Deutscher KlauöenBote. Ler-ausgegeben von der Gesellschaft der „Söhne des bist. Herzens Jesu Erscheint monatlich. UL Zeiten stark. — Preis ganzjährig 3 K == 3 Mk. — 4 Frcs. Hmjiiit 1901 J n h a I t Seite Legende des Morgeutaudes. Der hl. Augustinus. 225 Gin 'Neger für die Suche der stieg er (Schluss.) . 227 Die £ Ri er weil im Sudan (Schluss.) .... . . 231 KRaraliler und Antagen der Neger..................235 nleüeuülntder deulfcher Mifstonäre. P. Augu st Schguse (Schluss) ........................ 239 Lin -fUisfCitij auf das westliche Nitufer von Assuan 243 er UL dem MilstousteRen: Die entführte Braut . 211 Seite st'eruiilchte Nachrichten: Die Juselstadt Suakin.— Die Monbottn. — Jerusalem. — Die Indianer der Bereinigten Staaten. — Verbreitung der Religionen auf dem Erdkreise......................249 P. Heinrich Seiner F. S. C. f......................256 Aökitdnngen: Der hl. Augustin. - Häusergruppc in der Juselstadt Suakiu. — Grabstätte des P. Schynse. — Zwei Bischariucn. — Ein koptischer Priester. — Der Moubuttuköuig Munsa. jc$Ivb/I|! den und Gönnern entbehrliche Bücher, « =0=^=-____==_=^ wenn auch älteren Datums, besonders * ascetischen und theologischen Inhaltes. Missionshaus Miihland bei Brixen. SP 2l eitere Jahrgänge N 5es „Nern 5er Neger" stn5 noch erhältlich unö Mar: 5er erste Jahrgang ä 2 K, 5er Meile (2. für sich abgeschlossenes Halbjahr) ä ) K, 5er knülle ä 2 K. Alle Jahrgänge zusammen bezogen Kosten nur 4 Kronen. ZM- Behufs Erleichterung in der Versendung ersuchen wir die verehrlichen Ab-nehmer höflichst, bei allen Anfragen, Geldsendungen u. s. w. stets die SM- gedruckte Echleifnunnner mitangeben zu wollen. Gorresporröenz 6er GXpeöition. Eingegangene Geldsendungen. (Vom 1. bis 30. Juli 1901.) Süt das Missionshaus: Luise Krill. Wien...................................6.— ft- Maria Lasser, Hallein...............................4.— ft- Aus Westfalen......................... 637.65 K- Elfriede Knickenberg. Lehrerin, Dortmund, für ein Heidenkind I Antonius)................... 24.75 ft. Durch Tr. Joh. Chr. Mitterrutzner, Neustift . 11.75 K. Max von Braunschweig, Hötting bei Innsbruck, als Erziehungsbeitrag für einen Ordenszögling 400.— K. Anna Ruhl, k. f. Forstwartsgattin, Winklern 3.50 K. Aus Bayern....................................... 30.45 K. Friedrich Krill, Wien..............................6.- K. Kür heilige Wessen: P. Mohn, Kaplan, Mehlsack...........................3.52 K. Rosa Doppelmaier, Hallein...........................2.35 Si Aus Westfalen..................................... 58.75 ft. Gräfin Hompesch, Meran..............................10.— K. Elise Fröhlich, Ahrweiler .........................3.52 St. Steinbrecher, Landshut..............................2.35 ft. Aus dem bairischen Wald........................... 58.75 ft. Aus Fürth: Wald.................................. 235.— ft. Aücher sandten ein: Professor Andreas Wolf, f.-b. Vincentinum, Brixen. Josef Sern, Theolog, St. Pölten. Albert Pucher, Vöcklabruck. Diesen und allen üörigcn Wohlthätern sagen wir ein herzliches ,,Dergelt's Hott!" und öilie» um weitere milde Haben sät unser Missionshaus. Deutscher GlaubensLote. Mr. 8. August 1901. IV. Jahrg. Legende des Morgenlandes. Z>ev §1. Augustinus, Wisch of imö KivchenteHver. (28. August.) urelius Augustinus würd 354 zu Tagaste, einem Städtchen Numidiens, unweit Hippo, geboren. Sein Vater Patrieius, ein vornehmer Mann und bis kurz vor seinem Tode ein Heide, war nur darum besorgt, dass sein talentvoller Sohn zu einer ruhmvollen Stellung in der Welt gelange. Desto eifriger war seine christliche Mutter, die hl. Moniea, bestrebt, für das Seelenheil ihres Sohnes zu sorgen. Schon in seinem zarten Alter lies; sie ihn unter die Zahl der Katechumenen einschreiben und pflanzte die Grundlagen der christlichen Religion so tief ein, dass selbst die Verirrungen seiner Jugend sie nicht völlig auszureißen vermochten. Als Knabe musste Augustinus durch Züchtigung zunl Lernen angehalten werden, dagegen in reiferen Jahren erwachte in ihm eine besondere Vorliebe für die Wissenschaft. Als er 16 Jahre alt war, schickte ihn der Vater zur weiteren Ausbildung nach Madura, einer nahen größtentheils heidnischen Stadt. Nach dem Tode seines Vaters, der kurz vor seinem Tode auf Zureden seiner Gattin die Taufe empfangen hatte, fam Augustinus, durch einen reichen Verwandten unterstützt, nach Carthago, welches damals der Sitz der Gelehrsamkeit für Nordafrika, aber auch der Sammelplatz für alle Lüste und Ausschweifungen war. Hier konnte er den schlimmen Eindrücken, welche die schamlosen Festspiele, das Theater mit seinem laseiven Ton und der Umgang mit ausgelassenen Genossen auf ihn übten, nicht widerstehen; er gab sich den Ausschweifungen seiner Altersgenossen hin. Erst 18 Jahre alt, hatte er einen unehelichen Sohn, den er Adeodat nannte. Freilich fehlte es ihm nicht an Gewissensbissen, und immer mehr erfuhr er an sich das Wort, dass das Herz unruhig ist, bis es Ruhe findet in Gott. Durch die Leetüre des Hortensius von Cieero wurde er ernster gestimmt und begann eifrig die Schriften des Aristoteles und anderer älterer Philosophen zu studieren. Die hl. Schrift aber, die ihm seine Mutter dringend empfahl, missfiel ihm ihrer einfachen Form wegen, ihren sittlichen Anforderungen gtt folgen, fehlte ihm Muth und Kraft. Bei dem innern Zwiespalt, den er empfand, suchte er, 20 Jahre alt, die ihm zusagende Deutung des Christenthums bei den Manichäern. Ihre phantasiereiche Lebensanschauung fesselte ihn zwar, konnte ihn aber nicht vollauf befriedigen. Er kehrte in seine Vaterstadt zurück und würde Lehrer der Rhetorik. Viele Thränen weinte die Mutter um ihren geliebten 226 Legende des Morgenlandes. Sohn, und unablässig flehte sie zum Himmel um dessen Bekehrung. Einst träumte ihr, sie stehe auf einem Richtscheit und von einer hehren Gestalt, die sie freundlich anredete, vernahm sic die beruhigenden Worte, sie möge nur um sich schauen, so werde sie sehen, dass ihr Sohn auch dastehe, wo sic sei; um sich blickend habe sie daun wirklich ihren Sohn ans demselben Richtscheite gesehen. Als sie diesen Traum ihrem Sohne erzählte, bemerkte dieser, dass auch sic einst noch seinen Glauben annehmen werde. Monica aber erwiderte schnell: Nein, eS ist mir nicht gesagt worden: „wo er ist, da wirst auch du sein," sondern: „wo du bist, da wird auch er sein." Eine ähnliche Hoffnung machte der trauernden Mutter auch ein Bischof, der früher selbst Manichäer gewesen, und den sie bat, ihren Sohn zu bekehren. Ein Mann wie Augustinus, sagte derselbe, werde, wie auch er, noch zur Erkenntnis der Nichtigkeit des Ma-nichäismus gelangen, und es sei unmöglich, dass der Sohn so vieler Thränen verloren gehe. Einstweilen schien dafür keine Hoffnung vorhanden zu 'sein. Augustinus suchte sich einen größeren Wirkungskreis zu Carthago und fand dort als Lehrer der Rhetorik vielen Beifall. Hier war es auch, wo Augustinus sich immer mehr von der Secte der Manichäer zu trennen begann. Er lernte allmählig die schlechten Sitten der Manichäer kennen; durch Studien der Naturwissenschaften erkannte er das Alberne der manichäischen Lehre vom Naturleben; durch eine Unterredung mit dem ihm früher hochgerühmten manichäischen Bischof Faustus, einem Schwätzer, erlangte er die schmerzliche Gewissheit, dass er seit Jahren schmählich betrogen worden sei. Mit sich selbst zerworfen, gab er dem Zureden einiger Freunde nach, begab sich gegen Wissen und Willen seiner Mutter nach Rom und trat hier, nachdem er eine schwere Krankheit überstanden hatte, als Lehrer der Beredsamkeit auf. Er erregte bald dieselbe Bewunderung wie in Carthago. Nachdem er sich kaum ein halbes Jahr in Rom aufgehalten hatte, verschaffte ihm der Präscct Symmachus von Rom den 9htf als öffentlicher Lehrer nach Mailand. Hicmit beginnt der Wendepunkt in Augustinus' Leben. Augustinus besuchte aus Höflichkeit den Bischof der Stadt, den hl. Ambrosius, und dieser flößte ihm Hochachtung und Zutrauen ein. Er hörte fleißig die Predigten des verehrten Kirchcnfürsten, zuerst freilich nur wegen ihres rednerischen Wertes. „Allein allmählich," sagte er selbst, „kamen mit den Worten auch die Sachen, die ich vernachlässigte, und während ich darauf aufmerkte, wie er sprach, prägte sich mir auch ein, wie wahr er sprach." — Die treue Mutter war dem Sohne nach Mailand gefolgt. Von der manichäischen Sccte sagte sich Augustinus nunmehr auch äußerlich los und nahm von Tag zu Tag eine ernstere Haltung an; er erlangte den Muth des Forschens wieder, griff auch wieder zur hl. Schrift und entdeckte seinem vertrauten Ratgeber und Freund Simpliciauus seinen Zustand; aber noch sträubte sich der alte Mensch in ihm gewaltig gegen dessen Rathschläge. Er betete, von seiner Sündenlast befreit zu werden, aber fürchtete sich zugleich vor diesem Altgenblicke. Er kämpfte einen schweren Kampf zwischen Geist und Fleisch, den er in seinen Bekenntnissen mit erschütternder Wahrheit und schonungsloser Enthüllung seiner Armseligkeit schildert. Da hörte er seinen Freund Pontianus vom hl. Der hl. Sugiisfmus. 227 Legende des Morgenlandes. Antonius erzählen, wie er die Welt und alles, was ihm die Welt biete» wollte und konnte, verließ. Er ward tief ergriffen, gieug in den Garten und weinte und flehte! da hörte er eine liebliche Stimme rufen: „Nimm und lies!" Er nahm die hl. Schrift, schlug sie aufs Geradewohl auf, und die Worte, welche ihm zuerst in die Augen fielen, waren: „Wie am Tage lasset uns ehrbar wandeln; nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Unzucht, Zank und Neid, sondern ziehet den Herrn Jesum Christum au und pfleget der Sinnlichkeit nicht zur Erregung der Lüste." (Röm. 13, 13 li. 14.) Darin erkannte Augustinus eine unmittelbare Mahnung Gottes und fühlte auch durch den lebendigen Einfluss der Gnade die Kraft in sich, ein neues Leben zu beginnen. Unbeschreiblich war die Freude der Mutter über die Bekehrung ihres Sohnes. Augustinus zog sich mit ihr und einigen Freunden in die ländliche Einsamkeit, auf die Billa Eassitiacum, Eigenthum seines Freundes Verceuudus, zurück und lebte hier ausschließlich frommen Uebungen, sowie wissenschaftlichen Studien und Arbeiten. Am Charsamstag 387 cmpfieng Augustinus mit seinem Sohne Adcodatus, der bald nachher starb, und seinem Freunde Alppius durch den hl. Ambrosius die hl. Taufe. Augustinus entschloss sich nun, in sein Vaterland zurückzukehren; als aber feine hl. Mutter zu seinem großen Leidwesen in Ostia gestorben war, begab er sich nach Nom und trat hier schriftlich und mündlich gegen die manichäische Secte auf. Im Spätherbst 388 kehrte Augustinus über Carthago in seine Vaterstadt zurück, verkaufte die von seinem Vater ererbten Güter und vertheilte den Erlös unter die Armen. Drei Jahre lebte er daun mit einigen Freunden in klösterlicher Zurückgezogenheit, bis er, durch seine Asccsc und seine Schriften berühmt, trotz seines Widerstandes in der nahen Stadt Hippo vom Bischof Valerius zum Priester geweiht wurde. Um Ostern 392 trat er sein Amt an.-Sein Ansehen war schon damals sehr groß, und er wurde zuerst zum Coadjutor des greisen Bischofes, nach dessen Tode aber zum Bischof erwählt. — Von da an beginnt, die Glanzperiode von Augustinus' Leben. Als Bischof setzte er die bisherige Lebensweise fort; er lebte mit seinem Clerus nach klösterlicher Art. (Von ihm leiten sich daher die Augustiner ab.) Er lebte sehr einfach und mäßig, war dabei gastfreundlich und mildthätig. An seinem Tische durfte nie mit Tadel über Abwesende gesprochen werden. Er entfaltete ebenso großen Eifer und Tugend, als auch Talente und Kenntnisse. Aller Selbstsucht und irdischen Lust abgestorben, verband er mit Kraft und Energie die liebreichste Sanftnmth und Demuth. Seine Schüler wurden meist Bischöfe und wirkten gleich ihm für Ausbreitung des religiösen Lebens in Afrika. Augustinus starb am 28. August 430, im 3. Monate der Belagerung Hippo's durch die Vandalen. Seine Gebeine kamen nach 56 Jahren durch die von den Vandalen verbannten Bischöfe nach Sardinien; 223 Jahre später brachte sie der Longobardcnkönig Luitprand nach Pavia. Die christliche Kunst gab dem hl. AugustiunS als Erkennuugs-zeichcn ein brennendes Herz zur Bezeichnung der glühenden Gottesliebe, welche alle seine Schriften durchweht. Von Bonifacius VIII. wurde Augustinus zum Kirchenlehrer erhoben. Gin Neger für die Sache der Neger oder „Meine Vriiöer, öre Neger in Afrika." Ein ernstes Wort au Europas Christen von P. Kantet Korne 3'Mjanm Ken, zu Kairo (f mit 11. Jänner 1900). dÄMnzählige Urtheile von Afrikarciscndcn bestätigen die Empfänglichkeit der schwarzen Rasse für Kultur und Christenthum. Hören auch wir, wie die Missionäre in dieser Hinsicht urtheilen. Ihre Berichte sprechen von der Fähigkeit der Neger, christliche Lehre und Gesittung in sich aufzunehmen. (Schluss.) So berichtet P. Hor »er über die Erfolge der Mission von Sansibar: „Von Anfang an zeigten sich bei den Negern bedeutende Anlagen für mechanische Arbeite», und die Werkstätten der Mission konnten in kürzester Zeit verschiedene Arbeiten für Araber und Europäer in Angriff nehmen. Diejenigen Knaben, welche höhere Vegabuug verriethen, bekamen Unter- 228 Ein Neger für die Sache der Neger. richt im Lateinischen, und bald konnte man zur Errichtung eines kleinen Seminars schreiten, das den ersten Grund legen soll zur Heranbildung eines ein-gebornen Clerus. Ebenso errichtete die Mission eine Arbeitsschule, wo die Kinder in nützlichen Handarbeiten unterrichtet wurden." Reisende, die zum erstenmal mit diesen erniedrigten Naturen zusammenkommen, mögen freilich alsbald auf ihre Unfähigkeit für alle sittliche und geistige Entwicklung schließen; sie urtheilen zu oberflächlich. Der Missionär, der Jahre laug mit ihnen umgeht, kann ein sicheres Urtheil abgeben, er sagt, dass er oft erstaunt sei über die Fähigkeiten, welche er in diesen ohne jegliche Bildung gebliebenen Seelen antrifft, und er ist glücklich, diesen Beweis zu liefern. „In Sansibar," sagt P. Horner, „werdet ihr ein kleines Seminar finden, wo in diesem Jahr (1875) vier junge Schwarze ihre Tertia machen. Ich glaube nun ohne Furcht behaupten zu können, dass keiner von ihnen in irgend einem Lyceum zu den letzten der Classe zählen würde. Ich wage sogar zu sagen, dass der Talentvollste unter ihnen in jeder Anstalt einen der ersten Plätze einnehmen würde. Gebet den Schwarzen eine rechte Erziehung, und sic werden ungefähr den Kindern Europas gleichen." (Schneider, Kath. Mission, von Zanguebar. S. 312.) Unzählig sind die Zeugnisse der Missionäre, welche für die materielle und geistige Bildungsfähigkeit der Neger sprechen, wenn diese in die Hände von Christen kommen. Ebenso erfreulich sind die Berichte über die moralische Haltung der Schwarzen, die das Glück haben, christlichen Unterricht und Erziehung zu genießen. P. Horner erzählt in der Geschichte des einst lebendig begrabenen Ncgermädcheus Suema, nun Mitglied der Congregation der Töchter Mariae in Sansibar, folgende rührende Scene: Das Spital der katholischen Mission ist allen Kranken ohne Unterschied geöffnet. Eines Morgens nun wurde der Oberin gemeldet, dass eben ein Transport von Arabern, die im Kampf mit englischen Kreuzern verwrmdet worden waren, im Krankensaal angekommen seien. Es war gerade die Reihe an Suema, die Krankenschwestern zu unterstützen. Das Mädchen beeilte sich, alles erforderliche herzurichten, und tritt in den Saal. Welche Ueberraschung! Wenig hätte gefehlt und sie wäre in Ohnmacht gesunken. Der erste, der ihr in die Augen fällt, ist jener Karawanenführer, jenes Scheusal, das ihre Mutter auf dem Trausport in die Sclaverei misshandelt hatte! Er befand sich in einem entsetzlichen Zustand: sein Kopf war von einem Säbelhieb gespalten und die Brust von mehreren Bajonettstichen durchbohrt. „Mein Gott! Es ist der Araber!" Die Schwester Oberin wandte sich zu ihr mit den Worten: „Suema, meine Tochter, Dein Unglück verdient einen Lohn. Sieh, ivic Dir Gott in seiner Barmherzigkeit Gelegenheit gibt, ein Werk von unschätzbarem Wert zu üben. Glücklich jene, die so viel Edelmuth besitzen, um Böses mit Gutem zu vergelten! Gott wird sic einstens dafür belohnen. Ein wenig Muth meine Tochter, und der Sieg ist Dein! Du, meine liebe Suema, musst diesen Menschen pflegen." Suema schaute die Oberin au und gehorchte, zitternd am ganzen Leib, ihrem Befehl. Sie nahm ein Tuch und begann die Wunden des Arabers auszuwaschen. Dies kam ihr anfangs hart, sehr hart an: sie gestand cs nachher selbst, welche Abneigung und Hass sie gegen den Mann empfand und sie nahe daran war, ihren Todfeind zu verfluchen. Allmählig aber überwand sic sich mit Gottes Hilfe, und an Stelle des Hasses trat bald ein tiefes Mitleid. Sic selbst wunderte sich über diese plötzliche Sinnesänderung. Nachher gieng sic heimlich in die Hanskäpelle der Schwestern, und vor dem Altar der Mutter Gottes niedergestreckt, rief sie schluchzend aus: „O Maria, meine Mutter, habe Mit-leid mit jenem Unglücklichen, dem zu verzeihen Du mir den Muth gegeben hast: nun verzeihe ich ihm aufrichtig." Die Oberin war inzwischen, unbemerkt von Suema, hinzugetreten und hatte ihr Gebet gehört: sic neigte sich über die Negerin und umarmte sie unter Thränen freudiger Rührung. Sie dankte Gott und der heiligen Jungfrau für die Gnade dieser wunderbaren Bekehrung. Bisher war Suema nicht zur Taufe zugelassen worden; das einzige Hindernis hatte noch bestanden, dass sie ihren Feinden nicht verzeihen konnte." — (Schneider, a. a. O. 1. Cap. 5.) Nach Hunderten und Tausenden ließen sich solche rührende Beispiele anführen, welche sämmtlich beweisen, wie der wahre Geist des Christenthums auch in den Seelen der Schwarzen Wunderbares zu wirken vermag. — Dass in den schwarzen Krausköpfen auch einige Intelligenz steckt, und dass Beispiele von ungewöhnlichem Talent und scharfem Verstand unter ihnen nicht so selten sind, beweist eine große Anzahl von Negern und Negerinnen, die in Europa oder von Europäern erzogen wurden. Wir erwähnen z. B. jene Negerknabcn, die im Institut des Don Mazza in Verona, in dem des I'. Ludovico di Casorio in Neapel, in der Propaganda zu Rom usw. ihre Erziehung erhielten. Nach wenigen Jahren waren sic civilisicrt, und was noch mehr ist, gute Christen. Einige von ihnen zeigten mehr als gewöhnliche Geistesgaben. Kaziual unb der Bari £o-guit Lo Ladu, zwei Negerknaben, die in der katho- Ein Neger für die Sache der Neger. 229 lischen Mission von Cetikralafrika Erziehung und Unterricht genossen hotten, tarnen nach Europa und, unterrichteten einen Gelehrten in ihre» Muttersprachen, und zwar mit solchem Erfolge, dass dieser die Grannnatiken und Wörterbücher zu denselben abfassen somite.*) Aehnlichcs lässt sich sagen von den zahlreichen Negerinnen, welche durch den ehrwürdigen Diener Gottes Don Olivieri aus der Sclavcrei befreit, nach Europa gebracht und in verschiedenen Nonnenklöstern erzogen wurden. Fast alle entsprachen den Erwartungen ihres Wohlthäters: sie zeigten gute Anlagen und guten Willen. Die Missionen der Jesuiten am Zambesi, diejenigen der Congregation vom hl. Geist in Sencgambien und in Ostafrika, und besonders die Missionen der Trappisten in Marianhill (Natal, Südafrika) unter den Koffern, ivie auch die in Centralafrika, hatten bis-jctzt glückliche und theilweise sehr glückliche Erfolge. Cardinal Gibbons, Erzbischof von Baltimore, drückt sich in einem Vortrag, in dem er jährliche Collcctcn zu Gunsten der Indianer- und Neger-missionen empfiehlt, folgendermaßen ans: „Es sind jetzt (in den Vereinigten Staaten von Nordamerika) etiva sieben Millionen Neger, und die Negerfrage ist bereits zu einem ernsten Problem für das amerikanische Volk geworden. Meitzes Erachtens wird die beste Lösung in der Christianisierung der Neger liegen. In einigen Districtcn unseres Landes soll ihre Religion in eine Art Fetischdienst ausgeartet sei», der lediglich in äußerlichen Formeln besteht, ohne jede religiöse Grundlage und sittliche Verpflichtung. Von Natur aus sind die Neger religiös angelegt. Sic zeigen gute Lebensart, sind liebenswürdig und dankbar, gehorsam und unterwürfig: wenn ihre Haltung am Ende des letzten Krieges auch kein Lob verdient, so ist zu bedenken, dass sie eben die Macht, Böses zu thu», in Hände» hatten. Hat man sie aber nur einmal christlich gemacht, so werden sie zweifellos ein nützliches Element der Gesellschaft bilden." Von allen Negern in den Vereinigten Staaten ist ungefähr der vierte Theil katholisch. In den letzten 20 Jahren hat die amerikanische Dundes-Regierung sehr viel gethan für die Bildung und Erziehung der Schwarzen. Das katholische Amerika hat dabei mit Eifer und Liebe mitgewirkt, und die erzielten Resnl-tate beweisen abermals anfs Klarste, welche Fortschritte der Äleger im Schoß des Christenthums oder vielmehr in der katholischen Kirche zu machen im Stande ist. *) Ein ähnliches Beispiel ist P. Daniel selbst, welcher in diesem Aussätze das beste Zeugnis davon ablegt. — Die Schriftleitiing. Mehrere ganz nach kirchlichen Grundsätzen eingerichtete klösterliche Genossenschaften von Negerschwestcrn liefern den Beweis, dass unser religiöses Leben nicht ein rein äußerliches ist, sondern auf innerer Ueberzeugung beruht. Die Thätigkeit dieser Schwestern beschränkt sich indess nicht auf das Gebet und andere religiöse Uebungen, sondern sie widmen sich auch der Erziehung der Negerkinder. * -st * Man könnte mir vorwerfen, ich beurtheile die Negerrasse doch etwas zu günstig. Allein ich wollte bloß dem ganzen ungerechtfertigten Vorurtheil entgegentreten, als ob dieselbe von Natur aus unfähig wäre, christliche Religion und Cultur anzunehmen. Ich gestehe gern, dass der Neger faul, trag, indolent ist: dies ist jedoch in äußeren Umständen, im Klima und in den Bedürfnissen, begründet. Der Mensch im Naturzustände kommt nicht dazu, die angeborene Neigung zu einem möglichst bequemen Leben zu überwinden, sofern ihm nur die Erde von selbst die nothwendigsten Lebensrnittel liefert. Er weiß nichts von höheren Bedürfnissen, er hat keine Ahnung von idealen Gütern des Lebens, von Wissenschaft, Kunst, Ehre und Ruhm, er fühlt daher auch keinen Antrieb in sich, durch Arbeit und Thätigkeit sich eine bessere Existenz zu schaffen. So ist es gerade beim Neger. Es gibt Völker in Afrika, die gar keinen Ackerbau treiben, weil sie sich mit den Erzeugnissen des fruchtbaren heimatlichen Bodens begnügen. Einige wenige Stämme leben ausschließlich von der Jagd und laufen lieber dem Wild nach, als dass sie Ackergeräthe in die Hand nehmen und ein Stück Land bebauen. Im allgemeinen treiben die Neger wenigstens so viel Ackerbau, als sie zum Lebensunterhalt bedürfen. Wo dies nicht geschieht, liegt der Grund meist in den unaufhörlichen Einfällen der Araber und der Nachbarstämme, oder in der Tyrannei ihrer eigenen Häuptlinge. Baron von der Decken sagt: „Die Eingebornen am Nyassasee, die Wagindo und Wagao, verkaufen keine Sclaven, selbst nicht um den höchsten Preis, eben, weil sie dort in dem ungemein fruchtbaren schönen Lande Ackerbau treiben und die Leute dazu selbst brauchen. Das beste Mittel, den Menschenhandel mit der Wurzel auszurotten, ist das, den Ackerbau zu heben. Niemand, der Sclaven nothwendig braucht, wird sie verkaufen. So lange aber der Vortheil Käufer und Verkäufer zu solch elendem Schacher reizt, wird man sich vergeblich bemühen, das Uebel ganz auszurotten." Allerdings bezweifeln nicht wenige die Möglichkeit der Civilisation der wilden und halbwilden afrika- 230 Ein Neger für die Sache der Neger. nischen Stämme. „Aber," sagt Kersten, „die Ackerbauer von Witu liefern uns den Beweis, dass auch in Afrika durch Ordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse und durch weise Verwaltung die Völker zu höherer Entwickelung gelangen. Die Wahrnehmung ist um so erfreulicher, als wir das Gegenstück davon kennen lernten: dass durch Krieg, Gesetzlosigkeit, Unsicherheit des Besitzes und Sclavenhandel bähende Landstriche veröden, gut geartete Völker verwildern. Den Bewohnern Ostafrikas, welche, wie alle sogenannten Wilden, als Kinder zu betrachten sind, thut hauptsächlich eine vernünftige Vormundschaft nothi findet diese, eine bessere natürlich, als die arabische, dereinst für größere Strecken statt, so wird das Land sicherlich auch wieder zu jener alten Blüte kommen, welche die Portugiesen in Erstaunen setzte, die Bevölkerungen werden sich wieder des Wohlbefindens zu erfreuen haben, aus welches sie durch ihre Anlagen und durch die über sie ausgeschütteten reichen Gaben der Natur so großes Anrecht besitzen. Diesen Zustand aber herbeizuführen haben die Nationen, welche auf der Höhe der Gesittung stehen, nicht nur das Recht, 'sondern auch die Pflicht." (u. d. Decken, a. a. O. II. S. 377.) Was Kersten über die Ostafrikaner berichtet, dasselbe gilt auch von vielen Stämmen Eentralasrikas z. B. den Dinka, Nuba, Bongo, Sande, Monbottu und andern Völkerschaften, die am Congo und seinen Nebenflüssen, an den großen Seen und im Sudan wohnen. Will man aber trotz der angeführten Gründe und Thatsachen, welche die Trägheit des Negers theils entschuldigen, theils die darauf bezüglichen Behauptungen widerlegen, — will man also dem Neger immer noch Trägheit vorwerfen, so ziehe man endlich das Klima seiner Heimat in Betracht. Es wäre durchaus falsch, zu glauben, der Neger sei gegen die Hitze ab- solut unempfindlich, ivie auch die Europäer gegen die Kälte nicht unempfindlich sind. Allerdings sind mir Reger im Stande mit viel geringerer Beschwerde heiße Witterung zu ertragen, aber auch bloß bis zu einem gewissen Grade. Die Europäer, welche schon in Afrika gelebt haben, können aus eigener Erfahrung bezeugen, welche Selbstüberwindung cs kostet, sich bei großer Hitze zur Arbeit zu zwingen. So lange unsere Lage nicht eine durchgreifende Aenderung erfährt, wird die Neigung zur Trägheit, oder besser gesagt, der Widerwille gegen jede Arbeit bleiben, deren Nutzen wir im dermaligen Zustand nicht einzusehen vermögen. Wenn wir aber einmal nicht mehr für die Araber, sondern für uns selbst arbeiten dürfen, und das Verständnis für Gewerbe und Handel, die Liebe zur Wissenschaft und der Ehrgeiz im Herzen der Schwarzen erwachen, so werden diese bald Thätigkeit und Energie zeigen. Zur Erreichung dieses Zieles ist es, ich wiederhole cs, absolut nothwendig, dass auswärtige Mächte uns unterstützen, ja durch gesetzliche Anordnungen unter christlicher Oberhoheit oder Vormundschaft uns zwingen, die angebornen Fähigkeiten zu entwickeln und nutzbar zu machen. Eine große Mission ist heute zu erfüllen. Es handelt sich um nichts geringeres, als um die Zukunft eines ganzen Erdthcils, die materielle und moralische Hebung einer ganzen Rasse, die bisher wenig mehr galt, als die Hefe des Menschengeschlechtes. Europa hat sich bereits mit unsterblichem Ruhme gekrönt, es ist die Mutter der amerikanischen Kultur. Selbst Asien, wenigstens der äußerste Osten desselben, zieht aus dem Verkehr mit Europa neue Lebenskräfte zu politischem und socialem Fortschritt. Wenn Afrika einst durch das Verdienst Europas im Besitz der christlichen Cultur sein wird, dann wird in des letzter» Ruhmcskrone ein neuer herrlicher Edelstein erglänzen. Die Thierwelt im Sudan. dBMeMreich und interessant ist im Sudan die Poqcl-Wv Elt, die noch lange neue Vögel liefern wird. Unter den Raubvögeln ist hier wohl der wcißköpsigc Fischadler der schönste, der sich, wie schon der 9icimc besagt, mit der Fischerei befasst. Sein kecker Ruf, wobei er ganz sonderbar den Hals verdreht, ist weithin hörbar. Er nistet auf hohen Baumen neben dem Flusse. Außer diesem gibt es noch eine Menge G a u k c l a d l c r (Ilelotarsus caudatus), Schreiadler, Hauben ad ler, Falke», S t e p p c n >v c i h , Secretärvogel und andere; sie alle zeichnen sich durch ihren Gestank aus und finden sich überall. Von G e i e r n gibt cs in diesen Ländern eine Unzahl, sic vertreten die Sanitätspolizei und wittern das Aas schon von Weitem. Kaum hat man ein Wild erlegt, so erscheinen sie schon auf den Bäumen und man muss seine Beute oft gegen sie vertheidigen. Von ihrem Treiben erzählt ein Missionär ein schönes Gcschichtlein: „Von einer benachbarten Station kam an einem Sonntage der Herr mit ein Paar Dienern zu uns zum Gottesdienste; nachmittag baten ihn zwei unserer Knaben, er möchte ihnen ein Elephantengewehr leihen. Er that's, die Knaben giengcn in den Wald, um sich eine Gazelle zu schießen, und wirklich trafen sie eine an und streckten sic mit dem ersten Schuss nieder. Sic zogen das Thier aus, machten Stücke, mit) beschlossen, weil sie nicht alles tragen konnten, das Fleisch an einen benachbarten Weg zu schaffen, mit cS dann leichter zu finden. Sie trugen die Hälfte dorthin, und weil sie die Geier gut kannten, so versteckten sic cs unter einer Staude und machten es mit Reisig fest zu. Sie kehrten zu der anderen Hälfte zurück, fanden bloß mehr die Knochen und den Kopf, dem aber auch schon die Zunge und die Augen herausgerissen waren. Traurig nahmen sie die Haut und den Kopf und kehrten zum andern Fleische zurück — fanden aber nur mehr ein Stück vom Fuße, alles Andere war verzehrt. Missmuthig und traurig kamen die glücklichen Jäger zurück." Von Klettervögeln gibt cS grüne und graue Papageien in Menge, vornehmlich am obern 9ii(. Der graue Papagei, der am Bahr Ghaznl häufig ist, lernt bald sprechen und spotten, kann auch von Natur aus sehr gut das Nägelnusziehcn. Wo es einen solchen gibt, muss er heraus, und sollte cs den Schnabel kosten! Auch er gehört zum Handelsmonopol der Re gierung, und kostet das Pärchen die schöne Summe (Schluss.) von 20 Thalern im Papageienlande. Viele verkümmern auf dem Transport, da man auf sic zu wenig acht hat. Der possierliche Co libri, der Schreivogel, der kleine bunte Eisvogel, die grünen und rothen M ö r i x g a t t u »gen, S ch w alben, W ü st e n-l e r ch e n (Ammomanes deserti), der R cp ubli-!niter, an den sich bei den Nuba allerlei Aberglaube knüpft, und andere singen in den grünen Limonen- und anderen Bäumen und Sträuchern das Lob Gottes. Dafür fehlt desto mehr der Gesang in den afrikanischen Wäldern. Gerade die schönsten Vögel sind hier stimmt, und nur ein paar unansehnliche kleine Vöglein im grauen Kleide verdienen Sänger genannt zu werden. Zur Regenzeit wechseln sehr viele ihre Farben, deren Zusammensetzung zu beschreiben fast anS unmögliche grenzt. Es ist natürlich, dass unser guter Landsmann Spatz auch im Sudan nicht fehlt, nur mit dem Unterschied, dass er hier noch ungezogener ist, a[S-bei uns. Man kann sich keinen Begriff machen über die Schwärme, wenn man sie nicht gesehen. Stundenlang rauscht Schwarm an Schwarm ivie Wolken durch die Lüfte; wollen sie sich wo niederlassen, so drehen sie sich früher im Wirbel; geschieht es in reifen Durrahseldern, so haben sic in ein paar Tagen die Ernte vollendet. Da hilft kein Schreien und Drcinwerfen, sie ziehen ab, wenn nichts, mehr da'ist. Sie sind nicht von einer Farbe, sondiru ganz bunt untereinander, cs gibt ganz rothue nd graue, andere haben die Farbe von unseren Sperlingen. Viele sind gelb, und von diesen hat wieder eine Gattung ein schwarzes Gesicht, eine andere ein schwarzes Halsband und wieder eine einen schwarzen "Streifen am Bauche. Bei vielen spielt die Farbe ins Grüne. Es sind bei zwanzig Gattungen dieser Vögel Wenn ein Schwarm sich vom Boden erhebt, so drehen sie sich anfangs im Wirbel und da fliegen sie so dich dass ein Missionär mit einem Schusse 85 Stück herabschoss. Auch die schwarzen Buben fangen viele indem fie mit Stöcken dreinwerfen. Bei einem oder dem anderen Ncgcrstanim verderben sie jährlich die ganze Ernte. Tauben gibt es überall, Haustauben, Wildtauben und die spottenden Lachtauben, die einen manchmal unter den Palmenhainen thatsächlich zum Lachen bringen können. Auch die Hühnerwelt steht nicht zurück. Perl-l) ti h ncr, P h a r a o n e n h it h n e r, R e b h ü h it e r 232 Die Thü'rwe.lt im Sudan. finden sich überall, so zwar, dass man bei jedem Schusse mehrere, oft 7, 8 bis 10 Stück der leckeren Beute auflesen kann. Von Laufvögeln finden sich in den Steppen der Cursori us isabellinus, Trappen (Otis arabs), der Strauß und andere. Letzterer kommt besonders in Sennaar, Kordofau und Bahr Abiad vor, wird vielfach in der letzten Zeit gezüchtet, aber seine Federn werden dadurch weniger schön und hauptsächlich roo nigcr ausdauernd; Kenner unterscheiden sie sofort. Mit dem Nordwinde kommen nach der Regenzeit die schönen Reihen der Kronenkraniche, welche den Gefügeljägcrn ein eigenes Jucken verursachen, aber wegen der großen Höhe, in der sie dahergezogen kommen, selten erreichbar sind. Sic haben die Eigenthümlichkeit, dass die Stimme des Weibchens gegen die des Männchens um eine reine Terz höher ist. Am zahlreichsten scheinen sie bei dene Schill, ck zu sein, obwohl sie auch anderswo getroffen werden. Eine Unzahl Stei umä tz e n, (Saxicolae), Strand- bäusergruppe in der Tnselstadt Suakin. Der Sumpfvögel gibt es Millionen. In erster Linie gehören hieher unter anderem die Reiher, die in jeder Farbe und Größe, selbst bis zu 5 Schuh Höhe vorkommen; dann die Störche, wie der „Marabu" mit seinen kostbaren Flaumen und der riesige so schöne „Abu-mia", diese Zierde der Sümpfe mit seinem rothen schuhlangen Schnabel und rothen korallenartigen Ohrläppchen und gelben Häubchen. Die Araber gaben ihm den Namen „Vater der Hundert", weil das erste Exemplar, das vom Weißen Flusse nach Chartum gebracht wurde, mit hundert (mia) Thalern bezahlt wurde. pfeifer, Regenpfeifer, Wa s serlüufer-Lappe n-Kibitze und andere ergänzen zum Schrecken des Ungeziefers diese gefiederte Gesellschaft. Von Gänsen und Enten gibt cs verschiedene Arten; von den ersteren ist besonders eine, „Atuot" genannt, erwähnenswert, die mit ihrem rothen Helme auf dem Scheitel am meisten auffüllt. Wegen ihrer Größe und ihres schmackhaften Fleisches, versuchte man sie in Chartum zu züchten, sie will aber außer ihrer Heimat Bahr Abiad nicht gut gedeihen. Andere Vogclgattungen geben sich blos; mit der Fischerei ab, worüber sich die Negcrfischer beklagen; Die Thierwelt im Suden, 233 hierher gehören die Löffylgans, der Pelikan, der Schuhvogcl und andere. Die Pelikane, so hier in Scharen zn Hunderten herumziehen, treiben den Fischfang ganz systematisch; sie gehen nicht ans das Unbestimmte ohne Ordnung aus, sondern sic ziehen in geschlossene» Reihen herum, mache» ganz strategische Schwenkungen, mit die armen Fischlein am seichten Ufer einzuschließen; und was so dort umzingelt ist, kann schwer entwischen. Dieses Manöver wird so lange wiederholt, bis sie satt sind. Allein dazu gehört viel, sie halten sich im Kropfe ei» • eigentliches Magazin, weswegen die Negcrbubcn, wenn ein Pelikan geschossen worden, schnell herbeilaufen, ohne viel Umstände mit der Hand in den Kropf hineingreifen und meistens einige ganz frische Fische erbeuten. Ein interessanter Vogel ist auch der Sch nhvogel oder Abumercub (Schuhvatcr), welcher ebenfalls ganz von Fischen lebt. Sein Körper gibt dem Schwan wenig nach, seine Füße sind verhältnismäßig, seine Farbe ist dunkles Aschgrau, allein sein Merkwürdigstes ist der Schnabel, der 12 bis 14 Centimeter lang und 8 Centimeter breit, vorne abgerundet und so dick ist, dass er einem Schuh nicht unähnlich sicht; daher auch sein Name. Die Jnsectenwelt des Sudan, so reich sie ist, so unbekannt ist sie noch, da mit einer principiellen Jnseetcnforschnng sich sozusagen niemand noch befasst hat. So wollen auch wir absehen von den zahllosen schönen und unschönen Käfer- und Schmetterlings-Arten und wollen nur jene Jnsectcn erwähnen, die durch ihren Schaden oder Nutzen für den Menschen eine größere Aufmerksamkeit verdienen. Bienen findet man in den großen Wäldern wild lebend; sic liefern süßen Honig und schönes Wachs für das Handelsmonopol der Regierung. Unter den Millionen und Milliarden von lästigen Fliegen ist die Tsetsefliege sehr gefürchtet, weil sic den Nomadenstämmen in und um Senaar und Kordofan Rinder und Pferde durch ihren giftigen Stich tobtet. — (šiite wahre Landplage in den niederen Flnssgcgenden sind die M o 8 quit o S oder Stechmücken. Im Lande der Nuer und Kyetsch sind sie in unglaublichen Mengen, sodass abends förmlich alles summt und es eine wahre Höllenqnal sein muss, im Freien übernachten zu müssen. Doch haben die Thierchen das einzige Gute, dass man untertags ettvas verschont ist; denn mit Aufgang der Sonne verkriechen sie sich ins Gras und dunkle Räume, erst mit dem Dunkel des Abends kommen sie wieder hervor, mit bei Menschen und Vieh ihre Aderlässe vor-znnehmen. Der Mensch kann sich durch ein Fliegcn-garn gut schützen, doch leiden die Thiere ungemein. Man macht daher allgemein um das Vieh Herrn» großen Rauch, den diese Mücken nicht ertragen können. Die Neger selbst schlüpfen ganz in die Asche hinein. Den Hunden sind die Mosquitos eine furchtbare Plage; sie winseln, laufen herum, doch es hilft nichts. Selbst den Vögeln setzen sie zn, ivie man cs z. B. bei Hühnern und Tauben bemerken kann. Nur ein Thier gibt cs, daS von dieser Plage ganz frei zu feilt scheint, und das ist die Katze; diese sitzt im ärgsten Gcsumse ruhig. — Diese Plage dauert an höher» Stellen bloß die Hälfte des Jahres. Die frischen Nordwinde tobten und verscheuchen sie Ende Noveniber. Nicht nur lästig, sondern auch sehr schädlich sind unter den Ameisen die Termit c n mit ihren hohen Kegelbanten. Die Termiten sind große weiße Ameisen und bilden unter sich drei vollständig getrennte Classen. Da sind vor allem die Arbeiter, die das Amt eines Grubenarbeiters und zugleich Baumeisters in sich vereinen. Sie bauen in der Tiefe des Erdbodens, errichten sich dann pyramidenförmig angelegte, wahrhaft colossale Bauten, die schon manchen Wanderer getäuscht haben, so dass er von Ferne glaubte, ei» Negerdorf zu erblicken. Ein Termiten-haufen ist oft tausendmal so groß, als das Thierchen, das ihn gebaut hat, und so fest und stark, dass eine Herde Büffel gegen ihn anstürmen kann, ohne ihn rnnzurennen. — Den Arbeitern zur Seite stehen die Soldaten, von zierlicher Körperform, am Kopfe mit einem kleinen spitzen Horn bewaffnet. Man findet sie fast nnansgcsctzt außerhalb der Wohnung, wo sie über die Sicherheit aller ivachcn, die Bauten der Arbeiter schützen, jederzeit bereit, für die Vertheidigung ihrer Brüder zn sterben. — Die dritte ganz besonders bevorzugte Classe besteht nur ans zwei Mitgliedern, genau genommen sogar nur aus einem, denn der König spielt keine Zivile und ist sozusagen nur der Gatte der Königin. Die Königin hat die Größe einer Dattel, ist plump und beinahe unbeweglich, strotzt von Eiern, welche sie in Zellen legt, welche znsaminenhüitgeitd faustgroße Knollen bilden. Diese Zellen sind sehr zart, vom feinsten grauen Staube zusammengesetzt und zerfallen bei bloßer Berührung. Die Termiten schwärmen auch int Frühjahr nach dem ersten Regen gleich den Bienen; da kommen sie in ganzen Massen aus den Erdlöchern hervor, werden von den Negern gesammelt, geröstet und als Leckerbissen gegessen, ganz wie auch in Südafrika. Diese Thierchen fressen nichts Grünes über der Erde, sondern nur dürres Zeug, sei es Holz, Leder oder Kleidungsstücke, da ist ihnen aber nichts zu groß oder zu weit entfernt. Durch daS Zernagen oder Untergraben der Wurzeln stürzen diese kleinen Thicr-chen die größten Bäume in verhältnismäßig kurzer 234 Die Thierwelt im Sudan Zeit, sie lichten so die dichtesten Wälder, sodass durch früher undurchdringliches Dickicht gangbare Straßen entstehen, deren sich die Eingebornen häufig bedienen. 'Ihn- das Ebenholz scheint ihnen zu hart zu'sein. Sie fressen und arbeiten nicht in freier Luft, sondern sie übertragen den Gegenstand mit feuchtem Koth, in welchem sie einen Gang haben, und in diesem Gange nagen sie. Man darf nie ctioaS am Boden liegen lassen, sonst ist cS meistens bald mit Koth überzogen und zernagt, und alle Tage ist eine genaue Untersuchung nothwendig, um sicher zu sein. Dieser Thier-chcn wegen dauert ein Haus bloß höchstens zwei Jahre, denn sind diese Thiere einmal recht darinnen, so fällt es bald zusammen. Doch haben die Termiten auch ihre Feinde. Unter diesen sind neben vielen Vögeln und Vierfüßlern die schwarzen Ameisen die unversöhnlichsten. Diese unternehmen unter eigenen Anführern förmliche Raubzüge gegen ihre weißen Vettern. Auf dem Marsche gehen sie zu vieren und folgen ihrem Führer, dem Gerüche wach; werden sic gestört, so lassen sie einen feinen, zischenden Laut hören. Sobald sie sich einem Termitenbaue nähern, gerathen die weißen Bewohner in die größte Bestürzung und laufen planlos hin und her. Die Anführer der Angreifer, welche stärker und größer sind als die andern, bringen ihnen einen Biss oder Stich Bei, wodurch sie. in einen Zustand der Betäubung versetzt werden, und überlassen sie dann ihren Truppe», welche die Wehrlosen davonschleppen, um sie im eigenen Bau zu verspeisen. Die Betäubung wird wohl durch eine wie Chloroform wirkende Flüssigkeit herbeigeführt, die durch den Stich des Anführers in die Wunde gespritzt wird. Noch eine dritte Ameisenart ist über Afrika verbreitet, und zwar die rothe, die ähnlich der weißen Ameise, sich durch Vertilgung aller in Verwesung befindlichen thierischen Stoffe nützlich macht. Es sind recht streitbare, kampflustige Thierchen, die in kleinen Armeen das Land durchstreifen und es vom Aase reinigen oder von schädlichen Jnsecten befreien. In den menschlichen Wohnungen sind sie nicht ungern gesehene Gäste, weil sic den zerstörenden Termiten das Handwerk legen und anderes Ungeziefer vernichten. Sie greifen nicht nur mit dem verwegensten Muthe kleine Schlangen, Eidechsen und Mäuse an, sondern ihrem wilden Angriffe erliegen sogar 'Kutte» und noch größere Säugethiere. Selbst den Menschen zeigen sie sich als nicht zu unterschätzender Feind, wenn er zufällig auf eine marschierende Armee, die wie ein breites, über den Weg gelegtes Band erscheint, tritt oder ihren Nestern zu nahe kommt. Sie stürzen dann von. allen Seiten ans den Gegenstand ihres Zornes los, laufen blitzschnell an und in den Kleidern empor und beißen in Hals und Brust, stillsten und Beine mit einer förmlichen Berserkerwuth. Ihre Bisse sind so schmerzhaft, dass der Angegriffene, wenn er noch so viele zerdrückt und tobtet, schließlich in helle Verzweiflung gcräth und sich nicht anders zu retten weiß, als ein Kleidungsstück nach dem andern vom Leibe zu reißen. Sie bauen keine stattlichen Häuser, wie die weißen Ameisen, sondern legen ihre Nester unter der Erde an. Die Terinitenbautcn greifen sic meistens unterirdisch an, indem sie von^ihrcn Nestern aus Gänge dorthin graben. Dann erobern sie sich wohl einen Theil dieser Kunstbauten und lassen^ sich daselbst häuslich nieder; ja ein derartiger Hügel wird oft außer ihnen noch vom Erdferkel, dem kurzschwänzigcn Schuppenthiere und wilden Bienen bewohnt, während die rechtmäßigen Herren auf einen kleinen Raum beschränkt bleiben. Unter den Heuschrecken wird am meisten gefürchtet die alles verheerende Wanderheuschreet'e. Zu erwähnen sind auch noch die große Anzahl von Leuchtkäfern, die Unterhaltung der Negcr-buben, allerlei T a u s c n d f ü ß l cr und farbenprächtige Spinnen. Eine bedeutendere Rolle spielt der Scorpio n, der in der Regenperiode alle Wohnungen unsicher macht. Es vergeht selten eine Woche, wo nicht jemand gestochen wird. Baldiges Abbinden der Wunde, Aufschütten von Ammoniakgcist und Trinken einiger Tropfen, in Wasser verdünnt, retten vor dem Tode. Manchmal gehen Leute sogar in zwanzig Minuten zugrunde, und leider kommen solche Unglücksfälle gewöhnlich in der Nachtzeit vor. Das ist beiläufig die gewöhnlichere Thicrwelt des Sudan: doch wird die Forschung noch lange manches Neue zutage fördern. Charakter unb Anlagen öer Neger. Von P. Xaver Geyer, F. 8, G. ?tc die körperliche Beschaffenheit der einzelnen Negcrstämme Afrikas dnrch verschiedene Umstande bedingte Unterschiedlichkeiten anfivciSt, gewisse äußere Erscheinungen aber mehr oder weniger allen Negern gemein fitib: so sind auch die geistigen Eigenschaften der einzelnen Negcrvölker vielfach verschiedene, bestimmte Eigenschaften aber mehr oder ivcniger für alle Neger kennzeichnend. Im folgenden versuch: ich cs, einige Beobachtungen über Charakter und Anlagen der Neger deS ägyptischen Sudan zu-sammenzustellcn. Es muss aber bemerkt werden, dass uns hier der Neger vielfach nicht mehr in seiner ganzen Natürlichkeit und Ursprünglichkeit entgegentritt, sondern mehrfach unter dem Einflüsse, den die Sklaverei und die Berührung mit dem Islam und dessen Bekenner» auf ihn ausgeübt haben. Dieser Einfluss ist bekanntlich ein unheilvoller, und manche Schattenseiten des von der Sclaverci und dem Islam beeinflussten Negers treten bei dessen urwüchsigen Stammesbrüdern der Heimat weniger hervor oder fehlen ganz. Anderseits spornt uns aber die Betrachtung der Licht- und Schattenseiten des Negers zu regerer Theilnahme für ihn an, indem wir sehen, welch' ergiebiges und ausgedehntes Feld hier dem veredelnden, sittigcnden, erleuchtenden und heiligenden Einflüsse der Religion Christi noch offen steht. Was den psychischen Charakter betrifft, so muss man sagen, dass die Neger auf einem primitiven Standpunkte geistiger Cnltnrentwickelnng stehen. Man hat am Neger manche Eigenthümlichkeiten des Weibes zu entdecken geglaubt. In seiner äußern Erscheinung fallen der Mangel an Bart, eine saminctartigc Weichheit der Haut, sowie die Weichheit der Stimme auf. Noch hervorstechender sind die psychischen Achnlichkeitcn als: Neugierde, eine fast instinktmüßige Begier, das Gesehene zu besitzen: Zugänglichkeit für Gefühle, ohne viel dabei zu überlegen; unmittelbarer rascher Wechsel der Gefühle, so dass Liebe sich fast plötzlich in Hass, Scheu und Furchtsamkeit in aufdringliche Zutraulichkeit , ausgelassene Heiterkeit in Trübseligkeit verwandeln; schließlich großer Hang zn Aenßerlichkciten. Aber viel mehr als das Weibliche fällt am Neger das. Kindliche und Kindische in die Augen. Sein Charakter gleicht in sehr vielen Punkten dem des uncntivickelten Kindes. Der Ideenkreis, in welchem sich das Denken und Sehnen des Negers beivegt, ist so ziemlich der eines Kindes. Der Neger ist gedankenlos, leichtgläubig, unbeständig. Die Eindrücke, die er von Niegesehencm und Auffälligem empfängt, sind fast durchaus jenen der Kinder ähnlich. Die sonderbaren und naiven Fragen, welche ein Kind über dies und jenes an uns richtet, kommen uns auch auS dem Munde eines Negergreises entgegen. Kindlich zum Theil sind auch ihre Vorstellungen über religiöse Dinge; durch Berührung mit dem Islam werden sie allerdings meist dnrch finstern Aberglauben ersetzt, wie in diesem Falle auch ihre ursprüngliche Einfalt, Offenheit und Natürlichkeit der Tücke und List Platz macht. Einfalt und Lässigkeit im Denken bewirken bei denr Neger die Leichtgläubigkeit; hierin erinnert er so ganz an das Kind, welches ja die schauerlichsten Märchen und Erzählungen ebenso glaubt, wie geschichtliche Thatsachen. Was machen nicht die Sclavenhändler die armen Neger von den Weißen glauben! Die Weißen todten und essen die Neger, verfertigen ans ihrem Gehirne Seife und aus ihrem Blute Farbestoff für den rothen Fez usw. Dies und ähnliches macht man den Sclaven vor, um sic von der Flucht zu den Weißen und Missionären abzuschrecken, und der Neger glaubt cs und zittert beim bloße» Nümen eines Weißen. Die geistige Energie ist gering, und dies hat eine geivisse natürliche Gutmüthigkeit zur Folge. Doch kann der Neger, namentlich Feinden gegenüber, anch grausam sein. Eine auffallende Erscheinung im Charakter des Negers ist das Servile und Sclavische. Sollte dies eine Folge jenes väterlichen Fluches sein, den Noe gegen Cham und dessen Nachkommen sprach? Es mag auch die Energielosigkeit und die NeigrKg zum Fatalismus einen Einfluss dabei haben. Anderseits ist zu bemerken, dass die jahrelange cntwürdi-gende Sclavcrei sehr verderblich auf die Neger wirkt, es scheint aber doch, dass hierdurch die bereits vorhandene Anlage zum Servilen nur weiter cntivickelt wird. Thatsache ist, dass der Neger sich eher der Gewalt als Beweisgründen und guten Worten beugt, ohne dass damit gesagt sein soll, er sei für letztere unempfänglich. Wie der Sclave seinem Herrn aus Furcht vor Strafe gehorcht, so der Neger im allgemeinen. Er beugt sich stumm und lautlos der Gewalt mit) Uebermncht. So lange der Befehlende mächtig ist, ist er anch gefürchtet, und man gehorcht; verliert 286 Charakter und Anlagen der Neger. er die Macht, so ist auch sein Ansehen und Einfluss dahin. Weiß der -Neger, dass der Befehlende die Geivalt hat, Ungehorsam zu bestrafen, so gehorcht er; von dem Augenblick an, da er sieht, dass er von deni Befehlenden nichts mehr zu fürchten hat, wird er renitent. Gerade in diesem Punkte wirkt nun die Religion Christi sehr veredelnd auf die Neger; das Servile und Sclavische verwandelt sich in Pflichtgefühl, und Liebe ersetzt die Furcht vor Strafe: dies können mir mit großer Befriedigung an unsern christlichen Negern beobachten. Ucberhanpt ist der Neger nicht so stumpfsinnig und edlen Gefühlen unzugänglich, wie man meint. Wenn man von jenen Unglücklichen absieht, ivelche in Folge jahrelanger unwürdiger Behandlung in der Sclaverei wirklich stumpfsinnig und gefühllos geworden zu sein scheinen, so legen die Sieger ein nicht geringes seelisches Empfindungsvermögen an den Tag. Der Sieger fühlt ganz richtig heraus, ob ihm jemand gewogen ist, oder nicht, und ob man cs mit ihm gut meint. Es braucht nicht vieler Worte, aus einem einzigen Ausdrucke erfasst er die Stimmung, die man gegen ihn hegt. Wneignng, Hass, Stäche scheinen beim Sieger leichter und fester zu wurzeln, als Zuneigung, Dankbarkeit, Mitleid. Was die Dankbarkeit betrifft, so ist dieses Gefühl überhaupt im Oriente, besonders bei den Mohnmme-danern, sehr wenig entwickelt. Es mag dies ans der allgemeinen Uebung der Gastfreundschaft und Freigebigkeit entspringen, sowie ans der allgemein herrschenden SJiciiumg, dass diese Tugenden unbedingte Pflichten sind, die zu vernachlässigen schimpflich und sündhaft wäre. Erweist man jemandem eine Gefälligkeit, Gastfreundschaft usw., so erhält man entweder gar keinen Dank ober ein Gebet. Wo die Dankes-sormeln „Kattar cheirak, Allah jetanel omrak, Gott vermehre dein Gut, Gott verlängere dein Leben!" gebraucht werden, kam diese Sitte meist durch den Umgang mit Europäern ans. Ein echter Afrikaner, ein Siomade der Wüste oder ein Heide des Sudan, lässt sich beherbergen und bewirten und entfernt sich ohne ein Wort des Tankes, häufig selbst ohne einen Gruß. Dankbarkeit ist nicht die Tugend des Afri-kaners. Gibt man einem Armen ein Almosen, so schmeichelt er dem Geber, so lange er im Genusse der Wohlthat ist, dann ist es aus mit der Erkenntlichkeit. Erheuchelt er diese, so geschieht es in Lobeserhebungen und schmeichelnden Aufrücken über Reichthum, SNacht, Güte des Gebers, und zwar in der Absicht, eine neue Wohlthat zu erlangen. Dankbarer Sinn, der dem Wohlthäter geneigt und zu Gegendiensten bereit ist, fehlt durchaus. Diese den Menschen adelnde und nach unserm Gefühle so schöne Tugend zieht erst mit dem Ehristenthnme in das Siegerherz ein und wird sich hier allmählig entwickeln. Die Gastfreundschaft der Sndanbetvohner hingegen verdient alles Lob. Der biblische Bericht von 9Unn hams Bewirtung der drei Engel enthält eine vollkommene Schilderung der Art und Weise, wie ein Scheck an seinem Lager oder an seiner Hütte vorbeikommende Sieisende aufnimmt. Er lässt sogleich Brot backen, schlachtet eine Ziege, Schaf, Huhn, richtet cs eilig zu, bringt es mit Milch, Brod usw. und setzt cs den Gästen vor. Sind cs Leute von Slang, so bleibt er bei ihnen stehen, während sie essen. Der Gastwirt erträgt lieber selbst eine Beleidigung, oder lässt lieber seine Familie beleidigen, als zu gestatten, dass den Fremden, so lang sie seine Gäste sind, ein Uebel zugefügt werde. Aber nicht etwa mir Schecks und Wohlhabende, sondern alle, auch die Aermsten, üben die Gastfreundschaft nach Vermögen und zwar nicht nur gegen Reifende und Fremde, sondern gegen jedermann. Ist jemand anwesend zur Zeit, da die Mahlzeit aufgetragen wird, so ladet man ihn sofort zur Theilnahme an derselben ein; cs würde als schimpflich gelten, wenn man die Speise nicht auftragen würde, weil eben ein Besuch da ist. Geht jemand an einer Hütte vorbei, vor dessen Thüre eben Mahlzeit gehalten wird, so wird er gleich eingeladen. Auch den Missionären gegenüber, wenn sie an Siegern, welche eben Mahlzeit halten, vorbeigehen, wird diese Einladung nicht unterlassen; ein freundliches „tafaddal oder bismilla, ja abuna!“ (der Sinn ist: greife zn, o Vater, wenn cs gefällig ist) wird ihm zugerufen, und es ist für sic keine geringe Ehre und Freude, wenn man die Einladung annimmt und mit der Hand einen Bissen aus der Schüssel holt. Hiermit hängt die Freigebigkeit der Sieger zusammen. Kein Sieger isst Brot, Früchte usw., ohne den Gefährten davon mitzutheilen. Alles vertheilen sic unter sich. Gibt man einem Kinde ein Stück Brot, und wäre es nicht größer wie eine Sinss, theilt es unter die Anwesenden davon so lange aus, bis ihm nur mehr einige Brosamen bleiben. Freilich ist der Sieger auch zu freigebig, er versteht nicht, Maß zu halten. Die Freigebigkeit artet bei ihm leicht in Verschwendung aus. Hat er etwas, so vergeudet er es gern in Gelage» und Großthuerei auf einmal, ohne an die Zukunft zu denken. Dass ihm Sinn für Sparsamkeit fehlt, werden wir noch sehen. Ich möchte nicht sagen, dass der Sieger unmäßig im Essen und Trinken sei; für gewöhnlich ist das Gegentheil wahr, sic sind sehr genügsam. Sie können mit geringer und elender Kost vorlieb nehmen. Es fehlt ihnen aber die Tugend der Selbstbeherrschung, die den Menschen so sehr auszeichnet. Haben sie cs, Charakter und Anlagen der Neger. 237 so essen sie leicht bis zur Völlerei. DicS gilt besonders vom Trinken. Geistige Getränke sind eine arge Versuchung für sic. $>iit sichtlichem Behagen schlürft der Sudanbcwohner' zum erstenmal das feuerige Nass, das zu gefälligem Grinsen verzogene Gesicht, ein kurzer Zungenschlag und ein beredtes „gut, gut!" geben deutlich seine rückhaltlose Anerkennung kund. So eine Probe wird häufig verhängnisvoll: er gewöhnt sich an das Trinken. In Bezug auf Qualität sind sie nicht anspruchsvoll, sie begnügen sich mit dem gewöhnlichsten Fusel; je schärfer im Geschmacke und je schneller die berauschende Wirkung des Getränkes ist, desto höher wird cs geschätzt; cs scheint der Rausch die Hauptsache zu sein. Obwohl es nicht an lobenswerten Ausnahmen fehlt, so muss ich miS Erfahrung sagen, dass geistige Getränke dem Neger in seiner jetzigen Verfassung gefährlich sind, und dass die Gelegenheiten zu deren Genuss von ihm grundsätzlich ferne zu halten sind. Der Grundzug des Negcrtemperamentes ist ausgelassene Heiterkeit, deren Ausfluss eine ungezügelte Phantasie und Sinn für Aeußcrlichkeit ist. Der Neger liebt leidenschaftlich Spiele, Tänze, Festlichkeiten, und je lärmender und stürmischer sie sind, desto mehr sagen sie ihm zu. Sein Sin» für Aeußerlichkeiten ist charakteristisch. ES scheinen bei ihm mehr die Sinne als der Geist cntivickelt zu sein. Um auf sein Gemüth einzuwirken, ist häufig der nächste Weg jener der Sinne. Da ist der Anschauungsunterricht am Platze. Feierlichkeit des Gottesdienstes, schöner Gesang sind wirksame Mittel, seinen religiösen Sinn zu belebe». Diese Eigenschaft des Negers hat aber auch ihre schlimme Seite. Er begnügt sich leicht mit Oberflächlichem und Aeußerlichcm, ahmt auch Aeußerlich-kciten viel leichter nach, als geistige Vorzüge. Vom Europäer nimmt er gerne die Kleidung und Manier an, meint dann gebildet zu sein und kümmert sich wenig »in die Veredlung des Innern. Dieser Hang des Negers ist dem Islam und seiner Propaganda sehr günstig. Die mohammedanische Religion mit ihren Vorschriften, die nur das Aeußere des Menschen in Anspruch nehmen, das Innere aber kalt lassen, ist für den Schwarzen verlockend, zumal er durch die Annahme derselben sich gehoben und bevorzugt dünkt. So ein mohammedanischer Neger wird nicht selten ein stolzer, aufgeblasener Fanatiker, welcher seine heidnischen Stammesgenossen eben so sehr verachtet, als den christlichen Weißen. Wie wohlthuend und vornehm hebt sich davon die Erscheinung eines braven christlichen Negers ab, dessen äußere Bescheidenheit, demüthige Gesinnung und wahre Gottesfurcht des Herzens anzeigt! Nun kommen wir zur Hauptsünde der Naturvölker Afrikas; es ist die Trägheit. Wohl mag das heiße und erschlaffende Klima daran mitschuldig sein; aber noch mehr ist sie den Verhältnissen des Landes und bem Charakter des Negers zuzuschreiben. Vorerst tvird die Arbeit an und für sich bei Heiden und Mohammedanern verachtet und gilt als erniedrigend für den Menschen; für die Arbeit, welche körperliche Kräfte erfordere, sei eine eigene Gattung von Menschen, die Sclaven, erschaffen. Um angesehen und geachtet zu sein, muss der Städter stundenlang ans seinemTeppiche hocken und hinbrütcn, abwechselnd Besuche machen und empfangen, Mocca schlürfen und Tabak rauchen und die Zeit in eitlem Geschwätze todtschlagen; um noch größer zu sei», muss er Sclaven haben, welche ihn bei der Faulenzerei bedienen, die Tabakspfeife reinigen und anzünden, ihm, wenn er Durst hat, ans seinen Ruf schnell Wasser darbieten, ihm vor und nach Tisch die Hände gaschen und ihm, wenn er schlaftrunken ans dem Divan liegt, Kühlung zufächeln oder die Glieder streicheln. Nicht anders hält es der Sudanbewohner. Er verschläft den halben Tag, frisiert sich oder seinen Nachbar, revidiert seine Schmncksachen, Schilder und Lanzen, macht Spaziergänge und Besuche. Je weniger der Mann arbeitet, desto angesehener ist er. Hingegen ist der arbeitende Sclave verachtet. Hierzu kommt der Umstand, dass einerseits die Bedürfnisse der Eingcbornen geringe sind und anderseits deren Befriedigung keinen großen Kräfteaufwand erheischt, da die Fruchtbarkeit des Bodens eine außerordentliche und die Vegetation eine sehr üppige ist. Welche Schätze könnte nicht rege und thätige Arbeit dem reichen Boden des Sudan abgewinnen! Während bei den Europäern vielfach Ranbwirtschaft getrieben wird, liegt das fruchtbare Land bei den trügen Afrikanern brach. Der Europäer durchwühlt sozusagen die Eingeweide der Erde, um ihre Schätze zu heben, der Afrikaner hingegen lässt den Reichthum, welchen ihm die Erdoberfläche von selbst anbietet, unbeachtet liegen. Die christlichen Staaten müssen Schutzgesetze schaffen, um besonders die Jugend vor Ueberanstrengung zu bewahren; in Afrika ist der kräftigste Jüngling und Mann kaum mit Gewalt zur Arbeit zu bringen. Der Neger baut nur so viel an, als unbedingt zu seiner Erhaltung nothwendig ist. Der Boden, der für Anpflanzung aller Arten tropischer Gewächse, Zuckerrohr, Indigo, Kaffee usw. so geeignet erscheint, liegt kahl! Der Neger lebt von der Hand in den Mund und von Tag zu Tag, ohne für die Zukunft zu sorgen. Hat er Korn, so isst er, was der Magen hält; er bereitet und trinkt Merissa und Bilbil (Arten von Bier aus Mais), so lange ein Körnlein vorhanden ist, und dann fastet und darbt er. Hat 238 Charakter und Anlagen der Neger. cr einen Hammel geschlachtet oder ein Rind, so ruht er nicht und ladet zu Gelagen und Schmausereien ein, bis alles möglichst schnell verzehrt ist, dann legt er sich auf den Bauch und darbt wieder Tage hindurch. Geht er auf die Jagd, so erlegt er nur so viel Wild, als er für heute bedarf, und erst, nachdem dieses verzehrt ist, geht er am folgenden Tage neuerdings auf die Suche. Sparsamkeit und Maßhalten kennt der Neger nicht. Er ist sorglos wie ein Kind. Die Neger, welche in Städten in Dienst stehen, legen eine fast unglaubliche Sorglosigkeit an den Tag. Sie bleiben im Dienste höchstens einige Wochen oder Monate, und nachdem sic ein Sümmchen verdient haben, treten sie aus, lassen es sich einige Tage wohlgehen, bis der letzte Heller verschwunden ist, worauf sie wieder in Dienst treten. In Tagen der Krankheit leben sie dann im Elend, vom Bettel oder auf Kosten der Stammesgenossen. Unsere Mission hat jedoch schon mehrern Negern Sinn für Sparsamkeit und Fürsorge für die Zukunft beigebracht. Auch in der Gewöhnung der Neger an geregelte Thätigkeit und Arbeit ist von den Missionären bereits ein trostreiches Resultat erzielt worden. Aus dem Obigen ersieht man auch bereits einen andern Fehler der Neger, die Unbeständigkeit. Sie scheinen von Zeit zu Zeit ein Bedürfnis nach Wechsel und Veränderung zu haben. Ich meine, dass die üble Eigenschaft ihnen nicht gerade angeboren, sondern dass dieselbe ihnen im Laufe der Zeit in Folge der Wechselfälle ihrer Sclaverei zur zweiten Natur geworden sei: es steckt ein nomadenartiger Zug in ihnen. Es duldet sie nicht gar lange an einem Orte. Sie ziehen gerne von Kairo nach Assuan, von Aegypten nach Sansibar, von einer Dienst-herrschaft zur andern. Diesen unheilvollen Zug verspüren von Zeit zu Zeit auch unsere christlichen Neger. Trotz der besten Behandlung werden manche des Aufenthalts in einer Station gar bald müde, sie wollen in eine andere verziehen. Einst fragte ich einen Neger, der sich in dieser Verfassung befand, nach dem Grunde, und er erwiderte mit großer Gelassenheit: „Ich bin bereits seit vier Jahren hier, und das ist genug!" Der gute Schwarze fand es als selbstverständlich, dass er nach vierjährigem Aufenthalte in ein und derselben Missionsstation endlich einmal wechseln müsse und zwar ohne jeden andern Grund, nur um zu wechseln. Von der Veränderlichkeit und dem Wechsel der Gefühle des Negers war bereits die Rede. Man könnte fürchten, dass die Veränderlichkeit des Negers sich auf die Religion erstrecke; doch so unbeständig er im klebrigen ist, so treu und standhaft steht er in der einmal angenommenen christlichen Religion fest. Es ist eine große Seltenheit, dass ein christlicher Neger von der Religion abtrünnig wird. Sie sind vielmehr stolz ans ihre Religion und bekennen sie offen und ohne Scheu. Was die GeisteSgabcn des Negers betrifft, so sind sie nur da entwickelt, wo es auf Nachahmung ankommt, während die Entwickelung jener GeisteSgaben, wo ein selbständiges Denken erfordert wird, auf einer niedrigen Stufe steht. Neger, welche sich in ernster Geistesarbeit dem Studium mit Ausdauer und Erfolg widmen, sind bisher nur sporadisch; namentlich scheinen jene Neger, welche längere Zeit in der Sclaverei unter Mohammedanern verbrachten, die zum Studium nöthige Spannkraft des Geistes verloren zu haben. Unsere Mission hat zwar einige Neger auszuweisen, welche in der Ausbildung des Geistes vollen Erfolg hatten, es sind aber noch Ausnahmen und Seltenheiten. Es ist jedoch nicht zu zweifeln, dass die folgenden vom Geist der Religion Christi mehr veredelten Geschlechter in dieser Hinsicht bessere Resultate aufzuweisen haben werden. Gute Anlagei: besitzt der Neger zur Erlernung mechanischer Fertigkeiten. In Handwerken, besonders Schusterei Schreinerei, Schneiderei, haben cS mehrere unserer Zöglinge ziemlich weit gebracht. Schwarze Schuster liefern Arbeiten, die von europäischen Fabrikaten nicht zu unterscheiden sind. Dasjenige Handwerk, welches dem Charakter und Anlagen des Negers am meisten zuzusagen scheint, und worin er auch das Tüchtigste leistet, ist ein gar sonderbares — das Kriegshandwerk. In diesem Handwerke ist cr aufgewachsen. Im Sudan ist jeder Eingeborene Soldat, und die fortgesetzten Blutfehden und Stammesstreitigkeiten entwickeln die rohe Kampfeslust. Man kann sagen, der Sudanneger sei ein geborener Soldat. Kriegerischer Muth ist ihm in hervorragender Weise eigen. Die Todesverachtung, die cr dabei an den Tag legt, mag im Fatalismus ihre Quelle haben. Was militärischen Sinn, Kampfestüchtigkeit, besonders aber Unerschrockenheit betrifft, so zeichnet sich der Neger vor Aegyptcrn und vielen andern Volkse stämmen Afrikas aus. In Aegypten sind die Neger-regimenter die besten, namentlich aber die zuverlässigsten im Kampfe. Während in den Kämpfen der ägyptischen Armee gegen die Horden des Mahdi im Sudan die Fellachensöhne mehr als einmal wankten und muthlos zurückwichen, haben die Neger stets ihren Mann gestellt und sich und ihre Truppentheile mit Ruhm bedeckt. Im Reiche des Mahdi und seines Nachfolgers Chalif Abdullahi waren die Ncgertnippen die besten. Eben ihrer Tüchtigkeit wegen wurden die Lebensbilder de sicher Missionare. 239 Sudannegcr auch von der deutschen Colonialbehörde in Ostafrika angeworben und auch dort bewiesen sic sich, wie überall, als tüchtige Soldaten. Wenn sic als Soldaten einen Fehler haben, so ist cS der des Ungestümes: sie müssen im Kampfe eher zurückgehalten als angeeifert werden. Dass sich die Neger als brauchbare Soldaten bewähren, hängt großentheils davon ab, dass sie als Soldaten unter strammer Zucht und Disciplin gehalten werden. Lebensbilder deutscher Missionare. P. August Schn use. -Schluss.) pachte zweite große afrikanische Reise trat l'.Schpnse unter der Leitung des Msgr. Bridoux an, welcher als apostolischer Vicar nach Tanganyka gieng: 1 ‘. Schynsc sollte nach Kipalapala bei Tabora, in dem Provicariate Unyanyembe, für seine Thätigkeit ein Feld finden. Diese Sendung war P. Schynsc um so angenehmer, weil er dadurch im deutschen Schutzgebiete Verwendung fand. Am 18. Juni 1888 trat er von Marseille aus seine Reife an und gelangte durch den Suezkanal am 22. Aug. nach Sansibar. Nachdem hier in aller Eile die nothwendigen Vorbereitungen getroffen waren, brach die Karawane am 31. August auf. P. Schi)use war mit dem Posten des Oekonomen betraut und hatte für das gcsammtc Personal der Karawane zu sorgen. Die Reise gieng ohne weitere Schwierigkeit vonstatten, und am 8. November war P. Schynsc wohl und gesund in Kipalapala angelangt. Es sollte jedoch nicht lange so bleiben. Das ungesunde Klima von Tabora, die durch die Sümpfe entstehenden Fieber griffen ihn anfangs heftig an und suchten ihn wöchentlich Beim; allmählich jedoch akklimatisierte sich seine kräftige Natur, und er konnte bei den losgekauften Sclaven — ungefähr 60 Kinder — ungestört den katechctischcn Unterricht ertheilen und mit ihnen in der Schmiede und Schreinerei arbeiten. Weit verhängnisvoller aber waren die Wirren und Schwierigkeiten, welche durch die arabischen Sclavenjäger über die Mission und P. Schynsc hereinbrachen. An der Küste hatten schon die Araber einen Aufstand der Eingc-B orne n gegen die Deutschen angezettelt, und die Nachricht davon drang auch bald ins Innere und brachte Verwirrung hervor. Der Handel stockte, die Lebensmittel vcrtheuerte» sich, der Ucbermuth und Hass der Araber wuchs und wurde stets herausfordernder. Die unsinnigsten Anschuldigungen wurden von den Arabern gegen die Missionäre ausgestreut, als hätten sic von Kipalapala aus eine Mine zu der Residenz des Sultan Sike gegraben, um den Sultan mit seiner ganzen Hauptstadt in die Luft zu sprengen. Unter diesen Umständen beschlossen die Missionäre, die Station aufzugeben und mit den Zöglingen der Mission zum Südufer des Victoria-Nyanza zu flüchten. Um jeden Verdacht zu vermeiden, beschlossen sie, Ki-palnpala in zwei Abtheilungen zu verlassen. Unter dem Schutze des hl. Josef verließ P. Schynsc am 29. Juni in Begleitung eines Bruders mit den 36 kleinsten Kindern, die zum Theil noch getragen werden mussten, und mit 280 Trägern, die den größten Theil des Gepäckes mit sich führten, in der Stille der Nacht das Haus und eutgieng durch seinen frühzeitigen Aufbruch am folgenden Tage und seinem Eilmarsch -dem geplanten Uebcrfall und der beabsichtigten Ausplünderung, während die beiden andern Missionäre, die einige Tage später das Haus verließen, .auf ihrem Marsche durch die Intriguen ©if'e'S vollständig ausgeplündert und nur durch den Edel-muth Seif Ben Seid's, eines reichen und mächtigen arabischen Kaufmannes, der unter den Stammcsge-uosscn eine ehrenwerte Ausnahme bildete, gerettet wurden. In Usougo fanden sich die Patres wieder zusammen, um nach einigen Tagen der Rast am 15. Juli den Marsch nach dem wohlbefestigten Bukumbi fortzusetzen. 9M)C am Ziele des langen, austreugeudcn Marsches erkrankte P. Schynsc und wurde „durch einen pharmaceutischen Missgriff, für den niemand verantwortlich ist, au den Rand des Grabes gebracht." Mehrere Tage wurde der Schwerkranke in der Hängematte wcitergetragen bis zum Busen von Urima — ein Theil des Nyauza — von wo ihn Msgr. Livinhac in einer Barke abholen ließ. In Bukumbi, wo P. Schynsc am 1. August eintraf, in seinem neuen Heim, welches auch seine irdischen Reste bergen sollte, Lebensbilder deutscher Missionäre. 240 1 I SS S Vs ^/r*»’ V UM ■ lite erholte er sich unter der guten Pflege seines Bischofes schnell, so dass er bald seine apostolische Thätigkeit und seine wissenschaftlichen Arbeiten wieder aufnehmen konnte: doch auch hier war sein Vcriveilen nicht von langer Dauer. Nach zweimonatlichem Aufenthalte P. Schynses in B u-knmbi traf dort unerwartet die Nach-richt ein, dass die Stanley'sche Expedition mitEmin-Pascha am Victoria-Nyanza angekommen sei. Der berühmte Zlfeikafor-scher Stanley hatte nämlich im Jahre 1887, von reichen englischen Capitali-sten unterstützt, am Congo eine große Karawane ausgerüstet, angeblich um den in seiner Aequa-torial - Provinz Wadelai gefangenen und bedrängten Emin-Pascha(Oc.Schnitzer) zu befreien und befand sich auf dem Rückzüge. Der apostolische Vicar, Msgr. Livinhac, benutzte die Gelegenheit und schickte den Europäern die nöthige Unterstützung an Kleidern und Lebensmitteln, soweit dies der Mission möglich war; zugleich sollte aber auch P. ©traust wegen eines Augenleidens von Emin Pascha ärztlich untersucht werden. Da Emin Pascha der Ansicht war, dass nur eine Operation in Europa das Augenleiden P. Girault's heilen könne, entschied Msgr. Livinhac, dass derselbe nach Europa reisen und P. Schynse ihn bis zur Küste begleiten solle. Infolgedessen verlies; P. Schynse qnt 4. October Butumbi und erreichte in Eil- Die Grabstätte des P. Schynse. Märschen ant 18. October in Jkungu die Stanley'-schc Karaivane, mit welcher er dann den Weg bis zur Küste zurücklegte. Seine Erlebnisse und Erfahrungen auf diesem Marsche hat P. Schynse in seinem Tagebuche niedergelegt, welches von dem bekannten Missionsfreunde Cononicus Hespers^ unter dem Titel „Mit Stanley und Emiit Pascha durch Deutsch-Ostafrika" veröffentlicht wurde. — Am 4. December traf P. Schynse mit der Stanley'schen Karawane in Sansibar ein. Durch die Aufregung und Anstrengungen und den Mangel an nöthiger Pflege war seine Kraft erschöpft und seine Gesundheit bedeutend erschüttert. Nach seiner Ankunft in Sansibar wäre eine Cur und Erholung in Europa für P. Schynse beinahe nothwendig gewesen. Aber auf alle Vorstellungen seiner Freunde und Verwandten, in dieser Beziehung Schritte zu thun, hatte er nur die Antwort: „Meine Gesundheit gehört Afrika und der Mission." Das Klima von Sansibar taugte ihm schon garnicht, Fieber und Schlaflosigkeit stellten sich ein, aber er blieb dennoch und harrte der Weisung seiner Obern. Seine Hingabe an die Mission, sein Mitleid mit dem Elend der armen Völker Afrikas, seine Opferwilligkeit für das Heil der Seelen ließen ihn jede persönliche Rücksicht vergessen. Mit Freuden vernahm - r daher den Wunsch des damaligen Rcichs-commissärs v. Wißmann und des Emin Pascha, der unterdessen in deutsche Dienste getreten und zum Lebensbilder deutscher Missionäre. 241 Reichscommissär für das Innere ernannt worden war, letzteren auf seinem Zuge ins Innere zu begleiten. Emm Pascha'S Aufgabe sollte sein, innerhalb der deutschen Interessensphäre mit den Häuptlingen Verträge abzuschließen, die drohende Verbindung zwischen den Arabern von Tabora und den Mahdisten am Nil unterbrechen, an geeigneten Stellen, besonders um Victoria-Nyanza, zur Befestigung der deutschen Herrschaft Stationen zu errichten, für spätere wirtschaftliche Unternehmungen bahnbrechend zu wirken und genaue Routenaufnahmen, sowie andere wissenschaftliche Arbeiten zu unternehmen. Sowohl Emin Pascha, als Major von Wißmann wünschten, dass P. Schynse die neue Expedition ins Innere begleite. Der rheinische Missionär hatte den Weg zwischen der Küste und dem Vietoria-See schon zweimal zurückgelegt, hatte längere Zeit in Tabora sowie am Süd-ttfer des Sees verweilt und freundschaftliche Verbindungen mit mehreren Häuptlingen angeknüpft. Da er überdies in geographischen Positionsbestimmungen bewandert war, so erschien er als besonders geeignet, der Expedition nützliche Dienste zu leisten: er selbst war dessen froh, da er ja so seiner Mission und zugleich seinem deutschen Vaterlande nützlich sein konnte. Gern gab sein Oberer, Cardinal Lavigerie, die erbetene Erlaubnis hiezu, wie aus dem Schreiben des Cardinals an den Präsidenten der Generalversammlung der deutschen Katholiken in Koblenz hervorgeht: „Um das Werk der Sclavenbefreiung zu befördern, haben mir stets unsere Missionäre deutscher Abkunft aufgefordert, bei jeder Gelegenheit den Bemühungen ihrer deutschen Landsleute nach besten Kräfte» Vorschub zu leisten. Dies hatten wir besonders dem P. Schynse empfohlen — einem Missionär, der durch seinen außerordentlichen Eifer in ganz Deutschland wohlbekannt ist, — als er uns bat, mit Emin Pascha sich zu vereinigen." — Am 20. April 1890 gieng die Expedition von B a g a m o y o ab und erreichte am 26. Juli Tabora. Am 25. August verließen P. Schynse und P. Achte Tabora und gelangten am 8. September in die Missionsstation B u k u in b i am Nyanza. Er konnte seinen Mitbrüdcrn dort die frohe Kunde überbringen, dass von jetzt an durch den Schutz Deutschlands die Missionsstation Buknmbi vor den Angriffen der Araber, die vom benachbarten Mag» aus die Missionare drohend beobachteten, gesichert sein werde, und sich das Werk des Evangeliums und der wahren Civilisation unter deutschem Scepter ruhig und doppelt segensreich ausbreiten könne. Am 27. September kommt auch Emin Pascha am Nyanza an, und P. Schynse hatte den Trost, dass eine Abtheilung der deutschen Truppen sofort nach ihrer An- kunft am Victoriasce die Araberstation Magu angriff, eine große Zahl Sclaven, die im elendesten Zustande dort aufgefunden wurden, befreite und nach Buknmbi brachte, während das gefürchtete Araberncst zerstört, und der Süden des Sees von den Sclavenjägern gereinigt wurde. Von Buknmbi aus wäre P. Schynse am liebsten sofort nach Uganda gereist, wo der ÄissionSthätigkeit sich ein großes Feld eröffnete, er verzichtete aber auf diesen Wunsch und blieb in Buknmbi am Südufer des Sees, um dort den deutschen Officieren nützlich zu sein. In Anbetracht der Dienste, die er der deutschen Sache in Ostafrika leistete, wurde ihm durch kaiserliche Ordre die durch Verletzung der Wehrpflicht auferlegte Strafe erlassen, eine Nachricht, die er jedoch erst kurze Zeit vor seinem Tode cmpfieng. Während des Herbstes 1.890 nahm in Uganda die Zahl der Katechumencn täglich zu. Die dortigen Missionäre erlagen fast unter der Arbeit: dabei fehlte es ihnen am Nöthigsten, da die Verbindung mit dem Süden des Sees durch die Ungunst der Witterung und der Verkehrsmittel sehr erschwert war. Bereits mchreremale hatten die Wellen des Sees die mit Vorräthen für Uganda beladenen Barken verschlungen, und der Mission bedeutende Kosten verursacht. Darum entschloss sich P. Schynse, auf dem gefährlichen Landwege um den See den Mitbrüdern jenseits desselben die nöthigen Mittel zuzuführen: gleichzeitig beabsichtigte er, die einzelnen Völkerschaften am Süd-und Westufcr des Sees kennen zu lernen und mit den Häuptlingen desselben in nähere Verbindung zu treten und zur Gründung von Missionsstationen geeignete Posten aufzusuchen, um so späterhin neben der Missionsthätigkeit eine leichte und sichere Verbindung in diesen Ländern mit Uganda herzustellen. Im Vertraue» auf den Schutz Gottes und seinen guten Willen trat P. Schynse mit einem kleinen Zuge von einigen 40 Gewehren beschützt, den gefährlichen und beschwerlichen Weg um das S ü d w e st -user des Victoria-Nyanza an. Seine Klugheit und Erfahrung führte die Karawane glücklich durch die Landschaften an dem Südufer des Sees. An der Westküste des Sees, im Lande der Kimuani, die mit großer Hinterlist und in erdrückender Anzahl gegen ihn anrückten, gerieth die Karawane in die höchste Gefahr. Aber auch in diesem Augenblicke, der seinem, ganzen Unternehmen und ihm selbst mit seinen Leuten den Untergang zu bringen schien, verließ ihn das Gottvertrauen nicht. „Inzwischen tönte von dem Vorgebirge Trommelschlag und Kriegsgeschrei herüber, ich legte mein Schicksal in Gottes Hände und bat, er möge mir den richtigen Weg zeigen, schon manchmal sah ich mich in gefährlicher Lage, aus welcher ich 242 Lebensbilder deutscher Missionäre. unversehrt ohne mein Zuthun hcrvorgieng, dies belebte mein Vertrauen. Dann schweiften die Gedanken nach der Heimat, den dortigen Lieben, die meiner nicht vergessen, dem Thäte meiner Geburt, den rheinischen Fluren und Wäldern. Ich wandte meine Blicke nach meiner zweiten Heimat, wo meine Mitbrüder zusammenleben, während ich hier einsam und verlassen, nein, nicht verlassen, wenn auch einsam, mit Gott über mein Leben Rückschau halte, ungewiss des kommenden Tages; doch mag er bringen, was er will, was Gott mir schickt, ist stets willkommen." Seiner ruhigen und wüthigen Besonnenheit gelang es, auch dieser größten Gefahr ohne Blutvergießen zu entgehen und die gerettete Karawane wohlbehalten nach Buyago, dem Endziele der Reise/ zu bringen. Den ganzen Marsch schildert P. Schynse anschaulich und formvollendet in seinem Tagcbuche, welches unter dem Titel „P. Schynfe's letzte Reisen" als die II. Vereinsschrift der Görres-Gesellschaft für 1892 von Can. Hespers heransgegeben wurde. Krank erreichte P. Schynse am 9. März 1891 seine Missionsstation Bukumb i wieder; Fieber und Rheumatismus suchten ihn beständig heim, trotz dcS leidenden Zustandes aber widmete er die ihm noch bleibende Kraft ganz dem Missionswerke. Jede Woche legte er am Sonntag den 15 Kilometer weiten Weg nach der Missionsstation Nyegezi zurück, um den dort angesiedelten christlichen Familien Gelegenheit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu bieten. Seine Mußestunden widmete P. Schynse auf Rath und Wunsch des Bischofes Hirth der Anfertigung einer Karte über die auf seiner letzten Reise durchzogenen Länderstrecken, welche Skizze in Petermann's Mittheilungen 1891 erschien, und der Ausarbeitung seines schon erwähnten Tagebuches. Leider wurde ihm diese Arbeit erschwert durch eine unglückliche Verletzung der Daumensehne. P. Schynse hatte sich die zur Drechsler- und Schreinerarbcit nothwendigen Werk-., zeuge größtentheils selbst angefertigt; als er mit Hilfe derselben die für den hl. Josef bestimmten Leuchter polieren wollte, durchschnitt er sich unglücklicherweise die Daumensehne, und infolge mangelhafter Verband-mittel wuchs dieselbe nicht mehr zusammen,, sodass er trotz eines zolldicken Korkfcderhalters nur noch mit Mühe schreiben konnte. — Nach und nach wurde sein Zustand ernster, die rheumatischen Anfälle nahmen zu und traten heftiger auf. Der Missionär war, sozusagen an seinen Stuhl gefesselt und konnte nur mühsam mit Hilfe eines Stockes sich bewegen. Mit eiserner Willenskraft aber hielt der kranke Missionär sich aufrecht, er arbeitete bis zum letzten Tage. Wohl musste er während der letzten vierzehn Tage sich öfters niederlegen, immer aber trug seine Energie int Kampfe mit der Natur den Sieg davon. Am III. November zeigten sich ernstere Symptome, unb am 15. legte er sich nieder, tun nicht wieder aufzustehen. Die näheren Umstände seines Todes berichtete P. Levesque in seinem Briefe vom 19. November 1891: „Am 18. November, abends 8 Uhr ist P. Schynse verschieden, tun tut Himmel den Lohn seiner Mühen zu erhalten; so heilig und erbaulich war sein Ende, als cs daS Ende eines heiligen Missionärs nur sein kann. Ich kann darüber anS genauester Kenntnis sprechen, beim seit meiner Ankunft in Kamoga war ich sein vertrautester Freund und Gewissensrath, habe ihn nach meinen besten Kräften in seiner letzten Krankheit gepflegt, ihm die Sterbcsacramcntc gespendet, und ihm den Abschiedskuss in dem Augenblicke gegeben, in welchem er zum letztenmale den Namen Jesus aussprach und seine Seele Gott zurückgab. Ich habe viele Christen sterben sehen, auch Priester und Ordenslcute, aber niemals habe ich einen so lebendigen Glauben, eine so innige Liebe zu unserm Herrn und eine so vollständige Ergebung in den Willen Gottes gefunden. Er starb infolge des rheumatischen Leidens, an dem er schon lange litt. Am 13. d. warf sich dasselbe auf die Brust, dazu trat Rippenfell- und Lungenentzündung unb sehr starkes Fieber, welches allen Arzneien trotzte; ebensowenig vermochten die aufgelegten Zugpflaster den Schmerz in der rechten Seite zu beseitigen. Seit meiner Ankunft am 9. October litt er stets an rheumatischen Anfällen, die er sich hauptsächlich auf seiner Reise von Sansibar hierher 1890 unb nach Uganda zuzog. Er täuschte sich nicht über sein Leiden, sondern sprach mir oft von seinem Ende. Am 15. legte er sich mit heftigen Schmerzen in der Seite nieder, um nicht mehr auszustehen. Montag den 16. wollte er mir eine Beichte über sein ganzes Leben ablegen, am folgenden Tage empfieng er die hl. Eucharistie mit einem Glauben, tvelcher uns zu Thränen rührte. Am Mittwoch gegen 2 Uhr nachmittags trat ihm nach langem Schlaf der kalte Schweiß auf die Stirne, und mir sahen sofort, dass die Krankheit eine schlimme Wendung nahm. Ich machte ihn gleich aufmerksam darauf, aber er antwortete lächelnd, das habe nichts zu bedeuten; übrigens sei er bereit, den Willen Gottes zu thun. Um 2'/, Uhr sagte ich ihm, es sei gut, alles zu thun, um vor Gott zu erscheinen, und das Sacrament der letzten Oelung zu empfangen. Er drückte meine Hand an sein Herz und sagtet „Wenn Sie glauben, dass ich so krank bin, thun Sie, was Sic für gut halten." In Gegenwart aller Brüder spendete ich ihm das letzte Sacrament, tief erschüttert, denn er wollte selbst auf alle Gebete antworten und Ein Ausflug auf das westliche Nilufer von Assuan. 243 ersuchte mich, langsam zu beten, damit er gut folgen könne. Dann nahm er wiederholt das Crucifix, küsste cs innig, hob cs in die Höhe und rief laut, er ivolle in der Liebe des Gekreuzigten sterben. Dann bat er alle, die er etwa durch ein Wort beleidigt habe, um Verzeihung. Mehrmals fragte ich ihn, ob er kein Testament machen wolle, aber er antwortete lächelnd, er habe ja nichts zu vermachen. — Er ist gestorben, wie er gelebt, als Mann und als Christ, unerschrocken dem Tode ins Auge sehend, dem er so oft die Stirne geboten, in festem Vertrauen auf den Herrn, dem er sein Leben geweiht von Jugend an." — Wie sehr die Eingebornen die Hingabe ihres dahingeschiedenen Glaubensboten schätzten, zeigte sich jetzt nach seinem Tode. Sein Leichnam wurde in einem Sarge aus Papyrusgewebe in der Kapelle ausgestellt, und Unaufhörlich wechselten Neophytcu und Kate- chumcncn scharenweise miteinander ab, um den Rosenkranz für die Seelenruhe desjenigen zu beten, der sein Leben zu ihrem Heile so großmüthig geopfert hatte. Aber nicht allein seine lieben Schwarzen legten ihre Gebete, ihre Verehrung und Liebe an seinem Grabe nieber; vor allem sind es neben seinen Verwandten und Freunden die Mitglieder seiner Gemossenschaft, "bie er sich erwählt, der er feilt reiches Wirken und sein theures Leben gewidmet hat. „Welch ein Verlust", schreibt daher Msgr. Livinhac, früher apostol. Vicar des Victoria -Nyanza, jetzt Ordensgeneral, „welches Opfer hat der Herr uns auferlegt! P. Schynsc war so begabt, so großmüthig, wenn es galt, sich für seine Mitbrüder, für die Seelen zu opfern. Welch großes und cdlcS Herz hatte er! Er hat es beivicscn, angesichts des Todes, der heilig wie sein Leben war." (Ein Ausflug auf bas westliche Nilufer von Affuan. Von Dr. Nienhaus. er Nil fließt bei Assuan hart an den Gebirgsketten der lybischcn Wüste vorüber, und deshalb ist an dieser Stelle das linke oder westliche Ufer unbebaut und unbewohnt. Gleich-wohl ist ein Besuch dieses Ufers recht lohnend. An einem schönen Novembermorgcn brachen wir zu fünf von Assuan auf. Nach langwierigen Verhandlungen mit einem Barkenbesitzcr über den Preis, wurden wir citdlich zum westlichen Ufer übergesetzt. Unmittcl-bar vom Nil aus führt eine in den Felsen gehauene Treppe bis ungefähr zur halben Höhe der Gebirgskette, etwa 25 Bieter hoch. Zum Beginn der Tou-ristenzeii wird diese Treppe alljährlich von dem auf-gewehten Wüstcnsande gereinigt, weil das aber noch nicht geschehen war, so mussten wir uns durch Stein-geröll und Sand mit großer Mühe emporarbeiten. Am Ausgange der Treppe findet sich eine Reihe von Felsengräbern, die wir zunächst in Augenschein nahmen. Sie sind mühsam in den Felsen hineingchaucn, öfter gegen 20 Meter tief, und bestehen meist aus einem Gang in der Mitte und Nischen an beiden Seiten. An den Pfeilern, die daS Ganze stützen, entdeckt man noch deutlich die einzelnen Meißelstöße. Natürlich konnten sich so kostspielige Gräber nur reiche Leute herstellen lassen; die Leichen der Unbemittelten wurden im Wüstensandc begraben. Darum bargen diese Felsengräber ehemals die Leichen der Fürsten und Vornehmen aus der Uingegend. Sic stammen ans der (>. und 12. Dynastie, sind mithin 5—4000 Jahre alt. Jetzt freilich ist daS Los ihrer Insassen wohl kaum beneidenswerter, als das ihrer armen Zeitgenossen, deren Leiber längst zu Staub geworden sind, ivährend von den ihrigen die grinsenden Schädel und die nackten Arm- und Beinknochen zahlreich in den Gräbern herumliegcit oder auch den Hügel hinabgc-worfen sind, wo sie mit den Ucberrcstcn der Wickeltücher, Perlen und anderen Gegenständen in der freien Luft verbleichen. Das Innere dieser Gräber stimmt mit dem der übrigen ägyptischen Grabmäler überein und ist bedingt durch die religiöse Auffassung dcS jenseitigen Lebens bei den alten Aegyptern. In den Nischen zu beiden Seiten dcS MittclgangcS standen und stehen noch znin Theil die bnntgcstrichencn Holzsärge, in denen die einbalsamierten Leichen ruhten. Die Wandflächen sind mit Inschriften und Bildern bedeckt. Jene geben die kurze Lcbensgeschichte des Verstorbenen; diese stellen Begebenheiten aus seinem Leben dar: Krieg, Jagd, Fischfang, Ackerbau, Familicuscenen rc. Diese Darstellungen sollten nicht sowohl Erinnerungen an 244 Ein Ausflug auf das westliche Nilufcr von Assuan. r den Verstorbenen sein, als vielmehr diesen in den Stand setzen, seine irdische Lebensweise im Jenseits fortzuführen, wozu man als erforderlich und genügend ansah, dass die nothwendigen Dinge dem Verstorbenen im Bilde gegenwärtig seien. Wie in den anderen Grabmälern, so fehlt auch hier nicht die sogenannte Scheinthür, die in die Unterwelt führen sollte, und der Speisetisch, auf den von denMngce hörigen Nahrungsmittel für den Verstorbenen niedergelegt wurden. Merkwürdig ist, dass die Gemälde sich so gut erhalten haben; die bunten Farben nehmen sich so frisch ans, als wären sie erst vor einigen und nicht vor einigen Tausend Jahren aufgetragen. Zwei Gräber sind in späterer Zeit von ägyptischen Mönchen, die über denselben in einem aus Nilschlamin erbauten Kloster wohnten, in Gebrauch genommen ivorden. An den Wänden befinden sich koptische Bilder und Inschriften; wahrscheinlich benutzten die Mönche den Raum als Kirche. Nach der Besichtigung der Felsengräber stiegen wir weiter den HügelH hinauf. Oben steht ein Monument, einem Grabmal ähnlich, das die Muselinänner einst einem berühmten Scheich, einem „Heiligen" errichtet haben. Es ist aus gebrannten Ziegelsteinen erbaut und weiß getüncht. Merkwürdigerweise erscheint dieses Denkmal, wie auch andere Gegenstände, in der Ferne größer, was vielleicht in der Klarheit der Luft seinen Grund hat. Dort oben weht im Winter öfter ein trockener schneidend kalter Wind, im Sommer dagegen zuweilen ein versengender Glutwind; jetzt verspürten wir eine erfrischende Kühle. Zwei Bisebarinett. Die Aussicht von der Spitze des Hügels ist herrlich. Im Norden erblickt man eine große Nilinsel, die zu beiden Seiten dein Wasser nur einen schmalen Durchgang gewährt und die mit vielen Palmen und üppigem Grün geschmückt ist. Ueber das östliche Ufer erstreckt sich die Stadt Assuan, im Halbkreis umgeben von Berberi» er-und Negerdörfern. Noch weiter hinter einem flachen Hügel befindet sich eine Niederlassung der Bischarin, eines Beduinenstammes, der von Assuan bis Abu Hammed und östlich bis zum Rothen Meer in den Oasen der arabischen Wüste wohnt. Im Süden erblicken wir zu unsern Füßen die Insel Elcphantiua nebst einer andern kleineren und weiter die Anfänge des ersten Nilkataraktes. Nach Westen hin dehnt sich in ungemessener Ferne die lybische Wüste aus, ein noch unerforschtes Gebiet. Wir gehen in sanfter Absteigung den Hügel hinab und setzen unsere Wanderung in südlicher Richtung fort. Bald treffen wir auf die in den frischen Sand eingedrückten Fußspuren wilder Thiere: Hyänen, Füchse, Wildkatzen und ans den gewundenen Pfad einer Schlange. Während des Tages schlafen diese Thiere, Nachts gehen sie an den Nil zuin Trinken und spähen in der Nähe auf Beute. Bei niedrigem Wasserstand schwimmen sie auch zu den Nilinseln hinüber. Selbst die Hyäne ist einem gehenden Menschen nicht gefährlich, nur wer von ihr ruhig sitzend oder schlafend überrascht wird, ist verloren, da die Bestie die einmal erfasste Beute nicht wieder loslässt. Ein genügsames Dasein müssen alle diese Thiere führen, denn es vergehen gewiss öfter mehrere Ein Ausflug mtf dsts westliche Nilufer timt Assuan. 245 Tage, bis sie in den öden Gegenden einen Bissen -erhaschen. Zu unserer Linken begegnen wir einem großen Hügel von Flugsand, der sich hinter einer steilen Pergesspitzc im Laufe der Jahrhunderte allmählig gebildet; oben liegt der feine weiße Sand, unten der gröbere gelbe. Nach s/4 ständigem Marsche stehen wir vor einer neuen Schensiviirdigkeit, einem ehemaligen koptischen Kloster (Amba Hcdra). Unsere beiden Barkenführer, die den Nil weiter hinaufgefahren sind, erwarten uns schon mit unserm Proviant. Da wir von dem längeren Gehen und Stehen in der Sonnenhitze hungrig und durstig geworden waren, beschlossen mir, zuerst einen Imbiss zu nehmen. Wir setzten uns gegen die südliche Mauer im Innern des Klosterhofes, um gegen die Mittags-sonnc geschützt zu fei». Von den Gerüchen unserer kalten Küche angezogen, schlüpfte eine junge Ratte aus dem alten Gemäuer hervor, die wohl zum erstenmale in ihrem Leben Menschen sah, da sie gar keine Scheut zeigte. Wir warfen ihr einen kleinen Knochen hin, veu sic eiligst ergriff, in ein nahes Mauerloch schleppte und dort vor unseren Augen abnagte, ivie um uns Gesellschaft zu lcisteit. Nachdem wir uns cr-guickt und die Reste unseres bescheidenen Males den beiden Arabern überlassen hatten, traten wir unsere Entdeckungsreise an. Ueber die Entstehnngszeit und Geschichte dieses Klosters ist nichts bekannt, es soll aber schon seit dem 13. Jahrhundert unbewohnt seilt. Vielleicht liegt seine Chronik in irgend einem »och bestehenden koptischen Kloster verborgen, ohne von den Mönchen gelesen und noch weniger verstanden wcrdeit zu können. Die äußere Umfassungsmauer tvird gegen 120 Meter Länge und GO Meter Breite haben. Der untere Theil desselben ist aus Britchsteinen, der obere aus Nilschlamm erbaut. Der erstere ist bedeutend dicker als der letztere, so dass man auf ihm gleich einem Walle stehen und über den letzteren aus Nilschlamm erbauten Theil ivie eine Brustwehr hinwegsehen kann. Wahrscheinlich war diese Einrichtung getroffen zum Schutze gegen feindliche Uebcrfällc. An den Mauer-ccken sind noch die Ueberrcste von Thürmen sichtbar, desgleichen an den Längsmanern, von denen der west-lichc fast noch ganz erhalten ist. Die Jnnenmauern der verschiedenen Gebäulichkeiten sind zunr größten Theile aus Nilschlamin errichtet, der mit Wüstensand gemischt wurde, hier und da, namentlich an den Ecken, finden sich auch Bruchsteine und sogar ge-brannte Ziegel. Im Hofe fanden mir noch einen Ziegelofen, der unseren ausgemauerten Brunnen oder Kachelöfen gleicht. Die Treppe ist aus roh behauenen Bruchsteinen gemacht und ohne Geländer. Die Zellen der Mönche liegen ans beiden Seiten eines von Süden nach Norden sich hinziehenden Ganges in drei Stockwerkeit übereinander. Sie sind ganz aus Nilschlamtn erbaut und oben, ivie auch der Mittclgaug, gewölbt. Die Bewölkung geschah ohne Benützuug darunterstehender Stützbogcn in folgender, noch jetzt in Aegypten gebräuchlicher Weise. Nachdenr die Außenmauer bis ginn höchsten Punkte des zu errichtenden Gewölbes aufgeführt war, und die Sciten-tnauern bis zum Beginn desselben, legte man an der Ecke der Seitenmauer mib der höheren Außenmauer den frischen Nilschlamin in schrägen Lagen auf, so dass man mit der aufsteigenden Höhe zugleich die seitliche Biegung vollzog. Bei der heißen und trockenen Stift und der großen Zähigkeit der Nilerde fand die höhere Lage ans der unteren hinreichende Stütze, ohne eines darunterstehenden Stützbogens zu bedürfen. Da die wcißgetünchtcn Wände im Laufe der Zeit zusammengeschrumpft sind, so kann mau an der zerrissenen Tünche den schiefen Lauf der einzelnen Gewölbeschichtcn deutlich verfolgen; dort, wo Theile derselben eingestürzt sind, sieht man noch genau die Eindrücke des Daumens und der Finger, die ivohl deshalb gemacht ivurden, um die einzelnen Schichten fester mit einander zu verbinden. Die einzelnen Zellen sind reichlich 4 Meter lang und etwa 3 Meter breit. Sie haben an der Außenwand fünf fcnsterähnliche Oeffnungcn. Die unteren drei, an der Außenseite mit einer dünnen Lchmschicht verschlossen, ivurden durch ein in der Mitte dnrch-liegendes Brett in zwei Hälften getheilt und dienten den Mönchen als Schränkchen. Die beiden oberen, kleineren eröffnen nur den Blick zum Himmel, nicht aber auf die Erde. Die zum Theil noch vorhandenen Bettstellen sind ebenfalls ans Nilschlamm errichtet, etwa 30 Centimeter hohe Stollen. Einer aus unserer Gesellschaft bemerkte, die hier wohnenden Mönche müssten entweder sehr fromme oder sehr schlechte Männer gewesen sein, da ei in einer solchen Umgebung ein Mittelding nicht geben könne. Wahrscheinlich haben jene Akönchc, die wenigstens in der letzten Zeit Schismatiker waren, so gelebt, ivie noch jetzt die koptisch-schismatischen Mönche in Aegypten leben; in völliger geistiger Versumpfnng. Wenn die Einsamkeit nicht vom Geiste belebt ist, so tvird sie zur leeren Einöde; der Geist eines hl. Paulus, Antonius, Pachomius ist aber von diesen Mönchen längst gewichen. Unter vielen anderen Räumlichkeiten, deren Be-stimmuug theilweise nicht mehr erkennbar ist, erregt die Klosterkirche noch unsere besondere Aufmcrksam-keit. Dieselbe liegt im südöstlichen Theile mit deut Chor »ach Osten, was die Kopten für unumgänglich nothwendig erachten. Ursprünglich war sie dreischiffig, 246 Ein Ausflug auf das westliche Nilufer von Assuan. daS Gewölbe und die Pfeiler sind aber nicht mehr vorhanden und der Boden ist meterhoch mit Schutt bedeckt. Die Chornische enthält ein noch gut erhaltenes Gemälde: eine große Christusfigur, umgeben von vier Engeln, dem Chore gegenüber in einer kleineren Nische sieht man gleichfalls ein Christüsbild mit zwei Engeln. Weil die Muselmänner Christus und die Engel verehren, so haben sie diese beiden Bilder unversehrt gelassen, während sie in ihrem Fanatismus an einem schönen Gemälde im mittleren Gange der Zellcnränmc, das Christus zwischen zwei Engeln und seinen zwölf Aposteln darstellt, die Gesichter der Apostel verunstaltet haben. Dasselbe ist geschehen mit mehreren Heiligenbildern in einer hinter der Nordwcst-ccke der Kirche liegenden Felsenkapelle. Zuweilen wird diese Klosterkirche von den Kopten Assuans besucht. In einem Krankheitsfälle z. B. macht öfters jemand daS Gelübde, nach erfolgter Genesung dort eine Messe lesen zu lassen und ein Essen zu geben. Zwei Bekannte von mir, die einer solchen Feier beigewohnt, berichteten darüber Folgendes: „Während der Priester die Messe sang, standen zu beiden Seiten die Leute und unterhielten sich in vernehmbarer Weise. Im Hintergründe wurde Vieh geschlachtet. Dünn begann das Festessen, an dem auch wir Fremde theilnchmcn mussten. In einer ungeheuer großen Schüssel wurde die Suppe herbei-getragen; man setzte sich auf ebener Erde im Kreise herum und langte mit den Fingern in die gemeinsame Schüssel. Ein vornehmer Kopte reichte uns als Ehrenbissen ein Stück puren Fettes. Während die Männer in der Kirche speisten, hielten die Frauen in der hinter ihr liegenden Felsenkapelle ihren Schmaus." Bei solchen Anlässen zeichnen die Frauen Kreuze an die Kapellenwände mit dem röthlich-gelben Safte einer Pflanze (Henna), mit dem sie auch die innere Handfläche und die Fingernägel zu bestreichen pflegen. Die nun schon mehrere Jahrhunderte alten Ruinen des Klosters sind ein sprechendes Bild des ruinen-haften Zustandes des koptisch-schisinatischen Christen- thumes selbst, daS, seit 1500 Jahren von der christlichen Einheit getrennt, ein elendes Dasein fristet, ohne sich dem Lichte der Wahrheit zu erschließen, aber auch ohne dein es umringenden Islam zum Opfer zu fallen. Wir setzen unsern Gang in südöstlicher Richtung fort, dem Nile zu, den wir nach einer leichten Biegung erblicken und in 20 Minuten erreichen. Der Weg durch die Thalsenkung ist beschwerlich, weil der Fuß immer einige Centimeter tief in den weichen Wüstensand einsinkt. Wir besteigen wieder unsere Barke und fahren zum östlichen Ufer hinüber. Unmittelbar zur Linken streifen wir die Südspitze der Elephantina und zur Rechten den hier beginnenden ersten Nilkatarakt. Gewaltige Granitblöcke erheben sich mehrere Meter hoch aus dem Wasser, die sich weiter den Strom hinauf zu förmlichen.Inseln vergrößern. Das schäumend sie umströmende Wasser-Hat sie im Laufe der Jahrtausende glatt geschliffen, ohne indessen die einzelnen Blöcke zu trennen, die außen fingerbreite Zwischenräume zeigen und wie von Riesenhändcn launenhaft auf einander gethürmt erscheinen. Gerade vor uns am Ostufcr steht ein großes Touristenhotel, das in diesem Jahre von der bekannten Reisefirma Cook erbaut und fast vollendet ist. Etwas weiter nördlich, auf der Insel Elephantina lässt die englisch-amerikanische Concurrenz-Gcsell-schaft gleichfalls ein Hotel erbauen, das aber erst im Rohbau vollendet ist. Wer das nöthige Geld, Reiselust und Zeit hat, kann hier einen Winter verleben, der vom mitteleuropäischen Sommer nicht an Wärme übertrosfen, an Heiterkeit des Himmels aber bei Weitem nicht erreicht wird. Bei den Ruinen der Bäder der Cleopatra steigen wir ans Land. Der Barkenbesitzer steckt die verabredeten 15 Piaster schmunzelnd ein, empfiehlt sich bestens für ein andercsmal und verabschiedet sich von uns unter dem üblichen, sehr weitläufigen arabischen Gruße. Aus hm Msstonsleben. Die entführte Zörnut. >gm8ie Schwester Monica aus der NUssionSstation ylji Eden in Kamerun erzählt folgende interessante Geschichte aus dem Leben eines fünfjährigen Ncgermüdchens: In meiner lieben, kleinen Kinderschar war auch die kleine Monica, ein etwa fünfjähriges allerliebstes Kind. Bei ihrer Ankunft meldete man mir, dass die Kleine zwar nicht getauft sei, sich aber schon lange den Namen Monica erwählt habe und in ihrem Dorfe auch so genannt werde. Als sie horte, dass Schwestern gekommen seien, ließ sie de» Eltern keine Ruhe mehr, bis sie in die Mission gebracht wurde. Der Vater, ein schon bejahrter Häuptling, war sofort bereit, einen Vertrag auf sechs Jahre ab-znschließen. Monica war bald eingewöhnt und hicng mit inniger Liebe an uns Schwestern. Cie hatte ein heiteres und doch ruhiges schmieg-sames Wesen, und im Gegensatz zu allen übrigen Edcakindcrn einen hellen Kopf. Bald hatte sie die Gebete auswendig gelernt, und nun war es ihre größte Freude, in der Freizeit die noch kleinere und sehr verzogene Maria vorzunehmen, um ihr ihr eigenes Wissen einzutrichtern, was ihr trotz größter Geduld bei dem kleine» Wildfang nicht gelingen wollte. Oft kant sie weinend zu mir, weil Maria nicht die Hände falten, nicht das Kreuz machen und nicht beten wollte. Wenn die anderen Edcakindcr an Sonntagen bettelten, nach Hanse gehen zu dürfe», was ich ihnen alle vier Wochen auf einige Stunden erlaubte, so war Monica nie unter ihnen, »nd fragte ich sic, ob sic nicht ihre Eltern besuchen wolle, so verneinte sie. Ihre Mutter kau, indess alle 14 Tage, das Töchterchcn zu besuchen. Sie war eine noch junge, sehr-brave und anständige Frau, die trotz der Zärtlichkeit, die sic ihrem Kinde erwies, dasselbe nicht wie die andern Mütter verwöhnte, sondern ihr Gehorsam gegen ihre Pflegemütter einprägte. Wir standen ans gutem Fuße miteinander. Sie unterstützte 1 uns nicht nur, indem sic der kleinen Monica und ihren Gefährtinnen Essen brachte oocrschickte, sondern bedachte auch manchmal die Schwestern mit einem Huhn oder Eiern, wogegen sie von uns zuweilen ein Kleidungsstück erhielt. Einmal hatte die Mutter bei einer besonderen Verananlassung gebeten, ihr Kind auf ein paar Tage mit nach Hause nehmen zu dürfen, und ich ■ hatte die Erlaubnis gern ertheilt, da ich in diesem Falle musste, dass die Kleine vor Bösem behütet werde. Zu meinem Erstaunen war Monica trotz der mehrstündigen Entfernung am Abend schon wieder zurück imb meldete mir, ihre Mutter habe sic einige Tage behalten wollen, sie sei ihr aber davon gelaufen, denn sie müsse in der Mission sein. Eines Tages kam ein Mensch von unsympatischem Aussehen und warnte uns, nur möchten auf Monica ein wachsames Auge haben. Ihre Mutter wolle sie einmal nicht an einen Christen, 6in“kopti$cbcr Priester. 248 Aus dem Missionslebcn sondern nur an einen Heiden verheiraten; sie habe beschlossen, das Kind heimlich zu entführen und cs tief im Hintcrlandc an einen Heiden zu verlaufen. — Ich konnte das fast nicht glauben. Einerseits machte der Mann einen so abstoßenden Eindruck, andererseits schien die Marter uns so anhänglich, hatte das Kind gut erzogen und hatte es freiwillig in die Mission gebracht. Allerdings war meine Vertrauensseligkeit bei den Schwarzen schon oft getäuscht worden und dann — welches Interesse konnte der junge Mann haben, mich vor einer Entführung zu warnen, wenn dieselbe -nicht wirklich drohte. Ich beschloss daher, auf meinen kleinen Schützling ein ivach-samcs Auge zu haben. Allerdings konnte ich sie weder einsperren, noch an mein Schürzenband knüpfen, indessen empfahl ich allen Kindern, die Kleine nicht aus den Augen zu lassen, falls ich nicht bei ihr sein konnte. Es war etiva acht Tage nach der oben erwähnten Begebenheit. Ich hatte nach Tisch mit meiner Bkitschwester in der Kirche gebetet und begab mich nach der Rückkehr sofort in die Schule, wo meine Kleinen sich, ohne das Glockenzeichen abzuwarten, wie gewöhnlich schon versammelt hatten, um noch einmal an der Lehraufgabe zu buchstabieren. Sofort vermisste ich die kleine Monica. „Wo ist sie?" „Mutter, beruhige Dich," antworteten die Kinder, „sie war eben noch hier und wird gleich wieder kommen." Minute um Minute vergieng, und dann eine Viertelstunde und noch eine. Nun sandte ich alle Kinder aus, nach der Entschwundenen zu suchen. In allen Winkeln, auf allen Wegen und bis tief hinein in den Busch erscholl der Ruf: „Monica", aber keine Antwort kam zurück. Die Angst und der Schrecken durchfuhren mir alle Glieder. Also hatte mich wirklich die Mutter so schmählich getauscht? Aber so leichten Kaufs sollte mir meine kleine Namensschwester, die schon so sehnlich nach der heiligen Taufe verlangt und ihren Katechismus so eifrig gelernt hatte, nicht entrissen werden. Ehe der Sonntag kam, hatte ich weitere Nachrichten, die indessen nicht geeignet waren, meine Besorgnisse zu zerstreuen. Drei Tage nach dem Raub des Kindes erschien Petrus in großer Aufregung. Petrus war ein 20jähriger junger Mensch und ein braver Katholik. Da er öfters mit der Mutter Monicas zu uns gekommen war und immer von „unserer Monica" gesprochen hatte, so hatte ich, ohne weiter zu fragen, angenommen, dass er der Bruder der Mutter sei. Nun erst erfuhr ich, dass meine fünfjährige Monica seine Braut war. Er war von ihren Eltern als künftiger Schwiegersohn angenommen worden. Nach Gottes gnadcnvoller Fügung war es wohl seinem Einflüsse zuzuschreiben, dass Monica in die Mission gebracht zu werden wünschte. Nun erzählte er mir, dass noch andere junge Leute ihre Augen auf die hübsche kleine Häupt-lingstochtcr geworfen hatten. Unter diesen war besonders ei» böser Mensch, der trotz ivicderholtcr Ab-weisung von Seite der Eltern seinen Plan nicht aufgab und durch die schlechtesten Mittel seine Absicht zu erreichen suchte. Er (Petrus) habe immer darauf gedrungen, dass seine Braut baldigst in die Mission gebracht werde, damit sie da eine gute christliche Erziehung erhalte, dann aber auch, weil er sie hier gut geschützt glaubte, während sie zu Hause in beständiger Gefahr schwebte. Nun habe der Räuber seine Beute doch erhascht; er habe Kenntnis davon erhalten und ihm nachgespürt, und erfahren, dass er sie in ein etwa zwei bis drei Tagereisen entferntes Dorf geschleppt habe. Er bat mich nun fast fußfällig, meinen ganzen Einfluss beim Bezirksamtmann aufzubieten, damit er seine kleine Braut wieder erhalte. Er fürchtete, mit einer von ihm eingereichten Klage nicht viel zu erreichen, und jedenfalls würde cs da so langsam gehen, dass der Räuber Zeit hätte, das Mädchen in Sicherheit zu bringen. Natürlich war ich schon im Interesse der Mission und meiner kleinen Kätechu-mencn gerne bereit, seinem Wunsche zu willfahren und fragte ihn um den Namen des Entführers. Wie erstaunte ich, den Namen des Menschen zu erfahren, der uns vor der Mutter des Kindes gewarnt und uns gebeten hatte, sorgfältig auf die Kleine zu achten! Das hieß denn doch die Frechheit zu weit treiben. Die arme Mutter war indes, wie mir Petrus erzählte, krank und ob des Verlustes ihres Kindes fast verzweifelt. Am andern Tage kehrte der Bezirksamtmann zurück, und alsbald machte ich Meldung von dem Vorgefallenen. Zu meiner Genugthuung erhielt ich die Zusage einer sofortigen Nachforschung. Kaum acht Tage später erschien die kleine Monica mit ihrem Entführer. Der junge Mann wurde sofort zum Richter geführt, das Kind aber nahm ich in Verhör. Freilich musste dieses Verhör mit aller Liebe und Schonung stattfinden. Das arme Ding zitterte in Todesangst und schluchzte zum Erbarmen. Erst nach einiger Zeit konnte sic sprechen. Nun tischte sie uns aber eine Fabel aus, bei deren ersten Worten ich erkannte, dass sie eine eingelernte Section hersage »nd vermuthlich unter dem Drucke einer Drohung stehe. Ich musste also mit Gegendruck arbeiten. „Höre, Kind! Du hast gefehlt, weil Du ohne Erlaubnis mit diesem Manne fortgegangen bist. Er ist jetzt beim Gouverneur und wird ins finstere Gefängnis eingesperrt. Wenn Du die Wahrheit sagst, so wird Dir diesmal verziehen, erzählst Du aber eine Lüge, Vermischte Nachrichten. 240 so wirst Du auch bestraft, und überdies hasst der liebe Gott die Lüge und wird Dich dann nicht so bald durch die hl. Taufe zu seinem Kinde machen." 9iim brach die Erschreckte von neuem in Schluchzen aus. Ich hatte Mühe, sie zu beruhigen, und dann erzählte sie mir, der Mann habe ihr gedroht, wenn sie die Wahrheit sage, so werde er ihr ein Zauber-mittel gebe«, dass sie krank werde und sterbe. Ich gab ihr die Versicherung, dass ihr nichts geschehen werde, wir würden sie schützen, und überdies könne ihr der böse Mann nichts anhaben, er sei im Gefängnis. Und nun erfuhr ich, dass, als sie sich einen Augenblick aus der Schule entfernt hatte, sie aus dem Dickicht ihren Namen rufen hörte. Auf ihre Antwort trat der ihr wohlbekannte Mann hervor und erzählte ihr, ihre Mutter sei beim Besuche einer Freundin in einem fremden Dorfe schwer erkrankt und verlange ihr kleines Mädchen zu sehen. Sie habe ihn deshalb gesandt, sie zu holen. Natürlich ließ sich die Kleine täuschen und war bereit, mit ihm zu gehen. Nur wollte sie erst meine Erlaubnis einholen. Das gestattete indes der Mann nicht, er schützte die größte Eile vor und zog sie mit sich fort. In einem fremden Dorfe übernachteten sie, und am andern Tage gieng cs wieder weiter. Wenn sie vor Müdigkeit nicht mehr voran konnte, trug er sie. Endlich kamen sie in das von ihm genannte Dorf. Aber die Mutter war nicht da. Jetzt erkannte sie, dass sie getäuscht worden, sic meinte und schrie, aber alles half nichts. Sic wollte davonlaufen, aber sie kannte keinen Weg. Erst als ein Soldat erschien mit dein Befehle des Gouverneurs, der Mann müsse mit der kleinen Dko-iiicrt sofort zu ihm kommen, erst daun wurde sie wieder zurückgebracht. Der Bezirksamtmann sandte mir sogleich Nachricht, dass er den Entführer meiner kleinen Monica zu drei Monaten vcrurtheilt habe. Ich fand das ganz gerecht; cs musste ein abschreckendes Exempel aufgestellt werden für die niederträchtigen Räuber, die in und außer der Mission ihre Netze ausspannen, um ein kaum flügge gewordenes Böglein einzufangen und in ihre rohe Gewalt zu bekommen. Einige Stunden später erschienen Monicas Eltern und Petrus, um die glücklich Wiedergefundene zu begrüßen. Ihre Freude war unbeschreiblich. Petrus erschöpfte sich in Dankesbezeigungen, bat mich aber dringend, sie sorgfältig gu hüten, und nicht eher aus der Mission zu entlassen, bis er sie in zehn Jahren als seine Frau heimführe. Am letzten Tage vor meiner Abreise nach Europa führte ich mein kleines Patchen zur hl. Taufe, auf die sic gut vorbereitet war, und ließ sie zurück als Kind Gottes und unter dein Schutze ihrer lieben Himmelsmuttcr Marin. Vermischte Mach richten. Die Jnsclstadt Suakin. (Siehe Bild S. 232). Auf allen Seiten vom Meere umgeben, ist die Stadt aus den Producten des Meeres erbaut, und der Verkehr ans dem Meere ist ihre Existenzbedingung. Die Straßen sind unregelmäßig und in den inneren Stadttheilen enge. Die Häuser sind im arabischen Stile aus Madreporenkalk gebaut, der in schönen großen Blöcken ans den Tiefen des Meeres heraufgeholt ivird, mit Holzeinlagcn. Glasfenster gibt cS in der ganzen Stadt keine, ihre Stelle vertreten Fensterläden, die nicht selten mit zierlichen Holzschnitzereien versehen sind. Die Dächer sind wie sonst int Orient. Das Hauptgebäude ist der Divan oder das GouvernementS-haus, daS im Jahre 1887 von Lord Kitchener theil-iveise umgebaut und den Bedürfnissen des europäischen Statthalters angepasst wurde. Vor dein Thore, ivel- chcs zum Sivem führt, liegt ein großer freier Platz, eingeschlossen von einer Moschee, einigen Privatgc-bäuden und dem Bureau der englischen Ost-Tele-graphcnlinie. Der Hauptverkchr der Insel concentriert sich auf dem Siig (Markt). Außer griechischen Schankbudcn ultd Cigarrenlädcn befinden sich dort zahlreiche Da-kekin (Mehrzahl von Dokan, Laden), in denen außerdem zur Nahrung, Kleidung und Hauseinrichtung Nöthigem nichts besonderes mehr geboten ivird. Die Kaufleute sind Araber ans Hedjas und Pemen, ciiu zclne Syrier und zahlreiche Griechen, sowie Indier, meist knh- und feuernnbetcnde Baniän. Der Markt ivird von den Griechen beherrscht, welche größtcntheils Droguenhäiidler unb Schirapsverkäufer sind. Ihre Thätigkeit und ihr Geschäftseifer sind nachahmenswert, 250 Vermischte Nachrichten. aber in den Mitteln, einen Gewinn zu erzielen, sind sic nicht wählerisch. Ihre Anwesenheit dient keineswegs dazu, den Eingebornen eine gute Idee von den Europäern beizubringen. Sie sind das jüdische Element am Rothen Meere. Alljährlich wandern viele ans Griechenland nach Aegypten und dem Rothen Meere cm3; bei der Leichtigkeit, sich fremde Sprachen anzueignen und ihrem Weltbürgersinn ist eS ihnen nicht schwer, sich überall einzunisten. Obwohl fern von der Heimat und nicht auf die Ausübung ihrer schismatischen Religion bedacht, hängen sie doch mit Zähigkeit an ihrem orthodoxen Glauben und fühlen sich solidarisch mit dem classischen Hellas. Die übrigen Europäer in Suakin find meist Italiener und Engländer. Die Jnselstadt ist mit dem Fcstlande durch einen Damm und eine Brücke verbunden, die im Jahre 1879 erbaut wurden. Die Vorstadt auf dem Fest-lande heißt El-Gef. Dort besteht der größte Theil der Wohnungen mit Ausnahme einiger Stein- und Zicgclbautcn und drei Moscheen aus Hütten und Zelten. An vier oder mehreren in der Erde befestigten Pfählen werden, Stroh-, Rohr- und Mimosenmatten usw. aufgehängt, welche als Wände dienen, das Dach besteht aus getrocknetem Gras, Acsten und Stroh oder aus einigen Lumpen. Als Thür dient eine Matte oder ein Stück alten Stoffes. Diese Wohnung schützt zwar vor Sonnenstrahlen, aber nicht vor Wind und Regen. Reiche besitzen mehrere Hütten nebeneinander mit Räumen zur Unterbringung des Viehes. Der Hüttencomplex ist mit einer Mauer ans Stein, Dornen oder Durrahrohr nach Art der im Sudan gebräuchlichen Zeriba (Gehöfte). Der Ort der Wohnung wird nicht selten gewechselt. Der Hausvater reißt die alten Hütten nieder, ladet das Material auf ein Lastthier und zieht mit Weib und Ziege, Kind und Kegel an einen andern Ort, um dort seine neue Behausung aufzuschlagen. Daher zeigt der Plan von Gef in wenigen Jahren so große Veränderungen und da die Nomaden bald in die Wüste und Oasen ziehen, bald sich wieder in Suakin ansiedeln, so zeigt sich auch eine große Beweglichkeit in der Zahl der Bevölkerung. Das Thierleben im Hafen von Suakin ist ein äußerst reiches und vielgestaltiges. Die Wasser am Boghaz (Vorsprung) wimmeln von Fischen aller Art und Größe, vom gewaltigen Haifisch bis zu den kleinsten Leuchtthieren. Unter der krystallklaren Decke ziehen Scharen von kleinen Fischen hin, denen große Raubfische nachstellen. Die gehetzten Fische schnellen aus dem kräuselnden Wasser empor, um auf bedeutende Strecken durch die Luft zu sausen und wieder im Meere zu verschwinden. Die Ueberschwänglichkeit des Lebens und der Meerfauna, besonders auf den Korallenbänken und in den von diesen gebildeten Winkeln ist staunenswert. Bei näherer Betrachtung zeigen sich die Riffe und Bänke als lebende Felsen, in deren Höhlen und Verstecken Tausende von Krustenthiercn, Würmern, Mollusken vegetieren, und die aus sich selbst heraus in zahllosen sammtartigcn Blüten von mannigfach gestalteten Polypen wuchern und flimmern. Der Küstensand unter dem Wasser wimmelt von ungezählten kleinen Organismen: zwischen Schraubenschnecken, Steck- und Archenmuscheln schlängeln sich glänzende Schlangensterne und kriechen vielgestaltige Krebse. Im Uferschlamm versteckt sind Würmer, Weichthicre und Polypen, während am trockenen Ge-, stade Mengen von Muscheln angeschwemmt liegen' Eine Rundfahrt durch den Hafen nach eingetretener Dunkelheit gehört zu den schönsten Erholungen, die Suakin gewähren kann. Auf dem ruhigen Wasserspiegel zieht unser Boot dahin; aus den durch die Ruder gezogenen Furchen der mit Salz und Phosphor getränkten Flut sprühen feurig leuchtende Funken; die erfrischende Abendluft wirkt wohlthuend nach des Tages glühender Hitze; nuS den Häuser» und Hütten leuchten matte Lichter, der einförmige Klang der Felltrommcl tönt im Echo über die Wasserfläche hin. Ueber uns prangt der helle Sternenhimmel, während das südliche Kreuz, das, wie ein Wahrzeichen der weltumfassenden Gottesliebe hcrnicdcrglänzt, unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das Leben ist in Suakin für Europäer keineswegs angenehm. Mit Djcdda und Massnna ist Suakin einer der heißesten Punkte an den Küsten des Rothen Meeres. Die heiße Jahreszeit beginnt im April. Mit dem Vorrücken der Jahreszeit steigt die Temperatur unregelmäßig aber fortwährend. Die größte Hitze herrscht im Juli bis Mitte August. Eine Nach-mittagstemperatur von 40 bis 45 Grad Reaumur im Schatten ist keine Seltenheit. Bei dieser Hitze verliert der Europäer Appetit und Arbeitslust; man liegt matt und niedergeschlagen ans dem Bettgcstelle. Manche hüllen sich in nasse Tücher und befeuchten sich die Kleider mit Wasser. Des Nachts sucht man Schlaf auf der Terrasse des Hauses, aber häufig vergebens. Die glühende Luft erhitzt alles, Sessel, Tische, Kleider; Essgeräthe aus Metall sind so erhitzt, dass sie mit den Händen nicht festgehalten werden können. Abgesehen von der Hitze ist das Klima von Snakin ein gesundes. Lnngcnkrankhcitcn kommen selten vor, ja, der Aufenthalt ist für Brustleibende sogar sehr vortheilhaft, besonders wenn die Krankheit sich noch im Anfangsstadium befindet. Durchaus angenehm ist der Aufenthalt im Winter. Da lustwandelt Alt und Jung unter den Schattenkronen und zwischen den Vermischte Nachrichten. 251 grünen Pfanzungen außerhalb der Vorstadt und entschädigt sich einigermaßen für die ausgestandene Hitze. Dit AionbottlI. Der Volksstamm der Mon-bottu wohnt südöstlich von de» Niam-Niam ain Hefte. Der Rasse nach sind sie von den Negern streng geschieden. Sic sind mittelgroß, muskulös und zeichnen sich durch eine hellere Hautfarbe aus, deren Grundton der des gemahlenen Kaffees ist. Ganz verschieden von den Negern haben die Monbottu einen reichen Bartwuchs; das gc-kräuselte Haar ist lang und häufig blond ivic Hanf. Der ganze Ausdruck des Gesichtes trägt den Typus des Semitischen. Schweinfurt zählt sie den nubisch-lybischcn Völkern bei. „Im Monbottu-Landc," schreibt Schweinfurt, „begrüßt uns ein irdisches Paradies. Endlose Bananenpflanzungen bedecken die Gehänge der sanft-gewellten Thalnicdc-rungen;die Oclpalme unvergleichbar an Schönheit, bildet ausgedehnte Haine längs der Bäche und Flüsse, baut schattige Dome über den idyllischen Behausungen der Eingeborncn. Das Land besteht aus einem beständigen Wechsel von tief eingesenkten Büchen und Flüssen und ansteigenden Höhen, die mehrere hundert Fuß über die Thalsohle der Gewässer heraufsteigen." Der Forscher will das Land wegen seines dichten Wassernetzes mit einem Schwamme vergleichen. Der Rnseneisenstcin herrscht vor. In den Niederungen befinden sich Bäume von erstaunlicher Höhe und im Stammumsange so gewaltig, wie man sie nirgends in den nördlichen Theilen des Nilgcbictes vorfindet. Die Bevölkerung fristet ihr Dasein von dem fast mühelosen Erwerbe von Baumfrüchtcn und Erdknollen, Der monbottu-Hönig mun$a. vernachlässigt aber die Cultur von Cerealien. Die Ernährung des Volkes geschieht zum größten Theile durch die Menge der in allen gelichteten Niederungen gedeihenden Cassave, durch die Cultur der süßen Bataten. Beide letzteren Pflanzen erreichen hier, was Größe und Qualität anbelangt, den höchsten Grad der Vollkommenheit. Die Banane bildet die Basis der Ernährung. Jede Art von Viehzucht ist den Monbottu fremd; an Hausthieren wird nur der Niam- Niam-Hund und das Huhn gezogen. DasSchwein in halbwildem Zustande und von den Feinden erbeutete Ziegen dienen nebst erlegtem Wilde den Rest der Fleischnahrung. Gejagt werden Elephanten , Büffel, Wildschweine und große Antilopen. Menschenfleisch ist bei den Monbottu ebenso beliebt, wie bei ihren Nachbarn den Niam-Niam; das Menschenfett ist allgemein im Gebrauch. Der Kannibalismus der Monbottu scheint den aller bekannten Völker in Afrika zu übertreffen. Das Fleisch der im Kampfe Gefallenen wird auf dem Schlachtfelde vertheilt und in gedörrtem Zustande nach Hanse transportiert. Die lebendig Eingefangenen treiben die Sieger vor sich her wie eine Hammelherde, um sie später, einen nach dem andern, als Opfer ihrer wilden Gier fallen zu lassen. Die erbeuteten Kinder wandern als besonders delikater Bissen in die Küche des Königs. Die Bestellung des Bodens ist Sache der Frauen. Der Mann gibt sich, soweit die Jagd und Kriegszüge ihn nicht in Anspruch nehmen, dem Müßiggänge hi». Das Weib übt das Töpfer-, der Mann das Schmiedehandwerk; beide Geschlechter verstehen sich >52 Vermischte Nachrichten. auf Schnitzerei und Korbflechterei; die Vielweiberei herrscht ivie bei den Niam-Niam. Alle Einrichtungen deuten darauf hin, dass die Monbottn eine Art monarchisch wohlorganisiertes Staatswcsen besitzen. Der König umgibt sich mit einem Heiligenschein. Niemand darf ihn essen sehen; wnS er antastet, gilt als ein unberührbares Heiligthnm. Neben einer eigenen Rüstkammer, wo die Waffen für den Kriegsbedarf aufgespeichert liegen und einem wohlgcfülltcn Harem beschäftigt ihn noch das Treiben zahlreicher Leibmusiker, Festordner, Eunuchen, Spaßmacher, Bänkelsänger und Tänzer. In Sitten und Gebräuchen sind die Monbottn von ihren schwarzen Nachbarn gleichfalls sehr verschieden. Ihre Bekleidung bildet ein ans dem Rindcn-bast eines Feigenbaumes hergestellte Stoff, der in seinem Aussehen an ordinäres Wollenzeug erinnert. Durch einen Gürtelstrich zusammengehalten, bedeckt ein solches Rindenstück in seltsamem Faltenwürfe den ganzen Körper von den Knieen bis zur Brust. Felle werden nie getragen. Die Frauen gehen völlig unbekleidet, bemalen aber den Körper mit einem schwarzen Safte. Das Tätowieren ist gleichfalls im Gebrauche, und die Männer bedienen sich hiezu einer ans pulverisiertem Rothholz bereiteten Schminke. Das Ohrläppchen wird mit einem kleinen Stäbchen durchlöchert getragen. Das Durchbohren der Lippen kommt indes nicht vor. Tie Krieger führen außer Schild und Lanze auch Bogen und Pfeile, dann gekrümmte Säbelmesser und Dolche. Die Waffen, welche schon dem äußeren Aussehen nach den Typus des Grausamen zur Schau tragen, werden im Lande selbst geschmiedet. Die Monbottn - Schmiede sind Meister in ihrer Kunst. Feine eiserne Ketten, die als Schmuck getragen werden, sollen, was Feinheit und Formvollendung anbelangt, unseren besten Stahlketten gleichkommen. Außer Kupfer und Eisen aber sind den Monbottn alle anderen Metalle unbekannt. In der Holzschnitzerei leisten sie gleichfalls Bedeutendes. Im Häuserbau besitzt das Volk eine besondere Gewandtheit. Dörfer und Städte gibt es bei den Monbottn nicht. Die Häuser reihen sich, familienweise als Weiler gruppiert, zn langen, von Oelpflanzungen unterbrochenen Ketten aneinander, dem Thalgcsenke der Bäche folgend. Jerusalem. (Eindrücke eines Jerusalempilgers.) Siebenhundert Jahre sind dahingegangen, seit die Stabt Melchisedcchs, die Stadt Davids, die Stadt des Herrn den Ungläubigen in die Hände fiel und die Macht der Christen tut heiligen Lande gebrochen wurde. Jerusalem heißt „Anblick des Friedens" — ja, es waltet über ihm ein Friede, aber nicht der blühende Friede der Hoffnung und des Lebens, son- dern der trübselige Friede der Resignation und des Todes. In Jerusalem denkt man bei seinen gewaltigen Eindrücken kaum an die Gegenwart, stets an die Vergangenheit, nie an die Zukunft, — es hat ja keine — oder doch? Jawohl, die Apostelgeschichte 1, 11 weissagt sie, wir fühlen sic nahen, wenn wir das Thal Josaphat durchwandern, welches sich als Schlucht an der einen Seite der dürren Hügelkette herzieht, die Jerusalem nach beiden Seiten umgibt, und welches am Fuße des Berges Sion mit dem von der andern Seite kommenden Thal Hinnom zusammentrifft. Jerusalem, die Stadt der Stille, der Grabesruhe liegt auf den vier Hügeln Sion, Akra, Moriah, Be-zetha; seinen Hintergrund bildet das bläulich schimmernde Gebirge von Moab und schaut man ans die Kuppelstadt mit ihren platten Dächern, dem halb zerfallenen und verwahrlosten Gemäuer, so hat man in jeder Beziehung einen Anblick von ergreifender Großartigkeit, aber daS ganze Panorama hat nichts Mildes, Anheimelndes, alles ist starr, rauh, hart, selbst das Grün der wenigen, sich von einander gleichsam isolierenden Bäume ermangelt der Weichheit, kein satter Farbenton mischt sich in die dürren, todten Contnren des trotzdem und gerade deshalb überwältigenden Gesammtbildcs. „Wie eine Witwe ist sie geworden", der Fluch lastet noch heutzutage in seiner ganzen Schwere ans der Stadt, in welcher der 9(uf ertönte: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder," das Wort des Ewigen: „Euer Haus wird wüste gelassen werden", drängt sich unwillkürlich vor die Seele. Enge Gassen, starrend von Schmutz aller Art, Häuser, welche die Straße zu fliehen scheinen, Schutt und Trümmer überall, auf den Mienen der Bevölkerung nichts Lebensfrohes und Frisches: das Blut des Welter-löscrs war für alle Welt das Pfand ihrer Befreiung, für Jerusalem, wo es floss — das Pfand unabänderlicher Knechtschaft. Schon kurz nach Christus schrieb der jüdische Geschichtsschreiber Flavins Josephus: „Selbst der Fremde, welcher einst Judäa und die lachende Umgebung seiner Hauptstadt bewunderte, kann beim Anblick der jetzigen Verlassenheit des Landes seine Thränen nicht zurückhalten, er muss seufzen über diesen Wandel." Das Wort ist heute noch so zutreffend, wie vor 1900 Jahren; die Thränen des Welterlöscrs am ersten Palmsonntag sind von dieser Erde ausgenommen, aber sie haben nicht dazu gedient, sie zu befeuchten, sondern sie zum Zeugnis der Größe des menschlichen Frevels dürr und starr zu machen. Und dennoch, eins hat die Hand des Menschen und der Zahn der Zeit nicht vernichten können: den Vermischte Nachrichten. 253 Gesammtanblick bcS Ganze», die Topographie des Bodens, auf dem die Hauptscencn des Evangeliums sich abspielten. Mag die Landschaft noch so trostlos geworden sein, sie ist und bleibt dieselbe, sie bietet dieselben Bilder, welche sich auch dem Auge des Erlösers darstellten, als sein Fuß diese Thäler, diese Hügel, diese Wege betrat. Ueber denselben Bach Geformt, den wir jetzt vor uns sehen, gieng der Herr, ans demselben See Tiberias fuhr er int Schiffe, an demselben Jordan wurde er getauft, die felsige Stelle war damals so seicht inte jetzt, dasselbe ärmliche Schilf, welches jetzt dort wächst, wird auch damals gewachsen seilt. Das Szepter ist von Jakob genommen und der König von seinem Geschlechte; Jerusalem ist nicht mehr die königliche Stadt, aber cs ist die heilige Stadt, die Stadt des Gebetes. In keiner Stadt der Erde ivird so viel und in so vielen Zungen gebetet, wie in Jerusalem. Die ganze Welt kommt hierher zum Gebete, und zu welchem Gebete! „Ein zerknirschtes Herz ist ein Opfer vor Gott", sagt der Psalmist, und dies Gebet, das Gebet der Reue und Abbitte, wird dem Herrn hier von aller Welt dargebracht, sei cs von dem Juden, der im langen Kaftan mit bloßen Füßen an der Tempelmauer steht und das Gesicht mit beiden Händen verhüllt, oder vom Muselmann, dem auch Jerusalem ehrwürdig und heilig ist, der hier fast den falschen Propheten der Sinnenlust über dem hohcpricsterlichen Propheten des Kreuzes vergisst, oder von Schismatikern, deren in Formeln erstarrter Gottesdienst hier einzig und allein wieder etwas vom Leben der großen Christenheit gewinnen kann, oder vom Protestanten, der hier eigentlich erst lernt, was beten heißt, oder endlich vom Katholiken, dessen Glanbensinnigkeit und Glaubensticfe sich hier in ihrer ganzen Kraft offenbart. Es wird gebetet in den Heiligthümern, auf der Straße, vom Einzelnen und von Gesellschaften, bei Tag intfo bei Nacht. Das Gebet ist hier ctivas Selbstverständliches, man wundert sich nicht über den Betenden, sondern über den, der hier nicht beten mag. Der eine wetteifert mit dem Andern an Inbrunst, der eine achtet die Andacht des andern und würde cs als einen unverzeihlichen Fehler betrachten, ihit darin zu stören. Nirgends ans der Welt hat jeder Cultus mehr Freiheit, nirgends jeder so gleiche Rechte, wie int gegenwärtigen Jerusalem, welches wohl große Eifersucht im Besitze von heiligen Stätten, aber keine Eifersucht in der Andacht kennt. In Jerusalem wird der Pilger nicht gestört, noch weniger verhöhnt, er darf ans der Straße knien, laut beten, seinen fstosenkranz recitieren, kein Mohamedaner, kein Jude wird ihn stören — Jerusalem hat nicht mehr den Opferaltar des alten Bun- des, aber es hat das Opfer des Gebetes aller Nationen, aller Confessionett, aller Sprachen. Nichts liegt näher als ein Vergleich Jerusalems mit Nom. Mag letzteres noch zeitweilig von der Re-volutioit in Knechtschaft gehalten sein, es ist und bleibt die Triumphstadt des Christenthums, während Jerusalem seit 1855 Jahren die Stadt der Melancholie, der Verwaisung ist. Beide Städte haben große Erinnerungen, aber Roms Erinnerungen weisen auf die Zukunft, sie rufen uns allenthalben das „Non praevalebunl“ entgegen, während Jerusalems Erinnerungen einzig und allein auf die Vorzeit zurückweisen, den Sieg des Kreuzes in beut Fluche, der auf den Kreuzigern lastet, mit mächtiger Stimme predigen. In Rom sprudelt allenthalben das Wasser frisch, kühl und klar aus der Erde, in Jerusalem ist es selten, trüb und lau; statt der Quelle treffen wir die Cisterne. Hier werden wir erst recht time, was der Herr sagen wollte, indem er für einen aus Liebe gereichten Trunk Wassers himmlischen Lohn versprach. Rom macht Eindruck bei Tage, aber noch mehr bei Nacht. Sicht man des Abends ans Roms Häuser und Kirchenmeer herab, so ist überall Funkeln des Lichts, überall fröhlicher Glanz; schaut man auf das abendliche Jerusalem, das sich nach Sonncnuntcrgang fast plötzlich in starres Dunkel taucht, so sieht man kaum eilt Dutzend Lichter. Nur wenn der Mond seinen gespenstigen Schein fitter die Stadt legt, wirkt sie abends und nachts großartig, gewaltig, überwältigend. Das geisterhafte Licht des Nachtgestirnes passt so recht zu der großen Todes- und Todtenstadl, zu der Stadt, deren höchste Ehre es ist, Wächterin und Hüterin des Grabes Jesu Christi zu sein. Dann sprich eine Stelle ans Jeremias Klageliedern und du bist in der Stimmung, die für die Stadt der Verwaisung angemessen ist. „Wie sitzt sie so einsam, die Stadt, die einst so voll Volkes war! Wie eine Witwe ist sic geworden." Der Nachthimmel breitet den Witwenschleier über sie aus, sie wird ihn tragen, bis der Herr, der ihre Trümmer liebt und trotz des Fluches Mitleid hat mit ihrem Verfall, die Stadt der Sammlung und des Gebetes, der Thränen und der Trauer, als das letzte Küchlein unter die Fittiche seiner hl. Kirche sammelt, und dann wird sein ein Hirt und eine Herde. Die Indianer der Vereinigten Staaten. Nach dem letzten Staats-Census belief sich die Gesammt-zahl der in den vereinigten Staaten lebenden Indianer auf 248,253 Köpfe: 125,719 Männer und 122,534 Weiber. Von diesen 248.253 Indianern leben 133,417 auf Reservationen, und zwar so, dass ihrer 34,785 regelmäßige Rationen von der Regie- Vermischte Nachrichten. Ž54 rung erhalten, während 89,632 ihren Lebensrmter halt durch Ackerbau, Viehzucht, Wurzelgraben, Pstrde züchten, Fischfang und Jagd usw., selbst gewinnen' 58.806 Rothhäute sind als steuerfähige oder steuer pflichtige Bürger tariert. Rechnet man zu diesen l ebengenannten 89,632 sich selbst ernährenden Reser-vationsindianer, die 50,055 Indianer der sogenannten 5 civilisierten Stämme des Jndianerterritoriüms und die 5407 Köpfe zählenden Reste der „sechs Nationen" im Staate New-Uork, so ergibt sich, dass 212,900 Rothhäute aus eigenen Füßen stehen und nach Art civilisierter Völker ihren Lebensunterhalt gewinnen. Die Indianerreservationen vertheilen sich auf 20 verschiedene Staaten und Territorien und setzen sich aus 147 verschiedenen Stämmen und Stammresten zusammen. Das ihnen zugewiesene Land — freilich zum großen Theil öde Wildnis — hat einen Flächeninhalt von ca. 83,784,349 englischen Acres. Die Reservationen sind in 45 Agenturen vertheilt, von denen eine jede ihren vom Präsidenten ernannten Agenten mit einem vollzähligen Apparat von Verwaltungsbeamten, Aerzten, Schreibern, Schullehrern, Farmern und Handwerkern besitzt. Die Gesammtzahl der in den Reservationen angestellten Weißen beträgt etwa 3000. (Im Dienste der Regierung und auf ihren Zahllisten stehen überdies 1500 Rothhäute, zumeist in den Agenturen angestellt, so z. B. 123 als Richter, 53 als Dolmetscher, 11 als Kanzlisten, 4 als Aerzte und Hilfsärzte usw.) Einige Agenturen stehen unter militärischer Verwaltung mit einem Officier aus der Landesarmee an der Spitze einer größeren oder kleineren Truppenmacht. Die Indianer-Polizei zählt 770 Indianer-Polizisten, die Officiere eingerechnet. Interessant ist zu sehen, wie sich diese letzten Reste der Uramerikaner auf die verschiedenen Staaten vertheilen. In den Oststaaten findet sich bloß noch eine kleine Handvoll. Davon kommt die Hauptmasse (6044), die Ueberbleibsel der einst so mächtigen „sechs Nationen" auf den Staat New-Aork. 5309 Köpfe leben hier noch in selbstständigen Reservationen unter ihren eigenen Häuptlingen und nach ihren alten Traditionen, während 735 als civi-vilisierte, steuerpflichtige und stimmfähige Bürger unter den Weißen wohnen und sich in kleineren Gruppen auf die verschiedenen Counties vertheilen. Die große Hauptmasse der Indianer ist an die äußersten Grenzen der Union geschoben. So leben 51,279 im Indianer-Territorium, 12,177 in dem davon vor wenigen Jahren abgeschiedenen Aklahama, 29,981 in Arizona, 19,854 in Süd-Dakota, 15,044 in Neu-Mexiko, 11,206 in Montana, 11,181 in Washington, 10,096 in Minnesota, 16,624 in Ca-lifornien usw. WaS die wirtschaftliche sociale Lage deS rathen Mannes unter der weißen Vormundschaft angeht, so ist sie kläglich genug. Die einstigen Herren der ununermesslichen Prärien leben heute in 147 Reservationen zusammengedrängt, die zusammen einen Grundbesitz von 83,784,349 Acres darstellen. Dies Gebiet scheint groß, ist aber zu klein, um wie ehemals den Lebensunterhalt durch die Jagd allein zu bieten, zumal der Büffel, einst das vornehmste Wild, so gut wie ausgerottet ist. So drängt schon die Noth die Indianer zum sesshaften Leben und zum Ackerbau. Eine Anzahl von Stämmen hat sich dank besonders günstigen Umständen auf diese Weise zum Wohlstand und zu einem gewissen Culturzustand emporgeschwungen. Wenn aber die Mehrzahl nicht dazn gelangt ist, so darf die Schuld daran keineswegs allein oder in erster Linie dem Indianer selbst zugemessen werden; sie trifft in weit höherem Maße die Regierung und ihre Agenten. Ein großer Theil des reservierten Landes ist schlecht und zum Landbau untauglich, und der Misserfolg schreckte die Rothhäute, ohnedies Neulinge auf diesem Gebiete, vor weiteren landwirtschaftlichen Versuchen ab. Viehzucht würde sich besser lohnen und ist in letzter Zeit stark gefördert worden. Vor allem aber müsste der Indianer zu dieser neuen Lebensweise mit Geschick und mit Liebe und Güte erzogen werden. Allein statt die Kirche und ihre Missionäre, die sich allein als die wahren Freunde und Erzieher der unterdrückten Rasse bewährt haben, in ihrem segensvollcn civilisatorischen Werke ruhig zu belassen und zu unterstützen, hat die Regierung alle möglichen Hindernisse in den Weg gelegt und durch rücksichtslose Maßnahmen ihre erfolgreichen Schöpfungen wieder vernichtet. Die gesummte Verwaltung für Reservationen wurde in die Hände von Laicn-agenten gelegt, die, ehrenvolle Ausnahmen abgerechnet, weniger das Wohl des Indianers, als ihren eigenen Vortheil im Auge haben. „Aus seiner Agentur" schreibt ©rinnet in seinem Werke The Indians of To-Day, „hat der Agent die Macht eines Zaren. Er kann nach Gutdünken jedem missliebigen Indianer den Brotkorb höher hängen, kann jeden Mann nach seiner Laune in das Gefängnis stecken, kann ihm seine Werkzeuge, seinen Viehstand und selbst seine Wohnung nehmen und schließlich, wenn es ihm einfällt, jedes Ehepaar gewaltsam scheiden. Unter solchen Umständen wagt der Indianer gar nicht eine Klage zu erheben, denn bringt er eine Klage vor das Indianer-Bureau, so wird dieselbe sofort dem betreffenden Agenten zugesandt, damit er sich rechtfertige, und während der Monate, die zur endgiltigen Entscheidung verstreichen, hat dann der Indianer an seinem Agenten den üi'crmijcljte Nachrichten. 255 bittersten Feind. Bei einem solchen System ist nur zu verwundern, dass so wenig Gewaltthaten seitens der Indianer vorkommen. Die Versuchung für die Agenten, die meist schlecht bezahlt sind, ihre Stellung zu missbrauchen, ist groß. Aller Wahrscheinlichkeit nach gibt cs in den Vereinigten Staaten keinen einzigen Stamm, der unter richtiger Leitung sich nicht vollständig selbsterhaltei.d machen könnte." Wie die Ver- hältnisse aber sind, ist wenig Hoffnung, die durch das „Feucrwnsser", durch die Laster der Weißen, durch ihre entwürdigte Lage schon so stark erniedrigte und verdorbene Rasse bleibend zu erhalten. Wenn Amerika seine Jndianerpolitik auch auf die neuen Besitzungen auf den Antillen und in Oceanien übertrügt, dann sind die dortigen Eingebornen tief zu bedauern. Verbreitung der Religionen auf dem Erdkreise. Europa Asien Afrika Amerika Australien Summe Katholiken . . 189,000,000 11,020,000 2,900,000 69,180,000 1,100,000 273,200,000 Protestanten' . 89,000,000 760,000 1,700,000 66,300,000 3,300,000 161,060,000 Griechen . . . 100,000,000 9,200,000 4,800,000** — — 114,000,000 Muhamcdancr . 8,000,000 122,800,000 70,000,000 — — 200,800,000 Juden . . . 8,000,000 270,000 400,000 100,000 — 8,770,000 Heiden . . . 1,000,000 685,000,000 96,000,000 1,800,000 1,600,000 785,400,000 Summa 395,000.000 829,050,000 175,800,000 137,380,000 6,000,000 1543,230,000 * Evangelische aller Bekenntnisse und Sceten zusammengerechnet. ** Griechisch-orientalische Kopten. Christen*** Muhamcdancr Juden Heiden Summe Europa................. 378,000,000 8,000,000 8,000,000 1,000,000 395,000,000 Asien................... 20,980,000 122,800,000 270,000 685,000,000 829,050,000 Afrika................... 9,400,000 70,000,000 400,000 96,000,000 175,800,000 Amerika................ 135,480,000 — 100,000 1,800,000 137,380,000 Australien und Oceanien 4,400,000 — — 1,600,000 6,000,000 Summe 548,260,000 200,800,000 8,770,000 785,400,000 1543,230,000 *** Katholiken, Protestanten, Griechen, schism. Armenier und Kopten usw. Nimmt man die Einwohnerzahl unseres Erdballs ans rund 1540 Millionen Menschen an, mnS nicht zu hoch gegriffen, sondern der Wahrheit ziemlich nahe sein dürfte, so entfällt ans die einzelnen Religionsbekenntnisse folgender Procentsatz: Katholiken 17*7 °/o oder 1/r> Protestanten 10-5% „ Vo Griechen, Kopten 7'4°/o „ Vis Muhamcdancr 13-0°/o „ Vo Israeliten 0-5 o/0 „ V170 Heiden (Bramahnen, Buddhisten, Confntscancr, Fctischanbctcr) 50-9 % 1/3 der Erdbevölkerung. Die eine Hälfte der Erdbevölkerung sind also M o n o t h e i st e n, die andere Polytheisten. Ungefähr der dritte Theil der Erde ist christlich zu nennen. Daraus mag sich, wer will, berechnen, wie lange cs etwa noch währen wird, bis das Evangelium Christi auf dem ganzen Erdkreis verbreitet sein wird und zwar so, dass jeder Heide wenigstens die Möglichkeit und Gelegenheit hat, die ewigen Heilswahrheiten zu hören. ged. am 7. August i$73, ein gewissenhafter und erbaulicher Ordensmann. ein frommer Priester und seeleneifriger Missionär, gieng am is. 3uli in das bessere 3cnscit$ hinüber. Gott sei sein ewiger Lohn! Wir behalten uns vor, dem theuern Todten, dem ersten deutschen und österreichischen und überhaupt ersten Priester unserer Gesellschaft, der in Afrika starb, im „Stern der Heger ein gebürendes Denkmal zu setzen. Für die Schriftleitung: P. Xaver Geyer F. S. C., Oberer. — Druck von A. Wegcr's fb. Hofbuchdruckerci, Brixen.