tummeln. Noch beror er gehen kann. wird er mit auf den Gaul gesetzt; während des Galopps hält er fich am Kleide des Reiters fest. So gewöhnt er fich bald an das Pferd, mit welchem er nach und nach gleichsam zu einem Ganzen verwächst. Es sieht in der That prächtig aus. wenn mongolische Reiter eincm noch ungebändigten Pferde nachsetzen. An einer langen Stange ist ein Seil mit laufender Schlinge befestigt. Der Reiter rennt dem Rosse, welches er einfangen will, über die Steppe und über Bergesgipfel, durch Thäler und Schluchten, auf geraden und krummen Wegen nach bis er es eingeholt hat. Dann packt er seinen Zaum mit den Zähnen, faßt die Stange mit beiden Händen, biegt sich nach vorne über und wirft seiner Beute die Schlinge über den Hals. Da;u gehört eben so grosie Kraft als Geschicklichkeit, denn das unwillige Pferd muß gerade im geeigneten Augenblicke eingefangen werden. Manchmal bricht die Stange und das Seil reißt; aber es kommt niemals vor, daß ein Reiter abgeworfen würde. Ueberhaupt ist der Mongole so sehr ans Reiten gewöhnt, daß man sagen könnte, er befinde fich mit seinen beiden Beinen auf der Erde in eincm fremden Elemente. Sein Gang ist plump und schwerfällig, seine Beine sind ausgeschweift, wirkliche Säbelbeine, seinen Oberkörper hält er nach vorn über, sein Auge schweift unstet umher, als ob es auf der Steppe sich umzuschauen habe. Unterwegs giebt bei nächtlichen Wanderungen 54 Betriebsamkeit der Frauen. l3. Kap. der Mongole sich nicht immer die Mühe vom Pferde zu steigen, sondern er bleibt oben sitzen und schlaft doch. Wenn man einen Reisenden fragt, wo er in der lctzlverflosscnen, Nacht sich verweilt habe. erhalt man wohl zur Antwort: Temen dero, das heißt: auf dem Kameele. Es sieht eigenthümlich aus wenn die Karawanen unter Mittag plötzlich Halt machen, sobald sie einen guten Weideplatz gefunden haben. Dann zer» streuen sich die Kamcele weit und breit, und fressen die Wiesenkräuter ab. wahrend die Mongolen rubig zwischen den beiden Höckern sitzen bleiben und so fest schlafen als lägen sie im schönsten. Bett. Aber dieses unablässige Reisen uud Wandern trägt wesentlich dazu bei. die Tataren so lörperkraftig zu machen, und sie dermcrßen auch gegen die strengste Kälte abzuhärten. daß sie gleichsam unempfindlich dagegen werden. In den Steppen der Mongolei, namentlich im Lande der Khalkhas. ist die Kälte so grimmig, daß im größten Theil des Winters das Quecksilber gefroren bleibt. Weit und breit hat die Erde eine Schneedecke, und wenn der Nordwestwind darüber hinfegt, ist es als ob man ein bis in seine Tiefen aufgerührtes Meer vor sich habe. Denn der Sturm peitscht den Schnee in ungeheuren Wogen empor und wälzt sie lawinenartig vor sich her. Dann eilen die Mongolen ihren Heerden zu Hilfe; sie sprengen bald da bald dortbin, schreien den Thieren zu und treiben sie hinter schützende Berge. Manchmal ballen die unerschrockenen Hirten mitten im Sturme, gleichsam um der Wuth der Elemente den Trotz des Menschen entgegen zu setzen. Die Mädchen und Frauen werden in ihrer Weise sorgfältig genug erzogen. Allcrdings lernen sie nicht mit Bogen und Pfeil umzugehen, aber reiten können sie so gut wie die Männer, und zu Pferde sitzen sie höchst muthig. Indessen besteigen sie das Roß nur in Ausnahmcfällen. auf der Reise zum Beispiel, und wenn kein Mann da ist. der Thieren nach' setzt welche sich verlaufen haben. In der Regel haben sie mit Ueber-wachung der Heerden nichts zu thun. sondern im Zelte genug zu schassen; sie müssen den ganzen Haushalt und die Nätherei besorgen. Die Na< del wisse» sie äußerst gesänckt zu führen; sie verfertigen Stiefel, Hüte, überhaupt alle Kleidungsstücke deren Männer und Frauen oder Kinder bedürfen. Die Lederstiefel haben allerdings keine zierliche Gestalt, halten aber ganz unglaublich. Man begreift kaum wie sie es anstellen mit so grobem und unvollkommenem Arbeitszeug dergleichen dauerhafte Sachen zu liefern, die beinahe unvergänglich sind. Allerdings nehmen sie sich geb>, rig Zeit dabei. Auch sticken sie hübsch, geschmackvoll, fein und in den 3. Kap.) Schaborteh. — Ein vermelnllicher Pferdediebstahl. 55 mannigfaltigsten Mustern. In keinem europäischen Lande, das dürfen wir dreist behaupten, giebt es so schpne und aufgezeichnete Stickereien wie wir sie von der Hand der Mongolinnen gesehen habe». Uebrigens Hand» habt man in der Tatarei die Nadel ganz anders als in China. In die« sein letztem Lande sticht mau mit der Nadel von unten nach oben; die Mongolen verfahren gerade umgekehrt, und in Europa thut man keinS von beiden, sondern macht in der Regel wagerechte Sticke. Die ehrsame Schneiderzunst möge entscheiden, was am besten ist. Am 17. des Monats begaben wir uns in aller Frühe nach der chi» nesischen Station Schaborteh um Mehl einzukaufen. Der Name ist mongolisch und bedeutet feuchtes, sumpfiges Land. Die Hauser sind aus Erde gebaut und von einer sehr hohen Ringmauer umschlossen, die Stra° ßen eng, krumm und sehr unregelmäßig. Der kleine Ort gewährt über« Haupt einen düster» unangenehmen Anblick, und die dort wohnenden Chi< nesen sehen noch viel gaunerhafter aus, als gewöhnlich bei ihren Lands, leuten der Fall ist. Sie handeln mit alle» möglichen Sachen deren die Mongolen bedürfen, namentlich mit Hafermehl, gerösteter Hirse, Baum» wollenzeugen und Ziegelthee. Dagegen bringen die Tataren allerlei Er. zeugnisse der Wüste insbesondere Salz. eßbare Schwämme u>H Pelzwerk. Wir besorgten eilig unsere Geschäfte um rasch weiter zu kommen; Samdadschiemba ging fort um die Kameele von der Weide zu holen. Er brachte deren drei zurück, und rief: „Die Kameele sind hier, aber wo finde ich Maulthier und Pferd? Eben sah ich sie noch; ich hatte ihnen die Beine zusammengebunden; sind sie nun gestohlen? Es thut niemals gut in der Nähe von Chinesen zu lagern, sie sind allsgemachte Pferdediebe." Das war für uns ein Donnerschlag. Aber wir hatten keine Zeit zum Klagen, es kam vielmehr darauf an den Dieben rasch nachzusetzen. Jeder von uns bestieg ein Kameel, wir ließen Arsalan als Zelthüter zurück und sprengten nach verschiedenen Seiten hin. Unsere Nachforschungen blieben ohne allen Erfolg, wir ritten daher zu unseren mongolischen Freunden und erklärten ihnen daß unsere Pferde in der Nabe ihrer Zelte abhanden gekommen seien. Wenn Thiere von einer Karawane verloren gehen, so ist es, nach tatarischen Gesehen, Pflicht der Leute welche dem Lagerplätze benachbart sind, Nachslichung zu halten. und im Nothfall sogar das Vermißte zu er» setzen. Vom europäischen Standpunkte angesehen, erscheint das als ein sonderbarer Brauch. Mau schlägt in der Nähe eines Mongolen ohne sein Wissen und ohne ihn zu fragen, ein Zelt auf; man kennt ihn nicht Hft Wir bekommen unser Eigenthum wieder. l3. Kap. und ist ihm völlig unbekannt; er ist aber für Thiere, Menschen und Ge> pack verantwortlich. denn. wenn etwas wegkommt, so nimmt das Gesetz an er sei der Dieb oder wisse zum wenigsten um das Vergehen. Allein dieser Brauch bat gewiß viel dazu beigetragen daß die Mongolen so äußerst geschickt sind, verlaufene oder gestohlene Tbiere wieder zu erlangen. Sie sehen an den Epurrn welche cm Pferd oder Kameel auf dem Grase zurückgelassen hat. vor wie langer Zeit das Tbier an der oder jener Stelle war und ob es einen Reiter trug oder nicht. Sie verfolgen jede einmal auf. gefundene Spur auf das genaueste und verlieren sie nicht wieder. Nachdem wir unseren mongolischen Freunden unser Misgeschick erklärt. sprach der Greis: „Ihr dürft euck keine Sorge machen, meine Herren Lamas. Eure Thiere sind nicht abhanden gekommen; wir haben hier weder Räuber noch Diebsgenoffenschaften. Ich will nachsuchen lassen. und finden wir die Pferde nicht wieder so wählt ihr euch dann aus meiner Heerde was euch anstebt. Ihr seid in Frieden hergekommen und sollt in Frieden von bannen ziehen." Inzwischen waren acht Mongolen zu Pferde gestiegen, jeder mit einer Stange und Fangschlinge versehen. Anfangs ritten sie scheinbar ohne Plan und Zweck bald da bald dorthin und kamen einige» mal bis in die Nabe der Zelte zurück. Nach einer Weile vereinigten sie sich. bildeten eine Schwadron und galoppirten dann nach der Richtung hiu aus welcker wir gekommen waren. „Nun haben sie die Spur", sagte uns der Alte, welcher allen ibren Bewegungen genau folgte; „tretet nun in mein Zelt, Heiren Lamas, und trinkt ein Näpfchen Thee, bis sie mit eueren Pferden zurück sind/' Nach Verlauf von zwei Stunden trat ein Knabe herein und meldete daß die Reiter wieder kämen. Wir eilten hinaus, sahen eine Staubwolke wirbeln und erkannten bald jene acht Reiter die, mit unseren beiden Thieren am Halfter, mit Windesschnelle heransprengten. Als sie Halt machten, erklärten sie uns, daß in ihrem Lande nie etwas abhanden komme. Wir dankten ihnen für den ausgezeichneten Dienst welchen sie uns erzeigt batten, nahmen Abschied, und wandten uns mit den wieder eingefangenen Flüchtlingen, der Straße zu. welche nach der Blauen Stadt führt. Nachdem wir drei Tage gewandert waren. trafen wir in der Wüste auf majestätische Alterthümer. Vor uns lag eine große, von den Menschen verlassene Stadt. Die Mauern und Walle mit Zinnen und Thürmen, die vier großen Thore welche nach den verschiedenen Himmelsgegenden hin lagen, waren sämmtlich noch wohl erhalten; aber Alles war zu drei Vier« theilen in den Boden gesunken und mit Rasen überdeckt. Seitdem die 3. Kap.) Die „Alte Stadt." 57 Bewohner aus der Stadt fortzogen hatte der Boden sich allmälig so er, höht, daß er fast bis an die Zinnen reichte. Am südlichen Thore angelangt, sagten wir zu Samdadschiemba, er möge nur weiter reiten. wir wollten inzwischen die Alte Stadt näher betrachten: denn so heißt sie bei den Mongolen. Mit Staunen und trüben Gesühlswallungen traten wir in diese verödete Stadt ein. Nirgends gewahrt man Schutt und Trümmer, sondern die Formen einer großen schönen Stadt die zur Hälfte in die Erde versunken und vom Grase wie mit einem grünen Bahrtuch überdeckt ist. An der Ungleichheit des Gebäudes erkennt man noch wo die Straßen waren, und wo die größten Gebäude standen. Wir trafen einen mongo» lischen Hirten der gemächlich seine Pfeife rauchte; er saß auf einem Hügel während seine Heerde auf den Wallen und in den Straßen weidete. Auf uusere Fragen erhielten wir keine zufriedenstellende Antwort. Wann und von wem ist diese Scadt gebaut worden, welches Volk hat darin gewohnt und zu welcher Zeit und weshalb ist sie verlassen worden ? Wir wiffen es nicht, und auch die Mongolen geben keine Auskunst über die „Alte Stadt." Man trifft übrigens mehrfach dergleichen Spuren von großen Städten in den Einöden der Mongolei, aber ihre Geschichte ist mit Dun« kcl umgeben. Solch ein Anblick erfüllt die Seele mit unaussprechlicher Betrübniß. Hier ist keine historische Ueberlieferung, nicht die leiseste Erinnerung an die Gründer; diese Städte sind Gräber obne Inschriften mitten in schweigsamer Oede. Nur dann und wann hält cin Tatar seine Heerde an, um sie in den mit üppigem Grase bewachsenen Straßen weiden zu lassen. Das ist Alles. So weiß man denn nichts Gewisses über diese verlassenen Städte, darf aber doch vermuthen daß sie nicht über das dreizehnte Jahrhundert binausreichen. Damals bezwängen die Mongolen das chinesische Neich über welches sie etwa ein Jahrhundert lang die Herrschaft behaupteten. Chinesischen Geschichtschreibern zufolge entstanden'zu jener Zeit in der nördlichen Mongolei viele blühende Städte. Um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts wurde die mongolische Dynastie aus China vertrieben; der Kaiser Jung-Lo, der die Tataren völlig vernichten wollte, verheerte ihr Land und äscherte ihre Städte ein. Er zog selbst dreimal bis tief in die Wüste. zweihundert Wegstunde» über die große Mauer hinaus. Nachdem wir der Alten Stadt den Nucken gekehrt, trafen wir eine breite Straße, die von Süden nach Norden zog, und sich mit jener kreuzte auf welcher wir von Osten her nach Westen gekommen waren. Wir hatten also jene Straße erreicht 5uf welcher die russischen Gesandt« schaftm sich nach Peking begeben. Bei den Mongolen heißt sieKutscheuh 53 Das russische Kloster in Peking. 13. Kap. Dschäm, das heißt Weg der Tochter des Kaisers, weil derselbe ursprünglich für eine Prinzessin angelegt war. welche ein chinesischer Kaiser einem Könige der Khalkas zur Gemahlin gab. Nachdem sie das Land Tschakar und das westliche Suniut durchzogen, tritt sie durch das Königreich Mur« guevan in das Land der Khalkbas ein; von dort geht sie durch die große Wüste Gobi von Süden nach Norden, dann bei Groß-Kuren über den Fluß Tula, und weiter bis zur russischen Factorei Kiachta. Im Jahre 1688 wurde zwischen dem Kaiser Khang-Hi und dem Weißen Khan. dem „König der Oros", das heißt dem russischen Czar, ein Vertrag geschlossen, welcher die beiderseitigen Grenzen feststellte, und bestimmte daß Kiachta der Punkt sein solle, wo die Angehörigen beider Staaten mit einander Handel treiben dürften. Nördlich von der Grenze liegen die russischen Faktoreien (von Kiachta). südlich befindet sich die mongolisch - chinesische Station (Maimatschiu). Der gegenseitige WaarenaMausch ist nicht un« beträchtlich und für beide Völker vortheilhast. Gesetzlich sollen die Unterthanen des einen Monarchen die Grenze des andern nicht überschreiten. Die Russen verkaufen Tuche, Sammet, Seife, und verschiedene Arten von kurzen Waaren, und nehmen dagegen insbesondere Ziegelthee, von welchem sie eine große Menge verbrauchen. Da der letztere vorzugsweise in Zahlung für russische Waaren gegeben wird, so folgt daß die russischen Tuche zum Beispiel in China für einen geringern Geldwerth zu haben sind als auf europäischen Märkten. Manche Speculanten haben mit eingeführten Wollenwaaren in Conton lediglich deshalb schlechte Geschäfte gemacht, weil sie mit den Verhältnissen des russisch-chinesischen Handels unbekannt waren. Am 14. Juni 1728 wurde ein neuer Friedensvertrag zwischen dem außerordentlichen Gesandten Nußlands, dem Grafen Wladislawitsch, und den chineschen Ministern abgeschlossen. Seit jener Zeit unterhält Nuß« land in der Hauptstadt des Himmlischen Neiches ein Kloster lind eine Schule, in welchem Dolmetscher für das Chinesische und Mandschurische ausgebildet werden. Allemal nach Verlauf von zehn Jahren wird der Personenbeftand beider Anstalten erneuert, und man schickt von St. Petersburg neue Mönche und neue Schüler nach Peking. Diese Karawane wird von einem russischen Officier geleitet. welcher die Ankömmlinge einweist, die Ausgedienten ablöst, und letztere nach Rußland zurückbringt. Von Kiachta bis Peking reisen die Russen auf Kosten des chinesischen Kaisers, und erhalten von einem Posten zu« andern eine aus chiuesischen Truppen bestehende Bedeckung. I. Kap.j Wir werden für Aerzte gehalten. 59 Im Jahre 1820 geleitete Timkowski die russische Karawane nach Peking. In seiner. Neisebefchreibullg äußert er einmal: er wisse eigentlich nicht weshalb die chinesischen Führer ihn einen andern Weg nehmen lie« ßen als seine Vorgänger. Die Mongolen haben uns diese Sache erläu« tert. Die chinesische Regierung hatte, aus Klugheit und aus Mistrauen gegen die Russen, ihrem Diener Befehl gegeben diese fremden Reisenden auf allerlei Um- und Abwege zu führen, damit sie über den eigentlichen Siraßenzug irre würden. Das war freilich eine lächerliche Vorsicht, weil trotzdem der Selbstherrscher aller Neußen den Weg nach Peking zu fin« den wüßte, falls er einmal Lust bekäme „dem Sohne des Himmels" einen Besuch abzustatten. Als wir uns auf dieser nach Kiachta führenden Straße befanden, kam eine wunderbare Gemüthsstimmung über uns. Da sind wir ja, sag» ten wir, auf dem Wege der nach Europa leitet; und dann sprachen wir lange über unser Vaterland, bis einige mongolische Zelte, die wir in det Ferne erblickten, uns daran erinnerten wo wir uns eigentlich befanden. Wir hörten lautes Rufen, und bald sprengte ein Tatar auf uns zu, der heftige Armbewegungen machte. Wir konnten unterdessen nicht unter« scheiden wem diese Zeichen gelten und was sie bedeuten sollten, und ritten daher unseres Weges. Da sprang Jener auf ein vor dem Zelte aufge« sattelt stehendes Pferd, kam auf uns zu gesprengt, stieg ab als er noch einige Schritte von uns entfernt war, kmete nieder und sprach die Hände emporhebend: „Herren Lamas, erbarmt euch meiner; zieht nicht vorüber, sondern helft meine Mutter durch Gebete retten." Wir dachten an die Parabel von der Samaritanerin. ritten ein wenig zurück, lagerten uns unweit vom Zelte jenes Tataren. und besuchten die Kranke. während Samdadschiemba unser Leinwandhaus errichtete. Zu den Anwesenden sagten wir: „Ihr Bewohner der Wüste! Wir sind nicht bewandert in der Kenntniß der Arzneikräuter, und verstehen es nicht nach dem Schlage der Adern die Bewegungen des Lebens abzumessen, aber wir wollen für die Kranke zu Iehova beten. Ihr habt von diesem allmächtigen Gotte noch nicht gehört, eure Lamas kennen ihn nicht; aber setzt nur Vertrauen in Iehova. denn er ist Herr über Leben und Tod." Unter den obwalten« den Umständen konnten wir keine längere Rede halten, denn die armen Leute waren mit der Kranken viel zu sehr beschäftigt, als daß sie unseren Worten große Aufmerksamkeit hätten schenken können. Wir gingen also nach unserm Zelte um zu beten; jeuer oben erwähnte Tatar begleitete uns. Er sah unser Brevier: „Sind darin," fragte er, „die allmächtigen Ge« ßft Mongolische Aerzte. — Die Tschütgurs. 13. Kap. bete an Iehova, von denen ihr sprächet?" — „Ja das sind die einzigen Gebete welche zum Heil führen." Er warf sich nieder, berührte vor jedem von uns mit der Stirn die Erde. nahm dann unser Brevier und hielt dasselbe, um seine Verehrung zu bezeugen. an seinen Kopf. Er blieb so lange wir beteten am Eingang des Zeltes in kauernder Stellung. und sprack kein Wort. Als wir fertig waren. berührte er abermals die Erde mit seiner Stirn; dann sprach er: „Heilige Männer, wie kann ich euch die große Wobltbat vergelten, welche ibr mir erzeigtet? Ich bin arm. und kann euch weder Roß noch Hammel geben." — «Mongolischer Bruder, möge Frieden in Deiner Brust wohnen! Die Priester Iehova's beten nicht um Gaben zu erlangen. Weil Du arm bist. so nimm von uns das Wenige hier." Damit gaben wir ihm ein Stück Ziegelthee. Er war über das Alles tief erregt und konnte kein Wort sagen; Thränen waren seine einzige Antwort. Am andern Morgen vernahmen wir mit Freude daß die Kranke sich auf dem Wege der Besserung befinde. Gern wären wir noch einige Tage an jenem Orte geblieben um die aufsprossenden Glaubeuskeime zu pflegen, aber wir mußten unsere Reise fortsetzen. Einige Mongolen gaben uns das Geleit. Es giebt in der Mongolei keine anderen Aerzte als die Lamas. Wer krank wird. schickt in das nächste Kloster und läßt von dort einen Arzt holen. Dieser betastet zuerst den Puls, faßt dann beide Hände des Patienten und läßt die Finger über die Schlagadern hingleiten, etwa so wie ein Musiker über die Saiten einer Geige streicht. Die chinesischen Doctoren verfahren anders, sie befühlen nämlich den Puls an beiden Armen nicht zu gleicher Zeit sondern nach einander. Der Lama erklärt nach sorgsamer Prüfung wie es sich eigentlich mit der Krankheit verhalte. Zufolge der religiösen Auffassung der Mongolen hat allemal ein T sch ü t« gur, das heißt ein Teufel, die Hand im Spiel; er quält den Kranken, und es handelt sich also zunächst darum ihn durch Arzneimittel auszu» treiben. Der Lamadoctor ist zugleich Apotheker; er bereitet aber keine mineralischen Mittel, sondern bedient sich nur zerstoßener Kräuter, die meist in der Gestalt von Pillen gegeben werden. Der Doctor geräth keineswegs in Verlegenheit, wenn er auch sein Pillenmagazin erschöpft hat; er nimmt dann einige Stückchen Papier, schreibt mit thibetanischen Buchstaben den Namen dieses oder jenes Heilmittels darauf, rollt dasselbe zusammen, feuchtet es mit Speichel an. knetet es zu einem Kügelchen. und dieses nimmt der Kranke mit demselben Vertrauen ein wie wir eine 3. Kap.I Austreibung des Kiankheitsteufels. ßi wirkliche Pille. Papier und Pille, meinen die Mongolen, komme im Glunde auf eins heraus. Diese medicinischen Bemühungen den Teufel zu entfernen, werden durch Gebete unterstützt, welche der Lama anordnet. Ein Kranker der arm ist, hat auch nur einen kleinen Tschütgur. und man thut die Sache mit kurzen Gebeten ohne umständliche Feierlichkeiten ab; behilft sich auch wohl mit einigen Beschwörungsformeln. Es kommt auch wohl vor, daß der Lama erklärt, Pillen und Papierkügelchen seien gar nickt angebracht, weil man abwarten müffe was Hormustha's Wille sei, ob nämlich der Kranke genesen oder sterben werde. Ganz anders geht er aber zu Werke wenn der Kranke ein reicher Mann und im Besitz großer Viehheerden ist. Dann hat sich ohne allen Zweifel ein großer Tschütgur, ein Oberteufel, eingestellt, mit dem man nicht etwa so umspringen kann wie mit einem ordinairen Teufel. Vor allen Dingen kommt es darauf an zu erfahren, welcher Classe dcr Tschütgur eigentlich angehört; daß er eine hohe Rang« stufe einnehme, leidet von vorne herein gar keinen Zweifel. Damit er standesgemäß ausfahren könne, muß man für ihn schöne Kleider, einen hübschen Hut, ein anstandiges Paar Stiefel, und namentlich ein junges feuriges Roß bereit halten. Er kann nicht auSgetrieben werden, wenn diese Dinge fehlen, und weder Arzeneien noch Gebete würden etwas aus» richten. Auch mag es sich wohl treffen, daß ein einziges Pferd gar nicht ausreicht, weil der Teufel mauchmal von so hohem Rang ist. daß er viele Diener und Höflinge im Gefolge hat. Dann fordert der Lama so viele Pferde als ihm gut dünken; die Anzahl wird natürlich durch den größern oder geringern Reichthum des Kranken bedingt. Nachdem der Doctor alle nöthigen Vorbereitungen getroffen, beginnt die Feierlichkeit. Er ladet dazu einige Lamas aus den umliegenden Klöstern ein. und sie beten lange, oft acht bis vierzehn Tage mit ihm; sie hören erst auf wenn sie sicher sind daß der Teufel abgezogen sei. Inzwischen leben sie auf Kosten der Fa. milie, und laffen sich Hammel und Thee munden. Aber wenn nun der Kranke trotz alledem stirbt? Dann liegt gerade darin ein Beweis wie gut und richtig die Gebete hergesagt worden sind, und daß der Teufel Reißaus genommen hat. Todt ist der Kranke allerdings, aber dadurch verliert er ja nichts, weil die Lamas versichern, er werde in seinem neuen Leben, vermittelst der Seelenwanderung, weit glücklicher sein als er seither gewesen. Die Gebete der Lamas bei dergleichen Heilungsversuchen sind manch» mal mit schrecklichen Feierlichkeiten verbunden. Als Herr Huc Vorsteher, ß2 Der Teufel des Wechselfiebers. l3> Kav. der kleinen Christengemeinde im Thale der Schwarzen Gewässer war. ver. kehrte er mit einer Mongolenfamilie nm seine Sprachfertigkeit auszubilden und Sitten und Gebräuche näher kennen zu lernen. Einst war die alte Muhme des edeln Tokura, der Oberhaupt der Familie war. am Wechselfieber krank. Tokura bemerkte: „Ich würde gern den Lamadoctor kommen lassen, wenn er aber sagt. hier sei ein Tschütgur im Spiel, was fange ich dann an? Ich kann die Kosten nicht bestleiten." Nach einigen Tagen entschloß er sich aber doch den Doctor zu holen, und bald zeigte sich wie gegründet seine Besorgnisse waren. Der Lama erklärte: allerdings sei ein Teufel vorhanden und möglichst rasch zu beseitigen. Dazu traf er dann in aller Eile Vorkehrungen. Am Abend waren nicht weniger als "acht Lamas im Zelte beisammen. Sie machten aus getrockneten Kräutern eine große Puppe, welche sie den Teufel des Wechselfiebers nannten. Er wurde an einem Pfahl vor der Kranken aufgestellt. Nachts elf Uhr begann die eigentliche Feierlichkeit. Die Lamas schlössen im Hintergrunde des Zeltes einen Kreis, und machten eine entsetzliche Musik vermittelst ihrer Zymbeln, Seemuscheln, Tamburins und ip. Geistliche ersonnen haben, um von ihren Nebenmenschen Vortheil zu ziehen. Die Art und Weise der Leichenbestattlmg ist nicht überall dieselbe: Geistliche sind nur zugegen wenn es darauf abgesehen ist. das Begräbniß recht feierlich zu machen. In den Landschaften an der großen Mauer und überall wo Mongolen und Chinesen gemischt wohnen, baben die Gebräuche dieser letzteren allmälig die Oberhand gewonnen, das heißt man tliut die Leiche in einen Sarg, der in ein Grab gesenkt wird. In der Steppe bei den eigentlichen Nomaden trägt man sie ganz einfach auf einen Berg oder in e^ine Schlucht, und überläßt sie den wilden Thieren und Raubvögeln. Es ist ein abscheulicher Anblick wenn man, was manchmal geschieht, in der Wüste mit ansehen muß wie Geier und Wölfe sich um menschliche Gebeine streiten. Sehr reiche Mongolen verbrennen auch wohl ihre Todten mit großer Feierlichkeit. Man errichtet aus Rasen einen großen Pyramiden-förmigenOfen und stellt, bevor derselbe vollendet ist. die von Brennstoffen umhüllte Leiche hinein. Darauf wird der Ofen weiter in die Höhe gebaut und geschlossen, bis auf eine kleine Oeffnung unten und oben. damit der Luftzug unterhalten werden und der Rauch abziehen kann. Während die Leiche verbrennt, halten Lamas Umgänge und singen Gebete. So> bald der Körper in Asche verwandelt ist, wird der Ofen abgebrochen; was von Gebeinen übrig bleibt, bringt man dem Oberpriester. Dieser Großlama zerstößt die Knochen ganz fein, durchmengt sie mit gleichen Theilen Weizenmehl, mischt Alles durcheinander, bäckt mit eigener Hand Kuchen von verschiedener Größe, und legt sie alle in der Weise überein' der daß sie eine Pyramide bilden. Die solchergestalt zubereiteten Knochen werden unter großem Pomp in einen kleinen Thurm gebracht dessen Stätte schon im Voraus von einem Zauberer oder Wahrsager ermittelt und bestimmt wurde. In solcher Art werden gewöhnlich die Lamas be» graben, und man trifft daher in der Nähe der Klöster und auf Neigen viele dergleichen Thürmchen. Man sieht sie auch noch in solchen Gegenden in denen die Mongolen längst vor den Chinesen haben weichen müssen; alle übrigen Spuren von einem vormaligen Verweilen der Tataren sind dort verschwunden, denn man findet keine Lamaklöster mehr und eben so wenig Weiden oder Hirten mit Zelten und Heerden. Alles das ist dahingegangen um einem andern Volke Platz zu machen, das andere Monumente und Bräuche hat. Nur jene Begrabnißthürmchen stehen noch. um Zeugniß von den früheren Besitzern des Landes zu geben. und gleichsam Einsprache gegen die Uebergriffe der Kitat zu erheben. 3. Kap.) Das Lamalloster der fünf Thürme. ' OH Der berühmteste Vegrabnißort der Mongolen liegt in der Provinz Schan Si, bei dem Lamakloster derFünfThürme, U Tay; Dasselbe gilt für den allerbesten Platz in welchem überhaupt eine Leiche zu bestatten ist, demi Grund und Boden find so heilig, daß Jeter dem das Glück wird dort begraben zu weiden schon deshalb sicher sein dars daß ihm eine ausgezeichnete Seelenwanderung zu Theil werde. Die wunder« same Heiligkeit jener Gegend rührt davon her daß Buddha schon seit einigen Jahrhunderten doit in einem Berge verweilt. Im Jahre 1842 brachte der edle Tokura, von welchem schon oben die Rede war, die Ge« beine seiner Aeltern nach den fünf Thürmen und hatte das unaussprcch» liche Glück den alten Buddha mit eigenen Augen zu sehen. Er hat uns selbst versichert: „Hinter dem großen Kloster liegt ein steiler Berg auf den man mit Händen und Füßen klettern muß. Ehe man auf den Gipfel kommt, gelangt man zu einem in den Fels eingehauenen Säulengang, legt sich auf den Bauch und schaut durch ein kleines Loch, das nicht größer ist wie die Oessnung einer Pfeifenspitze. Man muß lange hindurch sehcn ehe man etwas erblickt, nach und nach gewöhnt sich aber das Auge an die Düsterniß, und endlich hat man das Glück tief im Hintergründe des Berges das Antlitz des alten Buddha zu gewahren. Er sitzt mit über, einander geschlagenen Beinen in völliger Ruhe, umgeben von Lamas aus allen Landern; sie verneigen sich unaufhörlich vor ihm." Wie es sich auch mit dieser Angabe Tokura's verhalten möge, so viel bleibt ausgemacht: die Mongolen und Thibetaner find für jenes Lamakloster der fünf Thürme auf eine unbegreifliche Weise eingenommen. Nicht selten begegnet man in der Wüste ganzen Karawanen, welche die Gebeine der Aeltern nach den fünf Thürmen tragen, und mit schwerem Gold einige Zoll Boden kaufen um ein kleines Grabmal erbauen zu können. Selbst die Mongolen von Torgot scheuen eine ungemein beschwerliche fast ein Jahr in Anspruch nehmende Wanderung nicht, um nach der Provinz Schan Si zu pilgern. Um Alles zu sagen, müssen wir noch hinzufügen, daß die mongo« lischen Könige manchmal ein Begräbniß veranstalten, das an Barbarei nicht übertroffen werden kann. Man tragt die Leiche des Herrschers in ein aus Backsteinen aufgeführtes Gebäude, das mit vielen steinernen Bildern ausgeschmückt ist; diese stellen Menschen, Löwen, Elephanten, Tiger und allerlei Gegenstände aus der buddhistischen Mythologie dar. Mit der Leiche, die man in eine ausgemauerte Höhlung beisetzt, welche in der Mitte des Mausoleums sich befindet, begrabt man Gold und Silbermünzen, Huc, Mongolei. H ßß Leichenbegängnisse mongolischer Konige. 13. Kap. kostbare Kleider und andere Sachen deren man in einem andern Leben etwa bedürftig sein könnte. Bei der Feierlichkeit müssen dann viele Men« schen ihr Leben lassen. Man wählt die schönsten Kinder beiderlei Gc« schlechts aus; sie müssen so viel Quecksilber verschlucken bis sic daran sterben; dann behalten sie, sagen die Mongolen, ihre frische Gesichtsfarbe und sehen aus als ob sie noch leben. Diese Leichen stellt man dann um den todten Körper des Königs, den sie im Tode wie im Leben bedienen sollen; denn sie halten in den Handen Fächer, Pfeife, das Schnuvstabaks-fläschchen und andere derartige Dinge obne welche ein Tatarenfürft nicht sein kann. Damit alle diese begrabenen Schätze nicht geraubt werden, hat man ein sinnreiches Mittel erdacht. Man stellt in das Gewölbe eine Art Bogen der bei der Berührung eine Menge Pfeile znglcich abschlendert. Diese mongolische Höllenmaschine ist derartig angebracht, daß die Pfeile zumal den Menschen treffen, welcher es wagt dieEingangsthür ;n öffnen. Das Abschnellen des ersten Pfeiles übt einen Druck welcher so wirkt daß der zweite losgeht, der zweit« wirkt in derselben Weise auf den dritten und so fort bis zum letzten. Wer also aus Neugier oder Habsucht jene Thür öffnete, würde in demselben Augenblicke von Pfeilen durckbobrt nieder» sinken. Dergleichen gefährliche Maschinen stehen bei allen Bogenbändlein feil, und die Chinesen kaufen sie manchmal, um damit ihre Wohnungen zu schützen, falls sie längere Zeit vom Hans abwesend sein müssen. Nach zweitägiger Wanderung gelangten wir in das Königreich Efeh; es bildet einen Theil des Gebietes der Acht Banner, welchesKaiser Kien Long von demselben abtrennte, um es einem Fürsten der KhalkhaS zu geben. Sün Tsche, Begründer der Mandschudynastie, batte gesagt: „Im Süden dürfen wir nie Könige aufkommen, im Nor» den dürfen wir unsere Bündnisse nie locker werden lassen." Diese politische Maxime hat seitdem dem Hofe von Peking stets vorgeschwebt. Kien Long hatte dem erwähnten Fürsten, welchen er fester an sich binden wollte, eine seiner Töchter zur Gemahlin gegeben, in der Voraussetzung daß der Beherrscher der Khalkas dann häufig in Peking verweilen und den chinesischen Einflüssen zugängiger werde. Er ließ ihm in der Gelben Stadt selbst einen großen prachtvollen Palast bauen, der Mongolenfürst konute sich aber an das zwangvolle Hofleben nicht gewöhnen. Mitten in aller Pracht sehnte er sich nach Steppe, Zelt und Heerden. und hatte Heimweh nach der Kälte und dem Schnee seines Vaterlandes. Gr laugweilte sich zum Sterben, so große Aufmerksamkeit ihm auch erwiesen wurde, und traf Anstalt zu den Weidegründen seiner 3. Kap.) Ursprung des Königreichs Efeh. ß7 Khalkas zurückzukehren. Dagegen war seine junge Gemahlin an das Hofleben in Peking gewöhnt, und es schauderte sie bei dem Gedanken, in der Wüste mit Kameelen. Schafen und Mongolen zu leben. Wie sollte ein derartiger Zwiespalt sich ausgleichen? Der Kaiser ersann ein Auskunftsmittel, um beide Tdeile zu befriedigen. Er trennte von der Land» schast Tschakar einen Gebietstheil ab, und begabte damit den Mongolen^ fürsten, dem er in der Steppe eine hübsche kleine Stadt erbauen ließ; den Stamm ihrer Bewohner bildeten einhundert in Künsten und Gewerben erfahrene chinesische Sclavenfamilien. So wohnte die Fürstin in einer Stadt und hatte einen Hof, und der Fürst fand Gelegenheit sich zu Roß im Lande der Gräser umherzutummeln, und aller Reize des Nomaden» lebcns sich zu erfreuen. Ohnehin hatte dieser König von Efeh viele Khalkhas-Mongolen mitgebracht, die nach wie vor unter Zelten leben. Sie haben den Ruhm ihres Volkes. daß sie kräftige starke Leute seien, bis auf den heutigen Tag bewahrt, und gelten insbesondere für die ge« wandtesten Ringer in der südlichen Mongolei. Von frühester Jugend an treiben sie Turnübungen, und nie bleiben sie weg wenn in Peking große Preiskämpfe stattfinden. Dort halten sie ihren alten Ruhm aufrecht und tragen die besten Preise davon. An Körperkraft sind sie den Chinesen unendlich überlegen, müffen aber trotzdem manchmal den gewandteren und verschmitzteren Gegnern den Sieg lassen. Bei dem großen Preiskampfe im Jahre 1843 hatte ein riesenstarker Khalkhas - Mongole alle die sich ihm stellten, gleichviel ob Tataren oder Chinesen, der Reihe nach geworfen und bezwungen. Sein mächtiger Leib stand auf zwei gewaltigen muskelstarken Schenkeln, und mit seinen ner« vigen Fäusten warf er jeden Gegner fast obne alle Anstrengung zu Boden. Man war schon einig darüber daß der Preis ihm zuerkannt werden müsse, als ein Chinese in die Schranken trat, ein kleiner hagerer Mann. der gar nicht danach aussah, als werde er den starken Mongolen bezwingen. Nichtsdestoweniger schritt er keck auf den Goliath aus dem Königreich Efeh zu, der ihn eben mit seinen muskelgeschwelltcu Armen umklammern wollte. Da spie ihm der Chinese plötzlich Wasser ins Gesicht. Uuwill. kürlich wollte sich der Mongole das Gesicht abwischen. Darauf eben hatte der Chinese gerechnet; er packte den Gegner rasch bei einem Beine, das Gleichgewicht ging verloren, und der R'.ese fiel unter allgemeinem Ge» lächter zur Erde. Diesen chinesischen Kniff erzählte uns ein tatarischer Reiter, mit dem wir im Königreich Efeh eine Weile zusammen reisten. Unterwegs machte 5' ßg Turnübungen der Mongolen. — Drei Wölfe. 13. Kap. er uns auch darauf aufmerksam, daß die Kinder bei den Zelten sich im Ringen übten. „Das ist in unserm Land Efeh die liebste Uebung Aller; bei uns schätzt man am Manne nur zweierlei, wenn er nämlich ein tüchtiger Reiter und ein tüchtiger Ringer ist." Wir sahen an einem Pfade Knaben spielen, das heißt mit einander ringen. Der größte unter ihnen, höchstens neun Jahr alt, packte einen seiner Gefährten mit den Armen, warf ihn sich über den Kopf und hantirte überhaupt mit ihm wie mit einem Spielball. Dieses Herüber« und Hinüberwerftn wiederholte er sieben bis acht Mal, und wahrend wir bei diesem höchst gefährlichen Spiel für das Leben des Knaben zitterten, sprangen alle diese kleinen Mongolen jauchzend umher. Am zweiundzwanzigften Tage des achten Monats waren wir außer, halb der'Grenzen des Königreichs Efeh, und ritten dann über ein Gebirge dessen Abhänge mit Tannen und Birken bestanden waren. Dieser Anblick machte uns große Freude; denn im Allgemeinen sind die Einöden der Mongolei so holzarm, baumlos, nackt und einförmig, daß man sich ordentlich behaglich fühlt wenn man einmal Bäume erblickt. Aber unsere Freude wich bald einem ganz andern Gefühl. Denn als wir um eine Bergecke ritten, standen drei mächtig große Wölfe im Wege, die uns ruhig und unerschrocken anstarrten. Wir hielten plötzlich still. Samdadschiemba sprang im Nu von seinem kleinen Maulthiere, lief zu einem Kameel hin und packte dessen Nase so fest er nur konnte. Das war ein ganz vortreffliches Auskunftmittel, denn das Kameel fing an so durchdringend und fürchterlich zu schreien, daß die dadurch erschreckten Wölfe spornstreichs von dannen liefen. Unser Arsalan glaubte zuverlässig, sie hätten vor seiner Wenigkeit die Flucht ergriffen, und rannte hinter ihnen her. Dann aber machten die Wölfe wieder Kehrt, und der Hüter unsers Zeltes hätte gewiß seinen Uebermuth mit dem Leben bezahlen müssen, wenn nicht Herr Gäbet ihm dadurch zu Hilfe gekommen wäre, daß er die Nase seines Kameels packte, worauf denn das den Wölfen so unausstehliche Schreien begann. Die Wölfe nahmen zum zweiten Male Reißaus, und jetzt dachte Niemand daran ihnen nachzusetzen. Die Einöden der Mongolei sind sehr dünn bevölkert und zum großen Theil den wilden Thieren überlassen; man trifft aber Wölfe nur sehr selten, wahrscheinlich weil die Tataren diesen Räubern einen wahren Aus« rottungskamvf geschworen haben. Der Wolf gilt für den echten Erz< feind. cr wird aufs äußerste verfolgt wenn und wo er sich nur blicken läßt, denn gerade er ist den Viehheerden am allergefährlichften. Wenn die 3. Kap 1 Mongolische Fuhrwerke. ßg Nachricht verlautet, daß ein Wolf in der Nähe sei, steigt alles zu Pferde was nur aufsitzen kann, und auf der Ebene wimmelt es von Reitern, deren jeder eine lcu'ge Stange mit der Fangschlinge trägt. Der Wolf mag fliehen wohin er will, überall trifft er Feinde die auf ihn einsprengen. Die Rosse der Mongolen sind behende wie Ziegen, und klettern auch steile und unebene Wege hinan. Nachdem der Reiter dem Wolfe die Schlinge um den Hals geworfen hat, dreht er um. rennt im Galopp fort und schleppt das Unthier hinter sich her bis zum nächsten Zelte. Dort bindet man ihm den Rachen zu, um ihn in aller Muße nach Herzenslust mar« tern zu können; zuletzt wird ihm ledendig die Haut abgeschunden und dann läßt man ihn laufen. Im Sommer lebt er dann wohl noch einige Tage, im Winter aber ist es bei der strengen Kälte bald um ihn geschehen. Nachdem die Wölfe verschwunden waren, hatten wir eine andere ziemlich sonderbare Begegnung, nämlich zwei Karren, deren jeder von drei Ochsen gezogen wnrde. Außerdem waren aber noch vor jeden Wagen zwölf große wild aussehende Hunde vermittelst eiserner Ketten gespannt; an jeder Seite standen vier, und vier andere gingen hinten her. Das Fuhrwert war beladen mit viereckigen rothlackirten Kästen, auf diesen saßen die Wagenlenker. Wir wußten nicht recht was wir aus der Ladung machen sollten, und wozu man außer den Ochsen noch ein Dutzend solcher Abkömmlinge des Cerberus vorgespannt hatte. Fragen durften wir nicht, das wäre gegen Landesfitte gewesen, und würde uns in den Verdacht böser Absichten gebracht haben. Wir fragten also die Treiber ob es noch weit» hin sei bis zum Kloster Tschortschi, wohin wir an jenem Tage noch ge. langen wollten. Wir konnten aber vor Hundegebell und Kettengeklirr nicht verstehen was sie antworteten. Als wir durch ein Thal zogen, bemerkten wir vor uns auf einem keineswegs hohen Berge eine lange Reihe unbeweglicher Gegenstände, die wir nicht deutlich zu erkennen vermochten. Allmalig glaubten wir daß eine Menge von Kanonen dort aufgepflanzt sei. und meinten auch Geschütz-wagen, Laffetten und Läufe genau zu sehen. Aber wie kam eine solche Masse von schwerem Schießgewehr in diese mongolische Einöde? Unsere Täuschung nahm erst ein Ende als wir ganz nahe kamen, und nun sanden daß eine Menge zweiräderiger Karren da standen, von welcher jeder mit einem Sack voll Salz beladen war, der mit Matten umhüllt, aus der Weite gesehen, allerdings große Aehnlichkeit mit einer Kanone hatte. Die mongolischen Frachtfahler bereiteten ihren Thee in freier Luft, wahrend die Ochsen auf der andern Seite des Berges weideten. Ms. Mongolische Fuhrwerke. l4- Kap. Abgesehen von der Beförderung durch Kameele wird der Waarentransport in dei mongolischen Wüste vermittelst dieser kleinen zweiräderigen Karren besorgt. Diese sind bald hergestellt, werden roh gezimmert, und so leicht gemacht daß ein Kind sie heben kann. Als Zugvieh dienen Ochsen. denen man einen kleinen eisernen Ring durch die Nase zieht; an demselben befindet sich ein Seil vermittelst dessen das Zugtlmr an den vor ihm befindlichen Karren befestigt wird. So halten alle diese Fuhrwerke vom ersten bis zum letzten zusammen, und bilden eine lange ununterbrochene Reibe. Die Treiber nehmen nur selten auf dem Karren Platz, gehen nie zu Fuße und reiten auf den Ochsen. Auf der Straße zwischen Peking und Kiachta sind alle jene Strecken welche nach Tolon Noor. Kuku-Hote und Groß-Kuren führen, unablässig mit dergleichen Fuhrwerke» bedeckt. Schon aus weiter Ferne hört man den melancholischen Ton der eisernen Glocken welche den Ochsen um den Hals gehängt sind. Wir tranken mit zwei Mongolen ein Näpfchen Thee und schlugen bei Sonnenuntergang unser Zelt an einem Bache in der Nähe des Klosters von Tschortschi aus. Viertes Kapitel. Gin junger Lama wird zum Christenthum bekehrt. — Das Kloster Tschor» tschi. — Bauart an den buddhistischen Temveln. — Beschreibung von Groß-Kuren im Lande der Khalkhas. — Neise des Guison Tamba nach Peking. — Das Kuren der tausend Lamas. — Proceß zwischen dem Lamaköing und seinen Ministern. — Adler in der Mongolei. — DaS westliche Tnmet. — Ackerbauende Mongolen. — Ankunft in der Blauen Stadt. — Bemerkungen über das Volk der Maudschus. — Beschreibung der östlichen Tatarei und ibrer Erzeugnisse. — Die Mandschus als Bogenschützen. Ueber das Lamakloster Tschortschi hatten wir so viel sprechen hören, daß wir einigermaßen mit demselben bekannt waren ehe wir es noch gesehen. Dort war nämlich der junge Lama erzogen worden bei welämn Herr Gäbet das Mongolische lernte, und dessen Bekehrung zum Christenthum zu so guten Hoffnungen für die Ausbreitung des Evangeliums unter den tatarischen Völkern berechtigte. Dieser buddhistische Geistliche hatte ohne Unterbrechung vierzehn Jahre lang die heiligen Bücher studirt, und war in ter mongolischen und mandschurischen Literatur sehr bewan» dert; dagegen verstand er das Thibetanische nicht gründlich. Sein Lehrer war ein im ganzen Gebiete des Gelben Banners hochgeachteter Lama, der 4. Kap.1 Ein LaMa wird Christ. — Das Kloster Tschortschi. 71 gerade von diesem Schüler große Dinge erwartete, hatte ihn nur ungern auf längere Zeit entlassen und nur auf einen einzigen Monat beurlaubt. Als der Schüler Abschied nahm warf er sich, wie das herkömmlich ist, vor dem Lehrer zu Boden und bat um Befragung des Orakels. Der alte Lama schlug das thibetanische Orakelbuch auf, blätterte in demselben umher, las und sprach dann: „Du bist vierzehn Jahre lang als getreuer Schabi (Schüler) bei Deinem Lehrer geblieben, und heute trennst Du Dich zum erstenmal von ihm. Ich denke mit Sorgen an die Zukunft, lomm also zu rechter Zeit wieder. Bleibst Du länger als einen Monat fort, so ist es vom Schicksal bestimmt daß Du nie wieder einen Fuß in unser Kloster setzen wirst." Der Schüler reiste ab mit dem festen Entschlüsse seinem Lehrer in allen Dingen folgsam zu bleiben. Als. er in unserer Mission Si Wang anlangte, nahm Herr Gäbet als Grundlage für seine mongolischen Sprachstudien eine Uebersicht der Geschichte des Christenthums. Nach etwa einem Monate schwor der junge Lama den Buddhismus ab und wurde Christ; er erhielt den Tausnamen Paulus. Die Prophezeiung des alten Lama wurde buchstäblich erfüllt, denn Paulus hat das Lamaklofter niemals wieder betreten. Tschortschi, ein Lieblingskloster des chinesischen Kaisers, zählt etwa zweitausend Lamas. die alle vom Pekinger Hofe regelmäßige Besoldungen erhalten: selbst jene welche mit Erlaubniß ihrer Vorgesetzten längere Zeit abwesend bleiben, erhalten doch ihren Antheil an Geld und Lebensmitteln fort, und er wird ihnen bei ihrer Rückkehr ohne allen Abzug eingehändigt. In Folge dieser kaiserlichen Privilegien, Begabungen und Begnadigungen hat Tschortschi ein äußerst wohlhäbiges und nettes Ansehen; die Woh» nungen sind reinlich und oft auch zierlich und schmuck, und Lamas mit zerlumpten Kleidern, die anderwärts keine Seltenheit sind, werden hier gar nicht gesehen. Das Studium der mandschurischen Sprachen steht hier in hohen Ehren, und darin allein liegt schon ein Beweis wie sehr die Mönche dieses Klosters dem Kaiser ergeben sind. Im Allgemeinen find die Gaben uud Unterstützungen welche der Kaiser für die Erbauung an Klöster spendet nicht, von Belang. Die vielen großartigen und prächtigen Gebäude die in der Mongolei so oft vorkommen, verdanken ihr Dasein den freiwilligen Gaben der eifrig, religiösen Bewohner. Das Volk lebt und kleidet sich sehr einfach. sobald es sich aber um Ausgaben für kirchliche Zwecke handelt zeigt es sich un« gemein freigebig, ja man könnte sagen verschwenderisch. Die Dinge nehmen insgemein folgenden Verlaus. Man beschließt einen Tempel zu bauen. 72 Bauart an buddhistischen Tempeln. 14. Kap. bei welchem dann das Kloster nicht fehlen darf., Um die erforderlichen Mittel herbeizuschaffen machen sich Schwärme von Lamas auf den Weg, sämmtlich mit einem Zeugnisse versehen, durch welches sie zur Einsamm< lung von Beiträgen ermächtigt werden. Jeder übernimmt eine bestimmte Gegend, die ganze Mongolei wird somit in Sammlungsdistrikte getheilt, und jedes Zelt heimgesucht. Ueberall erbittet der Lama Almosen im Na< men des Alten Buddha. Gleich beim Eintreten erklärt er den Zweck sei« ner Anwesenheit, und zeigt das zur Aufnahme der Gaben bestimmte ge» weihcte Becken (Badir) vor. Dergleichen Sammler werden äußerst zuvorkommend aufgenommen, Jedermann giebt eine Spende, der Reiche Gold und Silber oder Pferde, Ochsen, Kameele; der Arme trägt nach Kräften bei, und händigt dem Lama Pelzwerk. Butter oder Seile ein, die er aus Noß« oder Kameelhaaren gedreht hat. Auf solche Weise wer« den in kürzester Zeit ungemeiu beträchtliche Summen zusammengebracht, und dann steigt in der wüsten Einöde rasch eine Menge von Gebäuden empor, so großartig und reich, daß auch große Potentaten dergleichen nicht leicht ausführen lassen könnten. Sämmtliche Lamaklöster find entweder aus Backsteinen oder aus Bruchsteinen aufgeführt; nur die allerärmsten Mönche bauen sich Woh. nungen aus Erde, aber auch diese werden immer so sorgfältig mit Kalk übertüncht, daß sie im äußern Ansehen hinter den übrigen Häusern nicht zurückstehen. Die Banart der Tempel ist im Allgemeinen eben so dauer« hast als zierlich, aber diese Gebäude erscheinen durchgängig zu gedrückt; sie sind im Verhältniß zu ihrer großen Ausdehnung viel zu niedrig. In den Umgebungen der Klostergebäude stehen ohne alle Ordnung und Symmetrie viele schlanke Thürme oder Pyramiden, oft auf sehr breiter masscn» hafter Grundlage, die in gar keinem Verhältniß mit dem schlanken Ober« bau steht. Es wäre äußerst schwierig zu bestimmen, zu welcher bekannten architektonischen Ordnung oder Classe man die buddhistischen Tempel in der Mongolei rechnen könnte. Da sieht man ein wunderliches System ungeheuerlicher und unförmlicher Baldachine, Peristyle mit abgebrochenen Säulen und einer unendlichen Reihe von Stufen. Der großen Eingangsthür gerade gegenüber befindet sich im Innern ein Altar von Holz oder Stein, meist in der Gestalt eines umgekehrten Kegels; auf ihm stehen die Götzenbilder. Sie haben selten eine aufrechte Stellung, sondern meist übereinandergeschlagene Beine. Oft haben die Statuen selbst eine über« menschliche Größe, aber das Antlitz ist immer schön und regelmäßig und em Abbild des kaukasischen Gesichtstyvus, freilich mit Ausnahme der 4. Kap.) Buddhistischer Gottesdienst. 7g unverhältnißmäßig großen Ohren. Von den teufelischen Fratzen der chi» nesischen Pll'Z sa findet man bei diesen mongolischen Götterfiguren auch nicht die geringste Spur. Vor dem größten Idol und in gleicher Linie mit dem Altar auf welchem dasselbe sich erhebt, befindet sich ein vergoldeter Sitz, auf welchem der lebendige Fo, der Oberlama des Klosters, Platz nimmt. Der Tempel ist an allen Wänden mit langen Tischen eingefaßt die sich nur wenig über den Boden erheben; sie bilden gleichsam Divans zur Rechten und zur Linken des Sitzes welchen der Oberlama inne hat; sie reichen, wie bemerkt, durch den ganzen Raum. sind mit Teppichen belegt und zwischen jeder Reihe wird ein freier Gang gelassen. Die Stunde zum Gebet ist da. Ein Lama dem heute die Obliegenheit wurde alle Insassen des Klosters zur Versammlung zu berufen, tritt vor die große Eingangsthür und bläst mit aller Kraft seiner Lungen auf einer Meermuschel nach allen vier Himmelsgegenden. Der gewaltige volle Ton dieses Instruments macht sich wohl eine Stunde weit vernehmlich, und verkündet den Lamas, daß die Zeit zum gemeinschaftlichen Gebete da sei. Dann nimmt Jeder Mantel und Hut und findet sich im großen in< nern Hofraum ein. Sobald der Ton der Meermuschel zum dritten Mal ertönt, öffnet man die große Thür und der lebendige Fo tritt in den Tempel'ein. Er nimmt Platz auf dem Altar, alle Lamas enkleiden sich . draußen ihrer rothen Stiefel, und treten barfuß unter tiefem Schweigen ein. Jeder macht drei Prostrationen vor dem lebendigen Fo, und nimmt dann den Platz ein welcher ihm je nach seiner Würde in der hierarchischen Abstufung gebührt. Alle sitzen mit gekreuzten Beinen und so daß alle Reihen einander das Gesicht zukehren. Nun giebt der Ceremonienmeifter ein Zeichen mit einem Glöckchcn. Darauf spricht Jeder ein Gebet leise vor sich hin. und legt das Gebetbuch auf die Knie. und schlägt das für jenen Tag bezeichnete Stück auf. Dann folgt eine Pause, während wel« cher die tiefste Stille herrscht. Wenn dann die Glocke abermals ein Zeichen giebt, wird von zwei Chören eine feievlich ernste melodische Psalmodie angestimmt. Die thibetanischen Gebete sind in Verse abgetheilt, und haben viel rhythmischen Takt; deshalb ist auch so viel wohlklingende Harmonie in ihnen. Bei gewissen im Buche angemerkten Stellen stimmt die daö Orchester bildende Abtheilung der Lamas eine Instrumentalmusik an, die gegen den volltönigen feierlichen Gesang einen schneidenden Gegensatz bildet. Sie besteht nämlich aus einem wirren und betäubenden Durcheinander von Glocken, Zymbeln, Tamburins, Seemuscheln, Trompeten ?4 Das Innere eines buddhistischen Tempels. ft. Kap. und Pfeifen; jeder Musiker spielt auf seinem Instrumente mit einer Art Wuth, und scheint alle anderen übertäuben zu wollen. Das Inuere des Tempels pflegt mit allerlei Schmuck und Zierrath überladen zu sein; insbesondere sieht man viele kleine Htatuen und Ge« mälde, die alle auf das Leben Buddha's und die verschiedenen Seelen« Wanderungen der berühmtesten Lamas Bezug haben. Vor den Idolen stehen, amphitheatralisch auf mehreren Etufenreihen. kupferne Vasen in großer Menge; sie haben etwa die Größe einer Thcetasse und glänzen wie Gold. Es find Opfergcfäße, in welchen unablässig Milch, Butter, mon« gotischer Wein und Hirse für die Gottheit befindlich sind. Auf den En< den jeder einzelnen Stufenreihe stehen Becken in welchen immer Weih« rauch brennt; die gewürzigen Kräuter zu diesem Opferduft werden auf den heiligen Bergen Thibets gesammelt. Auf dem Haupte der Idole hängen seidene Stoffe, die mit Goldborten und anderm Zierrath ge« schmückt sind, gleich Flaggen herab, auch Streifen mit heiligen Sprüchen beschrieben. Laternen aus Papier oder gepreßtem Horn mangeln nicht. Alle Kunstwerke, Ausschmückungen und Zierrathen welche man an und tn den Tempeln sieht werden von Lamas verfertigt, denn andere Künstler giebt es nicht. Gemälde find in Menge vorhanden, sie entsprechen aber nur selten den Regeln und dem Geschmack welche in Europa für dergleichen maßgebend erscheinen. Das Wunderliche und Groteske herrscht vor, und die Gestalten haben, jene des Buddha aus« genommen, ein ungeheuerliches und satanisches Aussehen; die Kleider scheinen nicht für den Leib des Individuums gemacht zu sein, welchem man sie aufhängt; es sieht aus als ob die unter dem Zeuge versteckten Glieder zerbrochen und in eine falsche Lage gerückt wären. Doch trifft man auch Gemälde die sehr schön sind. Wir besuchten einst im Königreich Ge» schelten das große Kloster Altan Somneh. das heißt den goldenen Tempel und fanden dort ein Bild das uns wirklich überraschte. In der Mitte desselben saß Buddha auf einem reichen Teppich in natürlicher Größe; um dieses Bild herum befand sich eine Art Strahlenkranz, der ganz aus Miniaturen gebildet war; sie stellten die eintausend Tugenden Buddha's dar. Wir konnten uns an diesem wunderschönen Gemälde kaum satt sehen; die Zeichnung war rein und voller Grazie, der Ausdruck der Gesichter vortrefflich und das Colorit ganz ausgezeichnet; alle Gestalten waren voll Wahrheit und Leben. Wir fragten unsern Führer. einen alten Lama. woher dieses köstliche Bild stamme. Er hielt die gefalteten Hände vor die Stirn und sagte: .Dieser Schatz stammt aus hohem 4. Kap.1 Mongolische Gemälde und Sculpture«. 7g Alterthum und umschließt die gesammte Lehre Buddha's. Das Bild ist nicht in der Mongolei gemalt, sondern aus Thibet gekommen, und hat einen Heiligen aus dem Ewigen Heiligthum (Lha'Ssa) zum Urheber." Die Landschaften sind gewöhnlich weit besser dargestellt als Lebensauftritte ; Blumen, Vögel. Bäume, fabelhafte Thiere schildert man richtig und gefällig mit ungemein lebendigen und äußerst frischen Farben; nur schade daß auch die mongolischen Landschafter keinen Begriff von Per< spective und Schattirungen haben. Die Lamas verstehen sich übrigens weit besser auf die Bildhauerkunst als auf die Malerei, und deshalb find sie auch an und in ihren Tempeln mit Eculpturen nicht im Mindesten sparsam, ja das Schnitzwerk ist sehr oft mit so verschwenderischer Fülle angebracht, daß man gestehen muß. ihre Fertigkeit mit dem Messer und Meißel umzugehen, sei viel stärker als ihr guter Geschmack. Außen um den Tempel herum stehen Tiger, Löwen und Elephanten auf großen Granitblöcken; die großen steinernen Rampen mit welchen die Aufgangs' stufen bis zur großen Tempelthür eingefaßt sind zeigen taufende geschnitzter oder gemeißelter Figuren von Vögeln. Kriechthieren und fabelhaften Wesen der mannigfachsten Art. Im Innern des Tempels erblickt man überall Reliefs aus Holz oder Stein, die immer mit Keckheit, oft bewundern«« würdig fein und hübsch, ausgeführt sind. Die Lamaklöster in der Mongolei können sich weder an Reichthum noch Großartigkeit mit jenen in Thibet messen. doch sind einige unter ihnen hoch angesehen, und unter den Verehrern Buddha's weit und breit berühmt, vor Allen jenes zu Groß-Kuren im Lande der Khalkhas. Wir haben Gelegenheit gefunden dasselbe während unserer Reisen in der nördlichen Mongolei zu besuchen, und es wird dem Leser nicht unwill« kommen sein eine nähere Beschreibung dieser Merkwürdigkeit hier zu finden. Kuren Heißtim Mongolischen so viel als Umfriedigung, enceinle. Das Lamakloster von Groß-Kuren liegt am Flusse Tula. Dort beginnt ei» ungeheurer Wald. der ununterbrochen auf einer Strecke von sechs bis sieben Tagereisen bis zur russischen Grenze reicht. Nach Osten hin soll er angeblich eine Ausdehnung von zweihundert Wegstunden haben, und bis zum Lande der Solo ns in der Mandschurei sich er« strecken. Um nach Groß-Kuren zu gelangen muß man einen ganzen Mo» nat über unabsehbare dürre Ebenen, über ein wahres Sandmeer reisen. Diese große Gobiwüste hat aller Orten einen unaussprechlich traurigen und düstern Anblick. Denn man sieht in ihr keinen Bach und keinen sprudelnden Quell; kein Baum unterbricht die ermüdende Einförmigkeit. 76 Das Lamallostci von Groß-Kuren. 14. Kap. Aber sobald man die Höhe der Kugurberge erreicht, welche im Westen die Staaten des Guison Tamba begrenzen, gewinnt Plötzlich Alles em ganz anderes Aussehen. Man hat malerische belebte Thalgründe vor sich, erblickt Berge die gleich einem Amphitheater hinter einander empor« steigen und prächtige Wälder tragen. Die Thalsohle eines breiten Grün« des dient dem Flusse Tula zum Bett. Er hat seine Quellen in den Barkabergen, strömt auf einer ziemlichen Strecke von Osten gegen Westen, beriefelt die Weidegründe auf welche die Heerden der La« mas getrieben werden. macht oberhalb Groß-Kuren eine Biegung, richtet seinen Lauf nach Sibirien und mündet in den Baikal-Tee. Die Masse von Häusern welche das Kloster bilden steht im Norden des Flusses, an den ausgedehnten Abhängen eines Berges. Die einzelnen Tempel in welchen der Guison Tamba und mehrere andere Oberlamas ihre Behausung haben, zeichnen sich vor anderen durch ihre Höhe und ver» goldeten Dächer aus. In jener großen Klofterstadt wohnen durchschnittlich dreißigtausend Mönche; in dieser Zahl sind die Insassen der Nebenklöfter in der Umgegend mitgerechnet. Die Ebene welche sich vor dem Berge hindehnt, ist zu allen Zeiten mit Zelten verschiedener Größe übersäet; in denselben wohnen die Pilger welche ihrer andächtigen In« brunst Genüge thun wollen. Denn nach Groß - Kuren wallen Fromme ans allen Ländern in denen Buddha verehrt wird. Dorthin kommen die Ü-Pi'Ta«Dzeh oder Fischhaut-Tataren, und schlagen ihre Zelte neben jenen der Torgot auf, welche von den Heiligen Bergen, Bokte Ula, herabsteigen. DieThibetaner und diePebun aus dem Himalaya find langsam mit ihren Jaks oder langhaarigen Ochsen herangezogen, und befinden sich nun neben den Mandschus vom Ufer des Songar und des Amur. also zur Seite von Männern welche die Reise nach Groß-Kuren zu Schlitten gemacht haben. Unaufhörlich werden Zelte aufgeschlagen und abgebrochen, Massen von Pilgern kommen und ziehen wieder ab, auf Kameelen, Ochsen oder Jaks in Schlitten und Wagen. zu Pferd und auf Maulthieren. Die weißen Zellen der Lamas find, in horizontalen Linien, am Ab« hange des Berges in der Art gebaut, daß eine Reihe derselben immer hoher liegt als die andere; sie gleichen daher aus der Ferne gesehen den Stufen eines riesenhaften Altars, auf welchem der Tempel des Guison. Tamba das Allerheiligfte bildet. Aus dem Innern dieses Tabernakels, dessen Vergoldung und helle Farben weit hin schimmern, tritt der Lama» könig hervor und nimmt unablässig Huldigungen der unzählbaren Gläu. 4. Kap.) Das Lamakloster von Groß-Kuren. 77 bigen entgegen, die sich vor ihm verneigen und verbeugen und zu Boden werfen. Im Lande nennt man ihn vorzugsweise den Heiligen, und jeder Khalkhas-Mongole rechnet es sich zur Ehre sagen zu können daß er ein Schüler des Heiligen sei. Jeder beliebige Bewohner von GroßKuren beunruhigt den Kaiser. Im Jahre 1839 beschloß der Guison Tamba. dem Kaiser Tao Kuang in Peking einen Besuch abzustatten. Als diese Nachricht am Hofe verlautete, gerieth Alles in eine förmliche Bestürzung, und vor dem Namen des Großen Lamas der Khalkhas erzitterte der Kaiser in seinem Palaste. Er schickte Unterhändler um den Entschluß des Guison Tamba rück« gängig zu machen, und im schlimmsten Falle wenigstens den Dingen eine solche Wendung zu geben, daß keine unruhige Bewegung stattfinde. Der Lamakönig blieb indessen bei seinem Vorsätze, gab aber in soweit nach, daß sein Gefolge aus nicht mehr als dreitausend Mönchen bestand; auch willigte er ein daß die übrigen Fürsten der Khallhas, die mit ihm 78 Reise des Guison Tamba nach Peking. s4. Kap. nach Peking hatten gehen wollen, daheim blieben. Dann machte er sick auf den Weg, und durch alle mongolischen Stamme ging eine gewaltige Aufregung. Sie strömten in unzähligen S^aaren herbei, und stellten sich an den Straßen auf. welche der Heilige einschlagen mußte. Jeder Stamm brachte Opfer dar, ganze Heerden von Rossen, Kameelen und Schafen. Gold- und Silberbarren und Edelsteine. Das andächtige Volk hatte dem Weg entlang in der Gobiwüste Brunnen gegraben, und die Fürsten der Lande, durch welche der Guison Tamba zog. sorgten dafür daß an allen Lagerplätzen Lebensmittel in Hülle und Fülle vorhauden waren. Der Lamakönig saß in einer gelben Sänfte, die von vier Pferden getragen wurde; jedes derselben wurde von einem hohen'Würdenträger des Klosters geführt. Die dreitausend Lamas, welche das Geleit bildeten, ritten theils vor theils hinter der Sanfte, auf Pferden oder Kameelen, aber nicht etwa in Reihe und Glied, sondern ohne alle Ordnung durcheinander. Alle gaben sich ihrem Enthusiasmus völlig hin; die Schaaren von Andacd« tigcn erwarteten mit Ungeduld die Ankunft des Heiligen. Alle fielen auf die Knie sobald die Sänfte sich blicken ließ, warfen sich sobald sie näher kam platt zur Erde, legten die gefalteten Hände vor die Stirn und berührten mit dem Haupt die Erde. Es war als wandelte ein Gott über die Erde um den Völkern seinen Segen zu ertheilen. In solcher Weise gelangte der Guison Tamba auf seinem pomphaften Triumpbzuge bis an die große Mauer. Dann aber war er nicht ferner ein Gott. sondern nur noch Fürst eines Nomadenvolkes, über welches die Chinesen spötteln, das aber dem kaiserlichen Hofe Besorgniß einflößt, weil es unter Umstanden die Sicherheit des Reiches gefährden könnte. Auf chinesischen Boden durfte der Heilige nur die Hälfte seines Gefolges mitbringen; alle Anderen mußten im Norden der Mauer bleiben, und schlugen in den Ebenen vor Tschakar ihr Lager auf. Der Guison-Tamba verweilte drei Monate in Peking, besuchte mehrmals den Kaiser, und empfing die einigermaßen Verdacht erregenden Huldigungen der Mandschufürsten und der Großwürdenträger des Kaiser» reiches. Endlich befreiete er den Hof von seiner unbequemen Gegenwart, und zog heim in sein Land, nachdem er vorher das Kloster der fünf Thürme und jenes in der Blauen Stadt besucht hatte. Aber es war ihm nicht beschieden Groß-Kuren wieder zu sehen; er starb unterwegs; die Mongolen behaupten, der Kaiser habe ihm in Peking ein langsam wirkendes Gift beibringen lassen. Die Khalkhas sind seitdem tief erbittert; betrübt haben sie sich aber nicht sehr über diesen Todesfall, weil sie die 4. Kap.1 Das Kuren der tausend Lamas. 79 feste Ueberzeugung hegen daß der Guison Tamba überhaupt nicht wirk. lich sterben kann; er wandert nur in ein anderes Land über, um dort jünger, ftischer und kräftiger wieder zum Vorschein zu kommen. In der That vernahmen sie 1844 daß ihr lebendiger Buddha in Thibet wieder Fleisch geworden sei. und suchten feierlich den fünfjährigen Knaben auf, um ihn auf seinen unvergänglichen Thron zu erheben. Wir sahen, als wir am Kuku Noor, am Ufer dieses „Blauen Meeres" lagerten, die große Karawane der Khalkhas vorüberziehen, welche sich nach Lha-Ssa begab um den Lamakönig nach Groß-Kuren einzuladen. Mingan Lamane Küre, das Kuren der tausend Lamas, ist gleichfalls ein berühmtes Kloster, das in der Zeit entstand, als die Mandschus China eroberten. Als Schün Tsche, Gründer der jetzt über China herrschenden Dynastie, aus deu Wäldern der Mandschurei hervorbrach und gegen Peking anrückte, traf er einen Lama aus Thibet, welchen er fragte, ob sein Unternehmen einen glücklichen Ausgang haben werde. Der Lama prophezeite günstigen Erfolg, und Schün Tfche sagte ihm, er möge dann nur in Peking bei ihm sich einfinden. Wirklich erschien er in der Hauptstadt, nachdem die.Mandschus von derselben Besitz genommen hatten. Der Kaiser gab zu. daß der Mönch ihm das Horoskop richtig ge» stellt habe, und schenkte ihm eine ausgedehnte Bodenfläche, auf welcher ein großes Kloster gebaut weiden solle. Auch wies er Unterhalt für ein» tausend Mönche an. Seit jener Zeit hat sich das Kloster der tausend Lamas beträchtlich vergrößert, und zählt gegenwärtig an viertausend La» mas. Deu alten Namen behält es aber bei. Allmälig haben sich Kauf» leute in der Nähe angesiedelt, und bei dem Kloster entstand eine von Mongolen und Chinesen bewohnte Stadt, in welcher starker Viehhandel getrieben wird. Der Großlama ist zugleich Landesherr, giebt Gesetze, läßt die Rechts« pftege verwalten und setzt die Beamten ein. Seinen Nachfolger sucht man allemal in Thibet, wohin der Verstorbene sich begiebt, um die Seelen« Wanderung zu bewerkstelligen. Als wir uns in Kuren der tausend Lamas befanden, war dort Alles in Verwirrung wegen eines Processes zwischen dem Lamakönig und seinen vier Ministern, welche auf mongolisch Dschas. sa k heißen. Die Letzteren hatten.ihren Emancipationsgelüsten so weit nachgegeben, daß sie sich verheiratheten und fern vom Kloster sich eigene Häuser ballten. Das Alles verstößt gegen die Mönchsregeln. Der Großlama gab sich Mühe diese Leute wieder auf den richtigen Weg zu bringen, aber die vier Dschassak erhoben gegen ihn eine lange Reihe von 80 Proceß zwischen dem Lamalonig und seinen Ministern. 14. Kap. Beschwerden, und hatten ihn in Dsche-Ho«Eül beim Tu tun oder Groß^ mandarin verklagt, der als Mandschu mit allen tatarischen Angelegen« heiten bekannt ist. Als wir das Kloster besuchten, hatte der Streithandcl schon volle zwei Monate gewährt, und mau sah bereits wie nachtheilig die Abwesenheit der Oberen einwirkte. Gebete und Studien waren unter, brochen, die große Eingangspforte zum äußern Hofraum stand offen und schien seit langer Zeit gar nicht verschlossen worden zu sein. Wir gingen hinein, und fanden auch im Innern Alles still und öde, in den Höfen wuchs Gras. Die Tempelthüren waren mit Ketten geschlossen, wir sahen aber durch die Flügelthüren und bemerkten daß die Sitze der Lamas, die Gemälde und Statuen mit Staub bedeckt waren; kurz Alles deutete darauf hin wie sehr die gesammtcn Verhältnisse dieses Klosters sich in Zerrüttung befanden. Nachdem die Oberen fortgegangen waren, gab es keine Klosterzucht mehr; die Lamas hatten sich zerstreut, und es sckien als ob überhaupt die Fortdauer der Anstalt in Frage gestellt sei. Wir vernahmen später, daß der Lamakönig den Proceß gewonnen hat, weil er mehr Geld aufwenden konnte als seine Minister. Den vier Dschassak wurde allerftrengftenS anbefohlen sich in.all und jedem gegcn ihren Ge» hieter folgsam zu erweisen. Zu den berühmten Klöstern gehören außerdem jene in der Blauen Stadt. in Tolon Noor und in Dsche«Ho-Eül, und innerhalb der Großen Mauer, also auf chinesischer Seite jenes in Peking und das der fünf Thürme in Schan»Si. Nachdem wir das Kloster Tschortschi verlassen, begegneten wir einem mongolischen Reiter, der ein eben erlegtes Reh auf dem Pferde trug. Wir hatten seit langer Zeit nichts Anderes genossen als unschmackhaftes Haser, mehl; es war demnach verzeihlich daß der Anblick jenes Stückes Wild den Wunsch in uns rege machte, einmal eine kräftige Speise zu haben; ohnehin war unser Magen äußerst geschwächt und verlangte Nahrhaftes. Wir grüßten den Jäger und fragten, ob er uns das Reh ablassen wolle. „Herren Lamas", antwortete er. „als ich dieses Thier erlegte, dachte ich nicht daran es zu verkaufen. Dort oben, jenseits Tschortschi. lagen chine» fische Karrenführer, die boten mir vierhundert Sapcken, ich sagte aber Nein. Aber mit Euch. Herren Lamas, rede ich anders als mit den Kitat; hier ist mein Reh. gebt mir was ihr wollt." Wir ließen ihm durch Sam< dadfchiemba fünfhundert Eapeken geben, nahmen das Reh aufs Kameel und ritten weiter. Fünfhundert Sapeken mögen etwa so viel sein als fünfzig französische Sous; ein Hammel kostet etwa dreimal so viel. Die 4. Kap.) Samdadschiemba als Kochkunst!e>'. 81 Mongolen machen sich nicht viel aus dem Wildpret nnd die Chinesen noch weniger; sie sagen das «schwarze Fleisch" sei nicht so gut als das weiße. Aber in den großen Städten, insbesondere zu Peking, ist darum doch das schwarze Fleisch auf den Tafeln der Reichen und der Mandarinen zu Ehren gelaugt, wahrscheinlich weil eS selten ist, und doch auch einige Abwechselung in die übrige Einförmigkeit der chinesischen Speisekarte bringt. Die Mandschu dagegen sind eifrige Jäger und lieben Wildpret sehr, nament« lich Fasanen, Bären und Hirsche. Etwa um Mittag gelangten wir an eine wunderschöne Stelle. Wir wareu in einem engen Durchgange zwischen zwei hohen Felsen; er führte uns in einen weiten von Gebirgen eingeschlossenen Thalgruud; an den Abhängen standen hohe Fichten; ein reichsvrndelnder Quell nährte einen murmelnden Bach welchen Engelwurz und wilde Münze einfaßten. Der Bach schien den Thalgrund gleichsam zu umkreisen, und dann hinter hohen Gräsern und Kräutern durch eine Oeffnung hinauszuströmen. die jener glich, durch welche wir in dieses Paradies gekommen waren. Als wir still biclten und uns der landschaftlichen Reize erstellten, wies Samdadschiemba auf eine Stelle hin, die sich zum Lagerplatz eignete, „Wir sollten nicht weiter gehen", sprach er, „allerdings haben wir erst eine kleine Strecke zurückgelegt und die Sonne stcht noch hoch, aber wir muffen unser Reh zubereiten." Wir hatten nichts dagegen einzuwenden, und schlugen das Zelt bei der Quelle auf. Samdadschicmba hatte sich oft gerühmt, daß er ein sehr gewandter Fleischer sei; jcht hatte er Gelegenheit zu beweisen was er konnte. Er bing das Thier an einen Fichtcnzwcig, wetzte sein Messer auf einem Zeltnagel, und fragte, ob er das Reh nach Weise der Türken. Mongolen oder Chinesen ausweiden solle. Wir überließen das ganz seinem Genie; dann ging er ans Werk, hatte das Thier binnen wenigen Minuten abgebalgt und ausgeweidet, und schnitt das Fleisch in der Weise heraus daß es ein großes zusammenhangendes Stück bildete; am Aste blieb nur das Geripp bängeu und zwar so. daß alle Knochen völlig rein waren. Er hatte in türkischem Styl gearbeitet, der auf langen Ncisen seine Vortheile darbietet, weil man nur Fleisch erliält und sick nicht mit den Knochen zu befassen braucht. Samdadschiemba umwickelte große Fleischstücken mit Schöpsenfett, was allerdings gegen die Regeln europäischer Kochkunst verstoßen mag. was l'ätte er aber anders machen können? Eben hatten wir auf dem Nasen Platz genommen und wollten anfangen zu essen, als plötzlich ein Sturm über uns dahin brauste. Ein m.icdtiger Adler stieß im Nu, gleich einem Blitzstrahl, aus hoher Luft Huc, Mongolei. « 82 Adler in der Mongolei. — DaS westliche Tumet. <4. Kap. herab, packte mit feinen Krallen ein Stück von unserm Reh. und schwebte bereits weit über uns, bevor wir uns nur von unserm Erstaunen wieder erholen konnten. Wir lachten. aber Samdadschiemba war Um so mehr erbittert, da der Vogel ihn mit seineu Schwingen tüchtig gestreut hatte. Seitdem wurden wir vorsichtiger. Wir hatten frülier schon metn-mals bemerkt, daß Adler über uns schwebten, sobald wir uus lagerten und unsere Speise bereiteten, aber sie war uus noch nickt geraubt worden: das Hafermehl batte nickt Anziehungskraft genug für den König der Lüfte gehabt. Mau findet den Adler fast überall in den Wüsten der Mongolei; bald kreist er in der Höbe umher, bald sitzt er auf irgend einer Bodenerhebung lange Zeit ganz unbeweglich wie eine Schildwacht. Kein Mensch macht Jagd auf ihn; er kann nisten, scinc Jungen ausfüttern und uralt werden, ohne daß er irgendwie gestört wüvde. Mancke werden größer als ein gewöhnlicher Hammel; sie müssen, wenn man sie aufstört, erst eine Strecke weit laufen und mit den Flügeln schlagen, ehe sie vom platten Boden sich in die Lust emporschwingen können. Nach einigen Tagen gelangten wir ans dem Lande der Acht Banner in das westliche T^met. Als die Mandschn China eroberten war der König von Tumet ein treuer Bundesgenosse gewesen. und der Sieger verlieh ihm aus Dank schöne Landstrecken nördlick von Peking, außerhalb der Großen Mauer. Sie weiden seitdem als das östliche Tumet bezeichnet; die alte Landschaft Tumct heißt nun die westliche; bcide sind durch Tschakar von einander geschieden. Die Mongolen in diesem westlichen Tumet sind keine Hirten und führen auch kein Nomadenleben, sie treiben Ackerbau und die Künste der Civilisation. Seit etwa einem Monat waren wir ohne Unterbrechung durch die Wüste gezogen; Abends hatten wir unser Zelt an der ersten besten Stelle aufgeschlagen, hatten über uns nichts als den Himmel und vor uns nur die unendliche Steppe gesehen. Seit lange waren wir ohne alle Berührung mit der Welt; wir hatten nichts weiter erblickt als dann und wann mongolische Reiter welcke durch das „Grasland" jagten, und uns vorkamen wie Zugvögel auf ihrem Wanderzuge. Allmälig hatteu wir uns an die Wüste gewöbnt, die in ibr herrschende Ruhe und Einsamkeit that uns wolil. So kam es, daß es unbehaglich wurde und uns beinahe den Athem abdrücken wollte, als wir auf einmal wieder in einem angebantcn Lande waren. mitten im Strudel und der Unruhe eines civilisirten Treibens. Es war uns wirklick als ob uns die Luft fehlte und wir ersticken müßten. Dieser Eindruck ging indessen bald vorüber, und am Ende fanden wir es doch bequemer in einer 4. Kap.) Ackerbauende Mongolen. — Die Blaue Stadt. 83 gutgeheißen Herberge Unterkommen zu finden, als allabendlich ein Zelt aufzuschlagen. Dünger zur Feuerung mühsam zusammen zu suchen und allen Unbilden der Witterung preisgegeben zu sein. Die Bewohner des westlichen Tumet haben, als Ackerbauer, die Eigenthümlichkeiten des wahren mongolischen Charakters eingebüßt, und sich, wenn der Ausdruck erlaubt ist, mehr oder weniger verchinesert: viele können nicht einmal mehr mongolisch sprechen. Manche laffen anch merk-n, daß sie mit einiger Verachtung anf ihre Brüder in der Wüste hcrabblicken. weil diese den Hirtcnstab noch nicht mit der Pflugschar vertauscht haben; es erscheint ihnen tbörig ein Wanderleben zn führen. und nuter Zelten zn hausen, wäbrend doch nichts im Wege stände Häuser zu enichten und den Acker zu bestellen. Uebrigens thaten diese Leute wohl daran sich den Feldbau anzueignen, denn sie wohnen in einem äußerst fruchtbaren, gut bewässerten Lande, in welchem alle Getreidcarten ausgezeichnet gut fortkommen. Als wir durchreisten war die Ernte schon cingescheuert; wir konnten uns aber genugsam überzeugen daß sie ungcmcin reich auogefallm war. Ueberhaupt trägt im westlichen TumetAlles ein deutliches Gepräge von großem Wohl» stand, und man trifft nirgends verfallene Wol'iuingen. die in China so häufig sind; edcn so wenig findet man halbvellnmgerte mit Lumpen be» deckte Bettler; alle Landleute sind sehr gut gekleidet. Ganz besonders aber sprachen uns die prächtigen Baume in den Dörfern an; auch die Wege sind damit bepflantt. Die übrigen mongolischen Gegenden in welchen Chinesen sich niedergelassen haben gewähren niemals einen dergleichen Anblick, weil man gar keine Bäume pflanzt, da sie doch bald gestohlen und zur Feuerung verwendet werden. Nachdem wir drei Tage lang durch die bebauten striche von Tumet gewandert waren, gelangten wir nach Ku-Ku-Hotc. der Blauen Stadt, welche die Chinese^ Kni-Hoa«Tsche u nennen. Es giebt zwei Städte gleiches Namens welche nur fünf Li's anseinander liegen; die eine heißt die Alt- oder Handelsstadt, die andere die Neu- oder Soldaten« stadt. Wir gelangten zuerst in diese letztere; Kaiser Khang Hi hat sie bauen lassen um das Neich gegen Feinde zu schütze», die etwa von Norden herkämen. Sie gewährt einen so großartigen, hübschen Anblick, daß man sie auch in Europa schön finden würde. Das gilt aber nur von den ans Backsteinen aufgeführten Ringmauern mit Zinnen, denn die Häuser sind nach chinesischer Art gebaut, niedrig, und stehen in gar keinem Verhältniß zu den hohen und breiten Wallen und Mauern mit welchen die Stadt umzogen ist. Das Innere der Stadt ist regelmäßig, namentlich zeichnet 84 Bemerkungen über das Voll der Mandschu s-l-Kap. sich die große hübsche Straße aus, die von Often nach Westen geht. In dieser Soldatenstadt liegt ein Kiang-Kiün oder Befehlshaber einer Ab« thcilung von zehntausend Manu. welche alle Tage ezerciren müssen. Kui> Hoa-Tscheu ist eigentlich nur eine große Caserne, und die Soldaten dieser Neustadt von Ku-Ku-Hote sind Mandschu; wer das aber nickt wüßte und sie blos sprechen hört. würde es gar nicht ahnen. denn es ist wohl kaum ein Einziger unter ihnen der die Landessprache seiner Heimat versiebt. Die Mandschu sind nun sckon seit zweihundert Jahren Herren des weiten chinesischen Reiches, und man kann wohl sagen, daß sie eben so lange daran gearbeitet haben, um sich zu Grunde zu richten. Alles an ihnen ist chinesisch geworden: Sitten, Sprache, ja ihr Land selbst, und wir möchten behaupten, daß die Nationalität der Mandschu bereits vernichtet sei. Um diese eigenthümliche Gegenrevolution zu begreifen, um zu versieben wie die Chinesen ihre Unterjocher sich assimilirt und ihrerseits die Mandschurei unterjocht haben, muß man die Dinge in ihren Einzelheiten und in ihrem Zusammenhang ins Auge fassen. Als in China die, Dynastie der Ming herrschte (!368 bis 1644). borten die Kriege auf. welche die einzelnen Stämme der östlichen Tataren oder Mandschu lana,e Zeit mit einander geführt hatten. Sie wählten ein gemeinschaftliches Oberhaupt und gründeten so ein Königreich. Die Ein» heit gab dort, wie überall. Kraft; und diese nördlichen Barbaren flößten jetzt dem chinesischen Hose Besorgniß ein. Im Iabre 1618 füblte sich der Mandschukönig schon so stark, daß er dem chinesischen Kaiser sieben Beschwerden einreichte, für die er Rache zu nehmen habe. Sein keckes Manifest endete mit den Worten: „Um diese sieden Unbilden zu rächen. werde ich den Herrscherstamm der Ming unterjochen." Bald war das chinesische Reich durch viele Aufstände und Schilderhebungen im Innern zerrüttet; der Nebellenhäuptling bclagerte'Peking und nahm dasselbe ein. Der Kaiser gab Alles verloren und erhenkte sich, an einem Baum im kaiserlichen Garten. Vorher schrieb er mit seinem eigenen Blut die Worte: „Da das Reich zu Grunde geht, so muß auch der Fürst sterben." Nun rief U.San-Kue'l, General der chinesischen Truppen, die Mandschu l,er. bei um mit Hilfe dieser Bundesgenossen, die Rebellen zu bezwingen. Sie wurden aufs Haupt geschlagen; der chinesische Feldherr verfolgte sie im Süden, während im Norden der Mandschnbäuptlwg openrte. Er kam nach Peking, fand denThron erledigt und nahm ihn ohne Weiteres in Besitz. Bevor alles das sich ereignete. war es den Mandschu streng ver» boten nach China zu kommen; sie durften nicht über die Große Mauer 4. Kav-1 Vcmeiklm^ll über das Volk der Mandschu. gg hinaus, welche namentlich unter der Mingdynastie sehr scharfund sorgsam bewacht wurde. Dagegen durste auch kein Chinese die Mandschurei betreten. Nach jener Eroberung gab es aber keine Scheidegrenze zwischen beiden Völkern mehr. der Eintritt aus einem Lande in das andere war frei, und von da ab ergossen sich die Chinesen aus den Provinzen wie ein breiter Strom über die Mandschurei. Der nun als Kaiser über China berrschende Mandschukönig galt iu seinem Stammlande für den Herrn und Eigenthümer alles Grnndes und Bodens; als Kaiser von China verlieh er in seinem ausgedehnten Reiche seinen mandschurischen Landsleuten große Besitzungen, wofür sie alljährlich nicht unbeträchtliche Lei» stungen zu übernehmen hatten. Durch diese Verpflichtungen haben die ehemaligen Sieger sich ;u Grunde gerichtet; sie wurden nämlich von den Cbinesen bewuchert, übervortheilt. überlistet und in jeder Weise ausge« beutet. Die bezwungenen Kitat wurden nach und nach wieder wirkliche Inhaber der Landgüter, während der mandschurische Besitzer nur dem Namen nach Eigenthümer war und doch alle Lasten und Abgaben tra« gen mußte. Es ist allmalig dahin gekommen baß Name und Eigenschaft eines Mandschu zu einer schweren Last geworden sind. deren man sich gern entledigt. Ein Gesetz verfügt, daß in jedem dritten Jahre in jedem Ban. ncr eine Volkszählung vorgenommen werde. Wer sich der Behörde nicht stellt, seinen Namen nicht in die Register eintragen läßt. wird angesehen als ob er nickt mehr zum Mandschuvolk gehöre. Wer also die auf ihm lastenden Verpflichtungen zu drückend findet und sich dem Kriegsdienst entziehen will, erscheint bei der Zählung nicht, und tritt durch diese bloße Tbatsache in die Reihen des chinesischen Volkes ein; er gilt nicht mehr für einen Mandschu. Auf solcke Weise hat eine sehr beträchtliche Zahl dieser Letzteren ihrer Volkstümlichkeit entsagt, während zugleich große Schwärme von Chinesen ins Land kamen, ohne von ihrer Nationalität das Allergeringste anfzngeben. Gerade jetzt geht das Mandschuvoll seinem Verfall ungemein schnell entgegen, oder genauer ausgedrückt, es wird bald völlig verschwinden. Bis zur Regierung Tao Kuaugs waren die Gegenden welche der Songari durchströmt ausschließlich von Mandschu bewohnt; kein Chinese durste sie betreten und Ackerbau gar nicht betrieben werden. Aber bald nach dem Regierungsantritt des verstorbenen Kaisers wurden die dortigen Ländereien zum Verkauf ausgeschrieben, weil in des Monarchen Schatz tiefste Ebbe war. Die Chinesen stürzten wie Raubvögel in das Land am Songari, und schon nach wenigen Jahren war dort Alles 86 M.u!dsch»sprachc „nd Mandschuliteratur. >4. Kar. gänzlich umgewandelt. Es giebt gegenwärtig in der ganzen Mandschurei kaum eine Stadt oder ein Dorf. wo die Einwohner nicht beinahe aus. schließlich chinesischer Abkunft wären. Diese Umgestaltung ist durchgreifend und beinahe ganz allgemein; nur einige wenige Stämme, wie die Si-Po und die Solon, haben bis heute ihreMaudschueigentbümlichkcit treu bewahrt; noch sind in ihrem Gebiete keine Cdinescn. auch wird Ackerbau nicht geduldet. Das Volk wohnt nach der Altvordern Brauch unter Zelten und liefert Krieger für des Kaisers Heer. Aber auch hier dringt nach und nach das Neue ein: der Aufenthalt i» Peking und in anderen chinesischen Garnisonen bleibt nicht ohne Einwirkung auf das Leben und Vie Anschauungen der Si - Po und Solon. Die Cbinesen haben seit der Eroberung Giniges von den Gebräuchen und der Tracht der Mandschu angenommen, zum Beispiel das Tabaksrauchen und den geflochtenen Haarzopf. Dafür haben die Kitat aber ihren neuen Herren chinesische Sitte und Sprache aufgezwuugen. Man sagt wohl, die Mandschurei reiche von China bis zum Amurstrome; wer aber in jenem Lande reiste, glaubt sich auch dort iu China; die alte Eigenthümlichkeit ist so durchaus verwischt, daß, mit Ausnahme einiger Wanderstämme, Niemand mehr das Mandschu spricht, und vielleicht wäre von dieser herrlichen Sprache kaum noch cine Spur vorhandeu, weun die Kaiser Khang Hi und Kien Lung ihr nicht Denkmale gesetzt hätten, die unvergänglich sein werden. Eine besondere Schrift erhielten die Mandschu erst 1624. Damals gab das Oberhaupt der östlichen Tataren, Ta'i Tsu Kao Hoang Ti einigen Gelehrten seines Volkes den Auftrag. Schrift.-zeichen nach Art der Mongolischen zu entwerfen. Im Jahre 1641 voll« endete ein geistvoller Mann. Tahai. diese Arbeit und gab der Schrift der Mandschu ihre Feinheit, Zierlichkeit und Klarheit, die wir jetzt an ihr bewundern. Schün Tsche ließ die besten Werke der chinesischen Literatur übersetzen, und Khang Hi errichtete eine Akademie von Gelehrten welche beider Sprachen in gleich hohem Grade mächtig waren. Sie übersetzte namentlich geschichtliche Werke und arbeitete mehrere Wörterbücher aus. Den Mandschu. als ehemaligen Nomaden, fehlten viele Wörter um neue Gegenstände und Begriffe zu bezeichnen; man mußte also neue Ausdrücke finden, die zumeist dem Chinesischen entlehnt wurden. und welche man durch zweckmäßige Umwandlung dem Geiste der mandschurischen Sprache anzupassen suchte; dabei ging aber allmälig sehr Vieles von der Urthüm, lichkeit der letztem verloren. Kaiser Kien Lung griff dagegen wirksam ein; 4. Kav.> Mandfchuspraclie u»d Mandschnliteratur ,<^ er ließ ein Wörterbuch abfassen, von welchem alle chinesischen Wörter aus» geschlossen blieben. Die Verfasser desselben mußten bei Gelehrten und in der Sprache wohlbewanderten Greisen Nachfrage halten, und es wurden Preisbelohnungen für Alle ausgeschrieben, welche alte, in Abgang gekommene Ausdrücke nachweisen konnten. Man muß rs den Bemühungen und dem erleuchteten Eifer der ersten Kaiser aus der henschenden Dynastie Dank wissen, daß fast ,alle werth» vollen Bücher dcr chinesischen Literatur in die Mandschusprache übertra« gen worden sind. Alle diese Uebersetzungen sind genau und zuverlässig, sie wlirdcn auf besondern Befehl mehrerer Kaiser von gelehrten Akademikern versaßt, und von anderen nicht minder gelebrtcn Akademikern noch einmal durchgesehen und sorgfaltig geprüft. Durch so genaue und gewissenhafte Arbeit hat das Mandschurische eine sichere Grundlage erhalten. Wenn es auch als lebende Sprache längst verschwunden sein sollte, so wird es doch stets als gelehrte Sprache von hobem Werthe bleiben, und den Phi« lologen welche sich mit dem Studium asiatischer Sprachen beschäftigen, unschätzbare Dienste leisten. Denn nicht blos die besten chinesischen Werke sind in das Mandschu übersetzt worden, sondern auch die ausgezeichnetsten Schriften der Literatur des Buddhismus, sowohl thibetanische als mongolische. Ein mehrere Jahre fortgesetztes Stndium wird einen fleißigen Gelehrten in den Stand setzen, viele der schätzbarsten Bücher der ostasiatischen Welt sich geistig anzueignen, vermittelst dieser Mandschusprache, die so schön, wohlklingend, vor Allem aber ungemein klar ist. Auch ist das Erlernen derselben eben so angenehm als leicht gemacht worden durch die in französischer Sprache zu Altenburg erschienenen Elemente der Mandscku. Grammatik, von Conon v. der Gabelentz. Dieser große deutsche Linguist hat Bau und Regeln dieser Epracke, äußerst lichtvoll und begreiflich dargestellt, und sein ganz vortreffliches Werk leistet ungemein werthvolle Dienste beim Erlernen einer Sprache, die in ihrer eigenen Hei» mat auszusterben droht. Außer in Deutschland ist das Mandschn nur noch in Frankreich ^— imd neuerdings bei deutschen Gelehrten in Nußland —) Gegenstand gelehrten Studiums gewesen. Die französischen Missionäre haben aber auch die Ausbreitung des Christenthums angebahnt unter jenen Völkern, deren Religion in einem Durcheinander von Lehren und Gebräuchen be> steht, die zugleich dem Lao Tseu, dem Confucius uud dem Buddha ent» lebnt sind. Zur Zeit der ersten Mandschukaiser baben bekanntlich die Misstonäre, die zumeist sehr ausgezeichnete Männer waren, am Hofe zu ßg Das apostolische Vicariat der Mandschurei. s4. Kap. Peking viel gegolten. Tie begleiteten den Kaiser auf seinen Reisen, und benutzten ihren Einfluß um für das Christenthum thätig zu sein, das auf solche Weise in der Mandschurei Einfluß fand. Im Anfang war die Zahl der Bekehrten nur gering, sie wuchs aber an als die Chinesen ins Land kamen, unter welchen sich manche christliche Familien befanden. Bis vor Kurzem gehörten diese Missionen zum Sprengel von Peking, welche der Bischof von Nanking verwaltete. Dieser war aus Portugal gebürtig, das lange Zeit durch politische Unruhen zerrüttet wurde. Der Bischof be< fürchtetete daß unter solchen Umständen die portugiesische Kirche außer Stande sein werde, ihm die erforderliche Zahl von Hülfsarbeitern schicken zu können, und wendete sich deshalb an die Congregation clepropassancl» Läo in Nom mit der Bitte um Unterstützung. Die Congregation ging auf die Wünsche des ehrwürdigen Greises ein, welcher am Rande des Grabes stand. Sie trennte die Mandschurei pom Pekinger Kirche»' sprenge! ab, und errichtete für sie ein apostolisches Vicariat. welcbcS sie der Gcsellsä'ast der auswärtigen Missionen anvertraute. Dasselbe wurde den, Bischof von Columbia. Vsrollcs. übertragen, der mit apostolischer Hingebung und Ausdauer jene christlichen Gemeinden verwaltete. Die Neubekehrten widerstrebten dcrKirchcnzucht. waren voller Vorurtlieile, und legten dem Vicar größere Hindernisse in den Weg. als selbst die Verstocktheit der Heiden. Durch Klugheit wußte er aber allc diese Hindernisse zu besiegen; die Mission gewann eine andere Gestalt und seitdem vermehrt sich die Zahl der Christen alljährlich. Es steht zu hoffen daß das aposto« lische Vicariat in der Mandschurei eins der blühendsten in Asien werde. Die Mandschurei wird im Norden von Sibirien, im Süden durch den Meerbusen Phu Hai und Korea, im Osten vom japanischen Meere, im Westcu vom russischen Daunen und der Mongolei begrenzt. Mukden, oder Schen - Uang wie die Chinesen sie nennen, wird als die zweite Hauptstadt des Reichs betrachtet; der Kaiser besitzt dort einen Palast, und die Gerichtshöfe haben dieselbe Einrichtung wie in Peking. Diese große und schöne Stadt ist mit hohen dicken Wällen umgeben, die Straßen sind regelmäßig breit und weder so schmuzig noch so voller Lärm wie jene von Peking. Ein ganzes Stadtviertel wird nur von Prinzen mit dem gelben Gürtel, das heißt von Mit« gliedern der kaiserlichen Familie bewohnt; sie stehen alle unter der Auf. ficht eines Großmandarin, der ihr Betragen zu überwachen hat. und allen etwa vorkommenden Unordnungen und Mishelligkeiten steuern muß. Wer die vorgeschriebenen Regeln und Gebote übertritt, wird vor diesen Beam» 4. Kap.) Dle östliche Mandschurei und ihre Erzeugnisse. 89 ten geführt, der sein Urtheil spricht, gegen welches Berufung nicht statt« findet. Nächst Mukden sind die bedeutendsten Städte: Ghirin oder Kirin. das mit hohem Pfahlwerk umgeben ist, und Ninguta; dieses letztere ist Stammort der kaiserlichen Familie. Kai < tscheu und K i n« tscheu treiben als Seestädte lebhaften Handel. Die Mandschurei ist ein gut bewässertes, an sich fruchtbares Land, das viele werthvolle Erzeugnisse liefert, seitdem die Chinesen den Ackerbau dort eingeführt haben. Im südlichen Theile.gedeiht der sogenannte trockene Reis. der leine Bewässerung nöthig hat; nicht minder der kaiser» liche Neis, so genannt weil der Kaiser Khang Hi ihn entdeckte. Beide Arten würden im mittleren Europa sicherlich gedeihen. Auch Hirse (Kao Leang, llo!cu8 8or^um?) wird viel gesäct; man bereitet aus ihr einen ausgezeiclmctm Branntwein. Der Tabak der Mandschurei gilt für den allerbesten im Kaiserreiche; Sesam. Flachs und Hanf sind wichtige Stavelproducte. In diesem Theile der Mandschurei verwendet man große Sorgfalt auf den Anbau der Baumwolle mit krautigem Stengel, <3c,«8^ pium koi-baesum, die einen uugemein reichen Ertrag giebt. Zum Aus» körnen bedient man sich einer Art von straffgespanntcm Bogen, dessen Sehne man auf die kleinen Flocken schnellen läßt. Ein Theil des Samens wird für die nächstjährige Aussaat zurückgelegt, und aus den übrigen ein Oel gepreßt, das einige Aelinlichkeit mit dem Leinöl hat. In dem obern Theile der Mandschurei ist das Klima für den Anbau dieser Mauze zu kalt; dagegen ist dcr Ertrag von Getreide sehr beträchtlich. Außer diesen Erzeugnissen. welche die Mandschurei mit China ge» mein hat. liefert sie drei ihr eigenthümliche Producte. Ein Sprichwort sagt: „Im Osten der Pfahlgrenze bat man drei Schätze s— San« pao. wie die Chinesen sagen. Die Mandschu sprechen: Ilan Baobai, die Mongolen Korban erdeni. die Tibetaner Tschok Sum —), uämlich den Dschinstng, den Zobelpelz und das Kraut Ula. Der Dschinseug ist seit langer Zeit in Europa bekannt. Trotz« dem konnte es sich ereignen daß eine gelehrte Akademie noch vor wenigen Jahren das Dasein dieser Pflanze in Zweifel zog und bei den Missionären anfragte, ob es sich hier nicht um ein fabelhaftes Ding handle? Wir können mit Zuversicht behaupten, daß der Dschinseng einen der wichtigsten Handelsartikel der Mandschurei bildet, und daß auch die kleinste Apotheke in China wenigstens ein paar Wurzeln davon immer vorräthig hat. Die Wurzel ist spindelförmig, sehr knorrig, zwei bis drei Zoll lang. und selten so dick wie ein kleiner Finger. Nach gehöriger Zubereitung ist sie durch« 90 Die drei 3chätze der Mandschure!. ft Kav. scheinend wtiß, lind dabei manchmal leicht rötblich oder gelblich gefärbt. Wir können sie mit nickts besser vergleichen als mit lleinen Stalaktiten-zweigen. Die Cbinesen wiffen viel von den wundertbätigen Wirkungen dieser Pflanz zu erzählen, und machen sich dabei großer Uebertreibungen schuldig; es kann aber nicht bestrittcn werden, daß diese Wurzel sehr an» regend auf den Körper wirkt; sie ist ein starkes tonisches Mittel, dessen sich namentlich auch alte und schwache Leute bedienen, um sich zu kräftigen. Die chinesischen Aerzte behaupten, der Gebrauch des Dschinseng, welcher überhaupt das Blut stark erhißt, werde den Europäern durchaus nicht zuträglich sein können, weil diese ohnehin schon ein hitziges Temperament hätten. Wie dem auch sein möge, es nnterliegt keinem Zweifel daß der Dschinseng außerordentlich hock im Preise steht, denn eine Unze wird mit zehn bis fünfzehn Taels Silber bezahlt. Wer mit dem Charakter der Chinesen näher vertraut ist, wird sich sagen können, daß gerade dieser Umstand wesentlich beiträgt, den Dschinseng so berühmt und gesucht zu machen; viele reiche Leute und Mandarinen legen wobl nur so hohen Werth auf ibn, weil er den ärmeren Classen nickt zugängig ist. Manche nehmen ihn nur »m damit zu prunken, und dem Publicnm zu zeigen daß sie wohlhabend seien. Auck Korea erzeugt Dschinseng; dieser wird Kao°li«seng genannt, aber bei weitem nicht so geschätzt als jener aus der Mandschurei.') Den zweiten „Schatz" der östlichen Tatarei bilden die Zobelfelle, welche so hoch im Preise stehen, daß beinahe nur die Fürsten und hohen Würdenträger des Reichs dergleichen Pelzwerk tragen. Dagegen kann den dritten Schatz, das Kraut Ula, Jedermann sich verschaffen. DerUla ist eine Art Fußbekleidung aus Rindsleder; diese wird mit dem Kraute allö-gestopft, daS selbst bei sehr strenger Kälte den Fuß bei erquickender sanfter Wärme erhält. Dieses Ula tsao ist sehr wohlfeil und verdient wirklich als Schatz bezeichnet zu werden. Die Mandschu haben, wie schon gesagt, von ihren urthümlichen Sitten und Gebräuchen sehr Vieles aufgegeben, aber der alte Hang zur Jagd. die Vorliebe für Pferderennen und Bogenschießen haben sie bewahrt. Auf diese drei Stücke legten sie allzeit hohen Werth; man braucht nur ein Wörterbuch ihrer Sprache durchzugehen, um sich davon zu überzeugen. ') Der Dschinseng (Kinscng) ist in die vereinigten Staaten von Nordamerika verpflanzt worden, wo er vortrefflich gedeiht. Die ?))a,ifeeS sichren davon schon eine beträchtliche Menge ans, selbst nach <5l>ina. Dadurck ist der hohe Preis des mandschuriftl'cu Productco beträchlich hcrabgedrückt worden. 4, Kap.) Die Mandscbii Kn-Hote; dann gingen wir in die Handelsstadt. Es berührte uns schmerzlich daß wir in einer Mandschustadt chinesisch reden hörten. Wir konnten uns 92 Die Zukunft der Mandschurei. ft. Kap. nur schwer mit dem Gedanken vertraut machen, daß ein Volk. noch dazu eins dem die Oberherrschaft zufiel, seiner Nationalität so völlig untreu wurde, so gänzlich von sick abfiel. daß es sich jetzt nur noch in Wenigem von dem eroberten Volke unterscheidet, zum Beispie! durch etwas weniger Betriebsamkeit und viel weniger Eigendünkel. Als jener Lama dem Ta» tarenhäuptling die Herrschaft in China prophezeite, hätte er ihm auch voraussagen sollen, daß seine ganze Nation mit Sitten, Sprache und auch mit dem Lande selbst für alle Zeiten in den Schlund des chinesischen Rei« ches hineingezogen werde. Wenn die gegenwärtige Herrscher» familie durch eine Revolution vomThrone gestürztwird, so bleibt denMandschu gar nichts Anderes übrig, als sich mit dem chinesischen Element völlig zu verschmelzen und in demselben aufzugehen. Es wird ihnen nicht einmal möglich fein, in ihr altes Vaterland zurückzukehren, denn die Mandschurei ist ja von Chinesen völlig in Besitz genommen. Die Jesuiten haben auf Befehl des Kaisers eine Charte desselben entworfen; Pater Duhalde bemerkt daß er in dnselben keine chinesischen Namen eingetragen babe. Dafür giebt er als Grund Folgendes an: „Einem in der Mandschurei Reisenden würde es nichts nützen, wenn er zum Beispiel wüßte daß der Strom Sakha» lien Ula von den Chinesen He Lung Kiang genannt wird; denn man hat ja nichts mit Chinesen zu schassen, und die Tataren, mit welchen man in Berührung kommt, baben vielleicht jenen chinesischen Namen nie» mals gehört." Diese Bemerkung mag zu Kang Hi's Zeiten richtig gewesen sein; gegenwärtig paßt gerade das Gegentheil. Wer in der Mand> schurei reift, hat immer nur mit Chinesen zu verkehren, und hört viel von He Lung Kiang. aber niemals vom Sakhalien Ula sprechen. 5..Kap.j Die alte Blaue Stadt. . 93 Fünftes Kapitel. Die alte Blaue Stadt. — Chinesische Betrüger. — Die Herberge zu den drei Volllommenbeite». — Geldwechsler. — Ein mongolischer Münzfäl» scher. — Kameele und Kameeltrciber. — Ermordung eines Großlama „nd Aufstand der Klostermöuche. — Unterhandlungen zwischen den Hö^en von Peking nnd Lha-Zsa. — Ansässige und landstreichende Mönche. — Politit der Mandschudvuastie in Bezug auf die Klöster. — Zusammen» treffen mit eiucm lhil'etanischen Lama. Del Weg von der„Mandschustadt" nach der alten Blauen Stadt erfor» dert kaum eine halbe Stunde; man geht auf einer breiten Straße, welche durch große Gemüsegärten führt, von welchen der Ort umgeben ist. Die Klöster ragen über alle anderen Gebäude empor; diese letzteren bilden ein wirres Durcheinander von Häusern und Waarenläden. Die Umwallung der Stadt ist noch vorhanden, die beträchtlich angewachsene Bevölkerung aber hat dieselbe so sehr überschritten, daß jetzt die Vorstädte bedeutender sind als die Stadt selbst. Wir kamen Anfangs in eine ziemlich breite Straße, in welcher wir weiter nichts Bemerkenswerthes fanden als das Kloster der fünf Thürme, welches, beiläufig bemerkt, nicht zu verwechseln ist mit dem gleichnamigen Kloster in der Provinz Schan Si, über welches schon früher Einiges be. merkt wurde. Unmittelbar hinter dem Kloster fanden wir links und rechts nur zwei armselige Gäßchen. schlugen den Weg ein der uns am wenigsten abscheulich vorkam, geriethen aber in die Gerbergaffe, die wir so entsetzlich schmuzig fanden. daß unsere Thiere stöhnten und mit Unreinigkeit bedeckt waren, als wir kaum fünfzig Schritte zurückgelegt hatten. Und um das Unglück voll zu machen kam uns eine Karawane entgegen. Wir riefen und schrien aus allen Kräften, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. End» lich fanden wir eine Aussicht, als aber die Pferde des andern Theils un. serer Kameele ansichtig wurden, wurden sie scheu, machten Kehrt, und rannten auseinander. Diese Verwirrung benutzten wir, und gelangten so in eine breitere Straße, in der wir uns, allerdings vergeblich, nach einer Herberge umsahen. In den großen Städten des nördlichen China und der Mongolei ist es gebräuchlich daß ein Gasthaus nur eine bestimmte Classe von Reisenden aufnimmt, zum Beispiel nur Getreidchändler, oder nur Pferdehändler und so weiter. Jeder hat sich ausschließlich auf und für die einkehrenden Gäste solcher Art eingerichtet. Für gewöhnliche Rei. sende giebt es eine „Herberge ter durchreisenden Gäste," aber wir suchten t)4 Chinesische Vetrüger. l^5. cküp. ohne Erfolg nach einer solchen. Als wir endlick bei einigen Vorübergehen» den auftagten, kam in sehr eilfertiger Wcise ein jnnger Mann ans eincm Waarenlager. Was nun vorging ist in jeder Hinsicht bezeichnend für die chinesische Art und Weise. „Also ihr sucht eine Herberge." sprach er; „erlaubt mir daß ich euch dorthin geleite, ihr würdet sonst schwerlich in der Blauen Stadt ein ge« eignetes Gasthaus ausfindig machen. Hier leben unzählige Menschen, gute und schlechte. Nicht wal'r. meine Herren Lamas, die Dinge find so wie ick sage. Die Menschen sind nicht alle von gleicher Beschaffenheit, und wer weiß ob die Zahl der schlechten nicht jene der guten übersteigt? Da holt ihr's. ich sage euch ein Wort aus Herzensgrund. In dieser Blanen Stadt findet ihr kaum einen gewissenbasten Menschen. und ein gutes Gewissen ist doch ein so köstlicher Schaß! Freilich ibr Mongolen wißt gar wobl was ein gutes Gewissen bedeutet; ich keuue die Mongolen sebr gut, sie sind gut und aufrichtig. Bei uns Chinrsm ist das leider ganz anders; wir sind schlechte Leute und betrügen. Unter zehntausend Chinesen ist kaum Einer zu finden, der sich das Gewissen zur Richtschnur seines Handelns nähme. Hier in der Blauen Stadt machen sich beinahe Alle ein Gewerbe daraus, die Mongolen hinter das Licht zn führen und ihnen das Geld abzulocken." Wahrend auf solcke Weise der junge Chinese, ein Mensch von zwanglosen und zierlichen Manieren, seine schönen Redensarten an den Mann brachte, ging er von einem zum andern, bot uns eine Prise Tabak an. klopfte uns vertraulich aus die Schulter, nahm unsere Pferde am Zaum und wollte sie führen. Bei alledem verwendete er aber keinen Blick von unseren zwei großen Koffern, mit welchen das eine Kamcel beladen war. Offenbar sann er hin und bei, was wohl der Inhalt sein könne, und mochte wohl zu den Schlüsse gelangen, daß derselbe in werthvollen Waaren bestehe. Wir zogen nun schon eine volle Stunde umher, ohne bei der von ihm vielgerübmten Herberge angelangt zu sein. Dann sagten wir ihm: „Es tbut uns leid daß Du Dir so viele Umstände machst; wenn wir nnr erst wüßten wohin Du uns führen willst!" — „Laßt mich nur machen, gnädige Herren, ich bringe euch in ein köstliches, in ein ganz vorzügliches Gasthaus. Aber sagt nur nicht daß ihr mir Umstände macht! Bei Leibe nicht; redet ja nicht von solchen Dingen, das macht ftüch erröthen. denn seht, sind wir nicht Alle Brüder? Was will dcnu der Unterschied zwischen Mongolen und Chinesen bedeuten? Wir reden allerdings verschiedene Sprachen und haben nicht einerlei Gebräuche, wir wissen aber doch daß 5. Kap.) Die Herberge zu den drei Vollkommenheiten. 5ä alle Menschen ein mid dasselbe Herz haben, wie ein und dasselbe Gewissen, und dieselbe Richtschnur für die Gerechtigkeit. Doch halt, wartet nur emen Augenblick auf mich, im Nu bin ich wieder bei euch, gnädige Herren." Und er sprang in eine nahe liegende Bude. kam rasch wieder und entschuldigte sich. daß er uns habe warten lassen. ..Ihr seid angegriffen und müde: das kann man sich wohl denken, auf der Reise ist es einmal nicht anders." Nun kam ein zweiter Chinese, der nicht so munter aussah wie unser Begleiter, denn er war hager, hatte feine gekniffene Lippen, und seine kleinen tiefliegenden Augen gaben ihm ein äußerst verschmitztes Ansehen. Er redete uns an: „Ikr seid also heute angekommen, meine Herren Lamas? Das ist gut, das ist wirklich hübsch von euch. Ihr habt eure Reise ungestört zurück gelegt; das ist sehr gut. Ihr habt präcbtige Kameele, und seid gewiß rasch und glücklich vo,5 der Stelle gekommen. Na, nun seid ihr da; das ist sehr gut." Dann wendete er sich an unsern bisherigen Begleiter mit den Worten: „Du, Ese-Eül. bringst diese edelen Mongolen in eine Herberge, das ist gut. Sieh aber wohl zu daß sie gut sei. Du mußt sie in den Gasthof zur ewigen Billigkeit führen." — „Ja, eben dorthin wollte ich sie bringen." — „Daran thust Du wohl; der Gaftwirth ist mir genau befreundet. Es ist gut daß ich mitgebe, ich will ihm diese edelen Mongolen empfehlen. Glaube mir, ein Stein würde auf meinem Herzen lasten wenn ich nicht mitginge. Wenn man das Glück hat. Brüder anzutreffen,. so muß man ihnen nützlich sein; nicht wahr. gnädige Herren, wir sind ja Alle Brüder. Scbt nur mich imd meinen Freund liier, wir dienen in einem Geschäft, uud vftegcn die Geschäfte der Mongolen zu besorgen. Glaubt nur, es ist in dieser Blauen Stadt ein wahrer Segen, wenn man Leute trifft, aufweiche man sich verlassen kann!" Znm Unglück für die beiden Iuduftrieritter waren wir mit den chine» fischen Schlichen und Kniffen wohl bekannt, und weder so leichtgläubig und beschränkt, noch so gutmüthig wie Mongolen. Plötzlich erblickte» wir ein Aushangebild, auf welchen mit großen chinesischen Buchstaben die Worte standen: „Herberge zu den drei Vollkommenheiten. Hier finden Durchreisende mit Pferden und Kameelen Unterkommen; man besorgt ihre Angelegenheiten gut und pünktlici,." Trotz aller Einwendungen unserer beiden Begleiter ritten wir durch die Thür in einen großen viereckigen Hof dieser Herberge, und sahen an den blanen Käppchen der dort befindlichen Leute, daß wir in einem türkischen Gast hause angelangt waren. Das war freilich unseren Chinesen ein Stnch durch die Rechnung, sie spielten jedoch 96 Die Herberge zu den drci Vollkommenheiten. l'> ^ap. ihre Rolle weiter, ohne sich irre machen zu lassen. „Wo sind hier die Dienstlente?" riefen sie; „gleich muß ein geräumiges Zimmer herge» lichtet werden, ein hübsches, sauberes Gemach! Ihre Excellenzen sind hier, und müssen hübsch beherbergt werden!" Bald erschien denn auch ein Hausbcamter; er hatte in der Hand einen Besen, in der andern eine Schüssel mit Wasser zum Sprengen. und zwischen den Zähnen einen Schlüssel. Unsere beiden chinesischen Beschützer nahmen ihm gleich Alles ab: „Laß uns nur machen; wir wollen unsere erlauchten Freunde bedienen, denn ihr Gasthofsleute thnt die Dinge doch nur halb, weil ihr lediglich des Geldes wegen arbeitet." Und nun fingen sie an zu sprengen und zu fegen. Als Alles in Bereitschaft war, gingen wir ins Zimmer und setzten uns auf den Kang. während sie, wie sie behaupteten aus Respekt, sich auf den Platten Boden hinkane»ten. Man brachte uns Thee. und zugleich trat ein junger, reinlich gekleideter Mann von gefälligem Wesen ins Gemach; er hatte etwas in einem seidenen Tuche, das er an allen vier Zipfeln hielt. Unser älterer Begleiter, der hagere mit dcn verschmitzten Augen sprach: «Meine Herren Lamas, dieser junge Mann ist der Sohn des Geschäfts Herrn, bei welchem wir in Diensten stehen. Er sah euch ankommen und hat sich beeilt seinen Sohn zu schicken, der anfragen soll, ob ihr unter, wegs keine Störung erfnhret." Darauf legte der junge Mann das Tuch auf einen Tisch und sagte: «Hier sind einige Kuchen zum Thee; zu Hause läßt mein Vater Reis für euch kochen. Nach dem Thee werdet ihr nicht verschmähen, in unserer geringen Wohnung ein bescheidenes Mahl. einzunehmen." — „Wozu setzt ihr aber euer Herz unserctwegen in Unkosten?" — „O, seht nur. wie eure Worte uns die Rothe ins Gesicht treiben!" riefen die Chinesen. Aber der Wirth trat ins Zimmer und machte allen diesen erlogenen Höflichkeiten ein Ende. „Arme Mongolen, wie mag man euch das Fell über die Ohren ziehen, wenn ihr das Unglück habt iu solcke Hände zu fallen!" Wir spra» chen diese Worte französisch, zu nicht geringer Ueberraschung uuserer drei Gauner. „Wo liegt denn das erlauchte Königreich welches eure Herrlich« leiten in der Mongolei bewohnen?" fragte der eine. — „Unsere arme Familie lebt nicht in der Mongolei, wir sind keine Tataren," war die Antwort. — „Ah. ihr scid keine Mongolen? Ja. ja. wir wußten das wohl; die Mongolen sehen nicht so majestätisch aus. ihre Gestalt und Person ist nicht so großartig. Aber darf man fragen wo euer edles Vater» land sich befindet?" — „Wir sind aus dem Abendlande; uusere Heimat liegt fern von hier." - Der alte Ganner ließ sich dann in folgender 6. Kap.1 Enttäuschung der chinesischen Gauner. 97 Weise vernehmen: „Also aus dem Abendlande? Ja ja, mir leuchtete das von Anfang ein. Die jungen Leute hier wissen wenig, und verstehen sich nicht auf die Physiognomien, Ibr seid aus dem Abendlande; ich kenne Eure Heimat sehr wohl, und habe einigemal Neisen dorthin ge, macht." — „Wir freuen uns sehr daß unser Vaterland Dir bekannt ist; ohne Zweifel verstehst Du auch unsere Sprache?" — „Das gerade nicht, wenig, stens kenne ich sie nicht ganz genau. aber von zehn Wörtern verstehe ich allemal drei oder vier. Mit dem Sprechen haperts ein Bischen, doch dar» aufkommt ja nichts an, denn ihr sprecht ja mongolisch und chinesisch, und das ist gut. Ah, in eurem Lande giebt es so gescheidte Köpfe! Ich habe sehr viel mit euren Landsleuten zu thun gehabt; sie übertragen allemal mir die Besorgung ihrer Geschäfte, wenn sie nach der Blauen Stadt kommen." Es blieb nicht der geringste Zweifel über die Absichten unserer drei dienstbeflissenen Freunde, und wir mußten uns ihrer entledigen. Nachdem wir Thee getrunken, machten sie uns eine tiefe Verbeugung, und luden uns ein bei ihnen zu speisen. „Der Neis ist fertig, gnädige Herren: der Vor» stand unseres Handelshauses erwartet Euch." Jetzt sprachen wir sehr ernst-haft: „Hört uns an. und vernehmt Worte voller Vernunft. Ihr habt euch die Mühe gegeben, uns in eine Herberge zu geleiten. Das ist gut; ihr thatet es aus Wohlwollen. Hier habt ihr euch dienstwillig erwiesen, und euer Herr bat uns Gebäck übersandt. Offenbar seid ihr Menschen, deren Herzensgüte unerschöpflich ist; denn was hätte sonst euch bewegen können, sich fremder Leute so gütig anzunehmen? Jetzt ladet ihr uns ein, bei euch zu speisen. Das ist wieder hübsch von euch; aber es ist hübsch von uns daß wir eure Einladung ablehnen. So ohne Weiteres bei Leuten zu speisen, die man nicht kennt, ist gegen chinesisches Herkommen und ver-ftößt auch gegen die Gebräuche des Abendlandes." Jetzt waren die Gauner völlig enttäuscht; wir sahen es ihnen an, uud sprachen weiter: „Wir gehen also vorerst nicht in eure Vude. uud ibr weidet uns bei eurem Herrn deshalb entschuldigen und in unserm Namen für die uns erwiesene Aufmerksamkeit danken. Wir machen wohl einige Einkäufe ehe wir abreisen, und daun sprechen wir vielleicht bei ihm vor. Jetzt aber wollen wir in jenes türkische Speisehaus gehen uud essen." — „Sehr gut, sehr wohl. das Speisedaus ist vortrefflich." entgegnetcn sie etwas ärgerlich. Dann standen wir auf und gingen; wir um zu essen, sie um ihrem Herrn zu sagen wie kläglich ihre seinen Anschläge zu nichte geworden seien. ES ist in der That schandlich wie die Chinesen im Handel und Hui, Mongole!. 7 HN Chinesische Miin;c> >5. Kap. Wandel mit den Mongolen umspringen. Diese letzteren sind die einfacb-sten. offenherzigsten Leute von der Welt. frank und obne Arg. Nnn kommt solch ein Mongole zur Stadt. Flugs bat er einen Schwärm von Cbinescn um sich. und einer davon schleppt ihn mit nach Hause. Dort setzt er il,m Thee vor, schirrt die Thiere ab. erweist ihm allerlei kleine Dienste und Gefälligkeiten, sagt ibm tausend Schmeicheleien, er magnetisirt. möchte man sagen, den Sohn der Steppe. AM das macht aufden Mongolen, der gar kein Falsch in sich hat und auch bei Anderen dergleichen nicht vermuthet, den angenehmsten Eindruck: er nimmt schöne Worte für daare Münze, und freut sich so wackere Leute angetroffen zu haben, solcke Ahatu, „Brüder", die statt seiner sich mit der Mühe des Einkaufs und Verkaufs befassen, und ihm obendrein ohne Zahlung ein Mittagseffcn verabreichen. Er meint, sie würden das nickt thun, sich nicht in so große Unkosten versetzen, wenn sie die Absicht hätten, ihu zu betrügen. Aber gleich von vorne herein entwickeln die Chinesen all die Gaunerei und die ganze Niederträch« tigkeit ihres Charakters. Eie lassen den armen Mongolen gar nicht wie« der los, zwingen ihm Branntwein auf und ma chcn ihn trunken. Er wird drei oder vier Tage gleichsam festgebannt, raucht, trinkt, ißt; inzwischen verkaufen die Gauner ihm ganz nach ihrem Belieben sein Vieh, und handeln Sachen für ihn ein, dercn er nicht bedarf. Natürlich muß er sie dop» pelt und dreifach bezahlen, während sie ihm einreden daß er ein ganz vor« treffliches Geschäft mache. Er ist vielleicht hocherfreut über die Großmuth der Kitat, und fällt ihnen abermals in die Hände, wenn er wieder einmal aus dem Graslande zur Stadt kommt. Jene drei chinesischen In« dustrieritter batten es darauf angelegt, uns in derselben Weisc auszubeu» ten, aber die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Es fing an kalt zu weiden, und wir mußten den Aufenthalt in Ku-Ku> Hote benutzen, um uns Winterkleidung anzuschaffen Vorber kam es darauf an, einige Unzen Silber in kleines Geld umzusetzen. Bekanntlich haben die Chinesen nur Kupfermünze; sie ist rund, etwa so groß wie ein Kuvferdreier. und hat in der Mitte ein Loch damit man sie anf einen Strang reihen könne. Sie ist die einzige welche im Reiche Umlauf hat; bei den Chinesen heißt sie Tsieu, bei den Mongolen Dchos, bei den Europäern Sapeke. Gold und Silber weiden gar nicht ausgeprägt, sondern in kleineren oder größeren Stangen dem Verkehr übergeben. Goldsand und Goldplättchcn haben gleichfalls im Handel Cours; die Bankhäuser welche Gold und Silber kaufen, zahlen den Werth dafür in Sapeken oder Bankzetteln aus, welche letztere eine gewisse Enmme von ü. Kap.j Geldwechsler. 99 Sapeken darstellen. Ein Unze Silbers wird gewöhnlich für fiebenzehn bis acktzehnhundert Sapeken verkaust, denn der Co^s ist verschieden, je nachdem gerade mehr oder weniger Silber im Umlaufe sich befindet. Die Wechsler verstehen es, auf zwiefacke Weise bei ihrem Geschäft Profit zu machen. Wenn sie für das Silber einen angemessenen Preis bezahlen, so betrügen sie dagegen beim Abwägen; und wägu» sie richtig, dann zahlen sie doch gewöhnlich für das Silber weniger als der Cours steht. Aber im Geschäftsverkehr mit Mongolen betrügen sie weder auf die eine noch auf die andere Art. sie geben das richtige Gewicht an, lieber mehr als weniger, und zahlen besser als der Cours verlangt. Damit machen sie den Mongolen kirr. Sie stellen sich als ob sie verlören, und sie würden wirklich verlieren, wenn lediglich Werth und Gewicht in Betracht kämen. Sie halten sich aber beim Rechnen schadlos; sie verstehen die Zahlen zu gruvviren. Beim Ncduciren des Silbers auf Sapelen verrechnen sie sich vorsätzlich. Der Mongole rechnet nur nach den Kügel« chen seines Rosenkranzes, ist nur in seltenen Fällen gewandt genug, um den Chinesen genau controliren zu können, und muß sich die Abrechnung gefallen lassen wie sie ihm eben gemacht wird. Gr ist schon zufrieden wenn das Silber, welches er zum Verwechseln briugt, nur richtig abgewogen und dah'lr ein guter Preis bewilligt wird. In dem Bankhause in welchem wir Geld wechselten, wollte man uns wie Mongo. len übers Ohr hauen. Die Wage fanden wir richtig, der uns bewilligte Cours war sehr hoch; wir schlössen also den Handel ab. Der Wechsler „ahm sein Suan pan, die Bercchnungstafel welche in China allgemein im Gebrauch ist, summirte mit großer Genauigkeit scheinbar richtig, und gab uns sein Facit. Wir sagten: „Das bier ist ein Wechselgeschäft; ihr seid Käufer, wir sind Verkäufer; ihr habt gerechnet, nun wollen wir nachrechnen; gebt uns einen Echreibepinsel und ein Blättchen Papier." — „Ganz in der Ordnung; was ihr da sagt ist die wahre Grundlage von Handel und Wandel!" Dabei wnrde uns sehr zuvorkommend ein Schreibzeug hergerückt. Wir rechneten, und fanden daß man uns tausend Sapeken geben wollte. ,,Höre, Vorsteher der Bank. Dein Suau pan bat sich um eintausend Sapeken geirrt." — „Ganz unmöglich; wie würde ich mit meinem Suan pan so unsicher sein! Doch wir können ja einmal nachrechnen." Cr fing noch einmal an die Kugeln seiner Rechenmaschine in Bewegung zu setzen, während die Anwesenden sich erstaunt anblickten. Dann sprach er: „Alles ist in Ordnung; ich habe richtig gerechnet; seht nur." Dabei schob er die Maschine einem seiner Genossen hin. der seiner- ' ' . ?' 5° 100 . Geldwechsler. lä. Kap. seits rechnete und natürlich ganz dasselbe Facit erhielt. „Seht ihr wokl, daß kein Irrthnm .stattfindet! Wie kommt es nur daß eure Recliuung mit der unserigen nicht stimmt?" — „Deine Berechnung ist falsch, uuscre ist. richtig. Sieh hier her; diese kleinen gissern sind ein ganz ander Ding als Dein Suan pan, mit ihnen ist ein Irrthum ganz unmöglich. Und weun alle Rechner der ganzen Welt ibr ganzes Leben lang nichts thaten als rechnen, so könnten sie doch gar kein anderes Facit herausbringe» als wir, und würden sagen, daß bier noch eintausend Sapcken fehlen." Nun gerieth die ganze Ladendienerschaft in Verlegenheit und eiuige errötheten. Da mischte sich ein Fremder als Vermittler ein. „Ich will zählen." Er nahm den Suan pan, rechnete, und erklärte, unser Facit sei das richtige. Der Bankintendant verneigte sich vor uns so tief als möglich. „Herren Lamas, eure Rechnungskunst erscheint vorzüglicher als die meinige." Wir entgegneten: „Das ganz und gar nicht; Dein Suan pan ist sehr gut, aber hat nicht auch der beste Rechner sich einmal geirrt? Du magst Dich wohl einmal irren. aber wir anderen weniger geschickten Leute irren uns dagegen wohl zehntausendmal. Es ist ein glücklicher Zufall daß heute wir recht hatten" Die chinesische Höflichkeit verlangte daß wir in einem derartigen Fall uns in dieser Weise ausdrückte». Man darf einem Men« schen der sich blosgeftellt bat, nicht erröthen mache», oder wie die Chinesen sagen, ihm das Angesicht nicht hinwegnehmen. Nachdem wir so geredet, betrachteten Alle mit größter Neugier das Stückchen Papier, aufweichen, unsere Berechnung mit einigen arabischen Ziffern stand. Sie sprachen: „Das ist ja ein herrlicher Suan pan, sehr einfach und zuverlässig. Was bedeuten diese Zeichen, Herren Lamas?" — „Dieser Suan pan ist unfehlbar, und dieser Zeicben bedienen sich die Mandarinen der Himmelswissenschaft, um die Sonnen» und Moudvcr« finsterungen und den Lauf der Jahreszeiten zu berechnen')." Wir setzten ihnen dann die Bedeutung der arabischen Zahlzeichen auseinander, er» hielten unsere tausend Sapeken und schieden als gute Freunde. Die Chinesen fangen sich oft in ihrer eigenen Falle, und werden hin und wieder sogar von einem Mongolen überlistet. Einst trat ein Sohn des Graslandes in einen Geldwechslerladen mit einem sorgfältig eingewickelten Yuen pao, das heißt einer Silberstange von drei Pfund. ') Auf der Sternwarte zu Peking find die arabischen Ziffern durch die Ieiulteu eingeführt wurden. 5. Kap.) Ei» mongolischer Falschmünzer. 101 In China hat das letztere sechzehn Unzen. Die Dreipfundbarren sind selten genau vollwichtig, sondern halten gewöhnlich vier bis fünf Unzen darüber, also im Ganzen 52 Unzen. Der Wechsler nimmt dem Mongolen seinen Ynen pao ab. legt die Stange auf die Waagschale und findet an« geblich 50 Unzen. Der Mongole behauptet daß seine Barre 52 Unzen schwer sei. — „Bah, eure mongolischen Gewichte mögen zum Schöpsen« wägen gut sein, zum Abwägen von Silber taugen sie nicht." Nach einigem Verbände!« wird das Geschäft abgeschlossen, und der Uucn pao als 50 Unzen schwer, abgeliefert; der Mongole erhält, wie das gebräuchlich ist, ein schriftliches Zeugniß über die Schwere der verhandelten Silberbarre, und geht damit fort. Am Abend rechnet der Intendant der Kasse mit den verschiedenen Ladendienern. Der eine bringt die Silberstange und berichtet daß er zwei Uuzen Profit gemacht habe. Nun zeigt sich aber daß die Barre falsch war. Indessen der Känfer kennt den Mongolen und verklagt ihn. Falschmünzer werden mit dem Tode bestraft. Hier lag der Thatbestand klar zu Tage. der Inen pao war nicht von Silber, der Mongole hatte diese Barre für eine silberne ausgegeben und als solche verkauft. Er kam vor Gericht, behauptete aber standhaft seine Unschuld, und bat den Vorsitzenden Mandarin, seine Rechtfertigung vortragen zu dürfen. „Ich habe allerdings vor einigen Tagen an diesen Mann ein Uuen pao verkauft, aber die Barre war von reinem Silber. Ich bin nur ein Mon» gole. ein einfacher schlichter Mensch. Im Wechslerladen haben sie ganz gewiß meine achte Barre mit einer falschen vertauscht. Viele Worte kann ich nicht machen; aber ich bitte Dich. der Du für uns Vater und Mutter bist, den falschen Iuen pao wagen zu lassen." Das geschah sogleich, und man fand, daß der Yuen pao 52 Unzen schwer war. Dann griff der Mongole in seinen Stiefel, zog ein Päckchen hervor, und suchte ein Papier heraus. Er überreichte es dem Mandarin. „Siehe hier. das gab man mir als Bescheinigung im Wechslerladeu; bier steht geschrieben wie viel mein Auen pao gewogen hat." Der Mandarin betrachtete den Zettel, und sprach: „Hier ist das Zeugniß des Käufers selbst; er schreibt dieser Mon« gole habe ihm einen Iuen pao verkauft, der 50 Unzen schwer gewesen, und dieser falsche hier wiegt 52 Unzen. Wo liegt die Wahrheit? Wer ist hier der Falschmünzer?" Die Antwort konnte ein Jeder sich selbst geben; der Mandarin wnßte recht gut, daß der Beklagte eine falsche Barre verkaust, der Ladendiener aber am Gewicht betrogen hatte. Er entschied zu Gunsten des Mongolen. Die im Wechslerhause Angestellten, bekamen zur Strafe erkleckliche Hiebe aufgemessen, und konnten sich noch glücklich 102 ' Trödelcinkäufe. l.5- Kap. schätzen, daß sie nicht hingerichtet wnrden. Das wendeten sie durch Geld. geschenkt an den Richter ab. Wir hatten mm unsere Sapckm, und konnten ausgehen, um in einem beliebigen Trödelladen alte Kleider zu kaufen, denn etwas Anderes erlaubten uns unsere äußerst bescheideneu Mittel nicht. In China und in der Mongolei nimmt man gar keinen Austand die Kleider eines Andern anzuziehen. Wer zum Beispiel einen Höflichkeitsbesuch zu machen hat. oder zu einer Festlichkeit sich begiebt, geht ohne Umstände zu seinem Nachbar und leiht einen Hut oder eine Hose, Schuhe oder Stiefel; darin sin« det Niemand etwas, das außer der Ordnung wäre; der Verleiher schwebt lediglich in Ungewißheit ob sein guter Freund, welchem er aus der Ver» legenheit hilft, nicht etwa die Kleidungsstücke verkaufe oder sie im Leihhause versehe.. Wer Kleider braucht, kauft ueue oder alte. wie es sich eben trifft; die Hauptsache bleibt die Wohlfeilheit; mau hat so wenig Widerwillen Hosen zu tragen, die schon ein Anderer am Leibe gehabt, als wir Anstand nehmen ein Haus zu beziehen, in welchem bereits Jemand vor uns gewohnt hat. Auch in den kleinsten Städten findet man Trödelläden, in denen alte Kleidungsstücke verkauft werden; sie stammen zumeist aus den Leihhäusern, TangPu. denn die Wenigsten, welche etwas versetzen, sind im Stande ihre Habseligkeiten wieder einzulösen. In der Blauen Stadt durchsuchten wir so ziemlich alle Trödelbuden und kauften am Ende zwei alte ehrwürdige Röcke; das Fntter bestand in einem Schaffell, das Oberzeug aus einem Stosse, der weiland einmal gelb ausgesehen haben mochte. Das Kleid für Herrn Huc war zu lang. das für Herrn Gäbet zu kurz, aber wir mußte» uns eben behelfen. Unsere Nebenmenschen konnten an unseren Röcken abnehmen, daß man nicht allemal im Stande ist, Röcke zu kaufen. die dem Körperwuchs entsprechen. Sodann erstanden wir zwei Mütze» aus Fuchsbalg, die einige Achnlichkcit mit den Pelzhüten der Sappeurs hatten, nahmen diese Siebensachen unter den Arm, und gingen hinein in die Herberge zu den drei Vollkommenheiten. Ku-Ku-Hote, die Blaue Stadt, hat eine große Handelsbc-deutung. Diese verdankt sie ihren vielen Klöstern, durch deren weithin verbreiteten Nu!,m. Leute aus den entferntesten Gegenden der Mongolei angezogen werden; der Handel ist daher vorzugsweise ein tatarischer. Die Mongolen bringen in großen Heerden Pferde, Rindvieh. Schafe und Kameele. ferner Pelzwerk, eßbare Schwämme und Salz, demnach fast sämmtlich Erzeugnisse ihrer Steppen. Dagegen nehmen sie Zicgelthee, 5. Kap.j Kameele und Kamrsltrciber. ^X^ Zeuge verschiedener Alt, Sättel, Räucherstäbchen welche sie vor den Götzenbildern verbrennen, Hafermehl. Hirse und allerlei Kücheugeräthschaften. Insbesondere aber istKu-Ku»Hote durch scinrKameelmärkte berühmt. Auf einem großen Platze, in welchen alle Hauptstraßen auslausen, werden die verkäuflichen Thiere ausgestellt. Er gleicht einem Acker mit ungeheuren Furchen, denn von einem Ende zum andern laufen wallartige Linien, denen entlang die Kameele ausgestellt werden, und zwar so, daß sie mit ibreu Knien auf der Kammhöhe dieser gcradelausenden Erhöhungen ruhen. Durch diese eigenthümliche Stellung erscheinen die ohnehin großen Ka» meele nur noch riesenhafter. Auf diesem Markte herrscht ein unbeschreibliches Durcheinander; die Verkäufer scl'reicn und preisen ihre Waare an, Käuser zanken und streiten, man zieht den Kameelen die Nase lang, und sie machen ein unausstehliches Geräusch. Die Tragkraft eines solchcu Thiers wird stufenweise erprobt; so lauge es mit einer Last die man ihm aufbürdete noch vom Boden sich erheben kaun. nimmt man an. daß es dieselbe auch auf der Neise zu tragen vermöge. Auch gilt Folgendes als Probe. Ein Mann stellt sich dem Kameel auf die Häcksen und halt sich mit beiden Händen an den langen Haaren des hintern Höckers fest; das Thier gilt für ein Lastkamcel ersten Ranges, wenn es dann aufstehen taun. Der Kameelhandel wird lediglich durch Mäkler vermittelt, denn Käufer und Verkäufer unterhandeln nie unmittelbar. Die Mittelspersonen bieten, dingen ab, legen zn. machen das Geschäft. Diese..Besprecher des Verkaufs" sind ausschließlich Kameelmäkler, und gehen von einem Markte zum andern. Sie verstehen ihre Sache sehr gut. sind äußerst zungenfertig und gewandt, und nichts geht über ihre pfiffige Verschmitztbeit. Sobald es sich um Feststellung des Preises handelt, werden sie stumm, denn vou nun an wird das GeMst durch Zeichen weiter geführt. Sie fassen eil», ander bei der Hand und geben unter dem weiteu Aermcl durch Druck mit dem Finger zu erkennen, wie viel sie mchr oder weniger zu bieten geneigt sind. Nach abgemachtem Handel speisen die Mäkler beider Theile auf Kosten des Känfers, und nehmen dann ihre Gebühr von so und so viel Sapeken in Empfang. Die Blaue Stadt hat fünf große Klöster, deren jedes zum mindesten zwei tau send Mönche enthält; außerdem sind noch fünfzehn kleinere vorhanden, die gleichsam Filiale jener größeren bilden. Wir können ohne Uebertreibung annehmen daß in jener einzigen Stadt mindc, stens zwanzigtausend Mönche hausen! Wie viele m den ver« schiedencn Stadtthcilm zerstreut leben, und sich vom Handel und vom 104 Ermordung tines Großlama. l5. Kap. Schacher mit Pferden ernähren, ist nicht zu ermitteln. Das bei weitem schönere Kloster ist jenes der fünf Thürme; in ihm wohnt einHobil« gan, das heißt ein Oberlama, der sich mit der Substanz Buddha's identificirt und schon mehrere Transmigrationen durchgemacht hat. Er hat gegenwärtig seinen Sitz in diesem Kloster auf demselben Altare welchen einst der Guison Tamba einnahm. Er bekam diese Stelle in Folge eines ganz eigenthümlichen Vorfalls. Kaiser Khang Hi kam auf seinem Kriegszuge gegen die Oeleten nach Ku-Ku-Hote, der Blauen Stadt, und wollte den Guifon Tamba besuchen, der damals Oberlama im Kloster der fünf Thürme war. Der Mönch empfing den Kaiser ohne von seinem Sitz aufzustehen, ohne ihm überhaupt irgend welche Achtung zu bezeigen. Als Khang Hi näher ging. um einige Worte an ihn zu richten, trat ein Kian Kiün, das heißt ein Obermandarin des Kriegswesens, welchen dieser Mangel an Achtung em« Porte, rasch heran, zog seinen Säbel, und hieb den Guison Tamba nie» der, der von seinem Thron herabstürzte. Dadurch gerieih die gesammte Lamaschaft des Klosters in eine furchtbare Aufregung, die sich rasch auf die übrigen Klöster in der Blauen Stadt übertrug. Sie griffen zu den Waffen, und das Leben des Kaisers, der kein zahlreiches Gefolge mit sich führte, hing an einem seidenen Faden. Er tadelte laut und öffentlich die Gewaltthat, deren sich iener Kian Kiün schuldig gemacht, und mußte es thun, um wo möglich die wilde Wuth der Mönche zu beschwichtigen. Der Mandarin aber sprach: „Wenn der Guison Tamba kein lebendiger Buddha war, weshalb hat er dann nicht sich von seinem Sitz erhoben aus Achtung vor dem Gebieter des Weltalls? War er ein lebendiger Buddha, weshalb hat er dann nicht gewußt, daß ich ihn niedersäbeln würde?" Aber allstündlich wuchs die Lebensgcstchr für den Kaiser, er mußte, um sich zu retten, die Kleidung eines gemeinen Soldaten über-weifen, und so entkam er in der allgemeinen Verwirrung zu seiner Armee, die nicht weit entfernt stand. Aber die meisten Leute seines Gefolges wur« den in der Blauen Stadt ermorde, auch jener Mandarin. Die Mongolen suchten aus der allgcmeiuen Aufregung Nutzen zu ziehen. Denn ehe lange Zeit verging wurde kund gegeben, daß der Gui» son Tamba wieder erschienen sei; er habe seine Verwandlung im Lande der Khalkhas bewerkstelligt, die ihn unter ihren Schutz genommen, uud geschworen hätten seinen Mord zu rächen. Die LamaS in Groß-Kuren entwickelten große Thätigkeit; sie legten ihre gelben und rothen Röcke ab und zogen schwarze Trauerklcider an, um das Gedächtniß an den Mord 5. Kap.j Unterhandlungen der Höfe von Pellng und Hla-Ssa. 105 inKu«Ku-Hote nicht abzuschwächen; auch schoren sie das Haupthaar nicht mebr ab, ließen Bart und Kopfhaar wachsen. Das Alles schien auf große Erschütterung unter den mongolischen Stämmen hinzudeuten, und es bedürfte aller Talente eines so ausgezeichneten Mannes wie Kaiser Khang Hi war, um den herannahenden Sturm zu beschwören. Er knüpfte in aller Eile Unterhandlungen an mit dem Beherrscher von Thibet, dem Tale Lama. der seinen ganzen Einfluß aufbot um die Lamas zu beruhigen, während Khang Hi Truppen gegen die Könige der Khalkbas anrücken ließ. um diese im Zaume zu halten. So kehrte allmälig die Ruhe wieder; die Mönche legten ihre gelben und rothen Nöcke wieder an, aber sie trugen zum Andenken an ihre Verbindung und an den Tod des Guison Tamba, noch lange einen zollbreiten Streifen von schwarzer Farbe am Rock< kragen. Gegenwärtig haben aber dieses Abzeichen nur noch die Lamas der Khalkhas. Seit jener Zeit befindet sich in der Blauen Stadt ein Hobilgan, während der Guison Tamba ein für allemal zu Groß-Kuren im Khalkhas« lande Platz genommen hat. Kais« Khang Hi war allerdings sehr mis« vergnügt über alle die geschilderten Vorgänge, und blickte nicht ohne Be-sorgniß in die Zukunft. Er glaubte nicht an' die Lehren von der Trans«' migration, und begriff sehr wohl, daß die Khalkhas mit der Behauptung, der Guifon Tamba sei unter ihnen zum Vorschein gekommen, einen politischen Zweck erreichen und sich in jenem lebendigen Buddha eine Macht verschaffen wollten, über welche sie allezeit verfügen und die sie nöthigenfalls auch gegen den Kaiser von China aufstellen könnten. Es wäre höchst gefährlich gewesen, den Guison Tamba für unecht oder un< giltig zu erklären; es handelte sich also darum ihn zu dulden und dabei unschädlich zu machen. Es wurde demgemäß, in Uebereinstimmung mit dem Hofe des Tale Lama in Hla-Ssa, festgestellt und verordnet, daß der Guison Tamba rechtmäßiger Beherrscher von Groß Kuren, jedoch nach seinen successiven Sterbefällen bündig verpflichtet sei. jedesmal seine Transmigration in Thibet zu bewerkstelligen. Khang Hi ging dabei von der richtigen Ansicht aus, daß ein Thibetaner von Geburt, sich nicht leicht von den Khalkhas benutzen laffm wcrde, um ihre feindseligen Pläne gegen den Pekinger Hof immer ohne Weiteres zu den seinigen zu machen. Der Guison Tamba hat sich auch allezeit gehorsam erwiesen, und seit jener Zeit seine Seelenwanderung in Thibet vorgenommen. Die Khalkhas holen ihn feierlich von dort ab, wenn er noch in jungen Iabren ist; er wird in Groß-Kuren erzogen und gebildet, und empfängt aus solche Weise 106 Landstreichende Mönche. 15. Kap. viele mongolische Einflüsse. Somit erklärt es sich, daß er dann allmalig Ansichten gewinnt, die der chinesischen Dynastie nicht eben genehm oder günstig sind. Wir haben weiter oben gesehen, welche Besorgnisse der kaiserliche Hof hegte, als 1839 der Gnison Tamba seine Neise nach Peking antrat. Die Lamas welche aus allen mongolischen Ländern in den Klöstern der Blauen Stadt zusammen strömen, bleiben dort bei weitem nicht alle. Die meisten erwerben einen akademischen Grad auf den Lehranstalten, und kehren dann in ihre Heimat zurück; sie ziehen es vor in eins der kleineren Klöster einzutreten, die in großer Menge vorhanden sind. Dort können sie viel zwangloser sein, und gerade das sagt ihrem mongolischen Wesen zu. Nicht selten bleiben sie auch im Kreise ihrer Familie, und beschäftigen sich. wie andere Tataren. mit der Viehzucht. Dann leben sie ruhig unter ihrem Zelte, brauchen die Regeln des Klosters nicht zu befolgen und können die Gebete hersagen wann und wo sie wollen. Diesen Lamas sieht man nicht an daß sie Geistliche sind; man erkennt ihren Stand nur an den gelben oder rothen Nocken. Anßer diesen bei ihrer Familie lebenden Lamas, giebt es noch vagabundirende Mönche. Diese Lamas leben wie die Zugvögel. Sie haben gar keine eigentliche Heimat, l^s ist als wären sie von einer verborgenen Unruhe wie besessen und könnten ein ruhiges Verweilen an irgend einer Statte gar nicht ertragen. Sie reisen fort um zu rciseu, um unterwegs zu sein, und von einem Orte zum andern zu kommen. So wandern sie von Kloster zu Kloster, sprechen iu jedem Zelte vor, weil sie wisseu. daß die Gastfreundlichkeit der Mongolen sie nimmermehr im Stiche lassen werde. Ohne alle Umstände treten sie ein und nehmen Platz am Heerde; man setzt ihnen Thee vor, und sie erzählen mit einer Art von Stolz, wie viele Ländcr sie bereits durchwandert haben/ Nie wird ihnen ein Nachtlager verweigert. Bevor sie am Morgen weiter ziehen, gehen sie vor das Zelt, schauen nach dem Netter aus uud sehen woher der Wind kommt. Dann wandern sie ohne bestimmten Zweck fürbaß, den Kopf nach vorne geneigt, und mit gesenktem Blick. In der Hand haben sie einen Stab und ihr ganzes irdisches Vermögen steckt in einem Sacke von Bockshaut. Der wandernde Lama ruht am ersten besten Felsen aus, oder auf dem Gipfel eines Berges, in einer Schlucht oder wo immer der ermüdete Leib es heischen möge. In der Wüste schläft ein solcher Wanderer unter freiem Himmel. der ja die Decke des ungeheuren Zeltes bildet, welches man Welt nennt. Das Neiseziel dieser landstreichendcn Mönche hat keine 5. Kap.^ Ansässige Mönche. 107 anderen Grenzen als jene der Länder, in welchen Buddha verehrt wird. Sie pilgern durch China, durch die Mandschurei, das Gebiet der Khalkhas. die verschiedenen südmongolischen Reiche, die Uriang HaV, das Land am Kn«Ku Noor, das Land auf beiden Seiten des Himmelsgebirges, also Thian schan nan lu und Tbian schan pe lu, Thibet, Indien und manchmal sogar in das entlegene Turkestan. Sie setzen über alle Flüsse, übersteigen alle Gebirge, knien vor jedem Großlama, kennen alle buddhistischen Völker, und deren Sitten, Gebräuche nnd Sprache. Es fällt ihnen niemals ein, daß sie sich etwa verirren könnten, denn am Ende ist für sie jeder Weg der rechte, jeder Ort zu welchem sie gelangen, ist ihnen so viel werth als ein anderer, und auf jeden dieser Lamas paßt recht eigentlich die Sage vom Ewigen Juden. Eine dritte Classe von Lamas besteht ans solchen, die in einer geistlichen Gemeinsamkeit leben. Ein Kloster, eine Lamaserie, besteht ans einer Anzahl von kleinen Häusern die um einen oder mehrere buddhistische Tempel herum geballt sind. Je nachdem die Inhaber der Wohnungen mehr oder weniger reich sind, hat man die Gebäude kleiner oder größer, hübscher oder ganz anspruchslos nnd einfach aufgeführt. Die in Gemeinschaft lebenden Lamas führen durchschnittlich ein geordneteres. mehr an feste Regeln gebundenes Leben als die übrigen; sie studiren fleißig und sagen viele Gebete her. Es ist iknen gestattet, einige Thiere zu halten, zum Beispiel Kühe. deren Butter nnd Milch einen Hauptbcstandtheil der täglichen Nahrung bildet, ein Pferd, um iu die Wüste reiten zu können, und Wollvieh um an Festtagen eine saftige Fleischnahrnng zu haben. Im Allgemeinen sind diese Klöster durch Kaiser oder Könige begabt worden, nnd die Einkünfte werden an bestimmten Tagen an die Lamas in der Weise vertheilt, daß Jeder einen Antheil erhalt, der seinem geistlichen Rang angemessen ist. Wer für einen gelehrten Arzt oder für einen guten Wahrsager gilt. hat außerdem manche Gelegenheit sich hübsche Einkünfte zu verschaffen; doch werden dergleichen Leute selten reich. Die Lamas sind wie die Kinder, und kümmern sich nicht um die Zukunft; sieves thuu ihr Geld eben so rasch wie es erworben wird. Heute trägt solch ein Mönch schnulzige, zerrissene Kleider: morgen erscheint er so glänzend auf. aevukt. wie der höchste Würdenträger des Klosters. Sobald er Geld oder Vieh'bekommt, eilt er znr nächsten Handelsstadt nm sich vom Kopf bis zum Fuß recht prunkhaft auszustaffiren; insgemein behält er aber den prächtigen Anzng nicht lange, und wird nach einiger Zeit wieder zur chinesischen Handelsstation wandern, nicht um abermals kostbare Seiden- 108 Politik der Mandschudynastie bezüglich der Klöster, ft- Kap. zeuge zu kaufen, sondern um die schönen gelben Kleider im Leihhause zu versetzen, aus welchem er sie nur in seltenm Fällen herauszuholen im Stand ist. Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur die Trödel' laden in den mongolisch «chinesischen Städten zu durchmustern, die stets von Mönchskleidern überfüllt find. Die Zahl der Mönche in der Mongolei ist so beträchtlich, daß wir ohne Uebertreibung behaupten können, mindestens ein Drittheil der Bevölkerung bestehe aus Lamas. In fast allen Familien werden die Kinder männlichen Geschlechtes Lamas, allein den ältesten Sohn ausgeuom» men, der stets ein „schwarzer" Manu bleibt. Uebrigens wenden die Tataren sich nicht aus Neigung sondern nur aus Zwang dem geistlichen Stande zu, denn sie sind schon gleich nach ihrer Geburt zu schwarzen Menschen oder zu Lamas bestimmt, je nachdem ihre Aeltern ihnen das Haar ab-scheeren oder wachsen lassen. So gewöhnen sich denn die Kinder an ihren Stand; bei denen welche geistlich weiden, findet sich später eine religiöse Exaltation ein, und sie gewinnen Neigung für ihren Beruf. Mehrfach, auch von Seiten chinesischer Mandarinen, bat man uns versichert, daß es im System der chinesischen Kaiser liege, die Zahl der Lamas in der Mongolei so viel nur immer möglich zu vermehren, und es scheint damit seine volle Nichtigkeit zu haben. So viel ist ausgemacht, daß die Pekinger Regierung die chinesischen Bonzen in Elend und Ver« kommenheit läßt, während sie den Lamaismus ganz ausfallend fördert und unterstützt. Es scheint als ob sie besonders die Zahl der, bekanntlich ein eheloses Leben führenden, Lamas gern anwachsen sieht, damit die Volksmenge in der Mongolei sich nicht vermehre. Sie kann das Andenken an die vormalige Macht und Größe der Mongolen nicht los werden, welche einst China beherrschten; sie besorgt neue Einbrüche, und möchte ein Volt, das von ihr gefürchtet wird, auf jede mögliche Weise schwächen. Denn die Mongolei, obwohl sie im Verhältniß zu ihrem ausgedehnten Flächeninhalt nur sehr dünn bevölkert ist, wäre doch immerhin im Stande ein furchtbares Heer ins Feld rücken zu lassen. Ein Oberlama, der Guison Tamba zum Beispiel, brauchte nur zu winken, und alle Mon. golen von den Grenzen Sibiriens bis zu jenen von Thibet, würden sich wie Ein Mann erheben und dahin strömen. wohin ihr Heiliger sie wiese. Seit zwei Jahrhunderten leben diese Völker in tiefem Frieden, und schei» nen eben dadurch viel von ihrem kriegerischen Wesen verloren zu haben. Aber der Hang zu kriegerischen Abenteuern steckt immer noch in ihnen. 5. Kap.) Zusammentreffen mit einem thlbetanischen Lama. 109 und das Andenken an ihren großen Khan. Tscheng-Kis. der mit ihnen eine Welt eroberte, ist noch nicht erloschen. Er spielt eine große Rolle in ihren Sagen und Erzählungen und beschäftigt ihre Einbildungskraft. In der Blauen Stadt unterhielten wir uns mit manchen Lamas aus den berühmten Klöstern, um genaue Nachrichten über die Zustande des Buddbismus in der Mongolei und in Thibet zu erfahren. Wir vernahmen hier, wie in Tolon Noor, daß die Lehre uns um desto reiner und klarer verkündigt würde. je wetter wir nach Westen kämen. Die Stadt Hla-Ssa sei ein wahrer Heerd des Lichtes, von welchem alle Strahlen ausliefen; sie würden immer schwächer und matter, je wüter sie sich vom Mittelpunkt entfernten. So sagten uns alle Mönche, die einmal in Thibet gewesen waren. Wir unterhielten uns mit einem thibetanischen Lama. Seine Bemerkungen über Religion versetzten uns in nicht geringes Erstaunen. Von einer Uebersicht der christlichen Lehre welche wir ihm gaben, war er seinerseits nicht im Mindesten überrascht, sondern bemerkte, daß Alles, was wir vorgebracht, von den Glaubenssätzen der Oberlamas in Thibet nicht abweiche. Er sprach: „Man muß sich wohl hüten, die religiösen Wahrheiten mit dem mannigfachen Aberglauben zu verwechseln, in welchem die Leichtgläubigkeit der Unwissenden sich gefällt. Die Mongolen sind einfältige Leute und verbeugen sich vor Allem was ihnen in den Weg kommt; in ihren Auge» ist Alles Borhan. Sie stellen Alles auf gleiche Linie, gleichviel ob Lamas oder Gebetbücher, Tempel und Klostergebäude, sogar Steine und Gebeine welche sie auf den Bergen hausenweis zusammen» tragen; bei jedem Schritt werfen sie sich auf die Erde, fahren mit gefal. teten Händen vor den Kopf und rufen Borhan, Bortian!" — „Aber glauben denn nicht auch die Lamas daß unzählige Vorhans vorhanden seien?" — »Das erfordert eine Erläuterung", entgegnete der thibetanische Lama lächelnd. „Es giebt nur einen einzigen Schöpfer aller Dinge, und er ist ohne Anfang und ohne Ende. In Dschagar (Indien) nennt man ihn Buddha, in Thibet heißt er Samtscheh Mitschebat, der ewige Allmächtige; die Dscha Mi (die Chinesen), bezeichnen ihn als Fo, und die Sok po mi (die Mongolen), als Borhan". — „Du sagst Buddha sei ein Einiger; was sind dann aber -der Tale Lama zu Hla»Ssa. derVandschan vonDschaschiLumbo, der Tseng Kaba der Sifan, der Kaldan von Tolon Noor. der Guison Tamba von Groß-Kuren, derHobilgan in der Blauen Stadt, die Hotoktu in 110 Zusammentreffen mit einem thibetauischen Lama. 16. Kap. Peking und alle die vielen Schab erons*) in dcn Klöstern der Mongolei und Thibets?" — „Die sind allesammt Buddhas." — „Ist denn Buddha sichtbar?" — „Nein, er ist körperlos; er ist nur eine geistige Substanz." — „Also Buddha ist ein Einiger und doch giebt es unzählige Buddhas, wie die Echaberons und Andere. Vnddba ist körperlos, man kann ihn nicht scl,en. und doch sind der Tale Lama. der tNuison Tamba und alle übrigen Echaberons sichtbar und babcn einen Körper wie Du und wir? Wie willst Du das erklären?" Er breitete dieArme aus, und sprach mit gewichtigem Tone: „Diese Lehre ist die wahre; sie ist die wahrhaftige Lehre die von Abend her kommt; aber sie ist unergründlich tief und laßt sich nicht bis ans Ende erklären." Wir durften wohl erwarten unter den Lamas in Thibet einen Symbolismus zu finden, der geläuterter war als der gemeine Volksglaube, und wurden dadurch in unserm Vorsatz bestärkt, weiter nach Westen vor« zndringen. Als wir abreisen wollten, ließen wir den Gastwirth rufen, um unsere Zeche zu bezahlen. Gr aber sprach: „Wir wollen nicht rechnen ; legt dreihundert Sapeken in die Kasse, und damit gut. Ibr könnt meine Herberge zu den drei Vollkommenheiten empfehlen. Reiset glücklich." sechstes Kapitel. Ein Mongolenfresser. — Kroße Karawane. — Anluuft in Tschagan Kuren. — Der (Hclbe Strom. Wir verließen die Blaue Stadt am vierten Tage des neunten Mon. des. und kamen nur unter allerlei Beschwerlichkeiten aus dem Drang uud Mewirr der engen Straßen hinaus zum westliche» Thore. Das Land welches wir jetzt durchwanderten gehört noch immer zum westlicheu Tumct. und ist eben so wohlhabend und sorgfältig bestellt, als auf der östlichen Seite der Stadt. Wir erblickten viele Dörfer, kebrten aber am Tage nirgend« ein und suchten nur Abends eine Herberge auf. Am zweiten Tage trafen wir in dem Gasthause iu welchem wir übernachteten, einen ganz absonderlichen Menschen. Als wir eben unsere *) Schabcrons beißen alle die nach ihrem Tode verschiedene ^„-carnationen erfuhren. Sie gelten für lebcude Buddhas. 6. Kav.j Ein Moiigolenfrejfer. HI Kameele entlastet und an die Krippe gebunden hatten, trat ein Reisender in den großen Hofraum; er zog einen abgemagerten bauchschlächtigen Gaul am Halfter nach sich. Der Mann war klein. aber dabei äußerst wohlbeleibt, trng einen großen Strohhut, dessen Krampe ihm auf die Schultern hinabfiel, und schleppte in seinem Gürtel einen langen Säbel, der ziemlich so groß war wie der ganze Mensch. „Intendant der Küche," rief er, „ist hier in Deiner Herberge Platz für mich?" — „Ich habe nur ein Zimmer für die Reisenden abzugeben, und darin sind drei mongolische Männer, die eben ankamen. Siehe zu, ob sie Dir einen Platz geben." Der Reisende mit dem langen Säbel kam mit gewichtigen Schritten auf unser Gemach zu, trat ein und sprach: „Friede und Glück mit euch, Herrrn Lamas; nehmt ihr den ganzen Raum dcs Zimmers ein? Ist nicht noch ein wenig Platz für mich da?" — „Weshalb sollte für Dich kciu Platz mehr sein, da wir doch Raum haben? Eiud wir nicht Alle Reisende?" — „Sehr wohl gesprochen, vortrefflich geredet! Ihr seid Mongolen. ich bin ein Chinese; aber ibr versteht euch vollkommen auf das was sich schickt; ihr wißt daß alle Menschen Brüder sind." Nun band er sein Pferd an. legte stin Gepäck auf dm Kang, und reckte und streckte sich aus, wie ein recht ermüdeter Mensch wohl zu thuu pflegt. „Ah ya. ah ya, da wäre ich nun in der Herberge; ah ya, hier ist es doch besser als unterwegs! Wollen einmal sehen ob wir ein klein Wenig ausruhen können." — „Wohin willst Du gehen, und weshalb trägst Du auf der Reise den Säbel?" — „Ah ya, ich komme weit her und habe noch eine schöne Strecke Weges vor mir. In diesen mongolischen Ländern kann es nicht schaden, wenn man einen Säbel bei sich hat; man trifft nicht immer mit guteu Leuten zusammen." — „Du gehörst wohl zu einer chinesischen Handelsgesellschaft die weiße Champignons oder Salz suchen läßt?" — „Nein, ich bin für ein großes Pekinger Handelshaus beschäftigt und treibe Gelder ein welche die Mongolen schuldig sind. Aber wohin wollt denn ihr reisen?" - „Wir wollen über den Gelben Strom nach Tschagan Kuren und weiter nach Westen hin durch das Land derOrtnslOrdos)." __ „Es scheint als ob ihr keine Mongolen seid?" — „Nein, wir sind Lente aus dem Abeudlande." — „Ah ya, da wären wir ja ziemlich ein und dasselbe und hätten auch beinahe einerlei Geschäft. Denn ihr seid gleich mirMongolenfre sse r." — „Wie, Mongolenfresser? Was soll denn das bedeuten?" — „Unser Geschäft besteht darin, die Mongolen aufzufressen. Wir Kaufleute fressen sie durch den Handel auf, ihr Lamas frcßt sie durch eure Gebete auf. Die Mongolen sind einfältig; weshalb 112 Eln Mongolenftesser. l6. Kap. sollten wir ihnen nicht das Geld abnehmen ?" — „Du bist im Irrthum; seit wir uns in der Mongolei befinden, haben wir viel Geld ausgegeben, und noch leine einzige Sapeke angenommen. Alles was wir besitzen, haben wir bezahlt, baar, mit Silber das wir aus unserer Heimat mitgebracht." — Ich dachte, ihr wäret in die Mongolei gekommen, um Gebete herzu« sage».« — ..Darin hast Du recht, wir sprechen Gebete, treiben aber keinen Handel damit." Dann fetzten wir ihm in aller Kürze den Unterschied zwischen Christen und Buddhagläubigen auseinander; er konnte aber nicht gut begreifen, daß man bete. ohne Geld dafür zu bekommen. „Hier zu Lande macht man das anders; die Lamas beten nicht unentgeltlich. Wenn in der Mongolei nicht Geld zu holen wäre, so setzte ich wahrhaftig keinen Fuß in dieses Land." Dabei lackte er, und trank Thee in vollen Zügen. „Du darfst also nicht sagen. daß wir und Du dasselbe Geschäft treiben, sprich lieber schlichtweg. daß Du ein Mongolcnftesser seiest." — „Ja, dafür stehe ich euch gut; wir Kaufleute fressen die Mongolen auf mit Haut und Haar." — „Wie fängst Du es denn an. daß Du in der Mongolei so fette Mahlzeiten Halten kannst ?" — „Bah, ihr kennt wohl die Mongolen nicht. Seht ihr denn nicht, daß sie Alle wie Kinder sind? Wenn sie zur Stadt kommen, wollen sie Alles haben was sie sehen. Da< für reicht dann ihr Geld nicht aus, wir greifen ihnen unter die Arme. geben ihnen die Sachen aufBorg. und sie müssen natürlich mehr bezahlen, etwa um dreißig bis vierzig Prccent. Das ist doch ganz in der Ordnung? Dann summen sich die Zinsen auf, und wir rechnen Zins auf Zins. In der Mongolei geht das, in China stehen dem die kaiserlichen Gesetze entgegen. Wir nuisscn jahrein jahraus im Graslande umherziehen, und haben also wohl ein Recht Zins auf Zins zu nehmen. Eine Schuld in der Mongolei kann nie verjähren, sondern vererbt sich auf Kind und Kindes« kind. Alljährlich holt man die Interessen ein, die mit Schafen, Kameelen, Pferden, Ochsen und dergleichen bezahlt werden. Wir nehmen das Vieh zum niedrigsten Preise und verkaufen es dann möglichst hoch auf den Märkten. Ah, solch eine bei den Mongolen ausstehende Schuld ist eine profitable Sache, eine wahre Goldgrube!" Dieser UaoTschangTi, das heißt Schnldemtreiber, lachte aus vollem Halse während er uus sein Ausbeutungssvstem mit so großem Be» Hagen schilderte. Er sprach recht gut mongolisch, uud war ein geistig eben so gewandter als kräftiger Mensch. Wehe den Mongolen welche unter seine Hände kamen! Am andern Tage, als wir nach Tschagan Kuren unterwegs waren, 6. Kap.) Große Karawane. Hg verloren wir unsern Hund Arsalan. Eamdadschiemba meinte, als Chinese habe er sich nicht an das Nomadenleben gewöhnen können; er werde also wohl Dienste bei irgend einem Ackerbauer genommen haben. Wir hatten uns an ihn gewöhnt und verloren ihn ungern, obwohl er uns in der Steppe nichts nützte. Denn er schlief Nachts so fest, daß er als Wächter nicht zu gebrauchen war. streifte umher, und jagte Adler auf oder setzte den grauen Eichhörnchen nach. Bald vermißten wir ihn gar nicht mehr. Als wir Tschagan Kuren, der „weißen Mauereinfassung", gegen Abend schon ziemlich nahe zu sein glaubten, sahen wir in einiger Entfernung eine dichte gewaltige Staubwolke^, aus welcher nach und nach Kameele und türkische Kaufleute hervortauchteu; sie brachten Waaren aus den west« lichen Provinzen nach Peking. Neben der unabsehbaren Neihe von Ka» meelen die uns entgegen kamen, mochte sich unsere kleine Karawane winzig genug ausnehmcn. Die Treiber sagten uns, ihre Karawane bestehe aus „zehntausend" Kameelen, und so viel war richtig, daß eine unzählige Menge dieser mit Kisten und Ballen bcladenen Thiere an uns vorüberzog. Jene Treiber hatten ein von den Sonnenstrahlen sebr stark geschwärztes Angesicht; die ganze Erscheinung dieser Leute machte einen wilden, menschenfeindlichen Eindruck. Sie waren vom Kopfe bis zu den Füßen in Vocksfelle gekleidet, hingen gleich WaarcnbaNen zwischen den Höckern der Lastthiere, und würdigten uns kaum eines Blickes. Sie waren durch eine fünfmonatliche ununterbrochene Reise völlig abgestumpft. Alle Ka« meele hatten thibetanische Glocken am Halse hängen, deren Silberklang harmonisch weithin schallte, und zu dem düstern schweigsamen Aussehen der Treiber einen scharfen Gegensatz bildete. Nach allerlei Fährlickkcitcn gelangten wir endlich in tiefster Dunkelheit nach Tschagan Kuren, wo alle Thüren längst verschlossen und keine Menschen nichr auf den Straßen waren. Alles schien wie ausgestorben. nur die Hunde bellten uns an. Wir zogen weiter und weiter, bis endlich ein Geräusch sich vernehmen ließ. Wir hörten Hammerschläge, die auf einen Ambos sielen, und baten die Schmiede uns nach einer Herberge zu weisen. Sie scherzten über Monaolen und Kameele. und gaben uns dann einen Knaben mit, der am lodernden Feuer eine Fackel anzündete und uus zu einem Gast hause brachte. Als aber der Wirth unsere kleine Karawane sah, schlug er die Thür wieder zu, und ganz dasselbe begab sich vor mehreren anderen Herbergen; überall hieß es, für Kameele habe mau keinen Platz. Diese Thiere sind in den Gasthäusern ungern gesehen, weil die Pferde leicht vor ihnen erschrecken; dadurch entstehen nicht selten allerlei Unordnungen, und viele Huc, Mongolei. 8 114 Tschagcui Kuren. 16. Kap. chinesische Reisende wollen überhaupt nur iu solchen Herbergen wobnen, die KW mongolische Karawane aufnebmen. Unser ssübrcr wurde am Ende semes Amtes überdrüssig, ließ uns sieben und lief davon. Da waren wir nun, matt, müde, gepeinigt von Huuger und Durst. in stock« finsterer Nackt, in einer großen uns völlig unbekannten Stadt. (5hc wir uns an der ersten besten Stelle binlegtcn, beschlossen wir nocl) einen letzten Versuch zu machen, um wo möglich Unterkommen zu finde». Wir pochten an die allernächste Thür. die auck bald geöffnet wurde. — „Bruder, ist hier eine Herberge?" — „Nein, eine Schäferei. Wer seid ibr?" — „Reifende. Die Nacht hat uns nntmveas überrascht; in der Stadt fanden wir alle Herbergen verschlossen, und keine wollte uns aufnehmen." Während wir daS sagten. kam der alte Mann mit einem Brande näber. und ricf. sobald er unsere Tracht und unsere Kamecle sab : „Mend u, Men du, Herren Lamas: Tretet ein! Dort im Hofe findet ihr Platz für eure Kameele; mein Haus ist geräumig genug, ihr könnt hier einige Tage ausruhen." Nun waren wir geborgen, denn wir hatten eine mongolische Familie angetroffen, an deren gastlichem Heerd uns Thee mit Milch gereicht wurde. Wir äußerten unsere Freude darüber daß wir iu ein solches Haus gelangt seicu. Der Alte sagte uns. er lebe schon seit vielen Jahren nicht mebr unter dem Zelte und habe sicb ein Haus gebaut. Gr treibe Handel mit Wollvieb; aber seiu Hnz sei unwandelbar mongolisch geblieben. Trotz unserer Ermattung mußten wir ein Nachtessen anncbmen; der gute Alte setzte uns wieder Thee vor, Vrot das in heißer Ascl'e gebacken war, uud saftiges Schöpsenfleisch. Nachdem wir gespeist, tauschten wir Prisen Tabak mit der Familie, und begaben uns dann zur Ruhe. Als wir am andern Morgen unserm Oastfreunde mittheilten. daß wir über den Gelben Strom und dann weiter durch daS Land der Ortus reisen wollten, erhoben Alle Einsprache; die Reise sei unmöglich, der Hoang Ho seit acht Tagen dermaßen ausgetreten daß das Land weit und breit unter Wasser stehe. Und doch hatten wir ein trockenes Jahr gehabt, die Regenzeit war längst vorbei, und der Strom tritt alljäbrlich nur im sechsten oder siebenten Monat über seine Ufer. Wir überzeugteu uns mit eigenen Auge» daß unsere Mongolen keineswegs übertrieben hatten: der Hoang Ho bildete einen See. dessen Grenzen unser Auge »licht absah; aus dem Wasserspiegel ragten nur einzelne Häuser und Dörfer hervor. Wir waren in der größten Verlegenheit. Umkebreu wollten und durften wir nicht: wir hatten uns vorgenommen, trotz aller Hindernisse, bis Hla Ssa vorzudringen Wir konnten stromauf weit nach Norden hin gehen. 6. Kap.) Der Gelbe Strom. 115 aber das hätte großen Zeitverlust gebracht, und wir mußten dann durch die große Sandwüste. Wir konnten auch etwa einen Monat lang in Tschagan Kuren bleiben, und abwarten bis das Nasser sich verlaufen hatte; aber dann mußten wir eben so lange mit fünf Thieren in einer-Herberge wohnen, und unsere Geldmittel waren doch äußerst gering und beschränkt. Eö blieb also nichts übrig als in (Äottcs Namen die Weiter» reise unverzüglich anzutreten. Wir nahmen einige Mundvorräthe mit, fütterten die Thiere stark und machten nns auf den Weg. Bald befanden wir uns auf den üoerschwemmten Feldern, in welchen nur da und dort schmale Dämme über das Waffer hervorragten; die Bauern schifften in Nachen auf ihren Aeckern umher. Unsere Kameele glitten auf dem weichen Schlamme bei jedem Schritt aus, es fröstelte die armen Thiere trotzdem sie mit Schweiß bedeckt waren. Um Mittag hatten wir eine Strecke Wegs von kaum einer halben Stunde zurückgelegt, weil wir bald in die Kreuz, bald in die Quer oder im Bogen gehen mußten, um überhaupt vorwärts zu kommen. Wir gelangten an ein Dorf und waren sogleich von einer Menge zerlnmvtcr Menschen umgeben. Hier war nickt weiter zu kommen, da Alles vor uns einem See glich bis zu dem Deiche, welcher den Hoaug Ho einfaßt. Wir uuterbandelten längere Zeit mit gaunerhaften chinesischen Fährleuten, die sich nnsere Verlegenheit zunutze machten, und denen wir achthundert Sapcken bezahlen mußten. Sie ruderten uns hinüber und zeigten uns eine kleine Pagode (Miao), neben welcher eine Hütte stanV Dort sei die eigentliche große Fähre welche uns über den Fluß schaffen werde. Wir kamen gegen Mend dorthin und verabredeten für den andern Tag ein Fährgeld von eintausend Sapeken. Wo aber sollten wir übernachten? Auf keinen Fall in einer der Fischerhütten, denn dort wäre uns sicherlich von unseren Habseligkciten Vieles abhanden gekommen; wir kannten die Chinesen und trauten ihnen nicht. Der Boden war sonst überall mit nassem Schlamm bedeckt, und es war nicht daran zu denken ein Zelt anzuschlagen. Wir wählten also einen kleinen lNötzen'empel zum Nachtquartier. Vor der mit einer Kette verhängten Eingangsthür befand sich ein von drei steinernen Säulen gestützter Porticns; dort wollten wir bleiben. Samdadschiemba fragte, ob es nicht ein entsetzlicher Aberglaube sei, daß wir in der Vorhalle eines Miao schlafen wollten. Wir beseitigten seine Bcdcnkllchkeitcn. und nun stellte er philosophische Betrachtungen an. „Da steht nun einc Pagode welche sie zu Ehren des Ltromgottes erbaut haben; wenn es aber in Thibet geregnet hat, kann der Pu - sa nicht einmal die Ueberschwemmung 8* 116 Der Gelbe Strom. l6. Kap. abhalten! Nun suchen hier zwei Sendboten Iehova's Schutz; der Miao gewählt so doch wenigstens Einen Nutzen," Dabei lachte unser Dsckiahur recht herzlich: Wir unsererseits richteten uns ein so gut es geben wallte, und beteten dann unsern Rosenkranz am Ufer des Hoang Ho. Der Mond schien hell und übergoß den gewaltigen Strom mit Silberliä't. Er ist ohne alle Frage einer der herrlichsten Flüsse aus Erden. Seine Quelle liegt iu den Gebirgen von Thibet; von dort strömt er in das Land des KwKu Noor. tritt in die chinesische Provinz Kau-su. und verlaßt dieselbe wieder indem er durch sandiges Gelände au den Aleschanbergen hinfließt, im Westen. Norden und Osten das Land der Ortus (Ordos) umströmt, und dann abermals in das eigentliche Ehina eintritt. Hier geht sein Lauf anfangs von Norden nach Süden, dann von Westen nach Osten zum Gelben Meere. Das Wasser des Hoang Ho ist in seinen Quellgegenden schön und klar, und erhält seine gelbe Farbe erst in dem sandigen Gelände am Fllße der Aleschanberge und bei den OrtuS. Es steht fast immer in gleicher Höhe mit dem Lande, und der Mangel an Eindeichung ist Schuld an den verheerenden Überschwemmungen, die freilich in der Mongolei weniger Schaden anrichten, wcil hier der Ackerban fehlt, nnd der Hirt sein Vieh nach höher gelegenen Plätzen treibt, sobald der Strom an> schwellt. Aber in China sind die Verwüstungen furchtbar. Das Bett dieses „Gelben Stromes" bat im Laufe der Zeit vielfache Wechsel erfahren. Einst lag seine Mündung in Petschili. etwa unter 39 Grad N. Br., gegenwärtig befindet sie sich unter 34 Grad N.Vr..'mehr als l 30 Stun-den südlich von der frühern. Die chinesische Negieruug muß alljährlich große Summen aufwenden, Mi'ibn möglichst unschädlich zu machen. Im Iabre 1779 kosteten die Deicharbeiten mehr als zehn Millionen Neichs-tbaler. Trotz alle dem tritt er häufig über seine Ilfer aus. Denn in den Provinzen Honan und Kiang - su liegt auf einer Strecke von zweihundert Stunden sein Bett höher als die ungeheure Ebene durch welche er strömt, und es wird immer höher weil der Strom eine ungeheure Menge von Sand und Schlamm mit sich führt. Es ist kaum zweifelhaft, daß über kurz oder lang einmal eine entsetzliche Katastrophe eintritt, welche fürchter, terliche Verwüstungen anrichten wird. Wir horchten bei Mondenschein auf das gewaltige Rauschen des großartigen Stromes, und waren ganz in Träumerei versenkt, als Sam-dadschiemba uns in die Prosa des Lebeus zurückrief. Er kündigte uns an. daß der Brei von Hafermehl bereit stehe. Nachdem wir ihn genossen, breiteten wir uusere Bocksfelle aus, und legten uns dergestalt, daß wir 6. K«p-1 Philosophic Eamdadschicmba's. 117 ein Dreieck bildeten, in dessen Mitte unser Gepäck lag. Denn auch an so heiligem Orte wareil wir nicht sicher vor den Spitzbübereien der Chi« nesen. Der Gott des Gelben Flusses befand sich auf einem Gestell aus grauen Ziegelsteinen-, cr war abscheulich häßlich, wie alle dergleichen Idole in den chinesischen Pagoden. Ans dem breiten platten Säufcrgesicht tra. ten zwei glitzernde Augen hervor, etwa so groß wie Hühnereier, deren Spitze nach vorne hinausstand. Dicke Augenbrauen liefen nicht wagerecht, sondern vom Ohrzipfel nach oben. trafen mitten aus der Stirn zusammen und bildeten dort einen stumpfen Winkel. Auf dem Haupte trug der Götze eine Seemuschel, in der Hand schwang er ein sägenartig alisgezacktes Schwert. Zur Rechten und Linken dieses Pu-sa standen zwei kleinere Figuren welche gegen ihn die Zunge ausstreckten. Wir wollten uns cbcn schlafen legen, als ein Mann mit einer Papierlaterne näherkam, das Gitterthor öffnete, in den Miao hineintrat, sich dreimal niederwarf, in dem kleinen Vecken Näucherwerk verbrannte, und vor dem Götzenbilde eine Lampe anzündete. Seine Haare fielen in Flechten herab, und sein blauer Nock bewies, daß er kein Geistlicher war. Nachdem er mit seinen Ceremonien fertig war. wendete er sich zu uns und sagte: „Ich lasse die Thür offen, ihr werdet drinnen besser schlafen können." Wir lehnten das ab und fragten, weshalb er geopfert habe. Er gab nns zur Antwort: „In diesem Miao wohnt der Geist des Hoang Ho. Ich verbrenne Weihrauch d5mit der Fischfang ergiebig sei und die Schiffsahrt in Frieden vor sich gehe." Samdadschiemba entgegnete ihm in sehr unverschämten Tone: „Was Du da sagst, ist eitel Albernheit (Hu-tschue). Wie kommt es denn, daß Wasser in Deinen Miao gekommen, und Dein Pu«sa mit Schlamm bedeckt ist?" Der Chinese lief weg ohne zu antworten. Das befremdete uns; er mochte sich aber mit unserm Gefährten auf religiöse Streitig« keitcn um so welliger einlassen, da er es vortheilhafter fand, uns ein Tuch zu stehleil, das wir zum Trocknen auf das Gitter gelegt. Nach unsäglichen Schwierigkeiten war es uns am Morgen gelungen, die Kameele anf das Fätirboot zu bringen. Wir schwammen anf dem Gelben Strom, befanden uns aber mehr als einmal in augenscheinlicher Lebensgefahr, sobald eines unserer Thiere unruhig wurde und das Fahrzeug aus dem Gleichgewicht brachte. Und als wir am andern Ufer ausgesetzt wnr. den, trafen wir anf neue. Hindernisse. Das Land war zum großen Theil noch voller Moräste und Lachen, und Pferde wie Kameele kamen nur unter entsetzlichen Anstrengungen fort. Mitten in diesem Schlammoceane begegneten uns drei chinesische Fußmscnde, hoch aufgeschürzt, und mit Hg Vertilgung desUugeziefcro. —UnsaliberkeltderMongoleu. ^7.Kap. Päckchen auf den Schultern. Sie gaben uns keine tröstliche Auskunft. Am Ende hielten wir es für gerathen, gerade ans, durch Dick und Dünn, zu gehen; endlich batten wir denn auch wieder trockenen Boden unter den Füßen, und kamen an eine mongolische Hütte. Dort fanden wir Hirten, welchen die Chinesen von Tsckagan Kuren die Obhut ihrer Heerden anvertraut hatten. Nun erfnbren wir daß, in etwa einer halben Stunde Entfernung, noch ein Fluß zu pajsiren, dann aber fester Weg sei. Dieses Wasser heißt der Kleine Fluß, Paga Gol. Wir fanden gute Weide, und ruhten daher einige Tage aus; Menschen und Vieh waren der Er. holung änßcrst bedürftig. Siebentes Kapitel. Vertilgung des Uugezieferö. — Unsanl'evkeit der Mongolen. — Vorstellungen der Lamas ül'cr die Seeleuwanderung. — Nomadenleben. — Waffervögel. — Der Micu ?)ang. — Fiscl'sang — Kn-Kno oder Ignatiuö-bohne. — Der Paga Mol. — Ein Minister des Königs der Ortos. Wir zogen einen Graben lim das Zelt. und richteten uns so bequem als immer möglich ein; die Sattelkissen und Decken der Kamecle dienten uns als Matratzen, uud wir hatten ein weiches Lager. Seit lämzer als anderthalb Monaten waren wir unterwegs, ohne daß wir nur ein einziges Mal hätten die Kleider wechseln können, die überfüllt waren von widerwärtigem Ungeziefer. Die Chinesen und Mongolen gewöhnen sich daran, für einen Europäer ist es aber die allcrargste Plage. Das größte Mis-gesckick auf uuserer langen und weiten Rcise waren, gerade heraus gesagt, die Läuse. Zwei Jahre hindurch haben wir Hunger, Durst, Kälte und Stürme ertragen haben Räuber, wilde Thiere, Lawinen uud Abgründe nickt gefürchtet, mit Entbehrungen und Gefahren aller Art zu kämpfen gehabt. Aber das Alles zusammen war in der Tbat geringfügig im Vergleich zu dem entsetzlichen Misgesctnck, das uns von dem unvermeidlichen Ungeziefer bereitet wurde. Zum Glück hatten wir vor unserer Abreise aus Tschagan Kuren fnr einige Sapekcn Quecksilber gekauft, das uns jetzt guten Dienst leisten sollte. Wir hatten ein Ncccpt von einem Chinesen erhalten. Man nimmt ein Loth Quecksilber, das man mit alten zu einem Brei zerkauten Theeblättern durcheinander reibt; um diesen Brei ein wenig weicher zu machen, thut man etwas Speichel hinzu, denn Wasser hat nicht 7. Kap.) Vorstellung,.'» der Lamas über di»! Zcclcnwaild'erung. ^19 dieselbe Wirkung. Dann muß das Ganze durcheinander gerührt werden, bis das Quecksilber sich i„ gan; kleine staubfeine Kügelchen vertheilt. Mit dieser Maffe wird eine aus Baumwollenfäden lose gedrehte Kordel ge» sättigt, die man um den Hals l'ängt. so bald sie gehörig trocken geworden ist. Bald sckwellt das Ungeziefer an, wird röthlich und stirbt in kürzester Frist. In China und in der Mongolei muß man dieses Schutzmittel so ziemlich jeden Monat erneuern, und ohne dasselbe bleibt man nicht von dem bösen Besuch verschont. Man braucht nur einen Augenblick in einer Mongolen- oder Chinescnwohuung Platz zu nehmen und darf sich darauf verlassen. daß man von Läusen geplagt ist. Die Mongolen kennen jenes sichere und einfache Mittel recht wohl. wenden es aber nur selten an. Sie leben von Ingend auf zwischen Ungeziefer, und beachten dasselbe gar nicht mehr; nur wenn es ihnen die Haut allzuempfindlich verletzt, treffen sie Gcgcnvorkehrungen. Sie legen nämlich ihre Kleider ab und machen gemeinschaftlich Jagd auf dieses Wild; das gilt für einen ganz honetten Zeitvertreib, bei dem man sich ergötzt. und an welchem sich Freunde und etwa anwesende Gäste gern betheilige». Nur die Lamas halten sich fern davon und todten das Ungeziefer nicht, sondern schleudern es weit weg, ohne ihm wehe zu tbun. Denn nach ihrer Lehre von der Tcelenwanderung würden sie einen Mord begehen, wenn sie einer Laus das Leben rauben. Wir baben indessen auch Lamas angetroffen, welche es in Bezng auf diesen Punkt nicht so genau nabmen. Allerdings, sagten sie, dürfe ein Priester kein lebendes Wesen todten, aber nicht etwa weil er dabei Gefahr liefe, möglicherweise einen Menschen zu todten der in jenes Thier übergewandcrt sei, sondern weil überhaupt jede Tödtung dem milden Charakter eines Geistlichen widerspreche, der beten und mit Gott in Gemeinschaft stehen solle. Einzelne Lamas treiben ihre ängstliche Vorsicht bis zur Albernheit. Selbst auf der Ncisc sind sie so peinlich, daß sie ihr Pferd rasch anhalten wenn sie gewahren daß etwa ein Insect im Wege sitzt, und nehmen dann eine andere Richtung. Sie räumen indessen ein, daß auch der vorsichtigste Mensch unwillkürlich eine Menge lcbmdcr Wesen todte. Zur Sübne für dergleichen unfreiwillige Mordthaten legen sie sich Fasten und Bußen auf, bei denen sie sich oft zur Erde niederwerfen und gewisse Gebete hersagen. Wir fanden natürlich keine derartigen Bedenklichfeiten, und säuberten was zu reinigen war. Wir hatten bereits Uebergriffe ins Handwerk der Sän,« ster und Schneider gemacht, indem wir je nach Bedürfniß Stiefel und Kleider ausbesserten; M machten wir auch Streifzüge in das Gebiet der Wäscherinnen, und hatten die unaussprechliche Freude wieder einmal vöüig 120 Nomadenleben. — Beschäftigungen während der Rast. s7. Kap. saubere Wäsche und Kleider tragen zu können! Wir fühlten uns über. Haupt auf jenem Lagerplatze sehr glücklich, und erholten uns rasch von den gewaltigen Anstrengungen der letzten Tage. Wir hätten uns kein schöneres Wetter wünschen können; am Tage war es erquicklich warm, Nachts sternenhell, wir hatten Fenerung ill Menge. gute Weide für unsere Tbiere. und Salpcterausschlag. der von unserm Kameelen als eine wahre Leckerei gesucht wurde. Sobald der Morgen beraufdämmerte. erhoben wir uns vom Nachtlager, findeten uns an, rollten unsere Bocksfelle zusammen und fegten das Zelt rein. denn wir hielten möglichst auf Ord» nung und Sauberkeit. Alles in der Welt ist relativ; über die iunere Einrichtung unseres Zeltes hätte jeder Europäer lachen müssen, während die Mongolen sie bewunderten. Denn wir hielten Thccnäpfe und Kcsscl sauber, unsere Kleider starrten doch nicht ganz und gar von einem schmuzi' gen Fettüberzlige; kurz wir und unser Zelt bildeten zu allen mongolischen einen Gegensatz. Nachdem wir solchergestalt unser Haus bestellt, beteten wir in Gemeinschaft, und gingen dann. jeder nach Belieben. da oder dorthin in die Einöde, um geistlichen Gedanken und frommen Be< trachtlmgen nachzuhängen. Dazu bedurften wir nicht etwa der Anleitung eines Buches, denn in jener feierlich stillen Wüstenei drängte es sich uns von selbst auf. wie leer und nichtig die irdischen Dinge sind, wie majestätisch Gott ist. wie unerschöpflich der Schatz seiner Vorsehung. Wir dachten daran, wie knr; das Leben ist. und wie mau für das Jenseits arbeiten muß! Iu der Wüste hat dcr Mensch ein freies Her<, und ist keinerlei Zwang unterworfen. Auf solche Betrachtungen folgte dann eine Beschäftigung, die frei« lich von all und jedem mystische» Charakter weit entfernt aber doch unumgänglich nöthig war und auch ihr Anziehendes hatte. Jeder von uns waif einen Sack auf den Nucken und sammelte Argols ein. Wer niemals ein Nomadenleben geführt, wird allerdings schwer begreifen wie eine derartige Beschäftigung Vergnügen machen könne, lind doch verursacht es eine große Freude, wenn man zwischen Gras und Kraut große trockene Algols findet. Man fühlt dann eine ahnliche Befriedigung wie der Jäger wenn er ein Stück Wild erlegt, oder der Fischer, wenn er bemerkt daß ein Fisch angebissen hat; — ja ich möchte sagen man fühle dcnEnthusiasmus eines Leverrier der einen neuen Planeten gefunden hat. Unsern Fund brachten wir dann ins Zclt. schlugen ein Stück vom Zicgeltbee ab, kochten es, und bereiteten unser Hafermehl: So nahmen wir das Frühstück ein. Nachher besorgte Tamdadschiemba unser Vieh. und wir lasen im Brevier. Gegen Mittag schlummerten wir ein wenig; denn Abends kamen wir immer erst 7. ssap.1 Wasservögel. — Der Yiien-Yang. 121 sehr spat zu Ruhe. weil wir beim hellen Mondschein bis tief in die Nacht umherwandeltcn. Am Tage war weit und breit alles ruhig und still. so< bald aber Dunkelheit eintrat, wurde die Wüste belebt, die Stille machte lauten, Geräusch Platz. Denn nun kamen Wasservögel in unzähligen Schaaren zu den Teichen, und erfüllten die Luft mit einer wilden Har< monie. In der Mongolei sind Zugvögel sehr häufig; sie gehören meist den auch in Europa vorkommenden Arten an; es sind wilde Gänse und Enten. Störche. Strandläufer und dergleichen. Der Uüen»F)ang ist ein Wasseroogel, der auf allen Teichen und Morasten vorkommt; er hat ungefähr die Größe einer gewöhnlichen Ente, aber einen runden, nicht abgeplatteten Schnabel; der Kopf ist roth und mit kleinen weißen Flecken besprenkelt, der Schweif schwarz, der übrige Körper schön purpurroth. Das melancholische Geschrei dieses Vogels ist wie ein heller langgezogener Seufzer, und gleicht den Klagctönen eines schmerzleidenden Menschen. Diese Vögel halten sich immer zu zweien beisammen. lieben ablegene be< wässerte Stellen, spielen auf der Wasserfläche umher, und das Paar trennt sich nie. Inen beißt das Männchen, Uuang das Weibchen; das Paar nennt man Men-Vuang. Die Chinesen sagen, beide Thiere stürben bald wenn man sie von einander trenne. Wir baben in der Mongolei noch einen sehr cigentln'imlichen Zug» vogel kennen gelernt. Er ist etwa so groß wie eine Wachtel. und hat von einem prächtigen himmelblauen Ringe umgebene glänzend schwarze Augen; das Gefieder ist aschgrau mit schwarzen Flecken; seine Beine sind nicht mit Federn, sonder» mit einem langen groben Haar bedeckt, das jenem des Bisamhirsches gleicht; die Zehen aber haben nichts mit jenen anderer Vögel gemein, sondern sehen genau so aus wie jene der grünen Eidechsen; sie sind mit so harten Schuppen bedeckt, daß auch das schärfste Messer nicht hindurch dringt. Dieser seltsame Vogel hat also anch etwas vom Vierfüßler und vom Kriechthier; die Chi» „esen nennen ihn Dra 3 e n f» ß, L il» g K i o. Die Drachellsiße ziehe» in großen Schaaren aus Norden herbei, besonders wenn viel Schnee gefallen ist; ihr Flug ist ungeheuer schnell und die Bewegung ihrer Flügel giebt in Absähen ein tönendes Geräusch wie Hagelschlag. Als wir in der nördlichen Mongolei der kleinen Christengemeinde im Thale der Schwarzen Gewässer vorstanden, brachte man uns einmal zwei lebendige Drachenfüße. Sie waren sehr wild, das Haar an ihren Beinen sträubte sich wenn man ihnen nnr nahe kam. sie bissen wüthend um sich, und wir konnten sie nicht am Leben erhalten da sie nicht fressen wollten. So wur» 132 Die Drachenfüße. - Fischfang. 17. Kap. den sie denn gcschlaäM; das Fleisch hatte einen augenehmen Wildvret« geschmack. war aber sehr zäb. Die Mongolen kannten sich ohne alle Mühe Zug- und Wasservögel in ungeheurer Menge verschaffen, aber sie mögen, wie scbon früher bemerkt wurde, überhaupt nicht gern Wild essen; sie ziehen fettes balb gar gekochtes Tchöpsenfleich jedem andern Gerichte vor. Auch um den Fischfang kümmern sie sich nickt viel; deshalb sind die vielen fischreichen 3een und Teiche den Elnnesen überlassen worden. Diese abgefeimten Specnlanten kauften von den mongolischen Königen die Er» laubniß, in ihren Staaten Fischfang treiben zu dürfen, und wußten es so anzustellen daß nach und nach ans dieser Erlaubniß cm Recht wurde. Am Paga Gol. jenem kleinen Flusse in dessen Nabe unser Zelt stand, fanden wir mehrere chinesische Fischerhütten. Jener Paga Mol war eine große Wasserfläche welche aus der Vereinignng zweier Flüsse entsteht; sie entspringen an zwei Abbangen desselben Hügels und fließen in entgegengesetzter Richtung; der eine gegen Norden zum Gelben Strom, der andere, nach Süden, mündet in einen Fluß der gleichfalls mit dem Hoang Ho sich vereinigt. Bei Uebcrschwemmungen ist aber von beiden Flüssen und dem Hügel nichts zu sehen, da Alles einen stundenweiten Wasserspiegel bildet. Dann kommen aus dem olmebin fischreichen Hoang Ho sebr viele Fische in die Gewässer des Paga Gol. Als wir dort verweilten befremdete uns ein Geräusch, das aus weiter Ferne kam und die gan;e Nacht über anbielt; es währte auch am Tage fort, nur mit öfteren Unterbrechungen. Wir hörten von einem Fischer daß Nachts alle seine BerufSgenosseu in kleinen Nachen anf dem Wasser umherfahren, und auf hölzerne Trommeln klopfen, um die Fische zu erschrecken und in die aufgestellten Netze zu jagen. Die Zeit des Fischfangs danert etwa drei Monate, und endigt sobald Eis sich einstellt. Jener Fischer sab abgespannt aus nnd hatte rothe geschwollene Augen; er hatte scit langer Zeit keine Nacht geschlafen. „Herren Lamas, ich habe keine Zeit zn verlieren; wenn ich Thee nnd Hafermehl genossen habe, steige ich. obwohl ich die gaiHc Nacht belästigt war. in meinen Nachen und ziehe dort im Westen meine Äctze auf. berge meinen Fang. bessere Masche» aus, ruhe dann ein wenig, gehe aber wieder an die Arbeit sobald der Uralte (die Sonne) verschwindet." — Wir fuhren mit diesem Chinesen auf den Fischfang aus. Er ruderte seinen Nachen auf spiegelglattem Wasser durch zahllose Enten und Kormorans, die gar nicht scheu waren; dann zogen wir die Netze auf. und fanden prächtige Fische darin, von welchen aber alle, die nicht ein halbes Pfund schwer waren, wieder weggeworfen wurden. Trotz des sehr ergiebigen Fanges bot der Chinese ?. Kap.I Die Igliatiusbohne. , 123 uns keinen Fisch an, aber verkaufen wollte er an uns. und verlangte achtzig Sapeken für das Pfund, also weit mehr als das beste Hammel» fleisch gekostet haben würde. „Aber", meinte er. ..was sei denn das Schöpsenfleisch gegen Fische aus dem Hoang Ho!" Am Ende gab er zu daß wir von den kleinen Fischen, die er nicht gebrauchen konnte, uns ein Gericht aneigneten. Als wir damit heimkamen fanden wir unsern Samdadftbiemba in sehr übler Laune, weil er mit dem Tbee hatte so lange warten müssen. Ann aber machte er ein freundliches Gesicht. Unser Sack mit Weizenmehl wurde geöffnet, was nur selten geschah, er backte kleine Kuchen in der heißen Asche, und wir brieten die Fische in Hammelfett. Als wir sie abschuppten hatte derDschiahur seine Vedenklichkeiten, weil die Fische noch lebendig waren; man müsse sie, meinte er, absterben lasseu und dann erst ausnehmen; es sei Sünde ein lebendes Wesen zu todten. „Also Du glaubst immer noch, daß die Seelen der Menschen in Thiere, und jene der Thiere in Menschen wandern?" Er lachte und schüttelte mit dem Kopfe. In der Mongolei und dem nördlichen China wird. wie schon gesagt, zu Winters Anfang die Fischerei geschlossen. Sobald es Eis gefriert nimmt man die Fische aus ibren Bebältern, stellt sie der freien Nachtluft bloß. läßt sie zu Tode gefrieren, packt sie ein. und bringt sie in den Handel. So hat man in den Nordprovinzen das ganze Jahr hindurch frische Fische; sobald aber das erste Tbauwetter eintritt, verderben sie. Wir hatten uns nun ausgeruht und mußten weiter reisen. Dabei fragte es sich wie wir über den Paga Gol kommen sollten. Eine chinesische Familie hatte vom Könige der Ortus die Fähre in Pacht erhalten. Der Patron verlangte aber eintausend Sv.peken; das war uns zu viel und wir warteten. Nach drei Tagen kam ein Fischer zu unö. Der Manu war leidend; ein bissiger Hund hatte ihm vor einigen Wochen ein Stück Fleisch aus dem Beine gerissen und die Wunde war sehr schlimm gewor« deu. Er meinte, Lamas die vom westlichen Himmel herstammen, könnten alle Krankheiten heilen. Wir sagten ihm daß er darüber in Irrthum sei, nahmen aber die Gelegenheit wahr mit ihm vom Christenthum zu reden. Doch er war ein Chinese, und wie alle Leute seiner Nation sehr gleich-giltig gegen religiöse Dinge. Unsere Worte blieben ohne Eindruck auf ihn und er war nur mit seiner Wunde beschäftigt. Wir behandelten sie mit KuMuo. das heißt der St. Inguatiusbohne. Sie ist eine braune oder aschgraue Frucht mit horniger Substanz, sehr hart, von unerträglich bit« term Geschmack, und kommt von deu Philippinen. Man zerstößt sie in kaltem Wasser, welchem sie ihre Bitterkeit mittheilt; innerlich genommen 124 Uebcrfahrt über den Paga Gol. s.7. Kap. , kühlt sie das Blut ab und besänftigt Entzündungen der Eingeweide; äußer» lich ist sie ein treffliches Heilmittel gegen Wunden und Quetschungen. In der chinesischen Arznciklmde spielt diese Frucht eine große Nolle, und man findet sie in allen Apotheken. Auck die Thierärzte erzielen damit am Rindvieh und an Pferden gute Resultate. Wir behandelten unsern Chinesen so gut wir es verstanden, und er war sehr erstaunt als wir keine Bezahlung dafür annehmen wollten. Zum Zeichen des Dankes berührte er die Erde dreimal mit seiner Stirn, und erbot sich uns überzusetzen; er müsse aber zuvor mit seinen beiden Geschäftstheilhabern Rücksprache nehmen, denn er habe nur ein Drittel Antheil am Schiffe. Nachts kam er wieder; seine Partner verlangten vierhundert Eapeken. weil ihnen ein Tag verloren gehe, an dem sie keine Fische fangen könnten: es war aber die Be» dingung daß wir von alle dem gegen den Pächter nichts laut werden lasse» durften. So machten wir uns denn am andern Morgen auf den Weg, und die Schifffahrt ging anfangs nach Wunsch von statten. Dann aber hörten wir lautes Rufen; Samdadsckiemba, der unsere Thiere geleitete. befand sich in Wassersnoth, auch wir hatten den richtigen Weg verfehlt, geriethen in große Verlegenheit, und am Ende kam gar noch hinzu, daß der Päch» ter der Fähre uns aufs Korn nahm. Er fuhr mit drei Schiffen über und warf uns böse Blicke zu. Unserm Schiffer rief er zu: „Du Schildkröten«, wie viel geben Dir diese westlichen Männer für die Ucberfahrt? Sie haben Dir wohl einen hübschen Strang Eapeken versprochen, weil Du es wagst Eingriffe in mein Privilegium zum machen. Aber wir werden nach. her ein Wörtchen mit einander reden!" Unser Fährmann raunte uns zu: „Sagt ja kein Wörtchen!" Dann rief er so laut er konnte: „Du da sie« deft Leim und sprichst verwirrte Dinge; Du solltest vernünftig reden, und schwätzest ins Blaue hinein. Diese Lamas geben mir nicht eine ein» zige Sapeke; sie haben meine Bcinwunde geheilt; dafür setze ich sie über den Paga Gol. Darf ich das etwa nicht? Ich thue eine heilige Handlung." Der Fährmann murmelte in den Bart und sagte weiter nichts. Nun fubren wir ruhig weiter. Da kam in vollem Galopp ein Reiter herangesprengt, hielt am Ufer und schrie: „Rudert aus allen Kräften! Der erste Mi« nifter des Königs der Ortus kommt mit Gefolge die Steppe herauf und will auf eurer Fähre übersetzen!" Der Reiter war eiu tatarischer Man« darin mit blauem Knopfe. Den Fährleuten kam solch ein GehelW sehr ungelegen: sie sollten nun Frohnde thun, den Tudselaktßi, d. h. den Minister des mongolischen Königs fahren, und keine Sapekc dafür bekom» men. „Doch das Letzte", so fuhreu sie fort, „möchte noch hingehen; wenn 7. Kap.) Ein Miuistet des Königs der Ortus. lIg uns diese stinkende Tataren (Tscheu«ta-dse) nur nicht noch prügeln. Also immer vorwärts, heute sollen wir einen Tndselaktßi rudern!" Dabei lachten und fluchten sie auch über die Mongolen. Unser Fischer klagte uns seine Noth, und der arme Mann war wirklich zu bedauern, wenn er ge, zwungen wurde, seinerseits Frohndienfte zu thun. Wir riechen ihm lang. sam zu rudern weil man ihm nichts anhaben werde so lange wir auf der Fähre seien. Als ihn zwei Mandarinen fragten, weshalb er nicht rascher aus der Stelle komme, «legten wir uns ins Mittel, und sagten: „Mongo« lische Brüder bittet euren Gebieter, daß er mit jenen drei Fähren dort sein Abkommen treffe. Dieser Mann hier ist krank und rudert schon lange; es wäre grausam ihm nicht Ruhe zu gönnen." — „Es möge so sein wie ihr sagt, Herren Lamas", sprachen die Netter und sprengten fort. Bald begegneten uns die drei Fährboote, aus welchen sich die Man« darinen mit ihrem Gefolge befanden. Die Pferde hatte man anderweitig befördert. Eine stimme rief: „Herren Lamas, ist Friede mit ench?" Wir sahen an der rothen Kugel auf der Mütze, das der erste Minister des Königs uns angeredet hatte, und antworteten: „Tudselaktßi der Or. tus, unsere Fahrt geht langsam aber glücklich; möge Frieden auch Dei« nem Wege nicht fehlen!" Nachdem einige durch das mongolische Herkom« men gebotene Höflichkeiten ausgewechselt waren, fuhren beide Theile weiter, und nun fiel unserm Fährmann ein Stein vom Herzen, denn er war vom dreitägigen Frohndieust weggekommen, da der Tudselaktßi nicht durch die Moräste reisen wollte. sondern sich auf dem Hoang Ho bis zur Stadt Tschagan rudern ließ. Wir unsrerseits kamen nach langer gefährlicher Ueberfahrt ans Ziel, wo Samdadschiemba unserer schon harrte. Die Sonne wollte eben untergehen, und gern hätten wir unser Zelt aufgeschlagen, aber wir muß» ten noch ein Stunde weite,» um nur trockenen Boden zu finden. Wir wa« ren entsetzlich abgemattet, und so müde daß wir nicht einmal Haferbrei zu bereiten Kraft oder Luft hatten. Wil genossen daher eine Hand voll gerösteter Hirse und etwas kaltes Wasser, sprachZn unser Abendgebet, rollten die Bockshaut auf und legten uns schlafen. 1W Das Land der Ortus. > ^ ^. Kap. Achtes Kapitel. Das Land dei iDrtns oder 3)rdos. — Bebautes Land und sandige Stev< pen. — Rcgierungc-fonn bei den mongolischen Völkern — Adel. — Sclaverei. — Ein kleines Lamakloster. — Wahl und Amtocinschuug eines lebendigen Buddha. — Klosteregcln nnd Studien. — Ein heftiger Eturm. — Mongolische Hochzeitsfeierlichkeiten. — Vielweiberei und Ehescheidung. — Das weibliche Geschlecht'bei den Mongolen. Als wir am andern Morgen ziemlich spät erwachten und aus dem Zelte traten, warfen wir einen Blick auf das Land ill welchem wir uns nun befanden. Es sah dürr und öde genng aus, aber der Boden war doch wenigstens trocken. Wir befanden uns in den SandsteppenderOr« tns. Dieses Land wird in sieben Banner getheilt; es mag von Westen nach Osten einhnndert, und von Westen nach Norden ungefähr siebenzig Wegstunden balten. Gegen Morgen, Abend und Mitternacht wird es vom Gelben Strom umflosseu, gegen Süden bildet die Große Mauer die Grenze gegen China. Dieses Gebiet wurde zu allen Zeiten in den Strudel der politischen Bewegungen gerissen, welche das chinesische Reich heimsuchten, und war nicht selten Schauplatz blutiger Kriege. Vom zehnten bis zum zwölften Jahrhundert stand es uuter der Herrschaft der Könige von Hia, welche Thu°Pa-Mongolcn aus dem Lande Si-fan waren. Ihre Hauptstadt Hia Tscheu lag am Fuße des Aleschangebirges, zwischen dem Hoang Ho und der großen Mauer; sie heißt jetzt Ning Hia und gehört zur Provinz Kau Su. Im Jahre 1227 wurde das Königreich Hia und mit ihm das gauze Land der Ortus von Tscheng« Kis-Khan erobert, der die mongolische Dynastie der Mien gründete. Und nach Vertreibung der Mongolen aus China durch die Mingdynastie kamen die Ortus unter die Herrschaft des Khans von Tschakar. Als dieser 1635 die Oberherrschaft der Mandschu anerkannte, folgten die Ortus diesem Beispiele und gehören seitdem als zinspflichtiges Volk dem chinesischen Reich an. Als Kaiser Khang Hi 1696 einen Kriegszug gegen die Oeloeten unternahm, verweilte er einige Zeit im Lande der Ortus uud schrieb an seinen Sohn, der in Peking geblieben war, Folgendes: „Bisher wußte ich eigentlich nicht recht was ich von den Ortus denken sollte. Sie sind aber ein sehr policirtes Volk, das vo„ den alten echtmongolischen Brauchen nur wenig eingebüßt hat. Alle seine Fürsten leben unter einander iu vollständiger Eintracht, nnd wissen von dem Unterschiede von Mein uud Dein gar nichts. Ein Dieb ist unter ihnen etwas Unerhörtes, obwohl sie ihre 8. Kap.) Bebautes Laud und sandige Steppe«. 12? Kameele und Pferde kaum von Wächtern beaufsichtigen lassen. Verirrt sich zufällig ein solches Thier, so hütet es Der, welchem es zuläuft, so lange, bis der Eigenthümer bekannt wird, und stellt es diesem wieder zu, ohne die geringste Entschädigung zu verlangen. Die Ortus verstehen sich außer« ordentlich gut auf das Viehzüchten; fast alle ihre Pferde sind sehr sanft, wüthig und lenksam. Die Tschakar, welche nördlich von den Ortus wohnen, gelten für sehr sorgfältige und erfolgreiche Pferdeabrichter, ich glaube jedoch daß die Ortus tyrin noch weiter sind. Trotz dieses Vorzugs sind sie aber doch nicht so wohlhabend wie die anderen Mongolen." Das hier Gesagte ent» spricht vollkommen unseren eigenen Beobachtungen, und wir fanden daß seit den Tagen des Kaisers Khang Hi keine erhebliche Veränderung vor» gegangen ist. Die Gegend welche wir am ersten Tage durchwanderten, zeigte Spuren von der Anwesenheit chinesischer Fischer, denn wir fanden dann und wann ein Stück Feld angebaut, aberAecker und Bauern waren im höchsten Grad armselig. Diese Leute sind Mischlinge von Chinesen und Mongolen,' aber weder so fleißig und betriebsam wie jene, noch so gutmüthig und einfach wie diese; sie wohnen in schmuzigen Hütten aus verflochtenen Zweigen, die mit Erde und Kuhmist beworfm sind. Der Durst zwang uns, in einer dieser Wohnungen einzukehren, und wir konnten uns über« zeugen daß es im Innern eben so elend aussah. Menschen und Thiere lagen durcheinander im Schmuz. Diese Hütten stehen hinter den Zelten der Mongolen weit zurück; denn in diesen lebt der Mensch doch nicht im Miste der Ochsen und Schafe. Der sandige Boden tragt Buchweizen und Hirse, außerdem aber auch Hanf. der außerordentlich hoch wachst. Als wir dort waren, hatte man bereits geerntct, aber hin und wieder stand noch etwas auf dem Felde, und wir sahen wie kräftig die Pflanzen waren. Die Ackerbauer im Lande der Ortns reißen den Hanf nicht mit den Wurzeln aus der Erde wie die Chinesen, sondern schneiden ilm ab, so daß etwas stehen bleibt. D^s war für uusere Kameele sehr lästig, für uns aber vortheilhaft, denn w^yatten am Abend vortrefflichen Brennstoff. Am andern Tag? waren wir abermals im Graslande, wenn mau eine kahle, dürre und unfruchtbare Gegend. wie jene der Ortus, so nennen darf. So weit der Blick reicht, ist Alles öde und ohne Grün; steinige Schluchten wechseln mit Mergelhügeln oder mit Ebenen, aufweichen der Wind den feinen beweglichen Sand nach allen Richtungen hiupeitscht; Gräser sieht man nicht, wohl aber hin lind wieder dorniges Gesträuch und magere Farrnkräuter. die mit Staub bedeckt sind und übel riechen. 128 Wild und Hausthiere der Ortus. ß. Kap. Nur an einzelnen Punkten wachsen in diesem abscheulichen Boden einige Kräuter, aber sie sind leicht zerbrechlich, und liegen so dicht auf der Erde, daß das arme Vieh mit der Schnauze den Sand wegwischen muß, wenn es diese spärliche Nabrung fressen will. In diesem armseligen Lande der Ortus sehnten wir nns sogar nach den Morasten am Hoang Ho znrück; denn dort war wenigstens Wasser, während hier Bäche und Quellen völlig maugelten; in den wenigen Tümpeln und Cisternen fanden wir nur übelriechendes Schlammwasser. Die Lamas in der Blauen S^adt hatten uns das Alles vorhergesagt, und wir kauften auf ihren Rath zwei Wasserschläuche, die uns denn jetzt auch erhebliche Dienste leisteten; wir füllten sie wo sich irgend Gelegenheit darbot, und gingen mit dem kostbaren Naß sehr sparsam zu Werke. Nichtsdestoweniger litten wir mit unseren Thieren den empfindlichsten Mangel; dazu kam daß das Vieh bei elendestem Futter hungern mußte; es magerte deshalb auch sichtlich ab; insbesondere das Pferd sah erbärmlich aus, und ließ den Kopf tief hängen; die Kameele - schlotterten nur noch auf ihren langen Beinen, und die Höcker hingen schlaff herab wie leere Säcke. Aber in der Wüstenei des Landes der Ortus fehlt es wohl an Wasser und an guter Weide, aber keineswegs an wilden Thieren. Man trifft in Menge graue Eichhörnchen, gelbe äußerst flinke Ziegen und Fasanen mit prächtigem Gesieder. Die Hasen sind so wenig scheu, daß sie kaum vor uns fortliefen, vielmehr sich auf die Hinterläufe setzten, die Löffel spitzten und uns anblickten. Das erklärt sich leicht, wenn man weiß, daß die Mongolen nur selten auf die Jagd gehen. Die Ortus haben bei weitem nicht so zahlreiche Heerden wie die Mongolen in Tschakar und Geschekten. in deren Gebiet fette Weiden liegen. Ihre Pferde und ihr Rindvieh gewählten einen sehr armseligen Anblick; mit Ziegen, Schafen und Kameelen stand es schon besser, weil diese Thiere die mit Salpeter geschwängerten Pflanzen fressen. Ochsen und Pferde da« gegen saftiges Futter und reines Wasser lieben. Die Mongolen wissen gar wohl. wie armselig das Land ist; ihre g^De Lebensweise erscheint äußerst dürftig. Die Zelte der meisten bestehen aus einem Haizgerüft, das mit Flecken von Filz oder Ziegenhaut überspannt ist; Alles sieht so verwittert, verkommen und schmuzig aus, daß man kaum begreift, wie überhaupt Menschen darin wohnen mögen. Wenn wir in der Nähe eines solchen Zeltes rasteten, war bald eine Menge dieser Lente bei uns; sie warfen sich vor uns nieder, wälzten sich auf der Erde und gaben uns die pomphaft testen Titel, um nur ein Almosen zu erhalten. Wir waren selbst arm, 8. Kap.1 Negierungsform bei den mongolischen Völkern. 129 aber so äußerst bedürftigen Menschen konnten wir eine Gabe nicht weigern, und spendeten ihnen etwas Thee, Hafermehl, geröstete Hirse, und zu» weilen auch etwas Hammeltalg. Mehr batten wir nicht zu geben. Die Mongolei enthält nach allen Richtungen hin weite Landstrecken, die reich an Wasser und vortrefflichen Weiden sind und völlig öde liegen-Wie kommt es daß die Ortus nicht dorthin ziehen, sondern in ihrer trau« rigen Heimat bleiben? Die Antwort ergiebt sich aus den in der Mon« golei geltenden Gesetzen. Die Mongolen sind allerdings Nomaden, und ziehen unablässig umher, aber nur innerhalb der Grenze ihrcs Landes; diese dürsen sie nicht überschreiten, sondern müssen in ihrem vaterländischen Königreiche als Angehörige ihres Herrn und Gebieters ein für allemal bleiben. Denn man darf nicht vergessen, daß unter den Mongolen eine scharf ausgeprägte Sclaverei vorhanden ist. Die nachfolgenden Bemerkungen weiden erläutern, welchen Grad von Freiheit dieses Volk in seinen Einöden und Steppen genießt. Die Mongolei zerfällt in mehrere Staaten, deren Regenten dem Kaiser von China unterworfen find. der bekanntlich selbst von mandschurisch-tata« rischer Abkunft ist. Jene Häuptlinge führen Titel, welche unserm europäischen König, Herzog, Graf, Baron :c. entsprechen, regieren ihre Länder nach Willkür, und Niemand hat das Recht, dagegen Einsprache zu erhe, hen; der chinesische Kaiser ist nur ihr Oberlehnsherr, gwistigkeiten unter diesen Regenten werden vom Pekinger Hofe entschieden, und es kommt nicht vor daß diese mongolischen Herren etwa, gleich jenen des europäischen Mittel» alters, einander befehden. Sie halten sich für verpflichtet, alljährlich dem „Sohne des Himmels und Gebieter der Erde" ihre Unterwürfigkeit zu be. zeigen; es steht aber ein für allemal als giltig fest, daß der „Groß-Khan" nicht das Recht habe, irgend eine dieser mongolischen Herrscherfamilien zu entthronen. Dr kann unter Umständen den König entfernen, dessen Person beseitigen, aber er ist verpflichtet einem Sohne desselben die Re« gierung zu übertragen. Denn die Regierung gehört der und der Familie; dieses Recht kann nicht in Frage gestellt werden, und wer dasselbe antastet, macht sich eines Verbrechens schuldig. Nördlich von Peking liegt das Königreich Varrains (oder Bann), dessen Herrscher in der chinesischen Hauptstadt als Verschwörer gegen den Kaiser angeklagt wurde. Das höchste Gericht sprach ein Schuldig aus, ohne den Mann auch nur gehört zu haben; das Urtheil lautete, er solle an beiden Enden seines Leibes kürzer gemacht werden. Dem Geiste des Gesetzes zufolge hieß das so viel, als man solle ihm Kopf Huc, Mongolei. I 130 Adel. . l8. Kap. und Füße abbauen. Der König wußte aber die Vollstrecker des Urtheils vermittelst großer Geldsummen zu einer wörtlichen Auslegung zu vermögen, und so schnitten sie ihm vom Kopfe seinen Haarzopf, und von den Füßen die Sohlen seiner Stiefel ab. Nun war er allerdings oben und unten etwas kürzer gemacht worden; die Vollstrecker schrieben nach Peking, dem Urtheil und kaiserlichen Befehl sei nach Vorschrift Genüge geleistet worden, und damit war die Sache abgethan. Der König mußte jedoch vom Tbrone steigen und sein Sohn übernahm die Regierung. Eo viel also steht fest, daß die Herrschaft bei der Familie bleibt; über die Nachfolge selbst fcl'lt es aber an bündigen Bestimmungen, wie denn überhaupt die Beziclnmgcn zwischen den Mongolcnhäuptlingen und dem Groß-Khan schwankend sind; die Willkür des letztern setzt sich manchmal über Geseh und Herkommen hinweg. Denn in der Praxis bestreitet dem Kaiser Niemand das Recht zn thun was ihm beliebt; und in zweifelhaften oder streitigen Fällen giebt eben die Gewalt den Ausschlag. In der Mongolei bilden sämmtliche Familien welche mit dem Herrscher verwandt sind, einen Adel, wenn man so sagen darf, eine Patricier-kafte. Diesem Adel gehört aller Grund uud Boden. Die Edelleute „Taitsi", tragen einen blauen Knopf anf ihrer Mütze; aus ihnen wählt der Herrscher seine Minister, gewöhnlich drei an der Zahl. Ein solcher Mann heißt Tutselaktßi, d. h. einer welcher seinen Dienst leiht oder darbietet. Vermöge seiner Würde hat er das Recht einen rothen Knopf (Glaskugel) zu tragen. Unter den Tutselaktßi stehen die Tuschi« mel, Beamte welche mit den Einzelheiten der Verwaltung beauftragt sind. Dazu kommen noch einige Schreiber und Dolmetscher, welche das Mongolische, das Mandschu und die chinesische Sprache verstehen. Weiter find keine Beamten vorhanden. Nördlich von der Gobi, im Lande der Khalkas, giebt es eine Gegend in welcher nur Taitsi leben; maWhält sie für Abkömmlinge der von Tsching-Kis-Khan gegründeten mongolischen Dynastie, welche von 1261 bis 1341 regierte. Was zur Familie derselben gehörte, flüchtete, als die Chinesen das Joch der Fremdherrschaft abschüttelten, zu den Khalkas, welche diesen Gästen einen Theil ihres ausgedehnten Gebietes überließen. Dort wurden sie wieder was ihre Vorfahren gewesen, nämlich Nomaden. Diese Taitsi leben in der äußersten Freiheit und Unabhängigkeit, zahlen keine Steuer, sind Niemandem zinspflichtig und er. kennen gar keinen Oberherrn an. Bei diesem an Heerdcn reichen Volke trifft man altpatriarchalische Sitten und Gebräuche noch unverfälscht an. Alle Mongolen die nicht der fürstlichen Familie/ dem Adel, angc- 8. Kap.) Sclaven. 131 hören, sind Sclaven, und von ihren Gebietern unbedingt abhängig. Sie müssen denselben Gefalle zahlen und das Vieh hüten; aber es steht ihnen frei sich eigene Heerden zn halten. Die Sclaverei trägt jedoch bei den Mongolen nicht etwa ein hartes und grausames Gepräge; gerade das Gegentheil ist der Fall. Die Adelssamilien sind säst in nichts von den Sclavenfamilien unterschieden; beide hausen unter Zelten, beide sind nomadische Viehzüchter. Der Edelmann lebt nicht in Pracht und Ueppigkeit, giebt also in dieser Hinsicht dem Aermern keinen Anstoß. Wcnn der Sclave in des Herrn Zelt eintritt, bietet dieser ihm Thee mit Milch; beide rauchen Tabak mit einander und weckseln gegenseitig ihre Pfeifen. Die jungen Sclaven uud die jungen Barone kaben alle Spiele und Lustbarkeiten gemein; der Stärkere ringt den Schwächeren zu Boden, gleichviel wer er sei. Sehr oft sind Sclavenfamilien reiche Heerdenbesiher, denen Dürftigkeit etwas unbekanntes ist; wir haben viele getroffen, welche bei weitem wohlhabender waren als ihre Herren, die denn auch an einem solchen Verhältniß nicht den geringsten Anstoß nahmen. Die Sclaverei bei den Mongolen ist viel weniger drückend oder entwürdigend als jene im europäischen Mittelalter war. und der mongolische Baron giebt seinen Leibeigenen keine verletzenden Benennungen, wie etwa Canaille oder dergleichen. Aber dieser tatarische Adel hat das Recht über Leben und Tod. Nachdem ein Sclav getödtet worden ist, urtheilt ein Gericht über das Verfahren des Herrn, und unschuldig vergossenes Blut wird gerächt. Ein Lama welcher einer Sclavcnfamilie angehört, wird in gewissem Sinne frei sobald er in den Priestcrstand tritt, und braucht weder Gefalle zu zahlen noch Frohnden zu thun; er kann auch gchcn und reisen wohin es ihm be» liebt, und Niemand hat das Recht ihm dabci Hindernisse in den Weg zu legen. Im Allgemeinen haben also diese Verhältnisse einen sehr milden Charakter; doch bcnützen dann und wann mongolische Regenten ihre Stellung, um das Volk zu drücken und hohe Steuern zu erpressen. Wir kennen einen solchen, der in folgender Art zu Werke geht. Er sucht unter seinem Vieh das schlechteste aus und laßt es zu seinen wohlhabendsten Sclaven treiben, bei welchen es auf die Weide geht. Nach einigen Jahren verlangt er sein Vieh zurück, das aber zumeist vor Alter oder an Krankheiten gefallen ist; dafür nimmt er nun aus den Heerden seiner Sclaven die besten Häupter, und oft zwei oder dreimal mehr als er überhaupt hat hintreiben lassen. Das sei, erklärt er, ganz in der Ordnung, weil binnen drei Jahren sein Vieh sich um so viel Lämmer und Füllen vermehrt haben müsse. . 9' 132 Ein kleines Lamakloster. - Die Schaberons. sA Kap. Auf unserer Wanderung durch das Land der Orlus trafen wir in wildromantischer Lage ein sehr hübsch gebautes kleines Kloster an welchem wir vorüberzogen. Wir hörten Hufschlag, wendeten uns um und sahen wie ein Lama hinter uns hersprengte. Er redete uns an. „Brüder, ihr habt bei unserm Sumeh, (das heißt Lamaklofter,) nicht angehalten. Würde es euch nicht etwa genehm sein, einen Tag bei uns auszuruhen und unserm Heiligen Verehrung zu bezeigen?" Wir entgegneten daß wir weder zu dem Omen uo ch zum Andern geneigt seien. Darauf fuhr er fort: „Unser Heiliger ist nicht etwa ein Mensch, sondern wir sind so glücklich in unserm obwohl kleinen Kloster einen Schaberon, einen lebendigen Buddha zu besitzen. Vor zwei Jahren stieg er von den heiligen Bergen Thibets herab; jetzt ist er sieben Jahre alt. Während eines frühern Lebens war er Oberlama eines prächtigen Klosters, das in diesem Thale lag; aber dieses Sumeh ist, wie wir in den heiligen Büchern lesen, zu Tscheng-Kis Zeiten zerstört worden. Kommt mit mir, Brüder, unser Heiliger wird seine rechte Hand auf euer Haupt legen und Glück wird euerm Wege nicht fehlen." Wir entgegneten ihm, daß man im Abendlande an die Seelenwanderungen der Schaberons nicht glaube, fondern Iehova, den Schöpfer Himmels und der Erden anbete. Das Kind im Lamakloster erscheine uns machtlos, und Menschen hätten von demselben weder etwas zu besorgen noch zu hoffen. Ueber dergleichen Aeußerungen war der Lama höchlich erstaunt; am Ende aber stieg ihm der Zorn in's Geficht; er sah uns wüthend an und ritt eilig von bannen. Was er zwischen den Zähnen gemurmelt hat, konnten wir nicht verstehen; gesegnet hat er uns auf keinen Fall. Die Mongolen glauben steif und fest an alle jene Seelenwanderungen, und es wird keinem einfallen, an der Echtheit ihrer Schaberons zu zweifeln. Solcher lebendigen Buddhas giebt es eine große Anzahl. und sie stehen allemal an der Spitze bedeutender Klöster. Manchmal beginnt ihre Laufbabn in einem kleinen Tempel, wo sie anfangs nur einige wenige Schüler um sich haben; aber allmälig breitet sich ihr Ruf aus, und dann wird das kleine Kloster ein Zielpunkt für andächtige Pilger. Dann finden sich nach und nach Lamas ein und bauen sich Zellen in der Nähe; so gewinnt das Kloster an Bedeutung und wird endlich weit und breit berühmt. Die Wahl und Einsetzung der lebenden Buddhas geschieht auf eine eigenthümliche Weise. Das Hinscheiden eines Oberlama's erweckt in sei» 8. Kap.1 Die Schaberons und die Lebenswandelnngen. 133 nem Kloster nicht etwa große Trauer, denn Jedermann weiß daß der Schaberon wieder erscheinen werde. Sein Tod ist nur der Anbeginn eines neuen Daseins, ein neuer Ring in der unendlichen, ununterbrochenen Kette von Lebenswandelungen; er ist gleichbedeutend mit Wiedergeburt. To lange aber der Heilige gleichsam noch starr oder latent in seiner neuen Verpuppung verharrt, find alle seine Schüler in unruhiger Bewegung; denn es handelt sich dann um eine sehr wichtige Angelegenheit, nämlich den Ort zu entdecken, wo der abgeschiedene Meister seine Vcrwandelung bewerkstelligt und wieder ins Leben tritt. Ein Regenbogen ist ein Zeichen welches der Verstorbene ihnen zukommen läßt, um ihnen bei den Nach« forschungen behilflich zu sein. Sobald jene Lufterschcmung sich zeigt, werden allgemein Gebete hergesagt, in dem seines Buddha beraubten Kloster wird gefastet und gepredigt, und eine auscrwählte Schaar zieht aus um den Tschürtschün zu befragen, das heißt den berühmten Wahrsager und Deuter, welcher Kunde von solchen Dingen hat, die anderen Menschen verborgen find. Es wird ihm mitgetheilt, daß an dem und dem Tage der Regenbogen des Schaberon in der Luft erschienen sei; er zeigte sich da oder dort, war mehr oder weniger stark und so oder so lauge sichtbar. Dann verschwand er unter den oder jenen Umständen. Nun hat der Tschürtschün Alles erfahren was er zu wissen braucht, spricht einige Gebete, öffnet die Bücher der Weissagung, und verkündigt darauf sein Orakel. Die Anwesenden liegen inzwischen auf den Knieen, in tiefster Andacht und Sammlung. Dann spricht Jener: „Euer Obcrlama ist in Thibet wieder zum Leben erstanden, so und so weit von euerm Kloster ent« fernt; ihr findet ihn in der und der Familie." Die Mongolen vernehmen das Orakel und kehren eilig heim, um in dem Kloster die heilbringende Nachricht zu verkündigen. Manchmal trifft es sich aber auch, daß die Jünger des Verstorbenen sich keine große Mühe zu geben brauchen, um die Wiege ihres Heiligen zu eutdecken; denn er offenbart ihnen wohl das Geheimniß feiner Umwandelung. und zwar in einem Alter in welchem gewöhnliche Kinder noch kein Wort sprechen können. Er sagt nämlich: „Ich bin der Oberlama, der lebende Vuddha des und des Tempels; man soll mich in mein früheres Kloster zurückführen, denn ich bin dessen unsterblicher Vorstand." Sobald der Säugling gesprochen hat. theilt man seine Worte den Lamas des von ihm bezeichneten Sumeh mit, sagt daß ihr Schaberon dort oder da verweile, und fordert sie auf ihn abzuholen. Die Mongolen sind allemal hoch erfreut. wcnn sie erfahren wo ihr 134 Aufsuchung des wiedererstandenen Oberlama. 18. Kap. Oberlama wieder erschienen sei, lind es gilt ihnen gleichviel ob ein Regenbogen ihn anzeige oder ob er sich selber offenbare. Dann entstellt große Bewegung in und bei den Zelten. und es werden Vorkehrungen zu der weiten Reise getroffen. Denn fast allemal erscheint der lebende Buddha in Thibet, also in einem fernen mir äußerst schwer zugängigen Lande. Manchmal tritt der Landesherrscher in eigener Person an die Spitze der heiligen Karawane, oder läßt sich durch seinen Sohn oder irgend ein an< deres Mitglied seiner Familie vertreten; auch hohe Mandarinen, königliche Minister schließen sich an. Sodann wartet man einen „glücklichen Tag" ab. um die Reise anzutreten. Zuweilen ereignet es sich aber trotzdem, daß die heilige Schaar. nachdem sie schon unsägliche Beschwerden in der Wüste erduldet, von den Räubern am Blauen See (Ku-Ku-Noor) überfallen und ausgeplündert wird. Dann sterben Mönche vor Hunger oder Kälte in jenen Einöden; Andere erreichen ihre Heimat. Dort aber haben sie nichts eiliger zu beschaffcn, als eine neue Ausrüstung zu derselben Reise, die einen so kläglichen Ausgang genommen. Endlich gelingt es ihnen, das „ewige Heilisttl'um" zu erreichen. Dann werfen sie sich vor dem bezeichneten Kinde inbrünstig zu Boden; aber zum Oberlama wird der junge Schaberon erst nach zuvor bestandener Prüfung ausgerufen. In feierlicher Sitzung und bei offenen Thüren, in Gegenwart aufmerksamer Zuhörer, werden viele Fragen an ihn gestellt. Er muß den Namen des Klosters nennen, dessen Oberlama zu sein er behauptet; man fragt, wie weit entfernt dasselbe liege nnd wie viele Lamas dort wohnen. Man läßt ihn feiner beantworten, welche Gebrauche und Gewohnheiten der Verstorbene gehabt habe, was für Eigenthümlichkeiten, auch muß er erzählen unter welchen Umständen er gestorben sei. Zuletzt legt man ihm verschiedene Gebetbücher, Hausgeräth von mancherlei Art, Theebüchsen, Tassen und dergleichen vor. Aus allen diesen Gegenständen muß er diejenigen heraussuchen, deren er sich während seines frühern Lebens bediente. Insgemein besteht der Knabe, der allerhöchstens fünf oder sechs Jahre alt ist, die Probe; er antwortet auf alle Fragen sehr bestimmt und genau, und wird keineswegs verlegen, wenn er sein srüheres Hausgeräth bezeichnen muß. „Hier sind meine Gebetbücher; das da ist mein Theenavs." und so fort. Es unterleidet keinem Zweifel daß manchmal die Mongolen, bei derartige» Gelegenheiten, Opfer klug ersonnener Täuschung sind; wir glauben aber, daß sehr oft beide Theile in vollkommen gutem Glauben zu Werke gehen. Wir haben bei Leuten Erkundigungen eingezogen, die wir für vollkommen zuverlässig halten, und es scheint ausgemacht, daß 8. Kap.) Wiedereinsetzung des aufgefundenen Oberlama. iZg nicht Alles was man von den Schaberons erzahlt, in das Gebiet der Täuschung und Gaukelei verwiesen werden, darf*). Nun ist das Anrecht des Kindes anf die Eigenschaft eines lebenden Buddha festgestellt, und er wird im Triumphe nach dem Sumeh geführt, dessen Oberlama er fortan sein soll. Unterwegs geräth Alles in Aufregung; die Mongolen kommen in Schaarcn herbei, weifen sich vor ihm nieder und bringen Opfer. In seinem Kloster stellt man ihn auf den Altar; Könige, Fürsten. Mandarinen, Lamas, Neich und Arm aus dem Volke drangt sich herbei, neigt die Stirn vor dem Knaben, den man weither aus Thibet geholt hat, und deffen wunderbare Eigenschaften Achtnng, Bewunderung und Ehrfurcht erwecken. Jedes mongolische Land hat in feinem berühmtesten Kloster einen lebenden Buddha. Außer diesem Superior besitzt es dann aber noch einen andern Oberlama, der ans den Angehörigen der königlichen Familie gewählt wird. Jener aus Thibet geholte Buddha-Lama residirt im Kloster als lebender Gott, dem die Frommen tagtäglich ihre Verehrung darbringen; dafür giebt er ihnen seinen Segen. Alles was auf Gebete und gottesdienstliche Feierlichkeiten Bezug hat, demnach alles Liturgische, steht unter seiner unmittelbaren Leitung. Der mongolische Oberlama dagegen leitet die Verwaltung uud Polizei im Kloster. Unter diesen beiden Oberen stehen mehrere Unter-beamte, welche die eigentlichen Geschäfte der Verwaltung besorgen, die Einkünfte beitreiben lassen, kaufen, verkaufen, und die Kloftcrzucht aufrechterhalten. Die Schreiber müssen Buch halten und die Verordnungen abfassen , welche der regierende Oberlama znm Besten der Ordnung erläßt. Diese Schreiber sind insgemein gewandte Lente die mongolisch und thi-betanisch, manchmal auch das Chinesische und Mandschn verstehen. Sie haben eine strenge Prüfung vor allen Lamas uud den Negiernngsbeamten zu bestehen, bevor sie ihr Amt bekommen. Abgesehen von dieser geringen Anzahl hoher und niederer Beamten, zerfallen die Lamas eines Klosters in Lehrer oder Meister und iu Schüler. Jeder Lama der Lehrer ist. hat einige Schüler, Schab is, unter Anleitung uud Aufsicht; sie stehen in seiner Lehre, wohnen in seinem Hause, *) HerrHuc meint in seinem Terte weiter, „eine blos menschliche Philosophie" werde dergleichen Thatsachen verwerfen oder fur Betrügereien der LamaS erklären, er aber glanbc, daß der böse Erzlügner, der Teufel, sein Spiel dabei treibe. Habe doch Satan auch den Tiiuon Magus befähiqt Luftfahrten anzustellen. Er könne also auch durch den Mund eines Säuglings reden! Huoä ^^ äcmm^ii'imämn! A. > 1Iß Klosterrcgeln und Studien. 18. Kap. und müssen sich allen häuslichen Arbeiten unterziehen. So hüten sie des Lebrers Vieh, melken die Kühe. machen Bntter, heben die Sahne ab. Hum Lohn dafür lehrt der Meister sie die Gebete und gottesdienstlichen Gebräuche. Der Sä'abi muß früh Morgens eher aufsteben als der Lehrer, das Zimmer auskehren, Feuer macbcn. und Thee bereiten. Dann nimmt er sein Gebetbuch, überreicht dasselbe ehrfurchtsvoll dem Meister, verneigt sich dreimal vor ihm, so daß sciue Stirn den Boden berührt, und darf bei allcdcm kein Wort reden. Durch diese Beweise von Hochachtung will er zu erkennen geben. daß er wünsche, der Meister möge ihm die Aufgabe bekämen. welche er im Laufe des Tages zu lernen habe. Der Lehrer öffnet das Buch und liest dem Schüler einige Seiten vor. Dieser verneigt sich wieder dreimal zum Zeichen des Dankes, und entfernt sick. Der Schabt kann seine Gebete studiren nnd lernen, wann und wie er will, denn dafür ist keine feste Stunde angesetzt.. Er mag schlafen, mit anderen Zöglingen Kurzweil treiben, ohne daß sein Lehrer sich darum be» kümmert. Aber bevor er.Abends zur Nuhe geht, muß er seine Aufgabe gelernt haben und ohne Anstoß hersagen. Geht das gut, so hat er seine Schuldigkeit gethan, und das Stillschweigen des Lehrers ist fein Lohn; dagegen wird er tüchtig bestraft, wenn er nicht sattelfest erfunden wird. Dann kommt es gar nicht selten vor, daß der Lehrer seine ernste Würde bei Seite läßt, den Schüler prüqelt und entsetzlich schimpft. Dann und wann nimmt wohl ein Schabi Reißaus, wenn die Tracht Schläge ihm zu schwer vorkommt; er zieht weit weg nnd geht auf Abenteuer aus. Im Allgemeinen unterwerfen sich aber die Schüler sehr geduldig den über sie verbängten Züchtigungen, obwohl sie manchmal sogar mitten im Winter unbekleidet unter freiem Himmel übernachten müssen. Wir haben mannig-fachen Verkehr mit Schabis gehabt und oftmals gefragt, ob man denn die Gebete ohne Prügel gar nicht lernen könne. Sie gestanden ganz offen und mit voller Ueberzeugung: das sei ein Ding der Unmöglichkeit. «Man weiß gerade jcne Gebete am allerbesten, bei denen man die meisten Schläge bekommen bat. Jene Lamas die nicht beten und kranke Leute nicht heilen können, die nichts vom Vorhersagen der Zukunft wissen, find gewiß nicht hinlänglich von ihren Meistern durchgebläut worden." Die Eckabis können, abgesehen von diesen häuslichen Studien, im Kloster den öffentlichen Vorlesungen beiwohnen, in welchen theologische und medicinische Bücher erläutert werden. Aber diese Vorträge nnd Er« klarungen sind äußerst dürftig und ungenügend, die gelehrte Ausbildung der LamaS darum auch so mangelhaft, daß überhaupt nur wenige von 8. Kap.1 Ein heftiger Sturm. - 137 ihnen sich genaue Rechenschaft von den Werken geben können welche sie studiren. Wenn man ihnen bemerklich macht, wie schwach es mit ihren Kenntnissen bestellt ist, so sagen sie, daran sei die unergründliche Tiefe der Lehrer schuld. Die bei weitem überwiegende Mehrzahl der Lamas findet es am bequemsten, die Gebete rein mechanisch herzusagen und sich um den Inhalt nicht weiter zu bekümmern. Für eigentlich kanonisch gel« ten nur die thibetanischm Bücher, welche der reformirte Buddhacultus für zulassig erklärt hat. Die mongolischen Lamas studiren daher ihr Lebenlang eine ausländische Sprache ohne sich um ihre inländische zu bekümmern; man trifft daher Viele die in der thibetanischen Literatur wohlbewandert sind. aber nicht einmal die mongolischen Buchstaben kennen. In einzelnen Klöstern wird aber doch auch mongolisch getrieben; man betet sogar in dieser Sprache, aber diese Gebete sind allemal Uebersetzungen aus dem Thibetanischen. Ein Lama der beide Sprachen versteht, gilt für gelehrt, und wird als ein wahres Wunder angestaunt, wenn er auch chinesisch und mandschurisch versteht. Das Land der Ortus wurde immer wilder und trauriger, je weiter wir kamen, und zu unserm größten Misgeschick erhob sich in den letzten Herbsttagen ein eisiges Sturmwetter. Wir kamen nur mit Mühe in der dürren sandigen Wüste vorwärts, der Schweiß troff uns von der Stirn herab, und die Hitze war außerordentlich drückend. Die Kameele streckten den Hals weit vorne aus. hielten die Schnauze weit geöffnet, und schnapp« ten nach Luft. Da ballten sich gegen Mittag am Horizonte dicke Wolken auf; wir sahen daß Sturm kommen werde, und suchten nach einer paffen« den Stelle um das Zelt aufzuschlagen. Aber wo? Wir stiegen auf die Hügel, späheten ob irgendwo eine mongolische Wohnung zu entdecken wäre, und suchten nach Feuerung. Aber Alles vergeblich; weit und breit war alles Einöde. Nur dann und wann sahen wir einen Fuchs, der zu seinem Bau eilte, oder Heerden „gelber Ziegen", welche Gebirgsschluchten aufsuchten. Bald waren die Wolken hoch heraufgezogen und der Sturm verkündete sein Herannahen durch einzelne Windstöße. Dann brach ein fürchterliches Gewitter über lins herein, ein eisiger Nordwind peitschte über die Flüche her, und wir eilten einer Bergschlucht zu. Doch bevor wir sie erreichten, hatte der Sturm uns überholt, der Negen goß in Strö» men herab, dann folgte Hagelschlag, und als dieser aufhörte fiel Schnee. So waren wir bald bis auf die Haut durchnäßt, und die Kälte drang bis auf die Knochen. Wir stiegen ab. um durch das Gehen uns ein wenig zu erwannen, aber wir sanken knietief ein und kamen nicht vorwärts. IZg Chinesische Grotten im Lande der Ortus. ^» Kap. Dann suchten wir einigermaßen Schutz hiuter unseren Kameelen und hiel» ten die Arme dicht au den Leib, um einigermaßen uns zu erwärmen. In-zwischen tobte der Sturm immer fort, und an ein Aufschlagen des Zeltes war nickt zu denken. Wir befanden uns iu einer wahrhaft entsetzlichen Lage, und waren nahe daran zu erstarren. Da raffte Einer von uns alle seine Kräfte zusammen, erklomm eine Höhe, und fand eiueu Pfad der von dort in eine weite Schlucht hinabführte. Diesen verfolgte er und fand am AbHange des Berges große thürähnliche Oeffnungm. Bei diesem Anblicke kehrten ihm Muth und Kraft wieder. er eilte rasch zu den Nebligen zurück und verkündete die frohe Botschaft: „Wir find gerettet; ich habe Grotten im Berge gefunden; macht rasch, daß wir dorthin kommen!" Sogleich setzte sich die kleine. Karawane iu Bewegung; die Thiere ließen wir vorerst auf der Höbe, um eiligst in die Schlucht hinabzusteigen. Dort fanden wir nicht etwa natürliche Grotten, sondern schöne geräumige Ge» mächer, die offenbar Menschenhänden ihr Dasein verdankten. Die größte Höhle wählten wir zum Gemach für lins. und waren unaussprechlich fioh, denn das Ganze schien uns wie ein Uebergang vom Tode zum Lebeu. Diese unterirdischen Wohnungen sind eben so zierlich als dauerhaft; wahrscheinlich sind sie von Chinesen hergerichtet, welche des Ackerbaues weaken ins Land kamen, und später dasselbe wieder verließen, weil sie es doch gar zn unergiebig fanden. An einigen Stellen konnten wir noch Spnren ehemaligen Anbaues wahrnehmen. Es lst eine bekannte That» fache, daß die Chinesen welche sich in der Mongolei ansiedeln, gern Höhlen bereiten, um darin zu wohnen, deun das kostet weniger als Häuserbau, und solche Grotten geben Schutz gegen Unwetter. Dergleichen Woh. nttngen sind insgemein recht gut eingerichtet; zu beiden Seiten der Eingangsthür sind Fensteröffuuugen, durch welche Luft geuug eindringt. Mauern. Wölbung, Oefen, Kang, kurz Alles im Iuneru ist stuccoartig mit glanzend weißem Kalkmörtel überzogen. Diese Grotten sind im Winter warm und im Sommer kühl; ihr einziger Nachtheil besteht darin, daß es ihnen an freiem Lnftzuge fehlt. Uebrigens waren dergleichen Wohnungen für uns nicht etwa neu, weil wir sie von unserer Mission Si-Wau her schon kannten, dort waren sie aber bei weitem nicht so hübsch, als jene im Lande der Ortus. Wir nahmen nun Besitz von jenen unterirdischen Gemachern, und konnten uns eines hcllflackernden Feuers ersreneu, weil wir in einer dieser Grotten eine Menge von Hanfsteugeln fanden. Anf unserer ganzen Neise hatten wit keiuen so guten Brennstoff als damals. Bald waren unsere Kleider getrocknet; wir nannten diese unterirdische 8. Kap.) Das Gasthaus zur Vvrsehung. — Der Familienvogel. 1Ig Herberge das Gasthaus zur Vorsehung, und genossen einer er« quicklichen Wärme, während Samdadschiemba beschäftigt war in Schöpsen» fett kleine Kuchen zu schmoren. Denn in der Freude über ein so glück« lichcs Ereign! ß hatten wir unsern Vorrath von Weizenmehl angegriffen. Auch unserm Vieh ging es wohl; denn wir hatten Ställe und Futter für dasselbe gefunden, da eine Grotte Vorrath von Hirse' und Haferstroh hatte. Herzlich froh über ein so glückliches Abenteuer streckten wir uns spät auf dem erwärmten Kang in aller Gemächlichkeit aus, und dachten an keinerlei Ungemach. Als am andern Tage Eamdadschiemba unser Gepäck vollends trocknete, durchmusterten wir die zahlreichen Höhlen, die wir in jenem Berge fanden. Wir waren überrascht als wir bemerkten, daß aus einer ' dieser Grotten, durch Thür» und Fensteröffnungen, dichte Rauchwolken hervorwirbelten. Wir traten näher und gewahrten im Innern ein mächtiges Feuer von Hanfstengeln, dessen Flamme bis zum Gewölbe empor leckte. In dem dichten Qualme bewegte sich eine Menschengestalt, welche uns mit tiefer Stimme den mongolischen Gruß Mendu entgegen rief. und gleich hinzufügte: „Kommt näher und nehmt am Kessel Platz!" Das Ganze erschien durchaus phantastisch, und wir glaubten uns in die Höhle des Cacus versetzt. Als der Mongole sah daß wir unbeweglich und schweigend stehen blieben, stand er auf und kam näher; wir erfuhren, daß am Abend ihn wie uns das Sturmwetter ereilt hatte, weshalb er eine Zuflucht in diesen Grotten gesucht. Wir luden ihn zum Frühstück ein. und setzten unsere Nachforschungen fort. Wahrend wir uns diese verlassenen Wohnstätten betrachteten, war unsere Neugier mit einem Gefühl von Schauer gemischt. Alle diese Höhlen waren so ziemlich nach ein und demselben Plane gearbeitet und vollkommen gut erhalten. Chinesische Schriftzeichen an den Wänden, viele Porzellanscherben und einige Weiber« schuhe bewiesen deutlich, daß vor nicht gar langer Zeit Chinesen hier gehaust hatten. Es überraschte nns, in sämmtlichen Grotten eine große Menge von Sperlingen anzutreffen, die sich Hirse und Hafer wohlschmecken ließe». Den Sperling findet man überall in der, (— alten —) Welt; wir sahen ihn stets wo nur Menschen ansässig waren, und er ist überall derselbe muthwillige zänkische Vogel; nur erscheint er in der Mongolei, in Thibet und China nock weit unverschämter als bei uns in Europa, weil ihm Niemand nachstellt, und sein Nest sammt der Vrnt unangetastet bleibt. Deshalb kommt er ganz keck in die Häuser, benimmt sich'sehr 140 Vertreibung der Chinesen. s8. Kap. dreist und fühlt sich ganz daheim. Die Chinesen nennen ihn Kianiao eül. das heißt der Familienvogel. Wir besuchten im Ganzen etwa dreißig Grottenwohnungen, die aber weiter nichts Bemerfenswerthes darboten. Während des Frühstücks kam die Unterhaltung ganz von selbst auf die Chinesen, welche sich jene Behausungen aus dem Fels gegraben hatten, und wir fragten den Mon» golen. ob er sie gesehen babe. „Ob ich diese Kitat kannte, welche hier im Thal gewohnt? Gewiß habe ich sie Alle gekannt! Sie haben erst vor etwa zwei Jahren diese Gegend verlassen. Sie hatten kein Necht hier langer zu bleiben, denn sie waren schlechtes Gesindel. Ach, diese Chinesen taugen nichts, sie lügen und betrügen. Im Anfang ließ es sich mit ihnen ganz gut an, aber das dauerte nicht lange. Vor etwa zwanzig Jahren kamen einige Familien hierher und baten um Gastfreundschaft; sie waren arm und wir erlaubten ihnen das Land zu pflügen; sie sollten aber all» jährlich nach der Ernte den Taitsi etwas Hafermehl als Abgabe einhändigen. Nach und nach kamen noch mehr Familien, die auch Grotten aushöhlten, und bald war das ganze Thal voll von Chinesen. Sie waren zuerst alle gut und ruhig, und wir lebten mit ihnen wie mit Brü, dern. Denn sagt, Herren Lamas, sollen nicht alle Menschen wie Brüder gegen einander handeln? Aber der Friede dauerte nicht lange, weil die Chinesen nichtsnutzige Betrüger waren. Sie begnügten sich nicht mit dem was man ihnen bewilligt hatte. und nahmen ohne Erlaubniß immer mehr Land für sich, und als sie reich wurden, wollten sie auch das Hafer, mehl nicht mehr geben, sondern traten unverschämt gegen uns auf. Sie stahlen auch Hämmel und Ziegen welche sich in diese Schluchten verliefen. Da berief ein muthiger Taitsi, ein kluger Mann. alle Mongolen der Um. gegend zusammen. und sprach: ..Die Chinesen nehmen uns viel von unserm Lande weg, stehlen uns Vieh, schimpfen über uns. Da sie nun nicht mehr wie Brüder sich benehmen, so müssen wir sie fortjagen." Mit diesen Worten des alten Taitsi waren wir Alle einverstanden. Nach wei« term Berathen wurde beschlossen, die angesehensten Männer zum Könige zu schicken, und ihn um einen Befehl zum Ausweisen der Chinesen zu bitten. Ich war dabei; der König schalt uns, daß wir Fremde ins Land gelassen hätten, die den Acker pflügen, und wir verneigten uns schweigend. Der König ist immer gerecht; er ließ den Befehl schreiben und setzte sein rothes Tiegel darunter. Es hieß darin, die Chinesen sollten nicht länger im Lande bleiben, sondern dasselbe vor dem ersten Tage des achten Mon« des räumen. Drei Taitsi stiegen zu Pferde, und überbrachten den Be« 8. Kap.) Mongolische Ehebünduisse. 141 fehl. Die Chinesen antworteten den Boten nichts, sondern sprachen untereinander: „Der König beßehlt, daß wir abziehen; es ist gut." Wir erfuhren später, daß sie in einer Versammlung beschlossen hatten, dem Befehl des Königs nicht zu gehorsamen, sondern ihm zum Trotz im Lande zu bleiben. Nun rückte der erste Tag des achten Mondes heran. Sie blieben ruhig wohnen und trafen keine Vorkehrungen zum Abzüge. Am Tage zuvor stiegen alle Mongolen zu Pferde, nahmen ihre Lanzen und trieben ihre Heerden in die Felder der Chinesen. Die Ernte war noch nicht eingebracht; als aber die Sonne aufging war nichts mehr davon übrig, weil das Vieh Alles abgefressen oder zertreten hatte. Die Chinesen schrien und fluchten über die Mongolen, aber die Sache war fertig. Sie' nahmen ihre Habseligkeiten, zogen ab, und ließen im östlichen Theile des Landes der Ortus sich nieder, am Paga Gol, unweit vom Gelbem Strom. Ihr seid durch Tschagan Kuren gekommen und müßt sie dort gesehen haben." Dieser Mongole lud uns dringend und freundlich ein mit ihm zu gehen und einige Tage in seinem Zelte zu bleiben, das nur etwa drei Wegstunden von jener Grotte entfernt stand. Es werde für uns und un. ser Vieh gut sein nach so schweren Anstrengungen auszuruhen; außerdem wolle sein Sohn am vierten Tage Hochzeit machen und unsere Anwesenheit werde Glück bringen. Wir hätten unter anderen Umständen dieser Einladung sehr gern Folge geleistet; jetzt aber kam für uns Alles darauf an diesem elenden Lande der Ortus baldmöglichst zu entrinnen, denn unser Vieh magerte immer mehr ab, lind wir selber befanden uns in klag« lichen Umständen. Uebrigens waren wir mit den Hochzeitsgebräuchen des Landes schon wohlbekannt. Die Mongolen heirathen sehr jung, und» dabei haben allein die Acltern das entscheidende Wort zu sprechen. Die beiden Hauptpersonen werden kaum gefragt oder auch nur von dem unterrichtet, was man mit ihnen vor hat. Braut und Bräutigam brauchen einander nicht zu kennen, haben sich vielleicht noch nie gesehen. und erfahren erst nach der Hochzeit ob ihre Charaktere für einander passen oder nicht. Die Braut bringt nie« mals eine Mitgift zu, vielmehr muß der Bräutigam der Familie Geschenke machen, deren Werth aber nicht etwa seinem Gutdünken überlassen bleibt. Alles wird im Voraus verabredet, und mit allen Einzelheiten schriftlich gemacht. Man sagt: ich habe für meinen Sohn die Tochter des N. N. gekauft; oder: wir haben unsere Tochter an die und die Familie verkauft. So wird der ganze Heirathsveltrag wie ein Verkaufsgeschäst behandelt. 142 Mongolische Hochzeltsfeinlichkeiteit. s8. Kap. Die Freiwerber oder Heirathsmäkler bedingenden Preis, und dingen ab oder legen zu, bis sie endlich handelseinig werden. Nun ist die Zahl der Pferde, Ochsen, Schafe. Stücke Zeug, Pfunde Butter, Maaße Branntwein und Weizenmehl bedungen; Alles wird niedergeschrieben, und das Mädchen geht in den Besitz des Käufers über; doch bleibt es noch bei seiner Familie, bis die Hochzeitsfeierlichkeiten vorüber sind. - Damit verhält es sich in folgender Weise. Sobald die Freiwcrber mit ihrem Ge-schäft fertig sind, begiebt sich der Vater des Bräutigams, von seinen nächsten Anverwandten begleitet, zur Familie der Braut, und theilt ihr mit, daß die Sache in Ordnung sei. Beim Eintreten ins Zelt verneigen 'sich Alle vor dem kleinen Hausaltar und opfern vor dem Bilde Buddha's einen gekochten Hammelkopf, Milch und ein weißscidenes Tuch. Darauf bereiten die Verwandten des Bräutigams ein festliches Mahl, und während des Schmauses erhalten sämmtliche Verwandten der Braut ein Geldstück, das in einen mit Milchbranntwein gefüllten Napf geworfen wird. Der Vater der Braut trinkt diesen Branntwein und nimmt die Münzen an sich. Diese Feierlichkeit heißt Tahil Tebihu, d. h. den Vertrag schlagen. Ein „glücklicher Tag" welcher sich für die Hochzeit eignet, wird von den Lamas bestimmt. Schon ganz früh am Morgen schickt der Bräutigam eine Anzahl seiner Freunde nach dem Zelte seines Schwiegervaters, um das Mädchen abzuholen, aber die Aeltern und Freunde der Braut leisten scheinbar heftigen Widerstand; natürlich wird am Ende die Braut doch bmweggeführt. Sie besteigt ein Pferd,'reitet dreimal um die väterliche Wohnung bcrum, und sprengt dann eilig nach dem für sie eingerichtcteu Zelte, das sich dicht bei jenen ihres Schwiegervaters befindet. Inzwischen kommen die Nachbarn, Freunde und Verwandten beider Familien herbeigezogen, um Geschenke zu bringen. Diese bestehen in Vieh und Lebens, mitteln, gehören dem Vater des Bräutigams und betragen oft den vollen Werth des Kaufpreises, welchen er für die Braut zahlen mußte. Das von den Gästen geschenkte Vieh wird in einen besondern Verschlag ge> trieben, und ist bei den Hochzeiten reicher Leute in beträchtlicher Menge vorhanden. weil die Eingeladenen sich insgemein sebr freigebig zeigen; sie wissen daß bei ähnlichen Vorfällen ihnen gegenüber dasselbe der Fall ist. Die Braut wird in vollem Putz dem Schwiegervater zugeführt. Während ein Chor von Lamas die vorgeschriebenen Gebete hersagt, wirst sie sich erst vor dem Bilde Buddha's, dann vor dem Heerde, nachher vor 8. Kav-1 Vielweiberei und Ehescheidungen. — Die Mongolinnen. 143 Vater, Mutter und anderen nahen Verwandten des Bräutigams nieder; während derselben Zeit thut der Bräutigam in einem andern Zelte ganz dasselbe beim Schwiegervater. Darauf geht das Schmausen an, das manchmal sieben oder acht Tage dauert; recht fettes Fleisch, viel Rauch» tabak, und große Kruge voll Branntwein sind dabei die Hauptsache; zuweilen wird auch Musik gemacht, und man läßt Toolholos, mongolische Barden, kommen. Die Mongolen gestatten Vielweiberei. Sie verstößt weder gegen die bürgerlichen Gesetze noch gegen die Landessttte oder gegen ihre Religion. Doch ist die erste Frau Gebieterin im Zelt und das Haupt in der ganzen weiblichen Familie; die Frauen welche der Mann spater hei« rathet, heißen Pag a Em eh oder kleine Frauen, und sind der ersten Gehorsam und Achtung schuldig. Für die Mongolen muß man die Poly» gamie als eine Wohlthat betrachten; sie bildet in ihren gegenwärtigen gesellschaftlichen Zn ständen einen Damm gegen Sittenverderbniß und Ausschweifung. Bekanntlich müssen die Lamas unverheirathet bleiben; die Zahl dieser ehelusen Männer mit geschorenem Kopf ist aber außerordentlich groß. Man begreift leicht, welche Unordnungen entstehen würden , wenn die Mädchen nicht als „kleine Frauen" in den Zelten Unterkommen fänden, sondern sich selbst überlassen blieben. Ehescheidungen kommen bei den Mongolen sehr oft vor. Weder bürgerliche noch geistliche Behörden haben sich darum zu kümmern, und der Mann welcher seine Frau verstößt, bedarf dafür nicht einmal irgend eines Vorwandes. Er schickt ohne alle Umstände die Frau ihren Aeltern zurück, und diese finden die Sache anch völlig in der Ordnung, weil der Mann das Vieh welches er für die Braut gegeben hat, nicht wieder erhält, und die Verstoßene schon wieder einen Liebhaber findet, der dann seinerseits einen Kaufpreis zahlen muß. So verkauft man dieselbe Waare zweimal. Uebrigens führen die Frauen bei den Mongolen ein sehr unabhängiges Leben, und unterliegen gar nicht jenen Beschränkungen welche bei anderen asiatischen Völkern so streng aufrechterhalten werden. Sie gehen und kommen nach Gutdünken, reiten aus und besuchen einander. Die Mongolin hat nicht die weichen und schlaffen Gesichtszüge der Chinesin, sondern ist in Folge ihres thätigen Nomadenlebens stark und kräftig. Auch ihre Tracht giebt ihr ein stolzes männliches Ansehen. Sie trägt hohe Lederstiefel und einen langen Nock von grüner oder violetter Farbe mit einem schwarzen oder blauen Gürtel, und manchmal zieht sie über den Nock noch eine Art von Jacke, deren Schoos über die Hüften herab- 144 Ein fruchtbares Thal. 19. Kav. fällt. Das Haar wird in zwei Flechten getheilt, die in Taffetbehaltm, stecken und vorne über auf die Brust herabhängen. Gürtel und Haar weiden mit Gold- und Silberplättchen, Perlen, Korallen und mancherlei andern, kleinen Schmuck verziert. Neuntes Kapitel. Ein fruchtbares Thal, — Pilgerziigc. — Lamaiscke Ceremonien. — Das Kloster Nasche Tschürin. — Gebetmühlen. — Zank zweier Lamas. — Beschreibung des Tabsun Noor oder Salzsees. — Die Kameele in der Mongolei. Unser mongolischer Freund hatte uns gesagt, daß wir in der Nähe ein hübsches Thal finden würden; dort sei die allerbeste Weide im ganzen Lande der Ortus. Wir machten uns bei heiterm aber kaltem Wetter dort« hin auf den Weg, und gelangten nach etwa zwei Stunden in eine allerdings fruchtbare Gegend. Wir schlugen das Zelt unter einem Hügel auf. Gegen Abend wurde es bitter kalt; das Feuer von grünem Holze erfüllte das Zelt mit beißendem, erstickendem Qualm, der unseren Augen wehe that. Samdadschiemba lachte und sprach: „Geistige Väter, eure Augen find groß und glänzen, können aber keinen Rauch vertragen; meine Augen sind klein und häßlich, leisten mir aber bessern Dienst!" Am andern Mittage zogen wir, bei etwas milderm Wetter, von dannen; Abends war es wieder entsetzlich kalt, und der Erdboden war tief gefroren. Gleich nachher trat abermals milde Witterung ein, und wir mußten den Pelz ablegen. Dergleichen schroffe Temperaturwechsel find in der Mongolei etwas Gewöhnliches; strenge Kälte weicht drückender Hitze und umgekehrt. Schueefall und Nordwind sind am unangenehmsten und sehr gefährlich. In der nördlichen Mongolei findet man oft Reisende die mitten in der Wüste vor Kälte erstarrt sind und todt da liegen. Am fünfzehnten Tage des neunten Monats bemerkten wir viele Karawanen, die gleich uns von Osten nach Westen zogen, um das Kloster von Rasche Tschürin zu besuchen, und sehr erstaunt waren als sie hörten daß wir nicht dorthin wollten. Am Ausgang einer Schlucht trafen wir einen alten Lama, der unter schwerer Last langsam einherkeuchte. Wir redeten ihn an: „Du bist alt, Bruder, und hast mehr weiße Haare als schwarze. Du trägst schwer, und wirst leichter gehen wenn Du Dein 9. Kap.j Pilgerzüge. — Lamaische Ceremonien. 14g Gepäck auf unser Kamecl legst." Aus Erkenntlichkeit kniete der Greis vor uns. Samdadschiemba mußte sein Gepäck auf ein Kameel laden. Dann sprachen wir weiter: „Wir sind aus einem Lande unter dem west, lichen.Himmel und mit den Angelegenheiten Deines Landes wenig bekannt. Weshalb treffen wir so viele Wallfahrer in der Wüste an?"— „Wir gehen Alle nach Nasche Tschnrin, wo morgen eine hohe Feierlichkeit stattfindet. Ein B 0 kte - Lama wird seine Macht zeigen und sich todten ohne zu sterben." Nun begriffen wir vollkommen weshalb die Mongolen im Lande der Ortus in solcher Bewegung waren. Ein Lama wollte sich den Bauch aufschlitzen, Eingeweide herausnehmen. sie vor sich hinlegen und doch gesund bleiben. Dergleichen gräßliche Schaustellungen gehören in den mongolischen Klöstern keineswegs zu den seltenen Erscheinungen. Ein Bokte, welcher auf solche Art „seine Mackt zeigen will", bereitet sich durch lange« Fasten und vieles Beten sorgfaltig darauf vor. Kr meidet all und jeden Verkehr mit anderen Menschen und beobachtet voll. kommenes Sclweigen Am Tage der Festlichkeit strömen die Pilgerschaarcn in den großen Klosterhof, wo vor dem Eingänge zum Tempel eii, holier Altar aufgeschlagen steht. Der Bokte erscheint, geht ernst und gemessen durch die ihm zujauchzende Menge, nimmt auf dem Altar Platz und zieht ein großes Messer aus seinem Gürtel, das er auf die Kniee legt. Um den Altar stehen Lamas im Kreise und singen oder beten. Je weiter dieser Gesang vorrückt, um so mehr gerath dcr Bokte in Aufregung; er zittert an allen Gliedern und verfallt in Zuckungcu; er gleicht einem Besessenen. Dann halten die Lamas keinen Takt mehr, schreien, singen schneller und heftiger, wirr durcheinander, und das Beten schlägt in Geheul um. Jetzt wirft der Bokte rasch seinen Gürtel weg. löst die Schärpe. ergreift das geheiligte Messer und schneidet sich den Bauch der ganzen Länge nach auf. Das Blut strömt nach allen Seiten hinab, die Pilger werfen sich andächtig zur Erde, man fragt den Besesseneu um verborgene Dinge, über zukünftige Ereignisse, über das Schicksal welches dieser oder jener Person bevorsteht. Auf alle diese Fragen antwortet der Bokte, und was er sagt. gilt als Orakelspruch. Ist nun die andächtige Neugier der Zuschauer be« friediqt. dann heben die Lamas wieder mit ernstem Gesang und gemessenem Gebet an. Der Bokte fängt Blut aus der Wunde in seiner rechten Hand auf führt sie zum Munde, bläst dreimal darüber hin und sprengt da^elbe unter lautem Geschrei in der Luft umher. Dann fährt er mit derselben Hand über den Bauch, und Alles ist wieder wie vorher; nur ist er in Folge dieser teuflischen Handlung sehr erschöpft. Er umhüllt den Leib Huc, Mongolei. 1v 146 Bauchaufschuelder. s9. Kap. wieder mit der Schärpe, spricht mit lciscr Stimme ein furzes Gebet, dann ist die Feierlichkeit vorbei. Die Pilger gehen auseinander, nur einzelne sehr andachtige bleiben noch. um vor dem blutigen Altar zu beten, nach, dem der Heilige denselben verlassen bat. Dergleichen Schauspiele sind. wie gesagt,, in den großen Klöstern der Mongolei und Thibets gar nicht selten. Es fällt uns nicht ein diese Dinge in allen Fällen auf Betrug zurückzuführen; denn nach Allem was wir gesehen und gehört haben, sind wir überzeugt, daß der Teufel dabei eine große Rolle spielt. In dieser Ansicht werden wir durch die Ueberzeugung vieler frommen wohlunterrichteten Buddbisten be> stärkt, mit welchen wir in den Klöstern uns unterhielten *). Nicht alle Lamas ohne Ausnahme sind im Stande dergleichen Wunderhandluugen zu verrichten. Bauchausschncider zum Beispiel findet man- nur in den niederen Classen der Lama-Hierarchie; meist sind es einfache Mönche, die in schlechtem Rufe und bei ihren Genossen in gar keiner Achtung stehen. Ordentliche, verständige Lamas wenden sich von solchen Schaustellungen widerwillig ab, weil sie Teufelswerk dahinter vermuthen, und ein guter Lama sich hüten müsse, ein so gottloses Talent zu erwerben. Aber dte Klostervorsteher verbieten dergleichen teuflische Handlungen nicht; es sind sogar alljährlich bestimmte Tage dafür festgesetzt. Ohne Zweifel spielt dabei der Eigennutz eine große Rolle; denn dergleichen diabolische Epek» takel ziehen eine Menge dummen Volkes herbei, das Kloster kommt in großen Ruf und gewinnt dabei an Opferspenden. Das Bauchaufschueiden gehört zu den berühmtesten Sie«fa oder „verderblichen Mitteln'' der Lamas; denn andere dergleichen, welche auch im Schwange gehen, sind weder so großartig noch beliebt, geben auch nicht Anlaß zu großen Feierlichkeiten in den Klöstern. Manche Lamas lecken rothglühendes Eisen mit der Zunge an, schneiden Wunden in den Körper von denen man schou im nächsten Augenblicke keine Spur mehr sieht. Bei allen diesen Gaukeleien wird gebetet. Wir kannten einen Lama, von dem alle Leute behaupteten, er sei im Stande vermittelst einer bloßen ') Um den Culturstandpunkt der beiden Lazaristen zu bezeichnen haben w,r das Obige stehen lassen, und ändern auch an den nachfolaen« den Betrachtungen nichts. Man wird finden, daß sich das „Teufels, werl" auf Taschenspieleikunste reduciit, die iu ganz Asien, vom Mittel-mecr blZ Japan vorkommen, „„h h^ man zum Theil auch auf euro-palschen Jahrmärkten in den Schaubuden der „Zauberkünstler" seben kann. jener armen Teufel, denen man nicht gerade nachsagen kann. daß sie Teuselskerle >eien. , «p 9. Kapi Teufelsanrufung. . 147 Gebetsformel ein leeres Gefäß mit Waffcr zu füllen. In unserm Beisein wollte er sich jedoch niemals dazu verstehen, weil wir andern Glaubens seien, und deshalb sein Vorhaben mislingen. ja vielleicht sogar schlimme Folgen fur ihn haben könne. Er sprach uns aber einmal das Gebet seines Sie-fa vor. Die Formel war kurz; wir erkannten aber in ihr eine di» recte Anrufung an den Teufel und dessen Beistand. „Ich kenne Dich. Du kennst mich. Jetzt thue, was ich von Dir verlange, alter F«und. Bring Wasser und fülle damit das Gefäß dier. Denn was will es für Deine große Macht bedeuten, daß Du ein Gefäß mit Wasser füllst? Ich weiß, daß Du Dir ein Gefäß voll Wasser theuer bezahlen lassest, aber das schadet nicht; thue nur was ich verlange. Später wollen wir mit einander abrechnen, und am bestimmten Tage magst Dn nehmen, was Dir zukommt." Manchmal bleiben diese Formeln ohne Wirkung und an die Stelle des Gebetes treten arge Verwünschungen. Wir faßten den Entschluß nach dem Kloster Rasche Tschüriu uns zu begeben, und durch unsere Gebete die satanischen Anrufungen der La» mas zu nichte zu machen. Wir wollten uns unter die Volksmenge nii» scheu, und sobald der Teufelsspuk anginge, ohne Fnrcht und Zageu vor dcn Bokte hintreten und im Namen Jesu Christi ihm feierlich verbieten, von seiner abscheuliche» Gewalt Gebrauch zu machen. Wir verhehlten uns die Folgeu eines solchen Beginnens nicht, und sahen voraus welche Wuth sich von Seiten der Anbeter Buddha's gegen uns erheben werde; vielleicht war Tod unser Lohn dafür,, daß wir die Mongolen bekehren wollte». Aber was hätte das geschadet? Thaten wir doch unsere Schuldigkeit als Missionaire. Aber Gott wollte es anders. Der alte Lama, von welchem schon die Rede war, nahm sein Gepäck vom Kamecl, und schlug eincn Seitenweg ein, welcher am Hügel entlang führte. Hinter demselben, sagte er, hätten an Festtagen chinesische Kaufleute Buden aufgeschlagen, um Hirse, Hafer- und Weizenmehl, Fleisch und Ziegelthee feil zu halte». Wir hatte» seit unserer Abreise von Tschagan Kureu au allen diesen Artikeln großen Abgang gehabt, uud hielten die Gelegenheit für günstig, unsern stark zusammengeschmolzenen Vorrath wieder zu ergänzen. Wir wollten jedoch unser Lastvieh nicht durch weite Umwege über steinige Hügel abmatten ; deshalb nahm Herr Gäbet die Mehlsacke auf seiu Kameel und ritt allein fort um einzulaufen. Wir verabredeten, in einein unweit vom Kloster entlegenen Thale wieder zusammenzutreffen. Wir aber verirrten uns, ritten durch Samdadschiemba's Schuld, einen ganzen Tag in der Irre. Herr Gäbet suchte uns vergebens, und erst am nächstfolgenden 10' 148 Das Kloster Rasche Tschlnin. t9. Kap. Tage fanden wir uns, nach schwerer Mühsal und großer Angst ans beiden Seiten wieder zusammen. Nasche Tschürin erblickten wir am andern Morgen aus der Ferne; seine von einer unzähligen Menge kleiner weißer Häuser umgebenen Gebäude hoben sich scharf von der gelben Farbe der im Hintergrund aufsteigenden Hügel ab. Das Kloster schien hübsch und in gutem Stande zu sein; die drei Buddhatempel, welche sich in der Mitte erheben, find von eben so zierlicher als großartiger Bauart. Vor dem Eingänge zum Haupttempel steigt ein kolossaler viereckiger Thurm empor, an welchem jede Ecke mit ungeheuern aus Granit gehauenen Drachen verziert ist. Wir ritten durch die Hauptstraßen; in allen herrschte feierliche Stille; nur dann und wann sahen wir einen Lama in seiner rothen Schärpe; er wünschte uns mit leiser Stimme glückliche Reise, und schritt würdigen Ganges fürbaß. Am östlichen Ausgange der Klosterstadt wurde plötzlich das kleine Maulthier Samdadschiemba's wild, rannte fort und zog die beiden Kameele nach sich. Auch die Thiere welche wir Missionaire ritten, blieben nicht ruhig. Die Unordnung wurde dadurch verursacht, daß ein junger Lama seiner ganzen Länge nach, mitten im Wege lag. Dieser Geistliche beobachtete eben einen bei,den Buddhisten üblichen Gebrauch ; er machte nämlich eine Wanderung um das Kloster in der Weise, daß er nach jedem Schritte sich auf die Erde niederwarf. Die Zahl der Andächtigen welche diese fromme Handlung verrichten, ist manchmal äu« ßerst beträchtlich; sie gehen dann in langer Reihe, Einer hinter dem An» dern, auf einem Pfade, welcher um die sämmtlichen Klostergebäude herumführt. Um keinen Preis darf man auch nur im Geringsten von der vor« geschriebenen Linie abweichen, sonst wird die fromme Handlung nichtig und aller erwartete Lohn geht verloren. Bei Klosterörtern von großem Umfang reicht kaum ein ganzer Tag zu einem solchen Umgang hin, wenn der Andächtige sich nach Vorschrift bei jedem Schritte, welchen er vorwärts macht, zu Boden wirft. Deshalb beginnen diese Pilger schon am frühen Morgen mit ihrer Tagesarbeit, und werden dennoch zuweilen erst am Abend damit fertig. Die Sache muß in einem Male abgemacht und darf nicht unterbrochen werden; der Wallfahrer darf nicht einmal eine Pause machen, um etwas Nahrung zu genießen. Denn wenn er anhält, so zählt Alles nicht was er schon zurückgelegt hat; die Wanderung ist ohne Verdienst und bringt keinen Vortheil im Himmel. Auch muß der Körper nach jedem Schritte der ganzen Länge nach ausgestreckt liegen und mit der Stirn der Erdboden berührt werden; auch die Arme soll man in ihrer ganzen Länge ausstrecken und die Hände falten. Bevor der Pilger 9. Kap.1 Gebetmlihlen. - Zank zweier Lama«. 149 aufsteht, beschreibt er mit zwei Bockshörnern, die er in den Händen hält, einen Bogen, und zieht dann die Arme an seinem Leibe hinauf. Gesicht und Kleider dieser Andächtigen sind mit Staub und Schmuz völlig be« deckt, denn diese frommen Uebungen finden auch bei schlechtestem Wetter statt, und werden weder bei Regen noch bei Schnee oder Frostwetter unterbrochen. Uebrigens giebt es mehr als eine Art die Wallfahrt um ein Kloster zu machen. Manche Pilger werfen sich gar nicht zur Erde, sondern tragen auf den Rücken ganze Stöße von Gebetbüchern, die irgend ein Lama ibnen aufgepackt hat. Man begegnet Greisen, Frauen und Kindern, die sich mit ihrer Bürde kaum fortbewegen können. Man nimmt an, daß sie, wenn einmal der ihnen vorgezeichnete Weg zurückgelegt worden ist, alle Gebete hergesagt haben, deren Lastträger sie waren. Andere machen nur Spaziergange, beten ihre Rosenkränze ab, oder setzen kleine Gebet« mühlen in Bewegung, die sie an ihrer rechten Hand befestigen und die in sehr raschem Gange bleiben. Solch eine Mühle heißt Tschü Kor, d. h. ein Gebet das sich dreht. Dergleichen Tschü Kor findet man an den Ufern der Bäche und Flüsse in großer Menge, und sie beten dann, vom Wasser in Bewegung geseht, Tag und Nacht, zu Gunsten dessen der sie errichtete. Auch auf dem Heerd werden dergleichen angebracht; sie sind in Bewegung um der ganzen Familie Glück zu bringen. Die Buddhisten haben auch ein sehr bequemes Mittel ersonnen um ihre Wallfahrten und überhaupt ihre Andachtsgebräuche zu vereinfachen. In großen Kloster» ftädten, werden an verschiedenen Stellen große Fässer aufgestellt, die sich um eine Achse drehen. Sie find aus starker Pappe verfertigt, und ent, halten eine unzählige Menge aneinander geleimter Papierbogen, auf welchen in thibetamschen Schriftzeichen die am Ort und in der Umgegend beliebtesten Gebete geschrieben stehen. Wer nun seine Schultern nicht mit einem schweren Pack von Gebetbüchern belasten, oder nicht nach jedem Schritte sich zur Erde werfen und bei Hitze oder Kälte um ein Kloster pilgern, aber doch fromm sein will, der läßt solch eine Tonne voll Ge« bete in Bewegung setzen, oder dreht sie selbst. Sie bleibt vermöge einer eigenthümlichen Vorkehrung sehr lange in Bewegung, wenn einmal der Anstoß gegeben worden ist, und während die Maschine für den Frommen betet, kann dieser ganz gemächlich essen, trinken oder schlafen. Wir waren einmal zugegen als zwei Lamas bei einer solchen leben« den Tonne in heftigen Streit gcriethen; sie waren in frommem Eifer nahe daran handgemein zu werden. Der eine hatte das Betfaß in Bewegung gesetzt und sich darauf bescheiden in seine Zelle begeben. Von dort aus 150 Beschreibung deß Dabsun Noor oder Salzsee's. 19. Kap. bemerkte er aber, daß ein anderer Mönch sehr gewissenlos die Maschine anhielt und dann gleichsam für seine eigene Rechnung wieder in Schwung setzte. Ueber diesen frommen Betrug ärgerte er sich und wollte sein ftü' heres Anrecht auf die Gebete wahren; sein Gegner aber widersetzte sich, und es war schon zu argem Zanke gekommen, als zu rechter Zeit ein alter Lama erschien, zur Ruhe mahnte und dem Streite dadurch ein Ende machte, daß er zu Gunsten Beider die Tonne in Bewegung brachte; sie betete dann auf einmal für zwei Leute. Außer Wallfahrern die sich in und bei den Klöstern einfinden, trifft man auch Pilger, die sehr weite Reisen zurückgelegt, und sich während derselben nach jedem Schritte zur Erde geworfen haben. Sie leiden dabei ganz unsägliche Beschwerden. Wir hielten im Kloster Rasche Tschürm nicht an, sondern ritten vorüber, und fanden jenseits eine breite wohl unterhaltene Landstraße. Wir trafen eine beträchtliche Anzahl Reisender, die nach dem Dabsun Noor'oder Salzsee wollten, der in der ganzen westlichen Mongolei bekannt, und nicht nur sir das Land selbst sondern auch für mehrere Pro« vinzen China's die Hauptbezugsquelle ist, von welcher sie ihren Bedarf an Salz beziehen. Wir mochten noch eine Tagereise vom Salzsee entfernt sein. als uns schon auffiel wie die Bodenverhältnisse einen ganz andern Charakter gewannen. A llmälig verschwindet der gelbe Sand und die Erde erscheint so weiß als wäre sie mit einer dünnen Lage Schnee überzogen. Auch sieht man unzählige Bodenanschwellungen, kleine kegelförmige Hügel von so regelrechter Gestalt, daß man anfangs meinen könnte, künstliches Menschenwerk vor sich zu sehen. Ost liegen sie übereinander und sehen aus wie eine Schüssel mit großen dicken Birnen; einige dieser Hügel find klein, andere größer, und viele schon im Stadium des Verfalls. Dort wo diese eigenthümliche Erscheinung sich zu zeigen beginnt, treten auch kriechende dornige Gestrauche auf, au denen wir weder Blumen noch Blätter bemerkten; sie sind in und durcheinander verschlungen, und überziehen diese Bodenschwellungen wie mit einer gestrickten Mütze. Auf den regel» mäßigen Hügeln selbst gewahrt man dergleichen Dornengestrüuch nie; letzteres ist manchmal sehr dick und weitverzweigt; aber auf alten verfallenen Hügeln fanden wir dergleichen, vertrocknet, gleichsam calcinirt, und so leicht zerbrechlich, daß es von selbst in Stückchen zerfiel. Die ganze Gegend hat etwas Eigenthümliches. Das ganze Land der Ortus ist wasserarm, hier jedoch sind sehr viele, zumeist sehr salzhaltige Quellen; manchmal aber liegt in sehr geringer Entfernung von dergleichen ein Spring 9. Kap.) Beschreibung des Dabsun Noor oder Salzsee's. 454 süßen klaren Wassers. Solche Quellen werden mit Stangen und Fähnchen bezeichnet. Der DabsunNoor ist nicht etwa ein See sondern vielmehr ein großes Becken von Steinsalz, auf welchem sich überall Salpeteransschläge zeigen. die matt weiß, und zwischen den Fingern leicht zerreiblich sind; die Farbe des Salzes zeigt dagegen einen Anfing von grau, und es hat einen leichten krystallinischen Bruch. Der Dabsun Noor mißt ungefähr zwanzig Li, also reichlich eine deutsche Meile im Umfang; in seiner Um« gebung stehen da und dort einige Jurten, deren mongolische Bewohner dieses prächtige Salzwerk ausbeuten. Doch sind auch dabei einige Chine« sen Theilhaber am Geschäft, denn sie fehlen nirgends wo es sich um Ge» werbe, Kauf und Verkauf handelt. Das Salz wird auf die einfachste Weise gewonnen; man sammelt es an einer beliebigen Stelle, schüttet es auf einen Haufen und bedeckt denselben mit einer Lage von Thon oder Lebm. So reinigt es sich gleichsam von selbst, wird dann von den Mongolen auf die Nächstliegenden chinesischen Markte gebracht und gegen Thee, Tabak, Branntwein und allerlei andere Waaren vertauscht. An Ort und Stelle selbst hat es gar keinen Geldwerth, da man es überall in uner« säwpflicher Menge findet. Wir füllten einen Sack für unsern Gebrauch und um gelegentlich den Kameelen davon zu geben, die sehr gern Salz lecken. Wir durchzogen den Dabsur Noor von Osten nach Westen in seiner ganzen Breite, mußten aber dabei sehr vorsichtig zu Werke gehen, weil der Boden immer feucht und sehr beweglich ist. Die Mongolen riethen uns, die betretenen Pfade nicht zu verlassen, und ja uns von jenen Stellen fern zu halten. an denen Wasser hervorquillt; denn es seien viele Abgründe vorhanden, deren Tiefe noch gar nicht habe ermittelt werden können. Der See, oder wie man im Lande sagt. der Noor, mag also in der That vorhanden sein; es scheint als sei er mit einer festen Decke überwölbt, die aus festem Salz und Salpeter besteht, und stark genug ist, um Menschen und Thiere zu tragen. Im ganzen Lande derOrtus findet man Salzwasser, und den dürren Boden mit falzigen Ausschlägen bedeckt; der Mangel an gnten Weiden und frischem Wasser ist der Viehzucht hinderlich; nur das Kameel, dessen Dauerbarkeit und Abhärtung bewundernswürdig sind, fühlt sich auch in jenen wüsten Gebirgsgegenden wohl und gedeiht im Lande der Ortus, weil es mit dem dürftigsten Futter sich begnügt. Es ist in der That recht eigentlich ein Schatz der Wüste, dessen Nützlich, keit nicht hoch genug gewürdigt werden kann. 162 Das Kameel in der Mongolei. s9. Kap. DaS Kameel trägt eine Last von sieben bis acht Centnern und legt damit Tagereisen von zehn starken Wegstunden zurück. Zum Schnell, lauf abgelichtete Kameele, die man zum Befördern von Botschaften ver. wendet und welche weiter nichts als den Reiter zu tragen haben, sollen manchmal achtzig Wegstunden zurücklegen. In einigen mongolischen Län. dern wird das Kameel von Königen und Fürsten auch als Zugvieh vor den Wagen gespannt oder zum Tragen von Sänften benutzt; das kann aber nur in stachen Gegenden der Fall sein, weil die fleischigen Füße das Thier nicht befähigen Lasten bergauf zu ziehen. Die Abrichtung des jungen Kameeles erfordert große Sorgfalt. In den ersten acht Tagen nach der Geburt kam, es noch nicht auf den Beinen stehen, auch ohne menschliche Beihilfe nicht saugen. Der lange Hals ist dann noch so schlaff und schwach, daß er gestützt werden muß. Uebrigens scheint das Thier von früh an zu fühlen, wie schwer das Joch ist, unter welchem es sein Lebenlang stehen wird. Man sieht die jungen Kameele nie ftoh umherspielen wie junge Pferde oder Kälber; sie find man möchte sagen ernst, von melancho« lischcm Temperament, gehen langsam und beschleunigen ihre Tritte nur auf Geheiß des Treibers. Bei Nacht und manchmal auch am Tage läßt das Kameel klagende Töne hören. Das Junge wächst nur langsam heran, kann erst im driltcn Jahre einen Reiter tragen. und ist in voller Kraft und Stärke nicht vor dem achten Jahre. Dann werden ihm schwere Traglasten aufgebürdet, und es gilt für einen Beweis daß es sie auf der Reise zu tragen vermag, wenn es im Stande war sich damit aus seiner liegenden Stellung zu erheben. Bei kleinen Reisen wird es manchmal übermäßig belastet, und man muß ihm mit Hebeln und Stangen auf die Beine helfen. Es bleibt sehr lange vollkräftig und kann wohl fünfzig ?ahre lang gute Dienste verrichten, wenn man es nur zuweilen schont, und auf die Weide gehen läßt. Die Natur hat diesem Thiere keine Vertheidigung«, waffe gegeben; doch erschreckt es andere Thiere durch sein langgezogenes durchdringendes Geschrei und die unförmliche Körpermasse. welche aus der Ferne gesehen, einem Haufen von Ruinen gleicht. Es schlägt nur selten nach hinten aus, und der Schlag mit dem weichen fleischigen Hufe richtet kaum Schaden an. Auch kann es seinen Feind nicht beißen, und hat kein anderes Vertheidigungsmittel als daß es seinem Gegner aus Maul undNase eine Masse flüssigen Schmuzes ins Gesicht spritzt. Die Mongolen haben für das Kameel als allgemeine Benennung Temen; ein Kameelhengst heißt Bore. Wenn, im zwölften Monde, die Zeit der Brunst eintritt, geht mit ihm eine völlige Veränderung vor; 9. Kap.) Das Kameel in der Mongolei. IKg fein Auge wird roth und hat einen wilden Ausdruck, aus dem Kopfe schwitzt eine ölige Feuchtigkeit hervor, das Maul schäumt und er mag weder fressen noch Hufen. In diesem Zustande stürzt er über Alles her was ihm in den Wegkommt, gleichviel ob Menschen oder Vieh. und so schnell daß man ihm nur schwer ausweichen kann. Was er umrennt zer. stampft er mit den Füßen. Nach der Begattungszeit wird er wieder sanft und arbeitsam wie zuvor. Das Weibchen wirft erst im sechsten oder sie» benten Jahre ein Junges und ist vierzehn Monate trächtig. Die Mehr. zahl der Hengstfüllen wird verschnitten, und diese Wallachen werden stark, groß und dick; dabei haben sie eine feine Stimme, und manche verlieren dieselbe ganz; auch ist ihr Haar kürzer und gröber als jenes der Hengste. Das Kameel hat ein abstoßendes Aeußere und sieht sehr unbeholfen aus; sein Athem riecht abscheulich, die vorstehende und gespaltene Schnauze und die vielen Schwielen an verschiedenen Körpertheileu machen einen UN' angenehmen Eindruck. Dagegen ist es wunderbar mäßig und genügsam, gelehrig und folgsam, leistet unschätzbare Dienste, und so gewöhnt man sich bald daran, über Alles Hinwegzuseheu was häßlich an ihm ist. ES kann seiner weichen Füße ungeachtet, auf holperigem Boden, spitzigen Stei. nen. über Dornen und ilsurzelwerl gehen, ohne sich zu beschädigen. Aber bei langanhaltenden Reisen und starken Tagemärschen muß man ihm manchmal einige Rasttage gönnen. sonst läuft es die Sohlen ab und das rohe Fleisch kommt zum Vorschein. Dann ziehen die Mongolen ihm Schuhe aus Schöpsenleder au. Das ist jedoch kaum ein Nothbehelf, denn allein Ruhe kann den Schaden wieder gut machen. Feuchter und sumpfiger Voden ist dem Kameel im höchsten Grade zuwider, es gleitet darin aus, schwankt und schaukelt wie ein betrunkener Mensch, und fällt manchmal platt auf die Seite hin. In jedem Frühling verliert es sein Haar völlig, und ist etwa drei Wochen lang wie glatt geschoren vom Kopfe bis zum Ende des Schwanzes; dann zeigt es sich gegen Kältt und Nässe höchst empfindlich, und zittert an allen Gliedern. Allmälig kommt das Haar wieder; Anfangs ist es ein dünner wolliger Flaum von größter Feinheit, der sehr hübsch aussieht; später erhält es einen langen dicken Pelz. in welchem es der strengsten Kälte trotzbietet. Sehr gern geht es dem Nordwind entgegen, oder stellt sich oben auf eine Anhöhe, um sich recht vom Winde peitschen zu lassen und den kalten Wind einzuathmen. Die Haarmenge, welche ein Kameel auf dem Leibe tragt, mag etwa zehn Pfund schwer sein, ist langer als Schafwolle und in manchen Fällen so fein wie Seide. Das Haar welches der Hengst unter dem Halse und an 154 Am Dabsun Noor. s10. Kap. den Beinen hat ist grob, klumpig und schwarz, das übrige gewöhnlich rothbraun, und nur zuweilen ins Graue spielend oder Weiß. Die Mongolen benutzen das Kameelhaar nicht; der Reisende Nndet es in Menge umherliegen, meist vom Winde zu filzarti^en Lumpen zusammengeweht. Hin und wieder bereitet man Seile oder ein grobes Zeug zu Säcken und Teppichdecken daraus. Die Kameelmilch ist vortrefflich; man macht Butter und Käse aus derselben; das Fleisch ist zäh und von schlechtem Geschmack. Die Mongolen halten aber den Höcker für einen Leckerbissen, schneiden Stücke davon ab, und werfen diese statt der Butter in den Thee. Das schmeckt ganz abscheulich. Zehntes Kapitel. Mongolisches Festgelag. — Tiefe Brunnen. — Der Lagerplatz bei den Hundert Brunnen. — Begegnung mit dem Könige von Ale>chan. — Die jährlichen Reisen der Mongolenfürsten nach Peking. — Der Kaiser als Falschmünzer. — Die Tenfelscisterne. — Cin Uebergang über den Hoang Ho. In der Gegend am Dabsun Noor werden viele Ziegen uud Schafe gehalten, welche das Haidekraut und das dornige Gesträuch gern fressen, und mit Begierde Salz lecken. Fleisch ist in jener Gegend sehr billig, und wir kauften einen Hammel, weil er uns wohlfeiler zu stehen kam als Mehl. Wir trafen zwei Tage nachdem wir den „See" verlassen, ein Thal an. das dicht mit einem wohlriechenden, thymianartigen Kraut bestanden war. Unweit von einem Zelte, auf einem kleinen Hügel, saß ein Lama, der Seile aus Kameelhaaren drehte. Wir fragten, ob er uns einen Schöps verkaufen wolle.' „Recht gern, und zwar einen sehr guteu; über den Preis wollen wir uns schon einigen. Wir Männer des Gebets sind ja nicht wie die Kaufleute." Gleich darauf kamen alle Insassen des Zeltes herbeigeeilt, waren uns beim Abladen der Kameele behilflich, schlugen unser Zelt auf und waren ungemein freundlich und dienstwillig. Der Lama bemerkte daß unser Pferd und das Maulthier ein wenig gedrückt waren. Sogleich zog er ein Messer aus seinem Gürtel, nahm die Sättel, schnitt am Holze her. um, und sagte dann: „Nun könnt ihr unbedenklich weiter reisen. die Thiere spüren nun keinen Druck mehr. Am andern Morgen trat er in unser Zelt um uns zu wecken, und lud uns ein ihm zu folgen, um selbst lO. Kap.j Ein mongolischer Aesop. 155 aus der Heerde eine» Hammel auszusuchen, der uns anstände. Wir sagten ihm, daß wir zuvor beten müßten. „Welche schöne Sachen!" rief er, „die Regeln des Abendlandes sind so heilig!" Dann stieg er rasch zu Pferde, war schon zurück, ehe wir unser Gebet noch vollendet hatten, und warf einen prächtigen Hammel zur Erde. Wir fragten ihn nach dem Preise, und boten ihm eine Unze Silbers, wollten auch die Waagschale hervor» langen, damit er sich überzeugen könne, daß jene vollwichtig sei. Da trat er einen Schritt zurück, streckte die Hände gegen uns aus und sprach: „Dort oben ist ein Himmel, hier unten eine Erde, und Buddha ist der Herr und Gebieter aller Dinge. Er will daß alle Menschen sich einander als Brüder betrachten. Ihr seid aus dem Abendlande, ich bin aus dem Morgenlande, sollen wir deshalb nicht redlich und freundlich mit einander verkehren; Ihr habt nichts abgedungen; ich nehme Euer Geld auf Treu und Glauben." Wir entgegneten: „Das ist vortrefflich gedacht; aber setze Dich und trinke Thee mit uns. wir müssen noch eine Sache bespre» chen." — „Ich weiß. was Ihr sagen wollt; wir unsrerseits dürfen die Seelenwanderung dieses lebendigen Hammels nicht bewerkstelligen. Es muß ein schwarzer Mdnn geholt werden, der die Sache versteht; ihr habt ohnehin wohl keine Uebung darin." Dann stieg er wieder zu Pferde und trabte nach einem kleinen Seitenthal, kam bald wieder von dort zurück, ritt nach seinem Zelte, nahm seinem Pferde das Geschirr ab und jagte es auf die Weide. Bald erschienen seine beiden Brüder und die alte Mutter sämmtlich schwer bepackt; der Lama selbst trug einen großen Kochkessel auf seinem Kopfe, die Mutter einen großen Korb mit Argots, die Anderen hatten einen Dreifuß, eiserne Löffel und anderes Küchengeräth. Bei diesem Anblick wurde Samdadschiemba äußerst froh, denn ihm stand ein Schmaus bevor. Als nun die Vorbereitungen alle getroffen waren, fragte der Lama, ob wir nicht ins Zelt gehen wollten; wir setzten lins aber w einiger Ent« fernung auf den Rasen und sahen zu. Nun erschien auch der ..schwarze" Mann, welcher den Hammel schlachten sollte. Eine wunderliche Gestalt, lächerlich anzuschauen! Der Mann mochte etwa fünfzig Jahre alt sein, war aber nicht über drei Fuß hoch; auf seinem spitz zulaufenden Kopfe stand ein Büschel ausgekämmter Haare empor, und am Kinn trug er einen Bart, der dünn und zum Theil greis war. Dabei hatte er einen Höcker vor der Brust, lind einen andern auf dem Rücken, so daß dieser mongolische Schlächter aussah wie ein Aesop, wie wir ihn vor den Fabelbüchern abgebildet sehen. Aber dieses kleine verwachsene Männchen hatte eine voll. tönende Stimme und ging ohne Umstände an seine Arbeit. Er betastete 1gH Mongolisches Festgelag. Iw. Kap. den Hammelschwanz, um zu wissen ob derselbe sett sei, warf das Thier mit einem Ruck um, band ihm die vier Füße zusammen, zog ein langes Messer hervor, stieß es dem Hammel in den Leib, und das Thier hatte zu leben aufgehört, ohne daß auch nur ein Tropfen Blut zu sehen war. „Wir Mongolen schlachten anders als die Kitat. schneiden nicht den Hals ab, sondern treffen mit einem Stoße das Herz. Das thut nicht weh und es geht kein Blut verloren." Nun war die Transmigration bewerkstelligt, und damit jedes Bedenken verschwunden. Unser Dfchiahur und der Lama krampten dieAermel auf und gingen dem kleinen Metzger fleißig zur Hand. Die alte Mutter hielt zwei Kessel voll siedenden Wassers bereit. wusch die Eingeweide, und warf sie nebst Blut und Hafermehl in die Töpfe-Der Schlächter löste indessen mit wunderbarer Schnelligkeit und sehr ge< wandt alles Fleisch von den Knochen, so daß an der Stange nur noch das Geripp des Hammels hängen blieb. Gleich darauf nahmen wir rund um die Kessel Platz. Die alte Mongolin zog Kaldaunen, Herz, Lungen, Leber und Nieren hervor; Alles war noch beisammen. Jedem wurden einige Stücke zugeworfen; der grüne Rasen war Sitz, Tisch, Teller und Serviette zugleich. die zehn Finger verrichteten' ihre Dienste der Gabel. Uns wollt« das mongolische Gericht durchaus nicht munden, aber Samda« dschiemba war überglücklich, und schob uns Lunge und Leber zu. auf welche er Salz streute. So wurden wir doch satt. Die Mongolen aßen erst das Fleisch, darauf tranken sie die Brühe. Endlich grüßte uns der kleine schwarze Mann, nahm die vier Füße des Hammels als seine Gebühr mit und ging fort. Wir gaben ihm noch etwas Theeblätter. Der junge Lama blieb noch einige Zeit, sprach viel vom Morgen» lande und vom Abendlande, nahm das Geripp auseinander, und theilte uns fingend die Benennung jedes einzelnen Knochens mit. Er war sehr erstaunt daß »ir davon nur wenig wußten, und tlaß in unsrer Heimat die Benennungen der Hammelknochen mit dem theologischen Studium nichts zu schaffen haben. Alle Mongolen kennen genau jeden Thierknochen. und zerbrechen beim Schlachten nie einen derselben. Auch find sie in der Thierarzneikunst sehr erfahren, und wissen welche Kräuter der Steppe Heilkraft besitzen. Abkochungen bringen sie dem Vieh vermittelst eines großen Ochsenhornes bei; sie stecken ihm das dünne Ende in's Maul und schüt» ten die Arznei oben hinein, im Nothfall auch wohl durch die Nasenlöcher. Auch geben sie Klystiere vermittelst eines Ochsenhornes; dabei dient eine große mit Luft angefüllte Blase als Pumpe. Die Menschen nehmen innerlich nur selten Arzenei, sondern ziehen das Punktiren oder Einschnei» 10. Kap.j thleiärzte und ^hierarzneikuust. 1K? den vor. Ihre Operationen sind manchmal geradezu lächerlich. Wir waren zugegen. als ein Mongole zu einem Heilkünstler eine kranke Kuh brachte. Der Letztere betrachtete sie mit einem prüfenden Blicke, öffnete das Maul und kratzte mit dem Nagel an den Vorderzähnen. Dann sprach er: „Du Dummkops, warum haft Du so lange gezögert? Deine Kuh wird wohl sterben, sie kann höchstens noch einen Tag leben; indessen will ich doch ein Mittel versuchen. Stirbt sie, so ist die Schuld Dein; wird sie gesund, so danke es der Wohlthat Hormusda's und mir." Einige Sclaven mußten die Kuh halten; er selber nahm einen Hammer, schlug ihr einen Nagel in den Leib faßte darauf den Schwanz, und die Kuh mußte fortlaufen; den Thierarzt schleppte sie hinter sich her. Endlich ließ er los, kam zurück und sagte, das Thier werde gesund, er habe das abnehmen können, weil der Schwanz noch straff sei. Gewöhnlich werden Operationen nur an Kopf, Ohren, Schläfen, Oberlippe oder an den Augen vorgenommen. Das Letztere ist namentlich der Fall bei einer Krankheit, an welcher manchmal Maulthiere leiden; die Mongolen nennen sie „Hühnermift". Das Thier magert dabei ab, fiißt nicht und kann sich kaum auf den Beinen halten; in den Augenwinkeln zeigt sich ein fleischiger Auswuchs, welcher dem Hühnttkoth gleicht, und von den Augenlidern verdeckt ist. Man muß ihn gleich ausschneiden, sobald man ihn bemerkt, sonst stirbt das Mäulthier. Punktiren und Aderlaffen werden vermittelst eines gewöhnlichen Meffers oder einer Schusterahle vorgenommen, mit welcher sie auch ihre Tabaks» pfeifen reinigen, und Sättel oder Stiefel ausbessern. Unser junger Lama erzählte uns mancherlei Ergötzliches über die Thierarzncikunst, in welcher er wohl bewandert war. Werthvoller erschie. nen uns seine Nachweisungen über den Weg, den wir einzuschlagen hatten. Wir mußten noch etwa vierzehn Tage lang durch das Land der Ortus wandern, durch Strecken in welchen Wasser nur auf sehr weiten Zwischen, räumen zu finden war, manchmal sogar zwei Tagereisen von einander. Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns. Unter den Mongolen, die ein nomadisches Hirtenvolk sind. wird man unwillkiulich sehr oft an die Zeiten und Sitten der biblischen Patriarchen erinnert. Gegen Abend lagerten wir uns bei einem Brunnen. Bald kamen mongolische Reiter herbeigesprengt, um Wasser zu schöpfen und ihr Vieh zu tränken, das herbeigeranut kam, als es seine Hirten erblickte, und sich bei der Tränke aulstellte. Wir waren Zeugen eines sehr lebhaften Schau« spiels. Pferde. Rindvieh. Schafe, Ziegen und Kameele drängten sich durch einander; zwei der eben erwähnten Reiter hielten das Vieh einigerma.« 163 Tiefe Brunnen. — Lagerplatz bei den Hundert Brunnen, tw. Kap. ßen m Ordnung; zwei schöpften Wasser auf eine ganz eigenthumliche Weise. Statt des Wassereimers bedienten sie sich einer Bockshaut, die an den vier Fußenden zusammengeknüpft war. und nur am Halft eine Oeff' nung hatte. Ein großer Ring war so angebracht, daß er das Zusammen» schrumpfen verhinderte, an einem Stück in der Mitte des Ringes quer. über ausgespannten Holzes war ein starkes Seil aus Kameelhaar befestigt, und dieser Strick war wieder an dem Sattel des einen Mongolen festge« bunden. Srbald man den Schlauch gefüllt hatte spornte der Reiter sei» Pferd an, und zog solchergestalt dieses Gefäß bis an den Rand desBrun« nens; von wo ab ein anderer Mongole das Waffer in in die Tröge laufe» ließ. Der Brunnen war außerordentlich tief; das Seil schien uns weit über hundert Fuß Länge zu haben; es lief nicht über eine Rolle, sondern ganz einfach über einen großen Stein. Erst bei Einbruch der Dunkelheit war alles Vieh getrankt, und nun holten auch wir unsere fünf Thiere herbei. Ohne die freundliche Dienstbeflissenheit der Mongolen hätten wir aus dem tiefen Brunnen kein Wasser schöpfen können. Diese Leute waren mij ihrem Heimatlande nicht zufrieden, und priesen die Mongolen anderer Länder glücklich, in denen saftige Viehweide» liegen. Sie riethen uns am andern Morgen recht srüh aufzubrechen, damit wir noch bei Tage die Hundtrt Brunnen erreichten. Aber es wurde dunkel und noch immer sahen wir nichts von denselben. Endlich fanden wir einen Wafferplatz. Als wir unsere Thiere tränken wollten, waren sie fortgelaufen. Es war stockdüster, aber wir mußten sie aufsuchen. Lange irrten wir nach' allen möglichen Richtungen umher, ohne etwas von ihnen zu hören oder zu sehen, und mußten endlich unvernchteter Dinge umkehren, um uns nicht zu ver. laufen. Wie groß war unser Schrecken, als dort, wo wir unser Zelt aufgeschlagen hatten ein mächtiges Feuer hoch emporloderte! Wir zweifelten nicht daß auch unser Samdadschiemba sich entfernt hatte, um die Thiere zu suchen und während seiner Abwesenheit das Zelt Feuer gefangen habe. Da standen wir nun, mitten in der Wüste, zweitausend Li von unseren christlichen Gemeinden entfernt, und unser einziger Schutz ging in Rauch auf. Wir hörten Samdadschiemba laut schreien, liefen eilig zu ihm hin. und sahen nun daß er ruhig au einem gewaltigen Feuer saß, und mit der größten Gemüthsruhe Thee trank! Das Zelt war unversehrt, unser Vieh lag ruhig in der Nähe! Der Dschiahur hatte es bald wieder gefunden, und dann ein großes Feuer gemacht, um uns die Richtung anzudeuten welche wir auf dem Rückwege nehmen mußten. Als wir am andern Morgen aus dem Zelte traten, durchbebte ein t0. Kap.1 Begegnung mit dem Könige von Aleschan. Igg Schaüerfrost unsere Glieder, denn wir sahen uns auf allen Seiten von tiefen Brunnen umgeben. Die Benennung Hundert Brunnen darf allerdings buchstäblich genommen werden. Am Abend hatten wir von den tiefen Löchern und Abgründen nichts bemerken können. und waren ganz unbesorgt in dieses Labyrinth hineingegangen; als wir unser Vieh suchten und umherirrten, mußten wir nothwendig oft ganz dickt an diesen ge« fährlichcn Stellen vorübergekommen sein, und es ift «in Wunder daß wir unversehrt blieben. Zum Dank für Gottes Güte errichteten wir neben einem Brunnen ein kleines hölzernes Kreuz. Um Mittag kam uns eine Karawane entgegen; die Kameele waren schwer bepackt; die. wie es schien, sehr wohlgekleideten Reiter trabten nebenher. Vier derselben welche als Vortrab den Zug eröffneten, sprengten uns entgegen; es waren Mandarinen vom blauen Knopfe. „Friede sei mit euch. Herren Lamas! Nach welcher Himmelsgegend lenkt ihr eure Schritte?" — „Wir sind aus dem Lande im Westen und lenken unsere Schritte gen Abend. Und wohin, mongolische Brüder, wollt ihr mit so vielem Vieh und prächtiger Ausrüstung?" — „Wir sind aus dem König« reich Aleschan; unser König reist nach Peking, um sich zu den Füßen Dessen zu werfen, der unter dem Himmel herrscht." Die vier Reiter grüßten uns und begaben sich wieder zur Karawane. Wir sahen also einen der zinspftichtigen Fürsten, die allesammt am ersten Tage des eisten Monats dem chinesischen Kaiser in seiner Hauptstadt persönlich ihren Glückwunsch darbringen müssen. Hinter dem Vortrade kam ein Palankin. den zwei prächtig aufgeschirrte Maulthiere auf vergoldeter Bahre trugen, und zwar so daß ein Thier hinter den, andern ging Der Palankin war viereckig, keineswegs zierlich und ohne Schmuck; nur war die Decke mit einigen seidenen Franzeu umhängt, und auf jeder der vier Seiten ein Drache, ein Vogel oder ein Blumen« strauß gemalt. Der mongolische Fürst hatte keinen Sessel, sondern saß nach morgenländischer Weise mit übereinander geschlagenen Beinen. Er schien etwa fünfzig Jahre alt, und sah bei seiner Wohlbeleibtheit recht gutmüthig aus. Als wir ihm begegneten, sprachen wir ihn an: „König der Aleschan, möge Glück und Frieden Dich auf Deinem Wege begleiten." — „Auch mit euch möge Friede» sein, Mäimer des Gebetes!" gab er uns freundlich zur Antwort. Ein alter weißbärtiger Lama, der ein sehr schönes Pferd ritt. führte das vordere Maulthier am Zaum; er galt für den eigentlichen Hüter der Karawane, wie denn überhaupt aus weiten Reisen der ehrwürdigste Lama eines Landes den Zug unter seine Obhut nimmt. In einem solchen Falle kann ihm., meinen die Mongolen, nichts Böses 16t) Jährliche Reise der Mongolensülsten nach Peking, lw. Kap. wiederfahren, weil sie an ihrer Spitze ja einen Vertreter der Gottheit, oder vielmehr die in der Person des Lama Fleisch gewordene Gottheit selber an der Spitze haben. Den königlichen Tragsessel umgaben viele Reiter in buntem Durcheinander; hinter dem Tragsessel kam ein weißes Kameel von ungewöhnlicher Größe und schönem Wuchs; es wurde von einem jungen Mongolen, der zu Fuße ging. an einer seidenen Schnur geleitet, und war nicht beladen. Oben auf seinen Ohren und auf seinen beiden Höckern, die wie kleine Pyramiden emporragten, flatterten Bündchen von gelbem Tasset. Dieses schöne Thier war ein Geschenk für den Kaiser. Nachdem die große Karagane längst an uns vorübergezogen war. wählten wir unsern Lagerplatz dicht bei einem Brunnen. Dort kamen drei Mongolen in unser gelt, der eine trug einen rothen Knopf, die beiden andern hatten die blaue Kugel. Sie fragten nach der großen Karawane, und entschlossen sich. lieber bei uns zu bleiben als in dunkler Nacht bis zu den Hundert Brunnen zu reiten, sattelten flugs ab und nahmen an unserm Feuer Platz. Alle Drei waren Taiifi aus dem Königreiche der Aleschan, und jener mit dem rothen Knopfe bekleidete die Stelle eines Ministers. Sie hatten unterwegs einen mit ihnen befreundeten Fürsten der Ortus be» sucht, und die Karawane vorausziehen lassen. Der Minister war ein Mann von offener Gemüthsart und scharfem Geiste, echtmongolisch gut« müthig. dabei aber lebhaft und von eleganter Haltung. Er fragte viel über die Verhältnisse der Staaten im Abendlande, und erzählte, daß vor drei Jahren viele Occidental!« aus verschiedenen Reichen nach Peking gekommen seien, um dem Kaiser zu huldigen. Mit der geographischen Kunde der Mongolen ist es natürlich sehr schwach bestellt. Für sie besteht das „Abendland" aus Thibet und einigen anderen Ländern, von welchen die Lamas erzählen, welche Pilgerfahrten nach Lha - Ssa gemacht haben. Hinter Thibet liegt gar nichts mehr. Dort, sagen sie, hat die Welt ein Ende. und es beginnt ein Meer ohne Ufer. Wir richteten unsrerseits an den Mandarin mit dem rothen Knopfe allerlei Fragen, die er gern beant» wortete. Es ist herkömmlich, so behauptete er. daß alle Fürsten der Welt zum Neujahrsfeste sich in Peking einfinden. Die aus nahe liegenden Ländern müssen alljährlich erscheinen; die anderen, welche am Ende der Erde wohnen wenigstens nach jedem dritten Jahre. Auf die Bemerkung. zu welchem Zwecke die drei Mandarinen jetzt nach Peking reiften, sagte er: „Wir reisen im Gefolge unsers Königs; nur die Könige haben das Glück, sich vor dem Alten Buddha, das heißt dem Kaiser, verneigen zu dürfen." Dann erzählte er ausführlich, was bei den Audienzen am Neu« 10. Kap.) Neujahröfeierlichkeit i» Peking. Itii jabrstage vorgeht. Die Könige und Fürsten erscheinen in Peking um dem Kaiser ihre Unterwürfigkeit zu bezeigen nnd Tribut zu überbringen. Die Vasallen bezeichnen ihn als Opfergabe Vder Geschenk, er ist aber eine Ab. gäbe welche keiner verweigern darf. Sie besteht in Kameelen und schönen Pferden, welche der Kaiser anf seine Noßweiden in Tschakar treiben läßt. Außerdem mnß jeder Mongolenfürst noch allerlei werthvolle Erzeugnisse seines Landes bringen: Fleisch von Nehcn, Hirschen und Bären, werth-volle Pflanzen, Fasanen, Fische, Champignons und dergleichen mehr (— Pelzwcrk nicht zu vergessen —). Die Huldigungsreise nach Pekmg findet im Winter statt; alle jene Cßwaaren find gefroren und vertragen den Transport. Eines der Banner von Tschakar ist insbesondere ver» pflichtet, alljährlich eine große Menge Fasancneier nach Peking zu schicken. Sie werden nicht etwa gegessen, sondern, wie unser Mongole mit der rothen Knopfkugel erzählte, von den Frauen des Kaisers zu Haarpomade verwendet. Die vornehmen Damen in Peking sind der Meinung daß ihr Haar dadurch einen ganz besondern Glanz erhalte. Diese jährlichen Hnldiguugsbesuche sind sehr kostspielig und für den gemeinen Mann in der Mongolei sehr lästig und drückend, denn sie müssen für ihre Herren frohnden, und Kameele und Pferde für König und Adel stellen. Diese Lastthiere finden unterwegs nnr wenig Futter. besonders wenn sie aus dem Graslande in das angebaute eigentliche China kommen. Deshalb ist das Vieh, namentlich auf der Rückreise, in einem äußerst klag. liche» Zustande, lind ein beträchtlicher Theil geht unterwegs verloren. Die Neujahrsfeierlichkeit nimmt folgenden Verlauf. In Peking begeben sich die zinspflichtigcn Fürsten nach einem besondern Stadt« viertel im Innern der Stadt, das ihnen zum Aufenthalt angewiesen wird. Maxchmal beträgt die Zahl dieser Vasallen nahe an zweihundert, und jeder von ihnen hat eine besondere Herberge, in welcher auch sein Gefolge Unterkommen findet. Dieses Stadtviertel wird von einem when Würdenträger des Reiches beaufsichtigt; er hält Ruhe und schafft im Nothfall auch Ordnung. Der Tribut wird einem besonders dazu ernannten Man» darinen, einer Art Intendanten der Civilisten, übergeben. Alle diese Va. fallen kommen wahrend ibres Aufenthalts in Peking mit dem Kaiser in gar keine persönliche Berührung, keiner von ihnen erhält eine besondere feierliche Audienz. Falls einer vom Kaiser empfangen wird, so geMeht das nur mehr privatim. und wenn es siä, um Geschäfte handelt, welche der Monarch selbst abmachen will. Aber am Neujahrstage findet die große Feierlichkeit statt, bei welcher die Vasallenfürftcn wenigstens in eine wenn Huc, Mongolei. 11 162 Neujahrsfeierlichkeit in Peking. t10. Kap. auch ziemlich entfernte Berührung mit dem großen Herrscher kommen, mit jenem Monarchen der unter dem Himmel thront, und nach seinem Willen die vier Weltmeere und die zehntausend Völker lenkt. Der Kaiser mnß herkömmlich allemal am ersten Tage des ersten Mondes den Tempel seiner Vorfahren besuchen und sich vor ihrer Namenstafel andächtig niederwarfen. Zur Eingangspforte führt ein großer breiter Gang. und in diesem stellen die Fürsten sich ans. zur Rechten und Linken des Peristyls je in drei Neihen, und nach Nang und Würde jedes Einzelneu. Dort stehen sie schweigend und harren des Kaisers; sie tragen ihre mit Gold und Silber verzierten seidenen Etaatsklcider, und gewähren in ihren verschiedenen volksthümlichen Trachten einen eben so prachtvollen als eigenthümlichen Anblick. Inzwischen zieht der Kaiser mit vollem Pomp aus seiner Gelben Stadt durch die stillen menschenleeren Straßen von Peking, denn alle Thüren müssen verschlossen, die Einwohner in ihren Häusern bleiben, wenn der Gebieter Asiens erscheint. ' Gin Uebertreten des Gebotes wird mit dem Tode bestraft. Eo gelangt der Kaiser zum Tempel seiner Vor< fahren. Sobald er den Fuß auf die erste Stufe der Treppe scht welche zur Galerie fübrt, auf der alle die Fürsten stehen, erschallt der Nnf seiner Herolde: „Jeder werfe sich zur Erde. denn der Erde Gebieter ist da!" Die Könige alle rufen: „Zehntaufendmal Glück!" werfen sich zur Erde, und der Sohn des Himmels schreitet durch ihre Neihen. Im Tempel wirst er sich vor dem Schrein derselben dreimal nieder. Inzwischen bleiben die zwcibundert Fürsten am Boden liegen, nnd dürfen erst wieder aufstehen nachdem der Kaiser auf dcm Rückwege abermals durch ihre Neihen geschritten ist. Dann steigen sie in ihre Sänften und begeben sich wieder in ihre Herbergen. Damit sind alle Feierlichkeiten beendigt, und dieses einen Auftrittes wegen müssen die Vasallen mitten im Winter ans fernen Gegenden nach Peking kommen. Der Kaiser hat einen hohen Begriff von seiner Allmacht, und viele der mongolischen Stammfürsten machen sich eine Ehre daraus, ihm eine solche Huldigung darzubringen. Der Minister des Königs der Aleschan sagte uns, es sei schwer des Kaisers auch nnr ansichtig zu werden. Er selber hatte einmal als Stellvertreter seines erkrankten Gebieters nach Peking reisen müssen, um der Neujahrsfeierlich-keit beizuwohnen; es gelang ihm aber nicht, den „Alten Buddha" mit Augen zu sehen, da er als Minister in der dritten Reihe, hinter den Fürsten. Platz nehmen, und sich dann zur Erde werfen mußte. Er meinte daß jene in der ersten Neihe wohl von der Person des Kaisers etwas erblicken könnten; sie müßten aber dabei sehr vorsichtig zu Werke gehen, ^0. Kap.) Der Kaiser als Falschmünzer. 163 denn sie würden schwerer Bestrafung nicht entgehen, wenn man nur das Geringste merke. Alle mongolischen Fürsten erhalten ein freilich nur unbeträchtliches Iahrgeld vom Kaiser, sie betrauten sich auch deshalb als seine Untergebenen . und er bat ein Nccht, von ihnen Gehorsam und Dienstleistungen zu fordern. Jenes Iahrgeld beziehen sie um Neujahr in Peking; die Aus» zahlnng wird von einigen Mandarinen besorgt. denen man wohl nicht ohne Grund nachsagt, daß sie an den Mongolen ganz unbarmherzige Betrügereien verüben. Der Minister des Königs der Alcschan erzählte uns eine höchst erbauliche Geschichte. Sämmtliche Vasallcnfürsten erhielten einst ihr Iahrgeld in versilberten K u p fe r b a rre n. Niemand täuschte sich darüber, aber Keiner mochte laut von der Sache reden, um nicht möglicherweise hohe Würdenträger bloszustellen, und selbst die mongolischen Könige in Verlegenheit zu bringen. Mann nimmt an. daß diese Letzteren ihre Iahrgelder aus der eigenen Hand des Kaisers empftmgen; eine Beschwerde bätte demnach den Alten Buddha selber getroffen, und del Sohn des Himmels hätte als Falschmünzer dagestanden. Sie nahmen also das versilberte Kupfer und verneigten sich. (5rst in ihrem mongolischen Lande sprachen sie laut über die Sache, gaben,ihr aber eine geschickte Wendung. Sie sagten nämlich, der Kaiser sei an dem Betrug unschuldig und die mit dcr Auszahlung beauftragten Mandarinen seien von den Pe« kinger Bankiers übervortheilt worden. Auch unser mongolischer Mandarin mit dem rothen Knopfe gab zu verstehen daß er -dieselbe Meinung hege, und wir hüteten uns schr wohl, ihm zu widersprechen. Wir unsrerseits aber trauen der Pekinger Negierung nur einen geringen Grad von Recht« lichkeit zu und hegen die feste Ueberzeugung, daß der Kaiser die mongoli- -sch.'il Fürsten Plattweg betrogen hat. Das wird um so wahrscheinlicher we»l er eben damals mit den Engländern in Krieg verwickelt war, in äußerster Gcldnoth steckte nnd nicht wnßte woher.er den Sold seiner dar« benden Truppen nehmen sollte. Der Verkehr mit den drei Mandarinen aus dem Lande derAlesckan war uns auch deshalb ersprießlich, weil sie uns zuverlässige Nachrichten über die Gegenden mittheilten, durch welche wir reiseu wollten. Sie riethen uns dringend, ja nicht nach ihrem Heimatlande zu gehen; dasselbe fei ohne alle Weide für unser Vieh, und noch weit armseliger als selbst jenes der Ortus. Es besteht aus hohen mit Sand bedeckten Gebirgen und man kann Tage lang reisen , ohne auch nur eine Spur von Pflanzen-wuchs anzutreffen; nur dann und wann bietet ein nichts weniger als nm« 1l" ^4 Entschluß durch China zu reisen. sl0. Kap. fangreichcs Thal den Heerdcn ein magcics dorniges Futter. Alcschan ist daher sehr schwach bevölkert, noch weit dünner als die übrigen Theile der Mongolei. Die Mandarinen fügten hinzu, in Folge der großen Dürre, die im Laufe dieses Jahres die ganze Mongolei heimgesucht habe, sei Aleschan beinahe zu Grunde gerichtet; wenigstens der dritte Theil der Heer-den war verhungert und verdürstet, und Räuberbanden zogen umher um zu plündern. Das Alles bewog uns, unsern Reiseplan abzuändern; wir wollten das unglückselige Alcschan nicht berühren. Dann blieb allerdings keine andere Wahl als nock einmal über den Gelben Strom zu setzen, und innerhalb der großen Mauer durch die Provinz Kan Su nach dem Lande der Mongolen vom Ku>Ku.Noor vorzudringen. Noch vor wenigen Monaten wäre es mehr als vermessen gewesen solch ein Wagstück zu unternehmen. Wir waren gewöhnt in unseren christlichen.Gemeinden versteckt zu leben, hätten unmöglich ohne Mithilfe eines Katecheten reisen können, uud auch dann wäre wohl eine Hinrichtung durch die chinesischen Behörden unver. meidlich gewesen. Jetzt lagen die Dinge anders. Wir waren schon zwei Monate unterwegs, und wir meinten in China eben so sicher reisen zu können wie in der Mongolei. Wir hatten in großen Handelsstädten verweilt, dort unsere Angelegenheiten selber besorgt, und uns mit dem Treiben der Chinesen vertraut gemacht. Auch war die Sprache kein Hinderniß, wir verstanden schon die Ausdrucksweise des gemeinen Lebens, welche man in den Missiousplätzen nur schwer oder gar nicht lernt, weil die Christen aus Liebedienerei und Schmeichelei keiner anderen Redewendungen sich bedienen, als jene welche sie in den Büchern finden. Auch hatte die Reise durch die Wüste unsere Körper gestählt; wir waren durch Regen, Sturm und Sonnenschein abgehärtet, unser Gesicht war gebräunt uiw wir sahen wild genug aus. Wir theilten nun Samdadschiemba mit, daß wir nicht ferner im Graslande sondern durch China weiter reisen würden, und er war vollkommen damit einverstanden, weil wir nun guten Thee und gute Herbergen zu erwarten hätten. Wir bemerkten? indem wir ihm die Landkarte zeigten, daß unser Weg in der Nähe seiner Heimat vorüber führe, und wiesen ihm auf derselben das Land der Dschiahur, welches die Chinesen als die Drei Thaler, San Tsch uen, bezeichnen. Erbat uns sein Vaterhaus be> suchen zu dürfen, welches er seit achtzehn Jahren nicht mehr gesehen hatte; er wollte versuchen ob er seine alte Mutter, falls sie noch am Leben war, zum Christenthum bekehre» könne. Wir verließen nun die Richtung nach Westen, welche wir seither 10. Kap.1 Die Teufelstisterne. 16Z inne gehalten hatten, und gingen etwas südlich. Ueberall fanden wir brackiges Waffer. Ein Mongole welchem wir begegneten, sagte daß wir in zwei Tagen den Hoang Ho erreichen und jenseit desselben auf chinesischem Boden sein würden, aber Wasserplätze wären bis dorthin nur spar' lich vorhanden; die einzige ehemals gute Cisterne sei schlecht geworden, seitdem ein Tschütgnr, das beißt ein Teufel, das süße Waffer brackig gemacht habe. Wir erreichten dieselbe kurz vor Sonnenuntergang, und in der That war das Waffer ungenießbar: oben auf schwammen festige Tropfen, und es batte einen abscheulichen Geruch. Und doch mußten wir es trinken, wenn wir nicht verdursten wollten, suchten uns aber zu helfen so gut es eben gehen wollte. Wir sammelten Wurzeln, verbrannten sie zu Koble. zerstießen dieselbe und tbaten sie nebst dem Waffer aus der Teu-felscisterne in unsern großen Keffel. So machten wir dasselber einigermaßen genießbar. Unsere Nachtruhe wurde durch ein eigenthümliches Ge< rausch uuterbrochen. Ein lautes langezogenes Klagegeschrei drang an unser Obr; es war nicht das Geheul des Wolfes, und auch kein Tiger-gebrüll; wir wußten daß im Lande der Ortus reißende Thiere sich nicht aufhalten; was war es nun? Wir standen auf. zündeten vor dem Zelte ein Feuer an mid schrien alle Drei aus vollen Kräften. Am Ende sahen wir ein Thier mit röthlichem Haar. das weglief als wir ihm nahe kamen. Samdadschiemba glaubte einen Hund zu erkennen, und er hatte recht. Wir sehten eine Gchiissel mit Wasser und etwas Hafermehl vor den Ein« gang des Zeltes, und bald erschien der Hund um sich zu sättigen. Dann legte er sich ruhig nieder und war am andern Morgen sehr zutraulich. Dieser Hund hatte rothbraunes Haar und eine ungewöhnliche Größe; er hing nur in Haut und Knochen, und hatte offenbar seit längerer Zeit seinen Herrn verloren. Er war uns nun ein treuer Begleiter. Nach einer zweitägigen Reise kamen wir an eine Gebirgskette, deren Gipfel sick in den Wolken verloren. Wir stiegen aufwärts, aber der Weg war namentlich für die Kameele höchst beschwerlich. In den Thälern und Schluchten lag Glimmer und zertrümmertes schieferiges Gestein in ungeheurer Menge; diese Geschiebe sind allem Anschein nach durch eine gewal« tige Wasserfluth dorthin gelangt, denn das Gebirge selbst besteht aus Granit. Weiter nach dem Gipfel zu wird die Gestaltung immer seltsamer: mächtige Quader sind durch einander geworfen und übcr einander ge-thürmt, und lagern so fest aufeinander, als ob sie verkittet wären. Dieses Gestein ist mit Muscheln wie überzogen, und zeigt Ueberreste von Pflan-zen die dem Seetang, den Mceralgen, gleichen. Die Granitmaffen sind 166 Uebergang über den Hoang Ho. sll. Kap. überall wie abgespült, abgenagt und verwittert. Nach jeder Seite hi», sahen wir Höhlen und Löcher i» den verschiedensten Windungen; es sah aus als wenn dort oben anf dem Gebirge ungeheure Würmer in dem Gestein gearbeitet hatten. Auch der Granit hat tiefe Aushöhlungen. Es kam uns vor als ob wir auf dem Boden eines ausgetrockneten Meeres uns befänden, das hier einst mächtig gearbeitet und Spuren seiner Thätig, keit zurückgelassen hat. Vom Gipfel des Gebirges herab erblickten wir delr'Gelben Strom, der majestätisch von Süden nach Norden floß. Es war um Mittag, und'wir hofften gegen Abend die kleine chinesische Stadt Sche tsui dze zu erreichen, denn wir sahen, daß sie auf der andern Seite des Flusses an einem Hügel lag. Vor Einbruch der Dunkelheit kamen wir an die Fähre, welche von Mongolen gepachtet war, die unsere Börse nur mäßig in Anspruch nahmen. Sie schten uns über, wollten aber den Hund nicht mitnehmen, weil der Nachen für Menschen und solche Thiere bestimmt sei. die nicht schwimmen können. Auf dem jenseitigen Ufer betraten wir China und sagten der Mongolei für einige Zeit Lebewohl. Elites ckapitel. , Herberge zur Gerechtigkeit und zum Erbarmen. — Dlc Provinz Kan Su. — Ackerbau und Bewässerung. — Nina Hia. — Herberge zu den fünf Glückseligkeiten. — Sandber^e. — Der Weg nach Ili. — Die große Mauer. — Die Dschiahurs. - Verkehr mit einem lebenden Buddha. — Herberge zum gemäßigten Klima. — Das Ping Keua,cbira.e. — Wassermühlen. — Si Ning Fu. — Ankunft in Tang keu eül. Seitdem wir das Thal der schwarzen Gewässer verlassen, waren zwei Monate verflossen. Wir hatten große Beschwerlichkeiten erduldet, und wenn unsere Gesundheit auch noch nicht gelitten hatte, so waren wir doch einiger Erholung bedürftig, die wir in Sche tsui dze zu finden hofften. Diese kleine Grenzstadt ist von Hoang Ho nur durch einen Strich sandigen Bodens getrennt. Wir stiegen in der Herberge zur Gerechtigkeit und zum Erbarmen ab, Jen y tieu. Das Haus war neu, und mit Ausnahme des aus Ziegeln bestehenden Grundbaues, durchaus von Holz. Der Wirth empfing uns ungemein höflich; er selber war äußerst häßlich und schielte mit beiden Auge»,, aber seine Zunge war wunderbar geläufig. 11. Kap 1 Herberge zur Gerechtigkeit und zum Erbarmen. 167 Er war, wie er sagte, früher Soldat gewesen, hatte viel gesehen, gehört ,md behalten, kannte alle Länder und alle Menschen, und wir zogen bei itim allerlei sür uns nützliche Nachrichten ein. Er kannte anch das Land am Kn' Ku - Noor und hatte den Krieg gegen die Ti fan mitgemacht. Am nächsten Morgen brachte er uns ein Blatt Papier, auf welchem der Reihe nach die Namen aller Ortschaften verzeichnet standen, welche wir in der Provinz Kan Su berühren musiten. Sche tsui dze liegt in der Spitze eines Winkels der vom Hoang Ho und den Aleschanbergen gebildet wird. Der Strom fließt an dunkelen Hügeln hin, aus welchen Steinkohlen ge« wonnen werden; diesen verdanken die Bewohner ihren Wohlstand. In den Vorstädten wird die Fabrikation von Töpferwaaren verschiedener Art sehr schwunghaft betrieben; sie finden in ganz Kan Su Absatz. Lebensmittel sind in Menge vorhanden und ungcmein wohlfeil; wandernde Garköche bringen allerlei Speisen in die Häuser, Tnppe. Ragouts von Hammel-und Ochscnfteisch, Gemüse, Pasteten und Bäckereien, Fadcnnudeln und dergleichen mebr. Insgemein sind diese Garköche Muselmänner; sie tragen ein blaues Kävpchen und unterscheiden sich dadurch von den Chinesen. Nach zwei Tagen reisten wir ab. Die Umgegend ist sandig und kann nicht bebaut werden, weil der Strom sie überschwemmt; weiter landeinwärts wird der Boden schon besser. Etwa eine Stunde von Sche tsui dze passirten wir die große Mauer, die aber hier nur aus elendem Ge» trümmer besteht. Dann wird die Gegend hübsch und wir mußten die Geschicklichkeit der Chinesen im Ackerban loben. Auf der ganzen Strecke der Provinz Kan Su welche wir duichwanderten, sind die Felder künstlich bewässert; man hat mit vieler Mühe Canäle gegraben, welche der Hoang Ho speist; aus den größeren Wassergräben fließen kleinere Rinnen ab, und überall hat man es in der Gewalt vermittelst einfacher Schleusen den Wasserstand nach Belieben zu regeln. Die Vertheilung des Wassers wird mit äußerster Ordnung vorgenommen. Dörfer sieht man nicht häufig, wohl aber viele einzelne Gehöfte mitten in den Feldern; Gebüsche oder Ziergärten sind gar nicht vorhanden; das Land ist für den Getreidebau bestimmt und nur bei den Häusern stehen einige Baume. Nicht einmal so viel Platz laßt man unbenutzt, daß die vom Felde heimgebrachten Gar< ben etwa in einem Hofraum aufgespeichert werden könnten; denn ein sol« cher ist nicht vorhanden, und man wirft das Stroh dicht um das Haus und bis auf das innere platte Dach. An Tagen wo alle Aecker bewässert werden. glaubt man sich in das überschwemmte Nilland versetzt. Die Bauern schiffen in kleinen Kähnen durch ihre Felder, oder fahren auf ganz ^ßft Die Provinz Kau Tu, — Äckerbau und Vewässerung. >> l. Kap. leichten Karle,, mit ungeheuer bohen Rädern. vor welche sie Büffel gespannt babcn. Aus den chinesischen Jahrbüchern ergiebt sich. daß dieser Tbeil von Kan Su ebemals von Mongolen bewohnt war. die man Kao Tsch e oder bohe Räder nannte, Für den Reisenden sind diese Bewässerungen sehr lästig. denn sie überziehen die Straßen mit Schlamm, in welchem die Kameele ausgleiten. Am Abend lamm wir zum Dorfe Wang ho po. wo wir nicht solche Bequemlichleiten fanden wie in der Stadt; der Wirtl) gab uns nur Wasser. Kohlen und einen Kessel; kochen mußten wir selbst. Etwas nach uns langte eine Karawane an: es waren chinesische Kaufleute welche mit ihren Kameelen nach Ning Hia wollten. Dorthin mußten wir auch. und beschlossen dalier mit jenen Chinesen zu reisen, die einen kürzern und bessern Weg kannten als die gewöhnliche Landstraße. Unser Wirth hielt uns für Mongolen und glaubte deshalb uns eine unverschämte Zeche machen zu können. Tagtäglich haben wir in der Provinz Kan Tu Zank mit den Gasthaltern gehabt; man muß jeden einzelnen Punkt behandeln. Zimmer und Stall. Tränke und Kochkessel. Kohlen und Lamve; nach langen Streiten einigt man sich und bleibt gut Freund. Nach Mitternacht brachen unsere Reisegefährten auf; wir waren etwas später fertig und zogen in tiefster Dunkelheit hinter ihnen her, verfehlten den Weg. blieben in einem bewässerten Felde stecken und mußten das Tageslicht abwarten. Dann begaben wir uns nach eiuem großen mit Mauern umzogeuen Orte; es war Ping Ln Hien, eine Stadt dritter Classe. Dort entstand große Unordnung, weil die vielen Maulthiere in den Straßen allesammt wild wurden als sie unfere Kameele erblickten; sie rissen sich los und warfen Buden um. die Leute wurden ärgerlich, rotteten sick zusammen, schimpften auf die «stinlcnden Mongolen". verwünschten die Kameele und steigerten nur nock die Unordnung, die erst nachließ als wir- zur Stadt binaus waren. Dann trafen wir eines jener Straßenwachtbäuser, vou denen laut dem Gesetz eines für jede Strecke von einer halben Wegstunde vorbanden sein muß. Es find kleine wohlgcweißte Häuser in echt chinesischem Oe> schmack; in der Mitte befindet sich eine Art von großer Scheune, damit Reisende, die sich verirren und Abends leine Herberge erreichen können, eine Unterlunft finden. An beiden Seiten bat das Haus zwei kleine (Ne> mächer mit Thüren und Fenstern und einer rothbemalten Bank; weiteres Hausgerath ist nicht vorhanden. Die äußeren Wände sind mtt roher Malerei verziert, mit Figuren der Kriegsgötter, mit Reitern und fabelhaften Thieren. An den Scheunenwändeu werden alle möglichen in China il.Kap.1 Chinesische Straßenwachthäuser. Igg gebräuchlichen Waffen dargestellt, Lanzen, Bogen, Luntenflinten, Schilde und Säbel. Unweit vom Hanse steht allemal zur Rechten ein viereckiges Thürmchen, und zur Linken sieht man fünf kleine Grenzsteinc, welche die Strecke von fünf Lis bezeichnen; denn so weit ist es von einem Wacht« hause bis zum andern. Manchmal steht auch ein großes Schild da, auf welchem man die Namen der nächsten Orischasten liest. Wir fanden nachstehende Aufschrift: „Von Ping Lu Hien nach Ning Hia 50 Lis; nach Norden bis Piug Lu Hien 5 Lis; nach Süden bis Ning Hia 45 Lis. In Kriegszeiten werden auf den viereckigen Thürmen in vorschriftsmäßiger Weise Signalfeuer angezündet. Die Chinesen erzählen, daß der Kaiser Men Wang (der dreizehnte aus der Dyuastie der Tscheu, etwa 780 vor Christus) einst einer thörigen Bitte seiner Gemahlin nachgab, und ohne Ursache die Lärmsignale geben ließ. Die Kaiserin wollte einmal sehen, ob wohl im Nothfall die Soldaten im ganzen Reiche bereit wären, jeden Augenblick zum Schutze der Hauptstadt sich in Bewegung zu scheu. Alles gelaug; die Statthalter der einzelnen Provinzen schickten eilig dieMilitair» Mandarinen nach Peking, wo sie zu ihrem größte» Aerger vernahmen, daß sie wegen einer Weiberlaune sich in Bewegnug gesetzt hatten. Einige Zeit nachher brachen die Mongolen ins Land, und drangen rasch bis in die Nähe der Hauptstadt vor. Diesmal war es mit den Feuerzeichen auf den Thürmen ernsthaft gemeint, nun aber rührte sich in den Proviuzen Nie« mand. Die Mongolen erstürmten Peking und hieben die kaiserliche Familie nieder. China hat zweihundert Jahre lang keinen Feind im Innern zu bekämpfen gehabt, und die Wachthänser stud deshalb nicht mehr von so großer Bedeutuug als ehemals*); man hat Viele von ihnen verfallen lassen uud nicht wieder ausgebessert; die meisten sind unbewohnt und babcu weder Thüren noch Fenster mehr. Alls sehr besuchte» Landstraßen wird aber immer »och dafür gesorgt, daß die oben erwähnten Wegweiser immer lesbar bleiben. Das Wackthaus bei welchem wir anhielten, war uubewolmt; wir fanden aber mehrere Reisende darin, welche über uus drei „Mongolen" lachten. Nachdem wir unser Mahl eingenommen hatten, zogen wir weiter, einem prächtigen Canal entlang der sein Wasser aus dem Hoang Ho bekommt. Uns begegnete ein Trupp von Reitern, vor welche» die zahlreichen Arbeiter, die mit Uferbanten beschäftigt waren, ') Seit der große» Rebellion der Tai ring wang. welche nach und »ach fast alle Provinzen des cigenllicheu China ergriffen hat, ist das andere. 470 Nlng Hia. — Chinesische Netriia.tr. ^ll. Kap. sich zu Voden warfen; sie liefen: „Heil und Frieden unserm Vater und unserer Mutter!" So wußten wir dcun, daß ein Obermandarin im Au> zugc war. Nach den Formeln chinesischer Höflichkeit hätten wir absteigen und uns gleichfalls zur Erde werfe» müssen; wir glaubten aber als La< mas aus den westliche» Landen dazu »icht verpflichtet zu sei», und ritte» weiter. Der Mandarin selbst kam mit seinem Pferde nabe zu uns l'cran. grüßte höflich und fragte in mongolischer Sprache, ob wir unS wohl be» fänden und wohin wir zu reisen gedächten. Sein Noß scheute starr vor unseren ssamcelen und so wendete er rasch um. Der Mandarin sckien ein Mandschu zu sein, und besichtigte die Canalarbelten. Nach einer Weile erblickten wir die hohen Wallmauern vo» Ning Hia und eine Menge vo» Pagodenthürmen, die sich in der Ferne wie Cedern ausncchmen. Die Backstcinmauern von Ning Hia find sehr alt. mit Moos und Flechten überzogen, aber gut erhalten und mit Morästen umgeben. In« Inner» gewährt die Stadt mit ihren e»ge» schmuzigcn Gassen eine» höchst armseligen Anblick; viele Häuser sind von Nauch geschwärzt und die Wände aus dem Loth gegangen. Man sieht, daß Ning Hia sehr alt ist; als Handelsplatz hat es gar keine Bedeutung, obwohl es der mongolischen Grenze so nahe liegt. In der Herberge wo wir ei»» kehrte», forderten drei Leute uns Reisepässe ab. wir zweifelten aber keinen Augenblick, daß wir es hier mit Gauner» zu thu» hatten. Wir fragte»: „Wer seid ihr de»n. daß ibr euch a»maßt uns Pässe abzuverlangen?" — «Wir sind Beamtete beim Obergericht. Kein Fremder darf ohne Paß durch Ning Hia reisen." — Wir antworteten nichts sondern riefen de» Wirth und verlangten daß er uns seine» und seiner Herberge Namen auf. schreiben müsse; damit, fügten wir hinzn. würden wir flugs zum Tribunal gehen und dem Mandarin sagen. daß er m stimm Gasthause drei Betrüger habe. Die drei Gauner machte» sich darauf eilig aus dem Staube, der Wirth schimpfte hinter ihnen her und die anwesenden Gäste lachten bell auf. Am andern Morgen war im Hose ein gewaltiger Lärmen; man schimpfte auf die stinkenden Mongolen, sprach von Kameelen, vom Tribunal und dergleichen mebr. Die Sache war folgende: U»fere Kameele hatten Nachts sich vom Halfter losgerissen und einige Bündel Korbmacherweiden aufgefressen. Da wir am Abend vorher dem Wirthe gesagt hatten. er möge dieselben fortnehmen um jeden Schaden zu verhüten , so mußte er den Nachtheil tragen. Darüber waren alle einver» standen, und der Mann fügte sich auch. Dann reisten wir weiter; im süd. lichen Theile der Stadt fanden wir ganze Viertel unbewohnt und im Ver« 11. Kap.) Die Herberge zu den fi'inf Gliickseligleitcn. 171 fall und sahen nur Schweine. Die meisten Bewohner trugen zerlumpte Kleider, sahen bleich und mager aus und man konnte nicht zweifeln, daß es ihnen am Nothwendigsten mangelte. Und doch war Ning Hia einst eine königliche Stadt, reich und blühend. Im zehnten Jahrhundert hatte ein Mongolenfürst aus Tu Pa, das jetzt den S i f a n unterworfen ist. am Hoang Ho einen kleinen Staat gegründet, dessen Hauptstadt Hia Tschen war, derselbe Ort welcher jetzt Ning Hia genannt wird. Dieser Staat hielt sich volle zwei Jahrhunderte gegen die Chinesen; verlor aber 1227 zu Tscheng Kis Khans Zeiten seine Selbst ständigkeit. Ning Hia ist nun eine Stadt ersten Ranges in der Provinz Kan Su. Außerhalb derselben fanden wir eine schöne Landstraße, und au derselben viele kleine Gasthäuser, in welchen der Reisende für wenig Geld Thee, hartgesottene Eier, in Oel gebackene Bohnen und mit Zucker oder Salz eingemachte Früchte bekommt. Das Land gefiel uns sehr und offenbar auch unseren Kameelen, welche allgemeine Aufmerksamkeit erregten. Der nächste Ort war das Dorf Hia Ho Po. wo wir in der Herberge zu den fünf Glückseligkeiten, U«fu-tien, abstiegen. Bald erschien ein Reiter, er war Inbaber des weißen Knopfes, grüßte nicht, sondern verlangte barsch, der Wirth solle sogleich Alles rein auskehren lassen nud die Mon» golen, das heißt uns, mit ihren Kameelen fortschicken; ein Obermandarin werde gleich erscheine»! und wolle beherbergt sein. Wir thaten als hätten wir nichts gehört; der Wirth aber kam und setzte höflich und verlegen den Stand der Dinge auseinander. Wir blieben jedoch fest und ruhig: „Sag dem da mit dem weißen Knopfe, daß wir einmal in Deiner Herberge sind und bleiben; der Mandarin hat kein Recht andere Reisende auszutreiben." Der Wirth gab dein Reiter diesen Bescheid, darauf stieg dieser ab, und sprach zu uns: „Der Obermandarin kommt, sein Gefolge ist zahlreich, und seine Pferde können doch nicht hier im Hofe neben den Kameelen / stehen!" — „Ein Mann aus dem Gefolge eines Obermandarinen, ein / Mann mit dem weißen Knopfe, sollte sich mit Höflichkit ausdrücken und nichts Unbilliges verlangen. Wir haben ein Recht hier zu bleiben. Wir würden uns nicht beeinträchtigen lassen." fügten wir hinzu, „seien Lamas aus den westlichen Landen, und wollten nöthigenfalls die weite Reise nach Peking nicht scheuen, um uns Genugthuung zu verschaffen." Das half uud der Wirth freute sich; von uns erhalte er doch Bezahlung, vom Mandarin. der in seinem Hause das Oberste zu unterst kehre, werde er aber nichts bekommeli. Einige Zeit nachher kam der Mann mit dem weißen Knopfe wieder, war sehr höflich, meinte wir seien doch Alle Reisende 172 Dlc AlcschiNlberge. III. Kap. und mußten uns bebolfen wie Brüder. Darauf gingen wir ein. Gegen Abend erschien der Obermandarm, die Flügelthüren des Hofes wurden aufgeschlagen, und ein von drei Manlthiereu gezogener Nagen fuhr herein; viele Reiter kamen hinterher. Der Mandarin, ein Mann von etwa sechzig Jahren, mit grauem Barte. trug ciue rothe Mütze; er blickte scharf um» her. und machte eine ärgerliche Miene als er unsere drei Kameele hinten im Hofe stehen sah. „Was ist das. was wollen diese Mongolen hier?" rief er sehr verdrießlich, ..man schaffe mir den Wirth bierher!" Der Mann mit dem weißen Knopfe kniete nieder und sagte ibm etwas ins Ohr. Darauf grüßte der Mandarin ziemlich vornehm mit der Hand und ging in das für ihn hergerichtete kleine Zimmer. Das war ein Triumph für uns, in einem Lande das wir bei Todesstrafe nicht betreten dursten. Denn zu jener Zeit war der Vertrag zwischen Frankreich und China noch nicht abgeschlossen, und jeder Misfionair welcher den Boden des himmlischen Reiches betrat, war schon dadurch dem strengen Gebote des Kaisers ver« fallen. Von nun an fühlten wir uns doppelt sicher und alle Furcht war verschwunden. Zwei Tage später waren wir wieder am Gelben Strom inTschonq We'i, einer mittelgroßen Stadt, deren rdoblbabendes Anseben scharf gegen das Mend in den käßlichcn Ning Hia abstach. Die vielen Waarenläden waren voll von Käufern, die Straßen belebt, und der Handelsverkehr ist beträchtlich. Es fällt auf, daß man auf dem Hoang Ho keine Schiffe siebt, und daß die sonst überall der Schissfahrt leidenschaftlich zugeneigten Chi« nesen sich hier vom Waffer fern halten. Man hat daraus den Schluß gezogen, daß die Bewohner dieses Theils von Kan Su, von mongolischer und thibetanischer Abstammung seien. Hinter Tschong We'l kamen wir abermals über die große Mauer, die hier lediglich aus lose aufeinander geworfenen Steinen gebildet war. Wir befanden uns jetzt wieder für die nächsten Tage in der Mongolei im Königreich der Aleschan. Manche Lamas hatten uns von dem gleichnamigen Gebirge eine wahrhaft entsetzliche Schilderung entworfen; jetzt konnten wir uns persönlich überzeugen, daß sie nicht im Mindesten übertrieben hatten. Die Aleschan sind eine lange Gebirgskette die aus beweglichem Sande besteht; er ist so fein. daß er wie Wasser durch die Finger rinnt. Auf diesen ungeheuren Sand-maffen sieht man auch nicht eine Spur von Pflanzenwuchs; hin und wieder gewahrt man feine Linien, welche von den Füßen der sich fort» bewegenden kleinen Insekten herrühren. Für uns war das Reisen hier furchtbar beschwerlich. Die Kameelc versanken bei jedem Schritte bis an 11. Kap.j Die Aleschanberge. — Der Weg nach III. 1?g den Bauch in den Sand. und den Pferden erging es noch schlimmer, weil ihrc Hufe dem Sande nicht so viel Widerstand leisten konnten. als die massenhafteren Füße derKameele. Wir selber gingen zu Fuß und mußten wohl aufpassen, um nicht von diesen gefährlichen Bergen hinab in den Hoang Ho zu gleiten der am Fuße derselben sich hinzog. Zum Glück war das Wetter klar und ruhig; bei Sturm wären wir gewiß vom Sande verschüttet worden. Es scheint als ob die Aleschanberge durch Anhäufung der Tandmassen gebildet worden seien, welche der Wind unablässig aus der großen Wüste (S ch a m o; Gobi), berbeitrcibt. Am Flusse staut sich diese Sandüberschwemmung, vor welcher auf diese Weise die Provinz Kan Su bewahrt bleibt. Von diesen Tandmasscn bekommt der Hoaug Ho seine gelbliche Farbe und den Namen Gelber Strom, denn oberhalb der Aleschan ist sein Wasser hell und klar. Die hohen Berge mach. te» allmälig Hügeln Platz, nach und nach verlor sich auch der Sand. und gegen Abend erreichten wir Tschaug Lieu Schuy, das beißt die im, mer fließenden Gewässer, eine reizende Oase. in welcher viele kleine Bäche durch die Straßen rinnen. Diese sind mitBäumen bepflanzt, uud die aus Stein gebauten Häuser weiß oder roth angestrichen. Aber alle Lebens« Mittel müssen anS Tschong Wc',' herbeigeschafft werden und sind deshalb sehr theuer. Wir schlugen dann die Straße ein welche nach Ili führt. Die Gegend war noch immer traurig genug, wiewohl nicht mehr ganz so abscheulich wie vorher. Wir hatten nun KieSboden unter den Füßen und da und dort sahen wir einige Gesträuche, etwas Pfriemkraut, sonst war Alles dürr uud platterdings unfruchtbar. So gelangten wir nach Kao tandze. einem über alle Beschreibung häßlichen Dorfe; es besteht aus einigen aus schwarzem Schlamm roh aufgebauten Hütten. Sie sind alle Gasthäuser, aber Lcbensmittel sind noch seltener uud also auch theurer als an den immer fließenden Gewässern; die Umgegend ist durchaus unftucht« bar; das Wasser sogar muß sechs Stunden weit hergeholt werden, und der Reisende für einen Eimer voll fünfzig Sapeken zahlen. Dazu kommt daß dieses Dorf ein im höchsten Grade unsicherer Aufentbalt ist. und sehr oft von Räubern überfallen wird. Man sieht daß dte Häuser schon einmal in Brand gesteckt und verwüstet worden sind. In unserer Herberge wurden wir gleich gefragt, ob wir unsere Thiere vertheidigen wollten? Es giebt nämlich in Kao tan dze zweierlei Gasthäuser, solche in denen man Widerstand leistet und andere wo das nicht geschieht; in den ersteren muß man einen vierfach höbern Preis zahlen als in den letzteren. Darüber änßerten wir unsere Verwunderung; aber man entgegnete: „Ihr wißt 174 Die große Mauer, til. Kap. also nicht. daß Kao tan dze sehr oft von Räubern heimgesucht wird? Wohnt ihr in einer Herberge wo man keine Gegenwehr leistet, so wird euch euer Vieh fortgetrieben, denn wer wollte das hindern? In den Gast' Höfen wo die Räuber Widerstand fiüden. habt ihr Hoffnung Kameele und Pferde zu behalten, wenn nicht etwa der Feind zu übermächtig ist." Wir beschlossen sicher zu geben und eine vertheidigungsfäbige Herberge zu wählen, in welcher denn auch Alles sehr kriegerisch aussah; überall hingen itanzen, Bogen, Lunteuflinteu. (56 war uns dort so unheimlich. daß wir uns nicht zur Ruhe legen mochten. Das ganze Kao tan dze schien uns ein unbegreifliches Ding. Wie mochten nur Menschen in einer so abscheulichen, unfruchtbaren, wasserlosen, den Räubern preisgegebenen Gegend hausen? Wir sagten das auch unserm Wirthe, der uns bald Alles erklärte: „Wir sind nicht etwa freie Leute, sondern alle Einwohner von Kaon tan dze sind Verbannte. Man hat uns erlassen nach Ili geschasst zu werden, unter der Bedingung, daß wir allen Mandarinen und Soldaten welche die Verwiesenen nach Ili transportiren, und überhaupt allen Regierungs» beamten unentgeltlich Wasser verabreichen." Verbannte Christen gab es in diesem Dorfe nicht. Wir blieben von Räubern verschont, und gelangten bald wieder an die große Mauer, über welche wir nach eigener Anschauung Einiges sagen wollen. Dieses auf Befehl des Kaisers Tschin Schi Hoang Ti im Jahre 214 nach Christus unternommene Werk heißt bei den Chinesen Wan ti tschang tsching, die große Mauer von zehntausend Lis; sie reicht von dem westlichen Punkte der Provinz Kan Su bis zum Gestade des östlichen Meeres. Die Bedeutung dieses Riesenwerkes ist sehr verschieden beurtheilt worden, wahrscheinlich weil man nur einzelne Theile desselben ins Auge gefaßt hat, während man das Ganze hätte beachten müssen. Barrow, der 1793 mit Lord Macartney als Geschichtschreiber der englischen Gesandtschaft in China war. hat eine eigenthümliche Be. rcchnung aufgestellt. Er nahm an, daß in England und Schottland 1.800,000 Häuser vorhanden seien, an deren jedem das Mauerwerk 2000 Fuß betrage. Alle zusammen, meinte Barrow, hielten nicht so viel an Mauerwerk als die chinesische Mauer, in welcher Material genug vor» banden sei. mit welchem man eine einfache Mauer zweimal um den Erdball herumführen könne-. Aber Barrow ist im Irrthum. Er hat das Stück der großen Mauer welches nördlich von Peking sich befindet, zur Grundlage seiner Schätzung genommen. und dort ist allerdings ihre Bauart großartig und schön. Aber dieses Werk, das als Schutzwehr gegen die 1l. Kap.I Die Herberge von Kan Men Tstn. " 175 Mongolen aufgeführt wurde, ist nicht überall gleich hoch, breit oder dauer» haft. Wir haben diese Mauer an mehr als fünfzehn verschiedenen Stellen überschritten, und sind oft tagelang an ihr hingereist, ohne sie nur eine Minnte aus dem Gesicht zu verlieren. Nun besteht sie in der^Nähe von Peking allerdings aus einer Doppelmauer mit Zinnen, aber ander» wärts fanden wir auch entweder uur ganz einfaches Mauerwcrk oder blos einen schlichten Erdwall, ja an manchen Stelleu besteht sie lediglich in Steinen die lose auf und übereinander liegen. Große bchauene, mitMör« tel zusammengefügte Steine von welchen Narrow wissen will, haben wir nirgends gesehen. TsiuTchiHoang Ti sah vor allem darauf seine Haupt« stadt möglichst stark gegen Einfalle der Mongolen zu schützen; an den Grenzen der Oitus und von den Aleschan her, drohte kaum eine Gefahr, dort konnte also die Mauer schwach sein. Nachdem man auf dem oben angegebenen Punkte die Mauer über« schritten hat, kommt man an den Grenzposten San Jen Tsin, wo die Mongolen, welche iu das eigentliche China wollen, sehr scharf beaufsichtigt werden. In dem ganzen Orte ist nur eine einzige Herberge und diese hält der Statiouscommaudant. Wir fanden dort eine starke mongolische Karawane, aber auch Namu genug für uns. Sogleich erschien der Com« mandant und verlangte unsere Reisepasse. Darauf entspann sich folgendes Zwiegespräch, nachdem jener uns erklärt batte wir müßtcn einen Paß vorzeigen oder so und so viel bezahlen. „Wie. Du verlangst Geld oder Pässe? Wir find ganz China durchreist, in Peking gewesen, durch die Mongolei gezogen, habe» nie einen Paß gebraucht und nie auch nur eine Sapeke gezahlt. Du als Stationscommandant solltest doch wissen. daß ein Lama keinen Paß nöthig hat!" - „Was sind das für Worte? In der Karawane hier sind zwei Lamas mit Pässen." — „Gleichviel; so giebt es Lamas mit Pässen und ohne Pässe; wir haben keine. Uebrigens sollst Du das verlangte Geld haben, uns aber den Empfang bescheinigen und schriftlich erklären. daß Du Geld von uns gefordert hast." Nun gab er kleiu bei und sagte: „Ihr seid in Peking gewesen, vielleicht hat der Kaiser euch ein Privilegium ertheilt. Sagt aber den Mongolen nicht, daß ich ench unentgeltlich passircn lasse." Diese letzten Worte sprach er leise. Es ist zum Erbarmen wie die ill China reisende Mongolen belogen und betrogen werden. Icdcr glaubt sie ausziehen zu dürfen und sie lasseu sich auch nach allcu Seiten hin misbrauchen und ausbeuten. Man nimmt ihnen Zoll ab, und der erste beste Chinese verlangt Geld von ihnen weil er etwa bei Ausbesserung einer Landstraße, oder beim Vau einer Brücke ^6 Ausblucl) von ^an 3)en Tsin. lll. ziav. oder einer Pagode beschäftigt ist. Jeder stellt sich als wolle er ihnen Gefälligkeiten nnd Dienste erzeigen, warnt sie vor schlechten Lenten, giebt ihnen Nath, nennt sie Frennde und Brüder, und das Alles um ihnen desto.gcmächlicher das Fell über die Ohren zu ziehen. Behalten sie aber dennoch den Knopf auf dem Beutel so versucht man es mit der Einschüchterung, redet ihnen vor, wie streng und furchtbar die Mandarinen seien, spricht von Gesetzen. Gerichtshöfen. Gefängnissen. Strafen. von Verbaf. tungeu und dergleichen; kurz man bebandelt sie wie Kinder. Dabei baben dic Chinesen insgemein leichtes Spiel, weil die Mongolen sich in die Sitten und Bräuche des fremden Landes gar nicht zu finden wissen. In einer Herberge zum Beispiel wohnen sie nicht etwa in den Zimmern welche man ihnen zur Verfügung stellt, bringen auch ihr Vieh nicht in die Ställe, sondern schlagen im Hofraum ihr Zelt auf und binden die Kameele an Pfähle. Wenn der Wirtb Einsprache dagegen erhebt, so gehen sie allerdings in die Zimmer, die ihnen aber allemal wie Gefängnisse vorkommen, und richten sich in denselben auf eine geradezu lächerliche Weise ein. Die Küche in welcher sie ganz bequem ihre Speisen bereiten könnten, ist für sie so gut wie nicht vorhanden; sie rücken vielmehr den Dreifuß mitten ins Zimmer, stellen den Kessel darauf und heizen mit Argols, obwohl andere Brennstosse vorhanden sind. Nachts rollen sie ihre Filzdecken aus< einander, denn sie mögen weder in einem Bette noch auf dem Kang scbla-fe«. Die Leute von der mongolischen Karawane welche wir in der Herberge zu San Yen Tsin trafen, waren dermaßen einfältig, daß sie uns fragten. ob wohl der Wirth sich dafür. daß er sie aufgenommen, etwas bezahlen lassen werde. Wir setzten unsere Reise in der Provinz Kan Su nach Südwesten hin fort, und fanden das hügelige wohlbewasscrte Land im Allgemeinen recht hübsch und wohl angebaut. Das Klima ist mild, der Boden frncht« bar; man baut vorzugsweise Weizen, aus welchem man in ähnlicher Weise wie in Europa Brot bereitet; Reis wird nicht gesaet; man bezieht den Bedarf daran meist ans anderen Provinzen. Ziegen und Schafe sind von einer vortrefflichen Art. ihr Fleisch bildet eine Hauptnahrung der Bewohner. Steinkohlen sind im Ueberfluß vorhanden, und Kan Su ist über-Haupt eine Provinz in welcher sich anständig leben läßt. Zwei Tagereisen hinter San Yen Tsin überfiel uns ein entsetzlicher Sturm, als wir eben. Morgens um zehn Uhr, über einen Berg ritten und in eine Ebene hinabstiegen. Die Lnft war ganz still und das Wcttcr sehr kalt. Allmälig wurde der Himmel weiß, ohne daß auch nur eine n. Kap.1 Die Bewohner von Kan Su. 177 Spur von Wolken zu sehen war. Dann erhob sich ein Westwind, der in kurzer Zeit so heftig wurde, daß unsere Thiere nicht mehr vorwärts könn» ten. Es war als ob die Natur aus den Fugen ginge; der wolkenlose Himmel wurde blutroth. der wüthende Sturm peitschte dicke Säulen von Staub, Wind und Trümmer verschiedener Art im Wirbel vor sich her, und am Ende konnten wir nicht einmal mehr die Thiere sehen auf denen wir ritten. Wir stiegen ab. hielten still, banden uns Tücher vor das Geficht, und standen entfetzt da; denn es war als sei der Welt Untergang gekommen. Dieser gewaltige Aufruhr in der Atmosphäre dauerte länger als eine stunde. Als wir wieder aus den Augen sehen konnten, fand sich, daß wir weit auseinander gerathen waren. Zum Glück bemerkten wir in der Nähe ein Bauerhaus in welchem wir ungemein gastfreundlich aufgenommen wurden. Man wärmte Wasser damit wir uns waschen konnten, denn der Staub war uns durch die Kleider in alle. auch die feinsten Hautöffnungen gedrungen. Hätte das Unwetter uns in den Aleschanbergen ereilt so waren wir ohne Rettung verloren; wir wären ' lebendig begraben worden und niemals hätte man wieder etwas von uns gehört. Die guten Bauersleute wollten uns an jenem Tage nicht weiter reisen lassen, und baten uns so aufrichtig und herzlich noch zu verweilen, daß wir, ohnehin der Ruhe sehr bedürftig, bei ihnen blieben. Wer einigen Verkehr mit den Bewohnern von Kan Su gehabt hat. findet leicht, daß sie nicht rein chinesischen Ursprungs sind; das mongolisch - thibetanische Element schlägt ganz entschieden vor in Sitten, Charakter und Sprache der Landlente. Sie haben die gemachte und erkünstelte Höflichkeit der Chinesen nicht, sondern sind freimüthig und gastfreundlich, und iu ihrer chinesischen Sprache blieben viele mongolische und thibetanische Ausdrücke enthalten; auch der Eatzbau ist eigenthümlich und sie haben die mongolische Inversion. Sie sagen z. B. nicht wie die Chinesen: Oeffne das Fenster, mache die Tbür zu. sondern: Das Fenster öffne, die Thür mache zu. Außerdem genießen sie mit Vorliebe Milch. Butter und Buttermilch, die der Chinese gar nicht mag. Von den Letzteren unterscheiden sie sich namentlich auch dadurch, daß sie sehr religiös sind. In Kau Su giebt es viele blühende Lamaklöster, in welchen der reformirte Buddhacultus gilt. Die Chinesen haben auch viele Pagoden und eine Menge von Götzenbildern in den Häusern, aber mit diesen Aeußerlichleiten ist auch so ziemlich Alles abgethan, während die Leute in Kan Su viel und eifrig beten. Abgesehen davon, daß sie von den Chinesen so verschieden sind. lassen sich unter ihnen selbst manche Abweichungen und Stammesver» Huc, Mongolei. 12 173 Die Dschiahurs. III. Kap. schiedeuheiten naä'weisen. In dieser Beziehung sind namentlich die Dschiahurs bemcrkenswerth. Sie bewohnen mm, Landstrich der als San Tscknan. die drei kleinen Tbäler, bezeichnet wird, und dort war die Heimat unseres Kameclfübrers Samdadsckiemba. Die DschiahurS sind eben so gaunerhaft nnd verschmitzt wie die Kbincsen, aber viel richer und auch in .der Ausdrucksweise »icht so höflich; sie werden von allen ihren Nachbarn gefürchtet und verabscheut. Gleich sind sie mit Messern bei der Hand sobald sie sich benachteiligt glauben, und ein Manu steht um so höher in Ansehn je mehr Mordthaten er verübt hat. Sie reden eine Maugsprache. tie ein Gemisch von Mongolisch. Lbincsisch und Tstttnbe. tanisch ist; Nc selber behaupten von Mongolen abzustammen. Ist das richtig, so muß man zugeben, daß sie die Rohheit uud den Unabhängig» keitssinn ibrer Vorfahren sehr wohl bewabrt baben. wäbrend die heutigen Mongolen in ihren Sitten und ihrem Charakter sehr gemildert erscheinen. Die Dschiahurs sind allerdings dem Kaiser von China unterworfen, stehen aber unter einem besondern Fürsten aus ihrem eigene» Stamme; er führt den Titel T»-3se und die Regierung ist in seiner Familie erblich. In Kan Tu und auf den On'nzen der Provinz Ssc tschuan stehen noch meh« rere andere Völker unter einheimischen Fürsten, uud haben ihre eigenen Gesetze. Alle diese Regenten werden Tu-Tse genannt, und um jeden einzelnen näher zu bezeichnen, setzt man seinen Familiennamen bei. Sam-dadschiemba war Angehöriger dcs Ki Tu Sse-Ttammes; der machtigste Stamm unter den Dschiahurs sind die Dang Tu Sse. die lauge Zeit selbst iu Lha Ssa. der Hauptstadt von Thibet, großen Einfluß übten, der erst 1845 gebrochen wurde. Am audern Tage erreichten wir gegen Abend Tschoang Long, das gewöhnlich Ping Fang genannt wird; es ist eine blühende Handels» stadt und weiter nickt bcmerkenswerth. Wir wohnten in der Herberge zu den drei gesellschaftlichen Beziehungen. San Kan Tien, in welcher wir einen äußerst zuvorkommeudeu Gastwirth fanden. Or war ein echter Vollblutchinese und ein arger Spötter. Er fragte un« ob wir nicht Engländer seien, und fügte hinzu, daß er unter den Ing lie li die Meerteufel, Uang kue'i dze. verstehe, dieselben welche mit China Krieg führten. — „Nein. wir sind keine Engländer, und überhaupt weder See- noch Landteusel.« Ein Gast mischte sich in dieses Gespräch und sagte zum Wirth: „Weißt Du denn nicht wie die Menschen aussehen? Wie magst Du nur sagen. daß diese hier Yang kun dze sein könnten! Weißt Du nicht, daß jene blaue Augen und rothes Haar haben?" — 11. Kap.) Verkehr mit einem lebenden Buddha. 179 „Da hast Du recht, ich hatte daran nicht gedacht." Wir bemerkten: „Sicherlich hattest Du nicht daran gedacht. Und glaubst Du denn, daß Seeungeheuer auf dem Landc leben uud gleich uns auf Pferden reiten können?" — „Ja, das ist wabr; da habt ihr's getroffen. Die Ing kit li, das habe ich mir erzählen lassen, wagen sich gar nicht vom Meere weg; am Lande zittern und zappeln sie wie Fische die man aufs Trockne wirft." Darauf wurde noch mancherlei über Sitten und Charakter der Seeteufel hin und her geredet, und willig zugegeben. daß wir nicht zur Classe derselben gerechnet werden könnten. Am Abend entstand in der Herberge große Aufregung, denn ein lebenderBuddha zog mit einem großen Gefolge ein. Er kam auf der Rückreise aus seinem Vaterlande Thibet, und kehrte nach dem großen Kloster heim, dessen Oberer er war; dasselbe liegt im Lande derKhalkhas, unweit von der russischen Grenze. Als er im Gasthof erschien, warfen die zahlreich versammelten Andächtigen sich auf das Gesicht zur Erde und verließen den Hofraum erst. als der Heilige sich in stinem Zimmer befand. Nachdem es ruhiger geworden, ging er durch das ganze Haus, sprach die Leute au. setzte sich aber nicht, sondern blieb stets in Bewegung. Er kam auch in unser Gemach, wo wir auf dem Kang saßen. Wir standen aber nicht aus und begrüßten ihn nur mit der Hand achtungsvoll. Er blieb mitten im Zimmer stehen und betrachtete uns lauge Zeit. denn unsere Art und Weise überraschte ihn. Wir schwiegen und sahen ihn unsererseits genau an. Dieser Oberlama mochte etwa fünfzig Jahre alt sein; er trug einen weiten Rock von gelbem Taffet. thibetanische Stiefeln von rotbcm Sammet mit sehr hohen Sohlen. Er war von mittlerm Wüchse und wohlbeleibt; sein sehr dunkelfarbiges Gesicht trug das Gepräge äußerster Gutmüthigkcit, aber in seinen Augen lag etwas Verstörtes, sie hatten einen recht unheimlichen Ausdruck. Endlich redete er uns fließend in mongolischer Sprache an. uud sprach von Reisen. Weg und Wetter. Wir sahen daß er länger bleiben wollte und luden ihn ein neben uns auf dem Kang Platz zu nehmen. Er zauderte einen Augenblick, vielleicht weil es einem lebenden Buddha nicht ansteht. auf gleicher Linie neben gewöhn« lichen Sterblichen Platz zu nehmen; er setzte sich aber doch. Seine hohe Würde erlaubte ihm nicht länger stehen zu bleiben, wenn Andere saßen. Zuerst erregte ein neben uns liegendes Brevier seine Aufmerksamkeit; er fragte ob es erlaubt sei hineinzusehen. Darauf nahm er es in beide Hände, lobte den Einband und Goldschnitt, uud blätterte lange darin umher. Dann machte er eS zu, hielt es feierlich an seine Stirn und sagte: „Das 12' ^uH Verkehr mit einem lebenden Buddha. 111. Kap. ist euer Gebetbuch; man muß die Gebete hochachten und ehren. Eure Religion und die meinige sind wie das hier." Dabei hielt er die beiden Zeigefinger nebeneinander. „Ja, Du hast recht; Dein Glaube und unser Glaube sind einander feindselig: wir machen auS dem Zweck unserer Reise kein Geheimniß; wir möcbten daß unsere Gebete an die Stelle derer träten die in euern Klöstern üblich sind." — „Das weiß ich; ich weiß es längst/' entgegnete er lächelnd, nahm das Brevier noch einmal. fragte nach der Bedeutung der vielen darin enthaltenen Bilder, schien aber nicht im Mindesten verwundert, über Alles was wir ihm mittheilteil. Nur bewegte er theilnehmend sein Haupt, als wir ihm das Bild des Gekreuzig« ten erklärten; er hielt seine gefalteten Hände vor die Stirn, berührte dieselbe noch einmal mit dem Gebetbuch und erhob sich dann. Nachdem er mit freundlichen Worten Abschied genommen, verließ er das Zimmer; wir geleiteten ihn bis an die Thür. Dieser Bestich gab uns mancherlei zu denken und zu sprechen, und wir beschlossen, noch an demselben Abend einen Gegenbesuch zu machen. Der Gott saß in seinem Gemach auf bohen, breiten, mit Tigerfellen bedeckten Polstern; vor ihm standen ein kleiner lackirter Tisch, eine silberne Theekanne, und eine zierlich gearbeitete Taffe mit Untersatz. Wir nahmen ohne Weiteres und unaufgefordert neben ihm Platz, zum Misvergnügen seines Gefolges, das ein mißbilligendes Murmeln vernehmen ließ. Der lebende Buddha lächelte uns unheimlich an. schellte aber mit einer silbernen Glocke, und befahl einem jungen Lama uns Thee mit Milch vorzusetzen. Dann sprach er: „Ich habe manche von euren Landsleuteu gesehen, denn mein Kloster liegt nicht weit von euerm Land entfernt; die Oros (Russen) kommen manchmal über die Grenze, aber nicht so weit als ihr." — „Wir sind keine Russen, unser Land liegt von dem ihrigen weit entfernt." Das schien ihn zu überraschen. „Aus welchem Lande seid ihr denn ?" — „Aus einem Lande unter dem westlichen Himmel." — „Ah so, ihr seid Peling vom DschonGanga (dem östlichen Ganges), und wohnt in der Stadt Galgata (Calcutta)." Die Thibetancr geben den Engländern aus Indien den Namen Peling. d. b. Fremdlinge; er bedeutet dasselbe wie das chinesische Y - jin. was die Europäer mit Barbar übersetzen. Es war unmöglich dem Oberlama deutlich zumachen, woher wir stammen, denn er kannte nur Oros und Peling. Er sagte: „Was macht es denn aus ob man aus diesem oder jenem Lande ist? Alle Menschen sind Brüder. Seid übrigens vorsichtig, so lange ihr euch in China befindet, und sagt nicht etwa Jedermann wer ihr seid; die Chinesen taugen nichts, sind 11. Kap.) Herberge zum gemäßigten Klima. 181 argwöhnisch und könnten euch Böses thun." Darauf sprach er viel von Thibet, und von den Gefahren der Reise dorthin; er meinte wir würden sie schwerlich überstehen. Das ganze Benehmen, und Alles was dieser Mann sagte, war ungemein freundlich, aber wir konnten uns mit dem Ausdruck seiner Allgen nicht aussöhnen, denn der datte etwas Höllisches und Diabolisches. Doch lag das wohl nur an uns, denn im Uebrigen war er durchaus liebenswürdig. Von TschoangLong oder Ping Fang gingen wir nach Ho Kiaoy. das auf den Charten als Ta'i t u ng fu verzeichnet steht, obwobl dieser alte Ausdruck längst nicht mehr gebräuchlich ist. Auf der Landstraße sahen wir eine große Menge von Steinkohlenfuhren. Wir blieben einige Tage in der Stadt, und kehrten in der Herberge zum' ge mäßig» ten Klima ein. Dort gaben wir unserm Samdadschiemba aus acht Tage Urlaub, um seine Familie zu besuchen; er durste ein Kameel mitnehmen um stattlich zu erscheinen, und erhielt obendrein füns Unzen Silbers. Unser Gastwirt!' war ein guter Mann aber sehr zudringlich. Abends wärmte er uns das Bett. Der Kang oder große Ofen, auf dem mail schläft, ist in Kan Tu nicht wie im übrigen China ganz aus Steinen hergerichtet, sondern der obere Theil besteht aus Brctcrn, die man fortnimmt wenn Feuer gemacht wird. Man strent im Innern des Ofens ganz trockenen, zu Staub zerriebenen Pferdedünger umher, und wirft einige glühende Kohlen daraus. Dann legt mau die Breter wieder zu» sammen. Das Feuer ergreift nach und nach den brennbaren Dünger und geht nicht wieder aus. Wärme und Dampf finden nirgends Abzug, erwärmen die Breter und geben, weil der Mist nur langsam wegdrennt, die ganze Nacht hindurch eine erquickende Wärme. Ein guter Kangheizer darf nicht zu viel und nicht zu wenig Dünger hineinthun, muß ihn auch sorgfältig vertheilen. so daß gleich von vorne herein alle Breter gleichmäßig erwärmt werden. Wir selber versuchten uns ohne Erfolg in ' dieser Kunst. Am achten Tage war Samdadschiemba wieder da. und brachte einen jüngern Bruder mit. Zu ihm sprach unser Kameelführer: „Babdscho. wirf dich vor unseren Herren nieder und bring ihnen die Opfergaben welche unsere arme Familie schickt." Der junge Dschiahur begrüßte uns dreimal auf mongolische Weise, und reichte uns zwei große Schüsseln mit Nüssen und Broten dar. Die letzteren glichen denen wie man sie in Frankreich bäckt, und wir fanden sie ausgezeichnet. Zu unserm Erstaunen war Samdadschiemba äußerst armselig gekleidet. Wir erfuhren, daß seinVatcr 182 Das Ping Keugebirge, — Ttnckende Männer. ^11. Kap. längst gestorben, seme Mutter erblindet sei; er hatte zwei Brüder, von welchen der jüngste, eben der welchen er mitgebracht, die Familie ernährte, indem er ein Stück Ackerfeld bebaute und anderer Leute Vieh hütete. Samdadschiemba batte alle scine Habe der armen Mutter gegeben. Aber bei seiner Familie mochte er nicht bleiben. und er hätte ihr gewiß auch nichts genützt. Wir unterstützten sie nach besten Kräften. Wahrend unseres achtägigen Aufenthalts zu Ho kiao y hatten unsere abgematteten Thiere sich so gut erholt, daß wir die Weiterreise durch eine Gegend wagen konnten, die ungemeine Schwierigkeiten darbot. Zuerst hatten wir das Gebirge Ping Keu zu übersteigen. wo der Pfad so eng war. daß zwei einander begegnende Manlthicre oder Kamcele nicht hätten ausweichen können. Erst gegen Mittag waren wir oben. Dort stand ein Gasthaus in welchem kein Thee zu haben war; statt desselben verkaufte man einen Aufguß von gerösteten Bohnen; Nüsse und Brot schmeckten gut. und die Luft war nicht so kalt als wir erwartet hatten. Nachmittags fiel Schnee, und wir kamen glücklich über dieses Ping Keugcbirge zum Dorfe der alten Ente, Lao va pu, wo die Kang nicht mit Pferdedünger geheizt werden, sondern mit zerstoßener Kohle. die ange» feuchtet und wie Backstein geformt wird, anch brennt man Torf. Wir hatten immer geglaubt in ssl'ina sei das Stricken unbekannt. im Dorfe der alten Ente sahen wir aber viele Männer die emsig strickten; die Frauen geben sich mit dieser Beschäftigung nicht ab. Uebrigens strickt man nur grobes Wollengarn zu sackförmigen Strümpfen, manch» mal anch Fausthandschuhe, und zwar nicht mit Nadeln sondern mit Bambusstäben. Es gewährte einen eigenthümlichen Anblick. zu seben, wie Männer mit Scbnanzbärten vor den Hausthüren in der Sonne saßen und wie Fraubasen strickten und mit einander schwätzten.' Von Lao ya vn nach Si ning fu hatten wir fünf Tagereisen; am zweiten Tage kamen wir durch Ningveyhien, eine Stadt dritter Classe. In einem dortigen Gasthofe wo wir frühstückten, waren in einer sehr geräumigen Küche viele Reisende eingekehrt. Sie saßen auf den Bänken. während der Wirth mit seiner Familie lind seinen Dienern auf großen Heerden kochte lind briet. Plötzlich schrie die Wirthin laut auf. weil ihr Mann ihr mit einer Schaufel einen derben Schlag auf den Kopf gegeben hatte. Sie lief heulend in einen Winkel und schimpfte. Der Mann aber setzte uns Gästen anseinander daß sein Weib widerborstig und nicht achtsam genug sei; sie tbne dem Geschäft Eintrag. Dagegen hatte die Frau von ihrem Winkel aus allerlei einzuwenden; ihr Mann il. Kap-1 Wassermühlen. — Si ning fu. 1gI sei ein Faullenzer, thue nichts als Trinken und Tabak rauchen, und vcr» geude den Verdienst eines ganzen Monats in ein paar Tagen. Alle Anwesenden schwiegen mausestill. Dann wagte sich die Frau bervor und sagte zum Manne: „Bin ich eine schlechte Frau. so mach mir das Garaus! Bring mich um, mache mich-todt." Dabei stellte sie sich keck vor ilm hin. Er aber tödtete sie nicht, sondern gab ilir eine ungeheuere, laut klatschende Ohrfeige. Die Reisenden lachten, aber das Ding nahm eine ziemlich ernsthafte Wendung. Der Wirth nahm eine lange eiserne Feuerzange vom Heerde, und stürzte wüthend über die Fran her, nachdem cr sci.ien Gürtel festgeschnürt und seinen Haarzopf um den Kopf befestigt hatle. Alle sprangen auf und legten sick ins Mittel; ader die Wirthin kam nicht ohne ein blutiges Gesicht und ohne zerrauftes Haar davon. Ein Mann von gesetztem Alter der im Hause etwas zu gelten schien, brachte beide auseinander. „Wie, ein Mann und seine Frau prügeln sich! Prügeln sich in Gegenwart ihrer Kinder und vor so vielen Reisen» den!" Das half; die Frau ging an den Heerd und der Mann nahm seine Pfeife wieder zur Hand. Die Straße nach Si ning fu ist ziemlich gut im Stande und fübrt durch ein baumrciches. wohlbewässertes und gut angebautes Hügelland. Man pflanzt besonders viel Tabak. Bei den Wassermühlen fiel es uns auf, daß der obere Stein fest lag, der untere sich drehte; diese Müblen sind ungemein einfach und bedürfen nur einer geringen Triebkraft um zu gehen; sie sind oberschlächtig und das Wasser fallt aus einer Höhe von etwa zwanzig Fuß auf das Rad hinab. Die letzte Tagereise vor Si ning fu war voller Beschwerlichkeiten und weil der Weg steilen Abgründen entlang läuft, äußerst gefahrlich. Ein einziger Fehltritt wäre hin« reichend gewesen, um uns und unsere Kameele in die jähe Tiefe zustürzen. Wir kamen aber glücklich in der großen, obwohl nicht eben volkreichen Stadt an; sie ist thcilweise sehr versallen, weil ein Theil ihres ehemals belangreichen Handelsverkehrs sich nach Tang keu eül gezogen hat. Diese kleine Stadt liegt am Flusse Keu ho. auf der Grenze zwischen Kan Su imd dem Gebiete der Mongolen vom Ku-Ku-Noor. In Si uing fu nimmt man in der Ncgcl keine Ausländer, wie Mongolen, Thibetaner tt. in den Gasthöfen auf; sie finden Unterkomme» in den Siä Kia oder Ausruhehäusern, in welcheu dagegen keine anderen Reisenden zugelassen werden. Wir wurden in einem solchen Rasthaus« sehr gut aufgenommen; Wohnung, Nahrung und Bedienung werden un. entgeltlich verabfolgt. Denn weil die meisten Reisenden Handel treiben 1ß4 Auluust in Taug lcu eül. l12. Kap. so nimmt der Wirth e'ne Abgabe voll Allem was gelaust oder verkauft wird. Wer ein Nasi/au4 halten will, muß von der Behörde dazu eine lindere Erlaubniß erwirke,: u»d jäbrlich eine verhältnißmäßige Summe dafür entrichten. An uni hatte der Wirth nichts verdient; wir gaben ihm aber was wir in einer.".ndern Hnlxrae bqtten zahlen müssen. Dann Übertritten , ,'ir ',?icdcr ^ie große Mauer zwmnal und kamen „ach Tangkeueul. Es war i7.i Monat Januar, nnd wir waren jetzt seit vier Monaten '^it^rweges. Die Stadt ist klein aber sehr belebt uiv voll regen Handelsvrtt.hrs. Dott sindct man Leute aus dem östlicbm Thibet, die Hug.^oeü! over Langhaare, Oelöten. Kolo, Cbinesen, Mongc!en ron Ku>Ku-Noor vnd Mohamedaner. Alle tragen Waffen, und gewalttlMge Auftt'tte gehören keineswegs zu den Seltenheiten. Zwölftes Capitel. Der Weg nach Thibet. — <3 n. Karawane v<,^ Kballbas-Mon^len. — Der So^n des Königs von Ku-Ku-Noor. — Sandara der Nätti^c. — Thibetaniscbe Sprachstudien. — Hc<"dcnraul,. - Großer Tumult in 3ana, keu eül. — Die Lanxhaare ni,d die Muselmänner. — Neujahrs» feieriichkclten. — Unser Zelt im Leilihause. — Das Lamakloster Kunbum und dessci: Insassen. — Das Blumenfest. In der kleinen Stadt Tang keu eül ist die Zahl der Nasthamer ungemein beträchtlich, weil bei dem lebhaften Handelsverkehr der Zugang von Fremden sehr stark ist. Wir nakmen Herberge bei einem Muselmann, dem wir von vorne herein sagten daß wir keine Geschäfte trieben, er also an uns nichts verdienen könne. Deshalb wurden Preise bedungen wie man sie in anderen Gasthöfen zahlte. So weit war nun Alles gut, aber es fragte sich was weiter aus uns werden solle. Bis Tang keu eül waren wir auf einem deutlich vorgezeichnetcn Wege ziemlich rasch aus der Stelle gekommen; von nun an handelte es sich aber darum, wie wir nach Lha» Sfa, der Hauptstadt von Thibet gelangen könnten. Die Schwierigkeiten auf welche wir gefaßt sein mußten, schienen unüberwindlich. Tang keu eül erschien uns wie die Säulen des Herkules über welche wir nicht hinaus zu kommen hofften; indessen ließen wir uns nicht entmuthigen. Wir erfuhren daß fast in jedem Jahre Karawanen aus der Stadt bis in Innere von Thibet zogen, und was Andere wagten das dürfte auch für uns nicht 12. Kap.) Der Weg nach Thibet. — Khallhasmongolen. 185 zu anstrengend oder gar unmöglich erscheinen. Katholische Missionäre wollten doch, im Interesse ihres Glaubens, nicht weniger Muth bewähren als Kaufleute, die des Gewinnens halber reisen. Es handelte sich nur noch darum wann und wie die Sache anzugreifen sei. Inzwischen zogen wir möglichst genaue Kunde über den Weg ein, die denn freilich nieder« schlagend genug ausfiel. Vier volle Monate, so sagte man, müßten wir durck ein völlig unbewohntes Land reisen, und auf eben so lange Zeit uns mit Lebensmitteln und Vorräthcn versorgen.» Im Winter seien schon viele Wanderer unterwegs erfroren oder von Lawinen verschüttet; im Sommer fehle es nicht daß viele den Tod in den Fluthen fänden, denn man müsse über manche reißende Ströme setzen; Brücken oder Fähren seien nicht vorhanden. Außerdem werde die Einöde nicht selten von Räu» berhorden unsicher gemacht; wer itmen in die Hände falle, werde bis auf die Haut ausgezogen und hilflos in der Wüste dem Hungertode preisgegeben; kurz, man erzählte uns haarsträubende Dinge, und die Aussprüche aller Leute mit denen wir sprachen, lauteten gleich wie aus einem Munde. Als lebendige Belege für die Richtigkeit der Aussagen waren einige Mon^ golen aufzuweisen, die in der Stadt sich umhertrieben als einzige Reste einer großen Karawane, welche im vorigen Jahre von Räubern überfallen wurde. Diesen paar Leuten glückte es zu entrinnen; alle übrigen waren in die Gewalt der Kolo gefallen. Alle diese Nachrichten bewogen uns, mit möglichster Vorsicht zu Werke zu gehen und unsere Abreise nicht zu übereilen. Wir waren seit sechs Tagen in Tang keu eül, als eine kleine Kara» wane von Khalkhas Mongolen in unserer Herberge einkehrte. Sie kam von der russischen Grenze lind wollte nach Lha Ssa. um einem ganz jun< gen Knaben ihre Huldigung darzubringen; er war der jüngst in einen neuen Körper übergewanderte Guison Tamba. Diese Mongolen waren hocherfreut darüber, daß wir dieselbe Reise machen wollten, denn nun hatten sie im Nothfall drei Streiter mehr gegen die Kolo aufzubieten. Sie meinten daß so vollbärtige Männer wie wir ungemein tapfer sein müßten, und beehrten uns ohne Weiteres mit dem Titel von Baturu, das heißt Tapferen. Wir überlegten uns aber die Sache reiflich. Jene Karawane zählte nur acht Mann, die allerdings vom Kopfe bis zu Fuße bewaffnet waren; sie hatten Bogen, Luntenflinten, Lanzen in Menge, sogar eine kleine Kanone, mit welcher sie vom Kameel Herabschossen. Was ^war nun zu thun? Einige unserer Bekannten meinten, diese Karawane weide „von den Kolo aufgefressen werden"; sie riethen uns, die Rückkehr 1^6 Der 3oh« des Königs von Ku-Ku-Noor. l«2. Kap. der großen thibetanischen Gesandschast abzuwarten. Aber diese konnte kaum erst in Peking eingetroffen nud vor acht Monaten gar nicht zurück sein. So lange konnten wir bei unseren dürftigen Geldmitteln nicht warten. So beschlossen wir denn mit den Mongolen zn reisen, die darüber höchst erfreut waren. Wir wollten unsern Wirth beauftragen für viele Monate Mehl einzukaufen. die Mongolen meinten aber, das sei überflüssig; sie gedächten die Strecke in etwa anderthalb Monden zurückzulegen; da sie täglich etwa zwanzig'Wegstunden machen könnten. Dafür waren wir nicht vorbereitet; so starke Tagemarsche konnten unsere, durch viermonat« liche Anstrengungen abgematteten Tbiere gar nickt aushalten. Die Mon< golen dagegen hatten etwa vierzig Kameelc und es kam am Ende nicht viel darauf an. ob unterwegs die Hälfle zn Grunde ging. Sie riethen uns zu unseren dreien noch ein weiteres Dutzend zu kaufen; aber wie sollten wir dreihundert Unzen Silber erschwingen, da wir kanm zwei» hundcrt besaßen? Die acht Khalkhas waren aus fürstlichem Geblüte. Am Abend vor ihrer Abreise machte ihnen der Sohn des Königs von Ku-Ku-Noor seinen Besuch. Unser Gemach war das reinlichste im Hause und diente als Empfangümmer. Der junge Prinz sah reckt hübsch aus und zeigte in seinem Benehmen viel Anstand; man sah es ibm wohl an daß er sich mehr in der Stadt Tang keu eül als unter seinem Zelt aufhielt. Er trug einen himmelblauen Tuchrock und darüber eine Art Jacke von violettem Tuch mit schwarzem Sammetbesah; in seinem linken Ohr hatte er, nach thibetanischer Art, einen mit Juwelen verzierten Ring; fein fast weißes Gesicht hatte einen sanften Ausdruck; an seinem Anznge bemerkten wir keine Spur von mongolischer Unsauberkeit. Der Besuch eines Prinzen von Ku-Ku'Noor war für uns eine Art von Ereigniß, und Samdadschiemba mußte einen großen Krug voll Milchthee bereit halten, von welchem Seine königliche Hoheit eine Schale voll anzunehmen geruhte; das Uebrige wurde an sein Gefolge vertheilt, das auf dem Hofe im Schnee stand. Das Gespräch betraf den Reiseweg uack Thibet, und der Prinz versprach den Khalkhas eine Bedeckung so langes« innerhalb seines Landes sich befänden. „Aber jenseit meiner Grenzen stehe ich für nichts mehr; Alles hängt von euerm guten oder bösen Geschick ab." Uns gab er den Rath die thibeta« Nische Gesandtschaft abzuwarten, weil wir im Gefolge derselben mit mehr Sicherheit und weniger Beschwerden reisen könnten. Beim Abschied reichte er uns sein Achatfläschchen mit Tabak dar. nnd wir nahmen» eine Prise. 12. Kap.) Sandara der Bärtige. — Thibetanische Sprachstudien. 187 Die Khalkhas zogen am nächsten Morgen ab. Wir aber beschlossen unsern ferneren Aufenthalt möglichst gut zu benutzen, Thibetanisch zu lernen und die buddhistischen Bücher zu studiren. Etwa elf Wegstunden von Tang keu eül, schon im Lande der Si fan oder östlichen Thibetan«, liegt ein Kloster «das in der ganzen Mongolei und in Thibet hochberühmt ist. Aus allen buddhistischen Landen wallfahrten Pilger dorthin, denn an diesem Orte wurde Tsong Ka ba Nembutschi, der berühmte Reformator des Buddhismus, geboren. Dieses Lamaklofter heißt Kunbum. und zahlt viertausend geistliche Insassen, verschiedener Abkunft; Si fan, Mongolen, TlMetaner und Dschiahurs wobnen neben eiuander. Wir be» schlössen dort einen Besuch zu machen und uns einen Lehrer der thibetani» schen Sprache zu suchen. Herr Gäbet machte sich mit Samdadschiemba auf den Weg; Herr Huc blieb in der Stadt zurück, um Vieh und Gepäck zu beaufsichtigen. Nach fünf Tagen kam Gäbet zurück; er batte einen wahren Schatz gefunden und brachte ihn aus Kunbum gleich mit. Es war ein Lama von etwa zweiundreißig Jahren. der zehn Jahre lang in einem der ersten Klöster von Lba Ssa gelebt hatte, vortrefflich das reinste Thi« betanisch redete und schrieb, und in den buddhistischen Büchern wohlbewandert war. Auch verstand er Mongolisch. Si fan. Chinesisch und die Sprache der Dschiahurs, kurz. wir hatten in ibm eine» ausgezeichneten Sprachenkenner. Dieser Lama, von Geburt ein Dschiahur und leiblicher Vetter Samdadschiemba's, hieß Sandara, und hatte wegen seines langen Bartes den Beinamen der Bärtige. Wir warfen uns nun mit großem Eifer auf das Studium des Thi-betanischeu. Sandara übersetzte einige von uns niedergeschriebene mongolische Zwiegespräche Wort für Wort ins Thibetanifche, schrieb jeden Morgen eine Seite und gab uns eine grammatikalische Erklärung der einzelnen Ausdrücke. Die Tagesaufgabe schrieben wir mehrmals ab. um uns an die thibetanischen Züge zu gewöhnen, und dann sangen wir sie her, ganz so wie in den Lamaklöstern geschieht, bis wir sie auswendig wußten. Am Abend hörte unserLehrer uns die Aufgabe ab, und hielt äußerst streng auf richtige Aussprache. Er war dabei höchst liebenswürdig, lind erzählte uns am Tage febr oft anziehende Dinge über Thibet und die dortigen Klöster: er erzählte ungemein lebendig und mit Witz. die einfachsten Ge, genstände wußte er, man kann sagen, malerisch darzustellen; seine natür» liche Beredtsamkeit war höchst anziehend und reizend. Nachdem die ersten Schwierigkeiten überwunden waren, gaben wir unseren Studien eine reli« giöse Richtung. Sandara mußte uns die Hauptgebete der katholischen Igg Tin talentvoller Grobian. ll2. Kap. Kirche, das Vater Unser, das apostolische Symbolum :c. in thibetanischen Kirchenstyl übersetzen; dabei erörterten wir ihm die Grundsätze des Chri-stentbums. Diese ihm neue Lehre schien Anfangs ihn zu überraschen; bald aber wendete er ilir so große Aufmerksamkeit zu. daß er gar nicht mehr in seinen lamaisckien Büchern las; er lernte christliche Gebete mit solchem Eifer, daß wir ganz entzückt waren, schlug häufig das Kreuz, wir meinten schon er sei im Grunde seines Herzens Cbrist geworden, und sahen in ihm einen zukünftigen Apostel der viele Buddhisten bekebren werde. Eamdadsckicmba dämmerte inzwischen in den Straßen von Tang kcu eül umher und trank Thee. Diesem Müßiggang entzogen wir ihn dadurch daß wir ihn beauftragten nnsere dreiKamecle nach einem Thal in Ku-Ku-Noor auf die Weide zu treiben. Dort war Futter in Menge, und ein Mongole versprach, unsern Dschiatnir im Zelte zu beherbergen. Aber unsere Hoffinln-» gen auf Sandara zerrannen wie ein schöner Traum. Der junge Mann war im Grunde nichts weiter als ein abgefeimter Lama. der es auf unsere Sapeken abgesehen hatte. Er warf die Maske ab, als er sah wie unent' behrlich er uns sei, und zeigte seinen wahren Charakter. Er war hochmütig und entsetzlich unverschämt, wurde auch beim Unterrichtgebcn äußerst grob und roh. Nenn wir um eine Erklärung baten, die er uns vielleicht früber schon gegeben hatte, fuller uns etwa in folgender Weise an: „Wie. ihr wollt Gelehrte sein. und ick muß euch ein und dieselbe Sache dreimal erklären! Ich sollte meinen, was ich dreimal sage, könnte sogar ein Maulesel behalten!" Wir hätten ihn fortjagen können, und waren manchmal nahe daran. aber der tallentvolle Grobian war uns doch zu nützlich, und so ertrugen wir seine Unverschämtheit. Ja sie war uns er. sprießlich, denn sicherlich ließ er auch nickt den geringsten grammatikali« schen Fehler ungerügt. Er war gerade das Gegentheil der chinesischen Lehrer. Diese heißen aus Höflichkeit oder Ehrfurcht vor ihren „geistigen Vätern", den Missionaren. Alles gut. berichtigen fehlerhafte Ausdrücke nicht, ja bedienen sich wohl gar dergleichen selber, um sich leichter ver» ständlich zu machen. Der Missionär muß daher einem groben Heiden dankbar sein, der ihm nichts hingehen läßt. Wir beschlossen den habsüchtigen Sandara gut zu bezahlen, und thaten als bemerkten wir die kleinen Gaunereien nicht, welche er fast täglich an uns verübte. Samdadschiemba war nach einigen Tagen wieder da. Er war von Räubern angefallen worden, die ihm Alles genommen hatten: Butter, Mehl und Thee; seit sechsunddreißig Stunden hatte er nichts genossen und sah erbärmlich aus. Sandara wollte aber dieses Abenteuer nicht glauben, und 12. Kap.) Heerdenranb. — Tumult in Tang leu eül. Igg fragte, wie es komme daß die Räuber ihm nickt auch die Kameele und seinen Schnupftabak abgenommen hätten. Aber wir wußten daß unser Begleiter ehrlich war; wir gaben ihm neue Vorräthe und damit ging er wieder auf die Weide. Am andern Tage 'entstand in Tang keu eül ein großer Tumult. Räuber hatten sich bis in die Nähe der Stadt gewagt und zweitausend Ochsen weggetrieben, welche den Hung mao eül oder Lang haaren gehörten. Diese, Bewohner des östlichen Thibet, kommen alljährlich in großen Karawanen von den Abhängen des BayanKhara Gebirges nach Tang keu eül herab, wo sie Pelzwerk, Butter und eine Art von wildem Thee verkaufen, der in ihrem Lande wächst. Während sie Handel treiben, weidet ihr Vieh unweit von der Stadt auf Wiesen, die unter chinesischen Behörden stehen. So nahe wie diesmal waren die Räuber niemals an die Grenze des Kaiserreiches gekommen. Nun rotteten sich die Langhaarigen zusammen, drangen mit dem Säbel in der Faust in das chinesische Tribunal und verlangten Rache und Gerechtigkeit. Der Mandarin ließ sogleich auf der Stelle zweihundert Soldaten ausrücken, um die Räuber zu verfolgen. Die Langhaare freilich wußten daß Infanterie die wohlberittenen Diebe nicht einholen könne, saßen selber auf und setzten dem Feinde nach. Aber diese halbwilden Menschen hatten nicht daran ge« dacht, sich mit Lebensmitteln zu versorgen und mußten bald unverrichteter Dinge umkehren. Die chinesischen Soldaten waren klüger gewesen; sie beluden vor ihrem Abzüge eine große Menge von Ochsen und Eseln mit Muudvorräthen und Kochgeschirr. Es lag ihnen nichts daran, wegen der zweitausend Ochsen mit Räubern handgemein zu werden; sie lagerten sich daher einige Tage an einem Bache, aßen, tranken und vertrieben sich die Zeit ganz munter, und kehrten heim als nichts mehr zu verzehren war. Dem Mandarin sagten sie, weit und breit in der Steppe sei nichts von den Räubern zu sehen gewesen; einmal freilich hätte man sie beinahe erwischt, aber es sei niit Hexerei zugegangen daß man ihrer doch nicht habhast geworden. In Tang keu eül glaubt man nämlich in allem Ernste daß die Räuber hezen können: wenn sie einige Hammelknochen hinter» rücks weifen, oder über die Handfläche blasen, dann werden sie unsichtbar. Dergleichen Sagen sind wahrscheinlich von den chinesischen Soldaten in Umlauf gesetzt worden; die Mandarinen glauben freilich nicht daran, sind aber zufrieden wenn die Beraubten sich dabei beruhigen, denn das ist für sie die Hauptsache. Die Hung mao eül waren aber diesmal ungeheuer grimmig; sie rannten mit blanken Säbeln durch die Straßen und fluch« 190 Die ölliighaare. 112. Kap. ten ganz entsetzlich auf die Räuber. Schon in gewöhnlichem Zustande sehen diese Leute wild genug aus. Das ganze Jahr hindurch tragen sie weite Röcke von Schaffell, die mit einem aus Kameelhaar gedrehten dicken Stricke zugebunden werden. Gewöhnlich aber schleppt das zottige Kleid am Boden hm; wenn aufgeschürzt reicht es bis au die Knie. und die Langhaarign sehen aus wie aufgeblasene Schläuche. Ihre großen Leder, stiefeln «ichen nur bis an die Wade; Hosen tragen sie nicht und die Beine sind daher halbnackt. Ihr schwarzes fettiges Haar fällt in langen Strän. gen über Schultern und Gesicht hinab; der rechte Arm bleibt stets unbekleidet, denn der Aermcl ist zurückgeworfen. Quer über den Leib steckt im Gürtel ein langer breiter Säbel. Diese Söhne der Wüste haben in ihrem ganzen Benehmen etwas festes, kurzangebundenes, und ihre Ausdrucksweise ist kurz und kräftig, der Ton ihrer Stimme volltönend. Es giebt unter ihnen manche reiche Leute. Ein Hauptluzus besteht darin, ihre Sä» belscheide mit kostbaren Steinen zu besetzen, und den Rock von Schaffell mit Tigerhaut zu verbrämen. Die Pferde welche von ihnen zum Verkauf nach Tang keu eül gebracht werden, sind ausgezeichnet schön, kräftig wohl« gestaltet und von stolzem Gang; überhaupt in jeder Hinsicht den mongolischen weit vorzuziehen. Sie rechtfertigen vollkommen das chinesische Spruch-wort: Sima, tung nieu. Pferde von Westen. Ochsen aus dem Osten. Die Hung ma eül sind mannhast und tapfer, voll wilden Geistes der Unabhängigkeit und geben in der Stadt Tan keu eül den Ton an. Alle Welt äfft ihnen nach, um für tapfer und furchtbar zu gelten; die ganze Stadt hat daher das Ansehen eines Näubernestes. Die Leute sehen unordentlich und wie zerrauft aus, schreien, stoßen einander, prügeln sich und sehr oft kommt es zu Blutvergießen. Selbst im strengsten Winter in diesem sehr kalten Lande gehen sie mit nackten Armen und unbekleideten Beinen; wer sich anständig kleiden wollte würde für feig gelten. Ein „guter Tapferer" darf sich vor nichts fürchten, „weder vor Menschen noch vor dem Wetter." Selbst die Chinesen haben hier viel von ihrer Höflichkeit und den feinen Formen ihrer Ausdrucksweise verloren, denn auch aus sie wirkt der Einfluß der Hung mao eül. die unter sich etwa in einem Style reden, wie vielleicht die Tiger in den Wäldern. Am Tage unserer Ankunft begegneten wir einem Langhaarigen, der sein Pferd am Flusse Keu ho tränkte. Samdandschirmba grüßte ihn auf Mongolisch mit del» Worten: „Bruder, ist Friede mit Dir?" Der Hung mao eül drehte, sich barsch um und rief: „Du Tchildkrötenei, was geht es Dich au ob Friede mit mir ist oder nicht? Wie kannst Du einen Mann Bruder nennen, der Dir unbekannt ist?" !2. Kav.1 Die Langhaare u«d die Muselmänner. 191 Die Stadt ist gedrängt voll Menschen, sehr unreinlich und daher auch ungesund; überall dringt Einem Gestank von Fett und Butter entgegen, und preßteinemfastdasHerzab, und in manchen Theilen, in welchen die Armen und Landstreicher hausen, übersteigt der Schmuz alle Beschreibung ! Viele Menschen liegen in Ecken und Winkeln halbnackt auf Stroh das beinahe zu Mist geworden ist; Kranke ckindcn sich neben Leichen umher, denn weshalb sollte man sich Mühe geben, diese letzteren zu entfernen? Erst wenn sie in Verwesung übergehen, schleppt man sie an Stricken auf die Straße; dort läßt dann die Behörde sie wegnehmen und begraben. Die Zabl der Gauner und Diebe ist so groß, daß man ihr nicht mehr steuern kann, und die Dinge gehen läßt wie sie wollen; jeder mag sich seiner Haut wehren und Gepäck und Sapeken hüten so gut er kann. Die Gau« ner haben es vorzugsweise auf die verschiedenen Herbergen abgesehen; und auch wir sind von ihnen heimgesucht worden; sie stahlen uns Geld unter den Händen weg. In unserm Nasthause dessen Inhaber, wie schon bemerkt, Moha« medaner war. hieltcin jüngst auSLanTsche. der Hauptstadt von Kan Su, angelangter Mlfti eine religiöse Feierlichkeit ab, deren Zweck man uns nicht erklären wollte. Sandara behauptete boshaft, dieser Oberlama der Hon hoei sei gekommen um sie zu lehren wie mau im Handel und Wandel be» trügen müsse! Die augesehensten Muselmänner versammelten sich an zwei Tagen in einem großen Saale der unweit von unserm Zimmer lag. saßen schweigend da und seufzten und schluchzten. Nachdem gcnug geweint wor« den war, sprach der Mufti mit ungemeiner Zungenfertigkeit arabische Ge, bete; dann wurde abermals geweint, und nachher ging die Versammlung auseinander. Dieses Heulen und Weinen fand täglich dreimal statt. Am Morgen des dritten Tages stellten sich alle Muselmänner im Hose um den Mufti herum, der auf einem mit rothem Teppichtuch überzogenen Schemel saß. Der Herbergswirth zog einen stattlichen, mit Blumen und Bändern geschmückten Hammel herbei, und legte ihn so. daß derselbe mit der Seite den Boden berührte; während er ihm den Kopf hielt und zwei andere Muselmänner die Beine packten, wurde dem Mufti ein auf silberner Schüssel liegendes Messer dargereicht, welches er mit feierlicher Würde nahm und dem Hammel in den Hals stieß. Darauf erschallten von Neuem Wehklagen uud Geheul. Dann wurde das Thier regelrecht abgehäutet, ge, kocht und bei einem Festmahle verzehrt. Die Muselmänner oderHoci Hon sind inChiua sehr zahlreich. Angeblich sind sie zur Zeit der Thangdyiiastie ins Land gekommen, welche 192 Die Muselmänntl. s12. Kap. von 618 bis 906 den Thron besaß. Der Kaiser hatte damals seine Residenz zu Si ngan fu, das jetzt Hauptstadt von Schan Si ist. nahm die Fremdlinge wohlwollend auf. deren Gesichtsbildung ihm gefiel, überhäufte sie mit Gunst, und bat sie im Lande zu bleiben. Anfang« sollen ihrer nur zweihundert gewesen sein; sie vermehrten sich aber allmälig so sehr. daß sie jetzt eine zahlreiche Genossenschaft bilden. die den Cbinesen großen Respect einflößt. Man findet sie. im eigentlichen China. Vorzugs« weise in den Provinzen Kan Su. Mnnan. Sse tschuan, Schan Ei. Schen Si. Schang tung. Pe tsche li und Liao tung; in einigen Gegenden über« steigt ihre Zahl sogar jene der Chinesen. Ucbrigens haben sie sich mit den übrigen Landesbewohnern dermaßen vermischt, daß man sie von denselben kaum unterscheiden könnte, wenn sie nicht als Unterscheidungszeichen eine blaue Kappe trügen; denn ihre Physiognomie ist chinesisch geworden, die Nase platt, die Augen liegen schräg und die Backenknochen stehen hervor. Auch verstehen sie kein Wort Arabisch, aber ihre Geistlichen müssen diese Sprache lernen. Sie sprechen Alle chinesisch. Aber die Muselmänner haben eine Energie des Charakters bewahrt, 5ie man sonst bei den Chinesen nicht antrifft, und gerade dadurch zwingen sie diesen Letzteren Achtung ab. Sie halten eng zusammen und stehen allen Anderen gegenüber als ein geschlossenes Ganze. das sich in allen Fällen des einzelnen Angehörigen nachdrücklich annimmt. Diesem Corporationsgeiste verdanken sie die religiöse Freiheit, die ihnen in keiner Provinz verweigert wird. Niemand wagt es, in ihrer Gegenwart gegen ihren Glauben oder ihre religiösen Gebräuche etwas einzuwenden. Sie rauchen keinen Tabak, trinken keinen Wein, essen kein Schweinefleisch, setzen sich auch mit Heiden nicht zu Tische, und man findet das Alles ganz in der Ordnung. Manch» mal lehnen sie sich gegen die Reichsgesetze auf. wenn durch diese ihr Cultus beeinträchtigt wird. Als wir 1840 in unserer Mission in der Mon» golei uns befanden, bebauten die Hoe'i Hon in der Stadt Hada eine Moschee, oder Li-va'i sse wie die Chinesen sagen. Die Mandarinen wollten das Gebäude abreißen lassen, denn es war höher als das Tribu« nalhaus. und somit war gegen das Gesetz verstoßen. Aber sogleich gerie-then sämmtliche Muselmänner der Umgegend in Aufregung, schaarten sich zusammen, schworen hoch und theuer den Mandarinen einen Proceß anzu» hängen, sie in Peking selbst zu verklagen, und nicht cher die Waffen nie» derzulegen, als bis der Beschluß der Mandarinen für ungiltig erklärt worden sei. In China giebt bei dergleichen Angelegenheiten allemal das Geld den AnSschlag; die Hoe'i Hoe'i unterzeichneten daher beträchtliche 12. Kap.1 Die letzten Tage des Jahres. 193 Summen, und behielten am Ende, allen Mandarinen zum Trotz, nicht nur ihren Willen, sondern brachten es, eben durch ihr Geld, auch dahin, daß jene Beamten in die Verbannung geschickt wurden. Ganz anders steht es mit den Christen, die doch so fügsam find. mit den Heiden an demselben Tische essen, überhaupt mit ihnen auf weit bessern, Fuße leben können als die Muselmänner, denen ihre Religion in so mancher Beziehung Ausschließ-ltchteit gegen Andere zur Pflicht macht. Aber die Christen leben zerstreut und vereinzelt. Wenn einer von ihnen vor Gericht gestellt wird, so ver» kriechen sich die übrigen. Der chinesische Neujahrstag nahte heran und man traf zur Feier desselben allerlei Vorkehrungen. Die auf rothes Papier geschriebenen Sinnsprüche, welche an den Häusern hangen, wurden erneuert, die Waa« renläden wurden stark von Käufern besucht, überall herrschte eine gesteigerte Regsamkeit. und die Kinder brannten Feuerwerke schon im Voraus ab. Sandara erklärte, während der Neujahrszeit in seinem Kloster sein zu müssen, wolle aber «m dritten des ersten Mondes wieder zurück sein. Auf das Letztere bestanden wir nicht, gaben ihm aber drei Stränge mit Save-ken, um seine Freunde „mit wohl gefärbtem Thee" bewirthen zu können. Auch borgten wir ihm Samdadschiemba's kleines Maulthier. Während der letzten Tage des Jahres geht es in China wild und unruhig her. weil dann alle Rechnungen bezahlt werden müssen. Dabei geht es ohne Drängen der Gläubiger nicht ab. und alle Chinesen haben etwas zu fordern oder zu bezahlen. So kommt denn Jeder mit Jedem in Berührung. Einer hat eben bei seinem Nachbar gelärmt und getobt, um gahlung zu erhalten; er kommt nach Hause und findet dort schon einen Mau« biger der eS eben so macht. An allen Ecken und Enden schreien und schimpfen die Leute, und Schlägereien fehlen auch nicht. Namentlich am letzten Tage ist d» Verwirrung groß. weil Jeder Das oder Jenes versilbern will, um zahlen zu können, und die zum Pfandhaus führenden Straßen sind gedrängt voll Menschen, die Kleider. Bettdecken, Küchengeschirr, kurz Hausgeräth aller Art versetzen wollen. Wer nichts mehr auf das Leihhaus zu bringen hat, sucht bei Freunden oder Verwandten Sachen zu borgen, die dann ohne Weiteres nach dem Ta ng pu, das heißt nach dem Leihhause wandern. Dieses Treiben währt bis gegen Mitternacht. Nun wird Alles ruhig; alsdann hat Keiner mehr das Recht Schulden beizutreiben, ja er darf nicht einmal mehr auf dergleichen anspielen. Alles redet friedlich und wohlwol, lend, und lebt im besten Einvernehmen. Am Neujahrstage legt jeder die Huc. Mongole«. lg 194 NeuiMsfeievlichkelten. — Unser Zelt auf dem Leihhause. l.12. Kap. besten Kleider an. man macht Höflichkeitsbesuche, sendet Geschenke, spielt, bewirthet einander. besucht die Komödie. Seiltänzer oder Taschenspieler. Alles ist in Luft und Freude, und Kanonenschläge sammt Feuerwerken spielen eine große Rolle. Nach einigen Tagen kehren allmälig die Dinge wieder in ihr altes Geleise zurück, und es werden die Bankerotte erklärt. Die Cbinesen nennen das: die Thür verschlossen halten. Die Hon Hoe'i feiern das Neuiahrsfeft nicht zu gleicher Zeit mit den Chinesen, sondern richten sick nach dem mohamedanischen Kalender. Wir konnten daher während jener wilden Tage uns vollkommener Ruhe erfreuen, auch knallten im Rasthause keine Kanonenschläge. So war es uns denn vergönnt ungestört unsere tibetanischen Aufgaben von vorne an noch einmal durchzustudireu. Da uns der Wirth die Oelflasche wegnahm, weil wir ihm zu lange Licht brannten, gingen wir aus. kauften Lichte, uud verfertigten uns aus einer Rübe und einem Nagel einen Leuchter, der freilich nicht elegant war, uns aber doch seinen guten Dienst geleistet hat. So konnten wir auch nach Mitternacht ftudiren. denn bis da» din gab uns unser Türke Oel genüge Nm dritten Tage des eisten Mon> des kam Sandara zurück, war über alle Vegriffe liebenswürdig und lud uns ein, nach dem Kloster Kunbum überzusiedeln. Der Vorschlag war gut, und wir trafen gleich am andern Tage Vorkehrungen zur Abreise. Samdadschiemba war mit den Kameelen auf der Weide, wir mußten also einen Karren miethen, um unser Gepäck fortzuschaffen. Vor etwa zehn Tagen hatte der Wirth uns unser Zelt abgeborgt, um es bei einem Aus» fluge in das Grasland zu benutzen; jetzt forderten wir dasselbe zurück; es war aber nicht da. wurde auch nicht herbeigeschafft; und am Ende ergab sich. daft der Hoe'i Hoe'i es nach dem Leihhause gebracht hatte, um zu Ende des Jahres seine Schulden bezahlen zu können; jetzt aber fehlte es ihm an Geld um es einzulösen. Sandara sagte das dem Wirtb ohne allck» Um, schweife und schloß seine scharfe nachdrncksvolle Rede in folgender Weise: „Sag nur nicht daß das Zelt bei einem Deiner Freunde liege; i ch sage Dir, es liegt auf den Tang pu. Wenn es nicht wieder hier zur Stelle ist, ehe wir diesen Krug Thee ausgetnmken haben. so gehe ich ins Gericht, und dann wird sich zeigen ob ein Dschialnir-Lama von einem Muselmann betrogen werden darf!" Dabet schlug Sandara so heftig auf den Tisch, daß unsere Theenäpfe hoch aufflogen. Nun bat der Wirth, wir möchten nur einen Augenblick Geduld haben und von der Sache nicht weiter reden, weil sein Haus dadurch in Nachtheil kommen könne. Gleich darauf wurde allerlei zusammengerafft was sick nur versetzen ließ und nach dem Leihause 12. Kap.) Die Klvsterstadt Kunbuin lm Laude Amdo. 195 geschafft; am Abend war dann das Zelt wieder da, so daß wir am nächsten Morgen aufbrechen konnten. Der Weg von Tang keu eül nach Kuubum ist zum Theil von noma» dischen Si fan bewohnt, zum Theil von Chinesen die auch hier, auf dieselbe Weise wie in der östlichen Mongolei, nach und nach der Steppe Ackerland abgewinnen, und Häuser bauen. Als wir noch etwa eine Li vom Kloster entfernt waren, begegneten uns vier Lamas, mit denen San» dara gut befreundet war. Sie machten auf uns einen eigenthümlichen Eindruck mit ihrer geistlichen Tracht, mit der rothen Schärpe und gelben Mütze, die jener der katholischen Bischöfe glich; auch sprachen sie leise und mit Würde und Anstand. Das Ganze hatte einen Auduft von religiösem und klösterlichem Leben. Erst Abends gegen neun Uhr hatten wir die ersten Klostergebäude erreicht. Ueberall war es still, und um die Ruhe nicht zu stören, ließen die Lamas unsere Karren anhalten und füllten die am Halse der Pferde hängenden Glöckchen mit Stroh. Langsam und schweigend zogen wir durch die ruhigen öden Gassen dieser großen Kloster-stadt. Der Mond war bereits untergegangen, aber der Himmel so klar und der Glanz der Gestirne so hell, daß wir recht gut die zahllosen Häuschen der Lamas zu erkennen vermochten, die am AbHange des Gebirges liegen; über ihnen erhoben sich die buddhistischen Tempel mit ihren wundersamen aber großartigen Formen wie Riesenphantome empor. Allüberall herrschte eine majestätische Ruhe, die eine feierliche Stimmung hervorbrachte ; nur in Zwischenräumen hörten wir wohl Hundegebell, oder den Ton einer Seemuschel, welche die Stunden der Nacht anzeigte. Endlich gelangten wir an das kleine Haus in welchem Saudara wohnte; er über» ließ uns für diese Nacht seine Zelle und fand für sich Unterkommen in der Nachbarschaft. Die vier Lamas welche mit uns gekommen waren, gingen erst fort, nachdem sie uns Thee. Butter, Schöpsenfleisch und Brot von vortrefflichem Geschmack vorgesetzt hatten. Wir waren allerdings sehr ermüdet, aber von ganzem Herzen zufrieden. Doch wollte sich kein Schlaf auf uns herabsenken. Alles kam uns so seltsam vor. Da waren wir im Lande Amdo, das in Europa völlig unbekannt ist. in der großen weltberühmten Klosterstadt Kunbum, in einer Lamazelle. Es war wie ein Traum! Am andern Morgen standen wir früh anf; ringsum war noch alles stlll. Wir beteten, und unser Herz war von Gefühlen bewegt wie wir sie noch nie gekannt hatten; wir meinten die ganze buddhistische Welt für das Christenthum gewinnen zu können. Bald nachher kam San-dara, brachte Thee mit Mllch, Rosmenttauben und in Butter gebackene 13' 196 Die Khata oder das Glückstuch. ll2. Kap. Kuchen; er zog aus einem kleinen Schranke eine glänzend lackirtc Schüssel hervor; sie war roth und mit goldenen Blumen verziert. Er wischte sie mit einem Zipfel seiner Schärpe ab, breitete Rosapapier darüber und legte vier schöne Birnen darauf, die wir in der Stadt getaust hatten. Ueber das Ganze deckte er ein seidenes Tuch. das ein längliches Viereck bildet und Khata genannt wird. Damit, sagte er. sollten wir uns ,.ein Haus borgen." Die Khata oder das Glückstuch. Glücksschärpe, spielt im ge» sellschaftlichen Verkehr der Thibetaner eine so wichtige Rolle, daß wir etwas darüber sagen muffen. Das Seidengewebe aus welckem sie besteht, ist fast so fein wie Seide; die Farbe ein bläulich angehauchtes Weiß; sie ist dreimal so lang als breit, und die beiden Enden haben gewöhnlich Franzen. Es giebt Khatas von verschiedener Größe, theure und wohl« feile; sie sind für Arme wie für Reiche gleich unentbehrlich. und Jedermann trägt stets einige bei sich. Wenn man einen Höflichkeitsbesuch macht, Jemand um etwas bittet, für etwas dankt. — allemal faltet man eine Khata auseinander, und bietet sie der Person an welcher man eine Artigkeit erzeigen will. Zwei Freunde haben sich eine Weile nicht gesehen und begegnen einander; dann ist das Erste daß sie einander eine Khata darreichen. Es ist etwa so, wie man in Europa einander die Hand drückt. Auch legt man Briefen eine kleine Khata bei. Auf diese Khataüberreichung legen die Thibetaner, Si san. Hung mao eül und alle Völker im Westen des Blauen Sees einen ganz ungemeinen Werth; sie ist der höchste Ausdruck aller edlen Gesinnungen, gegen welchen alle schönen Worte und die prachtvollsten Geschenke verschwinden, während auch an sich geringfügige Sachen hohen Werth erhalten, wenn eine Khata dabei ist. Bittet man Jemand um etwas und hat eine Khata in der Hand, so darf er leine abschlägige Antwort geben, sonst verstößt er gegen alle Regeln der Höflichkeit. Dieser ursprünglich thibetanische Brauch hat unter den Mongolen, namentlich auch in den Klöstern, weite Verbreitung gewounen. und für die Stadt Tang keu eül bilden die Khatas einen wichtigen Handelszweig. Insbesondere kaufen die thibetanischen Gesandten eine ungeheure Menge ein. Als wir uns aufmachten um eine Wohnung zu miethen ging Sandara mit der oben erwähnten Schüssel mit feierlicher Würde vor uns her. Die Lamas welchen wir begegneten. schritten still dahin und schienen uns gar nicht zu bemerken; nur die kleiuen Schabis, junge Schüler und in Kunbum nmthwi llig wie anderwärts auch, beachteten uns. Endlich traten wir in ein Haus. dessen Besitzer im Hofe Noßdünger in der Sonne aus« .12 Kap.) Unsere Wohnung mid unser Wirth in Kunbum. 197 breitete. Er that sogleich seine Schärpe um und trat in die Zelle, wohin wir ihm folgten. Sandara bot ihm die Khata nebst den Birnen und hielt dabei eine Anrede in ostthibetanischer Sprache von der wir kemWort ver- , standen. Auf Ersuchen des Lama's nahmen wir auf einem Teppich Platz; er bot uns eine Tasse Thee mit Milch und sagte aufMongolisch, er freue sich sehr daß Freunde aus so weiter Ferne, Lamas aus Ländern unter demwestli-» chenHimmel seine bescheidene Wohnung ihrerBlicke gewürdigt hätten. Wir ent-gegneten: Wenn man eine so gastfreundliche Aufnahme finde, sei man fast wie zu Hause im eigenen Vaterlande. Wir sprachen Einiges mit ihm von Frankreich, Rom, dem Papste und den Kardinälen und besahen dann die für uns bestimmte Wohnung, die für arme Nomaden wie wir waren, sich prachtig ausnahm. In dem geräumigen Zimmer war ein großer Kang; die Küche war mit Heerd, Keffeln und anderen Gerathen versehen, und für Roß und Maulthier ein Stall vorhanden. Wir hätten vor Freude beinahe geweint. Welch ein Unterschied ist zwischen diesen Lamas, die so hochherzig, gastlich und voll Bruderliebe Fremdlinge' aufnehmen, und den Chinesen, diesem Krämervolke mit ausgetrocknetem Herzen und habgierigem Sinne, die sich von dem Reisenden sogar ein Glas Wasser bezahlen lassen! Wir dachten in Kunbum unwillkürlich an die christlichen Klöster, welche vor Zeiten auch dem Reisenden gastliche Aufnahme und Seelenerquickung gaben. Wir bezogen noch an demselben Tage unsere Wohnung, wobei die Lamas aus der Nachbarschaft uns freundlich halfen. Man sah wie gern jeder ein Stück von unserm Gepäck auf den Schultern herbeitrug; fie kehrten das Zimmer rein, machten Feuer unter den Kang. und brachten im Stall Alles in Ordnung. Und nachdem Alles hergerichtet war, gab der Wirth uns ein Festmahl, wie das die Gastfreundlichkeit dort zu Land erfordert. Denn es wird ganz richtig angenommen, daß man beim Umziehen nicht Zeit zum Kochen findet. Mit unseAr Wohnung verhielt es sich folgendermaßen. Die Eingangsthür führte in einen länglichen Hof, der von bequem vertheilten Pferdeställen umschlossen war; links kam man durch einen Gang in einen zweiten, ganz viereckigen Hof, dessen vier Sei» ten durch die Zellen der Lamas gebildet wurden. Auf der Seite, welche dem Gange gerade gegenüber lag. befand sich die Wohnung des Hern, vom Hause, der Akayeh, das heißt alter Bruder hieß. Er war etwas über sechzig Iabre alt. hochgewachsen, dürr und sehr mager, buchstäblich nur Haut und Knochen, und noch gut auf den Beinen; aber sein Gang war schon etwas schwankend. Seit achtunddreißig Jahren war er Vcr, 198 Das Lamalloster Kmibum und dessen Insassen. si2. Kap. waiter in diesem Kloster, hatte viel Geld verdient, dasselbe aber zu wohlthätigen Zwecken verwendet, so daß ibm weiter nichts geblieben war als sein Haus, das jetzt unverkäuflich dastand. Vermietben konnte er es auch nicht, weil das Herkommen in den Lamaklöstern dergleichen nicht gestattet, und keine Mittelstufe zwischen Verkauf und freier Wohnung anerkennt. Akayeh hatte sich so wenig mit den Studien abgegeben, daß er nicht ein» mal lesen und schreiben konnte; dagegen betete er von früh bis spät, und murmelte zu seinem Rosenkranz. Er war unendlich gutmüthig, aber man machte sich nicht viel aus ihm; er war ja alt und arm. Rechts von ihm, an einer andern Seite, wohnte ein Lama von chinesischer Abkunft, der eben deshalb Kit«t Lama hieß; er war siebcnzig Jahre alt, sah aber weit besser aus als sein Nachbar, und trug einen stattlichen weißen Bart. Er war in der buddhistischen Literatur bewandert, sprach und schrieb mongolisch, thibetanisch und chinesisch gleich gut und ge« läufig, hatte in der Mongolei und China ein beträchtliches Vermögen gesammelt, und verwahrte in seiner Zelle mehrere Kisten voll Silberbarren. Aber dieser Chinese war ein arger Geizhals, lebte kärglich und in steter Sorge vor bösen Dieben. In der Mongolei batte er für einen Oberlama gegolten, aber in Kunbum. wo es viele buddhistische Kirchenlichter giebt, verlor er fich in der Masse. Bei ihm lebte ein elfjähriger Schabi, ein munterer, etwas muthwilliger, aber wackerer Knabe, der allabendlich mit seinem Lehrer Zank hatte, weil er angeblich zu verschwenderisch mit Thee, Butter und Lampendochten umgehe. Wir unsrerseits hausten dem Kitat Lama gerade gegenüber. Dicht neben uns wohnte ein Studiosus der Medicin, ein junger Lama von vierundzwanzig Jahren, von großem, plumpem Körperbau und mit dickem Buttcrgesicht. Dabei stotterte er. daß uns angst und bange wurde. Er war eben deshalb schüchtern, zurückhaltend, aber gutmüthig: dem kleinen Schabi, welcher ihm nachstotterte, ging er gern aus dem Wege. IGer'Hausbewohner hatte seine eigene Küche; und nach der Ausdrucksweise der Lamas waren wir unserer vier Familien. Obwohl in den meisten Häusern mehrere derselben neben einander wohnen, so herrscht doch viel Ruhe und Ordnung, man besucht sich nicht oft. und jeder kümmert sich blos um seine Angelegenheiten. In unserm Hause sah man sich nur wenn schönes Wetter war. Sobald die Sonne schien verlie« ßen die vier „Familien" ihre Zellen und nahmen auf einem Filzteppich im Hofe Platz. Der Chinese flickte seine zerlumpten Kleider; Akayeh murmelte Gebete und kratzte dabei auf seinen knochendürren Armen, daß man es Schritte weit hören konnte; der Mediciner sang ohne zu 12. Kap.1 Lage und Anblick der Klostnstadt Kuubum. 199 stottern seine Aufgabelection, wir unsererseits lernten an thibetanischen Dialogen. Die Kloftergemeinde Kunbum zählt etwa viertausend Lamas. Ihre Lage gewährt einen entzückenden Anblick. Man denke sich ein breites, tiefes Bergthal, mit hoben von Krähen und Elstern belebten Bäumen. Zu beiden Seiten am Berge hinauf stehen wie im Amphitheater die weißen Häuser der Lamas, große und kleine, aber alle von einer Mauer um« schloffen und mit einem Belvedere versehen. Aus der Masse sauberer Häuser steigen die Tempel heraus. mit ihren vergoldeten Dächern. Die Häuser der Oberen und Vorsteher erkennt man daran, daß von kleinen sechseckigen Thürmen Wimpel herabflattern. Ueberall trifft das Auge auf geistliche Sprüche in rotheu oder schwarzen thibetanischen Schriftzügen; dergleichen sieht mau übcr jeder Thür. auf Wänden, Steinen, Lcmwand-flicken, und auf Zeugstreifen die wie Flaggen an einer Stange hängen, welche auf dem Dache steht. Unzahlig ist die Menge der zuckcrhutförmigen Nischen, in welchen Weihrauch, wohlriechendes Holz und Cupressennadeln verbrannt weiden. Das Alles gewährt einen eigenthümlichen Anblick, und in den Straßen wandelt man möchte sagen ein ganzes Volk von Lamas umher. Jeder trägt einen rothen Rock und eine gelbe Mütze, geht ernst und würdig einher, spricht wenig und dann immer leise; Schweigen ist nicht anbefohlen. Eigentlich belebt sind die Gassen übrigens nur, wenn die Gebet« oder Schulstunden anfangen oder aufhören. Sonst bleiben die Lamas meist in den Zellen. Kunbum ist. wie schon bemerkt, eine hoch. berühmte Klosterstadt, wohin aus allen Theilen der Mongolei und Thibets fromme Wallfahrer pilgern; täglich kommen dergleichen Andächtige; zur Zeit der großen Kirchenfeste, deren alljährlich vier gefeiert werden, ist der Zudrang gewaltig, besonders aber wenn das Blumenfest abgehalten wird. Dieses Blumenfeft wird gerade in Kunbum mit größerm Pomp als anderwärts begangen, selbst jenes von Lha Ssa kann damit nicht verglichen werden. Wir hatten unsere Wohnung am sechsten Tage des ersten Monats bezogen. und schon kamen viele Karawanen von Pilgern; man sprach von nichts als dem Feste, und diesmal sollten die Blumen ganz besonders schön sein; ein „Rath der schönen Künste" hatte sie genau geprüft und für ausgezeichnet erklart. Es verhält sich damit in folgender Weise. Die „Blumen" am fünfzehnten Tage des eisten Monats be< stehen in geistlichen und-weltlichen Darstellungen bei welchen viele asiatische Völker in ihrer Eigenthümlichkeit und Tracht zur Anschauung kommen. Personen, Physiognomien, Kleider, Landschaften. Zierrathen, das Alles 200 Das Vlumtnfeft. . 112. Kap. wird vermittelst Figuren aus frischer Butter dargestellt. Die Vorbereitungen zum Feste nehmen wohl drei Monate in Anspruch. Iwan« zia Lamas. die sich durch Kunstfertigkeit einen Namen erworben haben, arbeiten tagtäglich in Butter, und haben bei dieser eigenthümlichen Art von Bildnern nicht wenig auszustehen, denn die Arbeit fällt in die Winter« monate. Zuerst durchkneten sie die Butter im Wasser, um sie recht fest und steif zu bekommen; dann beginnt die eigentliche Arbeit unter Anlei. tung eines Künstlers welcher die Skizzen und Pläne zu den Gruppen und Figuren entworfen hat. Er leitet das Ganze, und übcrgiebt dasselbe rechtzeitig einer andern Gruppe von Künstlern, welche die Farben auf die Figuren zu malen haben. Am Abend vor dem Feste wollte der Andrang von Fremden gar kein Ende nehmen. Kunbum war nicht mehr die schweig, same ernste Klosterftadt. sondern ein weltlicher, unruhig bewegter Ort. Hier schrien Kameele. dort grunzten Yaks, auf den Bergen standen Zelte, weil nicht alle Pilger in den Häusern Unterkommen fanden. Am vier» zehnten machten unzählige Menschen die weiter oben geschilderte Pilger« Wanderung um das Kloster, und es gewährte einen peinlichen Anblick zu sehen wie ganze Menschenmassen sich bei jedem Schritte niederwarfen und leise ihre Gebete murmelten. Unter diesen eifrigen Buddhisten waren manche aus sehr entfernten Gegenden der Mongolei, Leute von schwerfälligem, plumpem Wesen, aber ungemein andächtig. Auch Hung mao eül oder Langhaare sahen wir. und sie machten auf uns keinen günstigern Eindruck als ihre Landsleute in Tang km eül; ihre wilde Andacht bil» dete einen schroffen Gegensah zu dem mystischen BeHaben der Mongolen. Sie gingen stolz einher, mit hinten über geworfenem Kopfe und nackten Armen; mit Säbel und Schießgewehr. Den zahlreichsten Theil der Pilger bildeten Si fan aus dem Lande Nmdo. Sie find nicht so roh und wild wie die Langhaare, aber auch nicht so redlich und gutmüthig wie die Mongolen; sie machten die Pilgergebräuche rasch und leichthin ab; es schien als ob sie sagen wollten: wir find hier daheim und kennen die Dinge. Einen hübschen Anblick gewährte der Kopfputz welchen die Frauen aus Amdo tragen. Ein schwarzer oder grauer Filzhut von spitziger Form ist mit rothen oder gelben Bändern geschmückt; das in vielen feinen Flech. ten über die Schultern herabhangende Haar ist mit Perlmutter und rothen Korallen geziert. Im tlcbrigen tragen fie sich wie andere Mongolinnen, aber der kleine Hut mildert doch die Schwerfälligkeit des Rockes von Schafpelz. Uns fiel auf. daß sich unter den Andächtigen auch einige Chi« l2. Kap.) Das Blumenfest. 201 neftn befanden, die sehr eifrig den Rosenkranz beteten und sich gleich allen Uebrigen zur Erde warfen. Unser Sandara sagte, sie seien Handelsleute aus Khata. die zwar nicht an Buddha glauben, sich aber andachtig stellen um Kunden anzulocken und ihre Waaren desto vortheilhafter abzusetzen. Auch am fünfzehnten dauerten die Wallfahrten um das Kloster fort; doch war die Aufmerksamkeit schon mehr dem Feste zugewendet. Abends holte Sandara uns ab; wir gingen mit dem stotternden Medicmer, dem Kitat Lama, und seinem kleinen Schabi; der alte Akayeh blieb zu Hause. Die Blumen waren in freier Luft vor den verschiedenen Tempeln aufgestellt, und strahlten in wunderbarem Lichtglanze der eben auch von Butter herrührte. Große, kelchartige Gefäße aus Kupfer und aus Messing ftan« den auf Gerüsten und dienten als Lampen, deren Docht in Butter steckte. Alles war im höchsten Grade geschmackvoll angeordnet. Wir waren voll Erstaunen als wir die Blumen sahen. Wir hätten es kaum für möglich gehalten daß es in diesen Wüsteneien unter halbwilden Völkern so ausgezeichnete Künstler geben könne. Was wir seither in den Klöstern an Malern und Bildnern gefunden hatten, war keineswegs ausgezeichnet; jetzt sahen wir wunderbar schöne Sculpture« aus Butter! Diese „Blu-men" waren von halberhabener Arbeit und von kolossaler Größe. Sie stellten Begebenheiten aus der Geschichte des Buddhismus dar: die Ge« sichter hatten einen Ausdruck von Wahrheit der gar nicht getreuer gedacht werden kann. Die Figuren waren voller Leben, die Stellungen natürlich, die Trachten anmuthig und ohne allen Zwang; man konnte auf den ersten Blick erkennen, welche Zeuge und Stoffe derMaler hatte darstellen wollen, namentlich erregte die Nachbildung des Pelzwerles unsere Bewunderung. Schaffelle, Tigerhüute. Fuchs- und Wolfspelze, kurz Alles war so vor, trefflich gemacht, daß man Luft bekam mit der Hand danach zu greifen, und sich zu überzeugen ob man wirklich nur'gemalte, auf Butter gemalte Sachen vor sich habe. Buddha war auf allen diesen Basreliefs sogleich heraus zuerkennen. Sein edles majestätisches Geficht trug den Typus der kaukasischen Menfchenrace und da« entspricht auch den Ueberlie» ferungen; ihnen zufolge kam Buddha vom westlichen Himmel her, hatte ein weißes Gesicht mit röthlichem Anfluge, weit gespaltenen Augen, gro» ßer Nase, und langes weiches herabwallendes Haar. Alle übrigen Personen hatten die mongolischen Gefichtszüge in ihren verschiedenen Abstufungen: mongolisch, thibetanisch, si fan und chinesisch; auch einige Hindu-und Negerköpfe bemerkten wir; sie waren eben so genau und getreu als alle übrigen, und erregten ganz besonders die Aufmerksamkeit der Be« 202 Das Blumenfest. 112. Kap. schauer. Die Verzierungen welche diesen großen Basreliefs gleichsam als Rahmen dienten, bildeten vierfiißige Thiere. Vögel und Blumen nach. Alles von Butter und in Formen und Färbung ausgezeichnet fein und prächtig. Auf den Wegen die von einem Tempel zum andern führen. standen in einiger Entfernung von einander kleinere Basreliefs; sie stellten Schlach. ten. Jagden und Begebenheiten aus dem Nomadenleben dar; auch Ansichten pon den berühmtesten Klöstern der Mongolei und Thibets. Vor dem Haupttempel endlich erbob sick ein Theater, auf welchem Personen und Decorationen, kurz alle möglichen Dinge von Butter waren. Diese Theaterfiguren waren etwa einen Fuß hoch und stellten eine Lamaver« sammlung dar. welche auf das Cbor zum Gebete geht. Erst war die Bühne leer; d.nn vernahm man den bekannten Ton der Seemuscheln und sogleich kamen aus den beiden Seitenthüren zwei Reihen Lamas; ihnen folgten die Oberen in festlichem Gewände. Alle blieben ein Weilchen auf der Bühne. gingen hinter die Bübnenwände zurück und damit war die Vorstellung beendigt. Sie fand bei den asiatischen Zuschauern ungetheil-ten Beifall. Wir aber gingen weiter, und betrachteten eben einige Gruppen von Teufeln, als Trompetenschall und Töne der Seemuschel in unser Ohr drangen. Es war das Signal welches verkündete daß der Großlama sein Heiligthum verließ, um sich die Blumen anzusehen. Er kam an unS vorüber. Eine Anzahl von Lamas die Trabantendienst verrichteten, gingen vor ihm her. und trieben mit langen schwarzen Peitschen die Volksmenge auf die Seite um Platz zu machen. Der Großlama — eine Art von ErMschof — ging zu Fuß, und war von den höchsten Würdenträgern der Klosterftadt umgeben. Dieser lebcnde Buddha mochte etwa vierzig Jahre alt sein. war von mittlerm Wüchse, hatte ein plattes ordinaires Gesicht und sehr dunkle Hautfarbe. Wenn er die schönen Buddhagefichter ansah, dann mußte er sich wohl sagen, daß dieselben in Folge der vielen Ueberwanderungen sehr viel von ihren Urzügen eingebüßt haben. Die Kleidung welche dieser Großlama trug, war ganz genau jene der katho« liscken Bischöfe; er hatte eine gelbe Mitra auf dem Kopfe, hielt den Stab mit dem Kreuz in der rechten Hand. trug einen Mantel von violetter Seide, der vor der Brust von einer Spange zusammengehalten wurde und völlig einem Chormantel glich. Wir könnten noch in sehr vielen anderen Dingen nachweisen, wie große Uebereinstimmung zwischen dem Cultus der Buddhisten und jenem der Katholiken herrscht. Die Zuschauer betrachteten den Buddha aus Butter mehr als den lebenden Buddha, und jener war ohne allen Zweifel weit hübscher; nur 13. Kap.) Das Land Amdo. 203 die Mongolen bewiesen diesem Bischöfe dadurch Ehrfurcht, daß sie die Hände falteten und den Kopf neigten; denn zur Erde konnten sie sich in einem solchen Menschengewühl nicht werfen. Nachdem der Heilige wieder in sein Allerheiligstes zurückgegangen war, überließ sich Alles unbändiger Lustigkeit. Die Leute sangen, sprangen, tanzten, drängten durcheinander, stießen und schoben sich, und heulten daß es weit in die Steppe hinaus geschallt haben muß; es war als wären plötzlich diese Menschen alle toll geworden. Um die Gerüste und Bllttcrgemälde vor jeder Beeinträchtigung sicher zu stellen, hielten die Lamas brennende Fackeln, denen Keiner nahe kommen durfte. Uns war das Treiben zu wild, und wir folgten spät am Abend der Mahnung des Kitat Lama zur Heimkehr. Am andern Tage war von dem großen Feste keine Spur mehr vor« Handen; die Basreliefs hatte man zerschlagen und in die Thalschlucht geworfen. Diese ungeheuere Masse Butter war nun Leckerspeise für die Naben; die kunstreichen Arbeiten hatten zur Schaustellung für nur einen einzigen Abend gedient. Alljährlich weiden neue Gegenstände angefertigt. Mit den Blumen verschwanden auch die Pilger; sie zogen schweigsam nach ihren Steppen heim. Dreizehntes Kapitel. Wunderbare Geburt Tsong Kaba's. — Sein Apostolat und seine Reise nach Westen. — Seine Unterredung mit dem Oberlama von Thibet und Reform des Vuddhacultuö. — Buddhismus nnd Katholicismus. — Der Baum der zehntausend Bilder. — Gebete. — Pilgerfahrten. — Die Lamas und das Christenthum. — Abreise nach Tschogortan. Das Land Amdo liegt im Süden des Ku-Ku-Noor, und wird von Oftthibetanem bewobnt. die gleich den Mongolen als Hirten ein Nomadenleben führen. Es ist eine wilde traurige Gegend, mit Gebirgen von rother ockergelber Farbe. von Schluchten durchzogen und fast ohne Pflanzenwuchs. Nur hin und wieder find Thalgründe mit Weiden vorhanden. Den Lamachroniken zufolge schlug. um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung, ein Hirt dieses LandeS Amdo, Namens Lombo Moke sein Zelt am Ausgang einer großen Schlucht auf, in welcher ein Bach über Felsengestein floß. Lombo Moke's Frau hieß Schingtsa Tsio. Die Leute waren nicht reich; ihre Habe be« 2M Tsong Kaba's Geburt. sl3. Kap. stand in etwa zwanzig Ziegen und einigen Yaks; sie lebten kinderlos in dieser Wüstenei. Eines Tages ging Echingtsa Tsio in die Schlucht hinab, um Wasser zu holen. Dabei wurde sie vom Schwindel überfallen und sank bewußtlos auf einen großen Stein, in welchem einige Schriftzeichen eingegraben waren, zu Ehren des Buddha Schakdja Muni. Beim Erwachen fühlte sie Schmerz in der Seite, und es wurde ihr klar. daß sie durch den Fall auf jenen Stein fruchtbar geworden sei. Im Jahre der feurigen Henne, das heißt 1357. gebar sie. neun Monate nach jenem Schwindel, einen Knaben, welchem Lombo Moke den Namen Tsong Kaba gab; so hieß nämlich der Berg an dessen Fuße seit Jahren sein Zelt stand. Der Wunderknabe hatte schon bei seiner Geburt einen weißen Bart. und im Gesichte einen Ausdruck großer Majestät. Sein ganzes Benehmen trug nichts vom Kinde, denn gleich nachdem er das Licht der Welt erblickt. redete er laut und deutlich in der Amdosprache. Aber er ließ nur selten etwas hören, und wenn es geschah, sprach er tieffinnig und weise. Als er drei Jahre alt war entsagte er der-Welt. um ein geistliches Leben zu führen. Sein Vater schor ihm das lange schöne Haar ab und warf es am Eingänge des Zeltes zu Boden. Aus diesen Haaren erwuchs ein Baum. von dessen Holz Wohlgeruch ausströmte; auf jedem Blatte zeigte sich ein Schriftzeichen der heiligen Sprache von Thibet. Seitdem lebte Tsong Kaba in einer so strengen Abgeschiedenheit daß er sogar seine Aeltern nicht sah; er hatte sich in die wildeste Gegend des Gebirges zu. rückgezogen. betete Tag und Nacht und war lediglich der Beschaulichkeit hingegeben. Dabei fastete er viel, schonte das Leben auch der kleinsten Insekten und genoß gar kein Fleisch. Zu jener Zeit kam zufallig ein Lama aus fernen westlichen Landen nach Amdo. und fand Obdach im Zelte des Lombo Moke. Diesen Fremdling sah Tsong Kaba, war entzückt über dessen umfangreiches Wissen und Heiligkeit, warf sich vor ihm nieder und bat um Lehre und Unterricht. Die Ueberlieferung erzählt, daß jener Lama aus dem Westen nicht blos eine unergründlich tiefe Gelehrsamkeit besessen, sondern auch eine eigen« thümliche Gefichtsbildung gehabt habe. Seine Nase war groß und seine Augen erglänzten in wunderbarem Feuer. Der Fremde war überrascht bei Tsong Kaba so seltene Anlagen zu finden, und blieb einige Jahre im Lande Amdo um ihn zu unterrichten. Nachdem er seinen Schüler in die Lebren der berühmtesten Heiligen des Abendlandes eingeweiht hatte, schlief er hoch im Gebirge auf einem Stein ein, und öffnete die Augen nicht wie» der. Aber den Tsong Kaba dürstete es jetzt nur noch mehr nach religiösem 13. Kap.1 Tsong Kaba's Jugend und Pilgerfahrt. 205 Unterricht. Er verließ sein Volk. um nach Westen zu gehen, und die reine Lehre an der Quelle zu schöpfen. Mit dem Wanderftab in der Hand jl'g er allein, ohne Führer, aber in seinem Herzen wohnte übermenschlicher Muth. Er schlug die Richtung nach Süden ein, und gelangte nach gro» ßen Beschwerden an die Grenze 'der chinesischen Provinz Mnnan; von dort wendete er sich gen Nordwesten und hielt sich 5abei immer an den Lauf des großen Stromes UaruDsangbo. Endlich erreichte er die heilige Stadt des Königreichs U'i *). Er wollte von dort seine Reise fortsetzen, aber ein in Licht erglänzender Lha, das heißt ein Geist, verbot es ihm, und sprach: „O, Tsong Kaba, alle diese Länder gehören zu dem großen Reiche, das Dir gegeben worden ist. Hier mußt Du die heiligen Gebrauche und Gebete verkündigen, und hier soll sich die letzte Wandelung Deines unsterblichen Lebens verkündigen." Tsong Kaba folgte dem Ge« böte dieser übermenschlichen Stimme, betrat „das Land der Geister" näm« lich Lha Ssa, und bezog in einem abgelegenen Theile der Stadt eine ärmliche Wohnung. Bald hatte er einen Kreis von Schülern und Jüngern um sich versammelt; seine neue Lehre und die neuen Gebräuche welche ei in den Kirchenritus einführte, erregten Aufsehen. Nach einiger Zeit warf er sich kühn zum Reformator auf, und sagte dem alten Cultus Fehde an. Die Zahl seiner Anhänger wuchs beträchtlich; man bezeichnete sie als Lamas mit der gelben Mütze, im Gegensatze zu den Anhängern des alten Systems, die eine rothe Mütze trugen. Der König des Landes M und der Schakdscha, oder lebende Buddha und Oberhaupt der Lama-Hierarchie, traten der.neuen Sekte entgegen, die so große Verwirrung anrichtete. Der Schakdscha ließ den Reformator zu sich einladen, um von ihm selber zu erfahren, ob die neue Lehre so inhaltreich und wunderbar sei, wie ihre Anhänger behaupteten. Aber Tsong Kaba kam nicht; die Huldigung seiner vielen Jünger und der Beifall der Menge hatte ihn stolz gemacht. Nun bemühte sich der Buddha Schakdscha seinerseits „zu dem kleinen Lama aus der Provinz Amdo«, denn so wurde der Reformator von seinen Geg« nern genannt. Mit allem hierarchischen Gepränge begab er sich zur Zelle Tsong Kaba's; als er aber eintreten wollte, fiel ihm seine hohe Mitra vom Kopfe. Das galt als ein Triumph der gelben Mützen. Der Re« formator saß mit untergeschlagenen Beinen auf einem Polster, schien den Schakdscha gar nicht zu bemerken, und ließ die Kugeln seines Rosenkranzes ') Ui bedeutet im Thibetanischen Mitte, Mittelpunkt. Man bezeichnet mit diesem Namen das Centrum von Thibet, eine Provinz, deien Hauptstadt Lha Ssa ist. > W6 Reformen. — Äehnlichkeit mit dem Katholicismus. sl3. ^^ durch die Finger gleiten. Der lebende Buddha fing nichtsdestoweniger ein Gespräch an. und strich den bisher gültigen Cultus als den allein berechtigten heraus. Tsong Kaba schlug nicht einmal die Augen auf. fiel ihm aber ins Wort und sagte: „Du Elender, wie grausam bist Du! Du tödtest eine Laus mit Deinen Fingern; 'ich höre ihr Jammern und Wehklagen, und das thut mir im Herzen weh." Der Schakdscha hatte in der That eine Laus gefangen und, der Lehre von der Transmigration zuwider, gelobtet. Nun wußte er nickt, was er entgegnen sollte. fiel vor Tsong Kaba nieder und erkannte dessen Hoheit an. Seitdem fanden die Refor. men keinen Widerstand mehr. wurden in Thibet angenommen, und ge» wannen nach und nach in der ganzen Mongolei Eingang. Im Jahre 1409 gründete Tsong Kaba das berühmte Kloster Kaldan. das drei Wegstunden von Lha Ssa entfernt liegt, und jetzt an achttausend Lamas zählt. Im Jahre 1419, verließ die Seele Tsong Kaba'S, der Buddha geworden war. die Erde, und kehrte ins himmlische Reich, in den Himmel der Ver» zückungen zurück. Sein Leib aber ruht im Kloster Kaldan; die Mönche sagen er habe alle seine Frische bewahrt. und schwebe durch ein Wunder frei über den Boden, welchen er niemals berühre. Manchmal hält er Anreden an solche Lamas, die Fortschritte auf dem Wege der Vervoll» kommnung gemacht haben; aber nur diesen ist er verstandlich, alle anderen hören nichts. Außer den Reformen in der Liturgie. verfaßte Tsong Kaba auch eine neue Bearbeitung deS von Schakdscha Muni verfaßten Inbegriffes der buddhistischen Lehre. Sein wichtigstes Welk führt den Titel: Lam Rim Tsien Bo, das heißt: der stufenweise zur Vollkommenheit fuh« rende Weg. Die Neuerungen welche Tsong Kaba einführte, zeigen viel Ueber» einstimmendes mit dem Katholicismus. Die Buddhisten haben den Krumm« stab, die Bischofsmühe, das Meßgewand. den Chormantel. zwei Chöre mit Wechselgesang. Psalmodien. Teufelaustreibung, das Rauchfaß mit fünf Ketten das man nach Belieben schließen oder öffnen kann. Segnungen bei welchen der Lama seine rechte Hand auf das Haupt des Gläubigen legt; ferner haben sie den Rosenkranz, die Ehelosigkeit der Geistlichen, geistliche Uebungen in Zurückgezogeuheit. Heiligenvcrehrung. Fasten, Pro. cession«,. Litaneien und Weihwasser. Ob das Alles christlichen Ursprungs ist. darüber haben die beiden französischen Missionair« Huc und Gäbet keinerlei Nachweis im Lande selbst gefunden. Sie halten aber christliche Einflüsse für wahrscheinlich und argumentiren in folgender Weise. Zur 13. Kap.) Buddhismus und Katholicismus. 20? Z it der Mongolenherrschaft. o räthstlhaft ist es. daß'Montezuma ihn nicht in seinen botanischen Gärten von Huaxtevcc, Chapoltevcc, und Iztapala« pan besaß, von denen noch einige Spuren übrig sind. Näthselhaft ist es. daß der Häudebaum nicht eiuen Platz uuter den naturhistorischen Abbildungen gefunden hatte, welche Nezahnalcoyotl, König von Tezluco H„c, Mongolei. 14 210 Die Klosterstadt Kunbnm. — Buddhistische Studien. 113. Kap. suche ihn. gleichviel aufweiche Weise, fortzupflanzen, seien vergeblich gewesen, obwohl man sich in vielen mongolischen und thibetanischen Klöstern große Mühe deshalb gegeben habe. Kaiser Khang hi war einmal als Pilger in Kunbum, und ließ über den Baum der zehntausend Bilder ein silbernes Gewölbe bauen; auch schenkte er dem Oberlama einen prächtigen Rappen, der wie die Sage wissen will, in einem Tage tausend chinesische Meilen zurücklegen konnte. Das Pferd ist lange todt. aber der Sattel wird noch in einem Tempel gezeigt und hochverehrt. Khang hi stiftete auch für dreihundertfunfzig Lamas beträchtliche Summen. Kunbum weiß sich seinen hohen Ruf zu bewahren, weil dort viele ausgezeichnete Gelehrte leben, und strenge Klosterzucht gehalten wird. Man nimmt an, daß ein Lama sein Leben lang ein Studirender bleibe, sintemalen die Wissenschaft der Religion unerschöpslich und unergründlich sei. Die Studenten zerfallen in vier Abtheilungen oder wie wir sagen würden Facultaten, je nachdem sie sich vorzugsweise für das eine oder andere Fach entschieden haben. Die erste Facultat ist jene der Mystik; sie lehrt die Regeln des beschaulichen Lebens, und erläutert dieselben durch Beispiele aus dem Leben der Heiligen. Die zweite Facultat ist die liturgische. Der Schüler wird zum Studium der religiösen Feierlichkeiten angeleitet, und lernt Alles, was überhaupt auf den lamaischen Kirchendienst Bezug hat. Die dritte Facultat. die medicinische, lehrt die vierhundertundvierzig Krankheiten des menschlichen Körpers kennen; auch werden die Schüler in der Pflanzenkunde und in Zubereitung der Heil« mittel unterwiesen. Die vierte Facultat ist jeue der Gebete; diese gilt für die höchste, bringt am meisten ein und wird daher auch am stärksten besticht. Die sehr umfangreichen Bücher, welche dem Unterricht in dieser FacMät zu Grunde liegen, zerfallen in dreizehn Serien, welche eben so viele Stufen in der Hierarchie darstellen. Der Platz welchen ein Student in der Schule oder im Chor einnimmt, wird nach der Serie theologischer Werke bezeichnet, die er schon studirt hat. Unter der großen Menge von Lamas fitzen manche mit grauem Haar in der letzten, und steißige junge Leute in der ersten Reihe. Zur Erlangung der verschiedenen Grade in der Facultat der Gebete, wird weiter nichts gefordert, als daß der Stu« deut den Inhalt der vorgeschriebenen Bücher hersagen könne. Sobald er sich hinlänglich vorbereitet glaubt, meldet er sich beim Oberlama der Ge» ein halbes Jahrhundert vor Ankunft der Spanier hatte anfertigen lassen. Mau versichert, der Händebaum sei wild in den Wäldern vön Guatemala." A. 13. Kap.j Die Facultät der Gebete. — Die Klosterzucht. 211 bete, das heißt, er überreicht ihm eine hübsche Khata, eine Schüssel voll Rosinen und einige Unzen Silbers, Alles je nach dem Grade welchen « erlangen möchte; auch die Examinatoren bekommen Geschenke. Vor dem Haupttempel der Klosterstadt befindet sich ein großer vier» eckiger Hofraum; er ist mit großen Platten gepflastert, und an den Seiten» wänden stehen Bildsäulen und bemalte Eculpturen. Auf diesem Platze versammeln sich die Lamas welche zur ssacultät der Gebete gehören; die Stunde dcs Unterrichts wird vermittelst der Seemuschel gegeben, deren Ton weithin erschallt. Alle setzen sich. je nach dem Grade, auf das platte Pflaster; im Winter sind sie der Kälte und dem Schnee, im Sommer der Hitze und dem Regen preisgegeben; nur die Lehrer, welche auf einer Art von Katheder sitzen, haben ein Schutzdach. Es ist ein seltsamer Anblick wenn mau siebt, wie alle diese Lamas dasitzen, in ihre rotbcn Schärpen eingewickelt, mit der gelben Mütze auf dem Kopfe, und so dicht aneinander gedrangt, daß man vom Pflaster gar nichts mehr gewahren kann. Nach« dem einige Studenten die Allen aufgegebene Lection hergesagt haben, trägt der Professor Erläuterungen dazu vor; diese sind aber eben so unverständlich wie der Text selber. Dagegen hat freilich Keiner etwas einzuwenden, weil man annimmt, eine Lehre sei um so erhabener je dunkler und unbegreif» licher sie erscheint. Am Schlüsse muß einer der Studenten eine These ver» theidigen, und Jeder hat das Recht ihm Einwürfe zu machen. Diese Disputationen erinnern an jene unserer mittelalterlichen Scholastiker. In Kunbmn ist es herkömmlich, daß der Sieger sich auf die Schultern des Besiegten stellt, und im Triumph um die Mauern des Schulhofes getragen wird. Einst kam unser Sandara mit freudestrahlendem Gesichte aus dem Tempel zurück, denn er hatte seinen Gegner mausctodt disputirt, und zwar über die hochwichtige Frage weshalb Hühner und andere Vögel keinen Urin lassen. Wir erwähnen das, weil es zeigt, wie es mit dem Unterrichte beschaffen ist. Einigemal im Jahre erscheint der lebende Buddha, als erster Vorsteher des Klosters mit großem Gepränge , und giebt officielle Erläuterungen uud Auslegungen der heiligen Bücher, die zwar nicht besser sind als jene der Professoren, auf die man aber großes Gewicht legt. In allen Schulen wird nur allein die thibe-^ tanische Sprache geredet und geschrieben. Die Klosterzucht ist streng, die Ueberwachung scharf. Während der Lehrstunden, beim Beten und beim Chorfingen, stehen die Censoren, mit spähendem Blicke, auf einen eisernen Stab gelehnt, und sorgen für die Ordnung. Niemand darf plaudern oder den Andern stören, und das 14' 2^2 Das buddhistische Klosterleben. — Thcespcnden. l<3. Kap. geringste Vergehen zieht auf der Stelle einen Verweis nach sich. zum ersten Male nur mündlich; im Wiederholungsfälle bleibt ein Denkzettel mit dem eiserneu Stocke nicht aus, und es wird keine Rücksicht genommen ob der Student ein Greis oder eiu junger Tchabi ist. Die Klosterpolizei wird von Trabanten ausgeübt, die gleichfalls Lamas find, nur tragen sie graue Röcke und schwarze Mützen. Sie ziehen bei Tag und bei Nacht mit einer langen Peitsche in den Straßen umher, und sind stets bei der Hand, um die etwa gestörte Ordnung herzustellen. Wo die Autorität der Trabanten aufhört, beginnt die Zuständigkeit dreier Gerichte, die gleich, falls mit Lamas besetzt sind. Wer sich auch nur des allergeringsten Dieb» ftahls schuldig macht, wird aus der Klofterstadt vertrieben, nachdem er zuvor mit einem glühenden Eisen auf beiden Backen gebrandmarkt worden ist. Die Klöster der Buddhisten haben mancherlei Ueberein stimmendes mit jenen der Christen, aber doch auch viel durchaus Abweichendes. Aller« dings find die Lamas ein und derselben Regel und Zucht unterworfen, man kann aber doch nicht sagen, daß sie gemeinschaftlich leben. Vielmehr findet man bei ihnen alle Abstufungen zwischen Bettelarmuth und großem ReichthUM In Kunbum haben wir gesehen, daß arme in Lumpen ge-hüllte Lanms an deu Tbüren ihrer wodlhabenden Colleger« um ein wenig Gerftenmehl bettelten. Alle drei Monate bekommt jeder Lama ohne Aus. nähme, von der Klosterverwaltung eine freilich unzureichende Spende an Mehl. Die freiwilligen Gaben welche die Pilger verabreichen, find sehr willkommen; sie hängen aber vom Zufall ab, lind man kann auf sie keine feste Rechnung machen, und mancher Lama bekommt sehr wenig davon, weil die Vertheilung sich nach den verschiedenen Graden richtet. Man unterscheidet Thee» und Geldspenden. Mit der ersten verhält es sich folgendermaßen. Der Pilger welcher Gaben verabreichen will, geht zu den Oberen, überreicht ihnen eine Khata und meldet an, daß er aus Ergebenheit für diePriestcrschaft einen allgemeinen oder einen besondern Tbee veranstalten wolle. An dem erstern kann jeder Lama ohne Unterschied theilnehmen; am zweiten nur eine der vier Facultäten je nach »»Wahl und Bestimmung des Pilgers. Also ein Wallfahrer giebt einen allgemeinen Thee zum Besten. Am Morgen, nach dem Gebet, wird der Versammlung vom Vorsteher kundgegeben, daß sie nicht auseinander gehen solle. Darauf erscheinen etwa vierzig durch das Loos bezeichnete Schabis; sie holen aus der Küche große Gefäße, die mit Milchthee augefüllt sind. Mit diesen gehen sie durch die Reihen der Lamas, und Jeder 13. Kap.1 Buddhistisches Klosterlcbcn. — Thee- und Geldspenden. 213 schöpft, sobald der Schabt vor ihm steht, einen Holznapf voll, trinkt, imd hält dabei einen Zipfel seiner Schärpe vor das Gesicht, um nicht sehen zu lassen, daß er etwas thue. was so wenig in Einklang mit der Heiligkeit des Ortes stebe. Insgemein ist so viel Thee vorhanden. daß jeder Lama seinen Napf zweimal füllen kann. Je nachdem der Pilger sich freigebig gezeigt ist die Farbe des Theewassers heller oder dunkler; manchmal wird auch für jeden Lama ein Stückchen Butter oder gar noch ein kleiner Kuchen aus Weizenmehl hinzugefügt. Nach beendigtem Festmahl verkündet der Lama-Präsident feierlich dm Namen des Pilgers, welcher sich das große Verdienst erwarb, die heilige Familie der Geistlichkeit zu bewirthen. Insgemein ist solcb, ein Wohlthater anwesend; er wirft sich zur Erde nieder, die Lamas stimmen einen Gesang an, gehen um den Pilger herum, und dieser erhebt sich erst wieder, nachdem alle Geistliche fortgegangen sind. Bei dergleichen Spenden trifft auf den einzelnen Lama nicht viel, aber der Pilger thut doch etwas Erkleckliches, wenn er viertausend Menschen mit Thee erquickt. In Kunbum kostet ihm ein einfacher Thee, ohne Butter und Kuchen, reichlich fünfzig Silberunzen. Die Geldspenden kosten noch weit mehr, weil mit ihnen allemal ein allgemeiner Thee verbunden ist. Nack dem Gebet verkündet der Vorsitzende Lama daß der Pilger N. N. aus dem und dem Lande, der heiligen Familie der Lamas so und so viel Unzen Silbers gespendet habe, und daß auf jeden Kopf so und so viel komme. Dann begeben die Lamas sich ins Zahlamt um ihren Antheil in Empfang zu nehmen. Dabei verfährt man mit großer Gewissenhaftigkeit. Spenden und Opfergaben sind der Geistlichkeit stets und jederzeit willkommen. doch pflegen sie bei den vier großen Iahresfcsten darum von größerm Belang zu sein. weil dann die Echäaren der Pilger viel zahlreicher sind als zu anderen Zeiten. Als das oben geschilderte Blumenfest vorüber war, opferte der in Kunbum an» wesende König von Suniut sechshundert Unzen Silbers, und veranstaltete dazu einen allgemeinen Thee mit Butter und Kuchen. Acht Tage lang dauerte dieses Fest, das etwa 8000 Gulden rheinisch kostete. Bei Spenden die von einem angesehenen Manne gegeben weiden, pflegt der lebende Buddha zugegen zu sein. Man überreicht ihm in einem mit Blumen und Bändern geschmückten Körbchen eine Silberbarre von fünfzig Unzen Gewicht, ein Stück Seidenzeug von rother oder gelber Farbe, ein paar Stie» feln und eine Mitra; über das Alles wird eine Khata hingebreitet. Der Pilger wirst sich an den Stufen des Altars, auf welchem der Buddha fitzt, zur Erde, und stellt ihm das Körbchen mit den Opfergaben vor die 2^4 Drucke und Mcnniscriptc in dcn Klöstern. s13. Kap. Füße. Em Tchabi nimmt es auf und überreicht im Namen des Buddha's, 'der in einer Art von göttlicher Ruhe unbeweglich dasitzt, dem Pilger eine Khata. Außer jenen Gaben und Spenden haben die Lamas noch andere Erwerbsquellen. Manche halten Kühe, und verkaufen Milch und Butter, andere bilden Commanditgesellschaften und übernehmen gegen Vergütung die Herrichtung der allgemeinen Thees; noch andere sind Schneider, Fälber, Sckuster, Hutmacher, und dergleichen mehr. Auch Krämer findet man in Kunbum, welche allerlei Waaren alls Tang keu eül oder Ti nung fu kommen lassen und mit erheblichem Nutzen verkaufen. Es giebt aber auch Lamas die eine mit ihrem geistlichen Beruf mehr in Einklang stehende Beschäftigung treiben; sie schreiben theologische Werke ab oder drucken dergleichen. Die thibetanische Schrift geht horizontal und von der Linken znr Rechten. Das Idion der Lamas ist alphabetisch, etwa so wie unsere europäischen Sprachen; man nimmt aber doch keine beweg» lichen Lettern, und hat nur Streotypdruckerei vermittelst hölzerner Platten. Die thibetanischen Bücher sehen aus wie ein großes Kartenspiel; die Blätter sind beweglich und auf beiden Seiten bedruckt. Sie werden weder zusammengehestet noch gebunden, sondern zwischen zwei Holzdeckel gelegt um die man ein gelbes Band wickelt. Die Ausgaben welche von den Pressen zu Kunbum geliefert werden. sind plump, mit unreinen, ungefälligen Lettern, und stehen weit hinter jenen aus der kaiserlichen Druckerei von Peking zurück. Dagegen find die handschriftlichen Ausgaben ganz ausgezeichnet, die Buchstaben sauber und hübsch, und die Zeichnungen welche man in denselben findet, äußerst nett. Die Lamas schreiben nicht, wie die Chinesen, mit dem Pinsel, sondern mit Bambusröhrchen die sie schneiden wie wir- unsere Federn; ihr kupfernes Tintenfaß sieht aus wie eine Schnupftabaksdose mit Charniere; die Tinte darin ist auf Baumwolle gegossen. Das Papier wird geleimt, damit es nicht durchschlagen läßt; sie nehmen dazu nicht Alaun, wie die Chinesen, sondern Wasser mit einem Zehntel Milch. Diese einfache Methode lft vollkommen hinreichend. Eandara der Bärtige gehörte keiner von allen den genannten Classen an; sein Handwerk bestand darin die Fremden auszubeuten, welche aus Andacht oder zu irgend einem andern Zwecke die Klosterstadt besuchten. Namentlich hatte er es auf die Mongolen abgesehen, denen er sich als Cicerone vorstellte. Bei der Gewandtheit seines ganzen Wesens und der Geläufigkeit seiner Zunge gelang es ihm in der Regel auch ihr Geschäfts' 13. Kap.1 Abenteurer-Leben eines Lama's. 215 führer zu werden. Eines beneidenswerthen Rufes erfreute er sich in Kun-bum nicht; und man deutete uns sogar an, wir möchten die Börse wohl vor ihm in Acht nehmen. Wir erfuhren. daß er wegeu Gaunerei aus Lha Ssa verwiesen worden war, und sich einige Jahre in Sse tschuen und KhanSu als Komödiant und Wahrsager herumgetrieben hatte. Das Alles überraschte uns keineswegs, weil wir schon oft bemerkten, daß er etwas Komödiantisches an sich hatte, sobald er sick gehen ließ. Eines Abends war er ungemein liebenswürdig, wir brachten ihn aus seine Schliche, und er gab uns seinen Lebenslauf zum Besten. Seine Erzählung lautete folgendermaßen: „Ich war zehn Jahre zu Lha-Ssa im Kloster Sera; da bekam ich Heimweh und konnte den Gedanken an meine drei Thäler nicht los werden. So heftig wurde das Heimweh, daß meines Bleibens nicht mehr war, und ich reiste mit vier Lamas ab, die in ihre Heimat Amdo zurückgingen. Aber wir schlugen die Richtung nicht nach Osten sondern nach Süden ein, weil hier die Wüste einigermaßen bewohnt ist. So schritten wir am eisernen Stäbe mit unseren Siebensachen auf dem Buckel fürbaß, sprachen in den schwarzen Zelten vor oder übernachteten, wie es eben kam, unter freiem Himmel. Wie ihr wißt. sind in Thibet hohe Gebirge, und da gab'es nichts als Auf- und Absteigen; es war im Sommer, aber wir mußten doch oft in Schnee waten; die Nachte waren kalt und bei Tage hatten wir in den Thälern eine abscheuliche Hitze auszustehen. Doch ging die Reise lustig weiter; wir waren alle fünf in bester Laune, besonders wenn dte Schafhirten in den schwarzen Zelten ein Lamm oder einen tüchtigen Klumpen Butter hergaben. Wir sahen auch allerlei wunderliches Gethier. Da war eins, nicht größer als eine Katze, das hatte eisenhartes Haar. Wenn es uns sah, so ballte es sich in eine Kugel zusammen, und man konnte an ihm weder Kopf noch Füße mehr sehen. Diese Thiere schienen uns im Anfang gar nicht geheuer; wir wußten nicht was wir aus ihnen machen sollten, denn in den Gebetbüchern steht nichts davon. Endlich wurden wir, dreist, und öffneten solch eine Kugel mit unseren Stöcken. Da guckte uns ein Gesicht entgegen, das sah aus wie ein Mensch. Wir liefen mit Geschrei fort, gewöhnten uns aber doch andickleinen Thiere, und kugelten sie von den Bergen hinunter. Auch merkwürdige Würmer sahen wir dort. Eines Mittags rasteten wir an einem Bache, der zwischen hohen Kräutern und Gräsern floß, und schliefen ein. Nun wißt ihr, daß ein Lama mit der gelben Mütze keine Beinkleider tragcu darf. Als Wir erwachten, saßen unsere Beine voll grauer, fingerlanger 216 Abenteurerleben eines Lama's. sig. K<,p. Würmer, die wir gar nicht aus dem Fleische reißen konnten. Nun aber schwellten sie auf. wurden dick und rund. und fielen dann von selbst ab. Oh, dieses Thibet ist ein wunderliches Land; wer jene Reise nicht gemacht hat, glaubt gar nicht was sich davon Alles erzählen läßt!" Wir sagten ihm, daß sein Bericht vollkommen wahr sei, und daß auch Europa Stachelschweine und Blutegel habe. Er fuhr fort: „Bis zum Bösen Gebirge ging es ganz gut. Dieses Gebirge ist hoch, und hat Tannenwälder und Bäume mit Stacheln. Wir ruhten einen ganzen Tag in einem schwarzen Zelt aus. Abends war das Wetter schon und klar. Da sagten zwei von uns: Wir sollten doch in so heiterer Nacht über das Gebirge steigen, denn morgen am Tage wird es recht heiß werden. Wir anderen meinten, die Nacht sei für die wilden Thiere, nicht für Menschen. Aber jene zwei gingen fort; wir drei brachen erst am frühen Morgen auf. Noch ehe wir oben auf dem Bösen Gebirge waren, rief ich: Tsong Kaba, da finde ich ei«en eisernen Stab! Er gehörte unserm bisherigen Reisegefährten Lobsan. Endlich waren wir oben auf der Fläche. Da schrien wir vor Entsetzen. Dort lag noch ein Stab; wir sahen die Lamakleider zerrissen umher liegen, und Menschenfleisch und an-» genagte Knochen! Unsere beiden Gefährten waren von Tigern eder Wölfen zerrissen worden. Ich weinte wie ein Kind und mit der Lustigkeit hatte es ein Ende. „Drei Monate nach unserer Abreise von Lha Ssa waren wir an der chinesischen Grenze, wo wir uns trennten. Die beiden Lamas aus Amdo gingen nach Norden, ich überschritt die große Mauer und war nun in der Provinz Sfe tschuen. Dort traf ich in einer Herberge mit einer Bande Komödianten znsammen. Sie sangen die ganze Nacht hindurch. tranken Reiswein und führten lose und lockere Reden. Der Oberlomödiant sagte zu mir: Hier im Lande Sse tsckuen giebt es keine Lamas; was willst Du mit Deinem rothen Rock und Deinem gelben Hut ansangen? — Da haft Du wohl recht, entgegnete ich; es ist recht gut in einem Lamalande ein Lama zu sein, aber im Komödiantenlande mnß man Komödie spielen. Wollt ihr mich unter eure Truppe aufnehmen? — Vortrefflich, ganz herrlich! riefen Alle, Du gehörst zu unS. Alle verneigten sich vor mir. und ich erwiederte diese Höflichkeit damit, daß ich. nach thibetanischer Weise, die Zunge aussteckte und mir am Ohr kratzte. Anfangs nahm ich die Sache als Spielerei, fand aber bald. daß mir nichts Anderes übrig bleibe als Komödiant zu werden, und das geschah. Am andern Morgen zog ich mein geistliches Gewand aus. Durch das Lernen von Gebeten 13. Kap.) Abenteurer-Leben eines Lama's. 217 war mein Gedächtniß stark geworden; ich lernte auch jetzt meine Rollen ganz leicht und wurde rasch ein guter Schauspieler. Wir gaben wohl ein Jahr lang Vorstellungen in der Provinz Sse tschuen; dann gingen die Komödianten nach Mn nan und ich wollte wieder einmal meine Heimat besuchen. Zwei volle Jahre lang blieb ich unterwegs, denn allenthalben sprach ich ein, und hatte als Taschenspieler einen bübschen Profit. Zu Lan tscheu hatte ich einen prächtigen Esel gekauft; auf ihm ritt ich, mit elf Unzen Silbers in der Tasche, als ich mein heimatliches Dorf wieder sah. MeineLandsleute waren von meiner Geschicklichteit sehr entzückt, doch bin ich nicht lange mehr Taschenspieler gewesen, denn die Thränen meiner alten Mutter machten tiefen Eindruck auf mich. Ich sagte zu ihr: „In der heiligen Lehre steht geschrieben, es sei besser Vater und Mutter zu ehren als den Geistern des Himmels und der Erde zu dienen. Sog mir, Mutter, was ich thun soll; ich werde Dir gehorchen." Sie sagte, ich solle wieder geistlich werden. Da warf ich mich dreimal vor ihr nieder und sprach: „Wenn eine Mutter befiehlt, soll man ihr gehorchen; Achtung vor den Aeltern ist die Grundlage jeder guten Lehre." — Als ich euch die zehn großen Gebote Iehova's übersetzte, habe ich bemerkt, daß das vierte lautet: Du sollst Deinen Vater und Deine Mutter ehren. Dann nahm ich die geistliche Tracht wieder an. ging nach Kunbum. und bestrebe mich heilig zu werden." Bei diesen Worten hätten wir gern hellauf gelacht, bissen uns aber auf die Lippen. Wir konnten uns nun seine Vorliebe für allerlei chinesische Gebräuche und Sitten erklären. Tsong Kaba's Gebote untersagen den Lamas den Genuß des Knoblauchs, des Branntweins und des Tabakrauchens *). Knoblauch soll man nicht essen weil es unpassend erscheint mit unreinem Athem vor dem Bilde Buddha's zu liegen und den Geruch des Weihrauchs zu verpesten; Branntwein erregt Leidenschaften und stört den Gebrauch der Vernunft; Tabaksrauchen erzeugt Faulheit und raubt eine kostbare Zeit. die man besser zum Beten verwendet. Nichtsdestoweniger rauchen viele Lamas Tabak, betlinken sich und machen *) Tsona, Kaba lebte im vierzehnten Jahrhundert. Er selber kann also den Tabak „icht verboten haben. denn dieser ist wie nach Europa so auch nach Ostasien erst nach der Entdeckung Amerika's gekommen. Er war vor Columbus uur auf der westlichen Erdhälfte bekannt. Ich weist wohl. daß einige Sinologen behaupten, der Gebrauch des Tabaks reiche in China ins hohe Alterthum hinauf; aber sie bringen eben nur Behauptungen, nicht Beweise. Die Lamahierarchie hat den Genuß des Tabaks den Geistlichen untersagt, weil er ein Reizmittel ist. und gewiß nicht früher als im sechzehnten Jahrhundert. A. 218 Verkehr mit den Lamas in Kunbum. sl3. Kap. Gerftenmehl durch Knoblauch schmackhaft; aber fie müssen es heimlich thun. weil die Polizei nichts davon erfahren darf. In Kunbum war Sandara Unterhändler für chinesische Haufirer, welche verbotene Waaren einschwärzten. Einiae Tage nach dem Blumenfefte nahmen wir das Studium der thibetanischen Sprache wieder eifrig auf. und übersehten einen Abriß der beiligen Geschichte bis auf die Zeit der Apostel. Wir überzeugten uns/ daß Sandara uns mit seiner Scheinfrömmigkeit, mit dem Kreuzschlagen ic. wodurch er zu Tang keu eül uns erbaut, nur Komödie getrieben hatte; er rühmte sich seines Unglaubens; in feinen Augen war jede Religion ein sinnreiches Mittel wodurch die klugen Leute den Dummkopf ausbeuten können, und Tugend galt ihm für einen hohlen Begriff. Mit anderen Lamas sprach er viel von unseren Glaubenslehren, und man wurde bald auf uns beide Iehova-Lamas aufmerksam. Ohnehin warfen wir uns nie vor Buddha nieder, beteten täglich dreimal, aber nicht thibetanisch, redeten untereinander eine Sprache die kein Anderer ver» stand, und konnten doch auch mongolisch, thibetanisch und chinesisch uns ausdrücken. Nun erhielten wir oft Besuche, und allemal kam das Ge» sprach auf religiöse Gegenstände. Aber von allen Lamas die wir kennen leinten, war keiner von dem ungläubigen Schlage Sandara's; wir fanden fie alle voll guten Glaubens und von aufrichtiger Religiosität; manche waren sogar eifrig bemüht, die Grundlehren des Christenthums kennen zu lernen. Dabei verfuhren wir historisch, um alle Streitpunkte bei Seite zu lassen. Wir haben auf unseren langen und weiten Reisen uns über' zeugt, und namentlich zu Kunbum die feste Anficht gewonnen, daß man auf dem Wege der Controverse den Nichtchristen schwerlich beikommen wird; man muß sie unterrichten und belehren. Die vielen Besuche welche wir von Lamas erhielten und ihre günstige Stimmung für das Christenthum, verdrossen unserm Sandara, und es war kaum noch mit ihm auszukommen. Wir nahmen daher unsere Zuflucht zu unserm Nachbar dem jungen Mediciner, der sehr gutmüthig war und auch einigermaßen thibetanisch verstand. Er war aber von unentschiedenem Charakter, wollte mit dem Buddhismus nicht völlig brechen, betete bald zu Tsong Kaba bald zu Iehova. und forderte uns auf seine religiösen Gebräuche mitzumachen. Seine Zumuthungen waren seltsam genug; insbesondere hätte er uns gern bewogen, bei der.. Andacht zum Besten der Reisenden in aller Welt" theilzunehmen. Viele Reisende, so erläuterte er, wandeln auf mühseligen Pfaden, namentlich 13. Kap.1 Buddhistische Gebrauche. 219 auch Pilger und heilige Lamas; sie können vor Ermattung nicht weiter, dann schicken wir ihnen Pferde von Papier zu Hilfe. — Er ging in seine gelle und holte einige Papierstückchen. die er uns zeigte; auf jedem stand das Md eines gesattelten Rosses in vollem Laufe. „Diese schicken wir den Reifenden" sprach der Mediciner; „morgen geben wir auf einen hohen Berg dreißig Li (drei Wegstunden) von hier, beten und besorgen die Pferde, und zwar in der Weise, daß wir ein Päckchen davon in die Lüfte werfen. Der Wind treibt sie fort, durch Buddha's Macht werden sie in lebendige Rosse verwandelt, und der Reisende lanu sich hinauffetzen." Unser guter Nachbar nahm die Sache ernsthast, arbeitete die Nacht hindurch, um möglichst viele Pferde anzufertigen, und ging am andern Mor« gen mit einigen Lamas fort. trotz des abscheulichen Echneewetters. Am Abend kam er halb erstarrt zurück, aber hoch erfreut, daß der Sturm seine Papierpferde in alle Welt hinaus gejagt hatte. Der fiinsundzwanzigstc Tag eines jeden Monats ist für diese fromme Handlung bestimmt; es steht aber Jedem frei ob er für die Reisenden in erwähnter Weise sorgen will oder nicht. Bei einer andern Feier jedoch, die am achtundzwanzigften stattfindet, muß sich jeder Lama betheiligen. Unser Mediciner prophezeite uns eine unruhige Nacht, und so kam es auch, denn wir wurden schon sehr früh gestört. Es war uns als ob hoch in den Lüften eine große Menschenmenge ihre Stimmen erhebe. Diese wurden nach und nach stärker und deutlicher. Wir kleideten uns rasch an und traten in den Hof. wo der alte Akayeh saß, und den Rosenkranz betete. Er sagte, wir möch«. ten nur auf das Dach steigen; wir thaten es und waren in hohem Grade überrascht. Auf allen Häusern brannten rothe Laternen an hohen Stangen; alle Lamas hatten ihren Feftmantel angethan, die gelbe Mütze auf dem Kopf,- saßen auf den Dächern, und sangen Gebete, langsam und nicht sehr laut. Auf unserm Dache fanden wir den Stotterer, den Kitat.Lama und seinen Schabi sehr eifrig am Werke. Die unzähligen Laternen mit ihrem rothen, phantastisch flimmernden Lichte. dasConcert von viertausend geistlichen Stimmen die sich auf den Dächern hören ließen, dazu Trompeten- und Seemuscheltöne, — das Alles machte einen wunderbaren und mächtig ergreifenden Eindruck. Akayeh setzte uns auseinander, daß durch diese Gebete die bösen Geister verscheucht weiden sollen. . „In alten Zei« ten haben sie das Land schwer heimgesucht, Menschen und Thiere krank gemacht, den Kühen die Milch verdorben, find sogar in die Zellen der Lamas gedrungen und haben den Gefang im Tempel verwirrt. Nachts kamen sie in großer Menge nach der Thalschlucht, hielten Versammlungen 220 Nachtgebete zur Vertreibung der bösen Geister. 113. Kap. und schrieen und stöhnten.so seltsam, daß kein Mensch es ihnen nachtbun konnte. Da hat ein frommer Lama diese Nachtgebete erfunden und seit-dem haben die bösen Geister nichts mehr von sich hören lassen, und wenn ja noch einer kommt, so richtet er doch kein großes Unheil an, und einem guten Lama kann er ohnehin nichts anhaben." Plötzlich verstummte der Gesang auf den Dächern; aber gleich nachher wurden Trompeten geblasen; die Glocken ertönten, der Schall der Seemuschel wurde lang gezogen, man schlug'den Wirbel auf Trommeln, Alles in wirrem Durcheinander und in drei Absähen. Dazu heulte» die viertausend Lamas zumal wie wilde Thiere, und erhoben ein gräßliches Geschrei. Damit war die Feierlichkeit zu Ende, die Laternen wurden ausgelöscht und Alles war wieder still. Unser Aufenthalt in Kunbum hatte nun schon über drei Monate ge< dauert. Die buddhistische Geistlichkeit war uns wohl gewogen und die Behörde zeigte uns Wohlwollen; aber wir verstießen gegen eine Vorschrift die streng beobachtet werden muß. Der Fremde welcher nur kurze Zeit in Kunbum sich aufbät. mag sich tragen wie ihm beliebt. Wer aber irgend« wie mit dem Kloster in Verbindung steht, und längere Zeit im Orte bleiben will, muß die Kleidung der Lamas tragen, nämlich den rothen Rock, die kleine Dalmatica obne Aermel, rothe Schärpe und gelbe Mütze. Auf diese Gleichkleiduug wird scharf gcbalten. Eines Tages schickte uns der Vorsteher, welcher auf Ordnung und Zucht zu halten hat, einen Boten, und forderte uns auf. die vorschriftmäßige Kleidung anzulegen. Wir sag, ten daß wir leine Buddhisten, also auch nicht verpflichtet seien das geistliche Gewand von Kunbum anzulegen; um aber allen Anstoß zu vermei-den, wollten wir das Kloster verlassen, im Fall man uns nicht etwa Dispens gewähren könne. Nach einigen Tagen kam Samdadschiemba mit den drei Kameelen Von der Weide zurück, gerade zur erwünschten Zeit.- Wir erhielten nämlich eine neue Aufforderung. Der Bote mußte uns erklären, daß eine Ausnahme nicht gestattet werden könne; es thue aber der Behörde leid. daß unsere „erhabene und heilige Religion" uns verhindere, die vor« geschriebenen Kleider zu tragen. Man werde sehr gern sehen daß wir in der Nähe blieben, und lud uns ein nach Tscho gor tan zu gehen, wo wir uns kleiden möchten wie wir wollten. Wir hatten schon oft von diesem kleinen Klosterorte sprechen hören, der nur etwas über eine halbe Stunde von Kunbum entfernt ist und gleichsam als Sommeraufenthalt der medicini« schen Facultät betrachtet werden kann, denn vor Anbeginn des Herbstes gehen sämmtliche Angehörige derselben auf einige Zeit dorthin, und sam» meln auf den Bergen Arzneipflanzen. In den übrigen Monaten sind die 14. Kap.) Das Kloster Tschogortan. — Einsiedler. 221 meisten Häuser unbewohnt; nur einige Lamas bleiben dort, um in ungestörter Einsamkeit ein beschauliches Leben zu führen; sie wohnen in Felsenzellen. Uns kam die Einladung nach Tschogortan zu gehen sehr gelegen; denn die gute Jahreszeit nahte heran. Wir kauften eine Khata und eine Schüssel voll Rosinen, um sie dem Lama, welchem die Klosterverwaltung oblag, zu überreichen. Er nahm uns freundlich auf, und ließ eine Woh, nung für uns einrichten, die wir bezogen, nachdem wir vorher dem alten Akayeh, dem Kitat-Lama und dem stotternden Mediciner einen Abschiedsthee gegeben hatten. Vierzehntes Kapitel. Das Lamakloster Tschogortan. — Beschauliche Lamas. — Hirten-Lamas. — Buddhistische Wrundlehren. — Verkündigung des Buddhacultus in China. — Die schwarzen gelte. — Sitten und Gebräuche der Si fan. — Der Pak oder Grunzochs. — Angaben einer Lamachronik über den Ursprung der Völker. — Das Pflanzenreich. — Eintheilung der Archols. — Näubergeschichten. — Errichtung der Friedenspyramide. — Die thibetanischen Aerzte. — Abreise nach dem Ku-Ku-Noor. Es war nun im Monat Mai, aber wir fanden an dem Bache im Thale von Tschogortan Eis, und noch war kein Grün zu sehen. Ein wohlbeleibter Lama führte uns in unsere Wohnung ein, in welcher noch am Tage vorher einige Kälber gehaust hatten. Uebrigens war uns das beste Zimmer gegeben worden, das überhaupt zur Verfügung stand. Tschogortan liegt sehr malerisch. Die Wohnungen der Lamas sind unten an einem hohen steilabsallenden Berge aufgeführt, und von alten Bäumen beschattet , in deren Zweigen Raben und Weihen nisten. An dem Bache haben die Lamas viele Damme aufgeworfen, um den Tschukor, das heißt den Gebetmühlen Wasser zuzuführen. Weiter hinten im Thal und an den Hügeln haben die Si fan ihre Zelte aufgeschlagen; da und dort weiden Ziegen und Jaks. In dem steilen Berge wohnen an beinahe unzugänglichen Stellen fünf Lamas, welche sich völlig der Beschaulichkeit ergeben haben; einige leben in Höhlen, andere in hölzernen Zellen, die wie Schwalbennester am Berge hängen; man kann ohne Leitern nicht hinauf« oder Heiabkommen. Einer von diesen Eremiten hat sich völlig aus dem Leben zurückgezogen, und allen Verkehr mit der Außenwelt abgebro- 222 Buddhistische Lebensregeln. 114. Kap. chen; er zieht seine» Bedarf von Lebensmitteln am Strick in die Höhe. Diese contemplative,! Mönche wissen eigentlich nicht, warum sie ein be» schauliches Leben führen; eS geschehe, sagten sie uns. well manche beilige Lamas vor ihnen dasselbe gethan. Uebrigeus waren sie wackere, einfache und friedsame Menschen, welche ihre Zeit mit Beten hinbrachten und deren einzige Erholung im Schlafen bestand. Andere Lamas besorgten das Hornvieh, fütterten einige zwanzig Ochsen, zogen Kälber auf. melkten die Kühe, butterten und machten Käse. Damit waren sie vollauf beschäftigt, zum Beten kamen sie wohl schwerlich, und Tsong Kaba's Namen hörten wir sie nur ausrufen, wenn die Ochsen unruhig oder Kälber fortgelaufen waren. Sie besuchten uns häusig, und betrachteten insbesondere unsere Bücher; wenn sie uns schreiben sahen vergaßen sie Ochsen und Kühe, verfolgten mit den Blicken den Lauf unserer Nabenfedern, und waren vor Erstaunen außer sich über unsere feine», Schriftzüge. Es gefiel uns über alles Erwarten in Tschogortan; wir waren vollkommen frei und hatten mit Zandara nichts mehr zu schaffen; im Thibetanischen konnten wir uns allein forthelfen, und übersetzten ein kleines Werk: „Die 42 Punkte der Unterweisung, welche Buddha gege» ben hat." Wir besaßen eine prächtige Ausgabe in vier Sprachen, nämlich Thibetanisch. Mongolisch, Mandschu und Chinesisch. Die Lamas halten Schakya»Muni für den Verfasser. Das Buch enthalt Lehren und Anweisungen zu einem tugendhaften Leben, und steht in großem Ansehen. Wir wollen einige Auszüge geben. I. Vuddha, das höchste der Wesen, sprach, als er seine Lehre offen« barte: „Es giebt zehn gute und zehn böse Handlungen für die Lebendigen. Von den zehn schlechten kommen drei auf den Körper, vier auf das Wort und drei auf den Willen. Die drei des Kölvers find: Mord, Dievstahl und unreine Handlungen. Die vier des Wortes sind: Ncden welche Zwietracht stiften, beleidigende Flüche, unverschämte Lügen und Heuchelworte. Die drei des Willens sind: Neid, Zorn und böse Gedanken." II. Buddha:c. sprach: „Der böse Mensch welcher den guten Menschen verfolgt, gleicht dem Verrückten, der mit zurückgeworfenem Kopfe den Himmel anspeit, denn sein Auswurf trifft nicht den Himmel, sondern fällt auf ihn selbst zurück. Er gleicht auch dem. welcher gegen den Wind Staub auf die Menschen werfen will; der Staub bescbmnzt den Menschen nicht, sondern fällt auf ihn zurück. Wer gute Menschen verfolgt, wird durch Unglück zu Grunde gehen." III. Buddha :c. sprach: „Unter dem. Himmel giebt es zwanzig Sachen die schwer find. 1. Arm und dürftig sein und doch Wohlthaten 14. Kap.1 Buddhistische Lebensregelu. 223 erweisen, das'ist schwer. 2. Neich fein. dabei hoch in Würden stehen, und doch die Lehre studircn, das ist schwer. 3. Sein Leben opfern und wahrhaftig sterben, das ist schwer. 4. Es dahin bringen daß man Buddha's Gebete sehen könne, das ist schwer. 5. So glücklich sein, in Buddha's Welt geboren zn werden, das ist schwer. 6. Ein Uebereinkom» men mit der Wollust treffen und doch der Leidenschaften sich entledigen, das ist schwer. 7. Ein wünschenswerthes Ding sehen und nicht wünschen dasselbe zu besitzen, ist schwer. 8. Was Gewinn und Ehre bringt ausznschlagen, das ist schwer. 9. Sich über Beleidigungen nicht ärgern, das ist schwer. 10. Im Strudel der Geschäfte ruhig bleiben, ist schwer. 1l. Viel studiren und viel ergründen, ist schwer. 12. Einen unwissenden Menschen nicht verachten, ist schwer. 13. Den Stolz aus seinem Herzen vertilgen, ist schwer. 14. Einen tugendhaften und geschickten Lehrer finden, ist schwer. 15. In die Geheimnisse der Natur eindringen und die Wissenschaft ergründen, ist schwer. 16. Beim Wohlergehn nicht stolz sein, ist schwer. 17. Sich von der Tugend entfernen und auf der Weisheit Bahn wandeln wollen, ist schwer. 18. Die Menschen dahin bringen, daß sie ihren Gewissen folgen, ist schwer. 19. Sein Herz immer in gleichmäßiger Bewegung zu halten, ist schwer. 20. Keine üble Nachrede führen, das ist schwer." IV. „Der Mensch welcher Reichthum begehrt, ist wie ein Kind, das nM einer scharfen Messerspitze Honig essen will; es hat nur einen MlMbltck die Süßigkeit gelostet, aber der Schmerz an der zerschnittenen Zunge dauert lange." V. „Keine Leidenschaft ist heftiger als die Wollust! Nichts geht darüber. Zum Glück giebt es nur eine Leidenschaft dieser Art; denn gäbe e« deren zwei, so wäre kein Mensch in der Welt, welcher der Wahrheit folgen könnte." VI. Buddha sprach in Gegenwart aller Scharmanas*): „Laßt eure Augen nicht auf den Weibern ruhen! Wenn ihr ihnen begegnet, so muß es sein als sähet ihr sie nicht. Hütet euch davor mit Weibern zu reden. Sprecht ihr aber mit ihnen, so überwacht euer Herz. Eure Aufführung sei üntadelhaft. Ihr müßt zu euch selber sagen: Wir sind Scharmanas. leben in dieser verderbten Welt, und müssen sein wie die Wasserlilie, die auch in schlammigem Wasser keinen Schmuz annimmt." VII. „Ein Mensch der auf dem Wege der Tugend wandelt, muß die Leidenschaften betrachten wie ein feuerfangendes Gras gegenüber einem großen Brande. Wer die Tugend liebt, muß die Leidenschaften fliehen." ') SH arm anas, im Sanskrit S'ra man'as, find Geistliche in der lamaischen Hierarchie. Scharmana bedeutet einen Asceten der seine Sinnlichkeit bändigt. 224 Buddhistische Lebensregeln. 114. Kap. VIII. Ein Scharmana sang Tag nnd Nacht Gebete. Einst aber war seine Stimme traurig nnd gedrückt, und er zeigte sich entmuthigt. Da ließ Buddha ihn vor sich kommen nnd sprach: „Was thatest Dn, als Du noch bei Deiner Familie warst?" — „Ich spielte immer auf der Zither." — „Wenn aber die Saiten schlaff wurden, was geschah dann?" — „Sie gaben keinen Ton." — „Wenn sie zu straff gezogen waren, was geschah dann?" — „Die Töne waren unrein." — „Wenn aber die Sai» ten die richtige Spannung hatten, was geschah dann?" — „Alle Töne paßten harmonisch zu einander." — Da sprach Buddha: „Ganz 10 verhält es sich mit dem Studium der Lehre. Sobald Du Herrschaft über Dein Herz gewonnen und dessen Bewegungen durch Maß und Harmonie geregelt hast, dann wird es auch die Wahrheit sich aneignen." IX. „Ein Scharmana der Tugend übt, muß verfahren wie der Grunzochse, der mit Gepäck beladen durch tiefen Schlamm geht. Er sieht weder zur Rechten noch zur Linken, sondern hofft bald aus dem Morast an einen Ruheplatz zu gelangen. Wenn der Scharmana weiß, daß die Leidenschaften schrecklicher sind als der Schlamm, und niemals seine Blicke von der Tugend abwendet, dann wird er sicherlich den Gipfel der Glückseligkeit erreichen." An diesen Proben wird man Inhalt und Fassung des Werkes ab« nehmen können, das bei Vonzen und Lamas in Ansehen steht; es kam im Jahre 65 nach Christi Geburt aus Indien nach China, wo damalsMe buddhistische Lehre Ausbreitung gewann. Die chinesischen Annalen bench-ten darüber sehr ausführlich. Samdadschiemba war in Tschogortan ein sehr nachlässiger Hirt, und ließ unser Vieh dermaßen verkommen, daß wir nothgedrungen waren, unsere Studien zu unterbrechen und selber Hirten zu werden. Dadurch kamen wir mit unseren nomadischen Nachbarn in Verkehr. Die Si fan oder Oftthibetaner find nomadisirende Viehzüchter wie die Mongolen, wohnen aber nicht wie diese in Filzjurten, sondern unter sechseckigen Zel» ten aus schwarzer Leinwand, die im Innern weder Pfähle noch irgend eine andere Stütze haben. Die sechs Ecken des untern Theils nagelt man in den Boden; der obere Theil wird durch Seile ausgespannt, die in einiger Entfernung vom Zelte erst wagerecht auf langen Stangen ruhen, und dann auf der andern Seite dieser letztein an Ringen befestigt sind, die in der Erde haften. Solch ein schwarzes Zelt der thibetanischen No-maden gleicht einer ungeheuren Spinne, die unbeweglich auf hoben dünnen Beinen steht, aber so daß der Leib sich auf die Erde stützt. Diese schwarzen Zelte sind bet weitem nicht so warm und dauerbast wie die Jurten der Mongolen, sondern leicht wie ganz gewöhnliche -Neisezelte, und sehr kalt. 14. Kap.j Der Yak. 225 Ein starker Wind reißt sie um. Andererseits erkennt man aber, daß die Si fan sich doch schon mehr dem seßhaften Leben näbern als die Mongolen. Sie umfriedigen den Platz, wo sie ihre Zeltlager aufschlagen, mit einer vier bis fünf Fnß hohen Mauer. In den Zelten haben sie geschmackvoll und fest gebaute Ocfen, sind aber deswegen nicht solch einer Stätte besonders zugethan. Vei der geringsten Veranlassung oder auch aus Laune, schlagen sie das Zelt ab, reißen das Mauerwerk ein, und nehmen die Hauptsteine mit, die wie Hausgeräth betrachtet werden. Sie züchten Schafe, Ziegen und Jaks. ihre Pferdezucht ist nicht so ausgedehnt wie jene der Mongolen, aber ihre Nosse sind stärker und auch hübscher gebaut. DieKameele welche Ulan in ihrem Lande etwa antrifft, gehören Mongolen. Der langhaarige Ochs, Los Fiunnions, I.inn. heißt bei den Chinesen Tschang mao nieu, bei den Thibetanern Jak, bei den Mongolen Sarligue. Sein Gebrüll gleicht in gewisser Hinsicht dem Grunzen des Schweines, ist aber weit stärker und länger gezogen. Er ist untersetzt, gedrungen und nicht so groß wie der gewöhnliche Ochs; sein Haar ist fein, lang und glänzend, und hangt vom Bauche bis beinahe zur Erde herab. Seine Füße sind dünn und eingebogen, wie bei den Ziegen; deshalb klettert er gern bergauf und steht auch über Abgründen sicher. Wenn er sich recht behaglich fühlt bewegt er den Schweif, der am Ende einen dicken fcderbuschartigen Büschel hat'). Fleisch und Milch sind vortrefflich . und seine 'Butter ist über alles Lob erhaben. Die Behauptung Malte Brun's, daß die Uakmilch nach Talg schmecke, ist durchaus falsch. Wir bemerkten unter dem Vieh der Si fan auch einiges Rindvieh von deni gewöhnlichen europäischen Schlage; es ist aber schwächlich und sieht nicht gut aus. Die Kalber von einem gelben Bullen und einer Uakkuh nennt man Karba; sie sind aber selten recht lebenskräftig. Die Uakkühe sind-unruhig uud lassen sich nur schwer melkeu; wenn man sie still haben will. muß man ihnen ein Kalb anlegen. Einst klagte uns ein Lama, daß eine seiner Kühe in der Nacht gekalbt babe. das Karba sei aber sogleich ge» sterben. Er zog ihm die Haut ab und stopfte diese mit Stroh aus, und diese wunderliche Puppe sah genau wie ein Kopfkissen aus. Er nahm sie unter den Arm. legte sie vor der Yakkuh hin. und diese ließ sich nun ruhig melken; ja bald fing sie au die auegestopfte Haut zärtlich zu lecken. Das ging mehrere Tage fort, bis endlich die Mutter dem Kinde zufällig den *) Er wird im Orient als Fliegenwedel und auch als Zierrath benutzt; in Persien und der Türkei theuer bezahlt, wo er eine Auszech-nung für Höhcrc Bcamte bildet; die sogenannten Noßschwelfe der Pascha's sind Äakschweifc. A. 226 Die Si fan. >l4. Kap. Bauch aufschlitzte. Mit aller Gemüthlichkeit fraß sie dann das Stroh bis zum letzten Halm auf. Man unterscheidet die Si fan leicht von den Mongolen. Sie haben weit ausdrucksvollere durchaus nicht so breite Gcsichtszüge. und weit melir Energie des Charakters, auch ist ihr Gang und ihre Haltung nicht so schwerfällig als jene der Mongolen. In ihren Lagerplätzen berrsckt Munterkeit, es wird gesungen und gelacht, dabei siud sie kriegerisch, streitbar und vou ungebändigtem Muthe. Vor den chinesischen Behörden haben sie nicht den allergeringsten Nespcct; sie stehen zwar auf der Liste der tributpflichtigen Völker, verweigern aber hartnäckig dem Kaiser Tribut und Gehorsam. Manche Si fan-Ttä'mme dehnen ihre Naubzügc bis über die chinesische Grenze hin aus. aber kein Mandarin wagt mit ihnen handgemein zu wer» den. Die Si fan sind gute Reiter, aber doch nicht so gewandt auf dem Pferde wie die Mongolen. Sie spinnen Kulihaar und Schafwolle, und weben grobe Zeuge. Wenn sie im Zelt um den großen Theekessel herum sitzen, findet man sie redselig; sie erzählen gern Lamahiftörchen und Räu« bergeschichten, und haben einen reichen Schatz von Anekdoten und Sagen. Als eines Tages unsere Kameele lief hinten im Thale ruhig am' dornigen Gesträuche nagten, erbob sich ein starker Nordwind. Wir fanden in einem kleinen Zelt Unterkommen. Ein alter Mann war eben damit beschäftigt Argols in Brand und Flamme zu bringen. Wir nahmen Platz auf einer Yakhaut; der Alte schlug die Beine übereinander und reichte uns die Hand., Darauf boten wir ihm unsere Theenäpfc dar, die er mit Thee füllte; dazu sprach er: „Tem u schi", trinkt in Frieden, und sah uns dann eist scharf an; er schien etwas beklommen zn sein. Wir sagten: «Aka (Bruder), wir sitzen zum ersten Male in Deinem Zelte." — Er ant« wortete: „Ich bin alt, meine Beine wollen mich nicht mehr tragen, sonst wäre ich nach Tschogortan gekommen, nm euch eine Khata zu überreichen. Ich habe von den Hirten vernommen, daß ihr unter dem westlichen Himmel zu Hause gehört. Seid ihr aus dem Lande der Samba oder der Poba:" — „Aus keinem von beiden, sondern anS dem Lande der Franzofen." — „Ah. ihr seid Framba? Davon habe ick noch nichts gehört. Das Westland ist so grosi, nnd hat gar so viele Reiche! Doch das thut nichts, wir gehören allesammt einer Familie an; meint ihr nicht?" — „Ja wohl. alle Menschen sind Brüder, einerlei wo sie wobnm.« ^ „Freilich; doch giebt es unter dem Himmel drei große Familien; wir Menschen im Abendlande gehören alle znr thibetanischen Familie; das wollte ich nur sagen.« — „Aka, weißt Du vielleicht, woher diese drei 14. Kap.) Eiue Sage vom Ursprung der drei Völlerstämme. 227 großen Familien stammen?" — „Lamas, die von alten Dingen viel wissen, haben mir erzählt, daß im Anfang auf der Erde nur ein einziger Mensch lebte; der hatte weder Haus noch Zelt, denn damals war der Winter nicht kalt und der Sommer nicht heiß; der Wind Mimte nicht, auch fiel kein Negen nnd kein Schnee, der Thee wnchs wild auf den Ber» gen nnd keine Hecrde hatte etwas von wilden Thieren zu befahren. Jener Mensch hatte drei Kinder, die lange bei ibm lebten, und Milch und Früchte aßen. Da starb der Mann; er war sebr alt geworden. Die Kinder be-rietben. was mit der Leiche des Vaters zu machen sei. konnten aber nicht einig darüber werden. Der eine wollte ihn in einem Sarge begraben, der andere ihn verbrennen, der dritte ihn auf dem Gipfel eines Berges aussetzen. Endlich beschlossen sie, den Leib in drei Theile zu theilen; jeder sollte ein Stück nehmen und dann wollten sie sich trennen. Bei der Theilung bekam der Aeltestc Kopf und Arme-, von ihm stammt die chinesische Familie ab. Deshalb sind seine Nachkommen in Knust und Gewerbe so berühmt geworden, sind anch kluge Leute, verschmitzt und können allerlei Ränke schmieden. Der jüngere Sohn bekam die Brust, er ist Stammvater der tibetanischen Familie, darumhaben dieThibetaner so viel Herz und Mutb. fürchten den Tod nickt, und bleiben ungebändigt. Der dritte Sohn be. kam die uuteren Körpertheile; von ihm stammen die mongoli sch e n Völker. Ibr seid lange in den östlicken Steppen nmhergereist, und müßt sagen, daß die Mongolen einfältig und furchtsam sind. daß sie keinen Kopf nnd kein Herz haben; ihre Haupteigenschaft besteht darin, daß sie fest in den Bügelu stehen und sicher im Sattel sitzen. Nnn wißt ihr, weshalb die Mon» golen gute Reiter, die Tl'ibctaner gute Krieger, und die Chinesen gute Kauf» leutc sind." Wir erMlten dem Greise als Gegenstück von Adam. der großen Flnth. Noah und seinen drei Söhnen:c., worüber er sehr erstaunt war. Er mochte wohl noch nie geahnt haben, daß die Erde so groß sei. In Bezug auf unsere Küchenvorräthe blieb in Tschogortan nichts zu wünschen übrig, wir hatten Milch. Butter, und Käse vollauf, und obeudrein noch Fleisch, seit wir mit einem Jäger bekannt geworden waren, uud ihm gesagt hatten, die Guscko, (mit diesem Ehrenna. men belegt man in Th'bet die Lamas.) nnter dem westlichen Him-mel dürften Hasen und auderes Wildpret genießen. Er schenkte uus einen Hasen, znm Schrecken eines Lama. der den Jäger verwünschte, als er „schwarzes Fleisch" bei lins sah. Wir setzten dem Lama auseinander daß man eben sowohl Wildpret als anderes Fleisch essen dürfe, ohne an Heiligkeit einzubüßen. u»d der Jäger triumphirte. Ein Lama der Hasen« 15' 228 Gutes Leben ill Tschoguvtau. — Erddämvfe. ll4. Kap. fleisch genösse, würde ohne Weiteres aus dem Kloster gejagt werdet,. Wir sollten an jedem Morgen einen Hasen bekommen, und dafür vierzig Tapeten bezahlen. Diese vortreffliche Fleischnahnmg kostete weit weniger als das unschmackhafte tVcrjtemnel'l. Auch ein Neb kauften wir für dreihundert Sapeken. das heißt etwa ;chn Groschen, und alle Tage raubte unser Schornstein' Auch wilde Gemüse fanden wir. Sobald im Frühjahr das Grün hervorsprießt, braucht mau nur einen Finder tief zu graben, und findet dann in großer Menge kriechende Wurzeln, die lang und dünn sind wie Qucckenwnrzeln; an ihnen gewahrt man eine große Menge knolliger Auswüchse, die sehr viel außerordentlich süßcs und mehlartiges Mark enthalten. Wenn man sie sorgfältig abgewaschen nnd mitBntter gekocht hat, geben sie eine ganz vortreffliche Speise. Ein zweites nicht minder gutes Gericht gab uns eine in Frankreich sehr verbreitete, aber noch nicht nach Verdienst geschätzte Pflanze; mir meinen das Farrenkraut. Mau muß es pflücken wen» es »och ganz zart ist, und die Blätter »och zusammc»« , gerollt sind; in Wasser gekocht geben sie dann eine Speise die wie Spargel schmeckt. Anch die gemeine Brennnessel ist so viel werth wie der Spinat, und bat einen vortrefflichen Geschmack. Einen Monat hindurch hatten wir Ueberfluß an diesen zarten Speisen: als die Jahreszeit weiter vorrückte, fanden wir anf den Bergen duftige Erdbeere» u»d im Thale weiße Champignons. Doch dauert in jenem Lande die Kälte bis tief ins Jahr hinein, und die Vegetation keimt nur langsam und spat. Noch im Juni fällt Schnee, und der Wind bläst so scharf, daß man den Schafpelz uicht ablegen darf. Anfangs Juli tritt große Hitze ein, der Regen fällt in Strömen. und wenn die Sonne durch das Gewölk hervorbricht steigt heißer Dampf aus dem Erdboden. Man sieht ihn Anfangs an den Hügeln und in den Thälern entlang ziehen, nachher verdichtet er sich, schwebt über dem Boden, und wird so dick, daß er die Tageshelle beeinträchtigt. Wenn er in solcher Menge in die Lust emporgestiegen ist, daß er Wolken bildet, erhebt sich ei» Südwind und es erfolgen wieder Regengüsse. Nachher klärt sich der Himmel abermals auf. und wieder steigen Dünste aus der Erde anf. Diese Lufterscheinungru halten etwa vierzehn Tage lang an, und während dieser ganzen Zeit ist der Boden gleichsam in Gährnng; die Thiere liege» still, die Menschen füblen im ganze» Kör» per ein schwer zu beschreibendes llebelbefinde«. Bei den Si fan heißen diese zwei Wochen die Zeit der Erd dämpfe. Oleich nachdem sie vorübergegangen, wachst Alles man möchte sage» handgreiflich rasch, Berg und Thal prangen im schönsten Grün und find mit Blumen übersäet. 14. Kap-1 Mongolische Lamas in Tschogortan. ^>Z9 Auch unsere Kamccle wuidcn wie neugeboreu; das alte Haar fiel ab lind fie sahen mm entschlich häßlich aus. Im Schatten zitterten sie an allen Gliedern, und Nachts mußten wir ihnen ssilzdcckcn überwerfen. Nach vier Tagen erschien das junge Haar; es waren feinwollige rothbraune Dunen, und nun sahen die sonst ungeschlachten-Thiere sebr hübsch aus; nach vierzehn Tagen waren sie wieder völlig bekleidet, und thaten sich auf den fetten Weiden so gütlich, daß sie ein sehr stattliches Ansehen bekamen; ohnehin gaben wir ihnen täglick Salz. Das abgefallene Kamcelhaar vertauschten wir zur einen Hälfte gegen Gerstenmehl, die andere Hälfte verspannen wir zu Stricken. C'in Lama machte uns darauf aufmerksam, daß wir auf der laugen Ncise nach Tbilxt dergleichen nothig haben würden, und gab uns gern die erforderliche Anweisung. Samdadschicmba lachte, half uns aber nicht, bis wir ihm gesagt hatten, daß Paulus nicht blos Apostel, sondern auch Lederbereiter gewesen sei. Nun spann er vortrefflich, und machte sehr gute Zäume und Halfter. Während der Sommerzeit kamen sehr viele Spaziergänger aus Kun« bum nach Tschogortan, wir erhielten zahlreichen Besuch. Insbesondere kamen viele mongolische Lamas und schlugen ihre kleinen Zelte theils am Vache, theils an den Hügeln auf. Dort verlebten sie einige Tage in voller Unabhängigkeit und heimatlicher Art, fern vom Zwange der Klostcrre-geln; sie waren wie Nomaden in der Steppe. spielten uud liefen umher wie Kinder und hielten mongolische Wcttkämpfe im Ringen. Der Step' peucharakter trat so stark hervor, daß ihnen sogar das Zelt zn fest stand, denn sie brachen es täglich mehrmals ab, um es an anderen Stellen wieder aufzuschlagen. Manchmal ließen sie es ganz leer stehen, beluden sich mit Kesseln und Wassereimern, gingen untcr lautem Gesang fort. erstiegen hohe Berge, kochten Thee und kamen erst am späten Abend znrück. Nach Tschogortan kam noch eine andere Classe von Lamas, in der Negcl schon vor Tagesanbruch. Sie trugeu einen aus Weiden geflochtenen Korb aus dem Nucken, uud suchten uicht etwa Erdbeeren oder Champignons, sondern Düugcr vou deu Heerden der Ei fan. Wir pflegten sie Mistkäferoder Argol - Lamas zu nennen, nach dein mongolischen Worte Argol; damit wird der Viehmist bezeichnet, wenn er getrocknet ist und verbrannt werden kann. Die Lamas welche sich mit dem Einsammeln der Argots abgeben, sind in der Negel Leute welche ein Umherschweifen in Thälern und Ebenen oder auf den Bergen dem Studium vorziehen. Sie theilen sich in Compagnien und arbeiten unter Leitung eines Vorstehers. Gegen Abend bringt jeder Sammler die Ausbeute seiner Tagcsarbeit in die allgemeine 230 Vcrschicdcnc Avtcu vDi, Argol^. si4. Kap. Niederlage, die an einem Bergabbangc oder in einem Thale gelegen ist. Dort wild der Urstoff gründlich zerknctct. dann zu knchenförmigen Stücken geformt, nachber getrocknet nnd anftii^andergestapelt, so daß er hohe Hau» feu bildet. Diese bedeckt man mit einer starken Lage von Dünger, und so bleiben sie vor dem Negen geschützt.. Im Winter bringt man diese Vorräthe nach Kunbum und verkauft sie. In der Mongolei, wo kein Ueberfluß an Feurungsstoffen vorhanden ist, weiß man die Argots in ihrer vollen Bedeutung zn schätzen, und je nach ihrer verschiedenen Brauchbarkeit zu classificiren. Es giebt nämlich vier große Abtheilungen. In erster Classe steden die Argots von Ziegen und Schafen; sie enthalten eine betracktlicke Menge zähen Stosses, und geben einen in der That erstaunlich hohen Grad von Hitze. Die Thibetancr und Mongolen bedienen sich dieser Argots zur Mctallbereitung; eine Eisenstange wird in einem solchen Feuer binnen kurzer Zeit rothglühend. Der getrocknete Mist von Tchaftn nnd Ziegen läßt nach der Verbrennung einen glasigen durchsichtigen Stoff znrück; dieser ist grünlich und dünn. zerbricht wie Glas und hat etwas Vimssteinartiges; wenn nickt fremdartige Bestandtheile hinzugekommen sind, enthält er keine Asche. In zweiter Classe stehen die Argots von Kamcclcn; sie brennen leicht nnd geben eine helle Flamme, aber keine so starke Hitze wie jene. weil sie nicht so viel zähen kleberigen Stoff enthalten. Die dritte Classe bildet der Kuhdünger, der sehr leicht brennt, wenn er recht trocken ist; er giebt auch nicht viel Rauch, und bildet den Hanptfeurungsstoff in der Mongolei und Thibet. Der Pferdemist steht erst in der vierten Classe. Kr kommt von nicht wiederkäuenden Thieren, enthält daher noch viele Strohthcile, giebt dicken Rauch und brennt rasch weg; gerade deshalb eignet er sich zum Anmachen eines Feuers. Die Bewohner des Thales von Tsckwgortan lebten scheinbar in tiefer Ruhe. in der That aber in strtcr Furcht vor Räubern, die im Iabre 1842 große Verwüstungen angerichtet hatten. Sie überfielen das Land als man sie weit entfernt glaubte, schössen mit Luntcnflintcn, und trieben das Vieh weg, als die solcher Ucbermacht gegenüber wehrlosen Hirten ge° stoben waren. Die Räuber steckten alle Zelte in Brand, pferchten die erbeuteten Thiere ein, und statteten ancl, dem Kloster einen Besuch ab. Alle Lamas waren verschwunden; nnr die Beschaulichen in ihren Felsenhöhlen blieben. Bildnisse Bnddha's wurden in's Feuer geworfen, die Dämme durchstochen, die Tschnkor oder G^betmüblcu zerschlagen. Noch drei Jahre nachher sah mall die Spuren der Verwüstung, und der Buddhatempcl am 14. Kav.j Räuber im !halo von Tschogortan. 231 Fuße des Berges war iwch nicht wieder aufgebaut. Als die Nachricht von diesen Unthaten nach Knnbum gelangte entstand in dieser Klosterstadt eine gewaltige Aufregung; die Lamas schrien hellauf und bewaffneten sick und eilten nach Tschogortan. Sie kamen aber zu spät, die Räuber waren verschwunden nnd hatten die Heerden der Si fan fortgetrieben. Eeitdcm waren die Hirten immer auf der Hut, hatten sich bewaffnet und schickten alltäglich Späher aus. Als wir im Augustmonate in aller Gemüths' ruhe Seile aus Kameelbaar drehten, ging plötzlich die Nede. daß demnächst ein Besuch der Räuber zu erwarten sei. und man wußte viel von weggetriebenen Heerdcn und eingeäscherten Zelten zu berichten. Die Klosterverwaltung sah sick gemüßigt, einen Oberlama mit zwanzig Studio-sen aus der Facultät des Gebetes nach Tschogortan zu beordern um dort im Nothfall Unbeil abzuwenden. Sie kamen, riefen die Hirten zusammen, und sagten, daß sie ferner nicht mehr in Angst schweben solltcm Am andern Tage erstiegen sie einen hohen Berg, schlugen Neisezelte auf. beteten und machten Musik, setzten das zwei Tage lang fort. spracken Bannformeln, und errichteten eine kleine Pyramyde. welche weiß angestrichen wurde. Auf derselben flatterte an einer Stange ein Fahnchen mit thibetanischer Inschrift. Nachdem die „Fricdenspyramide" vollendet war. brachen die Lamas ibre Zelte ab und gingen wieder nach Kunbnm. fest überzeugt, daß nnn die Räuber nichts ausrichten könnten. Die Hirten waren anderer Meinung und zogen mit Sack und Pack ab. Wir aber blieben an Ort und Stelle; denn nach dem Abzüge der Heerden waren wir gewiß sicher vor einem räuberischen Ueberfall. Bald aber wnrde Tschogortcm wieder sehr belebt, denn im Sevtem» ber kamen die Mediciner, um zu botanisircn; sie wohnten theils in den verfügbaren Zimmern, theils unter Zelten, welche sie im Schatten der Klosterbäume aufschlugen. An jedem Morgen beteten sie gemeinschaftlich, tranken Thee, aßen Gcrstenmehl, schürzten ihre Röcke auf, und gingen dann unter Anleitung der Professoren in's Gebirge. Sie trugen eisenbe» schlagene Stöcke und eine kleine Hacke; am Gürtel hing ein Lederbeutel mit Mehl; einige hatten auch Keffel. denn allemal dauerte die Excursion bis zum Abend. Dann kamen alle schwer mit Wurzeln, Zweigen und Kräutern beladen wieder an, und hatten sich manchmal der nach aromatischen Gebirgspflanzen sehr lüsternen Kameele zu erwehren. Dieses Bota-msircn dauerte etwa acht Tage; an fünf weiteren Tagen wurde ausgesucht und classificitt. Am vierzehnten Tage bekam jeder Student ein kleines Herbarium; der bei weitem größte Tt/eil der gesammelten Pflanzen blieb 2I2 Mongolische Botaniker u„d Aerzte. 114. Kap. Eigenthum der mediciniscbeu Fanillät. Der fünfzehnte Tag wurde feier, lich begangen; es gab Tbee mit Milch und Gerstenmehl, in Butter gc-backene Kuchen und Schöpsenfleisch. Die bei Tschogortan gesammelten Arzeneien werden der allgemeinen Apotheke zu Kunbnm verabfolgt, dort an einem gelinden Feuer getrocknet, gepulvert, und in kleinen Gaben in rothes Papier verpackt, das eine thibetanischc Aufschrift trägt. Die Pilger bezahlen diese Heilmittel sehr theuer, jeder Mongole versorgt sich damit; denn er setzt in Alles was von Kunbum kommt ein blindes Vertrauen. Er hat freilich in seinen Steppen und Gebirgen ganz dieselben Kräuter, aber was wollen die gegen solche bedeuten, welche im Lande Tsong Ka« ba's wachsen? Die thibetanischen Aerzte sind bloße Empiriker. Der menschliche Körper hat vierhundertvicrzig Krankheiten, nicht mehr und nicht weniger. DieBü-cher welche der Student auswendig lernen mnß. l'andeln von diesen Krankheiten, und den gegen sie anzuwendenden Mitteln. Ihr Inhalt ist oft dunkel; sie enthalten viele besondere Recepte. Die Lamas haben keine solche Abneigung gegen den Aderlaß wie die chinesischen Aerzte, sondern wenden ihn häufig an, und setzen auch Schröpfköpfc; letztere in der Weise daß sie erst die Haut ein wenig schaben, und dann Ochsenhörner aufsetzen, die oben ein Loch haben. Durch dasselbe ziehen sie die Luft heraus und verstopfen es mit zerkautem Papier. Auf das Beschauen des Urins legen sie großen Werth, untersuchen die Färduug desselben, schlagen ihn mit einem Holzspatel, und halten das Wasser ans Obr um zu hören wie es brause, denn ihnen zufolge „redet der Urin manchmal, und manchmal ist er stumm." Ein recht geschickter Arzt muß einen Kranken heilen können, ohne ihn gesehen zu baben, denn er richtet sich nach dem Urin. Auch abevglänbige Gebräuche fehlen in der medicinischen Praxis nicht; doch ist nicht in Abrede zu stellen, daß die Lamas eine Menge sebr werthvollcr Recepte haben, welche durch vieljährige Erfabrung bewährt sind. uud von welchen die europäische Arzneikunde wohl Nutzen ziehen könnte. Gegen Ende Septembers vernahmen wir. die thibetanische Gesandtschaft sei von Peking in Tang keu eül angekommen, »nd werde einige Tage dort verweilen, um Vorrathe zu kaufen und die Karawane zur oraa» nisiren. Nun trafen auch wir in aller Eile unsere Vorkehrungen. Wir mußten uns in Kunbum auf vier Monate mit allem Nöthigen verfor, gen, denn unterwegs war nicht viel zu haben. Wir kauften fünf Stück Zicgelthee, zwei Tchöpsenschläuche voll Butter, zwei Säcke Weizenmehl, und acht Säcke mit Tsa mb a, das heißt mit geröstetem Gerstenmehl; 14. Kap.) Vorbereitungen zur Reise nach Thibet. 233 es bildet die gewöhnliche, sehr nnschmackbafte Nabrung der Thibetaner. In eine halbgefüllte Schaalc heißen Thees schüttet mau einige Hände voll Tsamba und rübrt die Mischung mit dem Finger um. Dieser Teig ist weder warm noch kalt. nicht roh und doch nicht gekocht. Aber man kann eben ob»e diese Tl'amba in Tbibet nicht rci''en. Woblmeinende Leute ga. bcn uns den Natl> auch Knoblauch mitzunebmen und alle Tage etwas davon zu genießen; es sei ein wirksames Mittel siegen die ungesunden pestartigen Dünste, die an manchen stellen im Hochgebirge vorkommen. Wir thaten waS sie sagten. Unsere Thiere waren im Thale von Tscho-. gortan trefflich gediehen, insbesondere die Kamcele. deren nun harte und feste Höcker emporstanden und von Fett strotzten. Wir mußten aber noch ein viertes Kamee! und ein zweites Pferd aischaffen, uud mietheten einen jungen Lama aus den Natschikodergen; wir hatten ihn in Kunbum kennen gelernt, er hieß Scharad schäm beul. uud Samdadschicmba I'atte es nun viel leichter. Nachdem wir viele Khata mit unseren Freunden ausgetauscht hatten, machten wir uns auf die Reise nach dem Blauen See, wo wir die (Hesandtschaftokarawanc erwarten wollten. Von Tschogortan dorthin hatten wir vier Tagereisen. Unterwegs liegt der kleine Klosterort Tansän, der böchstens zwcibundert Lamas zäblt. in einer entzückenden Gegend; er soll sebr wol'lhabend sein, weil die Mongoleufürstcn von Ku-Ku Noor ihm alljährlich Geschenke machen. Hinter Tansan, daS in einem bewaldeten Thalkessel steht, traten wir in eine weite Ebene ein. in welcher viele mongolische Zelte standen und zahlreiche Heerden auf der Weide waren. Wir trafen zwei Lamas die Butteralmoscu einsammelten, dabei vor jcdem Zelte dreimal auf einer Tecmuschel bliesen und gar nicht vom Pferde stiegen. Je weiter wir kamen, um so flacher und frucht' barer wurde das Land, nnd bald befanden wir uns auf den herrlichen Weiden vonKu-Ku-Noor, wo das Gr.^s w kraftig wuchs, daß es unseren Kameclen bis au den Bauch reichte. I,i der Ferne erblickten wir einen langen Eilberstreifcn. den Blauen Eee, und nock vor Sonnenuntergang stand unser Zelt kamn hundert Schritte vom Ufer dieses großen Binnenwaffers. 234 ^cr Ku-Kn-Noor uild dessen Anwohner. sl5. Kap. Fünhehntes Kapitel. Am Kn«Kn Noor. ^- Die Kolostämme. — Die große Karawane. — Ucbcrgang über den Pubain Kol. — Die Mongolen von Tsaidam. — Ungesunde Dünste aus dem Nnrban Vota. — Besteigung der Berge Scki'iga und Vaye» Kliarat. — Wilde Ochsen. — Kälte nud Räuber. — Die Hochebene von Tant Va. — Mineralquellen. — Wnstcnbrand. — Das Dorf Na Plschn. — Die Ebene am Painpu. — Ankunft in Lha-Vsa. Der Blaue See, mongolisch Ku-Ku-Noor, thibetamsch Tsot ngon po, liieß früher bei den Chluesen Ti Hai', das westliche Meer; jetzt nennen sie ihn Tsing Hai oder das Blaue Meer. Er bildet ein mächtiges Wasserbecken von mehr als eiuhnndert Stunden im Umfang. Er bat bittersalziges Wasser wie der Ocean und eine periodisch«.' Ebbe und Flut. Man spürt den Meeresgeruck schon in weiter Entfernung. Im westlichen Theile erbebt sich eine unbebaute felsige Insel. auf welcher etwa zwanzig beschauliche Lamas einen Tempel nnd neben demselben einige Wohnungen errichtet babeu. Man kann sie nickt besuchen, denn auf demTee giebt es keine Schiffe: wenigstens haben wir dergleichen nicht bemerkt »nd die Mongolen versicherten, von ihnen beschäftige sich Keiner mit Fischfang. Im Winter ist aber die Eisdecke so fest, daß die Hirten nach der Insel hinüber pilgern können; dann werden die Beschaulichen mit Butter. Tbee uud Tsamba versorgt und schenken als Gegenleistung den Frommen ihren Segen. Die Stämme von Ku'Ku-Noor zerfallen in neumlndzwanzig Banner, die von drei Kiün Wang, zwei Beile, zwei Beisse, vier Kung und achtzehn T s a'i T s i befehligt werden; alle diese Fürsten sind dem chinesischen Kaiser zinspflichtig. Sie machen in jedem zweiten Jahr eine Reise nach Peking, wohin sie als Tribut allerlei Pelzwelk und (Noldstanb bringen, der aus dem Sande der Flüsse gewonnen wird. Die Ebenen am See find ftnchtbar und wohlbewässert, gewädrcn, obwohl baumlos, einen büb-scheu Anblick; das Gras wird uugemein hoch. Das ist reckt eigentlich ein Land in welchem die Mongolen vorzugsweise gern Zelte aufschlage», so lästig auch die Si fau«Näuber sind. Man weicht ihnen dadurch aus daß man die Lagerstellen häufig wechselt; im Nothfalle wird aber auch rüstiger Widerstand geleistet; denn diese Hirten sind tapfer. Tag und Nacht kampfbereit, und bewachen die Heerden zu Roß. mit der Lanze in der Hand, mit der Flinte im Bandelier und einem großen Säbel im 15. Kap.) Die Kolostämmr. 33g Gürtel. Die Nauber sind Si fan, Ostthibetaner, und ihre Heimat ist an den Bayen Kbarat»Gebirgen, in der Quellgegend des Hoang Ho. wo man sieKolo nennt. Sie hausen in schwer zugängigen Schluchten, welche durch wilde Vcrgströme und Abgründe gegen jeglichen Feind ge< sichert sind. Alis diesen dringen die Kolo in die Wüste hinaus um zu rauben. Sie sind Bnddbisten, haben aber noch eine besondere „Gottheit des Raubes", der sie sehr andachtig ergeben sind, und ihre Lamas sind gehalten, eifrig für den günstigen Erfolg der Raubzüge zu beten. Die Mon» golen sagen, es sei bei den Kolo gebräuchlich das Herz der Gefangenen zu essen, weil dadurch der Muth des Räubers gestärkt werde; auch wer» dcu ihnen nock manche andere Abscheulichkeitcu nachgeredet. Jeder Kolostamm hat seineu besondern Namen. und nur bei dieser Nomenclatur hörten wir von Khalmuken reden. Die sogenannte Khalmukei besteht nur in der Einbildung, und die Khalmnken spielen in Asien keineswegs dieselbe Rolle wie in manchen geographischen Werken. Wir haben lange reisen muffen, ebe uns auch nur der Name zu Ohren kam; und selbst in der „Khalmukei", weiß Niemand von ihnen. Wir trafen endlich einen Lama der lange in Ostthibet gewesen war; er sagte uns, daß dort ein kleiner Stamm Kolo»Khalmuki heiße. Eben so ist dasKu -Ku - Noorlant> auf unsern Charten viel zu umfangreich angegeben ; denn trotz ftiner nennundzwanzig Banner hat es nur einen geringen Umfang. Seine Grenzen sind im Norden Kbilian Echan, im Süden der Gelbe Strom, im Osten die Provinz Kan Su und im Westen der Fluß Tsa'ldam. wo dann ein anderes Land beginnt, das derTsa'sdam-Mongolen. Einer Sage zufolge lag in alter Zeit der Ku-Ku-Noor nicht an seiner gegenwärtigen Stelle, sondern in Thibet, und zwar da wo wir jetzt die heilige Stadt Lha Ssa finden. Einst floß die gewaltige Wassermenge von dort unter der Erde binweg nach dem Becken, welches sie gegenwartig ausfüllt. Und das geschah, wie die Ueberlieferung erzab.lt, also: Die Tbibetancr im Königreich M wolilen mitten in ihrem Thal einen Felsentempel bauen, der auck schnell fertig wurde, dann aber zusammenstürzte, ohne daß man sich die Ursache erklären konnte. Im nächsten Jahre wiederholte sich ganz derselbe Fall auf derselbe« Stelle. und als man im dritten Iabrc noch einmal den Bau versuchte, war es nicht anders. Die Leute kamen in Verzweiflung und wollten nicht zum vierten Male dcu Versuch wagen. Der König befragt reinen berühmten Wahrsager; dieser hatte zwar nicht selber den Schlüssel zum Geheimniß, erklärte aber daß ein großer Heiliger im Osten denselben besitze. Wenn er reden wolle 336 ^^ "^ die (z»5. Kap. sei weiter keine Gefabr mebr zu besorgen. Aber wer der Heilige war und wo er lebte, das wußte der Wal'rs.iger nicht zu vermelden, ssin mutbigcr und kluger Lama machte sich auf um ibu zu suchen, und durchreiste alle Lande im Osten von M. Nach langen vergeblichen Bemühungen riß ibm in der großen Ebene zwiichcn (^hina und Tbibet der Sattelgurt, uud er fiel vom Pferde. An einem kleinen Teiche stand ein armseliges Zelt-dorthin ging der Lama um den schaden auszubessern, und fand einen Greis in eifrigem Gebet. ..Bruder." sprach der Reisende, „in Deinem gelte möge immer Frieden wohnen." — Der Alte entgegnete ohne sich zu regen: „Setze Dich an meinen Hcevd. Bruder." Der Lama äußerte sein Bedauern darüber, daß der Greis blind sei, worauf dieser bemerkte. daß er seinen Trost im Gebet smde. „Icl, bin ein armer Lama aus dem Osten." sprach der Lama, habe gelobt alle Tempel in den mongolischen Landen zu besuchen, und mich vor den Heiligen niederzuwerfen. Da ist mir nun mein Sattelgurt gerissen, lind ich mochte hier den Schaden ausbessern." — „Meine Augen sind erblindet, ich kann Dir nicht an die Hand gehen, aber Du wirst alles Nöthige hier im Zelte finden. O, Lama ans dem Osten, wie bist Dn zu preisen, daß Du unsere geheiligten Tempel besuchen kannst. Die prächtigsten sind im Lande der Mongolen, die Poba (Tbi-betaner) werden niemals dergleichen haben. Vergeblich rnüben sie sich ab, schöne Tempel in ihrem Thale zu erbauen, denn die Grundlagen werden allemal von einem unterirdiiZcn Zee zerstört, dessen Dasein sie nicht ahnen. Ich sage das, weil Du ein mongolischer Lama bist, aberDn darfst es keinen, Menschen mittbcilen. Triffst Du unterwegs einen Lama aus dem Lande M, so hüte Dcine Zunge; denn wird mein Geheimniß verrathen, so ist diese Gegend hier verloren. Denn wenn ein Lama ans M wüßte, daß dort im Tbale cin untciirdischer Eee ist, so würde flugs das Wasser verlaufen nnd unsere Steppen überflutben." — Da erhob sich der Reisende und rief: „Unglücklicher Greis, rette Dich so schnell Du kannst! denn bald werden die Wasser herbeiströmen. Ich bin ein Lama aus dem Lande M!" Er sattelte sein Pferd in aller Eile und ritt hinweg. Für den Greis aber waren diese Worte wie ein Donnerschlag, nnd er schrie und weh-klagte. Da kam sein Sohn. der Jaks von der Weide heimtrieb. „Spring auf Dein Pferd, nimm Deinen Säbel, reite nach Westen zn, und wenn Du einen Lama antriffst, so haue il'n nieder, denn er hat mir meinen Sattelgurt gestohlen." - „Wie, ich soll einen Mord begehen? Alle Leute reden von Deiner großen Heiligkeit, mcin'Vater, nnd jetzt soll ich 15. Kap.) Sage über die Eiitstchimg dcs Ku-Ku°Noor. 237 einen'armen Reisende» todten weil er ein Stück Lcder nahm. das er gewiß sehr nothwendig gebraucktte!" — „Eile, spntc Dich!" ri^f der Greis, „ich beschwöre Dick; Du mußt den Fiemden niedermachen, wenn wir nicht im Wasser umkommen sollen!" Der Sohn glaubte sein Vater bale den Verstand verloren. wollte ihn jedock nicht weiter auflegen, sondern setzte dem Lama aus dem Lande U'i nach. welchen er auch vor Einbruch der Dunkelheit einbolte. Er sprach: „Heiliger Mann, verzeihe wenn ich Dich aufhalte. Du warst in unserm Zelte und hast einen Sattelgurt mitgenommen, den mein Vater zurück verlangt. Er ist so erbittert, daß er verlangt ich solle Dich todten; aber was ein Greis befiehlt, der seines Verstandes nicht mächtig ist, soll man eben so wenig thun als was ein Kind befiehlt. Gieb mir den Gurt, ich werde ihn dann schon beruhigen." Der Lama stieg vom Pferde, gab dem jungen Manne das Verlangte und sprach: „Dein Vater hatte mir dieses gegeben, aber hier, bring es ihm zurück." Dann löste er seinen Gürtel ab, benutzte ihn als Sattelgurt, und ritt fürbaß. Der Solin kam erst spät in der Nacht im Zelte scittcs Vaters an, wo er viele Hirten fand. „Ich habe den Zattelriemcn; beruhige Dich Vater." — „Und wo ist der Fremde, hast Du ihn getödtet?" — „Nein, ich mochte nicht sündigen, wollte nicht einen Lama umbringen, der mir kein Böses gethan batte." Damit gab er seinem Vater den Rie« men. Der Greis zitterte an allen Gliedern, denn nnn ward ihm klar, daß sein Sohn den Sinn seiner Worte nicht verstanden habe. Im Mongolischen drückt nämlich ein und dasselbe Wort O eheimniß und Sattelgurt aus. Er rief laut: „Das Abendland ttägt den Sieg davon; es ist des Himmels Wille!" Und nun ricth er den Hirten sich mit ihren Heerden zu flüchten; er selbst warf sich im Zelt auf den Boden und sah ruhig dem Tod entgegen. Noch vor Tagesanbruch begann es unter der Erde zu bransen und zu rauscheu, wie wenn Gcbirgsströme über gewaltige Felsmassen hinabstürzen. Und das Tosen wurde immer stärker, und der kleine Teich an welchem das Zelt des Greise stand fing zu schäumen an. Und die Erde erbebte, und unterirdische Wasser drangen mit mächtiger Gewalt heraus, und ergossen sich über die unabsehbare Ebene. Und alles Vieh und was von Menschen sich nicht retten konnte, kam in den Wogen um, der Greis zu allererst, Der Lama aber kam nach dem Lande M zurück, wo er Alles in großer Bestürzuug fand. Im Thale hatte man ein furchtbares Tosen vernommen, und wußte doch nicht woher es rührte. Da erzählte er die Geschichte von dem blinden Greise, und Alle griffen zu um den prachtvolle,» Tempel zu bauen, der noch heute steht. An demselben 238 Am Ku-Ku-Noor. — Die thibetanischc Gesandtschaft. 115. Kap. siedelten sich viele Familien an, und so entstand Lha.Ssa. das „Land der Geister", die Hauptstadt von Thibet. Wir hörten diese Tage zuerst am Ku-Ku Noor erzählen, und später in Lba 3sa selbst mit nur geringfügigen Abweichungen. Wir wissen nicht, ob sie auf irgend ein geschichtliches Ereigniß Bezug hat. Wir blieben etwa einen Monat lang inKu-Ku-Noor. mnßten wegen der Räuber fünf oder sechsmal unsern Lagerplatz ändern und den mongolischen Hirten folgen, die bei jedem bedenklichen Gerüchte ihre Zelte abbrechen, ohne jedoch dic prächtigen Weidegründe am Blauen See zu ver< lassen. Erst gegen Ende Oktobers traf die tbibetanische Gesandt-sch a ft ein, welcher sich unterwegs viele mongolische Karawanen angeschlossen hatten, um siäier nach Lba Ssa zu gelangen. In ftüberen Zeiten schickte die schah bei ruhigem Wetter, und wir fanden daß das Athemholen weit be« schwerlich« war. wenn wir auf der Erde lagen, als wenn wir zu Pferde saßen; alsdann spürten wir das Gas kaum. Des Gases wegen konnte man nur mit Mühe Feuer anmachen oder unterhalten. die Argols gaben keine Flamme und qualmten stark. VurhanBota bedeutet Küche des Bmhan. und Burhan heißt so viel als Buddha. 16* 244 Dei Tscbugllberg. — Die thibetanischen Wüsten, si5. Kap. In der Nacht siel eine ungeheure Menge Schnee, und nun waren auf der Nord- und Ostseite die bösen Dünste verschwunden. Jener Ueber« gang war aber nur ein kleines Vorspiel gewesen, denn nach einigen Tagen wurden wir noch ganz anders auf die Probe gestellt als wir über den Berg Schuga mußten. Hinauf kamen wir leicht, aber hinab desto schwe» rer; die Thiere versanken bis an den Bauch in den Schnee, und manche stürzten in Abgründe. Dabei beulte ein eisiger Wind uns entgegen und tlieb»uns Schneewirbel ins Gesicht. Wir machten es wie andere Reisende die sich verkehrt aufs Pferd setzten und das Thier gehen ließen wie und wohin es wollte. Vielen war das Gesicht erfroren; Herrn Gabets Ohren und Nase hatten dasselbe Schicksal. Unten schlugen wir unser Zelt auf. und mußten, obwohl bis ins innerste Mark und Bein erstarrt. ausgehen umArgols zu suchen, die etwa unter dem Schnee lagen. Wir hatten Glück, warfen drei große Eisklumpen in den Kessel und erhielten wenigstens warmes wenn auch nicht heißes Wasser. Wir rührten Tsamba hinein, aßen den Brei und hüllten uns in unsere Schafpelze und Decken, um zu schlafen. Am andern Morgen verließen uns die mongolischen Soldaten, denn wir waren nun außerhalb der Mongolei an' der Grenze des vordern Tbibet. Seit dem Uebergang über den Burhan Bota hörte man keinen Gesang mehr, Niemand lachte, alles war schweigsam und traurig. Am Schugaberge begann für uns eine Reihe unsäglicher Anstrengungen und Leiden. Tagtäglich wurden Schnee. Wind und Kälte ärger. Die thibetanischen Wüsten find die abscheulichste Gegend die man sich nur vorstellen kann. Wir stiegen immer bergan, die Vegetation hörte endlich ganz auf, die Kälte wurde grimmig, und mm begann der Tod in unserer armen Karawane eine reiche Ernte zu halten. Den Thieren fehlte Wasser und Futter, die Kräfte giugen ihnen aus, und man mußte täglich eiue Menge zurücklassen; sie konnten nicht mehr weiter. Etwas spater kam die Reihe auch an die Menschen. Seit einigen Tagen wanderten wir gleichsam über einen mit Gebeinen übersäeten Friedhof. Bei jedem Schritt und Tritt fand man Menschenknochen und Thiergerippe. Und um das Unglück vollzumachen geschah es. daß Herr Gäbet gerade zu einer Zeit erkrankte, als wir aller Energie bedurften, um vorwärts zu kommen. Er hatte der Ruhe, der Wärme und kräftiger Speisen bedurst, und wir konnten chm nur Gerstenmehl. Tbee und Scbneewasser geben; er mußte reiten und die abscheuliche Kälte ertragen, und volle zwei Monate mußten wir nock mitten im Winter reisen, ehe wir an unser Ziel gelangen konnten. 15. Kap.j Das Bayci, Karatgebirge, — Der Blaue Fluß. 245 In den eisten Tagen des Decembers waren wir vor der berühmten Gebirgskette Bayen Kharat, die von Südost nach Nordwest streicht, zwischen dem Hoang Ho und dem Kin scha kiang. Beide Ströme ziehen anfangs parallel zn beiden Seiten des Bayen Kharat, und nehmen dann eine entgegengesetzte Richtung, indem der eine gegen Norden, der andere gegen Süden fließt. Beide ziehen durch China von Westen nach Osten, nähern sich je mehr sie der Mündung kommen, und fallen ins Gelbe Meer. Die Stelle wo wir das Bayen Kharatgebirge überschritten lag unweit der Quelle des Gelben Stroms; wir hatten sie zur Linken und sie wäre in höchstens zwei Tagen zu erreichen gewesen. Aber wir waren nicht in der Lage einen solchen Abstecher unternehmen zu können. Vom Fuße bis zum Gipfel war Alles mit tiefem Schnee bedeckt, und man mußte Lawinenstürze besorgen. Das Wasser war still; wir wagten den Uebergang, theils zu Pferde, theils zu Fuß; in letztcrm Falle klammerten wir uns au den Schweif. Herr Gäbet litt entsetzliche Pein. Auf der andern Seite fanden wir Futter für das Vieh und blieben einige Tage dort; Wasser lieferte das Eis eines kleinen Sees, und da an dieser Stelle alle Karawanen ausruhen, so fanden wir auch Argols in Menge. Nachdem wir das große Thal von Bayen Kharat verlassen, kamen wir an das User des Muru'i Ussu, d. h. des Flusses der Wiu° düngen macht. Diesen Namen führt er in seiner Quellengegend, weiter abwärts nennt man ihn Kin scha kiang, Strom mit Goldsand; sobald er in die chinesische Provinz Sse tschuen eintritt bekommt er den Namen Uang tse kiang oder Blauer Fluß. Wir gingen über seine Eisdecke. Aus der Ferne sahen wir eine Menge dunkler Punkte; als wir näher kamen, überzeugten wir uns daß mehr als fünfzig Ochsen eingefroren waren. Nur der Kopf ragte über das Eis hervor; dieses aber war so durchsichtig, daß wir die Gestalt der Thiere unter dem Wasser sehr wohl zu erkennen vermochten. Geier und Raben hatten ihnen die Augen'ausgehackt. In den Wüsteneien des vordem Thibet kommt wildes Rindvieh häufig vor, namentlich im Hochgebirge. Im Sommer geht es in die Thäler hinab an Teiche nnd Bäche, im Winter aber nicht; dann begnügt es sich mit Schnee und einigen ungemein harten Gräsern. Diese Thiere sind von beträchtlicher Größe, haben langes schwarzes Haar und mächtige Hörner, die sehr hübsch gestaltet sind. Die Jäger wagen sich nicht gern au dieses sehr wilde und mnthige Thier, außer wenn sie es vereinzelt antreffen und Schießgewehr haben. Ein Stier der nicht auf 246 Wilde Ochsen. — Der Dschiggetai. ^15. Kap. den ersten Schuß fällt, rennt gegen den Jäger an. Wir trafen eines Tags auf einen solchen; er leckte Salpeter in einer von Felsen umringten Schlucht. Acht mit Luntenflinten bewaffnete Männer stellten sich auf den Anstand, und acht Schüsse fielen auf ein Mal. Der Stier erhob den Kopf warf ihn umber um zu sehen woher die Kugeln kamen, nnd rannte dann in die Ebene wo er fürchterlich brüllte. Der Dschiggeta'i. I^uu^kemianu», pal!»», oder sogenannte wilde Maulesel wird im vorder» Thibet gleichfalls in großer Menge gefunden. Seit wir über den Murui Ussu gekommen waren, sahen wir ihn fast alle Tage. Er hat die Größe eines gewölmlichen Maulesels, abcr einen schönern Körperbau, eine anmuthigere Haltung und viel leichtere Bewegungen; auf dem Nucken ist sein Haar röthlich und wird allmälig lichter je näher es dem Bauche kommt, dort ist es weiß. Aber der Kopf deS Dschiggeta'l ist dick und erscheint auf dem zierlichen Körper unförmlich. Das Thier trägt den Kopf hoch, die Ohren steif, hält beim Laufen die Nase gegen den Wind und hebt den Schweif, der völlig dem des Maultbiers gleicht. Das Wiehern klingt voll, hell und zitternd. Mit Pferden holt ein mongolischer oder thibctanischer Reiter den Dschiggetai nicht ein; man muß sich in der Nähe ihrer Tränken in Hinterhalt legen und schießen. Das Fleisch hat einen vortrefflichen Geschmack; aus der Haut werde'n Stiefeln bereitet. Der Dschiggetai läßt sich nicht zähmen; man hat ihn oft ganz jung eingefaugcn uud mit anderen Füllen aufgezogen; aber nie wollte er einen Reiter oder irgend eine Last tragen, und entfloh in die Wildniß sobald sich irgend eine Gelegenheit darbot. Uns schien er aber gar nicht so wild zu sein, denn oft sahen wir ihn mit den Pferden der Karawane spielen und in der Nähe der Lagerzelte weiden; freilich rannte er schnell fort sobald ein Mensch nahe kam, und er hat eine äußerk feine Witterung. Auch Luchse. Gemsen, Nennthiere (?) und Stein-bocke sind im vordem Thibet in Menge vorhanden. Nach dem Uebergang über den Munn Ussu zerstreute sichele Ka< rawane. Alle die Kameele hatten eilten voraus, um nicht durch die Jaks. welche langsamer vorwärts kommen, aufgehaltn zu werden, und wir schlössen uns ibnen an. Ohnehin erlaubte die Beschaffenheit des Landes nicht, daß eine so große Menge Vieh an demselben Orte lagerte, denn die Weiden wurden immer dürftiger. Selbst unser Trupp mußte sich theilen; und als einmal» das Ganze nicht mehr beisammen war, zersplitterte sich Alles in kleinere Züge. So kamen wir allmälig in die höchsten für Men» schen passirbaren Gegenden Hochasiens, Und in solcher Höhe hatten wir 15. Kap.j Entsetzliche Kalte. — Unbeholfeuheit der Kameele. 247 vierzehn Tage lang einen entsetzlichen Nordwind bei heiterer Luft. Die Kälte war so fürchterlich, daß wir auch in der Mittagssonne kaum Wärme spürten. zu allen übrigen Tagesstunden aber in steter Furcht schwebten zu erfrieien. Längst waren Hände und Gesicht aufgesprungen. Morgens ehe wir aufbrachen, genossen wir ein dürftiges Mahl. und dann nichts War« mes mehr bis wir am Abend den Lagerplatz erreicht hatten. Das Gersten» mehl war so unschmackhaft, daß wir auf ein Mal nicht viel davon essen konnten; um aber unterwegs einen Imbiß zu haben. kneteten wir früh einige Kugeln aus Mehl und Thee, die wir in ein heißes Tuch einwickelten und auf die Brust legten. Wir hatten alle unsere Kleider übergezogen, nämlich einen großen Schafpelz, einen Rock von Lammfell, eine kurze Jacke aus Fuchspelz, und endlich noch eine dicke wollene Jacke. Aber vierzehn Tage lang gefroren unsere Tsambakuchen uns stets auf dem blo. ßen Leibe; wenn wir sie hervorzogen hatten wir allemal einen eisigen Kitt in der Hand, den wir hinabwürgen mußten, um uicht Hungers zu sterben. Das Vieh, ohnehin abgetrieben und schlecht genährt. litt bei dieser Kälte ganz furchtbar; die Kameele und Jaks hielten sich aber besser als die Pferde und Maulthiere, auf welche man die größte Sorgfalt ver« wenden mußte. Sie wären alle verloren gewesen wenn man ihnen nicht Filzdecken um den Leib und Kameelhaare um den Kopf gewickelt hätte. Trotzdem gingen viele verloren. Wir hatten viele Flüsse zu passiren, die freilich alle mit Eis bedeckt waren. Aber die Kameele sind so unbeholfen, haben einen so schwerfälligen Tritt und Gang, daß wir ihnen einen Weg bahnen mußten, indem wir Sand und Staub auf das Eis streuten. welches wir manchmal auch so zerhackten daß die glatte Flache uneben wurde. Alsdann nahm man sie am Halfter und führte sie eins nach dem andern. Und wenn eins ausglitt, so kostete es die äußerste Anstrengung einem so plumpen Thiere wieder auf die Beine zu helfen. Es ließ sich nur in der Weise bewerkstelligen, daß man dem Kameel die Gepäcke abnahm, es auf der Seite bis ans Ufer schleifte, und dort Teppiche und Decken ausbreitete, damit es aufstehen konnte. Oft aber half das Alles nichts, das Thier blieb liegen, und man mußte es dann seinem Schicksale überlassen. Es ist begreiflich, daß die Reisenden alle in einer äußerst gedrückte,, Stimmung sich befanden. Denn viele Menschen erlagen dem Frost und wurden noch lebendig unterwegs zurückgelassen. Eines Tages waren unsere Thiere so erschöpft, daß wir etwas hinter unserm Karawanentrupp zurückblieben. Wir sahen einen Reisenden etwas abseits vom Wege auf einem Steine fitzen; der Kopf hing ihm auf die Brust herab, die Arme 248 Erfi'ovene Nciscudc. si5. Kap. waren fest an die Seiten gedrückt; er saß da wie eine Bildsäule. Auf unsern Zuruf antwortete er nicht. Wir gingen näher nnd erkannten in ihm einen jungen mongolischen Lama, der uns oft in unserm Zelte besucht hatte. Sein Antlitz sah aus als wäre es von Wachs, seine offenen Angen waren glasig; an Nase und Mund bing Eis. Auch jetzt antwortete er nicht, und wir hielten ihn für todt. Doch bewegte er die Augen, die uns mit einem entsetzlichen Ausdruck von Stupidität anglotzten. Der Unglückliche war erfroren; seine Gefährten hatten ihn zurückgelassen. Das er» schien uns so herzlos, daß wir ihn mit uns nabmen. auf Samdadschiem< ba's kleines Maulthier setzten und in eine Dccke hüllten. So brachten wir ihn weiter, und suchteu gegen Abend als wir unser Zelt aufgeschlagen hatten, seine Gefährten auf. AIs sie erfuhren, was wir gethan. warfen sie sich aus Dank vor uns nieder. Aber als wir wieder nach uuserm Zelte kamen war der Lama todt. Damals wurden mehr als vierzig Rei» sende noch lebendig aber schon erfroren in der Wüste zurückgelassen. Man nahm sie mit. so lauge noch einige Hoffnung war. sobald sie aber nickt mehr essen uud sprechen und nicht' mehr auf dem Pferde oder Kameele fitzen konnten. wurden sie am Wege ausgesetzt. Verloren waren sie nun doch einmal! (is war ein herzzerreißender Anblick! Als letzten Beweis von Theilnahme stellte man ein mit Gerstmmehl gefülltes Näpfchen neben den Erfrorenen; danu zog man weiter. Geier und Raben lauerten schon auf die sichere Beute. Gabcts Krankbcit wurde durch den scharfen Nordwind sehr verschlimmert; er konnte nickt mehr gehen; Hände. Füße und Gesicht waren ihm erfroren, die Lippen blau, die Auge» matt. und kaum hielt er sich noch auf dem Pferde. Wir hüllten ihn in Decken, banden ihn auf einem Kamcclc fest, und überließen das Weitere der Vorsehung. Als wir eines Tages durch ein Thal zogen, sahen wir zwei Reiter auf einem nahen Berge. „Tsong Kaba. da sind Reiter!" riefen die thibeta-nischen Kaufleute die sich uus angeschlossen hatten, „und doch sind wir in der Gebirgswüste wo keine Heerde weidet!" Bald darauf sahen wir noch viele andere Reiter auf verschiedenen Punkten, die rafch auf uns zukamen. Uns wurde bange; denn was wollten die Leute hier und in solcher Jahreszeit? Wir zweifelten kcineu Augenblick daß wir Räuber vor uns hatten. Diese Männer trugen Flinten, an jeder Seite des Gürtels steckte ein lan» ger Säbel, ihr langes Haar hing in Flechten hinab, über den Kopf hatten sie einen Wolfspelz gezogen. Es waren ihrer siebenundzwanzig; wir waren nur achtzehn, und keineswegs alle kriegserfahren. Beide Theile stiegen ab, und ein muthiger Thibetaner trat vor um mit dem Räuberhauptmann 15. Kap.! Kolo-Räuber. 249 zu reden, den er an zwei rothen Fähnchen hinter dem Sattel erkannte. Nach einem lebhaften Zwiegespräch fragte der Anführer der Kolo, auf Herrn Gäbet zeigend: «Wer ist der Mann. welcher auf dem Kameele sitzen geblieben ift?" — ..Ein Oberlama aus dem Westen, und die Macht seines Gebetes ist unendlich." — Der Kolo legte seine gefalteten Hände an die Stirn und blickte Herrn Gabrt an. der in seinem armseligen Zu» stände aussah wie ein Götzenbild. Dann sprach er einige Worte leise zu dem Kaufmann, gab seinen Gefährten ein Zeichen, und gleich darauf sprengten Alle fort. Der thibetanische Handelsmann äußerte: „Wir wollen nicht weiter gehen. sondern hier lagern; die Kolo sind Räuber, doch idr Herz ist großmüthig; sie weiden uns nicht angreifen. wenn sie sehen, daß wir uns in ihre Gewalt begeben; auch glaube ich, daß sie die Macht der Lamas aus dem Westen fürchten." Als eben unsere Zelte standen, ließen die Kolo sich wieder blicken, aber nur der Hauptmann kam ins Lager, und fragte den Thibetaner. wie er es »vagen könne, gerade hier zu lagern. Jener antwortete: die Karawane zäble achtzebn Mann gegen siebenundzwanzig Kolo, aber von jenen seien viele krank, sonst würde sie sich wehren, wenn es sein müsse. „Ich habe schon bewiesen, daß ich mich vor den Kolo nicht fürchte." — „Du hättest Dich mit den Kolo gemessen? Wann und wo, das sag' mir." — „Vor fünf Jahren, bei der Geschichte mit dem Tschanak Kampo; hier ist noch ein Andenken." Dabei zeigte er eine Säbelwunde im rechten Arm. Der Räuber lachte uud verlangte den Namen des Thibetaners zu wissen. ..Ich heiße Nala Tschembe; kennst Du diesen Namen?" — „Ja. alle Kolo kennen ihn." Der Räuber stieg vom Pferde, zog einen Säbel aus dem Gürtel und überreichte ihn dem Thibetaner. „Da. nimm den Säbel; er ist mein allerbester; wir haben mit einander gekämpst; wenn wir fortan uns begegnen, wollen wir Brüder sein." Der Thibetaner nahm den Säbel und gab als Gegengeschenk eii'.eu schönen Bogen mit Pfeilen, den er in Peking gekauft hatte. Jetzt kamen auch die übrigen Kolo und tranken , mit uns armen Reisenden Thee. Wir athmeten frei auf. denn alle diese Räuber waren äußerst liebenswürdig. Sie fragten besonders nach den Khalkhas Mongolen, die ihnen im vergangenen Jahre drei Mann getödtet hatten; dafür wollten sie gelegentlich Rache nehmen. Auch politische Angelegenheiten kamen auss Tapet. Die Kolo erklärten, sie seien große Freunde des Tale Lama in Thibet, aber geschworene Feinde des Kaisers von China-, deshalb legten sie der Gesandtschaft Hindernisse in den Weg wenn sie nach Peking ziehe; der Kaiser sei gar nicht werth, daß er vom 250 Die Hochebene von Tant La. Ilb. Kap. Tale Lama Geschenke erhalte. Auf der Heimreise lasse man sie ruhig ge» wahren, weil es in der Ordnung sei, daß der Kaiser dem Tale Lama Geschenke gebe. Wir hatten eine ruhige Nacht, und zogen am andern Tage unbelästigt von dannen. Diese Gefabr war demnach glücklich überstanden. aber nun zogen wir die große Kette des Tant La ° Gebirges hinan. Unsere Reisegefähr« ten wollten wissen. daß «lle unsere Kranken oben sterben und auch die Gesunden entsetzliche Beschwerden ertragen würden. Sechs Tage lang klimmten wir bergan; eine Kette erhob sich immer amphitheatralisch über die andere, und endlich erreichten wir die Hochebene. Es giebt wohl keine höhergelegenc als diese. Der Schnee war so hart, daß er gleichsam den Erdboden zu bilden schien; er krachte unter den Füßen, die aber keine Spur eindrückten. Dann und wann findet man Büschel eines feinen, spitzen Grafts, das im Innern holzig ist. hart wie Eisen und doch nicht zerbrechlich. Man hätte es als Nadel beim Matrazennähen benutzen können, und doch fraßen es die hungerigen Thiere, aber ihre Lippen bluteten dabei. Vom Rande dieser herrlichen Hochfläche sahen wir auf die Spitzen und Nadelberge mehrerer Gebirgsstöcke hinab. deren Ausläufer am Horizont verschwanden. Wir haben nie etwas gesehen, das sich mit einem so gewaltigen und gigantischen Schauspiel vergleichen ließe. Zwölf Tage lang wanderten wir auf den Höhen des Tant La und halten doch niemals schlechtes Wetter; die Luft war ruhig, alle Tage schien die Sonne und ihre Strahlen milderten doch einigermaßen die Kälte. Aber die Luft war in jener Höhe ungemein dünn. Mächtige Geier folgten der Karawane, die ihnen täglich einige Beute zurückließ. Auch unser kleines schwarzes Maulthier fiel als Opfer; aber Herr Gäbet starb nicht nur nicht, sondern das gefürchtete Gebirge übte auf ihn einen sehr wohlthätigen Einfluß; er wurde gesunder und kräftiger und wir faßten frischen Muth. Das Hinabfteigen war kaum minder beschwerlich, denn der Abfall des Tant La ist lang, schroff und jäh. Wir gingen vier volle Tage wie auf einer Riesentreppe, und jede einzelne Stufe war ein Gebirge. Unten fanden wir prächtige Mineralquellen; zwischen ungeheuren Felsen hatte die Natur eine große Anzahl Becken ausgehölt, in denen das Wasser kochte, wie wenn es in einem Kessel über einem lodernden Feuer stände. An manchen Stellen dringt es durch Felsspalten und schließt nach allen Seiten hin in einer großen Menge von Strahlen. In einzelnen Becken ist das Aufwallen manchmal so stark, daß intermittirend große Wasser» l5. Kap.1 Mineralquellen. — Ncnttcne Hirten. 251 faulen emporstiegen und sanken; es war als ob sie durch eine mächtige Pumpe in Bewegung geseht würden. Von diesen Quellen steigen immerfort Dämpfe in die Lust und bilden weißliches Gewölk. Alle diese Wasser find säOefelhaltig. Nachdem sie in ihrem großen Granitbecken eine Strecke weit sich umher getummelt haben, fließen sie in ein kleines Thal ab und bilden dort einen großen Bach, der über ein Bett goldgelber Kiesel strömt. Das heiße Wasser behält aber nicht lange seine Flüssigkeit, denn schon eine halbe Wegstunde von der Quelle war es zu Eis gewor» den. Man findet in den Gebirgen Thibets sehr häufig warme Quellen. Die Aerzte kennen ihre Heilkraft, und verordnen das Wasser zum Baden und zum Trinken. Vom Tant La - Gebirge bis nack Lha Sha fällt das Gelände in einem fort ab; die Kälte läßt an Strenge nach, je tiefer man kommt, und man findet kräftigere Gräser verschiedener Art. Wir trafen auf einer Ebene ganz vortreffliche Weide, und blieben zwei Tage alls Erbarmen über das abgetriebene und ausgehungerte Vieh. Am andern Morgen kamen Reiter auf uns zugesprengt. Uns durchfuhr ein gewaltiger Schreck; wir eilten nach unsers Thibetaners Rala Tschembe Zelt. und riefen, es sei ein Zug Kolo im Anzüge. Aber die Kaufleute blieben ruhig sitzen und lachten.' „Nehmt Platz und trinkt Thee mit uns; hier ist nichts mehr von den Kolo zu stickten; jene Netter sind gute Freunde. Wir kommen nun wieder in bewohntes Land; hinter jenen Hügeln stehen viele schwarze Zelte. Ihr sahet berittene Hirten." Diese waren auch bald vor Rala Tschembe's Zelt; wackere Leute, die uns Butter und frisches Fleisch ver» kauften. Ihre Sättel sahen aus wie eine Metzgerbank, denn es hingen Ziegen- und Schöpsenkeulen und Rippenstücke daran herum. Wir erstanden acht Hammelkeulen, die wir in gefrorenem Zustande mit auf die Reise nehmen konnten. Wir gaben dafür ein paar alte Pekinger Stiefeln, ein Feuerzeug aus Peking und den Sattel unseres kleinen Maulthiers, der auch in Peking gemacht war. Denn alle Thibetaner. insbesondere die Nomaden legen großen Werth alls Pekinger Fabrikate. Deshalb schreiben die Kaufleute welche mit der Gesandtschaft reisen, auf sämmtliche Packen; „Pekinger Waaren." Die Hirten waren auf Pekinger Schnupftabak wie versessen. Herr Hue hatte acht Tage vorher seine letzte Dose ausgeschimpft und konnte nicht dienen; die Uebrigen waren keine Schnupfer. Seit zwei Monaten hatten wir von Thee und Gcrstenmehl gelebt, jetzt aßen wir Hammelbraten mit Knoblauch gewürzt. Wir wollten eben den Leckerbissen anschneiden, als plötzlich der Ruf erschallte: Mi yon, 252 Wnstenbrand. — Das Dorf Na Ptschu. si5. Kap. mi yon. Also Feuer! Im Nu sprangen wir aus dem Zelte. Das Feuer batte am Lagerplätze trockenes Gras erfaßt und verbreitete sich reißeud schnell. Zum Glück wurde ihm vermittelst einer Menge von Filzdecken in« sofern gesteuert, daß es die Zelte nicht ergreifen konnt^ es bahnte sich einen Ausweg in die Steppe und züngelte furchtbar rasch weiter. Da galt es nun die Kameele zu retten, die nicht etwa vor dem Feuer wegliefen wie die Pferde und Ochsen, sondern dumm in die Flammen glotzten. Wir rannten um unsere Thiere abseits zu bringen. Aber bald waren wir ganz von Feuer umgeben. Es half nichts daß wir auf die Kameele losschlugen; sie blieben gleichgültig stehen. Man hätte sie todtprügeln mögen. Das Feuer ergriff ihr dickes Haar und wir mußten es ihnen am Leibe mit Filz. decken löschen. Drei retteten wir, das vierte war völlig abgesengt und hatte eine verkohlte Haut. Eiue Wcidestrecke von einer halben Stunde Länge uud einer Viertelstunde Breite war nun in Asche gelegt. „Das Unglück lief noch glücklich ab", denn hätte es die schwarzen Zelte erreicht, so würde es uns schlimm ergangen sein. Unser angebranntes Kameel war unfähig zum Dienst, aber auch unsere Vorräthe waren sehr zusammengeschmolzen, und feit einiger Zeit hatten wir uns auf halbe Ratio» nen gesetzt. Wir zogen nun Tage lang durch eine Reihenfolge von Thälern in welchen Daks neben schwarzen Zelten weideten, uud gelangten endlich an ein thibetanisches Dorf. Es liegt am Flusse Na Ptschu) die Mongolen nennen ihn Khare Ussu, das eine wie das andere bedeutet Schwarzwasser. Na Ptschu ist die erste nemienswerthe Station, die man auf dem Wege nach Lha Ssa trifft. Die Häuser sind aus Erde gebaut; zwischen denselben stehen schwarze Zelte umher. Ackerbau wild hier noch nicht getrieben; alle Einwohner sind Hirten. Man erzählte uns. vor alten Zeiten habe ein König von Ku-Ku-Noor Krieg gegen die Thibetaner geführt, und das Land von Na Ptschu an Soldaten seines Heeres geschenkt. Diese Mongolen sind jetzt mit Thibetanern vermischt, man sieht aber im« mer noch neben den schwarzen Zelten auch manche mongolische Jurten. Man kann sich auch leicht erklären, weshalb so manche mongolische Wörter in das Thibetanische übergegangeu sind. Die nach Lha Ssa ziehenden Karawanen müssen einige Tage in Na Ptschu verweilen, um ein anderes Transportsystem einzurichten; die Kameele nämlich sind nicht im Stande auf dem von nun an unbeschreiblich felsigen Wege zu gehen. Wir verkauften unsere drei gefunden Thiere für fünfzehn Unzen Silbers und mietheten für dasselbe Geld sechs Yaks, die 15. Kap.Z Ein Schal'cr»>i ans dcm Kbiiigreiche Khaltschin. 25I unser Gepäck bis Lha Tsa tragen sollten. Das angebrannte Kameel hatten wir mit in den Kauf gegeben, und schickten nun auch den widerwärtigen Lama aus dem Natschikogebirge fort. In Na Ptschu muß man vor Dieben wohl auf der Hut sein. Die Einwohner sind als solche berüchtigt, schleichen gern bei Nackt in die Zelte, und stehlen selbst am hellen Tage trotz dem gewandtesten pariser Spitzbuben. Wir kauften noch Butter. Tsamba und einige Hammelkeulen ein und brachen dann gen Lha Ssa auf, das nur noch etwa vierzehn bis sechzehn Tagereisen weit entfernt liegt. Unsere Reisegefährten waren Mongolen aus dem Königreiche Khartsch in, welche eine Wallfahrt nach dem Monhe Dschot nach dem Ewigen Heiligthum unternahmen; denn so nennen sie die thibetanische Hauptstadt. Sie hatten ibren S ch a-deron bei sich. das heißt einen lebendigen Buddha; er war Vorsteher ihres Klosters. Dieser Schaberon war ein junger Mann von achtzehn Jahren; er battc feine Umgangsformen, benahm sich verbindlich, sein Gesicht hatte einen durchaus offenenen Eindruck. Als er fünf Jahre alt war batte man ihn zum Buddha und zum Oberlama des Landes Khartschin erklärt. Jetzt wurde er nach Lba Ssa geschickt, wo er die Gebete lernen, und für seine hohe Stellung abgerichtet werden sollte. Ein Bruder des Königs von Khartschin und mehrere Lamas von Rang bildeten sein Ge, folge. Die Eigenschaft eines Buddba schien dem Jüngling sehr lästig zu sein. Er hätte gern gelacht und lieber sein Roß frei getummelt, als mit Würde zwischen den beiden Reitern zu bleiben, die ihn nicht verließen. Manch» mal kam er in unser Zelt, legte seine Gottheit bei Seite und war wie andere Menschen. Sehr gern unterhielt er sich über europäische Verhält nisse und fragte viel nach unserer Religion, die er sehr hübsch fand. Als wir ihn fragten, ob er nicht lieber ein Anbeter Iehova's als Schaberon sein möchte, gab er zur Antwort: Davon verstehe er nichts. Er sah es nicht gern daß man ihn über seine früheren Lebensstufen und Fleischwerdun« gen fragte, wurde roth und ersuchte uns, darüber nicht mehr zu reden. Er war in ein religiöses Labyrinth verwickelt, in welchem sich der gute Junge nicht zurechtfinden konnte. Der Weg von Na Ptschu nach Lha Ssa ist im Allgemeinen sehr beschwerlich, namentlich da wo mau die Koiran-Bergkette erreicht. Und doch wird Einem das Herz leichter je weiter man vorwärts kommt. Man ist wiedcr in einem bewohnten Lande. sieht viele schwarze Zelte, begegnet Pilgcrsckaaren, findet am Wege eine unzählige Menge von Inschriften auf den Steinen, nnd erblickt Heerden auf der Weide. Einige 254 Die Ebene von Pampii. s15. Kap. Tagereisen vor Lha Ssa verschwindet dann der bis dahin nomadische Cha» rakter der Bewohner, man trifft in der Einöde schon einige bebaute Felder, und statt der Zelte eigentliche Wohnhäuser. Der Hirt macht dem Ackerbauer Platz. Am fünfzehnten Tage nach unserer Abreift von Na Ptschu hatten wir Pampu erreicht. Es liegt nahe bei Lha Ssa und wird von den Pilgern als Vorhalle zur heiligen Stadt betrachtet. Hier wird die schöne Ebene von einem großen Flusse durchzogen, aus welchem man Bewässerungscanäle abgeleitet hat. Man kann Pampu nicht eigentlich ein Dorf nennen; auf den Terrassen liegen einzelne Gehöfte umher, alle reinlich angeweißt, von hohen Bäumen überschattet, und mit einem Thürmchen, der aussieht wie ein Taubenhaus; von demselben flattern Fähnchen mit thibetanischen Inschriften herab. Wir waren länger als drei Monate durch eine abscheuliche Wildniß gereist, hatten nur wilde Thiere und Räuber gesehen; es ist also begreiflich daß die Ebene von Pampu uns das herrlichste Land in der Welt dünkte-, und daß wir mit lebhafter Theilnahme jeden Pflug, jedes Haus, jede Furche betrachteten. Am auffallendsten war uns der bohe Stand der Temperatur in diesem bebaueten Lande; denn Ende Januars lag auf Flüssen und Canälen nur eine leichte Eisdecke, und fast kein Mensch trug Pelzkleider. In Pampu mußte sich unsere Karawane noch einmal umgestalten. Gewöhnlich nimmt man die Jaks nicht weiter mit, sondern ladet das Gepäck auf Esel, die sehr klein, aber stark find. Wir benutzten einen zweitägigen Aufenthalt, um uns äußerlich wieder etwas zu civilisiren. Denn Kopf- und Barthaar waren wirr und wild; das Gesicht war vom Rauch geschwärzt, von der Kalte aufgerissen, abgemagert, und unsere ganze Erscheinung so elend daß es uns selbst jammerte, wenn wir in den Spiegel sahen. Unsere Bekleidung stand mit dem Uebrigen in Verhältniß. Die Bewohner von Pampu sind wohlhabend, lustige, muntere Menschen, die Abends vor den Gehöften sich versammeln, nach dem Takte hüpfen und dazu fingen. Nach dem Tanze bewirthet der Bauer seine Gäste mit einem säuerlichen Getränk, das aus gegohrener Gerste bereitet wird; es ist ein Bier, dem aber Hopfen mangelt. Die Eselkarawane befand sich in Ordnung. wir brachen auf und waren nur noch durch einen Berg von Lha Ssa getrennt; freilich den allerjäheften, den wir auf unserer ganzen Reise gefunden hatten. Die Thi-betaner und Mongolen erklimmen ihn mit großer Andacht; denn wer den Gipfel erreicht, hat dadurch vollkommene Sündenvergebung erlangt. Jedenfalls kann ein so mühsam zu ersteigender Berg als eine Bußübung für 16. Kap.1 Ankunft in Lha Ssa. 255 den Reisenden betrachtet werden. Wir waren Morgens ein Uhr aufgebrochen kamen erst um zehn Uhr auf die Höhe. und hatten fast immer zu Fuß gehen müssen. Als wir die gewundenen Pfade hinabstiegen, war Sonnenuntergang nahe. Als wir in ein breites Thal abbogen, lag zu unserer Rechten Lha Ssa. die Metropole der buddhistischen Welt. Wir erblickten taufende von Bäumen, welche die Stadt umgaben, ihre hohen weißen Hauser mit flachen Dächern und emporragenden Thürmen, die zahl» reichen Tempel mit vergoldeten Dächern, den BuddhaLa, über welchem der Palast des Tale Lama emporragt. Das Alles verleiht dieser Buddhastadt ein majestätisches, imponirendes Ansehen. Am 29. Januar 1846 zogen wir in Lha Ssa ein; vor achtzehn Monaten waren wir aus dem Thal der schwarzen Gewässer aufgebrochen. Mongolen, mit welchen wir auf der Reise bekannt geworden waren, hatten für uns schon eine Herberge ausgemacht. Sechzehntes Kapitel. Die Hauptstadt der buddhistischen Welt. — Palast >es Tale Lama. — Die Thibetaner und ihre Fraucn. — Betriebsamkeit. — Gold- und Sil» bergruben. — Fremde ^ an den ^.ataienlban absendete, schreibt iiber die Frauen Ni >pochasien: Deluipani «e lmpilci', pm^näo lllcie8 5U28. 16. Kav-1 Die Thlbetaner und ihre Flauen. 259 heiligen Piiesterschaft. In den Klöstern verschwand alle Ordnung und sie waren der Auflösung nahe. Diesem Unfuge wollte der Nomekhan steuern. Er gab eine Verordnung. der zufolge kein Frauenzimmer sich blicken lassen durfte, ohne das Gesicht in der oben erwähnten Art be-scbmuzt zu haben. Widerspänstige wurden mit sehr harten Strafen belegt und hatten außerdem Buddha's Zorn zu gewärtigen. Sicherlich gehörte großer Mutn dazu ein solches Edict zu veröffentlichen; am auffallendsten erscheint ts aber daß die Weiber sich dcmsclbm ohne Wlderstand fügten; die Ueberlieferung wciß von keiner Auflehnung, sondern berichtet im Gegentheil, wie eifrig die Damen gewesen seien sich nun dermaßen selber anzuschwärzen, daß es den Männern angst und bange vor ihnen werden müsse; und gegenwärtig gilt die Beschmuzung des weiblichen Antlitzes für eine Art von religiöser Pflicht, und je widnwattigcr ci/ie Frau aussieht, UM so frömmer ist sie. Unter dem Landvolke würde auch der strengste Richter nichts gegen die Frömmigkeitstoilette einzuwenden finde», denn die Bäuerin« nen sehen abscheulich aus; in Lha Ssa selbst jedoch wagen manche Personen weiblichen Geschlechts, Sitte. Herkommen und Gesetz zu übertreten und mit ungeschwärztem Gesicht auf die Straße zu gehen. Dafür stehen sie freilich ill sehr schlechtem Rufe und müssen den Kopf verhüllen, wenn sie einen Polizeioiener kommen sehen. Jenes Edict des Nomekhan soll für die öffentliche Sittlichkeit recht ersprießlich gewesen sein. und wir wollen dem nicht gerade widersprechen. So viel aber können wir behaupten, daß die. Thibetan« in Beziehung auf die Keuschheit nicht als Muster aufgestellt werden können; auch die geschwärzten Frauengesichtcr haben die Tugend nicht etwa vermehrt. Uebrigcns genießen die Weiber große Frei« heit. führen ein thätiges arbeitsames Leben, und besorgen nicht nur das Hauswesen, sondern auch der Kleinhandel ist in ihrenHändcn. Eie gehen Hausiren und halten Verkaufsbuden; auf dem Lande helfe» siegetreulich bei allen Feldarbeiten. Die Männer sind bei weitem nicht so fleißig, gehen aber doch nicht etwa müßig; insbesondere beschäftigen sie sich mit dem Verspinnen und Verweben der WoNe. Das von ihnen verfertigte Fabrikat heißt P u lu. ist dicht und dauerhast und ungemein mannigfaltig, von dickem Pelz-artigen Zeug herab, bis zum schönsten und feinsten Merinogewebe. Nach den Vorschriften der buddhistischen Reform müssen alle Lamas rothes Pu lu tragen; der Bedarf ist schon deshalb sehr beträchtlich, und die Karawanen führen von diefer Waare sehr viel nach der Mongolei und dem nördlichen China aus. Das grobe Zeug ist sehr wohlfeil, die feinsten Sorten dage. gen sind ganz ungemein theuer. 17' 260 Betriebsamkeit der Thibetaner. ^li. Kap. Einen sehr belangreichen Handelsartikel für die Bewohner von Lha Ssa bilden dieNäucherstäbchen, welche in Cbiua als Tsan Hia n g. das heißt Räuchenverk aus Thibet, bekannt find. Man verfertigt die Wohlgerüche aus verschiedenen wohlriechenden Holzarten, die mau zu Pulver zerstößt und mit Moschus und Goldstaub vermischt. So erhält man einen violetten Teig, aus welchem man drei bis vier Fuß lange walzenförmige Stäbe formt, die in Klöstern und Privathäusern vor den Götzenbildern verbrannt werden. Sie brennen sehr langsam. verlöschen nicht bis sie sich völlig verzehrt baben, und geben einen herrlichen Wohlgeruch; die thibetanischen Kaufleute bringen sehr viel davon nach Peking, und machen einen großen Profit. Im nördlichen China verfälscht man die Waare und bringt sie als ächte Tsan Hiang in den Handel; sie kann aber gar keinen Vergleich mit der thibetanischeu aushalten. Porzelan haben die Thi-betancr nicht, bereiten aber ausgezeichnet schöne Töpferwaaren. Das Hauptgeschirr besteht in dem schon oft erwähuten schaalenförmigen Holz» Näpfchen, das jeder bei sich trägt, entweder auf der Brust unter dem Rocke, oder in einem als Zierrath dienenden Beutel am Gürtel. Man macht es aus den Wurzeln von Bäumen, die auf den thibetanischen Gebirgen wach» sen. Dieses Geräth hat immer eine Msche Form, ist aber einfach, ganz ohne alle Verzierung, und wird mit einem Lack überzogen, welcher der natürlichen Farbe keinen Eintrag thut, und das Geäder des Holzes und alle Masern durchscheinen läßt. Vom Tale Lama bis zum Bettler speist in ganz Thibet Jedermann von einem solchen Holznüpfchen, deren es billige uud theure giebt, denn die schönsten werden wohl mit hundert Unzen Sil« bers bezahlt, obschon wir mit dem besten Willen nicht herauszufinden vermochten, wodurch und weshalb sie zu so lwhem Werthe kamen. Die Thibetaner glaubeu, daß die Näpfchen bester Qualität alles Gift unschädlich machen. Unser Geschirr war abgenützt; wir wollten andere Näpfchen kaufen und traten in einen Laden. den eine recht schmuzig gefärbte Frau hielt. Sie zeigte uns einige, für deren jedes nicht weniger als fünfzig Unzen gefordert wurden. Wir hatten mit unserer gesammten Habe nicht vier solcher Dinger bezahlen können und legten sie weg, nahmen andere, fragten Tschik la, gatse re, d. h. wie viel das Stück? und erhielten zur Antwort: Excellenz, das Paar kostet eine Unze Silber. Diese kauf» ten wir. Die Pu lu, die Tsan Hiang und jene Näpfchen sind die drei Hauptfabrikate welche Thibet liefert. Alles Andere wird nur schlecht oder mittelmäßig verfertigt. Auch der Ackerbau ist nicht von Belang, weil das ge- 16. Kap.) Gold und Silber. — Tbibetanische Münzen. 2ßi birgige Laud, ohnehin von wilden Vergwassern durchzogen, nur wenige Strecken darbietet, welche die Arbeit lohnen würden. Der Anbau ist im Allgemeinen auf die Thäler beschränkt. Weizen und Reis werden nicht viel gesäet; Hauptgetreide ist die schwarze Gerste. Tsing Ku, aus welcher man die Tsamba bereitet, die man für alle Volksclaffen das tägliche Brot nennen kann. Lha Esa ist mit Hännneln. Pferden und Oafs gut versorgt anck woblschmeckende Fische und ausgezeichnetes Schweinefleisch kommt auf den Markt-, dergleichen ist aber sehr theuer nnd vom gemeinen Mann nicht zu erschwingen. Im Allgemeinen nähren sich die Thibctaner sehr schlecht, und genießen vorzugsweise nur Thee mit Butter und Tsamha. auch die Reichen; nnd es macht einen eigenthümlichen Ein» druck, wenn man eine so fade werthlose Speise in einem Napfe sieht, der zweihundert Thaler gekostet hat. Fleisch wird beim eigentlichen Mahle nicht gegessen; es ist eine Leckerei, etwa wie bei 'uns eine Pastete. Man trägt zwei Schüsseln auf. eine mit gekochtem Fleisch nnd eine mit rohem; die Thibetaner speisen Beides mit gleichem Appetit ohne alles Gewürz, genießen aber dazu ein aus Gerste bereitetes Getränk. An Schätzen des Mineralreiches ist Thibet über alle Be-schreibung reich. Gold und Silber werden mit einer solchen Leichtigkeit gewonnen und find so häufig daß selbst gewöhnliche Hirten sich auf die Reinigung dieser edlen Metalle verstehen. Manchmal sieht man sie in irgend einer Schlucht oder Tbalbiegung neben einem Feuer aus Ziegen« argols sitzen und Gold schmelzen, während die Hecrde in der Nähe weidet. Dieser Ueberflnß an Metall erklärt es daß Geld wohlfeil ist. während die Lebensmittel uugemein hoch im Preise stehen. Die Thibetaner haben nur Silbergeld; ibre Münzen find ein wenig größer aber nicht so dick wie ein französischer Franc. Auf der einen Seite haben sie eine tbibetanische. perfische oder indische (— welcherlei Art? —) Inschrift, auf der andern Seite einen Kranz der aus acht kleinen und runden Blnmen besteht. Man zerstückelt diese Mümen, um den Austausch im Kleinverkehr zu erleichtern, aber so daß eine Anzahl jener Blümchen auf den Stücken sichtbar bleibt; demnach wird dann der Werth bemessen. Das ganze Stück beißt Tschan la; das balbe Stück, das nur vier Blümchen hat, wird Tsche Ptschc genannt; ein Scho < Kan hat fünf und ein Kayan drei Blnmen. Im größern Verkehr bat man Silberbarren, die auf einer römischen Waage nach dem Decimalsystem abgewogen werden. Man zählt gewöhnlich nach dem Rosenkranz Die Kaufleute bedienen sich aber mehr des chinesischen Tuan pan; die Gelehrten bedienen sich unserer sogenannten arabischen 262 Lamas als Wüchcicr. — Dic Pcbun. siß. Kap. Ziffern, die aber in Thibet sehr alt sind. Wir haben mehrere Hand. schriftliche Lamabücher gesehen, die Gemälde und astronomische Figuren enthielten, letztere in arabischen Ziffern, mit denen anch die Blätter pagi-nirt waren. Einige Zifferzeichen weichen von unseren ein klein wenig ab. am meisten die 5, welche die Tbibetaner umgekehrt stellen: 9. Thibet ist eines der reichsten und zugleich ärmsten Länder der Welt;' reich an Gold und Silber, und arm an Allem was wir Wohlsein und Wohlbefinden nennen. Das Gold und Silber welches vom Volke ge< sammelt wird, fließt in die Hände der Reichen und namentlich in jene der Klöster. Diese sind ungeheure Aufnahmebecken. in welche alle Reichthümer der großen mittelasiatischen Länder aus tausend Canälen einmün« len. Die Lamas zieben den größten Theil des vorhandenen Geldes in freiwilligen Gaben der Andächtigen an sich. und wuchern damit in einer so abscheulichen Weise, daß sogar Cbincsen. die doch selber arge Gauner find, Anstoß daran nehmen. Jede Opfergabe an die Geistlichkeit ist ein Haken mit welchem die ganze Börse nachgezogen wird. So hanft sich das Geld in den Kosscrn der privilegirten Classen an; das Volk kann die nothwendigsten Lebensbedürfnisse nur zu sehr hohen Preisen erhalten, und so erklärt es sich weshalb in Thibet so viele Leute dem Elend preisgegeben bleiben. In Lha Ssa ist die Anzahl der Bettler sehr beträchtlich; sie gehen von einer Tbür zur andern und verlangen eine Handvoll Tsamba. Sie geben ibren Wunsch in der Art zu erkennen, daß sie die geschlossene Hand ausstrecken und dabei den Daumen in die Höhe hallen. Wir müsseil rühmlich erwähnen, daß die Thibetaiier im Allgemeinen sehr wodlwollend und gutherzig sind und nur selten einen Armen ohne Gabe-ziehen lassen. Unter den Ausländern welche die ansässige Bevölkerung von Lba Esa bilden helfen. sind die Pebun am zahlreichsten; Indier welche aus Butan von jenseit des Himalaya kommen, kleine, kräftig gebaute und sehr lebbafte Menschen. Ihr Gesicht ist runder als jenes der Tbibetaner. ihre Hautfarbe ist sehr stark gebräunt, das kleine schwarze Auge hat einen pfiffigen Ausdruck. Vor der Stirn haben sie einen Flecken von hochroter Farbe, den sie an jedem Morgen neu auffrischen. Sie tragen stets einen Rock von violettem Pu l« und eine kleine Filzkapve von etwas dunk« lerm Veilckenblan; sobald ein Pebun ausgebt, schlagt er dann noch eine rothe Schärpe zweimal nm den Hals. und läßt die beiden Enden hinten über die Schultern hinabhängen. Die Pebun sind die einzigen Metall» arbeiter in Lha Ssa; nur in dem von ihnen bewohnten Stadtviertel sin- 16. Kap-1 Die Pebm, und die Katschi. 263 det man Schmiede. Kesselmacher, Blei- und Zinnarbeiter, Goldarbeit« Juweliere. Mechaniker und selbst Chemiker und Aerzte. Die Werkstätten liegen etwa halb unter der Erde, haben einen engen niedrigen Eingang, und man hat mehrere Stufen hinabzusteigen. Auf allen Hausthüren ist eine Malerei angebracht; sie stellt eine rothe Kugel dar und über derselben einen weißen Halbmond. Wir haben leider vergessen darnach zu fragen, norauf hier Mond und Sonne anspielen. Man findet unter den Pebun äußerst geschickte Metallarbeiter; sie verfertigen Gold- und Eilbergeräthe fül die Klöster, und so köstliche Schmncksachen, daß auch der beste europäische Künstler sich derselben nicht zu schämen brauchte. Sie arbeiten ferner für die Tempel jene prächtigen vergoldeten Dackbedeckungm. welche allea Unbilden des Wetters trotzbieten, und ihren Glanz ungemein lange behalten; man möchte sagen, sie seien von unverwüstlicher Frische. Man verschreibt diese Pebunarbeiter bis in die entlegenen Klöster der Mongolei. Auch ausgezeichnete Färber find sie; ihre Farben sind lebendig und so dauerhaft, daß wohl das Zeug sich abnützt, nicht aber die Farbe. Sie dmfen aber nur Pu lu färben, denn alle aus fremden Ländern eingeführten Zeuge müssen getragen weiden wie sie eben sind; die Regierung hält streng darauf daß die Pebun nichts daran verändern. Wahrscheinlich will sie dadurch den Absatz der zu Lha Ssa fabricirten Zeuge begünstigen. Die Pebun lachen und scherzen gern. wie denn überhaupt ihr Charakter etwas Kindliches und Joviales hat; auch bei der Arbeit singen sie unaufbörlich. Sie bekennen sich zum indischen Buddhismus, zeigen aber große Achtung vor den lamaischen Gebräuchen und Feierlichkeiten. Obwohl sie die Reformen' Tsong Kaba's nicht angenommen haben, so werfen doch auch sie an hohen Festtagen sich am Fuße des Buddha La nieder und bezeigen dadurch dem Tale Lama ihre Verehrung. Einen sehr bemerkenswerthen Bestandtheil der Einwohner fanden wir an den Katschi, das heißt den aus Kaschmir abstammenden Muselmännern. Man unterscheidet sie leicht von den Völkern, lnlche einer nicht so hoch stehenden Race angehören, am Turban, am langen Barte. wür. digem feierlichen Gange, an ihrem schönen ausdrucksvollen Gesichte, und an ihrer reichen. saubern Kleidung. Sie haben in Lha Ssa einen besondern Gouverneur; dieser ist ihr Oberhaupt, Pascha und Mufti in Einer Person, und von der thibetanischen Regierung anerkannt. Die ikatschi haben sich schon seit ein paar Jahrhunderten in Thibet festgesetzt. Sie kamen ins Land. um sich dem Drucke in idrer Heimat zu entziehen, md befinde» sich sehr wohl. Doch unterhalten sie immer noch Vcrbin- 264 Die Katschi und die Chinesen. siß. Kap. düngen mit Kaschmir. Ihr Gouverneur, mit welchem wir auf vertrautem Fuße standeu, wußte daß die Pelins von Calcutta, das heißt die Engländer. Gebieter von Kaschmir seien. „Diese Pelins halte ich für die scklausten Leute in der Welt; sie nehmen alle Länder in Indien nach und nach weg. indcm sie die Regenten in ihr Interesse ziehen. In Kaschmir sagen sie: Die Welt gehört Allah, die Erde gehört dem Pascha, dü Compagnie regiert." Die Katschi bilden den reichsten Bestandtheil d gent und der Gouverneur waren darüber höchlich erstaunt. Die Unterhaltung spann sick bis in die Nacht binein sort; dann winde nns kund getdan, daß wir eine Ecklafstättc im Palast des Kalon fiüdcn würden', am nächsten Tage könnten wir in nnscrc Wohnung zurückgeben. Wir be-griffen daß wir Gefangene waren, nahmen etwas frostigen Abschied, und ließen uns wegführen. In unserm Gemache hatten wir allerdings ein bequemeres Lager als in unserer Wohnung. Viele Lamas und Diener des Regenten kamen herbei, um uns zu seben. und betracktcten lins mit unausstehlicher Neugier, etwa so wie bei uns Thiere in einer Menagerie, ohne Theilnahme oder Misgunst. Wir sagten daß wir müde seien und schlafen möchten; alle verneigten sich. und einige steckten die Zunge aus, aber keiner wich vom Platze. Offenbar wollten ne sehen wie wir uns beim Schlafengehen gebehrdeten. Ohne uns weiter um sie zu kümmern, knieten wir nieder, machten das Zeichen des Kreuzes, und sprachen laut unser Abendgebet. Alle beobachteten ein feierliches Schweigen. Nun wollten wir schlafen und löschten die Lampe aus. 3ie lackten, tappten im Dunkel fort und wir waren endlich allein. Aber an Lchlaf war nicht zu denken, weil die Ereignisse jenes merkwürdigen Tages Etoff in Menge zur Unterhaltung gab.' Das Alles war wie ein Traumbild gewesen; Alles kam uns unglaublich vor; wir hätten an dcr Wirklichkeit zweifeln mögen, die doch ernst genug war. Am Ende ging Alles auf die Frage hinaus: Wie 282 Acüsicning des Ooiiveluem-o der Katschi. ^7. Kap. wird das enden? Wir aber setzten unser Vertrauen auf Gottes Vorseh« ung und schliefen ein. Bald nach Tagesanbruch wnrde die Thür leise geöffnet. Der Gouverneur der Katschi, setzte sich zwischen unsere Schlafstätten und fragte wohlwollend, ob uns eine gute Nacht beschicden .qewesen sei. Dann gab er uns Kuchen, den seine Familie gebacken l,atte. uud getrocknete Früchte aus Ladak. Diese freundliche Fürsorge rül'tte uns tief. Der Gouverneur war ein Mann von etwa zweiunddreißig Jahren, mit cdelm. majestätischem Gesicht, das einen Ausdruck von Offenheit und Güte zeigte. Sein ganzes Benehmen bewies, daß er sich für uns interessirte. Wir erfuhren von ihm. daß in den Morgenstunden die tbibetanischc Behörde uns in unsere Wohnung führen »nd unsere Habseligkeiten versiegeln werde. Diese bringe man dann ins Gericht, wo sie in unserm Beisein, von Ki Schan und dem Regenten untersucht werden sollten. „Wenn ibr keine Handzeichnungen von Landcharten besitzt, so könnt ihr ruhig sein, und ench wird nichts geschehen. Habt ihr aber dergleichen, so sagt es mir, denn vielleicht kann ich dann die Sache noch zum Guten wenden. Ich bin mit dem Regeuten genau be» freundet, und er schickt mich, um euch diese vertrauliche Mittheilung zu machen." Wir erfuhren daß alle diese Belästigungen gegen den Willen der thibetanischen Regierung von den Chinesen ausgingen. Wir beruhigten den Katschi in Betreff der Landcharten, zahlten ihm unsere Habsclig-keiten vor, und er war nun sehr vergnügt. „Man sürchtet sich sehr vor Landcharten, seit der Engländer Moorcroft sich in Lha Ssa für einen Kaschmirier ausgab. Er blieb zwölf Jahre hier. ging dann fort, wurde aber auf dem Wege nach Ladak ermordet. Man fand in seinem Nachlasse viele Landcharten und Zeichnungen, die er in Ladak verfertigt battc. Seit» dem sind die Chinesen äußerst argwöhnisch. Da ihr keine Charten gezeichnet habt. so ist Alles gut. Ich werde das dem Regenten sagen." Dieser schickte uns ein Frühstück, Brötchen mit Farinzucker, Fleisch und Thee mit Butter. Nachher erschienen drei Gerichtsbeamte, Lamas natürlich, meldeten daß man unser Gepäck untersuchen werde. und wir gingen, von einer zahlreichen Menschenmenge geleitet, nach unserer Wohnung. Auf den Straßen war Alles sehr geschäftig; man lehrte die Gaffe, räumte allen Schmuz bei Seite, befestigte oben an den Häusern lange Streifen Pu lu von gelber und rother Farbe. Bald vernahmen wir lauten Zuruf. Als wir uns umsahen erblickten wir den Regenten; er saß auf einem Schimmel und hatte ein berittenes Gefolge. Wir kamen mit ihm zugleich vor unserer Wohnung au, wo auch Samdadschiemba sich einfand, der von 17. Kap.) HauKsuch»»g u»d Forschung nach Landcharten. 283 Allem was vorging nicht das Mindeste begriff. Der Regent nahm in unserem Zimmer auf einem vergoldeten Sitze Platz, den man für ihn mit» gebracht hatte, und fragte, ob hier alle unsere Habseligkciten beisammen wären. „Ja »roh!, das ist Alles; mehr liaben wir nicht, um ganz Thibet zu erobern." — „Eure Rede ist boshaft; ich habe euch noch nie für so furcbtbar gehalten. Dock was ist das?" Dabei wies er auf ein Crucifix an der Wand. „Wenn Du das kenntest, so würdest Du nicht sagen, daß wir keine furchtbaren Leute wären. Daunt wollen wir Thibet, China und die Mongolei bezwingen." Der Regent lachte; er hielt unsere ernsthaft gemeinten Worte für Scherz. Zu seinen Füßen saß ein Schreiber, und verzeichnete unsere Sachen. Dann wurde eine brennende Lampe gebracht, der Regent nabm ein goldenes Siegel aus einem kleinen Beutel, den er am Halse hängen hatte. und versiegelte Alles. Sogar unsere alten Stiefeln und die Nägel unseres Neisezeltes wurden mit rothem Siegellack versehen und petschirt. Nun ging es zum Tribunal. Ein Polizeilama ging auf die Straße, und gebot im Namen des Gesetzes dm ersten besten Leuten die er antraf, ins Haus zu kommen. und eine Arbeit für die Regierung zu verrichten. In Lha Ssa muß das Volk frohuden und scheint es nicht ungern zuthun. Unsere Sachen wurden ins Gericht geschafft Cin lhibetanischer Reiter mit gezogenem Säbel und mit der Flinte im Bandelier, eröffnete den Zug; ihm folgten dicLasttrüger zwischen zweiReibenTradantcn Lamas; dann kam der Regent mit seinem Schimmel sammt Gefolge, hinter welchem die beiden französischen Missionäre hersckritten, gefolgt von zahllosen Neugierigen. Wir nahmen uns eben nicht stolz aus. denn man führte uns wie Missethäter oder zum mindesten als Verdächtige durch die Straßen. Im Gericht war Ki Schan mit seinen Beamten schon anwesend. Der Regent sprach zu ihm etwas verdrießlich: „Du willst diese Fremden untersuchen; da sind sie. Diese Männer sind weder so reich noch so mächtig wie Du Dir denkst." Ki Schau richtete sogleich mehrere Fragen an uns: „Was habt ihr iu jenen beiden Koffern? — „Hier hast Du die Schlüssel, untersuche sie nach Belieben." Ki Schan wnrde roth uud zuckte ein wenig zurück: seine chinesische Delicatesse schien angetastet; er sprach aufgeregt: „Gehören die Koffer mir. habe ick ein Reckt sie zu öffnen? Was würdet ihr sagen, wenn hinterber etwas abhanden gekommen wäre?" — „Darüber sei unbesorgt; unsere Religion verbietet uns leichtfertig über unsere Nächsten abzusprechen." — „Oeffnet die Koffer; ich muß wissen was barin ist; das ist meine Pflicht." Wir machten sie auf und legten 284 Mil Mikroskop. — Sell'stgofälligleit des Ki Schau. l.17. Kap. den ganzen Inbalt auf einen großen Tisch. Zuerst einige lateinische und französische Bücher, dann chinesische und mongolische, dann kirchliche Ornamente und Gewänder. Rosenkränze. Kreuze, Medaillen »ind eine Sammlung hübscher Lithographien. Dieses europäische Museum wurde neugierig beschaut; man flüsterte einander zu, etwas so Schönes sei noch gar nicht da gewesen, alles weiße Metall sollte Silber, alles gelbe mußte Gold sein. Die TlMetaner steckten vor nns die Znnge ans, die Chinesen machten empfindsame Bücklinge, namentlich unser Beutel mit Medaillen stach ihnen in die Augen. Auch 5er Regent und Ki Echan waren höchlich er. staunt, nicht über das vermeintliche Gold und Silber, sondern über die schönen colorirten Bilder. Der Regent betrachtete sie. mit gefalteten Händen und offcncm Mnnde, und Ki Schan demonstrirte den Anwesenden, die Franzosen sticn die ausgezeichnetsten Künstler der Welt', in Peking sei ein französische? Portraitmaler gewesen, der die Leute so getroffen habe, daß man sich ordentlich hätte fürchten muffen. Ki Schan fragte, ob wir nicht Uhren. Fernrohre und eine Laterna magica hätten. Wir öffneten eine kleine Büchse, nahmen ein Mikroskop bcraus, und setzten die ein;cl« nen Theile zusammen. Ki Schan allein wußte was es war. und erklärte es dem Publicum mit großer Selbstgefälligkeit. Er bat uns irgend ein Thier hineinzuthun, aber wir nahmcn die einzelnen Theile, legten sie wie» der in ihr Kästchen und bemerkten in parlamentarischem Tone: „Wenn wir nicht irren, so sind wir hier um ein Urtheil zu empfangen, und nicht Komödie zu spielen." — „Was Urtheil! Wir wollen enre Sachen untersuchen . um genau zu wissen wer ihr seid, weiter nichts." — „Aber Du sagst ja nichts von den Landcharten!" — ./Allerdings, das ist der Haupt« punkt; wo sind eure Landcharten?" — „Hier sind sie." Wir zeigten sie vor, nämlich eine Weltcharte, eine andere in Mercators Pro, jection und eine Charte des chinesischen Reiches. Der Regent war wie vom Blitz getroffen; er meinte sicherlich, wir wären dem Tode verfallen. Wir aber sprachen zu Ki Schan: „Es ist uns sehr lieb, gerade Dich bier zu treffen; denn wärest Du nicht da, so würde es uns wohl schwer fallen, die thibetanischen Behörden zu überzeugen, daß diese Charten nicht unsere Arbeit sind. Aber ein so unterrichteter Mann wie Du, der so viel von Europa weiß, sieht das leicht." Dieses Compliment schien ihm sehr zu schmeicheln; er wendete sich zum Regenten und äußerte: „Sieh hier, diese Charte» sind nicht mit der Hand gezeichnet, sondern im Königreich Frankreich gedruckt worden. Du kannst das freilich nicht unterscheiden; ich verstehe mich aber schon lange auf die Sachen, welche aus den westlichen 17. Kap.j Wir werden ftcigesprocheu. 285 Landen kommen." Der Regent war secle,lfroh, und blickte uns ver gnügt an. Jetzt konnten wir nickt umhin dem Wunsche Ki Schans und des Regenten zu willfahren; sie wollten geographische Frageil beantwortet haben. Wir zeigten ilmcn auf der mercatorschen Charte die verschiedenen Länder. Der Regent war höchlich erstaunt. daß wir uns so entsetzlich weit von unserer Heimat entfernt hatten > und wie lange wir über Meer und Land gereist waren. um nach Lba Esa zu gelangen. (5r sah uns verblüfft au,, hob den Daumen der rechten Hand empor, und sagte: „Ihr seid Menschen wie das bicr!" Das soll in dcr bildlichen Sprache ausdrücken: ihr seid superlative Menschen. Wir mußtcn ibm die Hauptpunkte in Thibet zeigen, und dann auch Calcutta. Er maß mit der Entfernung von dort nach Lba Ssa mit dem Finger. „Die Pelins sind unserer Grenze ziemlich nabe", meinte er mit Kopfschüttcln, „doch das mackt nichts, denn hier ist das Himalaya Gebirge." Nacbber kam die Reibe an religiöse Gegenstande. Ki Schan wußte von dergleichen Bescheid, denn als Gouverneur von Pe tsche ly hatte er die Christen verfolgt, wußte also was sich auf den katholischen Cultus bezog, und spielte jetzt den Kenner. Der Regent war hocherfreut. daß nichts Verdachtiges unter unseren Sachen sich befand, und warf den Ki Schan etwas boshaft die Frage hin: „Nun, was denkst Du denn von diesen Leute»; was soll mit ihnen geschehen?" — „Diese Männer sind Franzosen, Diener des Himmelsherrn, brave Leute, man muß sie in Frieden lassen." Diese Worte Ki Schans wurden im Saale von einem beifälligen Gemurmel begleitet, und wir sagten aus Herzensgrunde ein Deo Fi-aülis! Die fro lmdpfliÄckgen Leute nahmen unsere Habseligkeitcn und schafften sie nacb unserer Wobnung. Untcnvegs begrüßte uns das Volk ungc. mein freundlich. Wir tbcilten unter die Lastträger einige Tschang ka aus, damit sie auf unsere Gesundheit ein Töpfchen thibetanischen Dünnbiers trinken konnten. Wir sagten, die Franzosen seien großmüthig und ließen Niemand umsonst arbeiten. Nach einiger Zeit erschien der Gouverneur der Katschi wieder; zwei seiner Diener brachten einen Korb mit Speisen. Er hatte fürsorglich unsere Pferde in den Marstall des Regenten bringen lassen, und bemerkte, der Regent wolle sie uns abkaufen. Dann zog er ein Packchen hervor, und legte zwanzig Unzen Silbers auf den Tisch. Wir erklärten, daß unsere Pferde bei weitem nicht so viel werth seien; er blieb aber dabei, daß der Regent sie nun einmal so zu bezablen wünsche, insbesondere auch darum weil sie beiKunbum, der. Heimat Tseng Kaba's, 286 Wir wuhncn in einem Hause des Gouverneurs. s!7. Kap. aus der Weide gewesen seien. Nun hatten wir zwanzig Unzen mehr im Vermögen, konnten großmüthig sei», und gaben zehn davon unserm Eamdadschiemba, der vor Freude hochaufsprang. Der nächste Tag war noch glücklicher. Morgens geleitete uns der Muselmann zum Regenten, dem wir für seine Theilnahme unsern Dank anssprechen wollten. Er nahm uns lingemein wohlwollend auf, und wiederholte, daß wir auf seinen Schutz rechnen könnten; auch durften wir ungehindert im Lande reisen, trotzdem die Chinesen argwöhnisch gegen uns seien. Dann eröffnete er uns, daß er in einem seiner Häuser uns eine gute Wohnung bestimmt habe. Wir nahmen das mit Dank an; er gewählte uns eine hohe Gunst; eine solche Auszeichnung konnte nicht verfehlen, uns einen großen moralischen Ein flnß in Lha Ssa zu sichern und unsere apostolischen Arbeiten leichter zu machen. Die Wohnung fanden wir entzückend, und bezogen, sie noch an dem nämlichen Abend. Vor allen Dingen lichteten wir eine kleine Kapelle her, und schmückten sie mit Bildern aus. Unsere Seele schwamm in Wonne, als es uns endlick vergönnt war öffentlich am Fuße des Kreuzes z» beten, mitten in der Hauptstadt des Buddhismus, in welchem wohl schwerlich je zuvor das Zeichen der Erlösung gestrahlt hatte. Ganz Lha Ssa wollte die Kapelle der französischen Lamas sehen; manche fragten nach dcr Bedeutung der Bilder, verschoben es aber auf ein andermal sich genauer über Iehova's Lehre unterrichten zu lassen; andere aber kamen täglich, und lasen emsig den Inbegriff der christlichen Lehre, welchen wir in Kunbum geschrieben hatten; sie baten uns wir möchten sie die wahren Gebete lehren. Auch die Gesandschastssecretäre Ki Schans besuchten uns. und einer davon erklärte, er sei von der Wahrheit des Christenthums überzeugt, dürfe es aber nicht öffentlich bekennen, so lange er zur Gesandtschaft gehöre. Ein aus der Provinz Inn nan gebürtiger Arzt zeigte mehr Muth. Seit er in Lha Ssa wohnte, hatte er ein so eigenthümliches Leben gesührt, daß man ihn nur den chinesischen Einsiedler nannte. Er ging nicht anders aus als wenn er Kranke besuchte, und meist nur zu Armen, von denen er kein Geld nahm. Zu Reichen ging er nur in dringenden Nothfällen. Er studiite sehr viel, auch des Nachts, schlief wenig, lebte ungemein mäßig, und genoß kein Fleisch. Das sah man ihm wohl an. denn er war knochendürr und batte bei seinen dreißig Jahren schln ganz greises Haar. Als er zu uns kam und ein Bild sah, das die Kreuzigung vorstellte, fragte er barsck. was das bedeuten solle, und wir erklärten es ihm. Da kreuzte er seine Arme. und blieb wohl eine halbe Stunde lang schweigsam vor dem 17. Kap.) Wir predigen dciö Evangelium. 287 Bilde stehen; Thränen traten ihm in die Augen, er erhob die Arme zu Christus empor, fiel auf die Knie. schlug dreimal mit der Stirn auf die Erde. sprang auf und rief: „Das ist der alleinige Buddha , welchen die Menschen anbeten dürfen. Ihr seid meine Lehrer, ich bin euer Schüler." Von da an trug er ein Crucifix öffentlich und verhehlte nicht daß er Cbrist geworden sei. Selbst im Palaste des Regenten arbeiteten wir für die Ant» breitung unseres Glaubens. Mit unserm großmüthigen Wirthe standeil wir auf vertraulichem Fuße; fast jeden Abend lud er uns zum Essen ein und ließ auch einige chinesische Gerichte auftragen, die uns mehr zusagten als die thibctanische Küche. Gewöhnlich unterhielten wir uus mit ihm bis tief in die Nacht. Der Regent war ein Mann von ungewöhnlichen Fähigkeiten, der sich durch seine Tüchtigkeit aus niederm Stande zu der hohen Würde eines Kalon emporgeschwungen hatte. Diese bekleidete er erst drei Jahre lang; vorher hatte er eine sehr beschwerliche Stellung gehabt, Kriegsdienste ge« than, mit Nachbarstaaten Unterhandlungen geführt. und die Hutuktu in den verschiedenen Provinzen überwacht. Trotzdem war er in den lamai« schen Büchern sehr belesen, und galt für gelehrter als alle anderen Lamas. Er arbeitete mit bewundernswürdiger Leichtigkeit, und fertigte die Ge» schäfte ungemein rasch ab. Die schönste thibetanische Schrift, die uns je zu Gesicht gekommeil, war die sciuige. Er sprach gern und viel mit uns über Religionsangelegenheiten. Gleich Anfangs sagte er Folgendes: „Ihr habt eure weiten Reisen zu religiösen Zecken unternommen; ihr thut recht, denn die Religion ist die wichtigste Angelegenheit des Menschen; ich sehe daß darüber Franzosen und Tlnbetauer gleich denken. Wir find anders as die Chinesen, welche die Angelegenheiten der Seele für nichts achten. Indessen ihr habt eine andere Religion als wir; es kommt darauf an zu wissen welche die wahre fti. Wir wollen sie beide richtig und auf« merksam prüfen. Ist eure die bessere. so nehmen wir sie an, denn wie könnten wir uns dessen weigern, Ergicbt sich aber daß die unsere besser sei, so werdet ibr so verständig sein und euch zu ihr bekennen." Von da an pflogen wir Erörterungen. Der Regent, als höflicher Wirth, bestand darauf, daß seine Gäste berechtigt seien ihre Ansichten zuerst vorzutragen. Wir trugen sie vor, er war aber nicht im Mindesten von allem was wir sagten, überrascht. „Eure Religion stimmt mit der unserigen überein; die Grundwahrheiten sind dieselben, nur in der Auslegung und Deutung haben wir Abweichungen. Ihr werdet gewiß vielerlei in dcr Mongolei und Thibet gesehen haben, woran 289 Unsere Unterhaltung mit dem Regenten. si7. Kap. ihr etwas auszusehen findet: ihr müßt aber nicht vergessen, daß die Irrthümer und abergläubigen Bräuche von unwissenden Lamas in Schwana gesetzt worden sind; der unterrichtete Bnddbist verwirft dergleichen." Er wollte nur zwei wesentlich abweichende Punkte annehmen, nämlich über den Ursprung der Welt und über die Seelenwanderung. Die Glaubensansichten des Regenten nadelten sich in manchen Stücken der katholischen Lehre, liefen aber im Allgemeinen auf den Pantheismus hinaus. Er blieb aber dabei, daß wir zu denselben Folgerungen kommen würden, und gab sich große Mühe uns davon zu überzeugen. Das Thibetanischc ist wesentlich erne mystische und religiöse Sprache, in welcher sich alles auf die Gottheit und die menschliche Seele Bezügliche sehr klar und genau ausdrücken läßt. Uns war sie noch nicht recht geläufig, und sehr oft mußte der Gouverneur der Katschis den Dolmetscher machen, der aber metaphysische Ideen uicht geuan wiederzugeben verstand. Der Regent erbot sich mit großer Liebenswürdigkeit uns in unseren tibetanischen Studien zu fördern. und gab uns seinen eigenen Neffen „zum Schüler und zum Lehrer." Er sollte am Tage immer bei uns sein, und uns im Thibctanischen unterrichten, wir dagegen ilm im ssl'inessschen und Mandschu unterweisen. Von nun an malten wir sehr gntc Fortschritte in der Landessprache. Der Ncgent unterhielt sich anch gern über Frankreich. Er war vor Verwunderung außer sich über Alles was wir ilnn von Dampfschiffen, Eisenbahnen, Luftballons, Gasbeleuchtung. Telegraphen, Daguer-reotyp und Maschinen erzählten, und als wir wir einst über Sternwarten und astronomische Instrumente sprachen, bat er uns. ihm das Mikroskop zu zeigen. Wir brachten es mit; erklärten seine Zusammensetzung, und fragten denn ob uickt Jemand so gefällig sein wolle uns eine Laus zu geben. Die war allerdings leickter zu finden als ein Schmetterling. Ein edler Lama. Secvetair Seiner Excellenz des ersten Kalon, brauchte nur unter sein seidenes Gewand zu greifen, um das Gewünschte in einem gutgegliederten Exemplar zu liefern. Wir faßten dasselbe mit der kleine,, Federzange; dagegen erhob der Lama Einsprache, denn er wollte das ganze Experiment verhindern, unter dem Vorwande, daß wir ein lebendiges Wesen zu todten beabsichtigten. Darüber konnten wir ihn beruhigen Als Nlln der Regent das Thier unter dcm Mikroskope sah, rief er: „Tsong Kaba, es ist so groß wie eine Ratte; das siebt ja schrecklich aus!" Alle Anwesenden durften ihre Neugier befriedigen; sie fuhren mit einem Schrei des Entsetzeus zurück. Wir zeigten nachher andere Gegenstände, die weniger Abscheu erregten. Am Ende sagte der Regent: „Eure Eisenbahnen 17. Kap.) Ki Schans Kenntnisse von Europa. 289 und Luftschiffe setzen mich nun nicht mehr in Erstaunen; Menschen die eine solche Maschine wie diese hier erfinden, können Alles machen." Er wollte sogar französisch lernen, und wir gaben ihm ein ABC unter welches wir die thibetanischen Schrittzeichen gesetzt hatten. Es machte ihm große Freude, als er das Wort I.0V^ ?II.I1>N schreiben konnte. Auch mit dem chinesischen Bevollmächtigten Ki Schau standen wir in freundlichem Einvernehmen; er sprach mit uns wie er sagte von müßigen Dingen, nämlich von Politik. Es überraschte uns, ihn über europäische Angelegenheiten so wohl unterrichtet zu finden; besonders viel sprach er von England und der Königin Victoria, und fragte ob Lord Palmerston noch das Ministerium des Auswärtigen bekleide, und was aus Ilü, (Elliot, dem englischen Unterhändler in Canton,) geworden sei. Als wir ibm sagten auch er sei, nach seiner, Ki Schans, Rückberufung nach Eugland heimbefohlen worden, aber weder hingerichtet noch verbannt, äußerte er: «Eure Mandarinen sind glücklicher als wir, und eure Re« gierung ist besser als die unsrige. Unser Kaiser kann nicht Alles wissen, und doch urtheilt er über Alles ab. ohne daß Jemand ihm widersprechen dürfte. Wenn er uns sagt; das hier ist weiß, so werfen wir uns nieder und antworten: ja, das ist weiß. Dann zeigt er uns dieselbe Sache und äußert: Das hier ist schwarz; dann sagen wir: ja das ist schwarz. Wenn man sagen wollte, ein und dasselbe Ding könne doch nicht zugleich schwarz und weiß 'seiu, so würde er vielleicht antworten: Da hast Du ganz recht; aber er ließe einen dann wohl auch erwürgen oder enthaupten. Oh, bei uns giebt es keine Versammlung aller Häuptlinge (Tschung teu y, eine Depntirtenkammer. ein Unterhaus). Wenn euer Beherrscher etwas gegen die Gerechtigkeit unternehmen wollte. so träte euer Tschung teu y ihm entgegen." Ki Schan erzählte uns, in wie seltsamer Weise man 1839 zu Pe» king den Streit mit den Engländern behandelt habe. Der Kaiser berief die acht Tschung tang. welche seinen Geheimen Nath bilden, und befahl die zur See hergekommeneu Abenteurer zu züchtigen, um ein für allemal ein Exempel zu statuiren. Dann fragte er den Geheimen Rath um seine Ansicht. DievicrMandschwRathcsprachen:Tsche. tsche. tsche.Tschu dseti. Fanfu. Ja, ja, ja. das ist der Wille des Herrn. Die vier chinesischen Tschuug tang sagten: Tche, ssche, ssche, Hoang schang ti, tien n g en. Ja, ja, ja. das ist die himmlische Wohlthat des Kaisers! — Das war die ganze Berathung. Die Sache ist authentisch, denn Ki Schan war einer der acht Tschung tang. Er erzählte uns, für seine Person sei er Huc, MonMel. '19 290 Der Buddhismus. — Das Nosenlranzgebet. 117. Kap. überzeugt gewesen, daß die Chinesen mit den Europäern keinen Krieg mit Aussicht auf Erfolg führen könnten, so lange sie ihre Bewaffnung nnd Kriegführung nicht ganzlich andern, aber er werde sich wohl hüten das dem Kaiser zu sagen, denn der Rath werde vergeblich sein und könne ihn vielleicht das Leben kosten. Unser gutes Einvernehmen und der lebhafte Verkehr mit dem Regenten, dem chinesischen Gesandten nnd dem Gouverneur der Katschi gab uns eine sehr geachtete Stellung. und täglich nahm die Anzahl Derer zn. welche uns besuchten und vom Christenthum etwas hören wollten. Das waren gute Aussichten; nnr betrübte es uns, daß wir nicht auch die Feste unserer Kirche mit Pomp und Pracht feiern konnten. Die Thibctaner sind, wie schon bemerkt, sehr religiös, aber nicht zum Mysti. cismus geeignet, mit Ausnahme einiger beschaulichen Lamas, die auf Ber, gen und in Höblen wohnen. Sie verschließen ihre Andacht nickt in der Tiefe ihres Herzens, sondern geben sie gern durch äußerliche Handlungen kund. Daher find die Pilgerfahrten, die geräuschvolle» Ceremouien in ihren Klöstern, das Niederwerfen auf ihren platten Hausdächern ganz nach ihrem Geschmack. Sie haben stets den Rosenkranz in der Hand, und murmeln Gebete auch wenn sie anderweit beschäftigt sind. In öha Ssa herrscht ein rührender Brauch. Wenn der Tag sich neigt, ruht ein Jeder von der Arbeit aus, lind Männer, Weiber und Kinder versammeln sich, nach Geschlecht und Alter verschiedene Gruppen bildend, iu den einzelnen Stadtvierteln auf öffentlichen Plätzen. Alle kanern nieder und singen mit halblauter Stimme Gebete ab. Diese religiösen Concerte so vieler zahl« reichen Andächtigen tönen in mächtiger Harmonie durch die ganze Stadt, und haben etwas unendlich Ergreifendes. etwas wunderbar Feierliches. Als wir zum ersten Male Zeugen dieses Schauspiels waren. stellten wir Vergleiche an zwischen dieser heidnischen Stadt, wo Alle gemeinschaftlich beten, nnd den Städten Europa's, wo man sich schämt öffentlich ein Kreuz zu schlagen. Die Gebete welche die Thibetaner bei diesen Abendversammlungen singen, sind in den einzelnen Jahreszeiten verschieden; das Rosen« kranzgebet ist aber immer dasselbe und besteht nur aus den zehn Sylben Om,manivadmel)um. Diese Formel nennen die Buddlnsten abgekürzt Mani; sie ist in aller Munde, und mau findet sie überall ange. schrieben, auf Straßen und Plätzen und an den Zimmerwänden. Alle Wimpel auf den Dächern und über den Hausthüren sind mit einem Maui in Landza, Mongolisch und Thibetanisch bedruckt. Manche recht eifrige Buddhisten unterhalten auf ihre Kosten eine Anzahl von Lamas, die sich 17. Kap.1 Die heilige Fonncl dcs Main. 291 auf Sculptur verstehen, und den Auftrag erhalten überall den Mani anzubringen. Man sieht diese eigenthümliche Classe von Missionären sehr häufig; sie ziehen mit Hammer und Meißel über Berg und Thal und durch die Wüste, um auf lose liegenden Steinen oder au Felsen die heilige Formel anzudringen. Nach Klavroths Ansicbt ist Om, manipadme h u m uur die thibetanischc Umschreibung eiuer Sanskritformel, die aus Indien uach Thibet kam. Der berühmte Hindu Tonmi Sambhodha führte um die Mitte des siebenten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung den Ge» brauä, der schriftzeichen in Thibet ein. Aber das Landza-Alphabet, welches er Anfangs gebrauchte, schien dem König Srong Bdzan Gombo zu ver-wickelt uud schwierig. er forderte deshalb jenen Hindu auf ein anderes zu erfinden, das leichter zu erlernen und der thibetanifcheu Sprache angemessener sei. Toumi Sambhodha mied nun eine Weile allen menschlichen Umgang, und ersann die thibetanischen Charaktere, die noch jetzt im Gebrauch sind; er nahm die Sanskritzeichen zum Muster und Vorbild. Auch weihte er den König in die Geheimnisse des Buddhismus ein, und lehrte ihn die Formel Om,mani padme hum, welche dann rasch über ganz Thibet und die Mongolei sich verbreitete. Im Sanskrit hat sie einen vollftändi» gen Sinn, eine Bedeutung die nicht bezweifelt werden kann; im thibetani-schcu Idiom ist das nicht der Fall. O m ist bei den Hindus der mystische Name der Gottheit, mit welchem alle Gebete beginnen; er besteht aus A, dem Namen Wiscbnu's; O, dem Namen Siwa's, und M dem Namen Brahma's. Diese geheimnißvolle Partikel ist auch so viel wie die Ausrufung o! und drückt eine tiefe religiöse Ueberzeugung aus; sie ist eine Art Glaubensbekenntniß. Mani bedeutet Juwel, kostbare Sache; Padma den Lotus; vadm« ist der Vocativ desselben Wortes; hum eine Partikel welche Wunsch. Verlangen ausdrückt; es entspricht etwa unserm Amen. Die wörtliche Bedeutung dieser Phrase wäre demnach: Om. mani padme hum! O. der kostbare Schatz im Lotus, Amen! Die Buddhisten in Thibet und in der Mongolei haben sich mit dieser klaren Bedeutung nicht begnügt, sondern ihre Einbildungskraft gemartert um für jede der sechs Sylben eine mystische Auslegung zu finden. In einer unzähligen Menge dicker Bücher jagt eiue ausschweifende Deutung die andere, um den berühmten Mani zu erklären. Den Lamas zufolge ist die in jenen wundervollen Worten enthaltene Lehre unermeßlich, und ein ganzes Menschenleben reicht gar nicht aus ihren Umfang und ihre Tiefe zu ergründen. Der Regent gab uns folgende Auskunst. Die belebten 19* 292 Erklärung dcr Maüi-Funnel. si7. Kap. Wesen, thibetanisch Semdschan, mongolisch Amitan, zerfallen in sechs Classen: die Enge!, die Dämonen, die Menschen, die vicrfüßigen, die fliegenden und die kriechenden Thiere; zu der letztern Abtheilung gehören auch die Fische und überhaupt alle Thiere welche weder fliegen noch vierfüßig sind. Diese sechs Classen der belebten Wesen entsprechen den sechs Sylben der Formel Oiu, mani padme bum. Die belebten Wesen haben einen Umlauf vermöge ununterbrochener Wandelungen, Trans-migrationen, je nach ibrem Verdienst oder NichtVerdienst, in jenen sechs Classen, bis sie endlich den Höhepunkt der Vollkommenheit erreicht haben. Dann gehen sie anf und verlieren sich in die große Essenz, in die Wesenheit Buddha's,, das heißt in die ewige allgemeine Urseele, von welcher alle Seelen ausströmen und mit welcher alle Seelen sich wieder vereinigen, wohin sie zurückfließen, nachdem sie ihre zeitlichen Wandelungen vollendet haben. Die beseelten Wesen besitzen, je nach der Classe welcher sie angehören, Mittel um sich zu heiligen, in eine höhere Classe aufzusteigen, die Vollkommenheit zu erschwingen, und endlich an das Ziel der Absorption zu gelangen. Die Muschen welche recht oft und mit voller Andacht das Om, ma'ni padme hum hersagen, bewirken dadurch, daß sie nach ihrem Tode nicht in die sechs Classen zurückfallen, sondern gehen ein in die Fülle des Wesens, indem sie in die ewige allgemeine Seele Buddha's sich verlieren. Wir wissen nicht, ob diese Erklärung welche uns der Regent selber gab, von den gelehrten Buddhisten in Thibet und der Mongolei allgemein angenommen wird. Vielleicht hat sie eine gewisse Aehnlichkeit und Uebereinstimmung mit dem buchstablichen Sinn: O, Juwel im Lotus, Amen! Das Juwel ist Sinnbild der Vollkommenheit, der Lotus das des Buddha, uud so sollen vielleicht diese Worte den Wunsch nach Erreichnng der Vollkommenheit ausdrücken, um vermittelst derselben mit Buddha wieder vereinigt zu werden, in der allgemeinen Urseele aufzugeheu. Dann ließe sich der Sinn etwa ausdrücken: „O. möchteich die Vollkommenheit erlangen, und in Buddha aufgehen, Amen!" Nach der Auslegung des Regenten wäre der Mani gewissermaßen der Inbegriff eines allumfassenden Pantheismus, der die Grundlage der buddhistischen Glaubensmcimmgcn bildet. Die gelehrten Lamas sagen: Buddha (Gott) ist das nothwendige, unabhängige Wesen, der Anfang und das Ende aller Dinge. Erde. Gestirne. Menschen, alles Vorhandene ist eine thcilweise und zeitweilige Qffcnbanmg Vnddha's. Dieser hat Alles geschaffen; Alles kommt von ihm, wie das Licht von der Sonne kommt. Alle von Buddha 17. Kap.) Die bcnchmtcstcn kbondli, Buddhas. 293 ausströmenden Wesen haben einen Anfang gehabt und werden auch ein Ende haben, nnd mit derselben Nothwendigkeit mit welcher sie vom Ur-wesen ausströmen, weiden sie auch in dasselbe zurückfließen. Buddha ist ewig. seine Offenbarungen sind ewig; sie sind stets gewesen und werden immer sein, obwob/ si^ m?M? gmemmett, asse ec'ttecl Anfang und ein Enbe haben muffen. Außerdem aber nebmen die Buddhisten noch eine un< begrenzte Anzahl von Fleischwerdungen, Incarnationen, der Gottbeit an, ohne sich eben viel darum zu kümmern, ob dieselben mit dem vorher Gesagten sich vereinigen lassen oder nicht. Tie sagen, Bnddha nehme einen Menschenleib au und wohne nnter den Menschen, um ihnen zur Erlangung der Vollkommenheit behilflich zu sein, und ihnen die Vereimguug mit der Urseele zu erleichteru. Diese lebenden Buddhas bilden die schon oft erwähnte zahlreiche Classe der Schaberons. Die berühmtesten lebenden Buddhas sind: in Lha Ssa derTaleLama; in Dschaschi Lmnbo der Bandscham Rembutschi; in Groß-Kuren der Guison Tamba; in Peking der Tschang Kia fo, der eine Art Beichtvater am kaiserlichen Hofe ist; sodann im Lande der Ssamba, am Fuße des Himalaya der S a D sch a F o. Die Aufgabe dieses Letztern besteht hauptsächlich darin, Tag nnd Nacht zu beten, damit unaufhörlich auf dem Himalaya Schuee falle. Denn uach den thibetauischeu Ueberlieferungen wohut jenseit des Gebirges ein wildes grausames Volk, das nur zuwartet bis der Schnee weg ist, um über Thibet herzufallen, die Bewohner zu todten und das Land in Besitz zu nehmen. Alle Schaberons ohue Ausnahme sind lebende Buddhas; aber sie bilden doch eine Hierarchie mit Abstufungen; am höchsten steht der Tale Lama, deffen Suprematie alle anderen aunkennen, oder doch anerkennen sollten. Als wir uns in Lha Ssa befanden, war der Tale Lama ein Knabe von nenn Jahren; und seit sechs Jahren residirte er bereits im Palaste ans Buddha La. Er ist von Geburt ein Si fan. und gehört einer armen unbekannten Familie im Fürstenthum Ming tschen tu sse an. Nachdem der Tale Lama seine irdische Hülle abgelegt bat, schreitet man in folgender Weise zur Wahl seines Nachfolgers. I„ allen Klöstern wird gebetet nnd gefastet, und namentlich steigern die Bewohner von Lba Vsa. die bei der ganzen Angelegenheit am meisten bctl'ciligt sind, Lifer und Andacht; sie wallfahrten um den Buddha La und um die „^tadt der Geister"; jede Hand dreht deu Tscku Kor, man hört ükrall und Tag uud Nacht die heilige Formel des Mani hersagen; es wird doppelt und dreifach so viel Näucherwerk als zu anderen Zeiten verbrannt. Wer den 294 Notizen i'ibcr den Talc Lama. sl7. Kap. Tale Lama in seiner Familie zu besitzen glaubt, giebt den Behörden davon Kunde, damit sie prüfen können ob das Kind die Eigenschaft eines Scha-beron besitze. Drei als solche anerkannte Knaben werden nach Lha Ssa gebracht, wo die Hutuktu ein Wahlcollegium bilden. Sie bleiben — wie die Cardinäle im Conclave — in einem Tempel auf dem Bnddha 3a eingeschlossen, und zwar sechs Tage lang, nnd fasten und beten. Am siebenten Tage wird eine goldene Urne aufgestellt; in derselben liegen drei goldene Plättchen, jedes mit einem Namen bezeichnet. Die Urne wird umgeschüttelt, der Aelteste oder Vorsteher der Hutuktu zieht eins von den drei Plättchen heraus, und der Knabe, dessen Name gezogen worden ist. wird ohne Weiteres und auf der Stelle zum Tale Lama ausgernfeu. Dann führt mau ihn mit großem Gepränge in den Straßen der „Geister ftadt" daS heißt Lha Ssa's umber; das Volk wirft sich vor ihm nieder, und er nimmt Besitz von seinem Heiligthum. Die beiden anderen Wickelkinder welche um die Würde eines buddhistischen Papstes concurrirten, weiden ihren Familien zurückgegeben und erhalten jedes fünfhundert Unzen Silber von der Negierung. Die Thibetaner und Mongolen verehren den Tale Lama wie eine Gottheit; er übt auf das Volk einen wahrhaft erstaunlichen Einfluß. Man ist aber viel zu weit gegangen, wenn man behanptet hat. daß seine Excremente mit Andacht gesammelt, und Amulete daraus bereitet würden, welche der Fromme in einem Säckchen um den Hals hänge. Eben so un< wahr ist die Angabe, der Tale Lama habe um Kopf und Hals Schlangen, um auf die Gläubigen einen desto gewaltigern Eindruck zu machen. Wir haben über Alles das in Lha Ssa vielerlei Nachfrage gehalten, die Lente haben uns aber ins Gesicht gelacht. Man kann doch nicht wohl annehmen, daß alle Welt, vom Regenten bis zu dem Mann hinab von welchem wir Argots kauften, ein Uebereinkommen getroffen hätten, uns die Wahrheit zu verhehlen. Den Tale Lama selbst haben wir nicht gesehen. Im Allgemeinen können Andächtige oder Nengierige ohne Schwierigkeit seines Anblickes theilhaftig werden; wir kamen durch einen wunderlichen Vorfall um denselben. Der Regent hatte versprochen nns nach Buddha La zu führen, und wir waren im Begriff dorthin zu gehen, als man sich plötzlich einbildete, wir würden dem Tale Lama die Blattern mittheilen! Diese Krankheit war allerdings in Lha Ssa ausgebrochen. und wahrscheinlich von der großen Pekinger Karawane eingeschleppt worden, eben derselben mit welcher wir gekommen waren. Man bat uns den Besuch zu verschieben. Die Thibetaner haben vor den Blattern eine unaussprechliche Furcht, und 17. Kav.I Blattern. — Vegnibnißgelnäüche. 295 sie richten fast in jedem Jahre in Lha Tsa große Verheerung an. Die Negierung hat kein anderes Gegenmittel als die Kranken ihrem Schicksal zu überlassen. Sobald sie in irgend einem Hanse ausbrechen, müssen alle Bewohner dasselbe verlassen und sich auf die Verge oder in die Wüste be» geben, wo sie vor Hunger uud Elend sterben, da Niemand mit ihnen verkehren darf; manche werden voll wilden Thieren zerissm. Wir gaben dem Regenten Kunde von der Blattcrimpfung, und ein Theil seiner Gewogenheit gegen uns kam wohl auch mit daher, daß er hoffte, wir wurden künftig einmal die Pockenimpfung in Thibet einführen. - Ein Missionair der so glücklich wäre die Impfung in Thibet einzuführen, würde dort uu< geheuern Einfluß gewinueu und vielleicht im Stande sein, es mit dem Tale Lama selber aufzunehmen; ja sie wäre vielleicht das Signal zum Ruin des Lamaismus. Aussatzige und Krätzige giebt es in Lha Ssa viele, weil bei der herrschenden Unreinlichkeit, namentlich der niederen Classen, Hautkrankheiten gar nicht ausbleiben können. Auch Wasserscheu kommt vor, und man muß sich nur wuudern, daß sie nicht allgemein verbreitet ist. Denn in den Straßen läuft eine so ungeheure Menge hungriger Hunde umher, daß die Chinesen spöttisch bemerken, die drei Hauptcrzeugnisse der Haupt» stadt von Thil'et seien Lamas, Weiber und Huudc; Lama, Ua teu, K e u. Die Thibetaner haben einen großen Respect vor diesen Thieren, welche bei ihnen, wenn man so sagen darf, Todtengräberdienste verrichten. Es giebt vier verschiedene Arten der Leichcnbestattung; man verbrennt den Todten; oder man versenkt ihn in Flüssen oder Seen; oder mau setzt ihn aus der Höhe eines Berges aus, oder endlich, und man hält das für die ehrenvollste Art, die Leiche wird in Stücke zerschnitten und zum Fraß den Hunden vorgeworfen. Diese Methode wird am häufigsten befolgt. Für die Armen ist der Hund in den Vorstädten Todtengräber; der Reiche läßt aus deu Klöstern Hunde kommen, die dort als geheiligte Thiere zu dem angegebenen Zwecke gehalten werden. Der Gebrauch die Todten von Hunden auffresse» zu lassen ist übrigens in Asien uralt. Strabo erzählt, daß er bei den nomadischen Skythen, und bei den Eogdianern und Vaktrianern geherrscht habe; Cicero meldet dasselbe von den Hyrcanicrn und Justin von den Parthcrn. 296 Von Lha Ssa nach Europa. — MiStrauen Ki SchauS. s18. Kap. Rchtfchntes Kapitel. Von Lha Ssa nach Nnropa. — OrörternnaM mit dem chinessschei, Oc-sandten und dessen Zwist mit dcm Regenten. >— Unsere Ansireisung wird befohlen. — VcriäitKi 2cl,ans an den Kaiser. — Die thibetanisch'e Zeitrechnung. — Nenjaln'. — Pnddbistische Klöster in der Provinz M. — Khaldail, Prebnn^, i^era. — Abschied vom Regenten. — Trennung von Samdadschicmba. — Abreise von Lha Ssa nach Canton. Die Leute sprachen mit Achtung von der heiligen Lehre Iehova's und vom großen Staate Frankreich. Wir waren aber kaum erst einen Monat in Lha Ssa. Wir lebten in Ruhe und Frieden; die Regierung gewährte uns wohlwollenden Schlch, das Volk bewies uns Theilnahme, und wir durften wohl hoffen, in der Hauptstadt des Buddhismus selbst eine Mission zu gründen, die ihren Einfluß auf die Mongolen nicht ver» fehlen würde. Gleich nachdem wir in Lha Ssa festen Fuß gewonnen, dachten wir daran uns mit (5uropa in Verbindung zu setzen. Der Weg durch die Wüste war dafür nicht geeignet, weil er, von allem andern abgesehen . zu lange Zeit in Anspruch genommen hätte. Dagegen konnten wir wohl hoffen. Nachrichten über Indien zu befördern, denn von Lha Ssa bis zu den nächstgclegenen englischen Posten, braucht man etwa achtundzwanzig Tagereisen. Hatten wir dort einen Correspondenten nnd einen andern in Calcutta, so wurde die Verbindung mit Frankreich zwar nicht rasch nnd leicht, aber sie war doch möglich, jedoch nur mit Hilfe der thibetamschen Regierung. Wir theilten unsern Plan dem Regenten mit; er war einverstanden, und es wurde beschlossen, daß Herr Gäbet, mit einer thibetanischen Bedeckung die ihn bis Butan zu geleiten hatte, nach Calcutta abreisen sollte, sobald die gute Jahreszeit eingetreten ware. Aber nun kamen uns allerlei Dinge zuObren, aus welchen wir abnehmen konnten, daß der chinesische Gesandte uns fortschaffen wolle. Die Sache konnte uns nicht befremden; wir hatten vom Anfang au gewußt, daß nur allein die Mandarinen uns Schwierigkeiten in den Weg legen würden. Ki Schan war mistrauisch und eifersüchtig; er konnte nicht zugeben, daß Fremde mit ihrer Religion in Thibet festen Fnß gewännen, nachdem beide in China verfolgt und verboten worden waren. Deshalb wollte er uns ausweisen. . Er ließ uns zu sich rufen. Nach mancherlei schönen Worten äußerte er: Thibet sei für uns zu kilt und zu arm; wir müßten wohl daran 1st. Kap.) Erörterungen mit dem chinesischen Gesandten. 397 denken nach Frankreich zurückzukehren. Er sagte das in einer Weise als ob sich die Sacke obne Weiteres von selbst verstehe. Wir fragten aber, ob er uns einen Nath gebe oder einen Befehl ertheile. „Weder das Eine noch das Andere," entgegnete er trocken. — „Nun. dann danken wir Dir für das Interesse, welches Du uns zeigst, indem Du uns sagst, daß Thibet kalt und arm sei. Aber Du solltest auch wissen, daß Männer wie wir weder Reichthum nock Bequemlichkeit suchen, denn sonst wären wir in unserm Vatcrlande geblieben, dem kein anderes Land gleich kommt. Wir antworten Dir: Die Ortsbehörde hat uns den Aufenthalt in Thibet gestattet, und wir erkennen weder Dir noch irgend emcm Andern, das Recht zu, uns zu beunruhigen." — «Wie. ihr Fremdlinge wollt noch länger hier verweilen?" — „Iawobl; wir wissen, daß Thibet andere Gesetze hat als China. Die Pebun, die Katschi und Mongolen sind Aus« länder wie wir, und doch leben sie unbelästigt hier. Was soll also die Willkür bedeuten, mit der mau Franzosen aus einem für ^Ue Nationen geöffneten Lande verjagen will? Wenn die Fremden Lha Ssa räumen sollen, weshalb bleibst denn Du? Schon der Titel eines K i n Tschal, d. h. Gesandten, besagt doch klar genug daß Du selbst »ur ein Ausländer bist!" Ki Ecban sprang von seinem karmoisinrothen Polster auf. „Ich ein Ausländer, ein Fremdling; ich. der die Oewalt des großen Kaisers vertritt? Wer bat denn noch vor Kurzem über den Nomekhau abgeurtheilt uud ihn ins Exil geschickt?" — „Wir kennen die Geschichte mit dem Nomefhan. Der war aus Kau Su. einer chinesischen Pro» vinz; wir aber sind aus Frankreich, wo Dein großer Kaiser nichts zu gebieten hat. Der Nomekhan bat drei Tale Lamas ermordet, aber wir haben keinem Menschen etwas zu Leide gethan. Haben wir etwa einen andern Zweck als die Menschen den wahren Gott zu lehren uud sie zu unterweisen wie sie ihr Seelenheil in Acht nehmen?" — „Ich habe euch ja schon gesagt, daß ich euch für rechtliche Leute halte; aber eure Religion ist von unserm großen Kaiser für uichten. Ich bin hierher geschickt worden, um den Tale Lama zu verthei« digen; darf ich Menschen in Lha Ssa dulden, die so subversive Lehren verkündigen? Wer wird verantwortlich gemacht, wenn sie einmal so tiefe Wurzel geschlagen haben, daß man sie nicht mehr ausrotten kann? Was hätte ich dem großen Kaiser zu entgegnen, wenn er mich der Nachlässigkeit und Feigheit beschuldigte? Ihr Thibetaner, — so sprach er, sich direct zum Regenten wendend, — begreift nicht, um eine wie ernste Angelegen. 18. Kap.) Zwist des Gesandten mit dem Regenten. 299 heit es sich handelt. Weil diese beiden Männer tugendhaft und ohne Tadel sind. so glaubt ihr sie seien nicht gefährlich. Ihr seid im Irrthum; denn bleibe^sie noch lange in Lha Tsa so werden sie ench bald verstrickt haben. -Unter euch ist keiner, der in religiösen Erörterungen mit ihnen es aufnehmen könnte. Ihr würdet ihren Glauben annehmen, und dann wäre der Tale Lama verloren. Der Negent theilte diese Besorgnisse nicht. Er sagte: „Wenn die Lehre dieser Männer falsch ist. so werden die Thibetan« sie nicht annehmen ; ist sie aber eine wahre, was haben wir dann zu fürchten? Was für Schaden könnte die Wahrheit bringen? Diese beiden Lamas aus Frankreich haben nichts Böses gethan, und sind gegen uns von den besten Absichten beseelt. Wie können wir sie ohne Grund der Freiheit und des Schutzes berauben, die wir allen Fremden und insbesondere den Männern des Gebets zutheil werden lassen? Dürfen wir uns eine offenbare Ungerechtigkeit zu Schulden kommen lassen, aus eingebildeter Furcht vor einem Unglück das etwa eintreten könnte?" — Ki Schan warf dem Regenten vor. er vernachlässige die Interessen des Tale Lama, und der Regent beschuldigte Jenen, er benutze die Minderjährigkeit des Tale Lama um die thibetanische Regierung zu tyrannisiren. Wir nnserevftits erklärten nachdrücklich. daß wir außer Stande seien die Autorität des chinesischen Mandarinen anzuerkennen; wir würden das Land nicht ohne einen ausdrücklichen Befehl vom Regenten verlassen. Dieser aber versicherte, daß er einen solchen sich nicht abzwingen lassen werde. Allein der Streit wurde täglich heftiger. und am Ende nahmen die Dinge eine solche Wendung, daß wir nns verpflichtet erachteten nicht länger zu widerstreben, weil andern Falls vielleicht ernsthafte und unheilvolle Zerwürfnisse zwischen China und Thibet unausbleiblich waren. In diesem Falle hätte man uns für alles Unglück verantwortlich gemacht, und wir wären auch den Thi-betanern unliebsame Gäste gewesen; dadurch hätte die Einführung des Christenthums nicht gefördert werden können. Es war also am zweck« mäßigsten. daß wir unser Haupt beugten und mit Entsagung uns verfolgen ließen. Unser ganzes Benehmen konnte den Thibetanern den Beweis liefern, daß wir in friedlicher Absicht gekommen waren. Auch kam uns die Erwägung, daß gerade ein so tyrannisches Verfahren der Chinesen wohl für die Zukunft den christlichen Missionairen in Thibet förderlich sein könne. In unserer Unschuld meinten wir ferner, daß die französische Regierung dergleichen Uebergrisse nicht ungerügt lassen werde. Wir gingen also zum Regenten und erklärten ihm, daß wir zur 300 Unsere Ausweisung wird befohlen. >M Kap. Abreise entschlossen feien. Er war sehr niedergeschlagen und verlegen. Es sei sein lcbbafter Wunsch gewesen uns einen rnbigen Aufenthalt in Thibet zn sichern, aber er könne sick nicht anf seinen Souveraii^ stützen und sei für sich aNein zu schwach der Tyrannei der Chinesen Obstand zu leisten; sie benutzten seit Jahren die Minderjährigkeit des Tale Lama um sich unerhörte Rechte anzumaßen. Wir dankten ihm für sein Wohlwollen und begaben uns zu Ki Schan, sagten ihm wir seien entschlossen abzureisen, müßten aber gegen eine solche Beeinträchtigung unserer Rechte protestire.,. „Ja. ja, ihr könnt nichts Besseres thun. als euch sortzu« machen; das wird gut sein für ench, für mick, fnr die Thibetaner, für Jedermann." Er fügte hin^u, daß er schon alle nöthigen Vorkehrungen getroffen habe; der Mandarin und die Neisebedeckung sei bereits bezeichnet. In acht Tagen, das sei gleichfalls schon abgemacht, müßten wir aufbrechen, und zwar nach der chinesischen Grenze hin. Das Letztere war grausam; wir hatten eine Reise von acht Monaten vor uns, während wir die Grenze Indiens in fünfundzwanzig Tagcmärschen erreichen konnten, und von dort der Weg nach Calcutta ohne alle Gefahren war. Aber Gegenvorstellungen und eben so alle Bitten um einigen Aufschub, damit wir uns vor einer so langen beschwerlichen Reise noch eiwas erholen könnten, blieben fruchtlos. In ernster Weise erk arten wir darauf, daß wir alle diese Barbareien zur Kunde der scanzösischei! Regierung bringen würden, woraus Ki Schan entgegnete: es kümmere ihn nicht was diese denken oder thun werde; er richte sich nur nach dem Willen seines Kaisers. „Wenn mein Herr und Gebieter erführe, daß ich zwei Europäern erlaubt hätte, ungehindert die Religion des Himmelsherrn in Thibet zu verkündigen, so wäre ich verloren; diesmal würde ich dem Tode nicht entrinnen." Am andern Morgen theilte er uns einen Bericht mit, welchen er über unsere Angelegenheit an den Kaiser abstatten wollte. „Ich wollte ihn," sprach er, „nicht abgehen lassen, ohne ihn euch vorzulesen, damit nicht "etwa eine Ungenauigkeit darin enthalten wäre, oder ein Wort das euch misfallen könnte." Ki Schan war jetzt, nachdem er seinen Zweck erreicht hatte, sehr liebenswürdig. Der Inhalt des Berichts war übrigens von gar keiner Bedeutung: er sagte über uns nichts Gutes und nichts Böses, und enthielt eine trockene Aufzählung der Länder, welche wir seit unserer Abreise von Macao durchzogen batten. «Steht ench der Bericht an, habt ihr etwas dagegen einzuwenden?" fragte Ki Schan. Herr Huc antwortete, er habe eine sehr wichtige Bemerkung zu machen. „Rede, ich höre Deine Worte." — „Was ich zu sagen habe. geht nicht uns an, wohl aber Dich, 18. Kap.) Bericht Ki Schans au den Kaiser. 301 und zwar sehr nahe, ich möchte es Dir insgeheim mittheilen; laß Deine Leute abtreten." — „Diese Lentc sind meine Diener; ich habe nichts zu besorgen/ — „Gut, denn; sag nachher Deinen Leuten was ich Dir mittheile; ich werde aber nicht in ihrem Beisein reden." — „Die Mandarinen dürfen nicht insgeheim mit Ausländern verhandeln, das ist gesetzlich verboten." — „Dann freilich habe ich Dir weiter nichts zu sagen; schicke also den Bericht ab so wie er ist; wenn Dir aber Unheil darans erwächst, so ist das Deine eigene Schuld." Jetzt wurde er doch nachdenklich, nahm mehrere Prisen Tabak rasch hintereinander, und besabl dann seinen Leuten sich zu entfernen. Nun sagte Herr Huc: „Jetzt wirst Du begreifen wie viel daran liegt, daß Niemand hört was ich Dir sage, und daß wir keine gefährlichen Leute sind, denn wir wollen auch Denen keinen Schaden zufügen, die uns verfolgen." Ki Schan wurde blaß uud verlor seine Fassung; er sprach: „(irkläreDich; rede weise, klare Worte; was willst Du sagen?" — „In Deinem Berichte steht eine Uugenauigkcit. Du läßt mich mit meinem Bruder Ioscvh Gäbet zu glcichcr Zeit von Canton abreisen; ich bin aber erst vier Jahre später nach China gekommen." — „Oh, wenn's weiter nichts ist, das läßs sich leicht abändern." —>„Ia wohl, ganz leicht. Du sagst, der Bericht sei für den Kaiser, nicht wahr?" — „Allerdings." — „Nun dann mußt Du dem Kaiser auch die volle und ganze Wahrheit sagen.- — „Jawohl, die ganze Wahrheit, wir wollen jene Aenderung vornehmen. Wann bist Du uach China gekommen?" — „Im zwanzigsten Jahre Tao Kuangs (1846)." Ki Schan schrieb das mit seinem Pinsel an den Nand. Hnc fuhr fort: „Ich kam in jenem Jahre, im zweiten Monat in diese Provinz, in welcher Du damals Vicekönig warst. Nun, weshalb schreibst Du das nicht ans? Der Kaiser muß die gauze, die volle Wahrheit wissen." Ki Schan zuckte mit dem Gesicht. „Begreifst Du nun, weshalb ich insgeheim mit Dir reden wollte?" — „Ja. ich weiß, die Christen sind nicht bösartig. Weiß Jemand hier um die Sache?" — „Kein Mensch." Ki Schan zerriß den Bericht, schrieb, einen andern in welchem die Angaben nber unsere Ankunft in China fortgelassen, wir aber sehr gelobt wnrden als gelehrte und heilige Leute. Laut Ki Schans Befehl sollten wir nach dem thibetanischen Neu-jahrsfcst abreisen. Wir waren vor noch nicht zwei Monaten in Lha Tsa angekommen und hatten dort schon zweimal Neujahr gefeiert, einmal das europäische und einmal das chinesische; nun kam die Ncihe an das thi< betanische. In Lha Ssa rechnet man allerdings das Jahr wie in China nach dem Mondssystem, aber die Kalender stimmen darum doch nicht 302 Die thibetanische Zeitrechnung. ^18. Kap. überm,, dtim jener von Lha Ssa ist immer einen Monat hinter jenem von Peking zurück. Au merk. Die Chinesen, Mongolen und die meisten anderen Volker Ostasiens haben einen sesl'zi'gjähri^enCyclus, der aus zehn Zeichen besteht, welche sie Stämme nennen, und ans zwölfen die Zweige heißen. Bei den Mongolen nnd Thibetancrn werden die Zeichen des zehnjährigen Cyclus mit dem Namen der fünf Elemente bezeichnet, dcu man zweimal setzt, oder mit dem Namen der fünf Gnindfarben uud deren weibliche» Nn« ancen; der zwölfjährige Cyclns wird durch zwölf Thiere bezeichnet. Zehnjähriger Cyclus. Zwölfjähriger Cyclus. Um den scchzigjährigen Cyclus zu bilden, combinirt man die beiden ersten Cyclen auf folgende Weise: Sechzigjahriger Cyclus. Mongolisch. 1. Moto fnlukhana, Holzmaus. 2. Moto nkhere, Holzochs. 3. Gal bara, Feuertiger. - 4. Gal tole, Fenerhase. 5. Scher6 lu, Erddrache. 6. Schere mokhä, Erdschlange 7. Temur muri, Eiseupfcrd. 8. Temnr khni, Eisenwidder. 9. Ussu betschi, Wasscraffe. 10. Ussu takia, Wasserhuhn. 11. Moto nokhc, Holzhund. 12. Moto khakhö. Holzschwein. Mongolisch. 13. Gal khululhana, Feuermaus. 14. Gal ulhere. Feuerochs. 15. Schere bara, Erdtiger. 16. Scherä tole, Erdhase. 17. Tcmur ln, Eisendrache, 18. Temnr moth«, Eisenschlange. 19. Ussu mori, Wasserpferd. 20. Ussu khui, Wasserwidder. 21. Moto bctschi. Holzaffe. 22. Moto takia, Holzhlchn. 23. Gal uokhe, Feuerhund. 24. Gal fhalhe, Feuerschweiu. Mongolisch. Tl,idctanisch. Mongolisch. Thil'ctanisch. 1. Moto Scheug Holz. — Klnilukhana Schiwa Maus. 2. ., „ „ — Ukherc i^ang Ochs. 3. Gal ML Feuer. — Bara Tak Tiger. 4. „ „ „ — To 16 31 en Hase. 5. Scher« Sa Erde. — Lu Dschuck Drache. 6 „ „ „ — Molhe Phrul Schlange. 7. Temur Dschack Eisen. — Mori Nta Pferd. 8. „ „ ., — Kbni ' Luk Widder. 9. Ussn Tschon Wasser. - Betschi Prmi Affe. 10. .. „ „ — Takia Schia Huhn. 11. — — — — Nofhe Dschi Hund. 12. — — — — Khalh6 Phak Schwein. 18. Kap.I Die thibetanische Zeitrechnung. 303 Mongolisch. 25. Schere kulukhaua, Erdmaus. 26. S6)cre ukhcre, Erdochs. 27. Temur bam, Eisentigcr. 28. Temur tol<^, Eisenhase. 29. Nssu lu. Wasscrdrache. 30. Uffu mokh«, Wasserschlange. 31. Moto mori. Holzvferd. 32. Moto khm, Holzwidder. 33. Gal bctschi. Feueraffe. 34. Gal takia, Fcucrhuhn. 35. Schere nolhe, Erd Hund. 36. Schere khakhä, Erdschwein. 37. Tcmur kuluthana. Eiscnmaus. 38. Temur ulhcre, Eisenochs. 39. Nssu bara. Wassertigcr. 40. Nssn tol«, Wasscrhaase. 41. Moto lu, Holzdrache. 42. Moto mokhe, Holzschlange. Mongolisch. 43. Gal mori, Feuerpferd. 44. Gal khm, Fenerwiddcr. 45. Schere bctschi, Eidaffe. 46. Schere takia. Erdhuhn. 47. Tcmur nolbe, Eisenhuud. 4>5, Tl'ünir fhakhl>, Eisenschwein. 49. Nssu kululhaua. Wassermaus. 5N. Nssn ukhcre. Wasscrochs. 51. Moko bara, Holztiger. 52. Moto tol6, Holzhasc. 53. Gal lu, Feucrdrache. 54. G>il mofhö, Fcuerschlauge. 55. Schere mori, Erdroß. 56. Schere lhui, Erdwidder. 57. Temur betschi, Eisenaffe. 58. Tcmur takia, Eiseuhuhn. 59. Nssn nofhe, Waffcrhund. 60. Nssu kl)akh<>, Wasserschwein. Dieser Cyclus wiederholt sich allemal nach Ablauf von sechzig Iahreu: und es ist begreiflich daß dadurch in die Zeitrechnung große Vcr» wlrrung kommen muß, wcuu man uicht eine zuverlässige Methode hat, die schon abgelauscueu Cyclcu zu präcisircn. Nm jenem Uebelstande möglichst vorznbeugeu, geben die Landeshen'cn ihreu Negicrungsjahren einen besondern Namen, und die cyclischcn Epochen werden dergestalt fwrt. daß kein Misvcrständniß obwalten kann. So sagen zum Beispiel die Mongolen: „Das achtundzwanzigste Jahr Tao-KuangS, welches ist das des Fcnerwiddcrs". nämlich 1848. In China hat der gegenwärtige ssmlus von sechzig Jahren mit 1805 begonnen; die Iahresrechnungeu nach der Regierung Tao Kuangs datirten von 1820; denn damals bestieg dieser Kaiser den Thron. Hier muß bemerkt werden daß die Bcnennuugen Schi'in Tschi Khang-Hi, ^)uug-Tsching,^ Kien-Long, Kia-Kiug. Tao«Kuaug nicht die Namen der sechs ersten Kaiser aus der Mandschudynastie sind, sondern specielle Bezeichnungen um die Perioden 'ihrer Negierung zu bestimmen. Die Thibetaner haben den Gebrauch des zehn- und des zwölfjähn« gen Cyclns angenommen; sie combinircn aber dieselben weit mannigfaltiger als die Mongolen, und erhalten dadurch einen Cyclus von 252 Jahren. Die zwölf ersten tragen ganz einfach den Namen der zwölf Thiere; dann werden diese Namen mit jenen der fünf Elemente conbi« nirt, und zweimal wielcrholt, bis man beim Jahre 72 des Cyclus angelangt ist. Darauf fngt man noch das Wort Po, das heißt Mann» 304 Die thibetanische Zeitrechnung. — Neujahr. si8. Kap. chen, hin;u, und gelaugt so bis zum Jahre 132; dann das Wort Mo. Weibchen, womit mau bis 192 kommt; zuletzt setzt man abwechselud noch Po und Mo bis zum Ende dcö Cyclus. Man sieht daß ein solches System der Chronologie viel zu verwickelt für den Volksgebrauch ist. Selbst viele Lamas kennen es nicht ordentlich, und nur die Gelehrleu in den Klöstern wissen sich darin zurechtzufinden. In Lha Ssa konnte uns, den Regenten ausgenommen. Niemand sagen, was für ein Iabr gerade war; es schien als ob man überhanpt nicht begriff, wie viel darauf ankommt, daß Jahre und Ereignisse dnrch eigene Benen-- nungcn bestimmt bezeichnet werden. Ein hoher Beamter in Lha Ssa. der für einen sehr gelehrten Lama galt. sagte nns, die chinesische Zeit» rechnnng sinde er beschwerlich im Gegensatze zn der ihn ciofacher erscheinenden thibetanischen. Ohnehin komme gar nichts darauf an. ob mau gcuau wisse, wann in vergangenen Zeiten sich ein Erciguiß begeben habe. In den Büchern der Lamas wird auf die Chronologie kaum Rücksicht genommen; znmeist sind sie ohne alle Reihenfolge nnd Ord-nnng. ohne Daten, ein Durcheinander von Anekdoten, nnd man gewinnt weder für Begebenheiten noch für Personen feste und sichere Anbalt-puukte. Zum Glück hat man für die Geschichte der Thibetaner in den Werken der Chinesen und Mongolen eine Controle. Auch der thibcta-nischc Kalender leidet au einer entsetzlichen Verwirrung, die namentlich in Folge der Annahme von glücklichen nnd unglücklichen Tagen entsteht; denn alle solche die für einen Mondslauf als unglücklich gelten, werden ausgemerzt nnd nicht mit gezählt. Wenn z. B. der fünfzehnte ein üic8 nofl>8w8 ist, so zählt man den vierzehnten zweimal, und geht dann unmittelbar znm sechzehnten über Manchmal kommen mehrere Unglncks-tagc hinter einander; diese wirft man alle hinaus nnd geht gleich zum Glückstage über. Die Thibctaner finden darin keinen Uebelstand. Das Neujahr ist für die Thibetaner ein hoher Fest- und Freudentag, zu welchem man während der letzten Tage des zwölften Mondes D Vorkehrungen trifft, insbesondere sich mit Vorräthen von Thee. Butter Tsamba. Gcrstentrank, Rind» und Hammelfleisch versorgt. Man langt die besten Kleider hervor, reinigt und kehrt aus, Alles gewinnt ein sauberes Aussehen, insbesondere werden die Hausaltäre in besten Stand gesetzt, die Götzenbilder neu angepinselt, Pyramiden, Blumen und andere Zierrathen aus Butter verfertigt und in die kleinen Heiligenschrcine vor Buddha's Idol gestellt. Der erste Luk so oder Festgebrauch beginnt um Mitternacht. Niemand geht schlafen, sonden harrt mit Ungeduld der fcier. lichen geheimnißvollen Stunde, mit welcher das neue Jahr anhebt. Wir unsrerseits warm zur Ruhe gegangen; plötzlich erschallte durch die ganze 18. Kap.) Neujahrsfestgcbräuche. 395 Stadt ein Freudengeschrei, wir hörten Glocken, Cymbeln, Seemuscheln, Tamburine und alle anderen thibetanischen Instrnmente; es war ein entsetzliches Geräusch. Gern wären wir aufgestanden, aber es war zu grim» mig kalt, und wir blieben unter unseren Decken liegen. Bald aber wurde gewaltig an unsere Thür gepocht, wir mußten aufstehen, uns ankleiden und öffnen. Einige unserer Bekannten luden uns zum Neujahrsschmaus ein; Jeder hatte einen kleinen irdenen Topf, in welchem Kügelcheu aus Honig und Weizenmehl in heißem Waffer schwammen. Einer der Bekannten bot uns eine lange silberne Nadel dar, an welcher sich unten ein Haken befand, und forderte uns auf, aus dem Topfe Kugeln herauszufischen. Alles Sträuben half nichts; man steckte vor uns die Zunge mit so ver« bindlicher Höflichkeit aus, daß wir uns dem Luk so fügen mußten. Bis zum hellen Tage waren wir genöthigt Kügelchcn zu fischen. Der zweite Luk so oder Festgebrauch besteht darin, daß man nach eiuem besondern Ceremoniel Besuche abstattet. Schon vom frühen Morgen an eilen die Thibetaner durch die Gaffen; in der einen Hand halten sie einen Topf mit Thee, in der andern eine große lackirte und vergoldete Schüssel, die mit Tsamba in Pyramidenform gefüllt ist; oben auf stecken drei Gcrsten-ähren. Ohne Tsamba und Thee, in welchem Butter zerlassen ist, darf man an jenem Tage keinen Besuch machen. Wer in ein Haus tritt um zum Neujahr Glück zu wünschen, wirft sich dreimal vor dem festlich geschmückten und beleuchteten Hausaltar nieder, verbrennt etwas Cedern-, und an« deres wohlriechendes Holz in einem großen kupfernen Becken. bietet den Awesmden ein Näpfchen Thee und reicht die Echüffel mit Tsamba dar. Dasselbe geschieht nachher von Seiten der Hausbewohner. In Lha Ssa pflegt man zu sagen: „Die Thibctaner feiern Neujahr mit Tsamba und Vutterthee, die Chinesen mit rothem Papier und Feuerwerk, die Katschi mit alisgewählten Speisen und Tabak, die Pebun mit Gesängen und lustigen Sprüngen. Im Allgemeinen ist der Ausspruch richtig, aber lustig sind nicht allein die Pebun, sondern auch die Thibctaner lärmen und spiin» gen und tanzen. Kinder mit Schellensträngen über ihren grünen Röcken laufen über die Straße von Haus zu Haus und geben Coiicrrte die recht anmutlng sind. Im Allgemeinen hat der Gesang einen sanften und melancholischen Ausdruck, aber es fehlen ihm rasch vorgetragene, feurige Refrains nicht. Alle die kleinen Säuger bezeichnen fortwährend den Takt, vermittelst eines langsamen Hin- und Herbewegens; sie wiegen ihren Körper wie in Pendelschwingung. Sobald aber der Refrain eintritt, stampfen sie mit den Füßen in starkem Takt, der bei dem Schellcngeklingel Huc, Mongolei. 2l) 306 Der Gelstertanz. — Das Mornfest. Il8. Kap. und dem Klappen ihrer eisenbeschlagenen Schuhe etwas Melodisches hat, besonders wenn man ihn in einiger Entfernung hört. Als Belohnung erhalten dieSänger einige Butterkngeln und in Nußöl gebackene Kuchen. An den Hauptplatzen und vor den öffentlichen Gebäuden spielen den ganzen Tag über Komödianten und Seiltänzer. Die Thibetaner haben aber nicht, wie die Chinesen, eigentliche Repertoire der Theaterstücke, sondern ihre Komö» dianten sind fortwährend alle auf der Bühne, und singen, tanzen oderprodu» ciren allerlei Kvaftstücke; besonders zeichnen sie sich im Ballet aus, sie drehen sich im Neigen, springen und schlagen Pirouetten mit einer bewun« dernswürdigen Beweglichkeit. Ihre Tracht besteht in einer hohen mit Fasanenfedcrn gezierten Mütze, einer schwarzen Maske mit einem ungeheuern weißen Barte, langen weißen Beinkleidern, und einem grünen Rocke der bis auf die Kni« hinabhangt und mit einem gelben Gürtel zu« bunden wird. Auf diesem Rocke hängen an langen Fäden dicke Büschel von weißer Wolle, die sich schwingen wenn der Tänzer seine Körperbewegungen macht; sobald er sich dreht, stiegen sie horizontal mit ihm im Kreise und schlagen um ihn herum ein Rad. Bemerkenswerth ist der Geistertanz. Gin aus Leder geflochtenes Seil wird oben auf dem Buddha La befestigt, und reicht bis in die Ebene hinab. Die „Geistertänzer" laufen auf diesem Seile hinauf und herunter, mit einer Behendigkeit, die jener von Katzen oder Affen nichts nachgiebt. Manchmal br.eiten sie oben die Arme wie zum Schwimmen aus und glei« ten in einer solchen Körperlage pfeilschnell ins Thal. In diesen Kunststücken sind insbesondere die Bewohner der Provinz Ssaug außerordent. lich geübt. Das Merkwürdigste aber was wir in der Neujahrszeit iu der Hauptstadt von Thibet gesehen, ist der Lha Ssa Moru, welcher am dritten Tage des ersten Mondes stattfindet. Dann kommen die Insassen sämmtlicher Klosterortschaften. also unzählige Schwärme von Lamas, lär« mend nach der Stadt zu Fuß und zu Pferde, auf Eseln und Yaks; alle bringen Gebetbücher und Küchengeschirr mit. Wahre Lawinen von Lamas ergießen sich über die Stadt von den umliegenden Bergen herab. Sehr viele finden Unterkommen in öffentlichen Gebäuden oder in Privathäusern; die übrigen lagern sich auf den Platzen, in den Straßen oder dicht außer« halb der Stadt. Dieses Einströmen der Lamas, eben der Lha Ssa Moru, dauert volle sechs Tage; während dieser geit find die Gerichtshöfe ge< schlössen, die Behörden gleichsam außer Wirkung gesetzt und Alles ist diesen geistlichen Horden preisgegeben. In der Stadt herrscht eine unbeschreib. liche Verwirrung. Die Lamas rennen in hellen Haufen umher, schreien 18. Kap.) Kloster in der Provinz M. — Khaldan. Prebung. I07 fürchterlich. singen Gebete ab. rennen gegen einander, haben Zank. und blutige Balgereien pflegen nicht auszubleiben. Die Lamas sind im Allgemeinen nicht gerade zurückhaltend oder bescheiden; während jener Festtage kommen sie aber nicht etwa nach Lha Ssa. um sich mit weltlichen Dingen zu belustigen, sondern aus Andacht, um den Segen zu erhalten und einen Pilgergang nach dem berühmten Kloster Moru zu unternehmen, das mitten in der Stadt liegt. Daher der Name sir jene sechs Festtage. Die Tempel des Klosters sind ungemein glanzvoll und reich, werden durchaus sauber und immer in Ordnung gehalten, und deshalb auch allen anderen in der Provinz zum Muster aufgestellt. Westlich vom Haupttempel liegt ein großer von einem Peristyl umgebener Garten. Dort befindet sich die Buchdruckerei in welcher unablässig eine große Zahl von Arbeitern mit Holzschnitten und Drucken buddhistischer Bücher beschäftigt ist. Die Lamas welche zum Morufeste kommen, pflegen dort ihren Bücherbedarf für das laufende Jahr mitzunehmen. Die einzige Provinz M zählt etwa dreitausend Klö, ster. wovon mehr als dreißig große allein im Bezirk Lha Ssa liegen. Die berühmtesten find Khaldan. Prebung und Sera; jedes hat im Durchschnitt etwa fünfzehntausend Geistliche. Khaldan be. deutet im thibetanischen Himmlische Seligkeit; diesen Namen führt ein Berg sammt der an und auf ihm erbauten Klosterftadt östlich von Lha Ssa und etwa vier Wegstunden von der Hauptstadt entfernt. Das Kloster wurde im Jahre 1409 von dem berühmten Reformator des Buddhismus TsongKaba gegründet. Dort lebte und lehrte er. Dort verließ er seine irdische Hülle, als seine Seele mit dem allgemeinen Unvesen sich vereinigte. Die Thibetaner behaupten man sehe noch heute stinen wunderthätigen Leib un< versehrt und unverwest; er schwebe über der Erde welche er niemals berühre, und rede zuweilen. Wir konnten das Kloster Khaldan nicht besuchen. Prebung, das heißt Zehntausend Früchte, liegt zwei Stunden westlich von Lha Ssa, am AbHange eines when Gebirges. In der Mitte der Klosterstadt erhebt sich eine Art von prächtig verziertem Kiosk; er schimmert von Gold und Gemälden, und ist dem Tale Lama vorbehalten, der in jedem Jahre sich einmal dorthin begiebt, um den Geistlichen die heiligen Bücher zu erklären. Die mongolischen Geistlichen welche nach Thibet kommen um sich in der „Wissenschaft des Gebetes" zu vervollkommnen und höhere Grade in der lamaischen Hierarchie zu erlangen, wohnen vorzugsweise gern in Prebung, das darum auch oft als Kloster derMongolen bezeichnet wird. Idg Das Kloster Sera. — Abschied vom Regenten. 118. Kap. Sera liegt nur eine gute halbe Stunde nördlich von Lha Ssa. Auch hier sind Tempel und Lamawohnungen am AbHange eines Berges erbaut, der mit Cypressen lind Stechpalmen bestanden ist. Die Pilger aus der Mongolei kommen an Sera vorbei. Aus der Ferne gewähren diese amphitheatralisch über einander liegenden Gebäude, die sich von dem grünen Berge scharf abheben, einen ungemein malerischen Anblick. Noch oberhalb der Klosterftadt, da und dort am Berge zerstreut, bemerkt man eine große Menge Zellen, welche schwer zugängig sind; in ihnen hausen Eremiten, die sich ganz dem beschaulichen Leben widmen. Sera hat drei große Tempel mit mehreren Geschossen, in welchen alle Säle vergoldet sind. Daher der Name Sera, denn Ser bedeutet im thibetanischen Gold. Im Haupttempel wird der berühmte Tortscheh aufbewahrt, das heiligmachende Werkzeug, welches, der buddhistischen Ueberlieferung zufolge, aus Indien durch die Luft nach dem Kloster Sera kam und dort niederfiel. Es ist von Erz und gleicht einer Mörserkeule; die Mitte, da wo man eö anfaßt, ist glatt und walzenförmig; die beiden Enden find wieder dicker, gewisser» maßen eiförmig und mit symbolischen Figuren bedeckt. Jeder Lama muß einen kleinen Tortscheh nach dem Muster dieses so wunderbar aus Indien nach Thibet gekommenen Instrumentes besitzen; es ist ihm beim Gebet und bei religiösen Feierlichkeiten unentbehrlich. Bald wird dasselbe aufs Knie gelegt, bald wieder von demselben weggenommen und in der Hand gedreht, je nachdem das Buch des Ritus die Vorschrift enthält. Das Tortscheh in Sera ist Gegenstand frommer Verehrung, und die Pilger wer« fen sich allemal vor der Nische nieder, in welcher es aufbewahrt wird. Am Neujahrsfeste trägt man es in großer Procession nach Lha Ssa, um es den Bewohnern der Stadt zur Verehrung auszustellen. Wahrend so die Lamas ihr geräuschvolles Fest feierten, mußten wir Vorbereitungen zur Abreise treffen, und unsere kleine Kapelle abschlagen. Schier wollte uns das Herz brechen! Am Abend vor dem verhängnißvollen Tage kam ein Schreiber des Regenten und brachte uns in dessen Auftrage zwei dicke Silberbarren. Diese Theilnahme rührte uns tief, wir glaubten aber das Geld nicht annehmen zu dürfen. Als wir am Abend zu ihm kamen um Abschied zu nehmen, legten wir die beiden Silberstangen auf den Tisch vor ihm hin. und entwickelten ihm. weshalb wir seine Liebesgabe zurückweisen müßten. Der Regent begriff uns, bat aber wir möchten als Andenken ein Wörterbuch in vier Sprachen annehmen. Das konnten wir mit gutem Gewissen thun, und schenkten ihm unsererseits das Mikro< skop. Beim Abschiede stand er auf und sprach: „Ihr zieht jetzt fort, aber 18. Kap.1 Trennung von Samdadschiemba. 3l)9 wer kann wissen welche Dinge die Zukunft bringt. Ihr seid Männer von erstaunlichem Muth, weil ihr bis hierher kamt. Ich weiß, ihr habt im Herzen einen großen und heiligen Entschluß. Ihr werdet ihn nicht vergessen und ich werde mich stets an ihn erinnern. Ihr versteht mich; die Umstände verhindern mich. mehr zu sagen." Mit tiefem Schmerz schieden wir von diesem Manne, der uns mit so ausnehmender Güte behandelt hatte, und mit dessen Hülfe wir dem thibetamschen Volke das Christenthum einzupflanzen gehosst hatten. In unserer Wohnung trafen wir den Gouverneur der Muselmänner. Er hatte uns Reisevorräthe gebracht, getrocknete Früchte aus Ladak, Kuchen von Weizenmehl, Butter und Eier, und wollte den ganzen Abend bleiben, um uns beim Packen behülflich zu sein. Es war seine Absicht demnächst eine Reise nach Calcutta anzutreten, und wir beauftragten ihn, den ersten besten Franzosen, welchen er in Indien treffen würde. Nachrichten von uns zu geben; auch händigten wir ihm ein Schreiben an den Bevollmächtigten der französischen Negierung ein, welches Kunde über unsere Erlebnisse gab. An jenem Abend nahm auch Samdadschiemba von uns Abschied. Seit dem Tage, an welchem der chinesische Bevollmächtigte entschlossen war uns auszuweisen, hatte er ihn von uns getrennt gehalten, denn unser Dschiahur war aus der Provinz Kan Su, also chinesischer Unterthan. Ki Schan versprach ihn nicht weiter zu behelligen, sondern in seine Heimat zurückzuschicken. Das ist auch geschehen; Samdadschiemba blieb etwa ein Jahr lang bei seiner Familie, ging dann aber wieder in unsere mongolischen Missionen, und lebte 1852 im christlichen Dorfe Si wang, außerhalb der großen Mauer. Ki Schan hat es ihm nach unserer Abreise an nichts fehlen sondern ihm sogar ein ganz betrachtliches Reisegeld einhändigen lassen. Samdadschiemba war von Charakter rauh und wild. manchmal unverschämt und ein schlechter Reisegefährte. Aber er war offen heraus und dabei voll Hingebung. Der Abschied von ihm schmerzte uns sehr; wir hatten eine so weite gefahrvolle Wanderung mit ihm gemacht, daß er völlig mit uns verwachsen war. Der Tag der Abreise war gekommen. Früh Morgens benachrichtig, ten uns zwei chinesische Soldaten, daß der Ta Lao Ye. Ly Kuo Ngan, das heißt seine Excellenz Ly, Friedensstifter in den Königreichen, uns zum Frühstück erwarte. Dieser Mann war der Mandarin, welcher auf Befehl Ki Schans uns bis nach China geleiten sollte. Wir folgten seiner Einladung uud ließen unser Gepäck hintragen. Ly, der Friedensstifter, stammte aus Tscheng tu fu, Hauptstadt der Provinz Sse tschucn und 310 FrNhstNck beim Friedeustifter Ly Kuo Ngan. 118. Kap. war Militairmaudarin. Er hatte zwölf Jahre in Gorkha, einer Provinz in Butan, gestanden, war schnell gestiegen, bis zur Würde eines Tu Sse aufgerückt und mit dem Befehl über die Truppen an der Grenze gegen England betraut worden. Er hatte den blauen Knopf und das Privilegium, an der Mütze sieben Zobelschwäüze zu tragen. Ly war kaum fünfundvierzig Ialire alt, sah aber aus wie ein Sechziger, hatte kaum noch einige Zähne, spärliches, schon graues Haar, gläserne stiere Augen, verdorrte Hände, dicke geschwollene Beine, eine schlaffe Haltnng; kurz der Mann war in Folge seiner Ausschweifungen der Auflösung nahe. Wir dachten an übermäßigen Opiumgenuß; er selber sagte uns jedoch, daß er in Folge des Branntweintrinkcns so sehr heruntergekommen sei. Er wollte jetzt zu seiner Familie zurückkehren nnd ein ordentliches Leben anfangen. Ki Schau hatte besonders darum unsere Ausweisung so rasch betrieben, um uns in der Gesellschaft Ly's reisen zu lassen, der in seiner Eigenschaft als Tu Sse eine Bedeckung von fünfzehn Mann Soldaten erhielt. Ly war für einen Militairmandarinen sehr unterrichtet, in der chinesischen Literatur bewandert, und ein Mann von scharfer Beobachtungsgabe. Er sprach gut und mit Witz; glaubte weder an Bonzen noch Lamas, von der Religion des Himmelsherrn wußte er nichts, wohl aber verehrte er mit Andacht die Große Barin am Himmelgezelt. In seinem ganzen Wesen lag etwas Aristokratisches, sein Benehmen war fein, doch schlug dann und wann etwas Plebejisches durch. Silberbarren liebte er sehr. Dieser Mann bewirthete uns mit einem köstlichen Frühstück; nachbcr gingen wir zu Ki Schau um Abschied zu nehmen. Zu uns sprach der Gesandte: „Ihr werdet nun in euer Königreich zurückreisen. Ich hoffe, ihr könnt euch über mich nicht beklagen, denn mein Verfahren gegen ench ist ohne Tadel. Es ist des Kaisers Wille, nicht etwa mein Befehl, daß ihr aus Thibet verwiesen werdet. Die Reise nach der indischen Grenze darf ich nicht erlauben, weil das Gesetz dergleichen verbietet; wäre Letzteres nicht der Fall. so würde ich euch dorthin geleiten, obwohl ich ein alter Mann bin. Der Weg welchen ibr jetzt zu nehmen habt. ist nicht so schlimm wie man wobl behauptet; freilich werdet ihr Schnee, hohe Berge und kalte Tage treffen. Ich verhehle euch die Wahrheit nicht, denn weshalb sollte ich euch täuschen; ihr findet an jedem Abend ein Nachtlager hergerichtet nnd braucht kein Zelt aufzuschlagen. Ihr müßt reiten, denn Tragsessel hat man hier zu Lande nicht. Mein Bericht an den Kaiser geht in den nächsten Tagen ab, und kommt lange vor cuch an; meine Eilboten reisen ununterbrochen Tag und Nacht. In der Hauptstadt von Ese tschuen übernimmt euch der 18. Kap.j Al'schiedSaudienz be, Ki Schan. 311 Vicekönig Pao; meine Verantwortlichkeit ist dann zu Ende. Neist mit Vertrauen ab, und erweitert euer Herz. Ich habe schon im Voraus ansagen lassen, daß man cuch überall gut behandle. Möge der Glücksstern auf eurer Neise euch geleiten ron Anbeginn bis zu Ende!" — Unsere Antwort lautete: „Zwar halten wir uns fnr bedrückte Männer, hegen, aber darum doch die besten Wünsche für Dein Wohlergehen. Du trachtest nach Würden: mögest Du in alle wieder eingesetzt werden, die man Dir genommen hat und in noch höhere!" — „O, mein Stern ist unglücklich!" rief Ki Schan und nahm dabei eine Prise Tabal. Mit uns hatte er in einem manicrirten, einschmeichelnden Tone gesprochen; als er sich an den Friedensstifter der Königreiche wendete, ließ er sich mit feierlich würdigem Ausdruck also vernehmen: «Ly Kuo Ngan, Du darfst reisen-, der Kaiser erlaubt Dir, in den SchoosDeiner Famike heimzulehren. Du hast zwei Reisegefährten, und wirst darüber erfreut sein. denn der Weg ist lang und langweilig. Diese Männer sind gerecht und barmherzig, Du wirst also mit ihnen in Eintracht lebeu. Hüte Dich, ihr Herz jemals zu betrüben, gleichviel ob durch Worte oder Handlungen. Und nun muß ich Dir uoch eins sagen. Du hast zwölf Jahre lang in Gorkha an der Grenze gedient; ich gab dem Zahlmeister Befehl Dir 500 Unzen Silber einzuhändigen; die schenkt Dir der große Kaiser." Ly warf sich mit größtmöglicher Behendigkeit zu Boden, und sagte: „Die himmkschen Wohlthaten des großen Kaisers haben mich stets allerorten umgeben; aber wie kann ein schlechter Diener wie ich ohne Erröthen solche ausgezeichnete Gunst empfangen? Ich bitte den Gesandten dringend, er möge genehmigen, daß ich mein Gesicht verhülle und mich dieser ausgezeichneten Gnade entziehe." Ki Schan entgegnete: „Meinst Du etwa der große Kaiser würde Dir Deine Uneigennützigkeit danken? Was wollen einige Unzen Silbers bedeuten? Nimm das Bischen Geld; trink dafür eine Tasse Thee mit Deinen Freunden; wenn Du aber drüben im Lande bist. so laß das Branntweintrinken fort. Ich sage Dir das. weil Vater und Mutter sso nennen sich die Mandarinen) den Kindern guten Rath geben müssen." Ly Kuo Ngan schlug dreimal mit der Stirn auf die Erde. stand auf und stellte sich neben uns. Nun kam die Reihe an die fünfzehn Soldaten. Jetzt veränderte Ki Schan wieder seinen Ton; er sprach nur in kurzen gehackten Sätzen, besehlshaberisch und heftig zu den Leuten welche jetzt alle auf die Knie gefallen waren: „Ihr Soldaten, wie viele sind da? Ich glaube fünf. zehn. ja wohl, fünfzehn. Also ihr fünfzehn Soldaten ihr geht in eure 312 Abschiedsaudienz bei Ki Schan. ^l8. Kap. Provinz zurück und seid dann aus dem Dienst entlassen. Ihr begleitet euern Tu Sse und diese beiden Ausländer bis nach Sse tschuen; ihr sollt ihnen getreue, aufmerksame und willfährige Diener sein. Begreift ihr diese Worte?" — „Ja, wir begreifen sie." — „In den Dörfern dec Poba (Thibetaner) nchmt euch wohl in Acht. belästigt das Volk nichi; an den Halteplätzen paßt auf; ihr dürft nirgends plündern oder stehlen. Versteht ihr mich?" — „Ja, wir verstehen." — »Laßt die Heerden in Ruhe; schont die Früchte auf dem Felde, nehmt euch in Acht daß kein Waldbrand entstehe. — Habt ihr mich begriffen?" — „Ja, wir be, greifen." — „Und vertragt euch untereinander, schimpft und zankt nicht; ihr seid alle des Kaisers Soldaten. Verstanden?" — „Verstanden!" — «Wer sich schlecht beträgt, soll nnnachsichtlich bestraft werden. — Begriffen?" — „Begriffen!" — „Nun da ihr mich versteht, so gehorcht und zittert." Die fünfzehn Soldaten schlugen dreimal mit der Stirn auf die Erde, und standen auf. Nachdem die übrigen sich entfernt, nahm Ki Schan uns bei Seite, um insgeheim mit uns zu reden. „Ich werde," so sprach er, „binnen kurzem Thibet verlassen und nach China zurückgehen. Um nicht mit zu vielem Gepäck beschwert zu sein, lasse ich mit der gegenwärtigen Gelegenheit zwei große Koffer abgehen; sie sind mit Uakhäutcn überzogen und tragen das und das Merkzeichen. Diese Koffer empfehle ich eurer Obhut. Laßt sie an jedem Abend in euer Echlafgemach bringen. In Tsching tu fu, der Hauptstadt von Sse tschuen, übergebt sie dem Vicekonig der Provinz, Pao tschung tang. Achtet wohl auf eure eigenen Sachen, denn unterwegs giebt es viele kleine Diebe." So schieden wir von Ki Schan. Er wurde bald nachher zum Vice-könig der Provinz Sse tfchnen ernannt, späterhin jedoch auf Befehl des neuen Kaisers hingerichtet, wir wissen nicht weshalb. Er war ein aus« gezeichneter Staatsmann. Es hatte etwas Seltsames daß der chinesische Gesandte uns seine Schätze anvertraute, während er doch einen Ol'ermandarincn dafür zur Verfügung hatte. Er wußte aber recht wohl, daß er sicherer ging wenn er sie den Missionairen zur Obhut überwies, als wenn er dazu einen Chinesen erkor. Wir gingen mit Ly in dessen Behausung, wo achtzehn Pferde gesattelt standen. Ehe wir aufstiegen kam eine kräftig gebaute, reinlich gekleidete Thibetanerin heran; es war die Frau des Ly Kuo Ngan, die er vor sechs Jahren geheirathct hatte und jetzt auf immer verließ. Er hatte mit ihr ein Kind gezeugt, das aber früh gestorben war. Der Abschied der beiden Gatten, die sich nie mehr 18. Kap.1 Abschied vom Gouverneur der Muselmänner. 313 wieder erblicken sollten, geschah öffentlich und in folgender Weise. Der Mann sprach: „Nun reisen wir fort; bleibe Du hier und sitze ruhig in Deinem Zimmer." — Die Frau sagte: „Gehe sanft von hier, recht sanft von hier, und achte wohl auf Deine angeschwollenen Beine." Dann hielt sie die Hand vor die Augen; um glauben zu machen. daß sie weine. Der Friedensstifter wendete sich zu uns mit den Worten: „Was doch die thi-betanischen Frauen für Närrinnen sind! Ich lasse ihr ein hübsch gebautes Haus und viele schöne Möbeln die so gut wie neu sind, und nun thut sie gar als ob sie weinte! Kann sie nicht völlig zufrieden sein?" Nach diesem rührenden Abschied stieg Alles zu Pferde, und wir ritten durch Lha Ssa. Außerhalb der Stadt harrten unserer viele Leute mit denen wir in uäherm Verkehr gestanden hatten. Sie überreichten uns eine Abschieds-khata. Auch der junge Mediciner war da; er trug das Kreuz frei und offen auf der Brust. Wir stiegen ab und sagten allen diesen christlich ge< sinnten Gemüthern einige Worte des Trostes; insbesondere forderten wir sie auf muthig dem abergläubigen Cultus des Buddha abzusagen, den Gott der Christen zu verehren, und Vertrauen in dessen unendliche Barmherzigkeit zu setzen. Als wir eben wieder zu Pferde gestiegen waren, kam der Gouverneur der Muselmänner herangesprengt; er wollte uns das Geleit bis an den Fluß Bo Tschu geben. Diese Aufmerksamkeit rührte uns sehr. Der ehrenhafte Mann hat uns in Lha Ssa viele Beweise auf, richtiger Freundschaft gegeben. Am Bo Tschu fanden wir eine Bedeckung welche der Regent geschickt hatte; es waren Thibetaner, und sie sollten uns bis an die chinesische Grenze geleiten, sieben Mann iuit einem Ober. lama, welcher den Titel Dbeba, das heißt etwa Beziiksamtmann führte. So bildeten wir eine Karawane von sechsundzwauzig Reitern. Das Gepäck wurde von Mks getragen. Wir warfen den letzten Scheideblick auf Lha Ssa, und sprachen: Herr, Dein Wille geschehe! Es war am 15. März 1846. 314 Abreise von Lha Ssa. si9. Kap. Neunzehntes Kapitel. Chinesische Nachrichten ül'er Thibet. — Einrichtung bei den Ulah. — Theatralische Darstellung in Mcdsclni Kung. — Das Gebirge Lnmma Ni — Ankunft in Ghiamda. — Hölzerne Brücken. — Ueber'das Einhorn — Der Berg der Geister.— Die Gebirge La Nhi. Schor kon la und Alan to. — Der Verg Tanda. — Posteinrichtnng in Thibet. __ Der Schutzgeist.des Berges'Wa ho. — Eine Gott gewordene Kröte. — Ankunft in Tsiamdo. Wir zogen aus Lha Ssa am 15. März 1846. Während der er. sten Tage führte der Weg durch ein breites, wohlangebautes Thal, in welchem viele thibetanische Meierhöse zerstrent lagen, meist von hohen Bäumen umgeben. Doch wurde auf dem Felde noch nicht gearbeitet; der Winter ist in Thibet streng und dauert lange. Ziegen» und Ualheerden trieben sich auf den staubigen Aeckern umher und benagten die Stengel der Tsing Ku-Pflanze. Diese Gerstenart ist das Haupterzeugniß jener armen Gegend. Die vielen kleinen Necker sind von Gehegell umzäunt, zu welchen der steinige Boden das Material an die Hand giebt; es muß unendliche Mühe und Geduld gekostet haben, diese ungeheure Menge großer Steine aus der Erde zu heben, und am Nande der Felder über« einander zu häufen. Unterwegs begegneten uns einige Lamakarawanen; ihr Ziel war die Feierlichkeit des Lha Ssa Moru. Abends erreichten wir Det sin Dzug, ein großes Dorf das nur sechzig Li, also sechs gute Wegstunden von der Hauptstadt entfernt liegt. Wir fanden ein großes Haus zu un« serer Aufnahme bereit, und der Ortsvorsteher geleitete uns in ein Zimmer, in welchem ein munteres Argolfeuer loderte. Er lud uns ein auf dicken Polstern von grünem Pu lu Platz zu ncbmen, nnd ließ gleich Thee mit Butter bringen. Man behandelte uns überhaupt so sorgfältig und zuvor, kommend, daß unser Herz sich'freute; das war ein scharfer Gegensatz zu unserer Reise durch die mongolische Wüste. Wir brauchten kein Zelt aufzuschlagen, hatten nicht für Pferde oder Kameele zu sorgen, uns weder um Feuer noch Speisen zu kümmern; es kam uns vor als seien wir in ein Schlaraffenland versetzt. Vom Pferde steigen uud in einem wohlgeheizten Zimmer schon Thee mit Butter bereit finden, erschien uns gleich« sam sybaritisch. Nachdem wir Thee getrunken, erschien der Oberlama, welcher auf Befehl des Regenten von Thibct uns bis zur chinesischen Grenze das Ge< 19. Kap.) Chinesische Nachrichten über Thibet. 315 leit geben sollten. Wir hatten vorher nur einige Worte mit ihm gewechselt; jetzt machte er uns amtlich seinen Antrittsbesuch. ErhießDsiamschang. das heißt der Musiker, war ein untersetzter Mann von etwa fünfzig Jahren, hatte schon mehrfach Vcrroaltungsämter bekleidet und vor seiner Rück-berufung nach Lha Ssa den Posten eines Genera ldheba inne gehabt. Er war unendlich gutmüthig, unbefangen und offenherzig wie ein Kind. Der Regent hatte ihn uns beigegeben. damit er wobl Acht gebe daß es uns an nichts fehle, so lange wir uns im Gebiet des Tale Lama befanden. Er stellte uns zwei junge Thibetaner vor, die er höchlich lobte. „Sie bil. den eure Dienerschaft, sagte er, und wenn ihr befehlt, so müssen sie pünktlich gehorchen. Und da ihr nicht an thibetanische Kost gewöhnt seid, so ist dafür gesorgt worden. daß ihr mit dem chinesischen Mandarin speist." — Wir hatten allerdings die Ehre unser Mahl beim Friedensstifter in den Königreichen einzunehmen, der in einem anstoßenden Zimmer wohnte. Ly Äuo Ngan war nngcmcin liebenswürdig. nnd gab uns allerlei Nach' richten über unsern gemeinschaftlichen Neiseweg. den er jetzt zum achten Male machte. Auch händigte er uns einen chinesisch geschriebenen Wegweiser ein. der die Straße von Tsching tu, der Hauptstadt von Sse tschuen, nach Lha Ssa beschreibt"). In demselben ist die Strecke von der thibe-tanischen Hauptstadt bis zur chinesischen Grenze, welche wir selber zurückgelegt haben, durchaus genau und zuverlässig geschildert worden. Aber die Darstellung ist trocken und hat nur für Reisende in jenen Gegenden oder für ganz specielle geographische Studien ein Interesse. Folgende Probe wird von der dürren Nomcnclatur eine Vorstellung geben. ..Von Detsin Dzug bis zum Haltpunkt Tsai Li. Von Tsai Li bis zum Nachtlager in Lha Ssa. - I" Detsin Dzug sind viele Gasthäuser, in welchen die Reisenden eine Weile sich aufzuhalten pflegen. An der Straße steht ein PostHaus. Von dort sind es 40 Li bis zum Kloster Tsa'i Li; — 40 Li." ..In Tsa'l Li ist ein Dheba. welcher den Reisenden Feuerung und Heu verschasst. Dieser Bezirk ist nur durch einen Flnß vom Lha Ssaer Gebiete ') Das Buch fiil'tt den Titel: M tsana, thu t,chi. das ist Beschreibung von Tl'ibet. mit BUdcrn begleitet. Es „t an. manchen Notizen von dem Mandarin Ln hna tschn im 51 stcn Jahre K,en Longs, also 1786. zusammengestellt worden. Pater Hyac'nth, r»w,cher Ar-chiruandrit zu Peking', hat von dieser '^esäncil'nng Thibets enie Ueber-setznng geliefert, die I. Klar roth verbessert, berichtigt und nnt Anmerkungen vermehrt herausgegeben hat. Sie steht im KouvcÄU ^ournai asialiyus iste Serie, Theil 4 und 6. 316 Einrichtung bei den Ulah. si9. Kap. getrennt. Diese letztere Stadt erreicht man nach 20 Li; bort ist ein Militaircommandant. 20 Li; Summa 60 Li." Von Detsm Dzug hatten wir eine weite Tagereise, immer noch in dem Thale in welches wir seit unserer Abreise von Lha Ssa. eingebogen waren. Allmälig traten die Verge naher zusammen. der Boden wurde immer steiniger, der Anbau spärlicher, und den Bewohnern sah man es wohl an, daß sie nicht in der Nähe einer großen Stadt leben. Erst nach 80 Li hielten wir Rast in einem verfallenen Kloster, wo wir nur einige alte, unsauber gekleidete Lamas fanden; sie waren arm und konnten dem Generalstab unserer Karawane weiter nichts als Thee mit Milch, einen Krug Bier und ein wenig Butter geben. Wir verehrten diesen Geistlichen eine Khata, machten dann noch 40 Li zu Pferde und langten spät Abends in Midschu Kung an, wo wir am andern Tage blieben, weil die erforderliche Menge von Lastvieh im Augenblick nicht herbeizuschaffen war; denn Midschu Kung ist ein Platz, wo mau die Ulah wechselt. Die thibetanische Regierung hat dergleichen Stationen auf der ganzen Strecke bis zur Grenze eingerichtet; aber nur die in Dienftgeschästen und im Auftrage der Regierung reisenden Beamten, haben Anspruch darauf, daß ihnen dergleichen Herrendienste geleistet werden. Die oberste Behörde in Lha Ssa giebt ihnen einen Paß. in welchem genau verzeichnet steht, wie viele Menschen und Thiere die ulabvflis'tigen Dörfer zu stellen haben. Der obenerwähnte Wegweiser äußert sich über diese Frohnden in folgender Weise: — „Zu dem örtlichen Dienst. Ulah genannt, sind alle verpflichtet, die einige Habe besitzen, gleichviel ob Männer oder Frauen; auch solche die aus fernen Gegenden kommen, wenn sie ein ganzes Haus einnehmen. Die Anzahl der für diesen Dienst zu stellenden Leute richtet sich nach dem Vermögen der Einzelnen. Die Aeltesten nnd'die Dhcba leiten die Wahl. und bestimmen, je nach der Größe eines Hauses, wie viel Leute dasselbe für die Ulah stellen soll. Man nimmt aus einem Weiler, drei, vier, bis zu zehn Leuten. An Zahl schwache Familien liefern Arme als Stellvertreter, denen sie Lohn zahlen. oder erlegen gemeinschaftlich für den Tag eine halbe Uuze Silbers. Wer über sechzig Jahre alt ist. bleibt von aller Last befreit. Sobald der öffentliche Dienst es verlangt fordert man von den Reichen auch Ochsen und Pferde, Esel uud Maulthiere; die Armen treten zusammen, und ihrer drei oder vier stellen gemcinschaftlich ein Thier." Die chinesischen Mandarinen suchen aus dem Ulah Privatvortheil zu ziehen. In Lha Ssa trachten sie es durch alle möglichen Ränke dahin zu bringen, daß in ihrem Reisepaß recht viele Thiere verzeichnet werden. 19. Kap.!. Theatralische Darstellung in Midschu Kung. 317 Unterwegs fordern sie aber nur so viele als sie nöthig haben, und fordern für die überschüssigen eine Geldsumme. die dann der wohlhabende Thibetaner lieber bezahlt, als daß er sich seine Thiere abschinden läßt. Manche Mandarinen verlangen aber auch daß Alles im Paß Aufgezeichnete in Natura gestellt werde, weil sie thibetannche Waaren nach Cbina transvortiren wollen. Unser Ly gehörte gleichfalls zu den keineswegs un« eigennützigen Leuten. Wir lasen in seinem Passe daß für uns, die beiden Missionaire. zwei Pferde und zwölf Yaks verlangt wurden, und doch bestand unser ganzes Gepäck nur aus zwei Koffern und einigen Decken. Als wir ihn fragten, weshalb für uns zwölf Ochsen gefordert würden, «klärte er, die Sache beruhe auf einem Irrthum, und wir durften aus Höflichkeit weiter nichts dagegen einwenden. Manchmal freilich wollen diese Speculationen mit den Ulah nicht gelingen; denn einige Gebirgs» Völker kümmern sich nicht um den Inhalt der Reisepässe, und erklären ganz trocken: Wollt ihr einen Führer habeu. so zablt ihr so und so viel, für ein Pferd oder einen Z)ak so viel lc. Da hilft keine Widerrede; die Chinesen müssen sich zur Zqhlung verstehen. Gegen unsere Karawane waren d«e Bewohner von Midschu Kung ungemein höflich. Die Vorsteher ließen Seiltänzer und Gaukler, die wegen des Neujahrfestes gerade im Orte waren. Vorstellungen geben. Der geräumige Hof unserer Herberge w,n Theatcrvlatz. Die Künstler waren verlarvt und wunderlich aufgeputzt. Ehe die Vorstellung begann wurde Musik gemacht; sie war wild und lärmend. Als das Publicum im Kreise versammelt war. trat der Dheba von Midschu Kung mit feierlichem Schritte heran und überreichte jedem von uns und unseren beiden thibetanischen Begleitern eine Glücksschärpe. Darauf lud er uns ein auf vier dicken Polstern Platz zu nehmen, die unter einem hohen Baume lagen. Nachdem wir uns gesetzt halten. begannen die Künstler ihre Vorstellung mit einem so wild satanischen, ungeheuer raschen Reigentänze, daß uns schwin» delte. Dann sprangen sie, machten allerlei Kraftstücke uud fochten mit hölzernen Säbeln; dabei ertönte die Musik, es wurde gesungen, das Geschrei oder Geheul wilder Thiere nachgeahmt, ein Zwiegespräch gehalten, und dergleichen mehr. Am meisten that sich der Oberpossenreißer hervor, der seine Witze zum Besten gab und mit beißenden Einfällen nicht spärlich war. Wir verstanden nicht genug thibetanisch um diese im Volksdialekte gesprochenen Dil>ge alle zu verstehen; aber das Publicum war höchlick entzückt und spendete lärmenden Beifall. Die Darsteller tanzten, sangen und sprangen etwa zwei Stunden lang; dann kamen sie im Halb' 318 , Das Gebirge Lumma Ni. ^9. Kap. kreise auf uns zu. nahmen ibre Masken ab. steckten die Zungen aus und verneigten sich tief. Wir erwiederten diese Höflichkeit durch Ueberreichuna einer Khata, und der Vorhang fiel. Medschu Kung ist ein ziemlich stark bevölkertes aber keineswegs wohlhabendes Dorf; die Hänser sind ans großen durckLehm verbundenen Steinen aufgeführt; manche sind halb eingestürzt nnd Schlupfwinkel für große Ratten geworden. Einen saubern Anblick bieten lediglich ein paar mit Kalkwaffer angetünchte Tempel dar. Im Orte steht ein chinesischer Posten, es sind aber nur vier Mann und ein Untercorporal; sie müssen den kaiserlichen Eilboten Pferde liefern. Wir hatten mit Ly einen Spazier-gang gemacht. Als wir in die Herberge zurückkamen, fanden wir den wei< land Theaterplatz im Hofe in anderer Weise sehr belebt, denn nnsere Ulah wurde in Bereitschaft gesetzt. Sie bestand ans 28 Pferden, 70 Daks und 12 Führern. Am andern Morgen reisten wir weiter; nach einigen Stnnden kamen wir au den Ausgang des großen Thales welches einer ungeheuern Kufe glich. Nun gelangten wir in eine durchaus wilde Gegend. Sie war in der That ein Labyrinth, in welchem wir bald rückwärts bald vorwärts, einmal links, dann wieder rechts zogen, um unersteigliche Berge zu nmgehen und Abgründe zu vermeiden. Wir hielten uns immer in den Schluchten und an den Wasserbäcl'en ; freilich mußten unsere Pferde mehr springen als gehen. Thiere welche nicht an so abscheuliche Wege gewohnt sind, könnten dergleichen Strapazen gar nicht anshalteu. Wir fanden den-ftlben Fluß wieder, über welchcu wir bald nach unserer Abreise aus Lha Ssa gekommen waren: er strömte ruhig in einem sanft abfallenden Bett. und an seinem breiten Ufer hatten wir einen beqnemen Weg. Mitten in dieser Einöde trifft man nnr armselige verfallene Gebäude durch welche alle Winde pfeifen; man kommt aber so ermattet und zerschlagen an, daß man so fest schläft wie auf weichem Polster. Wir mußten über das Gebirge Lumma Ri ehe wir die Stadt Ghiamda erreichten. Unser Wegweiser schreibt: „Dieses Gebirge ist hoch aber nicht sehr steil; es erstreckt sich in einer Breite von etwa 40 Li. Die Reisenden können dasselbe vergleichsweise als eine leicht zu pas-sirende Ebene betrachten, in Rücksicht auf Schnee. Eis und Abgründe, welche das Herz erschrecken und die Augen übergeheil machen, ehe sie dasselbe erreichen." Wirklich ist der Gipfel des Berges Lumma Ni zwar sehr hoch aber leicht zu ersteigen; wir brauchten nicht ein einziges Mal den Sattel zu verlassen, was allerdings bemerkt'werden mnß. da es bei Bergreisen in Thibet zu den Seltenheiten gehört. Auf der audern Seite 19. Kap.) Ankunft in Ohiamda. 319 siel indessen reichlich Schnee, und es war bitter kalt. Der Friedensstifter in den Königreichen stieg ab, um sich durch Gehen etwas zu erwarmen, aber seine schwachen Beine wollten ihn nicht tragen und er purzelte um. Zornig stand er auf, ging zum nächsten Soldaten, schimpfte entsetzlich, und prügelte ihn, weil er nicht vom Pferde gesprungen war, um beim Aufstehen ihm behilflich zu sein. Null stiegen alle chinesischen Kriegsknechte ab, warfen sich vor dem Mandarin in den Schnee und stammelten Entschuldigungen. Sie hatten allerdings sich einen groben Fehler zu Schulden kommen lassen; denn die chinesische Höflichkeit erfordert, daß Alle vom Pferde steigen, sobald der Vorgesetzte seinen Fuß auf die Erde setzt. Wir ritten durch einen Wald, dessen Vänme dicke Schneelagen trugen; gleich nachher mußten wir wohl eine Stunde lang in einem entsetzlichen Felsen-gewirr hinauklimmen; der Abhang aber war noch viel beschwerlicher und gefährlicher. Nachher wurden fünf Li in einem engen Thal zurückgelegt; bald darauf gewahrten wir eine Häusermasse an einem hohen Berge, und zwei Tempel von kolossalem Umfang. Wir hatten den Haltplatz Ghiamda vor uns. Vor der Stadt waren achtzehn Soldaten in Reihe und Glied anfgestellt; die beide» Officiere trugen den weißen Knopf; alle hatten die Säbel blank gezogcn. und im Bandelier einen Bogen. Wir sahen uns also der Besatzung von Ohiamda gegenüber, welche dem Man» darinen Ly einen würdigen Empfang bereiten wollte. Sie fiel auf die Kniee, nnd Alle riefen wie aus einem Munde: „Die armselige Besatzung von Ghiamda wünscht Glück und Heil dem Tu Sse Ly Kuo Ngan!" Dieser hielt sein Pferd an. die ihn begleitenden Soldaten thaten dasselbe; alle stiegen ab. gingen auf die Besatzungstruppen zu und sagten, sie möch» ten wieder aufstehen. Dann gab es von beiden Seiten ein Verneigen und Beugen das nicht enden wollte; wir aber kümmerten uns nicht darum und ritten weiter. Am Eingang der Stadt war uns eine Art von feie» lichem Empfang vorbehalten. Zwei festlich gekleidete Thibetaner ergriffen den Zaum unseres Pferdes und geleiteten uns auf solche Weise in die für uns schon bereit gehaltene Wohnung, wo der Dheba. das heißt der höchste Ortsbeamte, schon mit einer Khata unserer harrte, und uns dann in einen Saal führte, wo Thee mit Milch, Butter, Kuchen und getrocknete Früchte bereit standen. Gewiß verdankten wir alle diese Aufmerksamkeit der wohlwollenden Fürsorge des Regenten in Lha Ssa. Wir mußten zwei Tage in Ghiamda verweilen, weil dem Dheba unsere Ankunft erst wenige Stunden vorher gemeldet worden war, und er somit noch keine Zeit gefunden hatte, um die erforderliche Menge Lastvieh 320 Unser Aufenthalt in Ghiamda. sl9. ssav. von der Weide herbeiholen zu lassen. Wir beruhigten u»s dabei um so lieber, da das Wetter abscheulich wurde. Am andern Morgen besuchten uns die beiden chinesischen Officiere. Der eine führte den Titel PaT su n a. der andere war ein We'l'-We'l. Der Pa Tsung war ein hübscher kräftig gewachsener Mann, mit schmetternder Stimme und kurz und rasch j„ seinen Bewegungen. Er hatte eine mächtige Schmarre im Gesicht. einen starken Schnauzbart und sah überhaupt äußerst martialisch aus. Er hatte während des Kriegs in Kaschgar erst als gemeiner Soldat gedient, sich aber dermaßen ausgezeichnet, daß er den Titel Pa Tsung und die Pfauenfeder erhalten hatte. Der Wn-Wn, ein junger Mann von zweiund, zwanzig Jahren und, auch recht hübsch gewachsen, war aber von jenem gerade das Gegentheil; seine ganze Haltung hatte etwas Schlaffes und Weibisches, das Gesicht war welk und weichlich, scine Augen waren matt und feucht. Wir fragten ihn ob er krank fei. und er gab mit matter Stimme zur Antwort, daß er sich sehr wohl befinde. Dabei errothete er, und wir begriffen, daß wir einen Fehler begangen hatten. Der junge Mann war dem Opiumrauchen leidenschaftlich ergeben. Ly sagte: „Der Pa Tsung ist uuter einer günstigen Constellation geboren uud wird hoch steigen im Heere; aber der We'i - We',' ist unter einem dicken Nebel zur Welt gekommen, und der Himmel hat ihn verlassen, seit er sich den europäischen Qualm angewöhnt hat. Ehe ein Jahr verfließt, wird er diesem Leben den Rücken gekehrt haben." Während unsers Aufenthalts in Ghiamda regnete es unaufhörlich so stark, daß wir diese volkreiche Handelsstadt nicht genauer betrachten konnten. Hier wohnen viele.Pcbuns aus Butan, die gerade wie in Lha Ssa, Kunst- und Industrieerzeugnisse liefern. Ackerbauproducte liefert die Gegend nicht; etwas schwarze Gerste die imTliale gebaut wird, reicht kaum für den Bedarf der Einwohner aus. Von Wichtigkeit sind dagegen Wolle uud Ziegenhaar aus welchen Zeuge gewebt werden. Die Weiden muffen in jenen Gegenden vortrefflich sein, denn die Thibetancr halten auf deuselben große Heerden. Nach Lha Ssa. Sse tschuen und Min nan verkauft Ghiamda viel Lapis Lazuli, Hirschhörner uud Rhabarber; dieser letztere soll gerade auf dcn umliegenden Bergen in einer so vortrefflichen Qualität wachsen, wie sie anderswo nicht vorkommt. Auch ist Wild in großer Menge vorhanden, und namentlich der Wald durch welchen wir nach Ueberschreituug des Lumma Ri kamen. reich an Fasanen. wilden Hühnern und andern, Geflügel; aber die Thibetaner wissen diese Gabe nicht zu schätzen, denn sie kochen das Geflügel, ohne sich auf eine feinere 19. Kap.) Hölzerne Brücken. — Ueber das Einhorn. 321 Zubereitung zu verstehen. In dieser Hinficht wie in mancher andern, find die Chinesen ihren Nachbarn weit voraus. Als wir zu Pferde stiegen um Ghiamda zu verlassen, schenkte uns der Dheba ein Paar Brillen, die unsere Augcn gegen den Schneeglanz sicher stellen sollten. Statt des Glases enthielten sie ein äußerst feines Geflecht von Pferdehaar, das etwas ausgebaucht war und die Gestalt einer halben Nußschale hatte. Wir wußten diese Gabe nach Verdienst zu wür« digen. Äußerhalb der Stadt hatte sich die Besatzung wieder aufgestellt, und die schon erwähnten Ceremonien wurden aufs Neue zum Besten ge« geben. Aehnliches geschah überall wo unterwegs chinesische Soldaten standen. Ly war darüber außer sich. denn er konnte seiner kranken Beine wegen nur mit Mühe auf» und absteigen; alle diese Etiketteauftrilte waren für ihn jedesmal eine rechte Qual, und doch konnte er ihnen nicht ausweiche^ Vier Li von Ghiamda ritten wir über einen wilden Bergstrom auf einer Brücke, die aus sechs gewaltigen unbehauenen Tannen« stammen gemacht war. Man hatte sie aber so locker zusammengefügt, daß sie einem unter den Füßen rollten. Zu Pferde wagte fich Niemand hinauf, und man that recht daran. Wir kamen wohlbehalten hinüber, und setzten die beschwerliche Reise vier Tage lang durch diese Felsenwildniß fort, in welcher wir kein einziges thibetanisches Dorf-antrafen. Allabendlich suchten wir Unterkommen in den chinesischen Wachthäusern, neben denen gewöhnlich einige aus Baumrinde gebaute Hirtenhütten standen. Doch konnten wir in jenen vier Tagen drei Mal die Ulah wechseln, ohne daß irgendwelche Zögerung stattgesunden hätte; denn die Befehle waren zu rechter Zeit angekommen, uud wir fanden allemal das Nöthige vorbereitet. Wir hätten uns das in einem so wilden, öden Lande gar nicht zu erklären vermocht, wenn wir nicht gewußt hätten. daß in den vielen Seitenthälern viele Hirten unter Zelten leben. Am vierten Tage kamen wir über einen großen noch mit Eis bedeckten See nach dem Posten Atdza, einem kleinen Dorfe, dessen Bewohner einige Fleckchen Erde bestellen; auf den Bergen wachsen Fichten und Stechpalmen. Der chinesische Wegweiser sagt: „Das Einhorn, ein sehr merkwürdiges Thier, wird in der Nahe dieses Sees, der vierzig Li lassg ist, angetroffen." Lange Zeit hat man das Einhorn als ein fabelhaftes Thier be. trachtet, dasselbe ist jedoch in Thibet wirklich vorhanden. Man findet es in den Sculpturen uud Gemälden der buddhistischen Tempel häufig dargestellt. Auch in China sieht man es oftmals in den nördlichen Provinzen auf Landschaftsbildern. die in den Gasthöfen hangen. Wir selber hatten Hnc. Mongole«. 21 322 ' Ueber das Einhorn. s!9. Kap. lange Zeit eine mongolische Abhandlung über Naturgeschichte für Kinder in den Händen, iu welcher das Ginhorn abgebildet war. Die Bewohner vonAtdza sprachen von diesem Thiere, ohne größeres Gewicht auf dasselbe zu legen als auf andere Antilopenarten, die in ihren Bergen häufig sind. Aber Alles, was wir darüber hörten, bestätigt die bemerkenswerthen Angaben, welche Klaproth im Neuen asiatischen Journal mitgetheilt hat. Wir selber haben ans unseren Reisen in Hochasien das Einhorn nicht gesehen, wollen indessen hersetzen, was der genannte Orientalist seiner Ucber-setzuug des Itinerariums von Lu Hoa Tschn beifügt. — „Das thibeta-nische Einborn heißt in der Landessprache Seru, im Mongolischen Kerch, im Chinesischen T u k i o s ch e u, das heißt Thier mit EinemHorne, oder Kiotuan. gerade aufstehendes Horn. Die Mongolen verwechseln das Einhorn zuweilen mit dem Rhinoceros, das im Mandschn Bodi gur g u heiHt, im Sanscrit Khadga; dieses letztere wird auch K e reh genannt. Bei den Chinesen wird das Einhorn zum ersten Male in einem historischen Werke über die beiden ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung erwähnt. Es heißt dort, das wilde Pferd, das Argali oder wilde Schaf, und das Kio tuan seien Thiere die in China nicht vorkommen; sie lebten in der Tatarei, uud das Horn der Letzteren benutze man um daraus Bogen zu verfertigen, die man Einhorn-Bogen nenne. Die chinesischen mohame« dänischen und mongolischen Geschichtschreiber erzählen übereinstimmend folgende Ueberlieferung, die sich auf eine Thatsache aus dem Jahre 1224 bezieht, als Dscheng-Kis-Khan seinen Zug gegen Hindustan vorbereitete. Die mongolische Geschichte berichtet: „Nachdem dieser Eroberer Thibet unterworfen, brach er auf um in Enedkek (Indien) einzudringen. Als er den Berg Djadanaring hinanftieg. kam ihm ein wildes Tbier entgegen; es gehörte zu der Art die man Seru nennt, welche nur Ein Horn oben auf dem Kopfe hat. Dieses Thier kniete dreimal vor dem Herrscher nieder, gleichsam als wolle es ihm seine Ehrfurcht beweisen. Darüber war Jedermann erstaunt, der Monarch aber sprach: „Man versichert das Reich Hindustan sei das Land in welchen» die erhabenen Buddhas und Noddhi-satvas, und die mächtigen Bogdas. oder Fürsten des Alterthums, geboren wurden. Was hat es zu bedeute», daß dieses Thier welche« nicht sprechen kann. mich begrüßt wie ein Mensch? Darauf kehrte er in sein Vaterland zurück." Diese angebliche Thatsache ist eine Fabel, sie zeigt aber. daß ein Thier mit Einem Horn in den Hochgebirgen Thibets vorhanden ist. In eben diesem Lunde haben viele Oertlichkciten ihre Benennung nach diesem Tl'ier erbalten, das dort in großer Menge heerdenweis lebt. Dahingehöre 19. Kap.) Ueber das Einhorn. 323 der Bezirk Seru Dziong, das heißt Dorf am Ufer der Einhörner; er liegt im östlichen Theile der Provinz Kham, nach der chinesischen Grenze zu. In einem thibetanischen Manuscript von welchem der Major Lattre Einsicht nahm. .wird das Einhorn als Tsopo mit Einem Hörne bezeichnet. Ein Horn von diesem Thiere wurde nach Calcutta geschickt; es war 50 Centimeter (:V 4^ Linie) lang und hatte 11 Centimeter im Umfang, von der Wurzel ab lief es in eine Spitze verjüngt zu. Es war fast ganz gerade, schwarz und auf beiden Seitenein wenig abgeplattet, und hatte fünfzehn Ninge; diese standen aber nur auf einer Seite vor. Hodgson hatte, als englischer Resident in Nepal, das Glück, sich ein Einhorn zu verschaffen; er hat die Frage über das Dasein dieses Thieres beantwortet, und alle Zweifel gehoben. Es ist eine Art Antilope die im südlichen Thibet, das an Nepal grenzt. Tschiru genannt wird. Das ist derselbe Ausdruck wie Eeru. und nur mundartlich abweichend. Hodgson schickte Haut und Horn nach Calcutta; sie kamen von einem Einhorn, das in der Menagerie des Nadschah von Nepal starb. Diesem Letzter» war es vom Lama von Digurtschi (Iikazze) geschenkt worden. Die Leute welche das Thier nach Nepal gebracht hatten, versicherten Hodgson, daß das Thier in der schönen Thalebene von Tingri sehr häufig vorkomme; dieselbe liegt im südlichen Theile der thibetanischen Provinz Tsang. und wird vom Arrun durchströmt. Man muß, um von Nepal aus in dieses Thal zu gelangen, durch deu Engpaß von Kuti oder Nialam. Die Nepalesen nennen das Thal desAriuu Ting ri Me Idam, nach der Stadt Tingri, die am linken Ufer dieses Flusses liegt; man findet dort viele Salzlager, an welchen die Tschirus sich heerdenweis versammeln. Im wilden Zustande sind diese Thiere ungemein scheu und lassen Niemand nahe kommen; beim geringsten verdächtigen Gerausch fliehen sie; werden sie aber angegriffen, so setzen sie sich muthig zur Wehre. Mannchen und Weibchen sehen so ziemlich überein aus. Gleich den übrigen Antilopen hat das Tschiru eine schlanke Gestalt und ein wunderschönes Auge; die Farbe ist röthlich wie bei einem Hirschkalb, der Unterleib ist weiß. Die uuterscheideuden Merkmale des Tschiru sind: ein schwarzes, langes, spitzes Horn mit drei leichten Krümmungen und kreisförmigen Ringen gegen die Basis hin; diese Ringe treten auf der Vorderseite stalker heraus als auf der Rückseite; sodann zwei Haarbüschel welche aus der äußern Seite der Nüstern hervorwachsen ; um Nase und Maul stehen viele Borsten die dem Kopfe des Thieres ein schweres Ansehen geben. Das Haar des Tschiru ist hart 21* I24 Das Gebirge Lha Ni. — Der Berg der Geister. 119. Kap. und erscheint hohl wie das aller Thiere die im Norden des Himalaya leben, und welche Hodgson beobachtet hat. Dieses Haar ist etwa 5 Centimeter lang und so dickbuschig, daß es sich wie eine feste Masse anfühlen läßt. Unter dem.Haar dicht auf der Haut liegt ein feiner weicher Flaum, wie bei fast allen Vierfüßern welche in den hohen Regionen des Himalaya wohnen; dasselbe ist auch bei den Kaschmirziegen der Fall. Doctor Abel schlägt für das Tschiru den Namen ^nlilopoNoclFZnnii vor. — Wahr» scheinlich ist dieses thibetanische Einhorn die Or^x eapi-a der Alten. (?) Man findet dasselbe auch in den Wüsten Obcrnubiens. wo es Ariel heißt (?). Jenem Einhorn welches im hebräischen Ne cm genannt wird. das Monoceros der Griechen, welches die Bibel und Plinius schildern, ist nicht ein und dasselbe Thier mit der Or^x eaprk. So viel vom Einhorn. In Atdze wechselten wir die Ulah, obgleich wir bis Lha Ri nur fünfzig Li hatten, denn ohne frische, des abscheuliche» Weges gewohnte Thiere wären wir gar nicht weitergekommen. Zwischen beiden Orlschasten lag nur ein einziger Berg, der aber eine ganze Tagereise in Anspruch nahm. In unserm Wegweiser fanden wir folgende allerliebste Beschreibung: „Weiter hin kommt man über ein Hochgebirge mit spitzen Gipfeln, auf welchen in allen vier Jahreszeiten weder Schnee noch Eis schmilzt. Seine Abgründe gleichen den steilen Abhängen am Meeresufer; oft weiden sie vom Schnee ausgefüllt; die Wege find beinahe ungangbar, so jäh und glatt ist der Abfall." Das war freilich keine ermuthigende Auskunft, und auch die Leute unserer Karawane schienen unruhig. Doch war das Wetter vortrefflich, und so singen wir dann beim Grauen des Tages an den ge-fürchteten Berg der Geister, Lha Ri, zu ersteigen. Er lag vor uns wie ein ungeheurer Schneehaufen, auf welchem nicht einmal irgend ein schwarzer Punkt zu sehen war. Die Ms wurden vorneweg getrieben, um eine Art von Weg zu bahnen; dann kamen die Reiter, gleichfalls einer hinter dem andern, und so zog die Karawane, einer Niesenschlange vergleichbar, in manchen Windungen langsam den Berg hinauf. Anfangs war die Böschung nicht allzufteil, es lag aber so tiefer Schnee, daß wir glaubten Alles werde Hineinfinken und verschüttet werden. Die Yaks, welche Bahn brachen, konnten nur sprungweis vorwärts, suchten nach links und rechts die Stellen welche ihnen am wenigsten gefährlich dünkten; manche ver» schwanden jedoch in den Abgründen, und glichen, wenn sie durch die Massen beweglichen Schnees hinunter kugelten, den Delphinen welche aus den Wellen cines unruhig bewegten Meeres hervortauchen. Wir Reiter hatten dann schon etwas weniger beschwerlichen Wcg, und kamen schritt. 19. Kap.) Der Beig der Geister. . 325 weis in einer tiefen Schneefurche vorwärts, deren Wände uns bis an die Brust reichten. Die Uaks grunzten gewaltig, die Pferde keuchten und schnauften, die Reisenden riefen einander in singendem Tone Muth zu. ähnlich wie die Matrosen an der Ankerwinde. Allmälig wurde der Berg so steil, daß es aussah als hinge die ganze Karawane in der Lust; wir mußten vom Pferde steigen, nnd um vorwärts zu kommen uns an den Schweif des Thieres klammern. Die Sonne fiel mit all ihrem Glänze auf diese unermeßliche Schneewüfte, deren glänzendes Weiß uns vor den Augen funkelte. Zum Glück hatten wir die Schneebrillen, welche der Dheba von Ghiamda uns geschenkt. Nach langen unbeschreiblichen An» strenglingen waren wir endlich auf dem Gipfel angelangt. Schon neigte sich die Sonne. Wir hielten eine Weile still, um Sattel und Gepäck wieder in die richtige Lage zu schieben, und den Schnee von Kleidern und Füßen abzustreifeu. Alle waren hocherfreut einen so gewaltigen Berg er< klommen zu haben, und warfen einen Rückblick auf den bösen Weg. Das Hinabsteigen war allerdings nicht so langwierig, hatte aber gleichfalls Gefahren und Uebelftände. Die Böschung war so jäh, daß man nicht gehen konnte, sondern rutschen mußte; es kam aber darauf an, daß das nicht allzurasch geschah, sonst konnte man leicht in einen Abgrund stürzen, und von Rettung war dann gar keine Rede. Bevor wir den Fuß des Berges erreichten, gelangten wir auf eine kleine Fläche, wo die Karawane anhielt. Dort fanden wir cin Obo, ein buddhistisches Monument, auf. einander gehäufte Steine mit Fähnchen und Knochen, die mit thibetanischen Sinnsprüchen beschrieben waren. Neben dem Obo standen einige mächtig große Fichten. „Nun sind wir am Gletscher des GeHerberges" sprach Ly, „jcht wollen wir einmal lachen." Wir blickten ihn erstaunt an. aber er streckte die Hand aus und sagte: «Seht dorthin, hier ist der Gletscher." Wir blickten über den Rand des Plateaus, und gewahrten eine ungeheure ausgebauchte Gletschermasse, die zu beiden Seiten von tiefen Abgründen begrenzt war. Das Hellgrün des Eises konnte man trotz der allerdings sehr leichten Schneedecke deutlich erkennen. Wir nahmen einen Stein von dem Obo und warfen ihn auf den Gletscher; wir hörten einen vollen dumpfen Ton; der Stein glitt rasch hinab und ließ einen grünen Streift« hinter sich. Uns kam die Sache gar nicht lächerlich vor. und doch hatte Ly ganz recht. Wir rüsteten uns zur Hinabsahrt. Auch hier mußten die Yaks den Zug eröffnen, dann folgten die Pferde. Ein prächtiger Ochs welcher den Reigen führen sollte, ging langsam bis an den Rand der Ebene; 326 Ankunft am Haltplatz Lha Ni. (19. Kap. dort streckte er dm Hals lang auS aus, beschnoberte das Eis. stieß warmen Athem aus seinen Nüstern, setzte danu mit todesverachtendem Muthe seine Vorderfüße auf den Gletscher, und verschwand im Augenblick, als wäre er vermittelst eiuer Druckfeder hinweggeschleudert worden. Die Beine hielt er weit auseinander, und zwar so steif uud unbeweglich als wäre» sie von Marmor. Unten am Gletscher fiel er kopfüber, richtete sich mühsam auf und lief über den Schnee weiter. Die Pferde waren nicht so dreist und entschlossen wie die Yaks. aber man sah leicht, daß auch sie an diese Art zu reisen schon gewöhnt waren. Die Menschen mußten wohl oder übel auch hinab, aber nach einer andern Methode. Wir setzten uns vorsichtig an den Rand des Gletschers, stemmten die aneinander gedrückten Fersen auf das Eis, benützten den Peitschenstiel als eine Art Steuer» ruder, und sausten hinab als wären wir Locomotiven. Ein Seemann würde sagen, wir waren mit einer Geschwindigkeit von zwölf Kuoteu in der Stunde vorwärts gekommen. Unten nahm jeder fein Roß. stieg in den Sattel, und setzte die Reise in der gewöhnlichen Art fort. Wir hatten keine steilen Abhänge mehr; bald lag der Geifterberg hinter uns. und nachdem wir ein Thal durchzogen hatten, in welchem wir einen eisbedeckten Fluß antrafen. gelangten wir nach dem Haltplatz Lha Ri. wo in der^ selbcn Weise wie zu Ghiamda militairischer Empfang stattfand. Für uns batte der Dheba schon Vorkehrungen getroffen; wir wohnten in einer chinesischen Pagode, genannt Kuang ti miao, das heißt Tempel des Kriegsgottes. Kuang ti war ein berühmter Feldher im dritten Jahrhundert. Nachdem er viele große Siege erfochten, wurde er sammt seinem Sohne getödtet. Die Chinesen sagen, er sei nicht gestorben, sondern zum Himmel aufgestiegen, und dort unter die Götter versetzt. Die jetzt re« gierende Mandschudynastie hat ihn zu ihrem Sckmtzgenins ernannt, und ihm viele Tempel erbaut. Er wird sitzend dargestellt, nebeil ihm steht sein Sohn Kuang Ping gerade aufrecht; zur andern Seite hat er seinen Stallmeister, dessen Gesicht schwarzbraun ist. Von Lha Ssa bis Lha Ni rechnet man 1010 Li oder etwas mehr als hundert Wegstunden. Wir hatten die Strecke in fünfzehn Tagen zurückgelegt. Nun ruhten wir im Dorfe Lha Ni aus. Diese große Ortschaft steht in einer von unfruchtbaren Tteilbergen überragten Schlucht; von Ackerbau ist keine Spur vorhanden, und das Mehl kommt aus Tfing ku. Fast alle Einwohner find Hirten; sie besitzen Heerdcn von Schafen und Jaks, besonders aber Ziegen, aus deren feinem kräftigen Haar aus« gezeichnete Pu lu und andere Stoffe verfertigt werden, die mit den Kaschmir- l9. Kap.I Dcr Lcang Tal in Lha Ni. 327 shawls Aehnlichkeit haben. Die Thibetaner von Lha Ri sind bei weiten, nicht so*civilisirt wie jene von Lha Ssa; im Ausdruck ihres Gesichtes liegt etwas Hartes und Wildes; sie tragen sich unsauber, und ihre Wohnungen O bestehen aus roh zusammengelegten Steinen, die vermittelst einer Art Lehm gebunden werden. Ueber der Stadt liegt am Bergabhange ein geräumiges Kloster mit einem hübschen Tempel. Der Kampo ist zugleich geistlicher Vorsteher und mit der weltlichen Verwaltung des ganzen Be> zirks beauftragt. Es giebt in Lha Ni viele Lamas, zumeist Müssiggänger, die ein elendes Leben führen. Wir sahen sie in den Straßen massenweis liegen, um die Sonnenstrahlen aufzufangen und sich zu erwärmen; ihre Weder waren mit rothen oder gelben Lumpen umhüllt; es war ein widerwärtiger Anblick. Die chinesische Negierung unterhält in Lha Ri ein wohlversorgtes Vorrathshaus; Verwalter desselben ist ein Mandarin aus der Gelehrtenclasse, mit dem Titel Leang Ta'i, das heißt Tchaffer, Lieferant. Er hat den weißen Krystallknopf und muß den verschiedenen auf der Nrisestraße stationirten Wachtposten den Sold auszahlen. Von Lha Ssa bis zur chinesischen Grenze sind sechs dergleichen mit Lebens-mitteln versehene Vorrathshäuser vorhanden. Das erste und bedeutendste befindet sich in Lha Ssa selbst, dessen Leang Ta'i die Oberaufsicht über 5ic fünf anderen führt; er hat ein Iahresgebalt von 70 Unzen Silbers; die Uebrigen bekommen nur 60 Unzen. Die Unterhaltung des Magazins in Lha Ssa kostet jährlich 40 000 Unzen Silbers, jenes in Lha Ri nur etwa 8000. Die Besatzung dieses letzteren Ortes besteht aus 130 Mann; an ihrer Spitze stehen ein Tsien Tsuug, ein Pa Tsung und ein Wei We'i. Der Liang Ta'i hatte dic Karawane nicht amtlich begrüßt; er schickte am andern Tage nur eine Visitenkarte, ein Stück rothen Papiers auf welches er seinen Namen geschrieben hatte; durch seinen Commissionair ließ er zugleich sagen. er sei wegen einer schweren Krankheit ans Zimmer gebunden. Ly Kuo Ngang lächelte boshaft und sagte: ..Der Leang Ta> wird wohl wieder munter sein, sobald wir fort sind. Ich konnte mir's wohl denken! Alle Male wenn eine Karawane durchzieht, ist Süeh (so hieß er) krank; das weisi man schon. Vorschriftsmäßig Hütte er uns heute ein Gastmahl erster Classe veranstalten müssen; er will sich aber darum hinweg schieben. nnd deshalb stellt er sich krank. Der Leang Ta. Süeh ist der geizigste Mensch aus der ganzen Welt; er kleidet sich wie ein Palankinträgcr, frißt Tsamba wie ein thibetanischer Barbar; er raucht nicht, spielt nicht, trinkt auch keinen Wein. Abends hat er kein Licht im 328 Das Geblrge Echor ku la. ll9. Kap. Hause, tappt im Dunkeln zu Bette, und steht erst sehr spät auf. weil er sich fürchtet daß er schon frühmorgens Hunger haben könnte. Er»ift gar kein Mensch, er ist ein Schildkrötenei. Der Gesandte Ki Schan will ihn cassiren und thut wohl daran. Ja, dieser Süeh M u tschu.." Wir lachten und bemerkten gegen Ly, daß er sich eines unhöfliche» Ausdruckes bediene. — „Ihr habt ganz recht, der Ausdruck ist unhöflich; ich will euch indessen die Sache erklären: Süeh war ehemals Mandarin in einem ^ kleinen District der Provinz Kiaug Si. Einst kommen zwei Leute vor sein Gericht und verlangen ein Urtheil über eine Zuchtsau, aufweiche Beide Anspruch machen. Richter Süeh gab folgende Entscheidung: „Nach. dem ich Wahrheit und Lüge von einander abgesondert, erkläre ich. daß die Sau keinem von euch gehört, und gebe ferner den Entscheid daß sie mir gehöre. Dieses Urtheil zur Nachachtung! DieGerichtsdiener nahmen die Sau und verkauften sie auf dem Markte. Seitdem heißt dieser Mann Süeh mu tschu, das heißt Süeh das Mutterschwein." Am Tage unserer Abreise von Lha Ri machten wir nur sechzig Li; unterwegs kamen wir an einen See von zehn Li Länge auf acht in der Breite; er war geftoreu und wir ritten hinüber. Nachtlager hielten wir in dem Weiler Tsa tschu ka, in dessen Nähe warme Quellen liegen; nach Aussage der Thibetancr sind sie heilkraftig. Am andern Tage überschritten wir das Gebirge Schor ku la, das an Höhe und Steilheit mit dem Lha Ni wetteifert. Auf dem Gipfel fanden wir ein Obo, das uns einigen Schutz gegen den Wind gewährte. Wir ruhten ein wenig aus und rauchten eine Pfeife. Ly erzählte uns. zur Zeit des Krieges, welchen Kaiser Kien Long gegen Thibet führte, hätten die chinesischen Truppen beim Uebergang über den Schor kn la rebellirt. weil sie die weite Reise und die vielen Beschwerden und Entbehrungen unerträglich fanden. «Hier auf dieser Hochfläche knebelten die Soldaten ihre Officiere. und drohten sie in den Abgrund zu schleudern. wenn der Sold nicht erhöht würde. Die Generäle gingen darauf ein, die Meuterei hörte auf; die Mandarinen wurden ihrer Bande entledigt, und der Zug begab sich nach Lha Ri. Dort hielten die Generäle ihr Wort, erhöhten den Sold, ließen aber je den zehnten Mann niederhauen. Vom Gipfel des Schor ku la abwärts hat man einen nur wenig ge« neigten Weg, und reist mehrere Tage auf der Höhe eines mächtigen Ge« birgsstockes, in dessen zahlreichen Verzweigungen bis in weite Ferne steile Spitzberge sich zeigen. Von Lha Ssa bis zur Provinz Ssc tschuen hat man auf der ganzen Strecke in einem fort mächtige Bergketten, die von 49. Kap.) Der Weg nach Alan To. 329 Katarakten. Tiefen und Engpässen durchschnitten find. Bald sind diese Gebirgsmassen ohne alle Regelmäßigkeit und wie durcheinander geworfen, und bieten dann auch seltsame und ungeheuerliche Gestaltungen dar; bald sind sie ebenmäßig neben lind gegeneinander gereiht, gezackt wie die Zähne einer Säge. Die ganze Physiognomie des Gebirges erhält oft in raschestem Wechsel ein ganz neues Gepräge und bietet den mannigfaltig» sten Anblick dar. Und doch ermüdet das Auge. weil es immer und immer Gebirge sieht. Deswegen würde eine in's Einzelne gehende Beschreibung von Thibet sehr einförmig werden, und wir reden deshalb nur von dcn berühmtesten Gebirgen, welche, wie die Chinesen sich ausdrücken. ..das Leben des Reisenden in Anspruch nehmen." Die Landcsbewohner nennen Alles Ebene, was nicht in die Wolken emporsteigt und nicht geradezu Abgruud oder Labyrinth ist. Eo gelten denn auch die Hochlande welche wir nach Ueberschreitung der Schor ku la durchzogen, für ein ebenes Land. Von da bis Alan To. sagten unsere thibetanischen Begleiter, ist kein Berg. Dabei streckten sie die flache Hand aus. Doch sei. fügten sie hinzu. Vorsicht wokl angebracht, weil der Pfad oft eng und schlüpfrig sei. Nun verhielt es sich mit diesem angeblich wie das Innere einer Hand flachen Weqe folgendermaßen. Sobald man über den Schor ku la hinüber ist. trifft man eine Reihenfolge fürchterlicher Abgründe. die auf beiden Selten von fteilabfallcnden Bergwänden eingeschlossen sind. wie von Mauern. Der Reisende muß an diesen Abgründen entlang wandern, oft in sehr beträchtlicher Höhe und auf einer so schmalen Leiste, daß manchmal die Pferde eben nur Platz genug finden, um die Füße stellen zu können. Als wir sahen wie die Yaks auf diesem grauenvollen Pfade gingen, und wir aus der Tiefc dieser fürchterlichen Echlünde das Rauschen der Gewässer herauf-brausen hörten, ergriff uns ein Schrecken und wir stiegen vom Pferde. Aber Alle riefen uns zu. wir möä'tcu wieder aufsitzen, die Pferde seien an dergleichen Wege gewöhnt und hätten einen weit sicherern Tritt als die Menschen; wir möchten sie machen lassen was sie wollten, nicht zur Seite schäum und fest im Bügel und Sattel bleiben. So .befahlen wir denn unsere Seele Gott. folgten den Nebligen, und überzeugten uns allerdings, daß wir auf diesem rauhen und schlüpferigen Wege unmöglich das Gleichgewicht hätten halten können. Es war uns als ob eine unwiderstehliche Gewalt nach dem Abgrunde hinzöge. Um nicht vom Sä'windel erfaßt zu werden, wendeten wir den Kopf nach der Gebirgswand hin. die uns beinahe das Haar streifte. Manchmal mußten wir über dicke Baumstämme, die über horizontale Pfahle gelegt waren. Es rieselte uns eisig durch 330 Die Wohnungen der goldenen Schlncht. sl9. Kap. Mark und Bein, wenn wir diese Brücken nur sahen. Aber was half das? Wir mußten immer vorwärts, denn es war eben so unmöglich umzu-, wenden als vom Pferde zu steigen. So schwebten wlr ganze zwei Tage lang unaufhörlich zwischen Leben und Tod. ehe wir nach Alan To kamen; es war der fürchterlichste und gefährlichste Weg, den die Einbildungskraft nur ersinnen könnte. Nachdem wir ibn zurückgelegt batten, wünschten wir Alle uns Olück, daß wir nicht in den Abgrund gestürzt waren; Jeder erzählte in fieberhafter Aufregung, was er an den allergefäbvlichstcn Stellen gedacht und empfunden habe. Der Dheba von Alan To pries uuser unerhörtes Glück, denn es war kein Mensch von unserer Karawane, sondern nur drei beladene Ochsen waren verloren gegangen, aber davon war weiter gar keine Rede. Ly sagte uns, er habe'noch jedesmal in dieser Gegend Unglücksfälle mit erlebt; auf seiner vorletzten Neise waren vier bcrittene Soldaten hinuntergestürzt. Vorber hatte mau uns von alledem nichts gesagt, weil man besorgte wir würden uns dann weigern die Reise zu machen, und das wäre allerdings wohl auch der Fall gewesen. Von Alan To ritten wir durck einen dichten Tannenwald abwärts, und hielten nach einem Tagemarsch von achtzig Li im Dorfe Lang ki tsung. ,einer so angenehmen und malerisch gelegenen Station wie wir sie noch nicht gesehen hatten. Sie liegt in einer hübschen, ziemlich fruchtbaren und wohl angebauten Ebene. deren Felder gut bewässert werden. Die Chinesen nennen deshalb den Ort KinKeu. goldene Schlucht. Die Häuser in diesem Ort find von eigenthümlicher Bauart; Alles an ihnen besteht aus Holz. von dem die Rinde abgeschält wird. Man rammt sehr dicke Pfähle recht tief in die Erde. so daß sie nur etwa zwei Fuß hervorstehen; auf diese Pfäble legt man wagerecht neben einander Tannenbalken, nnd gewinnt auf diese Art einen Grundbau. Aus ähnlichen Balken werden sehr feste mid dichte Wandmauern aufgezimmert: auch das Dach besteht aus Balken, die dann mit Rinde bedeckt sind; sie bildet eine Art von Schindeldach. Dergleichen Hauser sehen aus wie gewaltige Käfige, deren Dräthc dicht neben einander stehen. Etwaige kleine Lücken und Zwischen« räume werden mit Kubdünger ausgefüllt. Die dortigen Thibetaner bauen derartige Häuser sehr groß'und mit'niehreleii Stockwerken; sie sind sehr warm und ungcmein trocken; nur ist der Fußboden ungleich, und für Bälle und Tänzer wären sie allerdings nicht geeignet. Während wir in einem dieser hölzernen Käfige saßen, meldete der Dheba, daß während der letzten acht Tage eine ungeheure Menge Schnee gefallen uud das Tan da- 19. Kap.) Der Berg Tanda. — Schachspiel. 331 gebirge deshalb jetzt nicht zu Passiren sei; eist am Tage vorher seien dort einige Männer umgekommen. Nir nabmen unsere chinesischen Wegweiser zur Hand und lasen: „Das Tandagebirge ist ungemein steil und schwer zu ersteigen; ein Bach fließt durch eine euge Schlucht; seiu Bett ist im Sommer voll Scklamm uud schlüpferig, im Winter mit Eis und Schnee gefüllt. Die Reisenden gehen mit Stäben hintereinander her wie die Fische. Es ist die beschwerlichste Strecke auf der ganzen Reise nach Lha Ssa." Ly hatte Leute fortgeschickt, um nähere Erkundigungen einzuziehen; sie kamen zurück und bestätigten lediglich was der Dheba gesagt hatte. Aber der Letztere erklärte, er sci bereit, eine Heerde Ochsen vorausgehen zu lassen. die zwei Tage lang im Schnee herumgetrieben werden sollten, um einen Weg zu bahnen. Das geschah denn auch; wir konnten in Laug ki tsung der Ruhe pflegen und uns erholen. Die Thibetaner iu jenem Thal siud weit civilisirter als jene die wir seit Lha Ri gesehen hatten. Sie versorgten uusere Küche reichlich mit Fleisch von Fasanen, Hirschen, frischer Butter und einer kleinen süßen Knollenfrucht, welche sie auf den Bergen sammeln. Wir füllten unsere Zeit mit Nebeten, Spa» zierengehen und Schachspiel aus. Der Regent in Lha Ssa hatte uns ein Schachbret mit schöngeschnitzten Elfenbeinfiguren geschenkt: diese letzteren stellten Tbiere dar. Die Chinesen sind bekanntlich große Liebhaber des Schachspiels, doch weicht dasselbe mannigfach von dem unsrigcu ab. Auch die Mongolen und Tbibetaner kennen das Spiel, und nmkivürdig genug stimmt das ihrige vollkommen mit unserm europäischen überein. Zwar find ihre Figuren andere, aber sie haben denselben Werth und werdeu gerade so gezogen wie bei uns: auch siud die Spielregel» beinahe einerlei. Die Mongolen und Thibetaner sagen Schik wenn sic Schach bieten, und Mat, wenn die Partie zu Ende ist. Diese Ausdrücke sind weder mongolisch noch tbibctanisch. und doch gebraucht sie Jeder, ohuc über Ursprung oder wahre Bedeutung sich Rechenschaft geben zu können. Sie waren sehr überrascht, als sie von uns hörten, daß man in Europa Schach, «eiioe und Matt sagt. Nach drei Tagen erklärte der Dheba von Long ki tfung, wir könnten die Reise antreten. Es war recht düsteres windiges Wetter. Als wir am Fuße des Tanda standen, gewahrten wir einen langen dunkeln Streifen, der. einer ungeheuern Raupe vergleichbar, langsam am steilen AbHange sich bewegte. Die Führer sagten, es seien Lamas, die von der Pilgerfahrt nach dem Lha Ssa Moru zurückkamen; sie hatten in der vergangenen Nacht am Ende deS Thales Rast gehalten. Der Anblick dieser 332 Der Tandabeig. — Der Schutzgeist des Berges Na ho. sl9. Kap. großen Anzahl von Reisenden belebte unsern Mnth und wir machten uns frisch daran den Berg zu ersteigen. Aber noch bevor wir den Gipfel erreichten, erhob sich ein Sturm und trieb den Schnee nach allen Nichtun» gen ill die Luft; es war als wäre das ganze Gebirge in Auflösung. Dabei wurde der Abhang so steil, daß Menschen und Thieren beinahe die Kräfte ausgingen. und wären die Schneehaufen nicht gewesen, so hätte man von dem Berge bis ins Thal hinabkugeln können. Herr Gäbet der sich von seiner Krankheit noch immer nicht ganz erholt hatte. mußte vor Erschöpfuug deu Schweif seiues Pferdes fahren lassen, sank ohnmächtig nieder und blieb im Schnee liegen. Die Thibetancr kamen ihm zu Hülfe; es gelang ihnen aber nur mit äußerster Mühe ihn oben hinauf zu schaffen. Erwar mehr todt als lebendig und röchelte wie ein Mensch dessen letzte Stunde gekommen ist. Dort oben trafen wir tie Lamas; sie lagen alle im Schnee, und hatten ihre eisenbeschlagenen Stäbe zur Seite; einige mit Gepäck beladene Esel hatten sich dicht aneinander gedrängt, ließen die Ohren hängen, und ihre Kochen klapperten vor Kälte. Der Bergabbang war fast senkrecht; man sehte sich und rutschte hinab über den Schnee, der alle Unebenheiten des Bodens ausgeglichen hatte. Dabei ging nnr ein Esel verloren. Gleich nach unserer Ankunft in Tanda schüttelte der Mandarin Ly Kuo Ngan den Schnee von seineu Kleidern, setzte den Ceremonienhut ans und begab sich mit seineu Soldaten in eine kleine chinesische Pagode, die am Eingänge zum Dorfe stand. Man erzählt daß während des Krieges, den Kien Long gegen die Thibetaner führte, ein Lieferant, der das Heer mit Lebensmitteln zu versorgen hatte, im Winter über das Tandagebirge nach Lha Ri reisen wollte. An einem mit Schnee ausgefüllten Abgrunde fiel eine Geldkiste vom Nucken eines Jak hinab. Sogleich sprang der Lieferant vom Pferde, lief der Kiste nach, ergriff sie und rollte mit ihr in den Abgrund hinab. Man berichtet weiter, dieser Leang Tal sei im Frühjahr, nachdem der Schnee hinwcggesckmwlzen war, wieder aufgefunden worden; neben ihm fand man auch die Kiste mit Geld. Der Kaiser wollte die Amtstreue des Lieferanten ehrend anerkennen, ernannte ihn zum Ge< nius des Tandagebirges und ließ -demselben Mc oben erwähnte Pagode bauen, in welcher der Genius ein Idol hat; vor diesem müssen die van und nach Lha Ssa reisenden Mandarinen sich dreimal verneigen. Die chinesischen Kaiser versetzen Bürgerliche und Kriegebeamte, die sich in hervorragender Weise ausgezeichnet haben, unter die Götter; die Ehrfurcht welche man ihnen erweift, bildet die amtliche Religion der Mandarinen. Vom Tanda ab kommt man sechzig Li weit über die Ebene Piam 19. Kap.1 Die Stadt Schobaiido. — Unsere Aufnahme daselbst. 333 Pa; fie ist, unserm chinesischen Wegweiser zufolge, die ausgedehnteste in Thibet. Ist dem so, dann leidet ce keinen Zweifel daß Thibet als ein ganz abscheuliches Land betrachtet wcidcn muß; denn diese an» gehliche Ebene fanden wir unaufhörlich voller Hügel und Schluchten; auch ist sie so schmal daß man v,on ihrer Mitte aus sehr wM die Menschen welche zu beiden Seiten am Fuße der Berge geben, zu erkennen vermag. Hinter der Ebene von Piam Pa schlangelt sich fünfzig Li weit ein Fluß« chen durchs Gebirge; dann kommt man nach Lha Dze, wo die Ulahs gewechselt werden. Von dort sind es hundert Li bis zum Militairposten Bari lang; zwei Drittel des WegeS nimmt das Gebirge DschackLa ein. es ist berüchtigt und wird von den Chinesen Ua ming ti schan genannt, das heißt ein Gebirge welches das Leben in Anspruch nimmt. Wir kamen glücklich hinüber, und hatten von Bari lang ab einen durchaus nicht beschwerlichen Weg. Dann und wann sahen wir wie der Nauch aus einigen armseligen Hütten aufstieg, welche in den Schluchten vereinzelt lagen; es wohnen Thibetaner darin. Auch trafen wir schwarze Zelte und viele Yakheerden. Nachdem wir hundert Li gemacht, waren wir in Scho» bando. Diese kleine Stadt gewahrte mit ihren okerrotheu Häusern und Klöstern aus der Ferne gesehen einen wunderlichen aber keineswegs unan» genehmen Anblick. Sie lebnt sich an einen Berg, ist auf der Vorderseite von einem schmalen aber tiefen Fluß umzogen, über welchen eine hölzerne Brücke führt; sie erbebt unter dem Schritte der Reisenden. Schobando ist der wichtigste Militairposten nach Lha Ni, denn es stehen hier fünfundzwanzig Mann unter einem Tsien tsung. Dieser war ein genauer Freund unseres Ly; sie hatten mehrere Jahre zusammen an der Grenze von Ghorka gedient. Wir wurden von ihm zum Abendessen eingeladen, und genossen mitten in dieser Wildniß ein Mahl, bei welchem es an chinesischen Leckerbissen aller Art nicht mangelte. Als wir eben schlafen geben wollten, erschienen zwei Reiter im Hof unserer Herberge. Sie trugen einen mit Schellen besetzten Gürtel, ver« weilten nur wenige Minuten und sprengten dann fort. Wir erfuhren daß wir den außerordentlichen Eilboten gesehen hatten, der vomGe» sandten Ki Schan aus Lha Ssa nach Peking abgefertigt worden war. Er hatte die thibctanische Hauptstadt erst vor sechs Tagen verlassen und schon mehr als zweihundert Li, also zweihundert Wegstunden zurückgelegt. Insgemein werden Berichte von Lha Ssa nach Peking in dreißig Tagen befördert, und man wird diese Schnelligkeit im Vergleich zu Dem was die Couriere in Europa leisten, nicht übertrieben finden. Vergegenwärtigt man 334 Eilboten. — Beschreibung des Wa hu- Gebirges. sl9. Kap. sich aber die Beschaffenheit der Wege in Thibet, so wird man über eine so lascke Beförderung erstaunt sein: sie ist in der That fast unbegreiflich. Die Eilboten welche die. Post besorgen, reisen in Thibet Tag und Nacht; allemal sind ibrer zwei beisammen, ein chinesischer Soldat und ein thzbe.-taniscker Fübrer. In Zwnckeimiumen von.etwa hundert Li wechseln sie die Pferde: die Menschen wechseln aber nicht so oft. Der Eilbote pflegt, bevor er auf die Reise geht, einen Tag lang zu fasten: unterwegs genießt cr bei jedem Relais einige Eier. Er hat ein höchst beschwerliches Leben, und Leute dieser Art erreichen nur selten ein hohes Älter: viele gchcn unterwegs verloren, stürzen in Abgründe oder werden vom Schnee begraben; andere ziehen sich schwere Krankheiten zn. Wir haben nie begreifen können, wie es überhaupt möglich ist daß diese Eilboten in Thibet bei Nacht reisen können. Schobando hat zwei Klöster mit vielen Lamas von der Sectc der Gelbmützen; in dem einen befindet sich eine große Druckerei, welche die Klöster der ganzen Provinz Kbam mit Büchern versorgt. Von Sckobando ab ging der Weg wieder dnrchs Gebirge, durch Tannen- nnd Etcchpalmenwälder nach Kiavu kiao, einem Dorfe am steilen Ufer des Suktschu, der in raschem breiten Strome durch zwei Berge stießt. Wir fanden die Einwohner in großer Betrübniß, weil die Brücke eingestürzt war; zwei Menschen nud drei Ochsen hatten dabei den Tod gefunden. Der Dhcba hatte indessen ein Floß bauen lassen. und wir konnten also unsere Reise fortsetze». Etwa dreißig Li von dem Ort entfernt, kamen wir an eine Holzbrückc, die über einen furchtbaren Abgrund ge-> schlagen war; sie erbebte unter unserm Tritt, doch kamen bei gehöriger Vorsicht Menschen und Vieh glücklich hinüber. Wir hielten Nachtlager in Na» ho tschaV, wo neben ein paar thibctauischen Häusern ein kleiner chinesischer Tempel steht. Dort befindet sich auch ein Wachtposten. Es schneite sehr stark und wir sollten am andern Tage hundertfunfzig Li machen. Unser Wegweiser meldete: ..Auf dem Gebirge Wa ho liegt ein See. Damit man sich im Nebel nicht verirre, sind auf den Höhen hölzerne Merkzeichen angebracht worden. Wenn tiefer Schnee liegt richtet man sich nach diesen Zeichen; man darf aber kcin Geränsch machen, überhaupt kein Wort sprechen, denn sonst fallen Eis nnd Hage! in Massen mit ungebcurer Schnelligkeit herab. Auf dem ganzen Gebirge findet man weder vierfüßige Thiere nock Vögel, denn es ist während aller vier Jahreszeiten gefroren; an den Abbängen nnd auf bnndert Li Entfernung liegt keine menschliche Wohnung. Viele chinesische Soldaten und Thibetaner erfrieren dort."— 19. Kap.) Eine Gott gewordene Kröte. 335 Als die Soldaten des Wachtpostens zu Wa ho tschal sahen, daß der Schnee anhielt, öffneten sie eine kleine Pagode, und zündeten eine Menge kleiner rother Kerzen vor einem Götzenbild an; es hatte ein drohendes Antlitz, hielt in der rechten Hand ein Schwert, und in der linken einen Bogen nebst einem Bündel Pfeile. Die Soldaten schlugen dann mit aller Gewalt auf eine kleine Kesselpauke (Tamtam) und trommelten auf einem Tamburin. Ly hatte seine Ceremonicnkleidcr angethan, und warf sich vor dem Idol nieder. Wir fragten ihn zn wessen Ehre die Pagode errichtet worden sei, und er erzählte uns eine Geschichte von Mao Ling, der ein Kiang Kinn, das heißt ein Würdenträger in der höchsten militairischen Rangstufe gewesen. Jede Provinz hat einen solchen Beamten; er trägt den rothen Knopf. Neben ihm steht ein Tsung tu oder Vicekönig; dieser verwaltet die Civilgeschäste und gehört allemal dem Stande der Gelehrten an. Jener Mao Ling, wurde in dem Kriege, welchen Kien Long gegen, Thibet führte, als Oberfeldherr gegen die Nebellm geschickt. Als er mit viertausend Mann über das Wa tw-Gebirge ziehen wollte, erklärten die lan-deseingeborcnen Führer, daß die ganze Heeresabtheilung unter dem Schnee verschüttet werden würde, wenn nicht Alle während des Ueberganges ein tiefes Schweigen beobachteten. Das geschah; aber das Gebirge war nicht in einem einzigen Tage zn überschreiten, und man mußte auf der Hochfläche Nast halten. Die Kriegsordnung schrieb vor. daß früh Morgens ein Kanonenschuß abgefeuert werden solle, nnd Mao Ling befolgte auch jetzt das Herkommen. Aber als das Geschütz erdröhnte stürzten vom hohen Himmel ungeheure Schneclawinen herab, unter welchem der Kiang Kiun mit allen seinen Leuten begraben wurde. Nur ein Koch nebst drei Dienern kam mit dem Leben davon, weil er früher aufgebrochen und schon weit voraus war. Der Kaiser ernannte den Feldherrn zum Schutzgeist des Gebirges Wa ho und ließ diese Pagode bancu. — Schnee und Hagel kommen wie die Chinesen glauben, vom Berggeist her; dieser heißt Hia rna tsching schin. das heißt die zum Gott gewordeue Kröte. Denn am Ufer des schon erwähnten Sees haust eine große Kröte, die stch nur selten blicken läßt; aber wenn sie seufzt und schreit, so hört man das einhundert Li in der Ruude. Sie wohnt dort schon seitdem Himmel und Crde bestehen, hat diesen Ort nie verlassen uud ist zum Gott und Geist des Gebirges geworden. Wenn die Menschen dieses Gottthier in seiner Ruhe stören, so geräth es in Zorn und-bestraft sie dadurch, daß es Hagel und Schnee auf sie herabschüttet. Schon sehr früh am Morgeu brachen wir aus; während der Nacht 336 Anlnnft in Tsiamdo. l2ft. Kap. war fußtief Schnee gefallen, und dadurch eiu leichteres Fortkommen er« möglicht; insgemein ist das Gebirge mit Glatteis bedeckt und «ngemein schlüpfrig. Bei Sonnenaufgang hatten wir die Hochfläche erreicht, und Alles ließ dem bisl,er verschlossenen Munde freien Lauf. und es feblte nicht an Spott über die göttliche Kröte, die jetzt nicht mehr schaden konnte. Das Plateau bietet einen tief melancholischen Anblick dar; so weit das Auge reicht weiter nichts als Schnee und immer wieder Schnee: kein Baum, nicht einmal Spuren eines wilden Thieres; Alles ist eintönig; nur da und dort steht ein dunkler Pfahl oder eine Stange als Wegzeiger. Die Reisenden finden nicht einmal eine Stelle wo Tl,ec gekocht werden könnte. Den ganzen Tag über war leider das Wetter so klar, daß der vom Schnee zurückprallende Sonnenglanz unseren Auge» webthat, obwohl wir unsere Brillen trugen. Gegen Abend hatten wir den Rand der Hochfläche erreicht, stiegen durch Tbalschwcbten hinab und gelangten nach NgendaTsch a'i ins Nachtlager. Wir rasteten einen Tag, der Lama Dsiam-Dschang bereitete Augensalbe für Alle. Nnn batten wir noch drei Tagereisen bis Tsiamdo, auf abscheulichem Wege. durch Steilschluchten und über armselige Brücken. Zwanzigstes Kapitel. Tsiamdo. — Krieg zwischen zwei lebenden Buddhas. — Kalksteingebirge. — Der große Häuptling Proül Tamba. — (5iu buddhistischer Einsiedler. — Der Haltplah An^ti. ^ Die ^tadt Dj^ia. — Das Bisamthicr. — Der Strom mit Goldsand. — Die Ttadt Bathanq. ^ Die Mandarinen von ^ithang. — Thibetanische Brücken. — Ankunft zu Ta tsien lu an der thibctanischen Grenze. Wir erreichten Tsiamdo am scchsundrcißigsten Tage nach unserer Arcise von Lha Sfa; in dieser Zeit hatten wir zweitausendfünfhundert Li oder etwa dritthalbhundert gute Wegstunden, (französische Lieues) zurückgelegt, und waren nun in dieser Hauptstadt der Provinz Kham; die chinesische Regierung hat dort ein großes Magazin und einen Militairpostm von etwa dreihundert Mann, unter einem Yen Ki, einem Tfien tsung und zweien Pa tsung. Die Stadt liegt in einem Tbale zwischen hohen Bergen; früher hatte sie eine Umwallnng, dock fallen die ssrdmauern ein; die Eteinbekleidung wird weggenommen und zum Häuserbau benützt. 20. Kap.) Tschiamdo. — Djaya. 337 Tsiamdo bedarf auch künstlicher Echutzwehren nicht; da es an beidenFlüssm Dsa tschu und Om tschu hinlängliche Deckung hat. Beide fließen um die Stadt und bilden im Süden derselben den Ja long kiang, der von Norden nach Süden durch die Provinz Mn nan und durch Cocyin-china strömt und ins chinesische Meer mündet, Sowohl über den Dsa tschu wie über den Om tschu, also zur rechten und zur linken Seite der Stadt, ist eine Brücke geschlagen; beide führen zu parallel laufenden Straßen, die erste nach der Provinz Sse tschuen. die andere nach Mn nan, doch wird die letztere nicht stark benützt. Die Regierungsbeamten wählen ausschließlich nur die erstere. auf der zweiten trifft man dann und wann chine» fische Kaufleute die von den Mandarinen ihrer Provinzen das Privilegium erkauft haben in Thibet zu handeln. Früher waren die Militairposten welche der chinesische Kaiser in den Besitzungen des Tale Lama unterhalt von den Behörden der beiden Provinzen Sse tschuen und Mn nan zu» gleich abhängig; daraus entstand jedoch unter den beiderseitigen Mandarinen mancherlei Hader, welchem die Regierung dadurch ein Ende machte, daß sie alle in Thibet lebenden Chinesen unter den Vicekönig von Sse tschuen stellte. Tsiamdo ist offenbar im Verfall; die großen unregelmäßig gebau« ten Häuser liegen weit und breit zerstreut umher; man sieht viele Schutt-und Trümmerhaufen, und nur wenige neue Gebäude. Die Volksmenge ist zahlreich, aber schmuzig und trag, uud wir wissen kaum wo3on sie sich nährt, da von Handel oder Gewerben keine Nede, und der Ackerbau in der sandigen Umgebung ohiie alle Bedeutung ist. Man erntet etwas graue Gerste, und tauscht gegen nothwendige Lebensbedürfnisse einige Landeserzeugnisse aus. nämlich Moschus, Häute von wildem Hornvieh, Rhabarber, blaue Türkise und Goldstaub. Gegen diese Armseligkeit sticht das große prachtige Kloster, das im Westen der Stadt auf einer Anhöhe liegt, scharf ab. Dort hausen etwa zweitausend Lamas, nicht wie sonst in budohisti» ^chen Klöstern der Fall ist, vereinzelt in kleinen Hausern, sondern gemeinschaftlich in großen Gebäuden, welche den Haupttempel umgeben. Dieser letztere ist prachtvoll verziert und gilt für einen der schönsten in Thibet. Der Vorsteher dieses Lamaklosters, ein Lama Hotuktu. ist zugleich weltlicher Beherrscher der Provinz Kham. Etwa fünfhundert Li von Tsiamdo nach der chinesischen Grenze hin liegt die Stadt Djaya, Hauptort einer Landschaft, die einem Oberlama unterworfen ist; er führt den Titet Tschaktschuba, bekleidet demnach eine geistliche Würde, die etwas niedriger ist als die Rangstufe eines Hu- Huc, Mongolei. 22 338 Krieg zwischen zwei lebenden Buddhas. s20. Kap. tuktu. Zur Zeit unseres Aufenthaltes in Thibet war ein heftiges Zer-würfniß zwischen dem Hutuktu von Tsiamdo und dem Tschaktschuba vou Djaya ausgebrochen. Dieser Letztere, ein junger ehrgeiziger Priester, batte sich selber zum Hutuktu gemacht, kraft eines alten Diploms welches der Tale Lama ihm während eiuer seiner früheren TransMigrationen ertheilt batte. Demgemäß machte er Anspruch auf die Oberherrschaft in der ganzen Provinz Kbam und auf die Residenz W Tsiamdo. Der dortige Hutuktu, ein hochbejahrter Lama, wollte aber nicht abtreten, und stützte sich seinerseits auf Diplome, welche der chinesische Kaiser ausgestellt und der Tale Lama bestätigt hatte. In diesen Steit waren nach uud nach alle Stämme und Klöster der Provinz verwickelt worden, hatten für uud gegen Partei genommen. Nach langem fruchtlosen Hin- und Hcrschreibeu hatte man zu den Waffen gegriffen, nnd diese wilden Völkerschaften lagen ein volles Jahr lang in blutiger Fehde mit einander. Viele Dörfer wurden zerstört, Heerden zu Grunde gerichtet, Wälder in Brand gesteckt; überall strömte Blut. Als wir in Tfiamdo angelangten, war eben Waffenstillstand eingetreten, und Bevollmächtigte des Tale Lama und des chinesischen Gesandten in Lha Ssa suchten zu vermitteln. Der junge Hutuktu von Djaya war nach Tfiamdo berufen worden. Er kam auch, aber in Begleitung einer betrachtlichen Kriegerschaar; offenbar besorgte er Verrath. Die Confe» renzen brachten kein befriedigendes Ergebniß, da keiner der Prätendenten von seinen Ansprüchen etwas aufgeben wollte, und Alles deutete auf einen Wiederausbruch der Feindseligkeiten. Aber der junge Hutuktu war vollst thümlich, weil er die Einmischung der Chinesen nist unwillig ertrug, während der Alte sie herbeigerufen hatte. Jede Einmischung Fremder in die Landesangelegenheiten wird überall verabscheut, wo das Volk ein Gefühl für Würde und Unabhängigkeit hat. Wir unsrerseits wurden in Tfiamdo mit demselben Wohlwollen behandelt wie überall im Lande; beide Prätendenten sendeten uns, nebst der unvermeidlichen Höfiichkeitsschärpe', Butter und Hammelfleisch. DreD Tage währte unser Aufenthalt, denn es ging mit unserm Mandarin Ly täglich schlimmer; seine Beine waren geschwollen, und weder Aerzte noch Zauberer konnten ihm helfen. In einem Palankin wollte er aus Geiz nicht reisen. Der alte Hutuktu gab uns vier Reiter als Schutzwache bis zur Grenze der Landschaft Djaya. Wir ritten aus der Stadt über eine schöne aus Tannenstämmen gezimmerte Brücke aus der Straße nach Sse tschuen. Unterwegs trafen wir eine eigenthümliche Reisegesellschaft. Voran ritt eine thibetanische Frau auf einem Esel; auf ihrem Rücken 20. Kap.) Kalksteingebirge. 339 hatte sie einen Säugling befestigt. Sie zog am Halfter ein Lastpferd nach sich, auf jeder Seite desselben bingen zwei länglicke listen; aus jeder der» selben guckte ein freundliches Kindergcsicht. Hinterher ritt ein chinesischer «Poldat. hinter ihm saß ein zwölfjähriger Knabe. Den Beschluß dieser Karawane mackte ein' großer rothhaariger Hund. Dieser Chinese hatte vormals zu Tsiamdo in Besatzung gelegen und späterhin Erlaubniß be» kommen in Thibet Handel zu treiben. Dort nahm er ein Weib, erwarb etwas Vermögen. und kehrte nun mit seiner ganzen Familie in die Heimat zurück. Er war ein Mann von ganz anderm Schlage wie die Mehr» zahl seiner Landsleute, die gar kein Bedenken tragen, Frau und Kinder auf fremdem Boden im Stiche zu lassen. Unsere Chinesen machten sich über ihn lustig: „Der hat offenbar ein verschimmeltes Gehirn; daß er Geld und Waaren vom Allslande mit heim bringt ist vernünftig. aber in das Land und Volk der Mitte eine Frau mit großen Füßen und die kleinen Barbaren mitschleppen, das ist lächerlich. Will er sie etwa zur Schal» stellen wie die Thiere?" So Macken die Chinesen. Auf unserer Weiterreise kamen wir nach Meng Phu. einem aus etwa acht Häusern bestehenden Weiler in einem tiefen Thale, dann über Holzbrücten, welche „in der Region der Wolken hangen", nach PaoTun, wo wir bemerkten daß die Landcsbewohner von nun an weit weniger ge< fügig, die Chinesen aber weit Linger befehlshaberisch auftraten, als auf der andern Seite von Tsiamdo. Von Pao Tun nach Pagung trifft man auf einer Strecke von zehn Wegstunden nichts als nackte Kalkstcinberge, ohne Bäume oder Gesträuche, sogar Flechten mangeln völlig; nur ganz unten in den Felsenspalten stehen Sazifragen. Einen seltsamen Anblick bietet der Ku lung schan dar. das heißt der durchlöcherte Berg; er hat eine Menge Löcher und Höhlen von sehr mannigfacher.Gestaltung, und zum Theil von beträchtlicher Tiefe. Die Chinesen sagen, diese Höblen seien das Werk von Kuc'i oder bösen Geistern, die Thibctaner behaupten daß sie ihr Dasein den Schutzgenien des Landes verdanken. In alten Zeiten hätten heiligeLamas sich dorthin zurückgezogen, seien in Buddhas umgewandelt worden, und zu bestimmten Zeiten höre man noch jetzt aus dem Innern des Berges das Murmeln ihrer Gebete bcrauftönen. Bisher hatten wir in Thibet fast nur Granitberge angetroffen, deshalb fielen jene Kalkstein» gebirge auf der Straße nach Bagung uns um so mehr ans. Der ganze Anblick des Landes wurde von da ab ein durchaus anderer, und volle vierzehn Tage lang gewahrten wir lediglich Kalksteinmassen, deren harter feinkörni. ger Marmor schneeweiß war. Die Hirten brechsn große Platten heraus, 22* I40 Der große Häuptling Proül Tamba. s20. Kap. graben Vuddba'sBild und die heilige Formel Om, mani padwo hum dar. auf, und stellen sie an den Weg. Diese Infamsten bleiben lange Jahre unversehrt, eben weil dieser Mamor so ungemein hart ist. Vor Bagung hatten wir auf einer Strecke von vier oder fünf Li einen Weg der ohne Unterbrechung zu beiden Seiten mit dergleichen Steinen eingefaßt war. Wir sahen auch mehrere Lamas damit beschäftigt das Mani auf Platten einzugrabeu. In Bagung steht ein chinesisches Wachtbans; der Stein ist der herrlichste weiße Marmor; zum Mörtel hat aber Scklamm und Kuh« mist gedient! Dort wollten die Bauern keine Ulab umsonst wechseln; sie forderten für jedes Pferd eme llnze. für jeden Yak eine halbe Unze Silber. Es war ihnen höchst gleichgiltig. daß die Chinesen bemerkten, diese Barbaren seien wilde, unvernünftige Menschen, die gar keine Ahnung davon hätten, wie verdienstlich Gehorsam sei. Lv wollte kein Geld geben, und suchte sich dadurch aus der Klemme zu ziehen daß er einen Boten an den Proül Tamba schickte, den er persönlich kannte. Von diesem Proül Tamba hatten wir oftmals reden hören; er stand an der Spitze der Partei, welche sich dem jungen Tschaktschuba von Djaya angeschlossen hatte, und war natürlich ein enschiedener Widersacher des chinesischen Einflusses. Er galt für grundgelehrt, für den tapfersten Mann und hatte noch nie eine Niederlage erlitten. Schon sein bloßer Name wirkte unter den Stämmen der Provinz Kham als eine Macbt und wie ein Talisman. Er war gewissermaßen der Abd el Kader im östlichen Thibet. Seine Wohnung lag nur etwa sechs Li von Bagung entfernt. Der «große Häuptling" ließ sagen. daß er selber kommen werde. Die Dorfbewohner und die Soldaten des chinesischen Wachtpostens gericthen darüber in große Bewegung; die letzteren legten ihre besten Kleider an, die Thibetaner gingen ihm entgegen, und Ly suchte aus seinen Koffern die schönste Khata hervor, um damit den berühmten Proül Tamba zu be« glückwünschen. Wir beiden Missionare waren Beobachter, und betrachteten vorerst unsern Friedensstifter in den Königreichen. Dieser chinesische Man» darin, sonst immer so unverschämt und hochmüthig gegen Thibetaner, war plötzlich sehr bescheiden und demüthig geworden. Mit Zittern harrte erdes starken mächtigen Häuptlings, der dann auch bald erschien. Er saß hoch zu Roß und hatte vier Reiter bei sich. Alle stiegen ab, der Friedensstifter in den Königreichen trat hinein, verbeugte sich tief. und überreichte dem Proül Tamba die Khata. Dieser winkte seinen Leuten. und sie nahmen die Schärpe; er selber schritt, ohne ein Wort zu sagen, rasch durch den Hofraum und gerade W das zu seinem Empfang hergerichtete Zimmer, 20. Kap.) Der große Häuptling Proül Tamba. 341 in welchem wir mit dem Lama Dschiamdschang saßen. Nachdem er uns mit einer leichten Verueigung begrüßt, setzte er sich an den Ehrenplatz, auf einen großen Teppich von granem Filz. Ly Kuo Ngan nahm zur Linken Platz, der Lama Dsiamdschang zur Rechten; wir saßen ihm gegen» über. Wir fünf bildeten einen weiten Kreis; im Hintergründe standen viele Tbibctaner und einige chinesische Soldaten. Der Proül Tamba war ein Mann von höchstens vierzig Jahren und mittlerem Wuchs; er trug einen grünseidenen mit Wolfspelz gefütterten Rock mit rothem Gürtel in welchen, sein Fabel wagerecht steckte; auf dem Kopfe hatte er eine machtig große Mütze von Fuchspelz. Das lange ticfschwarze Haar hing auf die Schultern hmab, und gab dem bleichen magern Oesicht einen Ausdruck von Kraft; am meisten fielen uns seine Augen auf, sie waren groß, schössen Flammen und Blitze und zeugten von Stolz und Muth. Uebcrhaupt deutete Alles an dem Proül Tamba auf einen ausgezeichneten Menschen, der zum Herrscher wie gemacht war. Während einer langen Pause betrachtete er alle Anwesenden aufmerksam; er hatte beide Hände auf seinen Säbel gestützt; dann zog er ein Päckchen Khatas hervor, ließ sie vertheilen und spracb dann zu Ly Kuo Ngan Folgendes mit einer glockenhellen Stimme: „Ei, da bist Du ja wieder! Ich würde Dich nicht erkannt haben, wenn man mir heute morgen nicht gesagt hätte, daß Du es seiest. Seit Du zum letzten Male durch Bagung kämest bist Du doch recht gealtert!" — Der Friedensstifter in den Königreichen entgegnete süßelnd indem er auf dem Filztcpvich etwas näher an den Proül Tamba hinrückte: „Da hast Du wohl recht, ich bin sehr hinfällig; aber Du bist kräftige? als je zuvor." — „Wir leben aber auch unter Verhält» nissen in welchen man seine Kraft braucht. Hier in unseren Bergen ist kein Frieden mehr." — „Ja, das ist wahr; ich habe unterwegs gehört, daß in euerm Lande ein kleiner Streit sich erhoben hat." — „Das nennst Du einen kleinen Streit? Schon seit einem Jahre sind alle Stämme von Kham in einen blutigen Krieg verwickelt. Du brauchst unterwegs nur die Augen aufzumachen, und siehst gewiß eingeäscherte Dörfer und verbrannte Walder. Nächstens müssen wir abermals ans Werk gehen, denn Niemand will von Frieden hören. Der Krieg wäre wohl nach einigen Gefechten zu Ende gewesen, seit aber ihr Chinesen euch eingemischt habt, ist an keine Versöhnung unter den Parteien mehr zu denken. Ah, ihr Mandarinen wißt nichts weiter als überall Verwirrung und Unfug anzurichten! Man bat euch allzulange gewähren lassen, und jetzt kennt eure Keckheit keine Grenzen mehr. Das kann und darf so nicht fortgehen! Wenn ich an die 342 Der große Häuptling Proiil Tamba. 120. Kap. Geschichte mit dem Nomekhan i>, Lha Ssa denke, so zittern mir alle Glieder. *) Man legt dem Nomekban schwere Verbrechen zur Last. aber man lügt. Die angeblichen Verbrecken habt ihr Mandarinen erfunden. Der Nomckhan ist ein Heiliger, ein lebendiger Bnddha. Wer hat jemals gehört daß ein lebendiger Vuddöa von einem HU Sckan, folck einem Chinesen, solch einem schwarzen Mann, vernrtbcilt nnd in die Verbannung geschickt werden kann!" — Ly cittgegnete leise nnd mit zitternder Stimme: „Der Befehl kam vom großen Kaiser." — Pronl Tamba fiel ins Wort und rief mit Heftigkeit: „Dcin großer Kaiser ist anch nichtö weiter als ein schwarzer Mensch! Was will denn Dein Kaiser neben einem Ober» lama, neben einem lebendigen Buddha bedeuten?" In dieser Weise fuhr der große Häuptling aus der Provinz Kham noch lange fort gegen die Herrschaft der Chinesen in Tbibct zu wettern, nnd nacheinander den Kaiser, den Vicekönig von Sse tschuen und die (Gesandten in Lha Ssa abzu» kanzeln. Dabei kam er immer wieder auf den Vorfall mit dem Nomekhan zurück, in dem er ein Opfer chinesischer Treulosigkeit sal). Der Frie» densstister in den Königreichen wagte nickt den mindesten Widerspruch, er stellte sich vielmehr als theile er die Ansickten des Proül Tamba, uud nickte in einem fort mit dem Kopfe. Endlich ermannte er sich so weit. daß er einige Worte über die Weiterreise nnd die Ulah fallen ließ. Proül Tamba rief: '„Ja. die Ulah. Von nun an bekommen die Chinesen dergleichen nicht mehr umsonst, sie müssen bezahlen. Es ist schlimm genug daß wir die Chinesen ins Land kommen ließen, wir werden aber nicht mehr so thörig sein nnd ihnen anck noch ttlah verabfolgen lassen. Indessen ich kenne Dich seit langer Zeit, nnd mit Deiner Karawane soll eine Aus-nahcke stattfinden. Auch haft Dn zwei Lamas bei Dir, die vom westlichen Himmel hergekommen sind; der erste Kalon in 3ha Ssa bat sie mir empfohlen. Der Dheba von Bagung möge vortreten, wo ist er?" Der Dorfschulze kam, verneigte seine Knie vor dem großen Häuptling, steckte achtungsvoll die Zunge aus, und erhielt die Weisung, die Ulah diesmal unentgeltlich zu besorgen. Die anwesenden Thibetaner erhoben einen lauten Beifallsruf. Dann stand Proül Tamba auf, lud uns zum Thee nnd galoppirte fort. Die Ulah waren wie durch Zanberschlag da. Nach etwa einer halben Stunde waren wir vor der anf unserm Wege liegenden Wohnung des große» Häuptlings. Das hohe geräumige Haus glich einigermaßen einer mittelalterlichen Bnrg, und war von einem mit hohen Bäumen eingefaßten ') Dieser interessante Vorfall ist in den Wanderungen durch das Land der Mongolen nach Lha Tsa, S. 271 ausführlich erzählt worden. '^0. Kap.I Gastmahl beim Proül Tamba. 34I Graben umzogen. Die Zugbrücke wurde herabgelassen, und wir gelangten durch ein großes Portal in einen viereckigen Hofraum, wo Proül Tamba uns erwartete. Er ließ die Pferde an Pfähle binden die im Hofe umberstanden, und geleitete uns in eincn geräumigen Saal, dessen mach« tiges Webalk ganz vergoldet war. Die Wände waren mit vielen Streifen und Wimpeln von verschiedener Farbe bedeckt; alle batten thibetanische Aufschriften. Im Hintergrunde standen drei colossale Etatuen Buddha's, und vor denselben große mit Butter gefüllte Lampen und einige kupferne Weibrauchbccken. Der Saal schien eine Art von Haustempel zu bilden. In einem Winkel gewahrten wir einen niedrigen Tisch mit vier hohen Polstern. die mit rolhem Pu lu überzogen waren. Proül Tamba lud uns sehr verbindlich ein Platz zu nehmen. Gleich darauf erschien die Burgfrau in vollem Staat, das heißt sie hatte sich das Geficht mit Ruß abscheulich verunstaltet, wie die thibetanische Sitte das bekanntlich von den Weibern verlangt. Ihre Haarflechten waren mit Goldblättchen, rothen Korallenperlen uud kleinen Pernuitterscheiben verziert. In der rechten Hand trug sie am Henkel einen mächtig großen Krug, dessen Bauch sie auf den linken Arm stützte. Jeder hielt sein Näpfchen hin. und sie schenkte Thee ein. auf welchem eine Lage Butter schwamm; es war ein Thee von bester Qualität lind fiedend heiß. Wir tranken. Darauf kam sie zum zweiten Male mit zwei Schüsseln von vergoldetem Holz; auf der einen lagen Rosinen, auf der andern Nüsse. Proül Tamba be« merkte: »Das sind Landesfrüchte; sie wachsen in einem schönen Thale nicht eben weit von hier. Hat man auch unter dem westlichen Himmel dergleichen Früchte?" Die Trauben hatten eine zähe Schaale und so viele Kerne. daß es einrm zwischen den Zähnen knackte als hätte man KicS im Munde. Die Nüsse waren sehr groß aber der Kern lag zwischen den harten Wänden tief versteckt, und wir konnten nur mit genauer Noth ein wenig hervorlangen. Dann erschienen zwei kräftige Thibetan« mit einem Tische, auf welchem ein gebratenes Nch und ein Schenkel von einem Hirsche lag. Zu diesem Gericht wurde thibetanisches Bier ge< geben. Beim Abschiede überreichten wir dem großen Häuptling eine Khata. und ritten weiter. Nahe am Gipfel eines Kalksteinberges mit großen Höhlen und Löchern, waren an dem Bergabhange zahlreiche buddhistische Sentenzen in riesengroßen Schriftzügen eingegraben. Alle Thibetaner aus unserer Karawane hielten an, warfen sich nieder, und berührten dreimal die Erde mit der Stirn. In-jenen Berg hatte sich ein berühmter Lama zurückgezogen, um ein beschauliches Leben zuführen; I44 Ein buddhistischer Einsiedler. s20. Kap. alle Stämme in der Provinz Kham erzeigen ihm die höchste Ehrfurcht. Er hat nicht ein einziges Mal die Höhlen verlassen welche er seit zwanzig Jahren bewohnte; er betet Tag und Nacht, und beschäftigt sich mit der Contemplation der zehntausend Tugenden Buddha's. Niemand durfte ihn besuchen; aber alle Mal nach Ablauf von drei Jahren gab er ackt Tage lang Gehör. Dann konnten die Andächtigen in schier Zelle er» scheinen und ihn um vergangene, gegenwärtige und zukünftige Dinge be« fragen. Dabei fehlte es an Opfergaben nicht, doch vertheilte der heilige Lama Alles an die Armen; denn zu was hätten Güter dieser Welt ihm genützt? Seine gelle bedürfte keiner Ausbesserung; seinen gelben mit Schafspelz gefütterten Rock trug er das ganze Jahr hindurch; alle sechs Tage aß er etwas, und dann nur Gerstenmehl mit ein wenig Thee. Mitleidige Menschen in der Umgegend brachten ihm seine Nahrungsmittel, die er an einem Seil in die Höhe zog. Einige andere Lamas hatten sich diesen Einsiedler zum Muster genommen, und bewohnten Höhlenzelleu in der Nachbarschaft. Proül Tamba'S Vater war ein solcher Eremit. Auch er war einst ein berühmter Krieger; als aber sein Sohn heran» gewachsen war, übertrug er ihm die Würde eines großen Häuptlings, schor sich das Haupthaar ab, legte ein Lamakleid an und zog sich in die Einsamkeit zurück. Nach fünfzig Li erreichten wir Wang Tsa, ein kleines Dorf wo auf schwarzem Boden Stechpalmen und Cypressen wachsen; aus den» selben werden auch die Wohnungen gebaut. Der Ort sah eben darum recht düster aus; auch fanden wir Spuren, wie der Krieg hier gewüthet hatte. Das chinesische Wachthaus lag in Trümmern. Am andern Tage waren alle thibetanischen Führer und Schaffner verschwunden; statt ihrer wurde die Karawane von Frauen geleitet. Denn der nächste Haltpunkt, Gaya, war ein feindliches Dorf, und wären Männer aus Wang Tsa dorthin gekommen, so hätte es blutigen Kampf gegeben. Aber Weibern wird weder Vieh abgenommen, noch darf sich Jemand an ibnen ver« greifen; das ist so Landesbrauch. Gaya liegt in einem wohlangebauten Thale; die Häuser sind hoch, baben Thürmchen und ein burgartiges An» sehen. Eine Menge bewaffneter Reiter sprengte uns entgegen; als sie die Weiber sahen lachten sie hell auf und spöttelten über die Feigheit ihrer Feinde. Das ganze Dorf war in Bewegung; alles schrie durcheinander; man gab den Frauen aus Wang tsa rine Schaale Thee mit Butter, und ließ sie dann mit ihren Ulah abziehen. Wir wohnten in Gaya recht behaglich. Aber am andern Morgen 20. Kap.) Der Haltplatz Angti. I45 entstand die wichtige Frage, wie es mit dem Wechseln der Ulah gehalten werden solle. Der ganze Hofraum war voll von Leuten, die unsere Karawane tazirten. Wir konnten von einen, Söller im zweiten Geschoß herab dem seltsamen Schauspiel mit aller Gemächlichkeit zuschauen. Unter der nicht unbeträchtlichen Menschenmenge war kein einziger Mann, der nicht als Redner sich hätte geltend machen wollen, alle sprachen durch» einander und es ging sehr laut her. Hier sprang Einer auf das im Hofe liegende Gepäck, und suchte von dieser Rednerbühne hinab dem versammelten Volke große Wahrheiten eindringlich zu machen; doit stand ein Anderer auf platter Erde und eiferte nicht weniger laut. Endlich wurden die Leute handgemein; sie packten einander bei den Haaren, und es setzte starke Püffe. und am Ende wurde der Tumult so arg, daß wir meinten es werde ohne Blut gar nicht abgehen. Aber wir täuschten uns gar sehr. Nachdem das Schreien, Heulen und Puffen wohl eine Stunde gedauert hatte, erscholl ein allgemeines Gelächter; die Sitzung war aufgehoben und alle Welt ging ruhig von danncn. Zwei Bevollmächtigte dieser Volksversammlung begaben sich zu Ly und eröffneten demselben im Namen der Familienväter zu Gaya, es sei beschlossen worden, den beiden westlichen Lamas und den Thibetanern aus Lba Ssa Pferde und Lastthiere umsonst verabfolgen zu lassen; dagegen solle jeder Chinese für jedes Pferd eine halbe und für jeden Ochsen eine viertel Unze Silbers zahlen. Ly war außer sich vor Zorn. und schimpfte über Tyrannei und Ungerechtigkeit dieser Menschen; die chinesischen Soldaten schrieen laut und hätten die Gayaner gern eingeschüchtert. Die beiden Abgeordneten blieben aber ruhig und stolz, und kümmerten sich gar nicht um die Kriegsknechte, Der eine trat vor, legte mit Würde und Nachdruck seine Hand auf Ly's Schulter, blickte ihn streng an und sagte: „Mann aus China, höre mir zu. Glaubst Du. eS sei für einen Mann aus dem Gayathale ein großer Unterschied, ob er einem Chinesen odereinem Reh den Kopf abschneide? Sage Deinen Soldaten, sie möchten nicht den Mund so weit aufreißen, und artig sein. Hat denn wohl jemals ein Fuchs den Dak im Gebirg eingeschüchtert? Ich sage Dir, die Ulah sind gleich zur Stelle, wenn ihr sie nicht nehmt, so bekommt ihr heute gar keine mehr, und morgen kosten sie das Doppelte. Mit Gewalt war hier nichts auszurichten; die Chi» msen versuchten deshalb mit List und Schmeichelei ans Ziel zu gelangen; aber Alles war vergeblich, Ly mußte zahlen. Von Gaya nach Angti sind es nur dreißig Li; hier wurden abermals die Ulah gewechselt, und die Leute dort waren noch weit schwieriger als die von Gaya. Es schneite 346 Der Haltvlaß Angti. — Der Dorfschnsz Bomba. s20. Kap. immer fort, und wir hatten sehr steile Berge vor uns. Einer Volkssage zufolge, ist in alten Zeiten ein Häuptling vom Angtistamme von einer Lawine verschüttet worden, und man hat seine Leiche niemals gefunden. Ein heiliger Lama jener Zeit erklärte den Kriegshelden zum Genius des Gebirges und ließ zu seiner Ehre einen Tempel bauen, der noch vorhanden ist, und in welchem die Reisenden einige wohlriechende Stäbchen ver« brennen, bevor sie aufbrechen. Bei Sturm und Unwetter läßt sich der Genius des Berges Augti allemal blicken; die meisten Leute kaben ihn gesehen; er reitet auf einem rothen Rosse auf dem Kamme des Gebirges, und trägt weite weiße Kleider. Sobald er einem Reisenden begegnet, nimmt er ihn zu sich aufs Pferd und verschwindet mit ihm; das rothe Roß ist so leicht, daß es selbst aus dem Schnee keine Spuren zurückläßt, deshalb weiß bis auf den heutige» Tag auch noch kein Mensch wo der weiße Reiter seine Wohnung hat. Das Wetter war der Art daß wir fünf Tage zu Angti liegen bleiben mußteu. Als größte Merkwürdigkeit im Ort erschien uns der Dheba oder Häliptling des Stammes. Dieser Dorfschulz hieß Bomba. lind war nicht über drei Fuß hoch, sein Schwert aber länger als der ganze Mensch. Trotzdem erschien er mit seinem kräftig und regelmäßig gebauten Ober« körper und seinem breiten ausdrucksvollen Gesicht als eine imponirende Figur, sobald man seine Beine nicht sah, die unverhältnißmäßig klein, man konnte sagen beinahe gar nicht da waren. Trotzdem war er ein äußerst beweglicher Mann, kam uno ging so rasch wie nur Einer; auch galt er für einen tüchtige» Reiter und muthigen Krieger. In den Volksversammlungen der Bergbewohner ragte er durch seine Bereotsamkeit hervor, und als die Angelegenheit der U!ah verhandelt wurde, zeigte es sich allerdings daß er zu sprechen verstand. Ein hochgewachsener Mann batte ihn auf die Schulter genommen; so ragte er denn über alle Anderen her» vor, und sah aus'wie ein Riese. Dieser Bomba behandelte uns ungemein zuvorkommend lind freundlich, ('r lud uns zum Mittagessen ein; es war seine Absicht uns eine Aufmerksamkeit zu eiweiscu und zugleich die Chinesen zu ärgern, welche er von Grund der Seele haßte und verachtete. Nach der Mahlzeit brachte er uns in einen mit Gemälden und Waffen geschmückten Saal. Die Bilder an der Wand stellten Portraits von Ahnen der erlauchten Familie derer Bomba dar. und waren allerdings nicht fein colorirt; mancke dieser Ahnen trugen Lamakleiduug. andere waren Krieger. Die Waffen boten eine ziemliche Auswahl dar. Lanzen, Pfeile, zweischneidige Säbel, Flammberge, Schwerter mit Sägenklinge. 20. Kap.) Die Stadt Djaya. 347 Dreizacke, lange mit Eisenbuckel» beschlagene Stäbe und Luntengewehre. Von Echutzwaffen sahen wir runde Schilde aus Leder vom wilden Yak mit Kupfernägeln beschlagen, kupferne Arm- und Beinschienen, eiserne Panzerhemden. von Mr dicktu Drahtgeflecht und dabei doch sehr biegsam. Diese Letzteren sind nickt mehr im Gebrauch seit das Luntengewehr allgemein geworden ist; die Tbibetaner kümmern sich aber so wenig um Zeitrechnung, daß Vomba uns nicht sagen konnte, wann die Feuerwaffe ins Land gekommen ist. Doch wird man sie schwerlich vor dem dreizehnten Jahrhundert gehabt haben; daß Dschen - Kis Khan Artillerie hatte ist bekannt. Bemerkenswert!) erscheint, daß nicht nur in China und den mongolischen Steppen sondern auch in den thibetanischen Gebirgen Jedermann sich auf die Verfertigung des Pulvers versteht; jede Familie bereitet ihren Bedarf daran selber. Bei unserer Neise in der Provinz Kham haben wir oft geseben wie Frauen und Kinder Schwefel, Salpeter und Kohle zerrieben. Das Pulver ist allerdings nicht so gut wie das europäische, reicht aber für die Bedürfnisse jener Völker aus. Nach eiuem Aufcuthalte von fünf Tagen konnten wir abreisen. Auf dem Gebirge von Anqti trafen wir weder das rothe Roß noch den weißen Reiter, wohl aber Schnee in ganz ungeheurer Menge. Mit wahrhafter Bewunderung erfüllte uns die Unerschrockenheit und Ausdauer der oben erwähnten thibetanischen Frau. die auch unter den schwierigsten Umständen mit unendlicher Sorgfalt für ihre Kinder sorgte. Nach großen Beschwerden gelangten wir bis Djaya, aber erst in der Nacht. Unsere Ankunft brachte die ganze Stadt in Bewegung; die Hunde bellten, die Leute kamen mit Laternen aus den Häusern gelaufen, manche hatten auch Fackeln; sie beruhigten sich als sie sahen wie friedlich unsere Karawane war. Dieses Djaya, Residenz des schon erwähnten jungen Hutuktu, eine ziemlich große Ortschaft in einem geräumigen Thale, fanden wir zum Theil in Schutt, weil vor einigen Wochen die Anhänger des alten Hutuktu von Tsiamdo einen Ueberfall gewagt hatten. Es soll viel Blut geflossen sein; wir sahen ganze Straßen in denen das Feuer große Verheerungen ange. richtet hatte. Die meisten Bäume im Thale waren umgehauen, die Felder vom Hufe der Pferde zerstampft. Das berühmte Kloster stand verödet, die Lamazellen waren nur noch ein Schutthaufen, nur die Haupttempel Buddha's waren verschont geblieben. Die chinesische Regierung unterhält in Djaya eine Besatzung von zwanzig Mann uuter einem Tsieng tsung und einem Pa tsuug. Allein diesen Soldaten schien es gar nicht geheuer in diesem durch Bürgerkrieg zerrütteten Lande; sie hatten weder bei Tage 348 Das Blsamthier. ^0. Kap. noch bei Nacht Ruhe, stellten sich als hielten sie es mit beiden Parteien und standen zwischen zwei Feuern. Unter diesen kräftigen Gebirgsftämmen hat die Herrschaft der Chinesen nie tiefe Wurzel schlagen können. Unser Wegweiser bemerkt: „Die Tlnbetaner im,Bezirk Djaya sind hochmüthig und wild; alle Bemühungen sie zu bändigen sind vergeblich gewesen; sie haben ein wildes Naturell;'.' — das soll heißen. sie mögen von Fremd« Herrschaft nichts wissen. Auch hier mußten die Ulah bezahlt werden. Unsere Weiterreise führte durch ein Tiefland, in welchem wir viele Dörfer fanden; in den Thälern standen Gruppen schwarzer Zelte. Nach der Station Atdzu Thang erreichten wir ein kleines Dorf im Schiefe r t h a l e, das die Chinesen Sche PanKeu nennen. Dort wohnen laut unserm Wegweiser „sehr plumpe, böse, ungelehrige Menschen", was etwa bedeutet: sie fürchten sich vor den Chinesen nicht, leisten ihnen Dienste nicht unentgeltlich'. Im Thale sind viele Thonschicferbrüche. die vottrcff. liche Platten für den Häuserbau liefern; die größten werden zu frommen Zwecken benutzt. Man gräbt nämlich die Gestalt Buddha's und die hei» lige Formel: Om, mani vadme hum darauf ein. Das Korn ist sehr fein, und die Beimischung von Glimmer und Talk giebt ihnen ein glän. zendes seidenartiges Aussehen. Der Bach im Thal enthält viel Goldsand; die Bewohner sammeln und reinigen dasselbe. Bisamthiere kommen in Menge vor. Sie lieben kalte Gegenden, sind auf allen thibetanischen Gebirgen häufig, aber nirgends so sehr wie gerade im Schieferthal, wo ihnen die vieler. Fichten, Cedcrn, Cypressen und Stechpalmen sehr zu» sagen, denn sie nähren sich vorzugsweise von Wurzeln die starken, aromatischen Geruch haben. Dieses Thier, iMäckus mozckiler, I.inn.) ist etwa so groß wie ein Reh, hat einen kleinen Kopf. spitzige Schnauze, mit langen weißen Barthaaren, dünne Beine, breites, dickes Kreuz; zwei lange nach unten hin gekrümmte Zähne im Oberlieser, befähigen dieses Thier die Wurzeln, welche seine Hauptnahrung bilden, aus der Erde herauszureißen. Das Haar ist zwei bis drei Zoll lang. grob und spröde. Die Farbe ist am Unterkörper schwarz, in der Mitte weiß und im obern Theile grau. Der Moschus liegt in einer Blase unter dem Bauche nach dem Nabel hin. Die Bewohner des Schieferthales erbeuten auf der Jagd eine so große Menge dieser Moschusthicre, daß man die Felle in allen Häusern und an den Mauern hangen sieht. Das Haar benutzen sie zum Ausstopfen dicker Polster, auf welchen sie am Tage sitzen, und zu Schlafmatratzen. Der Moschus wird mit großem Profit an die Chi. nesen verkauft. 2ft. Kap.) Der Strom mit Goldsand. — Die Stadt Bathang. 349 Während der nächsten Tage war auf allen Stationen Zank und Streit wegen Bezahlung für die Ulah; erst in Kiang tsa konnten die Chinesen leichter aufathmen, denn von da waren die Menschen nicht mehr so feindselig gegen sie. Kiang tsa ist ein fruchtbares Thal, die Bewohner sind wohlhabend; auch haben sick manche Chinesen aus den Provinzen Sse tschuen und Mn nan angesiedelt, die Gewerbe und Handel treiben, und schon nach wenigen Jahren ein hübsches Vermögen erwerben. Hier wurde unser Mandarin Ly so hinfällig, daß er endlich beschloß, nicht mehr ziOPferde sondern in einer Sanfte zu reisen. Die Krankheit war mächtiger als der Geiz. Das Land südlich von Kiang tsa ist weniger kalt und-fruchtbarer als die meisten seither von uns durchzogenen Strecken. Das Gelände neigte sich merkbar, die Gebirge saben nicht mehr so öde und wild aus. die drohenden Formen und die gigantischen Granitmassen mit steilen, jähen Abfällen verschwanden. Dagegen traten überall Gesträuche und Wälder auf. die Thierwclt war belebter, und Alles deutete an, daß wir uns Gegenden mit milderm Klima näherten; nur die Berggipfel waren noch mit Schnee bedeckt. Vier 3age nach unserer Abreise' von Kiang tsa kamen wir an den Kin scha kiang, den Fluß mit Goldsand. Er hat in seiner Quellgegend den mongolischen Namen Murui ussu, wegen seiner vielen Krümmungen; in China heißt er Mang tse kiang, Strom der Sohn des Meeres ist. und die Europäer nennen ihn den Blauen Strom, Wir haben ihn schon zwei Monate vor unserer Ankunft in Lha Ssa überschritten, als er mit Eis belegt war. Durch die schönen Ebenen China's rollt er seine blauen Wellen wahrhaft majestätisch dahin, aber im thibetanischen Gcbirgslande strömt er unruhig durch viele felsige Thalschluchten. Da wo wir ihn erreichten war er von zwei steilen Bergwänden eingeschlossen, in ein enges Bett gedrängt und rauschte gewaltig. Dann und wann sahen wir große Eisblöcke und Schollen auf ihm schwimmen. Etwa einen halben Tag lang zogen wir am Strome hin, dann setzten wir auf großen Nachen hinüber, und gelangten bald an die Station Tschu pa lung, wo wir beim Dheba vortreffliche Pflege fanden. Am folgenden Tage überstiegen wir den rothen Berg; vom Gipfel desselben hatten wir dann eine entzückende Aussicht auf die prächtige, reizende Ebene von Bathang. d. h. im Thibetanischen Ebene der Kühe. Wie durch Zauberschlag sahen wir uns in ein herrliches Land versetzt. Man kann sich keinen schärfern Gegensatz denken. Unser chinesischer Wegweiser schreibt: „Der Bezirk Bathang ist eine schöne Ebene, tausend 350 Die Stadt Bathang. 120. Kap. Li lang, wohlbewässert von Quellen und Bächen; der Himmel ist klar das Klima augenehm, und Alles erfreut Auge und Herz des Menschen." Möglichst schnell ritten wir den Bergabhang hinab; der Weg führte durch einen wahren Garten zwischen blühenden Bäumen hindurch; zur Seite hatten wir grüne Reisfelder. Nach und nach durchzog eine erquickende Wärme unsere Glieder, die Pelzklcider wurden uns zu schwer. Seit zwei Jahren hatten wir keinen Schweiß gekannt; es kam uns beinahe seltsam vor, daß es Einem warm werden kann, wenn mau nicht am Feuer sitzt. Vor der Stadt Batdang war die Besatzung in Reih und Glied ßnf-- gestellt, um den Friedensstifter in den Königreicheil würdig zu begrüßen. Er saß krank in seinem Palankin und spielte eben keine kriegerische Figur. Wir wurden in eine chinesische Pagode geleitet, wo wir wohnen sollten. Abends machten die Mandarinen der Besatzung und die Oberlamas uns eineu Besuch, schickten uns Ochsen-und Hammelfleisch. Butter, Mehl, Kerzen, Speck, Reis, Nüsse. Trauben. Aprikosen und andere Früchte. In Vathang ist ein großes Vorrathshans, das vierte von Lha Ssa ab gerechnet; es wird. gleich den übrigen von einem Mandarin aus dem Gelehrtenstande verwaltet, der den Titel Ling ta'i. Schaffer, führt. Die chinesische Besatzung, dreihundert Mann, steht unter einem Scheu pel, zweien Tsien tsung und eiucm Pa tsung; ihre gesammten Unterhaltungskosten, aber ohne die Nationen von Reis und Tsamba, betragen jährlich neuntausend Unzen Silber. In Bathang wohnen viele Chinesen. meist Handwerker; manche treiben auch Ackerbau, und pachten den Thibetanern Feld ab. Die Ebene ist ungemein fruchtbar und giebt zwei Ernten im Jahre; man baut Mais. Reis, graue Gerste. Weizen. Erbsen. Kohl, Rüben. Zwiebeln lind andere Gemüse; sodann Wein, Granatäpfel, Pfirsiche, Aprikosen und Wassermelonen; auch die Bienenzucht ist betrachtlich. Die Ziunobergruben lieferu viel Quecksilber, das die Chinesen ganz rein erhalten; sie scheiden den Schwefel durch Hitze aus oder setzen gelöschten Kalk hinzu., Bathang ist eine große volkreiche Stadt, und sehr wohlhabend. Die Zahl der Lamas ist, wie in allen thibetanifchen Städten, sehr beträchtlich. In dem Hauptklostcr, B a genannt, ist als Superior ein Khampo, welchen der Tale Lama in Lha Ssa geistliche Befugnisse überträgt. Hier iy Bathang hat die zeitliche Gewalt des Tale Lama ein Ende. Die Grenzen des eigentlichen Thibet wurden 1726, nach einem großen Kriege zwischen Thibetanern und Chinesen festgesetzt. Zwei Tagereisen vor Bathang sieht man oben auf dem Berge Mang Ling ein Denk. mal von Stein, auf welchem der Grenzvertrag zu lesen ist. Gegenwärtig 20. Kap.) Ta so. — Die Station Samba. 351 find die Lande im Osten von Bathang, wie schon gesagt, vom Tale Lama unabhängig; 'sie stehen nnter mehreren Tu sse. einer Art von Feudal-fürsten. welche ursprünglich der chinesische Kaiser eingesetzt hat; sie er. kennen seine Oberlehnsherrlichlcit an, und müssen allemal nach Ablauf von drei Jahren in Peking erscheinen um den Kaiser ihren Tribut darzubringen. Wir blieben drei Tage in Bathang. Ly wurde immer hinfälliger; man rieth ihm dringend in der Stadt zu bleiben, er wollte aber die Reise fortsetzen. Die beiden Missionaire wollten ihn zum Katholicismus be< kehren; er sagte ihnen, alles was ans ihrem Munde komme sei ganz vortrefflich, aber tanfen laffen wollte er sich nicht; denn so lange er Mandarin des Kaisers sei, könne er nicht in den Dienst des Himmelsherrn sich begeben. Die Missionaire erklären das für abgeschmackt; aber Ly that doch nur was das Gesetz ihm vorschrieb. — Seit Tsiamdo, so fährt Huc fort. waren wir zwanzig Tage ohne Unterbrechung in südlicher Richtung gereist; nachdem wir Bathang verlassen, mußten wir wieder eine Strecke nördlich gehen, um dann die Richtung nach Osten zu gewinnen, und mit Sicherheit über den Kin Scha Kiang setzen zu können. Wir zogen am ersten Tage durch eine prächtige Landschaft, unser Pfad war von Weiden. GranatbÜumen und blühenden Aprikosenbäumm eingefaßt; am folgenden Tage hatten wir wieder alle Schlecken der Bcrgeinöde. steile Abhänge, Schnee, scharfen Nordwind, und nachher eisige Regengüsse, die in Mark und Bein drangen. Auch fanden wir ein abscheuliches Nachtlager, waren am andern Morgen durch und durch naß und dabei ganz steif vor Kalte; wir rieben die Haut mit Eis, um nur das Blut in Umlauf zu bringen. Dieser abscheuliche Ort heißt Ta so; aus dem Thale führt der Weg durch eine Schlucht auf eine Hochfläche. die mit Schnee bedeckt war.. Dann kamen wir in den schönsten Wald, den wir in Thibet gesehen haben; Fichten, Cedern, Stech. Palmen standen so dicht und machtig, daß wir besser als in unserm Hause zu Ta so gegen Schnee und Regen geschützt waren. Die Zweige sind mit langherabhängendem Moose bedeckt, das jung schön grün ist, späterhin schwarz wird. und wie schmuziges schwarzes schlecht gekämmtes Haar aussieht. Namentlich die Fichten gewinnen durch diese eigenthumliche Schma-rotzerpflanze ein phantastisches Aussehen. Die Stechpalme ist hier nicht, wie in Europa ein Stranchgewächs, sondern ein stattlicher Baum mtt einem Stamme der au Dicke jcnem der Fichten nichts nachgiebt. Erst nach Einbruch der Dunkelhelt erreichten wir die Station Samba, ein 352 Die Mandarinen von Li thang. M Kap. Dorf mit etwa dreißig Häusern von iraurigem Anblick, aber in hübscher, wohlbewässerter Gegend. Als wir Morgens von einem kleinen Spazier-gange zurückkamen, wurde uns gemeldet, daß Ly Kuo Ngan gestorben sei. Wir traten in sein Zimmer und untersuchten ihn. Es war noch einige Spur von Leben in ihm; er röchelte schwach, und bald gab er den Geist auf. Die Karawane blieb an jenem Tage in Samba liegen; man traf Vorbereitungen um die Leiche des Mandarinen mitzunehmen und seiner Familie zu übergeben. Der Todte wurde in ein großes Bahrtuch gewickelt, welches ihm einst der lebendige Buddha von Dschaschi Lumbo verehrt hatte. Es war weiß, aber ganz mit thibetanisä?en Sinn« sprächen und Buddhabildern bedeckt. Die Thibetaner und überhaupt die Buddhisten legen auf solche Echweißtücher. welche der Tale Lama und der Bandschan Rembutschi austheilen, einen sehr hohen Werth; denn wer darin begraben wird, hat ganz zuverlässig eine glückliche Seelen-Wanderung. Die Karawane hatte nun kein anerkanntes Oberhaupt. Um allen Wirren ein Ende zu machen, bemächtigten wir uns der Dictatur; und als wir erklärten. daß am andern Morgen die Reise weiter gehe, fanden wir willigen Gehorsam. Aber die Karawane glich einem Trauerzuge, denn sie hatte drei Leichen fortzuschaffen, jene unseres Ly, und zweier Schaffer, die unterwegs gestorben waren, und deren Träger sich unserm Zug angeschlossen hatten. Nach drei Tagen gelangten wir im Posten Li thang, d. h. Kupferebene, an, wo etwa hundert Soldaten liegen. Die dortigen Mandarinen machten uns ihre Aufwartung, und fragten dann, laut welcher Bel'ugniß wir uns in der Karawane befänden. Wir zeigten die Papiere, welche der chinesische Gesandte in Lha Ssa uns ausgestellt, und die Verhaltungsbefehle welche er dem Friedensstifter in den Königreichen gegeben hatte.. Damit war Alles gut; wir verlangten aber. daß uns ein verantwortlicher Mandarin beigegeben werde, und erhielten auch einen solchen in der Person eines Pa tsung. Als er sich uns vor« stellte, erklärte er: Niemals habe er sich auch im Traume vorstellen können, daß ihm die Ehre beschieden sein werde, Leute unserer Art zu geleiten. Er muffe sehr um Entschuldigung bitten, daß er gleich am ersten Tage bei uns um eine Vergünstigung nachzusuchen habe; sie bestehe darin, daß eS uns gefallen möge, noch einige Tage in Li thang auszuruhen, und uns nach einer so langen und beschwerlichen Reise wieder zu kraftigen. Wir begriffen was das heißen sollte. Dieser Mann hatte noch einige Geschäfte abzumachen und wollte Vorkehrungen zur Neise treffen. 20. Kssp.1 Die Mandarinen von Li thang. 353 Li thang steht an Abhang eines Hügels, der sich inmitten einer weiten aber nicht fruchtbaren Ebene erhebt; sie trägt nur etwas graue Gerste und magere Kräuter. Aus der Ferne sieht die Stadt mit ihren zwei großen Klöstern und den vergoldeten Tempel kuppeln ganz stattlich aus, aber die Straßen sind eng, schmuzig und so abschüssig, daß es lästig ist in ihnen zu gehen. Dieffeit des großen Goldsand führenden Stromes (das heißt am linken User des Blauen Stromes), fällt es gleich auf, daß die Volksstämme in Sitten, Tracht und selbst in Sprache von jenen auf der andern Seite verschieden sind. Man sieht wohl. daß mau sich nicht mehr im eigentlichen Thibet befindet. Je näher man der chmesischen Grenze kommt, um so mehr schwindet das stolze, rauhe Benehmen; die Leute fangen schon an habsüchtig zu werden, sind abgefeimt, schmeicheln, und haben auch nicht mehr die innige Religiosität. Sie sprechen nicht mehr das reine Thibe» tanisck. wie wir es in Lha Ssa und in der Provinz Kham gehört, die Mundart nähert sich in Manchen» der Sprache der Ei sau; auch laufen schon chinesische Wörter mit uuter. Unsere Thlbetaner aus Lha Ssa hatten große Mühe sich verständlich zu machen und zu verstehen. Aber die Tracht ist noch dieselbe, die Kopfbekleidung abgerechnet. Die Männer haben einen grauen oder braunen Filzhut, der etwa aussieht wie ein solcher in Europa wenn er noch „unreif" ist. das heißt vom Hutmacher noch nicht die eigentliche Form erhalten hat. Die Frauen flechten das Haar in viele kleine Stränge, welche auf die Schultern herabhängen. und befestigen oben auf dem Scheitel eine silberne Platte, die wie ein Teller aussieht; Manche befestigen eine solche an jeder Seite, beide stoßen dann oben auf dem Kopfe zusammen. In Li thang schwärzen die Frauen das Antlitz nicht; diese Vorschrift gilt nur so weit die weltliche Herrschaft des Tale Lama reicht. Das größte Kloster besitzt eine Druckerei < aus welcher viele buddhistische Werke hervorgehen. An großen Festtagen kommen die Lamas von weit und breit nach Li thang, und versorgen sich dann auch mit literarischen Vorräthen. Der Handel mit Goldstaub, Rosenkränzen , und Theenäpfchen aus den Wnrzeln der Weinrebe und des Buchsbaums ist nicht ohne Belang. Der Mandarin welcher uns geleitete hatte als Rangzeichen den wei° ßen Kryftallknopf, er war ein Chinese muselmännischer Abkunft. Aber nichts an ihm erinnerte an den schönen Typus seiner Vorsahren; sein Körper war winzig, sein Gesicht spitzig und von gemeinem Ausdruck; dabei sprach er in der Fistel, schwatzte unaufhörlich, und glich mehr einem Huc, Mongolti. 23 354 Thibetanische Brücken. s20. Kap. Ladenburschen in einer Krambudc als einem Militairmandarin. Als Muselmann glaubte or viel von Arabien und seinen Pferden erzählen zu müssen, die mit Gold anfgcwogen wurden, sprach von Mohamed, dessen Säbel Metall durchscbnitt. von Mekka und dessen eberncn Mauern. Von Li thang bis Ta tsien ln, einer chinesischen Grenzstadt, hat man sechshundertLi. bei acht Haltplätzen. Diese letzte Wegstrecke war gerade so abscheulich wie die erste und mittlere. Berg folgte auf Berg. ein Abgrund machte dem andern Platz, und Schnee lag in Hülle und Fülle. Auch schieu uns die Temperatur fast ganz dieselbe zu sein, wie bei unserer Abreise aus Lha Ssa. Aber je weiter wir vorwärts kamen , um so mehr Dörfer sahen wir; sie behielten aber noch völlig die thibetanische Art. Das größte ist Makian Dsung, wo einige chinesische Kaufleute Waarenladcn halten. Eine Tagereise von dort ist die Fähre über den breiten und reißenden Ua lung kiang, dessen Quellen am Vayen Kharatgebirge unweit von jenen des Gelben Stromes liegen; er vereinigt sich in der ProvinzSse tschuen mit dcmKin scha kiang. DenUeber» lieferungen zufolge stammt das thibctanische Volk von den Ufern des Ua lung kiang. Als wir auf einem Boote übersetzten, sahen wir wie ein Hirt in eigenthümlicher Weise das andere Ufer erreichte. Seine Brücke bestand aus einem langen Tau aus Dakhaut, das von einem Ufer bis zum andern ausgespannt war. Eine Art von hölzernem Steigbügel hing vermöge eines starken Seiles an einer auf dem Tau laufenden Rolle. Der Hirt stellte sich rücklings in den Bügel, faßte mit beiden Händen das Tau, lind zog es allmälig nach sich; vermöge der Schwere seines Körpers lief die Rolle, und der Uebergang war somit in kurzer Zeit bewerstelligt. Es giebt ähnliche Zeilbrückcn auch in manchen Ländern Europa's, z. V. in Frankreich; in Thibet sind sie häufig, und zum Uebergang bei Abgründen und Bergströmen auch zweckmäßig, man muß aber an dergleichen Luft« fahrten gewöhnt sein. Wir haben uus nicht daran gewagt. Auch eiserne Kettenbrücken kommen in Menge vor. besonders in den Provinzen Uc'i und Dzang. Endlich hatten wir die chinesische Grenze erreicht; aber noch auf dem Berge vor Ta tsien lu fanden wir tiefen Schnee; beim Einreiten in die Stadt regnete eS. Wir waren im Juni 1846, und hatten vor unge« fähr drei Monaten in Lha Zsa unsere Reise angetreten. Die zurückgelegte Strecke berechnet der Wegweiser auf 5050 Li. Ta tfien lu bedeutet Schmiede der Pfeile: diesen Namen bekam die Stadt weil im Jahre 234 unserer Zeitrechnung der Feldherr Wu Heu auf seinem Heerzuge 20. Kap 1 Nnfunft zu Tatsien lu au der thibetauischen Grenze. 355 gegen die Südprovinzen hier eine Pfeilschmiedc errichten ließ. Das Land gehörte abwechselnd zu Thibet und China, seit etwa hundert Jahren rechnet man es unbestritten zu dem letztern. In unserm Wegweiser steht Folgendes: „Die Mauern undFeftungs» werte von Tsa tsien lu sind von behauenen Steinen. Chinesen und Thi-betaner wohnen hier gemischt. Hier ist der Ausgang aus China für Osficiere und Soldaten, die nach Thibet geschickt werden. Es geht auch viel Thee durch, und hier wird ein großer Theemarkt gehalten. Die Bewohner dieses Bezirks hängen sehr an dem Buddhaglauben, nichts» destoweniger suchen sie kleine Profite zu macheu; indessen sind sie auf» richtig und gerecht, unterwürfig und gehorsam, so daß nicht einmal der Tod ihre guten Naturanlagen verändern kann. Sie sind seit langer Zeit an die chinesische Regierung gewöhnt, und bezeigen ihr Anhänglichkeit." Wir blieben drei Tage in dieser Stadt. Mit dem ersten Beamten bekamen wir Streit, denn er wollte nns zu Pferde weiter schicken, während wir nur im Palcmkin reisen wollten. Am Ende mußte er nachgeben; unsere Beine waren unterwegs gar zu stark mitgenommen worden. Nun kehrte anch unsere thibetanische Bedeckung um und ging nach Lha Ssa zurück. Wir gaben dem Lama Dschiamdschang ein Schreiben an den Regenten, in welchem wir unsern Dank dafür aussprachen, daß er uus so wackere Leute zum Geleit gegeben; wir fügten hinzu, daß wir niemals die gute Behandluug vergessen würden, die mau uns in Lha Ssa habe> augedeihen lassen. Als wir von den wackern Thibetanern Abschied nahmen, konnten wir uns der Thränen nicht erwehren. Der Lama sagte»uns insgeheim, wir möchten ja des Versprechens gedenken, welches wir dem Regenten gegeben; er sei beauftragt nns daran zu erinnern. Ob wir denn nicht wieder einmal nach Lha Ssa kommen würden? Wir sagten Ja; denn damals hosstei! wir noch Wort halten zu können. Am andern Morgen stiegen wir in unsere Palankins, und befanden uns anf dem Wege nach der Hauptstadt von Sse tschuen. Ovml t« Nice scheil lpuchdnickcici i» ^cipzi»,. Register. Ackerbautreibende Mongolen 82. Adel, mongolischer 130. Aerzte 60. Alcschan Berge 173. Altan some 16. Nmdo, Landschaft 195. 203. Argols 230. Bandscham Nembutschi 269. Banner, die mongolischen 33. Barden, mongolische 50. Barin. Land 129. Bayen Kharatgebirge 245. Begräbnisse 64. 66. Begräbnisse, thibetanische 295. Ber.g der Geister 324. Blauer See 234. Blane Stadt 83. Blauer Strom 245. Blumenfest, mongolisches 199. Bogenschützen, mandschurische 91. Volte Lama 145. Böse Geister, Austreibung 22«. Botaniker, mongolische 232. Brücken in Thibet 321. Buchdruckereien in d.Mongolei 214. Buddhas, lebende 133. 179. 293. Buddhismus und Katholicismus207. Buddhistischer Lehrcursus 210. Buddhistische Reformation 204.207. BuddhistischeNeligionsansichten 109. Burham Bota 243. Butterverbrauch 200. Cardinäle, buddhistische 268. Chinesische Gauner 94 ff. Chinesen in derMongolei3.17.140. Chinesische Kaufleute IN. Chinesische Soldaten 189. Dabsun Noor 150. Drachenfuß, Vogel 121 Dschack La 333. Dschiahurs, Volk 4l. 178. Dschiggetai 246. Dschinseng (Ginseng) 89. Eseh. Königreich 66. Ehescheidungen 143. Eichhörnchen, graues 45. Eilboten in Thibet 333. Einhorn 321 ff. Engländer 178. Erddämpfe 228. 243. Facultäten, buddhistische 210. Fischfang 122. Frauen, mongolische 54. Frauen, thibetanische 258. Fürsten, mongolische XXVII. 358 Register. Gastfreiheit, mongolische 35. Gastmahl, mongolisches 48. Gebetmuhleu 149. 221. Gebirgsscenen iu Thibet 329. Gebräuche, buddhistische 218. Geistertanz in Thibet 3U6. Gelber Strom 115. Gemälde, in deu Tempeln 75. Geldspenden in den Klöstern 213. Geldwechsler, chinesische 99. Gesandtschaft, thibetanische 23«. Gescheckten, Land 16. Ghiamda. Stadt 3<9. Ghiriu, Stadt 89. Gletscher in Thibet 325. Gliickstuch u. dessen Gebranch 196. Goldsucher 18. Gottesdienst, buddhistischer 73. Grasland 2. Groß Lamas 104. Grunzochs 225. Gnison Tamba 78. Handel in der Mongolei 24. Herbergen 7. 94. 167. l7l. Herrscherfamilien 129. H'eirathen, mongolische 14l. Hierarchie, lamaische 268. Ho Niao y, Stadt 18 l. Hoang so 115. Hochzeiten, mongolische 142. Hoei hon 191 ff. Höhlenwohnnngeu 138. Horoskope 19. Hundert Brunnen 159. Hutuktu-Lamas 268. Hung mao eül. Volk 189. Ignatiusbohuen 123. Kai' tscheu. Stadt 89. Kaiserwald 12. KalonS 268. Kameele 152. Kamcelhandel 103. Kampfspiele 67. Kanonen XXI. Karawanen 69. 1l3. 238. Kaschgar XXVI. Katschi, Volk 263. Kelans 271. Khaldan, Kloster 307. Khalkhas XXIV. 186. Khata 196. Kin scha kiang 245. Kin tscheu, Stadt 89. Klosterleben 197. 212. Klosterregeln 136. Klosterzucht 211. Kolostämme 235. 249. Komödien in Thibet 317. Kunbum, Klostelstadt 195 ff. Kuku Hote, Stadt 83. 91. 93. 102. Kn-Ku-Noor 234. Kua mien 13. Kutschen dscham 58. Kureu, Groß-, Kloster 75. Lamas, kaiserliche XXVI!I. Landschaftscharakter, mougol. XXX. Lang Ni tsua 330. Langhaarc, Volk 189 ff. Leao ho, Fluß 12. Lebensrcgeln, buddh. 222. Leihhäuser 102. 193. Lha Ni. Dorf 326. Lha Ni. Gebirge 324. Lha Ssa 255 ff. Literatur der Mandschu 87. Ln dschung 15. Lumma Ni, Gebirge 318. Ly. Mandarin 309 ff. Mandschu, ihre Stellung 85. Maudschu Sprache 86. Register. 359 Mandschu Tataren 84. Mandschurei 88. Mandschurei, Erzeugnisse 89. Maniformel 290. Mauer, die große 174. Midschu kuug. Stadt 3» 6. Miugiau Lamane Kuren 79. Mission iu Peking 1. Mönche, ansässige 107. Mönche, vagabundirende 106. Mongolen, Physiognomie XXXI. Mongolen, südliche XXIV. Mongolen von Ku-Ku-Noo> XXV, Mongolinnen 143. Mongolische Fürsten »00. Mongolische Völker XVII. Morufcst in öha Ssa 306. Mulden, Stadt «8. Münzen, chinesische 98. 101. Münzen, thibetanische 261. Muselmanner in China 191. Na Ptschu 253. Neujahrsfest, chinesisch. 193'. Neujahrsfest, mongolisch. 161. Neujahrsfest, thibctanisch 305. Niug pcy hieu. Stadt 182. Ninguta, Stadt 89. Nomckhau 268. 272. Obo's 15 325. Ortus, Land des 126 ff. Ost-Thlbetauer 224. Paga gol, Fluß 123. Papiergeld XXI. Pebnn, Volk 262. Piam Pa. Ebene 333. Ping fang Stadt 178. Piug Keu. Gebirge 182. Politik, chinesische 66. Plebung. Kloster 307. Producte, thibetanische 320. Pnhain gol, Fluß 240. Nangverhältnisse XXVIN. Nasche Tschürin. Kloster 144. 148. Rasthäuser (Siii kia) 1«3. Räuber 12. 23». 249. Regierungöform 130. Reisehandbuch, chines.-thibctau. 315. Ncitlnust, mongolische 53. Nuincnstadt in der Steppe 57. Russischer Verkehr mit sshina 58. Sagen 227. 236. Sa'in Ula 12. Salzseen 150. Sammlungen für Kloster 72. San tschnau. Landstrich 178. San yen tsiu 175. Tapeke, Scheidemünze 98. Schaberons 110. 132. Schabis 135. 196. Schaborteh, Stadt 46. 55. Schachspiel 33». Schara muren, Flnß »2. Sche tsui dse 167. Schobando 333. Schokula. Gebirge 328. Scholastik, buddhistische 211. Schutzgeister der Verge 332. Seclenwanderuug 118. 133. Sera 275. 308. Si fan, Volk 224 ff. Si ning fu. Stadt 183. Ti ta dse XXIII. Siu fa 146. Silberbarren 101. Sclaverei 129. 131. Sperlinge 139. Spielkarten XXIl. Sprache del Mandschu 86. Steppen, Charakter der 33. 40. 360 Register. Steuern in der Mongolei XXIX. Studien der Lamas 210. Studien in den Klöstern 136. Suan pan 99. Suktschu. Fluß 333. Taltfi 130. Tale Lama 268 ff. Tandageblrge 331. Tang keu eül, Stadt 184. I9l. Tant la Gebirge 250. Tempel, Bauart ders. 73. Tempelschnmck 74. Teufelsanrufungen 147. Teuselsclsterne 165. Theespenden in Klöstern 212. Thibetaner 257 ff. Thibetanische Schrift 214. Thlbetanische Studien 187. Thierärzte 157. Timur, Erinnerung an, 51. Tolon noor 22. Toolholos. Barden 50. Torgot XXV. Tortscheh. heil. Werkzeug 305. Tribut XXII. Troglodyte«, chinesische 138. Tsa'idam Mongolen 242. Tsao ta dse 38. Tsao ti 2. Tschagan Kuren 1l3. Tschakar 19. 30 ff. Tschagagebirge 244. Tschulor 221. Tschortschi. Kloster 71. Tschea ta dse 125. Tschong wel 172. Tschütgür 61. Tschütschi'ln 133. Tschükör 149. Tschogortan. Kloster 221. Tsing ku, Pflanze 314. Tsong Kaba's Leben 203 ff. Tsiamdo. Stadt 336. Tndsellaltssi 124. 130. Tumet, Landschaft «2. Tung ta dse XXIII. Tuschlmcl 130.' Ungeziefer 118. M, thibct. Provinz 30 ff. Ulah 3l6. Ula-Kraut 90. Uniot. Neich, 3. U tay, fünf Thürme 65. Vielweiberei 143. Wachthäuser, chinesische 321. Wa ho, Gebirge 334. Wasservögel »21. Wallfahrer 145. Wechselcontore XXI. Wunderbaum 208. Wüste, thibet. 244. Yak 225. 3)ang tse Kiang 245. Mien yang 121. Yüeping, Mondskröte 46 ff. Zeitrechnung, thibetan. 302. Zeltwirthschaft 36. 47. Ziegclthee 27. 77. Zobelfelle 90. Besonders empfehlenswerthe Werke theils für die Jugend, — theils für Erwachsene. Vnl-g llllll G. Senf's Buchhandlung in Tripsig. Iu beziehen dnrch alle Buchhandlungen. Ländergefchichte. »r. A. Geißler's Weltgeschichte der alten - mittleren - neueren — und neuesten Zeit. In biographischer Form. 3 Bände. 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Chesney und Michelsen. 1805. 1 Thaler. Biographie. Attila und seine Nachfolger. Von Amed^e Thierry. Deutsch von Dr. Ed. Vurclhardl. Neue sehr elegante Ausgabe in 2 Vändcn. 1856. 1 Thaler 10 Ngr. Geschichte Karl's dcs Großen. Von Ioh. Fr. Schröder. Mit dcm Portrait Karl's des Großen nach Albrecht Dürer. Neue schr elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte Kaiser Maximilian's I. Von Karl Haltaus. Mit dcm Portrait Maximilian's nach Albrecht Dürer. Neue elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Johann Huh und das Eoneil zu Costnitz. Von E. de V onne- chose. Mit dcm Portrait Johann Huß'. Neue elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte des Kaisers Karl V. Von Ludwig Storch. Mit dcm Portrait Karl's nach Tizian. Elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler. Geschichte Kaiser Joseph's H. Von A. Groß-Hoffinger. Mit dcm Portrait Joseph's. Neue sehr elegante Ausgabe. 1805. 1 Thlr. Erzherzog Karl von Oesterreich. Von A. Groß-Hoffinger Mit dein Portrait des Erzherzogs Karl. Neue elegante Ausgabe 1865. 1 Thaler. Geschichte Karl dcs Iwölften. Von And r. Fryxell. Mit dem Portrait Karl's. Neue sehr elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler Geschichte Gustav Adolph's. Von Andr. Fryxell. Mit dem Pol trait Gustav Adolph's nach Anton Van Dyk. Neue elegante Geschichte des Herzogs von Marlborough und des spanischen Geschichte der Königin Maria Ttuart. Von F. A Mia net Ausgab"' U«"l Nci" '""" ^""' ««,° fthr' elHan.e Nelson und die Seekriege von l?ft3-l8>3. Von ^ de la Graviere. Mit dem Portrait Nelson's nach Abbott. Neue ,'ebr elegante AuSgabc. 1805. 1 Thalcr. ' " Biographie. 3 Geschichte des Kaisers Napoleon. Von P. M. Laurent. Mit dem Portrait Napoleon's nach Delaroche. Neue sehr elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. Geschichte Peter's des Grausamen von Eastilien. Von Prosper Mtirim^e. Mit dem Portrait Peter's nach A. Carnicero. Neue sehr elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Geschichte Franz Sforza's und der italienischen Eondottieri. Von Dr. Fr. Steg er. Mit dem Portrait Sforza's. Neue sehr elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. Leben Lorenzo de' Medici genannt der Prächtige. Von Will. Roscoe. Deutsch von Frdr. Spielhagen. Mit dem Portrait Lorenzo's. Neue sehr elegante Ausgabe. 1865. '/s Thaler. GeschichtePeter's des Großen. Von Eduard Pelz (Treumund Welp). Mit dem Portrait Peter's nach Le Roy. Neue elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. Geschichte des Kaisers Nikolaus I. Vom Grafen de Beaumont- Vassy. Mit dem Portrait Nikolaus', gestochen von Wcger. Neue sehr elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Der falsche Demetrius. Von P r o s p e r M 6 r i m 6 e. Eine Episode aus der Geschichte Nußlands. Elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Das Leben Mohamed's. Von Washington Irving. Mit dem Titelbild Mohamed's. Elegante Ausgabe. K66. 1 Thaler. Die Begründer der französischen Staatseinheit. — Der Abt Suger. — Ludwig der Heilige. — Ludwig XI. — Heinrich IV. — Richelieu. — Mazarin. — Vom Grafen L. de Carne. Deutsch von I. Seybt. Neue elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Länder- und Völkerkunde. Drei Reisen um die Welt. Von James Cook. Neu bearbeitet von Fr. Steg er. Neue elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. Eine Weltumsegelung mit der schwedischen Kriegsfregatte „Eugenie." Von N. I. Andersson. Deutsch von Kannegießer. Neue elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. Die Krim und Odessa. Reise-Erinnerungen von Prof. Dr. Kar l Koch. Neue elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Süd-Nußland und die Donauländer. Von L. Oliphant, Shirley Brooks. Patrik O'Brien und W. Smyth. Neue elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Reise-Erinnerungen aus Sibirien von Prof. Dr. Christoph Hansteen. Deutsch von O,-. H. Sebald. Neue elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Die Kaukasischen Länder und Armenien. Von Curzon, Koch, Macintosh, Spencer und Wilbraham. Neue elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. Wanderungen durch die Mongolei nach Thibet von Huc und Gäbet. Deutsch von Karl Andree. 1866. 1 Thaler. Wanderungen durch das chinesische Reich von Huc und G ab et. In deutscher Bearbeitung von K Andree. 1866. 1 Thaler. Mungo Part's Reisen in Afrika von der Westküste zum Niger. Neu bearbeitet v. W-. Fr. Steger. Elegante Ausgabe. 1866. ITylr. Die afrikanische Wüste und das Land der Schwarzen am obern Nil. Vom Grafen d'Escahrac de Lauture. Neue elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. 4 Länder- und Völkerkunde. Südafrika und Madagaskar sseschildert durch die neuen Ent-deckungsreisendcn namentlich Livingstone und Ellis. Neue elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. West-Afrika. Seine Geschichte, seine Zustände und seine Aussichten Von I. Lcighton Wilson. Elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. Die Ostsee und ihre Küstenländer. Geographisch, naturwissenschaftlich und historisch, geschildert von A. von Etzel. Neue elegante Ausgabe. 1805. 1 Thaler 10 Ngr. Reisen im Nordpolmeere von F. Elisha Kent Kane. Uebers. von I. Seybt. Neue elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. Wanderungen durch Texas und im mexikanischen Grenzlande. Aus dem Englischen des F. L. Ol m st e d. Elegante Ausgabe. 1866.1 Thlr. Buenos-Ayres und die Argentinischen Staaten. Nach den neuesten Quellen. Herausgegeben von Karl Andrec. Neue elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Eentral-Amerita (Honduras, San Salvador und dieMoslitoküste.) Von Squier. Deutsch herausgegeben von Karl Andree. Neue elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. Wanderungen durch Australien von Oberstlieutenant Charles Mundy. Deutsch bearbeitet von Friedrich Ger stack er. Neue elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Zwei Reisen in Peru. Gegenwärtiger Aufschwung und Zukunft dieses Landes nach den neuesten Entdeckungen geschildert von Clemens R. Markham. 1865. Preis 1 Thaler. Naturkunde. Der Geist in der Natur. Von H. C. Oersted. Deutsch von Prof. Dr. Kannegießer. Mit Portrait. Neue elegante Ausgabe in 2 Bänden. 1866. 1 Thaler 10 Ngr. Naturschilderungen von I. F. Schouw. Deutsch von H. Zeise. Mit Biographie und Portrait des Verfassers. 1865. 1 Thaler. Ehemische Bilder aus dem Alltagsleben. Nach dem Englischen des James Johnston. Neue elegante Ausgabe. 1865. 1 Thaler. Die Witterungslehre zur Belehrung und Unterhaltung für alle Stände von Dr. G. A, Iahn. Neue elegante Ausgabe. 1865. 1 Thlr. Naturlehre. Von D?. E. C. Brewer. Nach der 8. Aufl. des engl. Originals v. Or. O. Marbach. Elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Elasfiker und Volksliteratur. Sophokles. Deutsch von O. Marbach. Nebst einführender Abhandlung. Die griechische Tragödie und Sophokles mit erläuternden Einleitungen und Anmerkungen. Elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Das Nibelungenlied. Neuhochdeutsche Uebersetzung von Oswald Marback. Nebst einführender Abhandlung. Das Nibelungenlied und die altgermanische Volkssage mit Anmerkungen und ausführlicher Inhaltsangabe. Neue elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Westslawischer Märchenschatz. Ein Charakterbild der Böhmen Mährer und Slowaken, in ihren Märchen, Sagen, Geschichten! Volksgemngen und Sprichwörtern. Deutsch bearbeitet v. We nzia Mit Musikbeilagen. Neue elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Esaias Tegn«r's Dichterwerke. Inhalt: Die Frithiofssage. — Axel. - Die Nachtmahlskinder. - Gedichte. - Deutsch von EdmundLobedanz. Mit Biographie und Portrait des Dichters Neue elegante Ausgabe. 1866. 1 Thaler. Druck o«>> L. . ?taum«nn tn LeWü. FDi^ Druck von E. G. Naumann in Leipzig