Biedermeier in Slowenien Mit dem Biedermeier in Slowenien hat sich die slowenische Musikwissenschaft wenig beschäftigt. Darum gibt es auch noch keine speziellen Untersuchungen zu diesem Zeitabschnitt. Vor 32 Jahren fand in Ljubljana eine Ausstellung über Wohnkultur des Biedermeier in Slowenien statt. Diese Ausstellung zeigte, daß damals, also im Jahre 1967, in vielen Laibacher Bürgerwohnungen der Biedermeierstil noch immer lebendig und erstaunlich modern war.1 Der historische Rahmen der Epoche umfaßt den Abzug der Franzosen aus den slowenischen Ländern 1813 und damit das Ende des Staates Illyrische Provinzen mit der Haupstadt Ljubljana bis hin zur Märzrevolution im Jahre 1848. Darum können wir hier allgemeinen Feststellungen,2 die für die damalige österreichische Monarchie gelten, auch für Slowenien verwenden. Der Wiener Kongreß im Jahre 1814 kann als Ausgangspunkt für diese Zeit gelten. Der „Wiener Schmäh“ sah die damalige Konferenz zur Neuaufteilung Europas so: Der Zar von Rußland liebt für alle, der König von Preußen denkt für alle, der König von Bayern trinkt für alle, der König von Württemberg frißt für alle und der Kaiser von Österreich zahlt für alle ... Das alles dauerte so lange, bis Napoleon sein Exil Elba verließ und in Paris einzumarschieren begann. Der Wiener Kongreß glich plötzlich einem aufgescheuchten Hühnerhaufen. Zwar dauerte Napoleons Comeback nur ein paar Monate, aber die Monarchen Europas wissen, daß man die Zeit nicht mehr zurückdrehen kann. Die Revolution ist ein Virus, der jederzeit wieder aktiv werden kann. „Die Fürsten fuhren nun eine Doppelstrategie: auf einer Seite wurde der Informationsfluß gestoppt; eine strenge Zensur, ein umfassendes Spitzelsystem und eine allgegenwärtige Geheimpolizei schnitten das Bürgertum von der Versorgung mit liberalen Ideen ab. Auf der anderen Seite lockte man dieses Bürgertum mit Plüsch, Walzer und Kitsch immer tiefer in seine so romantisch, hübsch und heimelig gewordene innere Welt hinein ... Herr Biedermeier genoß die Erhabenheit seines romantischen Geistes und den Stolz auf seine pausenlos zur Schau gestellte Rechtschafjenheit vorzugsweise hinter seiner Haustür. Er mochte Hausmusik, ist ein liebevoller Familienvater, ein zuverlässiger Ernährer seiner Kinder, ein unermüdlicher Verkünder aller Weisheiten aus der Welt vor der Haustür. Er war der treu sorgende Ehemann einer Frau, die in ihrer Rolle als Leib- und Seelenpflegerin für Kinder und Ehemann ihren göttlichen und einzigen Auftrag sieht ... Die Bücher freiheitlicher Philosophen werden durch vaterländisches und christliches Erbauungsschrifttum ersetzt, der süßliche Liebesroman verdrängte die erotische Literatur …“3 Für Ljubljana war das Biedermeier die Zeit des größten slowenischen Dichters France Prešeren (1800-1849), die Zeit der Maler Joef Tominc (1790-1866) aus Gorica (Görz), 142 PRIMO KURET (1935) 1 Marija eleznik, Stanovanjska kultura v bidermajerski dobi v Ljubljani. [Biedermeierliche Wohnkultur in Ljubljana.] Razstava v ljubljanskem Mestnem muzeju. [Ausstellung im Stadt-museum in Ljubljana.] Mestni muzej Ljubljana 1967. 2 Vgl. z.B. Horst Heussner, „Das Biedermeier in der Musik“, in: Die Musikforschung 12 (1959) S. 422-431; Carl Dahlhaus, „Romantik und Biedermeier“, in: Archiv für Musikwissenschaft 31 (1974) S. 22-41. 3 Reinhold Dörrzapf, Eros, Ehe, Hosenteufel. München 1998, S. 291-297. Mateu Langus (1792-1855) und Mihael Stroj (1803-1871).4 Hier kann ich die freundschaftlichen Kontakte zwischen France Prešeren und dem österreichischen Dichter Anastasius Grün (Pseudonym für Anton Alexander Graf Auersperg), der 1806 in Ljubljana geboren wurde und 1876 in Graz starb, erwähnen. Grün hat sogar slowe-nische Literatur übersetzt. Das war natürlich alles noch in der Zeit, als der Nationalismus noch nicht so stark ausgeprägt war wie etwas später. Dann hat sich diese idyllische Situation verändert. Die österreichische Zentrale war zuerst gegenüber den Slowenen toleranter, mit konkreten nationalen Forderungen haben sich diese Standpunkte aber bald geändert. Ljubljana hat sich als Stadt in dieser Zeit schnell entwickelt und bekam ihre erste Allee und viele neue Brücken, 1820 die erste Sparkasse, 1831 das erste Museum und 1839 einen Museumsverein. In Ljubljana gab es ein Lyzeum mit Lehrstühlen für Philosophie, Theologie und Chirurgie. Lehrstühle in Lizeen für slowenische Sprache waren neben Ljubljana noch in (Graz, etwas später in Gorica (Görz). In Ljubljana erschienen verschiedene Zeitungen und Zeitschriften in deutscher Sprache, aber auch mit slowenischen Beiträgen: So z.B. erschien ein Teil der Lieder Prešerens im Illyrischen Blatt und in Carniolia. Die slowenischen Lublanske Novice aus dem Jahre 1797, die nur drei Jahre erschienen, haben ihre Nachfolgerin erst im Jahre 1843 bekommen. Sonst gab es in der Stadt ein Standestheater, das gerade in dieser Zeit vergrößert wurde. Dort spielten verschiedene italienische und später besonders deutsche Theatergruppen nicht nur gesprochene Stücke, sondern auch Opern. So wurde die alte Tradition aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts fortgesetzt. Ljubljana hat in dieser Zeit fast alle bedeutsamen Vertreter der italienischen (Rossini, Donizetti, Bellini), französischen (Auber, Hérold, Boieldieu) und deutschen (Weber, Kreutzer, Lortzing, Flotow) Opern kennengelernt. Besonders wichtig war das Wirken der Philharmonischen Gesellschaft, die im Jahre 1794 gegründet wurde und nach dem Abzug der Franzosen im Jahre 1813 wieder größere Aktivitäten unternommen hat. Nach Haydn im Jahre 1800 wurde 1819 Ludwig van Beethoven zum Ehrenmitglied der Laibacher Philharmonischen Gesellschaft ernannt. Er hat sich für diese Ehre auch brieflich bedankt. Neben Beethoven wurde auch Niccolo Paganini im Jahre 1824 Ehrenmitglied, so wie viele andere heimische und fremde Künstler. Der außerordentliche Anklang, den das Auftreten der Gesellschaft und ihre Tätigkeit in Ljubljana gefunden hat, verhalf zum Selbstvertrauen und veranlaßte, ohne Überheblichkeit, zu großer Achtung vor den errungenen Leistungen. Viele Künstler kamen nach Ljubljana und es wurde ihnen das Ehrendiplom der Gesellschaft überreicht.5 Nach dem Sieg über Napoleon trafen Europas Herrscher zu vielen Konferenzen zusammen. Eine Konferenz fand auch in Ljubljana statt und ist als „Laibacher Kongreß“ in die Geschichte eingegangen. In dieser Zeit, also in der ersten Hälfte des Jahres 1821, haben besonders viele künstlerische Ereignisse stattgefunden. Neben einer Menge von eigenen Konzerten der Philharmonischen Gesellschaft wurden italienische Operngesellschaften eingeladen; Rossini war auch in Ljubljana der beliebteste Komponist 143 Biedermeier in Slowenien 4 Barbara Jaki, »Bidermajersko slikarstvo iz zbirke Narodne galerije v Ljubljani« [Biedermeiermalerei in der Nationalgalerie in Ljubljana], in: Slovensko bidermajersko slikarstvo. [Ausstellung Slowenische Biedermeiermaierei in Zagreb.] Zagreb 1998. 5 Primo Kuret, „Die Rolle und die Tätigkeit der Philharmonischen Gesellschaft in Ljubljana“, in: Norbert Dubowy und Sören Meyer-Eller (Hg.), Festschrift Rudolf Bockholdt zum 60. Geburtstag. Pfaffenhofen 1990, S. 367-377. dieser Zeit. Von acht verschiedenen Opern waren sieben von Rossini. Kaiser Franz hat seine gekrönten Gäste mit vielen unterhaltsamen Veranstaltungen erfreut. An solchen Gelegenheiten nahmen auch die vornehmen Laibacher Bürger teil. Nach dieser glücklichen Zeit haben sich die Verhältnisse verschlechtert, es war wieder zu wenig Geld für das Theater und die Kunst vorhanden. Aber der künstlerische Leiter der Philharmonischen Gesellschaft, Gašpar Mašek, und seine Frau, die Opernsängerin Amalie Horny Mašek, gründeten eine heimische Operngesellschaft und führten viele Werke in Ljubljana auf. Leider dauerte auch diese Aktivität nicht sehr lange, obwohl sie als ein Beweis für das Kunstinteresse der Laibacher Bürger gelten werden kann. Mašek bemühte sich auch um die Aufführung slowenischer Lieder und Stücke. Slowenische Lieder wurden zum Teil in deutsche Komödien eingegliedert, wie das Lustspiel des Schauspielers Grambach Laibach in einem andern Welttheile zeigt. Auch die Philharmonische Gesellschaft mußte schwere Kristenzeitcn erleben, obwohl sie ihre Tätigkeit nie unterbrochen hat. Die Stadt hatte um 1848 ca. 20.000 Einwohner. Typisch für diese Zeit ist z.B. das von Joef Tominc gemalte Bild der Familie Moscon (Fröhlich) aus dem Jahre 1829, wo im Salon mit einem runden Tisch ein Aquarium mit Goldfischen ein größeres Sofa, Stühle und zwei Vitrinen zu sehen sind. Aul dem Tisch sind kostbare Glaswaren, Porzellan usw. War im 17. Jahrhundert das Bett das beherrschende Möbelstück des Hauses, ist es nun das Wohnzimmersofa, was auch das Bild von Tominc beweist. Laibacher Bürger besaßen alle Errungenschaften des zeitgenössischen Wohnstandards, obwohl manchmal in einer bescheidenen Form. Gerade in der Biedermeierzeit etablierte und verbreiterte sich die Schicht jener Bürger, die einen beträchtlich höheren Wohnstandard hatte. Ihre Wohnkultur und Lebensweise waren von den Vorbildern in Wien und vom jeweiligen Vermögen abhängig. Die „leichte“ Musik, das Kultivieren des Wohndekors und die Erscheinung der populären Kultur bilden das Wesen und die typische Identität des Biedermeier auch in Slowenien.6 August Leinbein dichtete schon im Jahre 1812 folgende Verse:7 Als der Großvater die Großmutter nahm, Da wußte man nichts von Mamsell und Madam. Die züchtige Jungfrau, das häusliche Weib, Sie waren echt deutsch noch an Seele und Leib. Als der Großvater die Großmutter nahm, Da herrschte noch sittig verschleierte Scham. Man trug sich fein, ehrbar und fand es nicht schön, In griechischer Nacktheit auf Straßen zu gehn. Als der Großvater die Großmutter nahm, Da war ihr die Wirtschaft kein widriger Kram. 144 PRIMO KURET (1935) 6 eleznik, siehe Anm. 1, S. 37. 7 Vgl. Georg Hermann, Das Biedermeier im Spiegel seinerzeit. Berlin 1913. Sie las nicht Romane, sie ging vor dem Herde, Und mehr war ein Kind als ein Schoßhund ihr wert. Als der Großvater die Großmutter nahm, Da war es ein Biedermann, den sie bekam. Ein Handschlag zu jener hochrühmlichen Zeit Galt mehr als im heutigen Leben ein Eid. Als der Großvater die Großmutter nahm, Da war noch die Tatkraft der Männer nicht lahm. Der weibliche Zierling, der feige Phantast Ward selbst von den Frauen verhöhnt und gehaßt. Als der Großvater die Großmutter nahm, Da rief auch der Vaterlandsfreund O, gäbe den Deutschen ein holdes Geschink Die glücklichen Großvatcrzeitcn zurück. In Ljubljana wirkte in dieser Zeit eine Reihe heimischer Amateurkomponisten, die besonders Tänze („Deutsche“) komponierten. Dieser Tanz – der „Deutsche“ – war in den dreißiger Jahren aktuell; man tanzte ihn überall in der Karnevalszeit und auch zwischen den Akten im Theater (so z.B. am 14. januar 1836: „In den Zwischenakten werden neue Redout-Deutsche vom sämmtli- chen Orchester-Personale aufgeführt“). Josef Bosizio, ein Mitglied der Philharmonischen Gesellschaft und Amateur-Komponist, schrieb Laibacher Redoute-Deutsche für den Karneval des Jahres 1831 und widmete sie Maria Wagner geb. Schmidhammer. Schon zuvor hat Johann Carl Fischer von Wildensee für die Karnevalszeit komponiert, und zwar Redout-Deutsche für Klavier. Fischer war auch der Autor zweier Liederhefte mit Klavierbegleitung unter dem Titel Steyrische Alpengesänge. Der dritte Autor von Tänzen war Valentin Clementschitsch (Klemenèiè). Sein Werk Redout Deutsche widmete er der Gräfin Auersperg geb. Wolkensperg. Ähnliches komponierte Baron Louis Lazarini, auch ein Mitglied der Philharmonischen Gesellschaft (6 Redout Deutsche mit Trios für den Carneval 1825 zu Laybach; Sechs Laybacher Schiessstatt Deutsche mit Trios für den Carneval 1827; und VI Laibacher Redout Deutsche mit Trios für das Fortepiano für den Carneval 1830). Deutsche aus dem Jahre 1827 widmete er „allen Herrn Schützen und Jägern in Laibach“. Neben diesen Werken sind noch Märsche, Ländler und Cottilions fürs Pianoforte mit Begleitung einer Violine, Baronin Cecila von Lichtenberg gewidmet, bekannt. In seiner Zeit sehr bekannt war Leopold Ledinek (Ledenig) als Sänger, Geiger, Kapellmeister und einflußreiches Mitglied der Philharmonischen Gesellschaft. Er schrieb Sechs Laibacher Redout Deutsche samt Trios für den Carneval des Jahres 1828 und 145 Biedermeier in Slowenien Laibacher Redout-Deutsche mit Trios für das Jahr 1810 ... für das Piano-Forte eingerichtet. Diese „Deutschen“ mußten damals sehr beliebt gewesen sein. In den Quellen finden wir viele solcher Werke, auch von unbekannten Komponisten. Andere Tänze schrieben z. B. Carl Burger (Brücken-Fest-Quadrille für das Piano-Forte von 1843), der Lehrer Janez K. Dragatin (Laibacher Congressplatz-Walzer, Ringellocken-Walzer samt einem Lieblingsmarsche; Ruinenwalzer von Hochosterwitz für Klavier) oder Anton Ahcin, Maler, Dichter, Geiger und Komponist.8 Werke, die man als „biedermeierlch“ bezeichnen kann, schrieben damals viele Komponisten, eile als Musiker in Ljubljana wirkten, so z.B. Gašpar Mašek (1794-1873), Kapellmeister der Philharmonischen Gesellschaft und Lehrer, oder Jurij Mihevec (Micheuz, Micheaux, 1805-1882). Mihevec wurde in Ljubljana geboren, lebte in Wien und in Paris, wo er auch starb. Seine erste Komposition hat Mihevec für den Laibacher Kongreß im Jahre 1821 geschrieben: Marche militaire. Composée en 1821a l’occasion du Congres a Laybach. Besonders in Wien entstanden viele erfolgreiche Salonstücke wie Etüden, Polonaisen, Romanzen, Walzer (Der elegante Wiener. Grande valse originale et elegante). François Joseph Fétis bezeichnete ihn als „compositeur d’oeuvres legeres“. Für den Laibacher Bürgermeister Janez Nep. Hradecki hat er Sechs neue brillante Original Laibacher Schießstatt Deutsche geschrieben (1826). Eine seiner Kompositionen heißt llliriens Tange (1834).9 In diesem Milieu komponierte auch Alois Ipavitz (Ipavec), der aus einer in Slowenien sehr bekannten Ärzte- und Komponistenfamilie stammte. Er wurde am 20. Mai 1815 geboren, eben gerade in jener Zeit, in der das Biedermeier begonnen hat. Er war der Erstgeborene des „wundertätigen Wundarztes“ Franc Ipavec (1776-1858) aus Šentjur (St. Georg bei Cilli) und seiner Ehefrau Katarina geb. Schweighofer. Gemäß der Familientradition wurde auch Alois Ipavec Arzt. Den Titel Doktor der Medizin erwarb er an der Wiener Universität im Jahr 1844, den Titel Doktor der Chirurgie kurz vor seinem Tode am 17. Juli 1849. Er war Militäroberarzt im ungarischen Györ, wo er an Typhus erkrankte. Unbewacht sprang er aus dem dritten Stock des Krankenhauses und hat sich auf diese Weise umgebracht.10 Seine Kompositionen finden wir heute in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek bzw. der Wiener Stadt- und Landesbibliothek. Alois besuchte das Gymnasium in Celje (Cilli) Ende der zwanziger Jahre. Sein Lehrer könnte der führende Dichter des deutsch-österreichischen Biedermeier, Johann Gabriel Seidl, gewesen sein, denn dieser unterichtete dort in der Zeit von 1829 bis 1840. Zuerst studierte Ipavec in Graz, wo auch seine Schwester Jeanette, „die Schwester der Schneeglöckchen“, nach dem Walzer ihres Bruder genannt, lebte. Ipavec mußte in Graz als Komponist der leichten Muse ziemlich bekannt gewesen sein, was in der Zeit eines Johann Strauß Vater oder Josef Lanner nicht leicht war, obwohl alle Schichten des Volkes in der Biedermeierzeit überaus tanzlustig waren. Die Kompositionen von Ipavec sind bei Wiener Verlegern wie Diabelli oder Mollo am Graben, erschienen. Sem bereits genannter Walzer Schneeglöckchen wurde auch im k. k. 146 PRIMO KURET (1935) 8 Darüber mehr in: Dragotin Cvetko, Zgodovina glasbene umetnosti na Slovenskem II. [Die Geschichte der Musik in Slowenien II.] Ljubljana 1959. 9 Vgl. Lucijan Marija Škerjanc, Jurij Mihevec. Ljubljana 1957. 10 Igor Grdina, »Skrivnostni Ipavec« [Der geheimnnisvolle Ipavec], in: Zgodovina za vse [Geschichte für alle] 4/2 (1997) S. 43-58. Augarten von Kapellmeister Franz Morelly aufgeführt. Mäzene und Gönner des Komponisten in Wien waren sein Onkel Johann (bzw. Jean) Schweighofer, „comissaire des guerres au Service de Sa Mojeste I.R. Apostel. Autriche etc. etc“, weiter Johanna von Huze, geb. von Zinzenfels, Emma Gräfin von Wickenburg, die Palastdame Ihrer Majestät der Kaiserin von Österreich und Sternkreuzordensdame, und Emilia von Gasperini. Das musikalische (Euvre von Ipavec ist nicht umfangreich, doch die angesehenen Verleger seiner Kompositionen sowie die meist adeligen Gönner beweisen, daß er sehr erfolgreich war. Wir kennen heute nur noch einige seiner Walzerkränze, wobei der vielbeachtete Schneeglöckchen-Walzer op. 4 besonders beliebt gewesen sein muß. Außerdem sind auch einige virtuosere Konzertstücke Im Klavier Wie Phantasien in Form einer Polonaise op. 8 oder Trauungsmarsch, dann Heimath-Klänge op. 5, Sirenen-Walter op. 6, Versöhnungs-Galopp op. 7, weiter ein im Stile Schuberts verfaßtes Lied Fahre wohl sowie die einstimmige Weise zum slowenischen Text Škerjanèek (Die Lerche) erhalten. Sein Trauermarsch erschien als Musikbeilage im zweiten Jahrgang der Wochenzeitschrilt Musikalisches Wochenblatt in Graz. Op. 4, 5 und 6 sind Walzerkränze mit je fünf Walzern und einer Introduktion und Coda, wie es in dieser Zeit üblich war. Auch Josef Lanner verteidigte seine künsderische Freiheit mit einer fünfteiligen Walzerfolge wie z.B. dem Mitternachts-Walzer, die als musikalischer Typ charakteristisch ist. Lanner war einer der erfolgreichsten Komponisten dieser Zeit wie etwas später Johann Strauß Vater. Auch die Typologie der Titel dieser Werke zeigt das sentimentale Gefühl des damaligen Wiener Lebens. Gerade der Walzer, der erst in der Biedermeierzeit von Wien ausgehend allgemein durchdrang, fügte sich mit seinen stärkeren, lebensfreudigen Rhythmen in die Tanzgepflogenheiten ein und änderte das gesamte Bild des Tanzens. Auch für Alois Ipavec war er die Hauptgattung seines Schaffens. Die Werke von Ipavec offenbaren einen romantisch ausgerichteten Komponisten, in dessen Werk Elemente der bürgerlichen Biedermeierzeit auftreten wie bei vielen Komponisten dieser Zeit. Seine Heimath-Klänge beweisen, daß für ihn das Wort „Heimat“ kein abstrakter Begriff war, obwohl man auf der anderen Seite auch nicht sagen kann, daß er schon politisch gedacht hat, nämlich politisch im Sinne der etwas später einsetzenden nationalen Bewegung. Das Komponieren war aber nicht sein Beruf. Wir wissen auch nicht, wo er Musik studiert hat. Die Zeitgenossen bewunderten jedenfalls sein großes Mnsiktalent; z.B. hörte er zweimal die Ouvertüre aus Meyerbeers Robert der Teufel und konnte sie schon auswendig spielen. Die Familie Ipavec leistete im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen außerordentlichen schöpferischen Beitrag zur slowenischen Musik.11 Ich kann hier den Bruder Benjamin (1829-1908), der viele Lieder, Chöre und die romantische Oper Teharski plemièi (Die Adeligen von Teharje) schrieb, erwähnen. Diese Oper erlebte ihre ersten Aufführungen in Ljubljana und im mährischen Brno. Der zweite Bruder Gustav (1831-1908) war Autor vieler national bestimmter Chöre und der Neffe Josip Ipavec (1873-1921) schuf das erste slowenische Ballett Hampelmännchen (1900) und die Oper Prinzessin Tollkopf (1909). Die Nichten von Alois, Benjamin und Gustav, die Schwestern 147 Biedermeier in Slowenien 11 Vgl. Primo Kuret, Ipavci. Šentjur 1994. Tschampa, waren im Ersten Österreichischen Damenquartett führend, das in den Jahren 1880 bis 1890 in ganz Europa gastierte. In der Familie galt Alois als der begabteste. Viel weniger wissen wir über Charles François Preschern, den Sohn von Franc Preschern, aus Brezovica in der Nähe von Ljubljana. Dieser Franz wurde im Jahr 1802 geboren und war ein sehr reicher Laibacher Bürger. Er bekam den adeligen Titel Preschern Ritter von Heldenfeld. Er verkaufte seinen Besitz und lebte dann in Wien, Graz und Triest. Seine beide Söhne, Franz und Johann, besuchten zu Beginn der vierziger Jahre das Gymnasium in Koper (Capodistria). Sehr wahrscheinlich war sein Sohn Franz der Komponist der meisten Klavierwerke, wie etwa Souvenir de Triest. Nocturne pour le Piano op. 1, und noch weiterer bekannter Werke, die sich heute in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek bzw. im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befinden.12 Sonst ist über das Leben von Preschern nichts bekannt. Seine Werke sind wiederum Salonwerke, eigentlich späteste Biedermeierzeit-Werke, die auch in Wien (z.B. Chansons sans Paroles pour le Piano op. 4 bei Gustav Albrecht, Spänglergasse No. 426) erschienen sind. Das Revolutionsjahr 1848 hat seinen Widerhall auch in Slowenien gefunden. Proklamiert wurde das Programm des „Vereinten Sloweniens“, das eine größere Autonomie und Vereinigung aller Kronländer, in denen Slowenen lebten, forderte. Auf musikalischem Gebiet sind viele neue Lieder, Märsche und ähnliche Werke, die das Geschehen der Zeit zeigten, entstanden. Noch wichtiger aber ist, daß die slowenische Musik eine neue Funktion bekam, nämlich in Sinne eines nationalen Bewußtseins zu wirken. Damit begann die eigentliche Entwicklung der slowenischen Musik, die aber in vielen Einzelheiten noch immer biedermeierliche Züge zeigte. Aber das ist schon ein neues Kapitel. Objavljeno v: Vergessene Komponisten des Biedermeier. Wissenschaftliche Tagung. Herausgegeben von Andrea Harrandt un Erich Wolfgang Partsch. Tutzing, Hans Schneider, 2000. (Wiener veröffentlichungen zur Musikwissenschaft, 38). Str. 105–114. 148 PRIMO KURET (1935) 12 Vgl. Dragotin Cvetko, Zgodovina glasbene umetnosti na Slovenskem III [Die Geschichte der Musik in Slowenien III]. Ljubljana 1960, S. 120f. und Slovenski biografski leksikon [Slowenisches Biographisches Lexikon] Heft 8, S. 516. Povzetek Bidermajer na Slovenskem Bidermajer je oznaka za ivljenjski oziroma umetniški slog srednjeevropske mešèanske kulture, razširjen med letoma 1813 in 1848, predvsem v nekdanji Avstriji in Nemèiji. V slovensko umetnost je prodiral z Dunaja in se vidno uveljavil v uporabni umetnosti, slikarstvu in arhitekturi. Slednja je z znaèilnim prilagajanjem mešèanskim potrebam polega klasicizma kazala tudi prvine neogotike in neorenesanse. Najveèji razcvet je v èasu bidermajerja na Slovenskem dosegla mešèanska arhitektura (npr. Souvanova hiša v Ljubljani, Linhartova hiša v Radovljici); v tem èasu se je zaèelo tudi urejanje javnih zelenih površin (park Zvezda v Ljubljani). V uporabni umetnosti (npr. v stanovanjski opremi) so prevladovale preproste klasicistiène oblike enostavnih in gladkih linij brez odveènega okrasja. - Ljubljano so v èasu bidermajerja zaznamovali veliki slovenski pesnik France Prešeren (1800–1849) ter slikarji Joef Tominc (1790–1866) iz Gorice, Matev Langus (1792–1855) in Mihael Stroj (1803 –1871). To je bil tudi èas zaèetkov slovenskega narodnega prebujanja, ki ga dunajska vlada ni ovirala. Medsebojni odnosi so se zares zaostrili v drugi polovici 19. stoletja. (Edo Škulj) 149 Biedermeier in Slowenien