61_3 KRONIKA 2013 1.01 Izvirni znanstveni članek UDK 728.81(436.8)"11" Prejeto: 19. 10. 2013 Patrick Schicht DI DDr., Hauptstraße 2, A - 2391 Kaltenleutgeben E-pošta: patrick.schicht@bda.at Die Reichenburg als Bestandteil des hochmittelalterlichen Burgenbaus der Salzburger Erzbischöfe KURZFASSUNG Im Rahmen einer Dissertation hat der Autor dieses Beitrags bereits den hochmittelalterlichen Burgenbau der Erzbischöfe von Salzburg untersucht. Auf dieser Basis konnten nun die neuen Ergebnisse zur Reichenburg auf Parallelen in Architektur und Bautechnik beleuchtet werden. Tatsächlich zeigen sich an den Bauphasen des 12. Jahrhunderts enge Analogien, die eine direkte Verwandtschaft der einzelnen Burgenbaustellen vermuten lassen. Der Typus des dominanten Hauptgebäudes wiederholt sich ebenso wie gewölbte K^apellentürme mit auskragenden Apsiden, auch die Mauerstrukturen sind gut miteinander vergleichbar. Es wird deutlich, dass der Salzburger Burgenbau ein planmäßiger Teil eines umfassenden Bauprogramms der Erzbischöfe war, das die Reichenburg durch ihren gut erhaltenen Bestand hervorragend repräsentiert. SCHLÜSSELWÖRTER Salzburger Burgenbau, hochmittelalterliche Residenz, Burgengruppe, Burgentypologie IZVLEČEK GRAD RAJHENBURG KOT SESTAVNI DEL GRAJSKE GRADBENE DEJAVNOSTMI SALZBUR^ŠKIH NADŠKOFOV V VISOKEM SREDNJEM VEKU Avtor prispevka se je že v svoji disertaciji posvetil gradnji gradov salzburških nadškofov v visok^em srednjem veku. Na tej osnovi in na podlagi novih izsledkov o gradu Rajhenburg je bilo mogoče isk^ati vzporednice v arhitekturi in tehniki gradnje. Gradbene faze gradu iz 12. stoletja dejansko kažejo veliko podobnosti z nekaterimi drugimi gradovi salzburških nc^dškofov, iz česar je mogoče sklepati, da so obstajali neposredni stiki med posameznimi gradbišči. Ponavljajo se tako tip dominantne glavne stavbe kot tudi obok^ani stolpi k^apel z izstopajočimi apsidami. Tudi strukture zidovja so med sabo dobro primerljive. Vidi se, da je bila salzburška gradnja gradov del načrtnega obširnega gradbenega programa salzburških nadškofov, za kar je grad Rajhem svojo do danes ohranjeno gradbeno substanco zelo dober primer. KLJUČNE BESEDE Gradnja gradov salzburških nadškofov, visokosrednjeveška rezidenca, skupina gradov, tipologija gradov PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 2013 Aufgabenstellung In den Jahren 2004-2006 hat der Autor dieses Beitrags ausgehend von der Salzburger Hauptburg Hohensalzburg bedeutende Wehrbauten des 11. bis 13. Jahrhunderts im Erzbistum untersucht.1 Dabei konnten mehrfach enge Parallelen in Architektur, Ausstattung und Bautechnik belegt werden, die eine direkte Verbindung unter den Burgenbaustellen vermuten ließen. Auch für die Reichenburg wurden solche Analogien aufgezeigt.2 Nach freundlicher Vermittlung von Miha Prein-falk hat Igor Sapač im Jahr 2012 dazu eingeladen, auf Basis der Ergebnisse seiner kürzlich erfolgten Untersuchungen in der Reichenburg diese Parallelen zu anderen Salzburger Anlagen zu aktualisieren und in der hiermit vorliegenden Monographie als eigenen Beitrag zu publizieren. In der Folge entstand ein reger, sehr fruchtbarer Austausch von Erkenntnissen und Interpretationen, die als Basis dieses Textes dienten.3 Da Igor Sapač bereits einen großen Teil der regionalhistorischen und bauhistorischen Einordnung der Reichenburg vornimmt (siehe eigene Texte), kann das in diesem Beitrag kurz gehalten werden.4 Die Schwerpunkte liegen daher auf der komplexen hochmittelalterlichen Bauzeit der Reichenburg, deren einzelne Bauphasen mit anderen Salzburger Anlagen dieser Epoche verglichen werden. Dadurch können die von Igor Sapač vorgelegten Datierungen bestätigt und verfeinert sowie die Reichenburg in das Baukonzept des Salzburger Erzbistums eingeordnet werden.5 Methodik Die traditionellen Praktiken der Mittelalterforschung konzentrieren sich auf schriftlich überlieferte Daten, kunsthistorisch datierbare Aus- Schicht, Die Festung Hohensalzburg. Schicht, Bollwerke Gottes, S. 229 f. Leider war dem Autor aus Zeitgründen kein neuerlicher Besuch auf der Reichenburg möglich, sodass die aktuellen Erkenntnisse von Igor Sapač nicht vor Ort gemeinsam diskutiert werden konnten. Dabei ist durchaus festzuhalten, dass grundlegende Interpretationen unterschiedlich geblieben sind, weshalb sich beide Beiträge nicht konsequent decken. Es wird dem Leser die Möglichkeit gegeben, die Komplexität der sehr lückenhaften Baugenese mit den darauf aufbauenden, teilweise hypothetischen Rekonstruktionsversuchen als solche bewusst wahrzunehmen. Die Reichenburg ist kein einfaches, zwiebelförmig gewachsenes Bauwerk, dessen Erforschung hiermit abgeschlossen ist. Ihre Analyse ist vielmehr eine ständige „work in progress", bei der jede neue restauratorische oder archäologische Untersuchung grundlegende neue Erkenntnisse bringen wird, frei nach dem Motto „Wissenschaft ist Irrtum auf dem letzten Stand". Nicht Gegenstand dieses Beitrags können die Einbettung in den regionalen Burgenbau sowie die späteren Bauphasen der Reichenburg sein, die ebenfalls gesondert von Igor Sapač vorgenommen werden. stattungen und archäologische Artefakte sowie naturwissenschaftliche Materialanalysen. Als wesentlich weniger sicher gelten typologische und handwerkliche Vergleiche, wenngleich gerade diese für den Architekturhistoriker und Bautechniker einzigartige Belege für lokale sowie überregionale Forschungsthemen bieten. Vor allem an Burgen, deren komplexe aber meist schmucklose Bauteile oft keine eindeutigen Datierungen durch Historiker, Kunsthistoriker oder Archäologen zulassen, können damit wertvolle Mosaiksteine zur Baugenese gesammelt werden.6 Dieser Beitrag konzentriert sich auf diese zwei vergleichenden Forschungszweige: Die Bautypologie ermöglicht mit ihrer Gegenüberstellung von horizontalen Grundrissen verschiedener Burgen nicht nur den Nachweis von ähnlichen Geschoßen mit analogen Gebäude- und Raumaufteilungen, auch Aufrisse, Gebäudequerschnitte und letztlich die gesamten Kubaturen (Proportionen, Staffelungen, Ausrichtungen etc.) belegen gleichartige Baukonzepte oder zumindest zeittypische Architektur-Moden. Die Bautechnik gibt hingegen wertvolle Einblicke in den organisierten Arbeitsalltag auf der Baustelle. Neben allgemeinen Beobachtungen zur analogen Baumethode an Mauerstärken, Geschoßrücksprüngen, Rüstholzrastern und Arbeitsfugen zeigt die Verlegetechnik eine relativ gut nachvollziehbare zeitliche Entwicklung. So änderte sich überregional die Charakteristik der Steinstruktur im Lauf der Jahrhunderte merklich, Eckverbände, Fen-sterrahmungen und Gewölbe wandelten sich kontinuierlich und die Bearbeitung der einzelnen Materialen wurde immer effizienter.7 Auch das Außenbild durchlief eine Evolution vom frei sichtbaren Quadermauerwerk zu flächig verputzten Wandscheiben. Neben der oftmals überbewerteten zeitlichen Einordnung der Bautechnik interessieren vor allem direkte Analogien zu anderen Baustellen. So gelang im Salzburger Burgenbau mehrfach der Be- Die vergleichende Analyse von Mauerstrukturen ist auf- grund mangelnder Fixdatierungen noch weitgehend von der persönlichen Erfahrung des Forschers abhängig, die einschlägige Literatur bietet verschiedene Interpretationsmodelle, die sich kaum über größere Regionen verallgemeinern lassen, Ansätze zur Methodik sowie Literatur bei: Schicht, Die Burgruine Hardegg, S. 5 f, eine Zusammenfassung der deutschen Mauerwerkslandschaften findet sich in: Burgenforschung aus Sachsen Bd. 12, Weissbach 1999. Die Problematik macht sich umso deutlicher bemerkbar, als vergleichbar frühes Mauerwerk in Österreich kaum erhalten bzw. datiert ist, und nicht zuletzt gerade in der Frühzeit noch kein annähernd einheitlicher Mauerverbandskanon bekannt war. Für Salzburg versuchsweise bei Schaber 37. Dabei gibt es allerdings zahlreiche Ausnahmen und Einschränkungen, die meist von den materiellen und finanziellen Ressourcen sowie lokalen Traditionen abhängig sind. Vgl. dazu Kühtreiber, Wehrbauten und Adelssitze. 6 4 5 7 2013 PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 Grundriss der Reichenburg mit Hervorhebung der im Beitrag behandelten romanischen Bauphasen. leg, dass im Sakralbau geschulte Handwerker auch am Profanbau tätig waren.8 Das erstaunt natürlich keineswegs in Anbetracht der geistlichen Bauherren, es öffnet jedoch neue Perspektiven auf deren handwerkliche und planerische Ressourcen. Leider gibt es auch zwei schmerzliche Einschränkungen für diesen Beitrag: die weitgehende Unkenntnis der slowenischen Burgenlandschaft des Hochmittelalters und die Unkenntnis der slowenischen Sprache, wodurch naturgemäß auch zahlreiche Forschungspublikationen verschlossen bleiben.9 Beides wird zwar von Igor Sapač ausführlich behandelt, folgend muss aber vorwiegend auf dem deutschen Sprachraum mit seinem Baubestand und seiner Fachliteratur aufgebaut werden. Eine frühe Burg unter Erzbischof Gebhard (1060-1088) oder Konrad I. (1106-1147)? In der Reichenburg wurde im Jahr 1979 bei Grabungen im Hof eine hochmittelalterliche Gebäudeecke gefunden, die nur schwer zu deuten ist.10 Es handelt sich um einen massiven rechtwinkeligen Unterbau von etwa 2,6 x 3,4 m, bei dem keine Mauerstärke befunden werden konnte (der Vgl. dazu ausführlich Schicht, Bollwerke Gottes, S. 295f. Bei der Übersetzung des Beitrags von Igor Sapač half dankenswerter Weise Gorad Živkovič. Stopar, Burgen und Schlösser; Stopar, Rajhenburg; Slabe, Raziskave; Kramberger, Možnosti rekonstrukcij. Bereich ist bis heute im Boden in einem Schacht einsehbar). Aus dem sorgfältigen Eckverband und der vermutlich sehr großen Mauerstärke war damals ein ehemals höherer Bau, eventuell ein Turm, zu indizieren. Igor Sapač gelang nun der Nachweis, dass es sich tatsächlich um einen Turm gehandelt haben dürfte, zeichnen sich doch im benachbarten Palas passende Baufugen ab, die als Negativ dieses Baus zu werten sind. Demnach rekonstruiert Sapač einen quadratischen Turm von etwa 9 m Seitenlänge. Wie ist nun dieser Bau im lokalen Gefüge einzuordnen und zeitlich zu datieren? Zur relativchronologischen Verankerung können drei Fakten herangezogen werden. Einerseits steht der Turm frei im Hof und zeigt keine Abstimmung mit Winkeln oder Fluchten anderer Bauteile. Andererseits besitzt er ein charakteristisches kleinteiliges Blockmauerwerk, das isoliert auf der gesamten Burg zu finden ist. Nicht zuletzt verfügte die nächste Bauphase bereits über einen eigenen monumentalen Baukörper beim Tor. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass der Turm bereits vor den großen hochmittelalterlichen Bauphasen entstanden ist, die ihn ohne Verbund umgürten. Da diese Bauten bereits ins frühe 12. Jahrhundert datieren, lohnt sich ein Blick auf die politischen Verhältnisse der Zeit davor. Im mittleren 11. Jahrhundert entwickelte sich im sogenannten „Investiturstreit" ein handfester Machtkampf zwischen Kaiser und Papst, der vor allem im Süden und Osten des Reichs zu starken Zerstörungen und zu großen gesellschaftlichen Veränderungen führte, letztlich aber beiden Parteien nur schadete.11 1060 wurde der schwäbische Hochadelige Gebhard als Kanzler des Reichs von der Kaiserinwitwe Agnes zum Erzbischof von Salzburg ernannt, um im Machtkampf eine strategische Stütze in den Ostalpen zu bilden. Tatsächlich führte Gebhard dem König noch 1075 ein Truppenkontingent im Kampf gegen Sachsen zu. Kurz darauf wurde der König jedoch vom Papst wegen einer Bischofsernennung in Italien gerügt und nach Rom beordert. Er berief daraufhin selbst eine Reichsfürstenversammlung in Worms ein und erklärte die Absetzung des Papstes. Als Antwort verhängte Gregor VII. aber den Kirchenbann über den König und sprach ihm die Regierung in Deutschland und Italien ab. Erzbischof Gebhard stellte sich bald klar auf die Seite des Papstes und wurde sein wichtigster Kämpfer in Deutschland. Dieser Abfall vom eigenen König hatte handfeste innenpolitische Gründe. Die Reichskirche verdankte dem König zwar den Großteil ihrer Besitzungen und weltlichen Herr- 11 Historische Daten aus: Dopsch, Anfang und Aufstieg, S. 41 f. PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 2013 schaftsrechte. Er bestimmte aber auch die Kandidaten, die meist aus seiner Hofkapelle stammten, und konnte durch sein „Obereigentum am Reichskirchengut" auch alle Bischöfe wieder absetzen. Das vom Papst geforderte Verbot der Laieninvestitur eröffnete nun die Möglichkeit, sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen. Obwohl der König 1077 nach Canossa zog und beim Papst tatsächlich die von den Fürsten geforderte Lösung des Kirchenbannes erreichte, wurde unter Teilnahme Gebhards ein Gegenkönig gewählt, der sogleich sämtliche Forderungen der Kirche anerkannte. Für das Einflussgebiet von Salzburg war dies eine lange Zeit der politischen Unsicherheit. Königliche Parteigänger plünderten Kircheneigentum, der gespaltene Adel musste durch Zugeständnisse bei Laune gehalten werden, 1076 wurde der wichtige Stützpunkt Friesach vom steirischen Markgrafen Adalbero überfallen und angezündet. Laut Gebhards Biografen wurden daher 1077 der Pass Lueg sowie die Burgen Hohensalzburg und Hohenwerfen errichtet und eine bereits vorhandene Anlage in Friesach erneuert. In der Biographie seines Nachfolgers Konrad werden weitere Bauten als bereits bestehend genannt, sodass im späten 11. Jahrhundert auch an der Reichenburg mit Baumaßnahmen durchaus gerechnet werden kann, wenngleich dafür die schriftliche Uberlieferung fehlt.12 Doch auch für einen zweiten Erzbischof gibt es gute Argumente als Bauherrn des Turms. Nach Jahren rasch wechselnder Amtsinhaber, die kaum die Zeit für größere Baumaßnahmen hatten, ernannte König Heinrich V. im Jahr 1106 den fränkischen Grafen und Hofkapellan Konrad von Abenberg im Alter von 31 zum neuen Leiter Salzburgs. Unter seiner langen Amtszeit sollte die Stadt Salzburg einen wahren Bauboom erleben.13 Schon 1112 überschlugen sich aber zunächst die Ereignisse,14 Konrad hatte sich ähnlich wie zuvor Gebhard gegen den König und für den Papst eingesetzt und musste nun überstürzt vor seinen eigenen aufständischen Adeligen in die Steiermark bzw. nach Sachsen fliehen,15 von wo er erst nach 10 Jahren Exil zurückkehren konnte,16 um schließlich noch 25 Jahre zu regieren. Nach der Rückkehr begann Konrad auf mehreren Ebenen mit einer umfangreichen Reform seines Einflussbereiches: das Kirchensystem wurde umgestellt,17 verlässliche Dienstmannen als Be- 12 Die bewegte Geschichte Salzburgs unter Gebhard belegt deutlich den großen politischen Einfluss des Erzbischofs sowohl auf die Region als auch auf die Reichspolitik. Nicht dem Herzog sondern dem Erzbischof unterstanden die wichtigsten Alpenpässe. Entscheidenden Anteil am politischen Geschick hatten die Burgen, deren Aufgaben weniger in der Verwaltung als vielmehr in überregionalen Stützpunkten und Landessperren lagen. Darin zeigt sich bereits bei diesen ersten Wehranlagen ein deutlicher Unterschied zu den klassischen Adelsburgen, die ab dem 11. Jahrhundert als Wohn- und Verwaltungssitze der regionalen Herrschaft entwickelt wurden. Ebenso deutlich zeigt sich aber auch die enorme Wichtigkeit der untergeordneten bzw. befreundeten Adeligen, die als regionale Machthaber entscheidenden Anteil am Erfolg der Landesherren hatten. In letzter Konsequenz entschied der Verein der Landherren über die politische Zugehörigkeit, und das bisweilen auch über höchstrangige Vorgaben hinweg. Diese durchaus neuartige Entwicklung, die sich deutlich von den älteren Herrschaftskonzepten absetzte, darf auch den Schwächungen der Zentralgewalten im Zuge des Investiturstreites angerechnet werden. So lässt sich gerade im Salzburger Gebiet deutlich die vermehrte Vergabe von Lehen und Befugnissen an den lokalen Adel beobachten, was naturgemäß zu seiner Stärkung und Aufwertung als eigenständige Gesellschaftsschicht führen musste. Tatsächlich fiel in Deutschland in diese Epoche auch die Entwicklung der klassischen Adelsburgen, die in der Folge zum eigentlichen Träger der Landespolitik werden sollten. In Salzburg zeichnete sich jedoch durch das Engagement des Erzbistums eine andere Lösung ab. Er ließ eigene, ihm direkt unterstellte Wehrbauten errichten, deren strategische Ausrichtung schon zu Beginn eine überregionale Festigung seines Besitzes erlaubte, wie sie eigentlich eher vom Herzog zu erwarten wäre. Auch diese bemerkenswerte Machtsteigerung ist nur durch die Schwächung der Regierenden zu erklären, eine einschlägige historische Untersuchung zur Rechtsstellung dieser frühen kirchlichen Wehrbauten steht aber noch aus. Ebenso fehlt eine intensive historische Forschung über die Zugehörigkeit der frühen Ministerialen in Salzburg, Kärnten, der Steiermark, Österreich und Bayern zu geistlichen Grundherren. So lässt sich an dieser Stelle nur festhalten, dass in den Urkunden dieser Zeit bereits auffallend viel Adelssitze auf Kirchengrund auftauchen, die dort ansässigen Familien sind nicht selten als direkte Parteigänger des Erzbischofs nachzuweisen. Daraus ließe sich schließen, dass ihm neben den großen Hauptburgen auch zahlreiche kleinere Befestigungen unterstanden, die als eigentliche Träger der Macht bereits ab dem 11. Jahrhundert wesentlichen Anteil an der Durchsetzung Salzburger Interessen hatten. Die Zahl der direkt unterstellten Burgen mag zu dieser Zeit sogar noch höher gewesen sein als später, lässt sich doch an mehreren Burgen eine stillschweigende Übernahme durch Pfleger beobachten. Weitere erzbischöfliche Burgen wurden im Zuge des Investiturstreites an Getreue ausgegeben. Nicht zuletzt soll auf die wirtschaftliche Funktion dieser verbreiteten erzbischöflichen Verwaltungssitze hingewiesen werden. Gebhard forderte erstmals eine volle Zehentzahlung in allen Gebieten seines Bistums ein, auch von der slawischen Bevölkerung, der bis dahin Sonderkonditionen eingeräumt worden waren. Diese Einnahmen wurden durch die lokalen Burgen ermöglicht, sie dienten aber auch umgekehrt deren Aufbau und Erhalt. 13 Er plante gleich zu Beginn Neubauten der bischöflichen Residenz, des Domes, des Almkanals und eines Armenspitals, auch die älteste mittelalterliche Stadtbefestigung wird in seine Frühzeit gesetzt, vgl. Dopsch, Hoffmann, Ges^chichte, S. 133 f. 14 Weltin, Der Ostalpenraum, S. 351 f. 15 Ausschlaggebend war eine misslungene Verschwörung, die vom Burggrafen von Hohensalzburg mit der Gefangennahme und Blendung des Anführers geahndet wurde. Vgl. Dopsch, Hoffmann, Geschichte, S. 134. 16 Erst nach intensiver Vermittlung durch den bayrischen Herzog und den Markgrafen Leopold III. von Österreich, vgl. Hermann, Geschichte der Erzabtei St. Peter, S. 210. 17 Im Zuge der Kanoniker-Reform verlangte er etwa die Unterwerfung des Domkapitels unter die Regel des hl. Augustinus und zwang es damit zu einem klösterlichen Leben, die Benediktiner-Mönche von St. Peter wurden aus 2013 PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 Schützer des Kirchengutes eingesetzt und die Verwaltung und Verteidigung sorgfältig geregelt. Nicht zuletzt sollten erzbischöfliche Burgen die Residenzstadt sowie neuralgische Punkte der Herrschaft sichern, so wurden gemäß seiner Biographie unter anderem Hohenwerfen und Friesach ausgebaut, in Leibnitz, Deutschlandsberg, Pettau und Reichenburg wurden Wehrbauten praktisch neu errichtet. Konrad ließ somit sein ganzes Herrschaftsgebiet reformieren und prägte es strukturell sowie baulich. Interessanter Weise findet sich analog zur zweigeteilten Regierungszeit auch ein mehrphasiges Bauprogramm an seinen Burgen. Hohensalzburg, Hohenwerfen, Friesach und Pettau zeigen in bemerkenswerter Übereinstimmung während seiner Regentschaft unterschiedliche Etappen, die durch Baufugen, vor allem aber durch unterschiedliche Bautypologien eindeutig fassbar sind. In der Reichenburg ist die Hauptbauphase mit Bestimmtheit der zweiten Amtszeit von Erzbischof Konrad zuzuordnen. Somit kann es durchaus sein, dass er in einer ersten Phase gleich kurz nach seiner Ernennung 1106 mit dem Turmbau begonnen hat, aber aufgrund seines Exils abbrechen musste, um danach in anderer Form weiterzubauen. Typologisch kann ein einfacher quadratischer Turm naturgemäß wenig zur Datierung beitragen. Als feste Rückzugsorte zählten Türme zur Grundausstattung von Burgen von der Frühzeit bis zum Ende des Mittelalters. Dennoch gibt es zwei interessante Vergleichsbeispiele an Salzburger Burgen. In Schloss Pettau wurden 1946/47 sowie 1978 auf der Turnierterrasse Grabungen durchgeführt, die neben Funden aus prähistorischer und antiker Zeit auch zahlreiche mittelalterliche Mauern zum Vorschein brachten, deren Interpretation und Datierung jedoch stark polemisiert wurde.18 Kernstück der Ergebnisse war das vermutliche Negativ eines ähnlich großen quadratischen Turmes, der den westlichen Sporn des Grates besetzte. Leider gab es keine verlässlichen Hinweise zur Datierung des Turmes, der vereinzelt sogar in die Spätantike oder ins Frühmittelalter gestellt wurde.19 Dem entgegen erbrachten die Grabungen 1978,20 dass es hier noch im 10. und 11. Jahrhundert ein Gräberfeld gab, als der Turm möglicherweise (noch?) genutzt wurde. der Verfügungsgewalt ausgeschieden und erhielten einen eigenen Klosterbereich, weiters gründete oder reformierte Konrad zahlreiche Klöster, die als Basen für die kirchliche Reform dienten. Vg. Hahnl, Die bauliche Entwicklung, S. 844 f. 18 Tušek, Zaščitno izkopavanje, str. 13, Korošec, Slovansko svetišče, str. 25. Nach freundlicher Mitteilung von Igor Sa-pač geht die heutige Forschung von einem spätantiken Burgus aus, vermutet jedoch aufgrund historischer Darstellungen einen frühen Hauptturm in der Kernanlage. 19 Stopar, Burgen und Schlösser, S. 58. 20 Tušek, Zaščitno izkopavanje. Die wenigen sekundär erhaltenen Baureste des Bauwerks deuten auf einen im Hochmittelalter zumindest stark umgebauten Wehrbau, der teilweise aus älterem antiken Material errichtet wurde (spätes 11./frühes 12. Jh.?). Auch in der Salzburger Hauptburg der Steiermark in Leibnitz (heute Schloss Seggau) gab es bis 1816 einen großen Turm, der durch historische Ansichten und Pläne sowie kürzlich durchgeführte Grabungen21 dokumentiert ist. Der quadratische Bau hatte etwa 15 m Seitenlänge und war durch die gut sichtbare Verbauung zahlreicher römischer Fragmente charakterisiert. Während bislang eine Datierung ins Hochmittelalter als gesichert galt, wird nun auch der Wiederaufbau eines spätantiken Burgus im 11. oder frühen 12. Jahrhundert diskutiert. Nicht zuletzt muss betont werden, dass die anderen Salzburger Burgen im mittleren 12. Jahrhundert keine derartigen Zentraltürme aufwiesen, man bevorzugte bereits den Typus des Festen Hauses, das besser wehrhafte und repräsentative Funktionen vereinen konnte. Türme waren allenfalls den zugehörigen Burgmannen vorbehalten, die ihren Platz außerhalb des Zentrums fanden (Friesach). Die Bautechnik kann beim äußerst fragmentiert erhaltenen Turm der Reichenburg nur bedingt Hinweise liefern. Der Mauerverband zeigt sorgfältig gefügte quaderhafte Blockstrukturen mit isoliert größerem Eckverband. Es zeichnet sich trotz der geringen erhaltenen Flächen ein deutlicher zonaler Wechsel von Bereichen kleinerer Platten mit größeren Formaten ab, einige Reihen integrieren hochgestellte Quader. Alles das sind Indizien für eine Entstehung im 11. Jahrhundert bzw. um 1100.22 Auch die frühen Burgkapellen von Hohensalzburg, Hohenwerfen und Friesach dieser Zeit zeigen analoge Verbände. Leider gibt es aber in der frühen Epoche des Burgenbaus noch eine lange, kaum verändernde Laufzeit der Bautechniken, sodass entsprechende Charakteristika jedenfalls noch bis ins 12. Jahrhundert nachzuweisen sind. Somit passt das Mauerwerk des Turms zwar gut in die Zeit vor den großen Baumaßnahmen, ein eindeutiger Nachweis ist damit jedoch nicht möglich. Insgesamt kann im Vergleich von Typologie und Bautechnik jedoch durchaus postuliert werden, dass bereits im Rahmen des Investiturstreits der Bau eines Turms in Reichenburg begonnen wurde, wohl um die exponierten Besitzungen im Süden zu sichern. Gleiches erfolgte wohl parallel dazu in Pettau und Leibnitz. 21 Karl, Schrettle, Wrolli, Turrim eciam, S. 33. 22 Zu frühen Turmbauten und ihr Mauerwerk in den Ostalpen zuletzt Schicht, Die Schallaburg, S. 300. PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 2013 R^eichenburg, Steinverband am Turmrest im Hof. Hohensalzburg, Ausschnitt der Westwand der romanischen K^apelle. Der stark reduzierte Sockel des Turms erlaubt k^eine exakten Datierungen, die Struktur passt mit ihren Quadergrößen, den wechselnden Formaten, den plattigen Einlagen und den großen Eckquadern immerhin gut zur K^apelle von Hohensalzburg, die um 1100 zu datieren ist. Ein Großausbau unter Konrad I. (1106-1147) Der Hauptteil der heutigen Reichenburg wurde in einer einzigen großen Bauphase errichtet, die relativ sicher dem mittleren 12. Jahrhundert zuzuordnen ist. Um diese Burg anderen gegenüber stellen zu können, muss sie naturgemäß erst aus dem komplexen Baugefüge herausgeschält werden. Dafür ist sehr dienlich, dass sie isoliert durch ein sorgfältiges Großquadermauerwerk charakterisiert ist, das zudem vor allem außen unverputzt einsehbar ist. Trägt man diese Strukturen in einen Plan ein, so zeigt sich eine konsequent geschlossene Ringmauer mit Mauerstärken um 1.30 m. Trotz des ovalen und steil abfallenden Geländes suchte man die polygonale Konzeption von kurzen geradlinigen Wänden, die durch stumpfe Winkel verbunden wurden. Lediglich nach Südosten bilden zwei 29 bzw. 34 m lange Hauptseiten einen kielförmig ins Tal blickenden rechten Winkel. Weniger gut ist die Eingangsfront im Norden erhalten. Hier wurden nur innen archäologisch Reste des Berings samt zentralem Torgewände nachgewiesen. Die dortige gesamte Außenfront ist durch einen gotischen Umbau (mit Verwendung der alten Quader) verblendet, sodass nicht einmal die Mauerstärke fassbar ist. Diese Außenfront dürfte immerhin noch fragmentiert in einem Turmanbau original erhalten sein,23 daher wird die primäre Tormauer kaum stärker als der übrige Bering gewesen sein. Einen Knackpunkt dieser Bauphase stellt ein monumentaler Bau in der Nordwestecke dar. Auch 23 Der Turm ist jedenfalls sekundär angesetzt. Auch eine dort bislang nicht schlüssig erklärte Baufuge an der östlichen Außenfront hilft hier nicht. Diese Fuge dürfte wohl zu einer ehemaligen Scharte gehört haben, da der Verband unter ihr durchläuft. Mangels Hinweisen auf eine größere Mauerstärke der Torfront und aufgrund der wohl originalen Partie im Turm wird in diesem Beitrag als nachvollziehbar angenommen, dass sie gleich bzw. nur geringfügig stärker war als der übrige Bering. Darin unterscheidet sich der Autor von Igor Sapač, der zu einer schildförmigen Wand tendiert, ähnlich der heutigen. 2013 PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 er zeigt auf drei Seiten analoges Großquadermauerwerk und dürfte in die gleiche Zeit datieren wie der Bering, obwohl die entscheidende Anschlussfuge im Süden durch spätere Verputze nicht einsehbar ist. Der Bau ist nicht völlig erhalten, wie eindeutige Ausrissfugen an den Einmündungen zur heutigen Torfront belegen, somit ist seine gesamte Nordpartie verloren. Die originalen Mauern im Süden umspannen bei Mauerstärken von 1,50 bis 1,80 m eine fast rechtwinkelige Fläche von 12 m Breite und unbekannter ehemaliger Länge. Ebenerdig gab es hofseitig ein großes Rundbogenportal, außen zeigen sich noch zwei originale Lichtschlitze. Die Rekonstruktion dieses Bauwerks ist für einen typologischen Vergleich mit anderen Burgen entscheidend. Der heutige schräge Abschluss im Norden ist jedenfalls sekundär, ursprünglich war der Bau höchstwahrscheinlich rechtwinkelig angelegt. Im Süden rückt er etwa 3 m vor die Flucht des Berings. Ergänzt man ihn gedanklich im Norden, bis er ebenfalls deutlich vor die Tormauer ragt, ergeben sich mehrere in sich passende Proportionen. Einerseits ist dann ein perfekter rechter Winkel möglich, andererseits liegt nun das benachbarte Portal eingerückt und geschützt, es ist seitlich einsehbar und passt in die Mauermitte, nicht zuletzt kann dann in der Westwand eine dritte Scharte rekonstruiert werden, die im gleichen Verhältnis wie die erhaltenen beiden die Längsseite regelmäßig gliedert. Da entsprechende archäologische Grabungen an der Außenseite keine Reste mehr nachweisen konnten, wird die einstige Ausdehnung wohl nicht mehr geklärt werden können. Für diesen Beitrag wird aufgrund der oben angeführten Indizien die Hypothese aufgestellt, dass dieser Bau ein ca. 12 x 19 m großes Festes Haus gewesen sein könnte. Typologisch ist zunächst der Bering zu betrachten. Polygonale Ringmauern mit geradlinigen Teilstücken und stumpfen Winkeln stellen ein Charakteristikum Salzburger Burgen dar. Keine einzige Anlage hatte runde oder ovale Mauern. Regelhaft wurden zumindest an einer Kante rechte Winkel trotz widriger Topographie geradezu konsequent herausgearbeitet, etwa in Hohensalzburg, Hohenwerfen, Friesach und Leibnitz. Hier passt die Reichenburg perfekt dazu. Völlig unterschiedlich sind jedoch die Dimensionen. Reichenburg zählt zu den kleinsten Anlagen, hatte aber zunächst auch keine analogen Residenzfunktionen für die erzbischöfliche Repräsentation zu erfüllen. Für die Einordnung in den Salzburger Burgenbau ist das postulierbare Feste Haus entscheidend. Vergleichende Untersuchungen in Deutschland zu salischen Burganlagen (1024-1125) ergaben, dass entsprechend längliche Hauptbauten mit einer zugehörigen Beringanlage im 11. und frühen 12. Jahrhundert die überwiegende Mehrheit ausmach- ten.24 Dies deckt sich auch gut mit zeitgenössischen Berichten über die Bautätigkeit von Bischöfen, so baute etwa Otto von Bamberg (1102-1139) in seiner Burg Kronach ebenfalls ein „Steinhaus" (domum |25 In Hohensalzburg hat sich ein vorbildhafter Bau perfekt erhalten. An der Spitze des Berges stand -heute durch allseitige Zubauten verdeckt — ein hohes Festes Haus von etwa 11 x 18 m mit Mauerstärken um 1,2 m. Innen ergibt das eine Fläche von 15,6 x 8.4 m. Die hypothetische Rekonstruktion des Festen Hauses der Reichenburg zeigt innen 15,2 x 8.5 m, also bis auf die Mauerstärken praktisch identische Größenmaße. Im Untergeschoß von Ho-hensalzburg gibt es gleiche Lichtscharten in ähnlich regelmäßiger Aufteilung, darüber lag allerdings ein repräsentatives Hauptgeschoß mit vielsäuligen Arkadenfenstern. Solche sind auf der Reichenburg nicht belegt, könnten aber in bescheidenerem Ausmaß durchaus vorhanden gewesen sein. Auch in der Salzburger Burg Friesach wurde ein ähnlicher Bau, allerdings mit komplexer Inneneinteilung errichtet. Neben dem älteren Gebhardsturm entstand ein etwa 10 x 18 m großes Festes Haus, das gleichfalls weit vor den Bering stand. Auch hier waren die zwei Untergeschoße durch schmale Lichtscharten in regelmäßiger Aufteilung beleuchtet, hier war das Hauptgeschoß allerdings durch die erzbischöfliche Privatkapelle besetzt. Beide Feste Häuser datieren etwa um 1120/50, also in die 2. Amtszeit Konrads. Als dritter Vergleichsbau ist der Palas der Salzburger Burg von Pettau heranzuziehen. Er ist leider nur zum geringen Teil erhalten und kaum erforscht, somit sind auch die Längenmaße mit Vorsicht zu konstatieren.26 Südlich des polygonalen Kernberings (1. Phase Konrads?) hat sich im rechtwinkelig anschließenden sogenannten südlichen Leslie-Flügel ein Teil eines ehemals großen Re-präsentativsbaus erhalten. Die einst etwa 18 m lange und 1 m starke Talfront zeigt sorgfältiges Großquadermauerwerk und eine Reihe homogener konischer Rundbogenfenster. Die weiteren Mauern des heutigen Gebäudes sind verputzt, seine Breite beträgt nun 9 m, dürfte jedoch einer Verkleinerung der Gotik entstammen. Somit wäre es durchaus wahrscheinlich, dass hier ebenfalls ein 18 m langes und ähnlich breites Festes Haus bestanden hat, das analog zu Friesach weit vor den Bering stand. 24 Böhme, Burgen der Salierzeit, S. 11. 25 Maurer, Die Entstehung, S. 310. 26 Nach freundlicher Mitteilung von Igor Sapač vermuteten frühere Forscher an dieser Stelle einen großen freistehenden „Konradsturm". Das basiert jedoch nur auf historischen Ansichten und ist vor Ort weder verifiziert noch nachvollziehbar. PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 2013 Hohensalzburg und Friesach, Turmhäuser der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts (später umbaut bzw. aufgestockt). 2013 PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 Ahnliche Monumentalbauten an Salzburger Burgen, alle 1. Hälfte 12. Jahrhundert. Demnach fügt sich das potentielle Feste Haus von Reichenburg in eine Reihe von gleichartigen und fast exakt gleich großen Bauten ein. Hohen-salzburg und Friesach entstanden wohl zur gleichen Zeit und vom gleichen Bauherren, bei Pettau ist das ebenfalls möglich, aber bislang nicht belegt. Während der typologische Vergleich eine außergewöhnliche konzeptionelle Verwandtschaft zu anderen Salzburger Burgen indizieren kann, deutet das Mauerwerk ebenfalls auf spezielle Handwerkertrupps. So zeigen die drei steirischen Burgen des Erzstiftes von Reichenburg, Pettau und Leibnitz fast exakt gleiche Großquaderstrukturen in konsequenten nahezu gleich hohen Lagen. Da ähnlich sorgfältiges Mauerwerk im Profanbau überregional kaum zu finden ist, kann vor allem an sakral geschulte Handwerker gedacht werden. Tatsächlich zeigt etwa der gleichzeitig vom Erzstift errichtete Klosterbau von Gurk/Kärnten analoge Strukturen. In den Kernländern Salzburgs sieht das zeitgleiche Mauerwerk sowohl an den Burgen (Hohen-salzburg, Hohenwerfen, Friesach) als auch an den Sakralbaustellen (Dom und Stift Nonnberg) deutlich anders aus. Hier dominieren - wohl aufgrund des extrem harten Dolomitgesteins — weniger sorgfältig zugerichtete Blockstrukturen mit ortsfremdem Tuffstein für die Gewändebereiche. Daher sind die dortigen Strukturen auch nicht direkt vergleichbar. Ein geplanter Saalbau? Bereits in dieser Hauptbauphase zeichnet sich am langen geraden Südbering die Vorbereitung für einen parallelen Hofeinbau mit intensiver Befen-sterung ab. Während an allen Mauern des Berings in größeren Abständen und nur auf einer Ebene Spähscharten auf einen innen umlaufenden Wehrgang deuten, finden sich an der Südmauer gleich drei primäre Niveaus von Fenstern. Zu unterst liegen in großen Abständen schmale Lichtschlitze. Darüber sitzen dicht nebeneinander 8 Lichtscharten, den Abschluss bildete das Hauptgeschoß, dessen sicher große und repräsentative Fenster heute durch spätere Umbauten verloren sind. Diese Dreiteiligkeit zeigt direkte Parallelen zu Hohenwerfen und Pettau. Im 2. Untergeschoß gibt es dort bei dem einen Saalbau 5 exakt gleiche Scharten, beim anderen waren es wohl 8, also sogar gleich viele. Ein ähnlicher großer Saalbau bestand auch in Friesach, er ist aber bei Felsstürzen weitgehend verschwunden. Das Mauerwerk der Reichenburg ist in diesem Bereich innen weniger sorgfältig ausgeführt, es sollte wohl sowieso deckend verputzt werden. Die inneren Strukturen zeigen hier starke Ähnlichkeiten zu Hohensalzburg, Hohenwerfen und Pettau. Es kann insgesamt durchaus angenommen werden, dass in der Reichenburg ein entsprechender PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 2013 großer Saal mit drei Geschoßen geplant war. Er soHte wohl im krönenden Hauptniveau als voluminöser Veranstaltungsraum dienen, während darunter genügend Platz für Wirtschaft und Dienerschaft vorhanden war. Das gegenüber liegende po-tentieHe Feste Haus in der Nordwestecke war demnach wohl dem Erzbischof bzw. seinen Verwaltern vorbehalten, analog zu Hohenwerfen, Hohensalz-burg und Friesach. Palas und Kapelle unter Erzbischof Konrad III. von Wittelsbach (1177-1183) Der geplante Großbau im Hof wurde nie ausgeführt, da entsprechende primär mit dem Bering verzahnte Einbauten fehlen.27 An gleicher Stelle wurde jedoch bald der zweiteilige Bau errichtet, dessen Grundmauern bis heute gut erhalten sind. Er ist an sämtlichen Zuläufen stumpf an den Bering angestellt und durchschneidet auch die 8-teilige Fensterreihe. Aufgrund des sehr ähnlichen Mauerwerks und der hochromanischen Baudetails ist jedoch mit einer baldigen Errichtung bzw. mit einer Planänderung im Baufortschritt zu rechnen. Dieser zweiteilige Neubau besteht aus einem Turm und einem verzahnten Saal.28 In der rechtwinkeligen Talecke des Berings steht der 10 x 12 m große Turm, der die Fernansicht der Burg von weitem dominiert und wohl einen Gegenpol zum vermutlichen Festen Haus gegenüber gebildet hat. Im Inneren ist er zweigeteilt, wobei im Hauptgeschoß in der Südhälfte eine gewölbte Kapelle mit auskragender Apsis untergebracht ist. An der heute einheitlichen Südfassade ist anhand des Eckverbandes deutlich zu erkennen, dass der Turm einst merklich über den anschließenden Saal geragt hat. Ahnlich wie im zeitgleichen Turm von Friesach29 könnte es hier ein krönendes Repräsentationsgeschoß gegeben haben. Im Westen schließt etwas schmäler der 16 m lange Saalbau an, dessen Breite von 10 m durch den alten Turm bestimmt wird, da er dessen Mauern teilweise als Wand mitgenutzt hat.30 Der Bau war 28 27 Für diesen potentiellen großen Saalbau hätte man vermutlich auch den zentralen Turm wieder abbrechen müssen, eine Maßnahme die man wohl im Laufe der Arbeiten lieber vermieden hat. Die Verzahnung von Turm und Saalbau ist nicht nur am Mauerwerk sondern auch an den primären abgestimmten Zugängen gut ablesbar. 29 Dort wurde um 1170/80 der Kapellenbau aufgestockt und mit detailreichen Biforenfenstern ausgestattet. 30 Dabei ist durchaus fraglich, ob der alte Turm in dieser Phase noch bestanden hat oder nur seine Südwand lokal bewahrt wurde. Ahnliches ist vereinzelt festzustellen, etwa auf Burg Starhemberg. Der Turm war bereits im Hochmittelalter weder nötig (es gab ja das hohe Gebäude am Eingang - Festes Haus, als auch bereits den Kapellenturm) noch war seine zentrale Position im Burghof dienlich. somit innen etwa gleich lang wie das Feste Haus, jedoch etwas schmäler. Durch einen filigranen Überfangbogen wird das 2. Untergeschoß in zwei Teile geteilt. Darüber hat man sich wohl eine darauf gestellte Raumteilung vorzustellen, die nicht erhalten blieb. Typologisch finden sich zu dieser Saal-TurmKombination an Salzburger Anlagen zahlreiche Analogien. Zunächst ist für den Turm der sogenannte Gebhardsbau von Friesach zu nennen. Auch er misst etwa 10 m Seitenlänge und hat eine Zweiteilung. In der nördlichen Hälfte gab es eine Kapelle mit leicht auskragender Apsis, exakt gleich (aber spiegelverkehrt) zur Reichenburg. Die Fresken der zweiten Ausstattungsphase datieren dort in die Zeit um 1140, der Turm selbst mag jedoch noch ins späte 11. oder frühe 12. Jahrhundert gehören. Nach Felsabstürzen musste der Turm teilweise aufgegeben werden, man errichtete daneben das bereits genannte Feste Haus und setzte eine Kapelle mit ebenfalls auskragender Apsis hinein. Diese Kapelle wurde erst im Rahmen eines Umbaus mit einem zweijochigen Gewölbe versehen, das exakt zur Reichenburg passt. Die Wandvorlagen mit dem zentralen Halbrundprofil, die (in Reichenburg stark fragmentierten) Basen und Kämpfer sowie der zentrale Gurtbogen sind hervorragend vergleichbar. Einen wertvollen Hinweis zur Datierung bieten die charakteristischen Kapitelle des Gurtbogens, die mit den aufgesetzten Ranken mit Floralmotiven bemerkenswert gut mit entsprechenden Kapitellen bzw. einem Tympanon im Regensburger Salzburger Hof vergleichbar sind (siehe unten). Dort finden sich auch Gegenstücke zu den kelchförmigen weit ausladenden Kapitellen mit Rollwerk des aufsitzenden Repräsentationsgeschoßes. Aufgrund der sicheren Zuordnung zu exakt datierten Bauten um 1170/80 darf hier eine ähnliche Datierung vermutet werden. Auch in der steirischen Burg Leibnitz wurde in eine isoliert rechtwinkelige Beringecke sekundär ein etwa 12 x 13 m großer Turm eingestellt, der durch eine Binnenmauer zweigeteilt ist. Obwohl keine Funktion überliefert ist, macht die Ausrichtung nach Osten und die Verwendung von sorgfältigen Rundbogenportalen eine Kapelle im Obergeschoß wahrscheinlich31 (eine einst auskragende Apsis ist durchaus möglich aber durch den lokalen flächigen Verputz nicht nachzuweisen), aufgrund des Großquadermauerwerks, der hochromanischen Baudetails und der weiteren Bauchronologie kann die 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts angenommen werden. 31 Erstmals erwähnt wird eine Burgkapelle 1170 als sancti Mychahelis in castro, vgl. Amon, Die Bedeutung von Seggau, S. 34. 2013 PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 K^apellentürme mit auskragender Apsis an Salzburger Burgen sowie am kaiserlichen Trifels. Auch der Salzburger Hof in Regensburg besaß einen vergleichbaren Bau. In der Residenzstadt der bayerischen Herzöge stand einer der wichtigsten Repräsentationsbauten der Salzburger Erzbischöfe. Er wurde 1893-95 abgebrochen, weshalb von ihm heute nur spärliche Spolienreste erhalten sind. Es gibt aber exakte historische Grundrisse, Pläne und Fotos sowie eine detailreiche Baudokumentation.32 Der Nordtrakt der vierflügeligen Anlage bestand demnach aus einem langen Saalbau sowie einem 11 m breiten quadratischen Turm. Dieser war zweigeteilt und besaß im Obergeschoß eine Kapelle mit auskragender Apsis. Der Raum hatte ein zwei-jochiges Gewölbe mit zentralem Gurtbogen und gestuften Wandvorlagen. Damit finden sich auch hier eindeutige Parallelen zur Reichenburg. Aufgrund der zahlreich erhaltenen Bauplastik gilt die Datierung in 1170er bzw. 1180 er Jahre als gesichert. In Regensburg findet sich auch die historische Erklärung für das repräsentative Bauprogramm dieser Zeit. Erzbischof Konrad III. von Wittelsbach (1177-1183) 33 war Bruder des Herzogs und zeitweilig päpstlicher Legat in Bayern und später für ganz Deutschland. Er legte die vorigen schweren Zerwürfnisse Salzburgs mit Bayern dank seiner verwandtschaftlichen Beziehungen bei und brachte somit eine Wende der Kirchenpolitik vom Gegner 32 Pohlig, Eine verschwundene Bischofspfalz, S. 6, sowie folgend Simon, Studien, S. 261; Strobel, Zur Baugeschichte, S. 241 ff; Paulus, Der Salzburger Hof, S. 96 ff. 33 Strobel, Zur Baugeschichte, S. 251. zum Bündnispartner mit dem Herzog sowie mit Kaiser Barbarossa. Konrad III. startete in seiner kurzen Amtszeit den Domneubau von Salzburg, der als größter und prächtigster seiner Art in Deutschland in die Geschichte eingehen sollte und dessen Gewölbe mit exakt vergleichbaren Wandvorlagen und Gurten sicher als Vorbilder dienten. Dieser Dom wird als Teil eines akkordierten Programms der Wittelsbacher Politik gesehen. Auch der bemerkenswert prächtige Ausbau des Salzburger Hofes in Regensburg zu einer pfalz-ähnlichen Anlage kann als Bestandteil eines politisch motivierten Baupro-grammes vermutet werden, wodurch der herrschaftliche sowie geistliche Machtanspruch der Familie Wittelsbach architektonisch manifestiert werden sollte. Die vergleichbaren fortschrittlichen Turmkapellen von Friesach, Leibnitz (?) und Reichenburg folgen wohl ebenfalls dieser Intention. Typologisch sind neben der zweijochigen Kapelle auch die geteilte Struktur des Turms sowie der verzahnte Saalbau interessant. In Friesach und Regensburg sind im zweiten Turmteil Vorräume nachvollziehbar, ein solcher wird auch in Reichenburg bestanden haben. Das erklärt auch das große Portal, das von dort aus in den Saal führt, perfekt vergleichbar wiederum mit der Situierung des Kapellenportals in Friesach. Die Anlage eines Vorraums ist für diese Zeit äußerst selten und überregional isoliert. Das Erzbistum stand damit auf der vollen Höhe seiner Zeit und orientierte sich sicher an zeitgleichen Klosterbauten. PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 2013 Der Saal selbst, der programmatisch auf gleicher Höhe wie die benachbarte Kapelle lag, diente für offizielle Anlässe der Repräsentation und Rechtsprechung. Er war somit Teil der öffentlichen Herrschaftsausübung, die unter den Wittelsbachern unter höheren räumlichen Ansprüchen stattfand. Dem entgegen konnte das ältere Feste Haus nunmehr als rein privater Wohnbereich dienen. Insgesamt zeigten also die Salzburger Kapellentürme von Friesach, Reichenburg und Regensburg sowie vielleicht auch Werfen und Leibnitz im ausgehenden 12. Jahrhundert im bemerkenswerten Gleichklang auskragende Apsiden. Ihnen folgten politisch zuordenbare Bauten in Hörberg und später Friedau, aber auch adelige Bauten in Regensburg, Lobeda, Landsberg, Eggenburg und Rastenberg sowie des Herzogs von Österreich in Gutenstein. Eine spannende Parallele bietet der Hauptturm der kaiserlichen Burg Trifels, der um 1170/90 in geplanter Kombination mit einem großen Palas errichtet wurde.34 Der Bau gilt als ein Höhepunkt staufischer Burgenbaukunst, der als demonstrativer Prunkbau des Kaisers eingestuft wird. Die Konzeption des Turms zeigt einen längsrechteckigen kompakten Kubus, der im Mittelgeschoß eine gewölbte Kapelle mit auskragender Apsis birgt. Darüber befindet sich ein weiteres Geschoß. Die unteren Ebenen sind durch ein komplexes Treppensystem verbunden, das zwei getrennte Aufgänge in den Kapellenvorraum ermöglicht. Die Abmessungen von 9,2 x 12,7 m bedeuten ein Proportionsverhältnis von etwa 3:4,35 daraus lässt sich weiters eine überlegte Maßgrundlage für den angrenzenden Palasbau erschließen. Die Details der Bauplastik weisen auf eine direkte Verwandtschaft mit dem Ostchor des Kaiserdoms von Worms um 1170. Der Trifels - ein programmatischer Vorzeigebau des Kaisertums - mag somit als Vorbild für die kurz danach oder gleichzeitig entstandenen Salzburger Kapellentürme und ihre verzahnten Saalbauten im Sinne einer bildlichen Annäherung von Reich und Kirche gedient haben.36 Zusammenfasung Betrachtet man die zahlreichen Parallelen der hochmittelalterlichen Reichenburg mit anderen 34 Vgl. Meyer, Burg Trifels, S. 623 f. 35 Meyer, Burg Trifels, S. 494. 36 Im Hof der Reichenburg finden sich geringe Reste weiterer hochmittelalterlicher Bauten. Sie sind jedoch schwach dimensioniert und dürften untergeordnete Bedeutung gehabt haben. Zudem sind sie stark fragmentiert und reichen nicht für eine übergeordnete Beurteilung aus. Die weiteren Bauphasen der Reichenburg zählen bereits in deutlich spätere Zeit als die Salzburger Burgen keine derart engen Zusammenhänge mehr aufwiesen, daher soll die Behandlung dieser Teile in diesem Beitrag ausgelassen werden. Salzburger Burganlagen, so ist ihre Anzahl und Vielfalt bemerkenswert. Architektonisch, baukünstlerisch und handwerklich finden sich enge Verwandtschaften, was für die Burgenforschung äußerst selten ist. Während im sakralen Schaffen Bauhütten, lokale Traditionen und geschlossene Bildhauergruppen längst belegt sind, war das für den Burgenbau im Mitteleuropa des 12. Jahrhunderts bislang kaum der Fall. Das Salzburger Erzbistum konnte wohl durch das Zurückgreifen auf am Kirchenbau geschulte Planer und Handwerker früh eine systematische überregionale Organisation durchführen, wie sie im zielgerichteten Reformbestreben der Bauherren durchaus zu erwarten war. Dabei zeigen sich sogar einzelne Entwicklungsetappen. Setzte man im südlichen Raum offenbar zunächst auf die Errichtung von großen Wehrtürmen, wechselte man dann zu polygonalen Ringmauern mit dominanten Festen Häusern, um sich schließlich repräsentativen Saal- und Kapellenbauten zu widmen. In der Spätromanik sollten unter Erzbischof Eberhard II. (1200-1246) weitere konzertierte Burgengruppen mit der Ausbildung von rechtwinkeligen Kernanlagen und abgetrennten Verwalterbereichen folgen. Der Burgenbau des Erzbistums war also Teil eines politischen Systems zur Erlangung und Bewahrung von Herrschaftsrechten. Dabei besetzte man aber nicht nur strategisch gelegene Posten mit sicheren Stützpunkten, sondern orientierte sich architektonisch programmatisch an den zeitgenössischen Prunkbauten des landesfürstlichen Hochadels. Im 12. Jahrhundert sind neben den Festen Häusern vor allem die Saal-Kapellen-Kombinationen zu beachten. Diese Grunddisposition prägte seit dem Frühmittelalter sowohl den Pfalzenbau der Könige und Kaiser als auch den Residenzbau der (Erz-) Bischöfe des Reiches. Das scheint durchaus programmatisch, galten die Bischöfe doch zunächst auch als Vertreter des Königs. Vor allem unter den Saliern (1024-1125) entwickelte sich ein auffallend enger Baukanon, der aus einem großen Hof, dem Palas und einer Palastkapelle bestand. Mit der Erhebung Lothars III. zum staufischen König 1125 kam es zu einer Renaissance der königlichen Pfalzenkultur, deren architektonischer Glanz das im Investiturstreit beeinträchtigte Bild des Herrschers wieder aufleben lassen sollte. In direktem Rückgriff auf karolingische bzw. salische Bautraditionen wurde vor allem Goslar zu einer aufwändigen Halle mit flankierenden Palaskapellen erweitert. Dabei wurden die alten Prinzipien von rechten Winkeln und Achsialität wieder aufgegriffen. Lothar war durch massives Lobbying der Erzbischöfe von Mainz und Trier im Sinne der römischen Kurie an die Macht gekommen, seine Lieblingspfalz in Goslar kann daher durchaus als prinzipielles Vorbild für die Salzburger Bauten gedient haben. Unter den 2013 PATRICK SCHICHT: DIE REICHENBURG ALS BESTANDTEIL DES HOCHMITTELALTERLICHEN BURGENBAUS ..., 461-474 Wittelsbachern war endgültig der politische Rahmen gegeben, im Kreis der weltlichen Großen des Reiches baulich neue Maßstäbe zu setzen. Darin zeigte sich der hohe Anspruch der Erzbischöfe als Stellvertreter der päpstlichen Partei im Reich, aber wohl auch ihr eigener, gar nicht so demütiger Charakter. Die Salzburger Hauptresidenzen Ho-hensalzburg, Hohenwerfen, Regensburg und Friesach standen dabei sicher im Fokus, aber gerade die Reichenburg zeigt, dass der hohe repräsentative Anspruch und die herausragende architektonische und handwerkliche Qualität auch an den Außenposten der Besitzungen des Erzbistums deutlich vor Augen geführt wurden. LITERATUR Amon, Karl: Die Bedeutung von Seggau für Bistum und Diözese Seckau. Schloss Seggau (Her. K^aindl et alii), Geschichte, Architektur und Kunst der s^teirischen Bischofsburg. Graz 1997, S. 28—47. Böhme, Horst-Wolfgang: Burgen der Salierzeit in Hessen. Rheinland Pfalz und im Saarland, Die Salier — Burgen der Salierzeit, Bd. 2, Sigmaringen 1991, S. 7—80. Dopsch, Heinz, Robert Hoffmann: Geschichte der Sta^dt Salzburg. Salzburg, 1996. Dopsch, Heinz: Anfang und Aufstieg — vom bayrischen Erzbistum zum Land Salzburg. 1200 Jahre Erzbistum Salzburg. Salzburg, 1998, S. 27— 58. Dopsch, Heinz: Gebhard (1060—1088), weder Gre-gorianer noch Reformer. 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POVZETEK Grad Rajhenburg kot sestavni del grajske gradbene dejavnosti salzburških nadškofov v visokem srednjem veku Ob opazovanju številnih vzporednic med viso-kosrednjeveškim Rajhenburgom in drugimi salz-burškimi gradovi nas preseneti njihovo število in raznolikost. Tesne povezave zasledimo tako na področju arhitekture, stavbarstva kot rokodelstva, kar je pri raziskavah gradov zelo redko. Medtem ko je za sakralno ustvarjanje že dolgo dokazan obstoj stav-barskih delavnic, lokalnih tradicij in zaprtih skupin kiparjev, tega pri gradnji gradov v Srednji Evropi 12. stoletja do sedaj skoraj nismo zasledili. Ker je salzburška nadškofija razpolagala z načrtovalci in rokodelci, izučenimi ob gradnji cerkva, ji je že zgodaj uspelo ustvariti sistematično nadregionalno organizacijo, ki je služila ciljem reformnih teženj graditeljev. Pri tem lahko opazimo celo posamezne razvojne stopnje. Na jugu so očitno sprva gradili velike obrambne stolpe, nato so prešli na večstra-nična obodna obzidja z dominantnimi utrjenimi hišami, končno pa so se posvetili reprezentančnim dvoranam in kapelam. V pozni romaniki so za časa nadškofa Eberharda II. (1200-1246) sledile nadaljnje med seboj usklajene skupine gradov s pravokotnimi stavbnimi jedri in ločenimi upravnimi deli. Gradnja gradov salzburške nadškofije je bila torej del političnega sistema, ki naj bi služil vzposta- vitvi in ohranjanju gospostvenih pravic. Pri tem niso zasedli le strateško pomembnih položajev z varnimi oporišči, temveč so se glede arhitektonskega programa zgledovali po takratnih reprezentančnih zgradbah deželnoknežjega visokega plemstva. V 12. stoletju je treba biti poleg na utrjene hiše pozoren zlasti na kombinacijo dvorane in kapele. Ta osnovna zasnova je bila od zgodnjega srednjega veka dalje značilna tako za gradnje kraljevskih in cesarskih dvorov kot tudi za škofijske in nadškofijske rezi-denčne gradnje v Svetem rimskem cesarstvu. Zdi se, da gre za povsem programsko odločitev, saj so škofi sprva veljali za predstavnika kralja. Zlasti za časa Salijcev (1024-1125) se je razvil ostro začrtani gradbeni kanon, ki je dopuščal veliko dvorišče, palacij in grajsko kapelo. Ko je bil Lotar III. leta 1125 povzdignjen v staufovskega kralja, je prišlo do renesanse kraljevske dvorske kulture, ki naj bi s svojo bleščečo arhitekturo popravila podobo vladarja, skaljeno zaradi investiturnega boja. Z neposrednim poseganjem po karolinški oziroma salijski gradbeni tradiciji so zlasti v Goslarju grad razširili z bogato dvorano in stranskimi kapelami. Pri tem so ponovno upoštevali stari načeli pravega kota in aksialnosti. Lotar je z močno podporo nadškofov iz Mainza in Trierja prišel na oblast v smislu rimske kurije in zelo verjetno je, da je prav njegov najljubši dvor v Goslarju postal vzor za salzburške gradnje. Pod Wittelsbachi pa se je dokončno izoblikoval tisti politični okvir, ki je svetni gospodi v cesarstvu omogočal uresničevanje novih meril na področju stavbarstva. Do izraza prihajajo visoke zahteve nadškofov kot namestnikov papeške stranke v cesarstvu, pa tudi njihov lastni, prav nič ponižni značaj. V središču pozornosti so bile seveda glavne rezidence salzburškega nadškofa Hohensalzburg, Hohen-werfen, Regensburg in Breže (Friesach), toda prav primer gradu Rajhenburg kaže, da so nadškofi pripisovali velik pomen visoki stopnji reprezentativnosti ter odlični kvaliteti arhitektonskih in rokodelskih del tudi pri grajskih zgradbah na obrobju svojih posesti.