AUFGABEN EINER ‘ZIELORIENTIERTEN GEOGRAPHISCHEN LANDESKUNDE’ Klaus Wolf* Abstract Im Artikel sind die theoretischen Ausgangspunkte der modernen Landeskunde darge-stellet; ihre Ausrichtung, ihre Komplexität, sowie auch ihre Aufgaben und Verwendbarkeit. Das Ziel der wissenschaftlichen Literatur, was auch für die Landeskunde gültig ist, ist die Wissenschaft für Teil der alltäglichen Kultur zu machen. NALOGE ‘CILJNO USMERJENE REGIONALNE GEOGRAFIJE’ Izvleček V članku smo predstavili teoretična izhodišča moderne regionalne geografije, njeno usmerjenost in kompleksnost, kakor tudi njene naloge in uporabnost. Cilj znanstvene literature je, kar pa velja tudi /.a regionalno geografijo, da napravi znanost za del vsakdanje kulture. Zielorientierte geographische Landeskunde als Titel umreißt die Thematik und Programmatik der Ausführungen. Der Begriff zielorientiert steht nicht zuletzt deshalb am Anfang, weil er verstanden wird als Synonym für Theoretische Grundlegung der Landeskunde. Aufgaben bedeutet in diesem Kontext die daraus abzuleitenden Methoden, Bewertungen und Operationalisierung der theoretischen Grundlegung für die Landeskunde und schließlich: geographische Landeskunde meint, daß Landeskunde insgesamt ein nicht nur von der Geographie belegtes Fach ist, daß die geographische Landeskunde als Anwendungsfeld theoriegeleiteter geographischer Forschung das Handeln der Menschen im räumlichen, im regionalen Kontext analysiert und zielgerichtet, d.h. adressenadäquat bewertet und konzeptionell vermittelt. Das Dreieck Ziel Aul'gaben-Geographische Landeskunde steht in einem gegenseitigen Feedback-Effekt. Dabei ist Landeskunde zu verstehen, ich wiederhole es noch einmal etwas anders formuliert, als zu vermittelnde fragen- und zielgrup-penorientierte Territorialkenntnis als Grundlage für regionales Handeln, also ein oder das wesentliche Anwendungsfeld der wissenschaftlichen Geographie. * Prof., dr., Johan Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt am Main, Nemčija. Um diese Aufgabe zu erfüllen, müssen die Ziele oder theoretischen Grundlegungen der Landeskunde oder regionalen Geographie danach fragen, sollen, um dieses Ziel zu erreichen, nur vergangenheitsbezogen beschreibende Theorien verwandt werden oder müssen nicht auch erklärende Theorien der Raumentwicklung herangezogen werden oder muß ich nicht besonders theoretisch über die zukünftige Entwicklung des Raumes/der Region nachdenken, d.h. müssen nicht auch konzeptionelle oder normative theoretische Konzepte mitgedacht werden? Das oder die Ziele der geographischen Landeskunde müssen also sein, um es noch einmal ganz klar zu formulieren, eine Region oder Regionen unter einem bestimmten Ziel, auf ein bestimmtes Ziel hin zu analysieren. Diese Ansätze finden sich schon seit den 80er Jahren in der sog. ‘New Regional Geography’ (vgl. etwa GILBERT 1988; JOHNSTON u.a. 1990), die regionale Geographie als Beziehungsgeflecht sozialer Akteure in einer materiellen Umgebung versteht und interpretiert. Das Zusammenspiel ökonomischer Produktion, kultureller Muster und politischer Beziehungen und Machtausübung in der Auseinandersetzung, vor dem Hintergrund natürlicher Ressourcen sind Gegenstand der Analyse. Ohne Kenntnis von Theorien über die Vernetzungsmechanismen dieser Bereiche ist moderne Landeskunde, die nicht nur subjektiv eklektisch beschreibt, nicht vorstellbar. D.h. aber auch, daß zur Analyse eines Erdausschnitts am Anfang klar und deutlich definiert werden muß, für welchen Verwendungszusammenhang die Analyse betrieben, die Kenntnisse vermittelt werden sollen. Daraus ergibt sich, welche der theoretischen Konstrukte für die Analyse und konzeptionelle Anwendung herangezogen werden müssen. Es ist z. B. zu prüfen, ob die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen im Zentrum der Fragestellung stehen soll und daher Wirtschaftsstufen-Theorien zur Analyse ausreichen oder ob nicht eher, gerade hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen Ansätze wie der Regulationsansatz, der sich um den Entwicklungszusammenhang von Wachstumsstruktur und Koordinationsmechanismen der Handelnden kümmert, herangezogen werden muß, um die regionale Analyse zu strukturieren. Steht die Analyse der Struktur und des Prozesses der sozial und regional handelnden Individuen im Vordergrund des Interesses, müssen eher theoretische Konzepte, die ich hier einmal verkürzt als Milieu-orientierte oder Lebensstil-Konzepte bezeichnen möchte, die Untersuchung bestimmen. Keinesfalls ist aber ausgeschlossen, daß neben diesen zu viel diskutierten Ansätzen auch bewährte, etwa der Neo-Klassik im Bereich der Wirtschaft oder des aktionsräumlichen Verhaltens oder der Zeit-Geo-graphie im Individualbereich herangezogen werden könnten, wenn sie zur Analyse der regionalen Lebensraumstrukturen beitragen. Im Bereich kultureller und politischer Analyse regionaler Strukturen und Prozesse können auch theoretische Ansätze zum Tragen kommen, die ich ‘weltorientiert’ oder ‘global’ nennen möchte, die deutlich machen, wie Entwicklungen im regionalen Maßstab von globalen Vernetzungen, etwa im Bereich der Politischen Entscheidungen abhängen. Hier liegt für mich ein ganz bedeutendes Forschungs- und Anwendungsfeld moderner Landeskunde unter dem etwa umformulierten Schlagwort: ‘Global handeln — regional und lokal wirken’. Jedenfalls, moderne Landeskunde kann Territorial-Analyse nur in Kenntnis und unter Heranziehung der theoretischen sozialwissenschaftlichen Grundlagen betreiben, um handlungsorientierte Erkenntnisse zu gewinnen. Ganz wichtig dabei ist, daß der Naturraum, besser die naturräumliche Situation im Sinne einer umfassenden Definition des Ökologie-Begriffs und unter der Prämisse der Bewahrung, Erhaltung, der Vorsorge in diese Handlungskonzepte eingebaut wird. Das Verhältnis menschlichen Handelns zum natürlichen Raum, der Kenntnisse der naturräumlichen Situation, der Folgen menschlichen Handelns auf die naturräumliche Situation ist je nach zu beantwortender Fragestellung in Zukunft wesentlich stärker vernetzend von der zielorientierten geographsichen Landeskunde zu thematisieren als bisher. Aus den Zielen vor dem Hintergrund der theoretischen Auseinandersetzung ergeben sich damit die Aufgaben im Sinne der Durchführung der zielorientierten Analyse. Vielleicht ist deutlich geworden, daß die Ziele auf Grund der heterogenen Zielgruppen recht vielfältig sein können, daher auch die anzuwendenden Theorien dementsprechend angepaßt werden müssen. Ebenso verhält es sich mit den heranzuziehenden Methoden, um diese Aufgaben zu bewältigen. Es kann keine monadenhafte Festlegung auf einen lnstrumentenkasten geben; vielmehr sind Anpassungsstrategien in der Anwendung der Verfahren verlangt. Sie reichen von den schon klassischen Techniken der empirischen Sozialforschung bis zu den qualitativen Verfahren des Verstehens, mit denen z.B. sowohl im Bereich der Institutionen als auch der Individuen am ehesten handlungsintendierende Zielsetzungen der Akteure analysiert werden können. Alle Analysen dürfen aber nicht aus den Augen verlieren, daß sie nicht zum Selbstzweck unternommen werden, sondern eben auf ein vorher definiertes Ziel hin, das handlungsorientiert sein und sich an einer Leitidee orientieren sollte. Solche Leitideen sollten entwickelt werden aus dem gesellschaftlichen Kontext: der Umgang des Menschen in seinem Handeln mit seiner jeweiligen regionalen ökologischen Situation, d.h. den natürlichen und sozialen Lebensraum des Menschen vernetzend, würde etwa einer solchen Leitidee entsprechen. Für die konkrete Fragestellung kann dann durchaus ein ‘kreativer Pragmatismus’ ausschlaggebend sein, der Abnehmerorientiert, nachfrage- orientiert ist und etwa in seinem Bezug zur Anwendung politikberatend sein kann oder sein sollte. Die Bearbeitung der Fragestellung muß aber dann den zuvor aufgestellten Forderungen entsprechen: theoriegeleitet im gesellschaftlichen Kontext und handlungszielorien-tiert entsprechend der Nachfrage. Eingangs wies ich darauf hin, daß die Forschungsfelder der Landeskunde den Bereichen der ökologischen Situation, der ökonomischen Produktion, kulturellen Mustern und politischen Beziehungen entstammen können oder sollten. Es ist nun sicher auch Aufgabe der Landeskunde, auf dem Wege des kreativen Pragmatismus Forschungs- und Bearbeitungsfelder zu definieren und zu bearbeiten, die im regionalen Maßstab konzeptionelle Aktualität besitzen und eine gesellschaftliche Akzeptanz vermuten lassen. Einige solcher Felder will ich nennen, damit nicht der Vorwurf kommt, das ‘Theo-retisieren’ nutze nichts, wenn nicht gesagt würde, wo denn Forschungs- und Beratungsbedarf bestehe: Ich meine, besonders folgende Felder seien von eminenter Wichtigkeit: - einmal die Globalisierung/Internationalisierung von Entscheidungsprozessen, die raumrelevante Veränderungen im europäischen, im nationalen, regionalen und lokalen Maßstab bedingen und die analysiert werden müssen, - dann die Regionalisierung/Regionalität als intraregionale und interregionale Fragestellung sowohl hinsichtlich der Entscheidungsebenen der Institutionen, der Unternehmen und der Individuen, - schließlich, die naturräumlichen Ressourcen mit einbeziehend die Bearbeitung von Fragestellungen, die ich trotz aller schlagwortartigen Unschärfe als ‘nachhaltige Entwicklung von Regionen’ bezeichnen möchte. Innerhalb dieser Felder sind eine Fülle von geselIschafts- und raumrelevanten Fragestellungen enthalten, die ebenfalls einer intensiveren Analyse harren: ohne Prioritäten zu setzen, will ich auch hier einige nennen: - räumliche Auswirkungen des soziodemographischen Wandels (Überalterung, Wanderung, Mulitkulturalität), Technologischer Wandel und Raumentwicklung (virtuelle Wirklichkeiten!), Wandel des Siedlungssystems (Städtenetze, Regionsverbünde) - persönliche Lebensraumgestaltung als Anpassung an nachhaltige Entwicklung oder deren Konterkarierung (Hedonismus). Diese sicher nicht vollständige Liste von Forschungsfeldern und Fragestellungen könnte bei ihrer Bearbeitung durch die Landeskunde mit den hier vorgetragenen Verfahren durchaus verdeutlichen, daß geographische Landeskunde als Anwendung klassischer geographischer Forschung nicht nur gesellschaftsbezogene Themenfelder besetzen, sondern auch handlungsberatend bearbeiten kann. In diesem Sinne wäre auch jede Ausbildung, die diese Forschungsfelder und Fragestellungen in der gerade beschriebenen Weise in der Lehre zum Inhalt hat, gleichzeitig ein Stück Vorbereitung auf das berufsbezogene Handeln, das bisher zumindest so noch nicht genügend von den anwendungsorientierten Forschungseinrichtungen vermittelt wird. Wie die genannten Forschungsfelder ein breites Spektrum raumbezogener gesellschaftlicher Wirklichkeit in Mitteleuropa abbilden, eröffnet die Beschäftigung mit diesen Fragestellungen und die adäquate Vermittlung der Ergebnisse dieser Beschäftigung auch ein breites Feld anwendungsorientierter Tätigkeiten und Handlungsfelder. Es ist nun Aufgabe der sich mit der Landeskunde in diesem zeitgemäßen Sinn Beschäftigenden, nicht nur die wissenschaftliche Kompetenz zu dokumentieren, sondern die Ergebnisse dieser Kompetenz auch zu popularisieren und sie nicht Inkompetenten zu überlassen. Die anwendungsrelevanten Ergebnisse müssen in dem Sinne öffentlich gemacht werden, daß die Öffentlichkeit, durchaus zielgruppenorientiert differenzierend, über die wissenschaftlichen Ergebnisse informiert wird, aber nicht nur das, sondern daß daraus auch, im Sinne der eingangs dargelegten Gedankenkette, leitbildorientierte Stellungnahmen, verkürzt ausgedrückt, zur Lebensraumgestaltung abgegeben werden. Landeskunde als Politikberatung! Zugegeben, dazu bedarf es nicht nur der beschriebenen Wissenschaftskompetenz, sondern auch der Notwendigkeit, Erkenntnisse entsprechend medial zu vermitteln. Gold-Schnitt-Atlanten und Folianten sind im Zeitalter der ‘virtuellen Wirklichkeiten’ dazu vielleicht nicht mehr allein geeignet. Landeskunde muß also nicht nur über das Forschungs- sondern auch über das Vermittlungsdesign viel stärker nachdenken. MADDOX, Hrsg. von ‘nature’, dem wohl renommiertesten Wissenschaftsmagazin, hat in einem kürzlich erschienenen FOCUS-Interview (Nr. 39/1994, v. 26.09.1994, S. 211) dazu folgendes gesagt: “Es kommt nicht darauf an, mehr oder andere Wissenschaftsmagazine zu machen. Vielmehr muß man über Wissenschaft so schreiben können, daß es nicht wie Wissenschaft aussieht. Das darf nicht didaktisch sein und alles mögliche erklären wollen. Junge Leute möchten nicht bevormundet werden. Das große Ziel des Wissenschaftsjournalismus müßte sein, Wissenschaft zu einem Teil der alltäglichen Kultur zu machen.” Für die Landeskunde kann die Folgerung nur heißen: wissenschaftliche geographische Landeskunde muß zu einem Teil alltäglicher Kultur gemacht werden! Literatur Gilbert, A., 1988: The new regional geography in English- and French-speaking countries. In: Progress in Human Geography, 12, 1988, S. 208-228. Johnston, R.J. u.a., (Ed.), 1990: Regional Geography. Current developments and future prospects. London and New York. Povzetek Pod regionalno geografijo (Geographische Landeskunde) razumemo regionalno in ciljno usmerjeno proučevanje učinkov delovanja človeka v prostoru. Regijo je treba analizirati z nekim osnovnim ciljem, pri čemer morajo regionalne analize součinkovanja ekonomske proizvodnje, kulturnega okolja ter političnih odnosov, sloneti na poznavanju naravnih pogojev. Brez poznavanja teorij mehanizmov povezovanja teh področij si moderne regionalne geografije ni mogoče predstavljati. Vprašanje pa je, katere prvine naj bodo v ospredju regionalne analize. Pri tem je pomembno, da morajo pri obravnavi družbenih in političnih dogajanj biti ustrezno zastopane ekološke vsebine. Raziskovalno področje regionalne geografije mora vključevati ekološko stanje, gospodarsko proizvodnjo, kulturno okolje in politične odnose. Po pomembnosti pa še posebej izstopajo: analiza globalizacije (internalizacija) odločujočih procesov, ki vplivajo v evropskem, nacionalnem, regionalnem in lokalnem obsegu na spremembe; regionalizacija/regionalnost kot intra in interregionalno vprašanje in celo vplivov inštitucij, podjetij in posameznika; končno naravni pogoji, ki morajo biti vključeni v proučevanje, glede na njihovo pomembnost pri oblikovanju regij. Znotraj teh polj je vrsta družbenih in prostorskih relevantnih vprašanj pomembnih za oblikovanje regij. Med temi zahtevajo intenzivno analizo: prostorska razširjenost socialnogeografskih sprememb (ostarelost prebivalstva, selitve, multikulturnost), — tehnološki in prostorski razvoj, — razvoj naselbinskega omrežja, prilagajanje osebnega življenja splošnemu razvoju. Ne le ukvarjanje z gornjo problematiko, ampak tudi popularizacija rezultatov teh prizadevanj je naloga regionalne geografije. Regionalna geografija naj ne bo le raziskovalno področje, ampak naj veliko bolj razmišlja o svoji uporabnosti. Velik cilj znanstvenega pisanja mora biti narediti znanost za del vsakodnevne kulture. Za regionalno geografijo pa to pomeni, da mora z znanstveno regionalno geografijo postati del vsakodnevne kulture. Prevedel Mirko Pak